Besteuerung als Grundlage für Demokratie und Rechtsstaat [1 ed.] 9783428589517, 9783428189519

Steuern gelten als »Preis der Freiheit« und notwendiges Finanzierungsinstrument moderner demokratischer Staaten. Wie abe

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Besteuerung als Grundlage für Demokratie und Rechtsstaat [1 ed.]
 9783428589517, 9783428189519

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Schriften zum Steuerrecht Band 189

Besteuerung als Grundlage für Demokratie und Rechtsstaat Von

Martin Sumper

Duncker & Humblot · Berlin

MARTIN SUMPER

Besteuerung als Grundlage für Demokratie und Rechtsstaat

S c h r i f t e n z u m St e u e r r e c ht Band 189

Besteuerung als Grundlage für Demokratie und Rechtsstaat Von

Martin Sumper

Duncker & Humblot · Berlin

Die Karl-Franzens-Universität Graz hat diese Arbeit im Jahr 2021 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2023 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, 97222 Rimpar Druck: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany

ISSN 0582-0235 ISBN 978-3-428-18951-9 (Print) ISBN 978-3-428-58951-7 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im März 2021 von der Karl-Franzens-Universität Graz als Dissertation angenommen. Das Werk wurde im Dezember 2021 mit dem Best of REWI-Dissertationspreis der Karl-Franzens-Universität Graz und im Juni 2022 mit dem Forschungspreis der Kammer der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Steiermark ausgezeichnet. Diese Publikationsfassung der Dissertationsschrift wurde leicht überarbeitet und um aktuelle Judikatur sowie Literatur ergänzt. Mein herzlicher Dank gilt Frau Univ.-Prof. Dr. Tina Ehrke-Rabel für die engagierte Betreuung, stetige Förderung und zahlreichen inspirierenden Anregungen während des Verfassens dieser Arbeit. Bei Herrn Univ.-Prof. Dr. Richard Sturn bedanke ich mich sehr für seine finanzwissenschaftlichen Denkanstöße. Mein größter Dank gilt meinen Eltern, die mir diese Ausbildung ermöglicht und mich auf meinem bisherigen Lebensweg sowie bei allen meinen Entscheidungen immer voll unterstützt haben. Ihnen widme ich diese Arbeit. Graz, im Juli 2023

Dr. Martin Sumper

Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Einleitung und Aufbau der Arbeit

23

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 B. Methodik und Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

Kapitel 2 Steuern, Demokratie und Rechtsstaat als Kern des modernen Staatswesens

28

A. Steuern – Begriffsdefinition, Wesen und Rolle bei der Staatsbildung . . . . . . . . . . . . . 28 I.

Steuern als Bestandteil des menschlichen Zusammenlebens . . . . . . . . . . . . . . . . 28

II. III.

Besteuerung als „Geburtshelfer“ des modernen (Steuer-)Staates . . . . . . . . . . . . 29 Strukturmerkmale des heutigen Steuerstaates nach Isensee . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

B. Demokratie – Begriffsdefinition und Wesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 I.

Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

II.

Von der elektoralen zur liberalen Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

C. Rechtsstaat – Begriffsdefinition und Wesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 I. II.

Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Vom formellen zum materiellen Rechtsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

III.

Liberale Demokratie und materieller Rechtsstaat als Einheit . . . . . . . . . . . . . . . 40

D. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 E. Das Zusammenspiel von Steuern, Demokratie und Rechtsstaat in Österreich . . . . . . . 42 I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 II.

Der Steuerbegriff der österreichischen Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

III. IV.

Das liberale Demokratie- und Rechtsstaatsverständnis des B-VG . . . . . . . . . . . . 44 Zwischenergebnis und weitere Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

F. Österreich als rechtsstaatlicher und liberaldemokratischer Steuerstaat . . . . . . . . . . . . . 48 I. Besteuerung, Demokratie und Rechtsstaat als Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 II.

Exkurs: Die Ausgabenseite des Staatshaushaltes in Österreich . . . . . . . . . . . . . . 51

III.

Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

G. Ergebnis und weitere Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

8

Inhaltsverzeichnis Kapitel 3 Die Wechselbeziehungen von Besteuerung und Demokratie

55

A. Besteuerung als historische Triebfeder der Demokratisierung des Westens . . . . . . . . . 55 I.

„tax bargaining“ als Keimzelle politischer Repräsentation . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

II. III.

Steuern als Zündstoff für Revolutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Exkurs: Entwicklungen in nicht-westlichen Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

IV.

Zwischenfazit und weitere Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

B. Herausforderungen an die Besteuerung im demokratischen Steuerstaat . . . . . . . . . . . . 62 I.

Die repräsentative Demokratie als unvollkommener Schutz für den Bürger . . . . 62

II.

„Schlechte“ Besteuerung schadet der Steuerehrlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

C. Steuern und Steuerwiderstand als Faktoren für eine stabile Demokratie . . . . . . . . . . . 69 I. II.

Die demokratiepolitische Funktion von Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Steuerwiderstand schadet der Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

D. Inhaltliche Vorgaben der Besteuerung als Fundamente einer guten Besteuerung und einer stabilen Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 I. Die Notwendigkeit von inhaltlichen Vorgaben für die Besteuerung . . . . . . . . . . 75 II.

Die Finanzwissenschaft als geeignetes Medium für materielle Vorgaben der Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76

E. Ergebnis und weitere Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 I.

Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

II.

Fragestellung und Vorgehensweise für die weitere Untersuchung . . . . . . . . . . . . 79

Kapitel 4 Die finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien

80

A. Die finanzwissenschaftlichen Prinzipien einer „guten“ Besteuerung – Zweck, Funktionsweise und Wesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 B. Das Verhältnis von Besteuerungsprinzipien und Grundrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 I. II.

Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Das Wesen von Grundrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

III.

Der Gleichheitssatz als Blankett . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

IV.

Die Eigentums- und Erwerbsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

C. Auswahl von konkreten finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien . . . . . . . . . 87 I. II.

Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Die Übernahme von finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien durch die OECD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 1. Überblick über das BEPS-Projekt der OECD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 2. Die „Grundprinzipien der Besteuerung“ des OECD-Aktionspunkts 1 . . . . . . 89

Inhaltsverzeichnis III.

9

Gründe für die Auswahl der finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien der OECD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

D. Ergebnis und weitere Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 I. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 II.

Weitere Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

Kapitel 5 Rechtsprinzip, Rechtsregel und „policy“ – Grundbegriffe der Prinzipientheorie

94

A. Prinzipien und Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 B. „policies“ als politische Ziele nach Dworkin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 I.

Das Wesen von „policies“ nach Dworkin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

II.

Prüfung von Dworkins Policy-Konzept an VfSlg 20.185/2017 . . . . . . . . . . . . . . 100 1. Kernpunkte von VfSlg 20.185/2017 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 2. Würdigung in Hinblick auf Dworkins Policy-Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

III.

Dworkins „policies“ und der österreichische VfGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 1. Regelmäßige gesellschaftspolitische Argumentation des VfGH . . . . . . . . . . . 102 2. VfGH als „Hüter der Verfassung“ und gesellschaftspolitischer Akteur . . . . . 104

IV.

Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

C. Ergebnis und weitere Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 I. II.

Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Weitere Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

Kapitel 6 Zwischenschritt: Besteuerungsprinzipien, „policies“ und Rechtsprinzipien

109

A. Besteuerungsprinzipien als „policies“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 B. Besteuerungsprinzipien als Rechtsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 I. Von der „policy“ zum Rechtsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 II.

Zur Reichweite von Besteuerungsprinzipien in Form von Rechtsprinzipien . . . . 110

C. Ergebnis und weitere Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 I.

Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

II.

Weitere Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

10

Inhaltsverzeichnis Kapitel 7 Die Besteuerungsprinzipien der Gerechtigkeit und Effizienz

112

A. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 B. Das Besteuerungsprinzip der Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 I. Das OECD-Prinzip der Gerechtigkeit und seine finanzwissenschaftlichen Wurzeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 1. Das Gerechtigkeitsprinzip der OECD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

II.

2. Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Gerechtigkeitsideal in Finanz- und Steuerrechtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Das Leistungsfähigkeitsprinzip im österreichischen Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . 116 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 2. Das Leistungsfähigkeitsprinzip und seine „Subprinzipien“ nach der herrschenden Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 3. Rechtsgrundlage des Leistungsfähigkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 4. Das Leistungsfähigkeitsprinzip als „Ordnungsprinzip“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 5. Das Leistungsfähigkeitsprinzip als „Irrweg“ nach Gassner/Michael Lang . . . 122 6. Zwischenfazit und weitere Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 a) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 b) Weitere Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

C. Das OECD-Besteuerungsprinzip der Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 I.

Ausdifferenzierung des Besteuerungsprinzips der Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . 125 1. Die drei finanzwissenschaftlichen Effizienzaspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 2. Effizienz der Steuererhebung als relevanter Kostenfaktor . . . . . . . . . . . . . . . . 127

II.

3. Weitere Vorgehensweise zur Prüfung der Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Das verfassungsrechtliche Effizienzprinzip des österreichischen B-VG . . . . . . . 129

III.

Der steuerrechtliche Aspekt des verfassungsrechtlichen Effizienzprinzips . . . . . 133 1. Effizienzprinzip und Steuergesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 2. Effizienzprinzip und Steuerverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 3. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

IV.

Zwischenergebnis und weitere Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

D. Die rechtstheoretische Analyse des Leistungsfähigkeits- und Effizienzprinzips . . . . . 138 I. II.

Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 Keine vollständige Verwirklichung des Leistungsfähigkeitsprinzips . . . . . . . . . . 138

III.

Das verfassungsrechtliche Effizienzprinzip als Optimierungsgebot . . . . . . . . . . 141

IV.

Ausgewählte Judikaturbeispiele zur Anwendung der Rechtsprinzipien der Leistungsfähigkeit und Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 2. VfSlg 18.549/2008 – Steuerbefreiung von Trinkgeldern . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

Inhaltsverzeichnis

11

3. VfSlg 19.412/2011 – Ausweitung der KESt-Pflicht für Kapitalanlagen . . . . . 146 a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 b) Erkenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 4. Das relative Gewicht von Effizienzüberlegungen vor dem Hintergrund von Pauschalierungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 5. VfSlg 19.933/2014 – Beschränkte Abzugsfähigkeit von Managergehältern 150 V.

Zwischenfazit und weitere Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 1. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 2. Weitere Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152

E. Der Geltungsgrund des Rechtsprinzips der Leistungsfähigkeit in der österreichischen Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 I. Rechtsprinzipien und Rechtsgeltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 II.

Geltungsgrund nach Dworkin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 1. Rechtsprinzipien als angemessene Gebote der Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . 154 2. Das Leistungsfähigkeitsprinzip als moralisches Gebot mit institutionellem Rückhalt im Sinne von Dworkin? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 a) Moralphilosophische Wurzeln des Leistungsfähigkeitsprinzips . . . . . . . . . 156 b) „institutional support“ für das Leistungsfähigkeitsprinzip in Österreich . . 158 c) Zwischenergebnis: Leistungsfähigkeit als moralisches Prinzip mit institutioneller Stützung in Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161

III.

Die Geltung des Leistungsfähigkeitsprinzips als Rechtsprinzip nach Alexy und Bydlinski . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 2. Die Geltung des Leistungsfähigkeitsprinzips nach Alexy . . . . . . . . . . . . . . . . 162 a) Alexys Ausführungen zur Rechtsgeltung von Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . 162 b) Erprobung von Alexy an VfSlg 18.031/2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 3. Die Geltung des Leistungsfähigkeitsprinzips nach Bydlinski . . . . . . . . . . . . . 165 a) Bydlinskis Ausführungen zur Rechtsgeltung von Prinzipien . . . . . . . . . . . 165 b) Erprobung von Bydlinskis Thesen am Leistungsfähigkeitsprinzip . . . . . . . 166 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167

IV.

Ergebnis zur Rechtsgeltung des Leistungsfähigkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . 167

F. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168

Kapitel 8 Das Besteuerungsprinzip der Effizienz für mitwirkungspflichtige Dritte und den Steuerpflichtigen selbst 169 A. Effizienz für mitwirkungspflichtige Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 I.

Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

12

Inhaltsverzeichnis II.

Historischer Ursprung und Zweck der Mitwirkungspflichten Dritter im Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

III.

Mitwirkungspflicht Dritter im österreichischen Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 170 1. Lohn- und Kapitalertragsteuerabzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 2. Ausdifferenzierung der Grenzen von Mitwirkungspflichten Dritter . . . . . . . . 172 3. Die Grenzen von Mitwirkungspflichten Dritter und das Sachlichkeitsgebot des Gleichheitssatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

IV.

Rechtstheoretische Analyse der Grenzen der Mitwirkungspflichten . . . . . . . . . . 177

V.

Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

B. Die Effizienz für den Steuerpflichtigen selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 I. II.

Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 Senkung der Compliance-Kosten für den Steuerpflichtigen als steuerpolitisches Thema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182

Kapitel 9 Das Besteuerungsprinzip der Verständlichkeit

184

A. Das OECD-Prinzip der Verständlichkeit und seine finanzwissenschaftlichen Wurzeln 184 I. Das OECD-Prinzip der „Verlässlichkeit und Verständlichkeit“ . . . . . . . . . . . . . . 184 II.

Die finanz- und steuerrechtswissenschaftliche Forderung nach einer einfachen Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

B. Das Besteuerungsprinzip der Verständlichkeit innerhalb der österreichischen Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 I.

Verständlichkeit als generelle Funktionsvoraussetzung von Rechtsnormen . . . . 187

II.

Die Anforderung an die Verständlichkeit von Normen in der österreichischen Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 1. Die „Denksportjudikatur“ des VfGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 2. Ausdifferenzierung des Gebots der Verständlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 3. Verständlichkeit für wen? Die Frage nach dem Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . 191 4. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194

III.

Rechtstheoretische Analyse des Gebots der Verständlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . 194

C. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

Kapitel 10 Das Besteuerungsprinzip der Praktikabilität bzw. Wirksamkeit

196

A. Das OECD-Prinzip der „Wirksamkeit und Fairness“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

Inhaltsverzeichnis

13

B. Praktikabilität der Besteuerung als finanz- und steuerrechtswissenschaftliche Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 C. Das Prinzip der Praktikabilität der Besteuerung innerhalb des österreichischen Steuerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 I. II.

Die Gleichmäßigkeit der Besteuerung als Vorgabe für die Abgabenverwaltung 198 Praktikabilität als Vorgabe für den Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 1. Vollziehbarkeit von Steuergesetzen als gleichheitsrechtliche Problematik . . . 200

III.

2. Die Gleichmäßigkeit der Besteuerung und der Steuergesetzgeber . . . . . . . . . 204 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206

IV.

Rechtstheoretische Analyse der Praktikabilität der Besteuerung . . . . . . . . . . . . . 207 1. Positivrechtliche Verankerung der Praktikabilität der Besteuerung . . . . . . . . . 207 2. Ausgewählte Judikaturbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 a) Registrierkassenerkenntnis VfSlg 20.065/2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 b) Zinserkenntnis VfSlg 12.922/1991 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 c) Trinkgelderkenntnis VfSlg 18.549/2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 d) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212

D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212

Kapitel 11 Das Besteuerungsprinzip der Flexibilität

213

A. Das Flexibilitätsprinzip der OECD und seine zwei Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 B. Flexibilität der Besteuerung und progressiver Tarif . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 I.

Flexibilität der Besteuerung als finanzwissenschaftliche Vorgabe . . . . . . . . . . . . 214 1. Aktive und passive Flexibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 2. Die progressive Einkommensteuer als automatischer Stabilisator . . . . . . . . . 217

II.

Progressivität der österreichischen Einkommensteuer aus Sicht der Steuerrechtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 1. Begriffsdefinition und ideengeschichtlicher Ursprung der Steuerprogression 219 2. Rechtsgrundlage der Steuerprogression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 3. Rezeption des progressiven Steuertarifs im österreichischen Schrifttum . . . . 223

III.

Rechtstheoretische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 1. VfSlg 14.992/1997 – Die Verknüpfung von Steuerprogression und Leistungsfähigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 2. VfSlg 16.196/2001 – Tarifbegünstigung für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 a) Begründung der Tarifbegünstigung durch den VfGH . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 b) Durchbrechung der allgemeinen Steuerprogression und der Synthetik der Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229

14

Inhaltsverzeichnis 3. Der progressive Tarif als Bestandteil des Rechtsprinzips der Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 IV.

Zwischenfazit zu Flexibilität und Progression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233

C. Flexibilität der Besteuerung und die Technikneutralität des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . 233 I.

Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233

II. III.

Technik – Versuch einer Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Das Spannungsverhältnis von Recht und Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 1. Dynamische Technik versus statisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 2. Technologieneutralität des Rechts als Strategie zur Regulierung zukünftiger Technologien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237

IV.

Steuerrecht und Technikneutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 2. Steuerrecht und technologischer Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240

V.

3. Technik- bzw. Technologieneutralität und Medienneutralität . . . . . . . . . . . . . 242 Technikneutralität, Fiskalzweck und wirtschaftliche Anknüpfung des Steuerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 2. Die Privatökonomie als Anknüpfungspunkt für Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 3. Die wirtschaftliche Ausrichtung des Steuerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 4. Steuerrechtliche Fiskal- und Sozialzwecknormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247

5. Technikneutralität des Steuerrechts in Korrelation mit Fiskalzweck und wirtschaftlicher Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 VI. Ausgewählte Beispiele für technologieneutrales, fiskales Steuerrecht . . . . . . . . 253 1. Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 2. Körperschaftsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 3. Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 4. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 VII. Ausgewählte Beispiele für technologiespezifisches Steuerrecht mit Sozialzweck 258 1. Transportsteuern und Energiesteuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 2. Sonderfall Werbeabgabe und Digitalsteuer: Technologiespezifische Fiskalzwecksteuern? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 a) Werbeabgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 b) Digitalsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 VIII. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 IX. Rechtstheoretische Analyse der Technologieneutralität des Steuerrechts . . . . . . 264 X. Fazit zur Flexibilität und Technikneutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266

Inhaltsverzeichnis

15

Kapitel 12 Das Besteuerungsprinzip der Neutralität

267

A. Das OECD-Besteuerungsprinzip der Neutralität und seine zwei Aspekte . . . . . . . . . . 267 B. Neutralität der Besteuerung in den Wirtschafts- und Rechtswissenschaften . . . . . . . . 268 I. Neutralität der Besteuerung als finanzwissenschaftliche und betriebswirtschaftliche Kategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 II.

Neutralität der Besteuerung aus Sicht der Steuerrechtswissenschaft . . . . . . . . . . 270

C. Unionsrechtliche Vorgaben für die Neutralität der Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 I.

Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274

II. III.

Wettbewerbsneutrale Besteuerung als ein zentrales Ziel der Europäischen Union 274 Der unionsrechtliche Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . 277

D. Besteuerungsneutralität in Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 I. Die Wettbewerbsneutralität der Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 2. Wettbewerbsneutralität der Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 3. Wettbewerbsneutralität von direkten Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 4. Wettbewerbsneutralität der Besteuerung als Konkretisierung des Gleichheitssatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 II.

Rechtsformneutralität der Besteuerung in Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 1. Die Umsatzsteuer als rechtsformneutrale Abgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 2. Rechtsformneutralität und Ertragsteuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 a) Dualismus der Unternehmensbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 b) Rezeption in Schrifttum und Judikatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 c) Rechtsformneutralität, Wettbewerbsneutralität und Gleichheitssatz . . . . . . 292

III.

Rechtstheoretische Analyse der Neutralität der Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . 294 1. Wettbewerbsneutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 a) Die Wettbewerbsneutralität als Rechtsprinzip? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 b) VfSlg 12.326/1990 – zulässige Wettbewerbsverzerrungen im DBA-Recht 295 c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 2. Rechtsformneutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 a) Die Rechtsformneutralität als Rechtsprinzip? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 b) VfSlg 9516/1982 – unzulässige Differenzierung zwischen Kapitalgesellschaften und Genossenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300

E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300

16

Inhaltsverzeichnis Kapitel 13 Das Besteuerungsprinzip der Effizienz in Bezug auf die Abfuhr der Umsatzsteuer

301

A. Vorbemerkung und klarstellende Erläuterungen zum Wesen der Umsatzsteuer . . . . . . 301 B. Unionsrechtliche Vorgaben für die Effizienz der Steuererhebung der Mehrwertsteuer 302 I. Die Ablehnung des Formalismus als Quelle einer effizienten Steuererhebung 302 1. Der EuGH-Grundsatz der Ablehnung des Formalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 2. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und seine umsatzsteuerrechtliche Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 3. Neutralitätsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 4. Ablehnung des Formalismus in Bezug auf die Rechnungen für den Vorsteuerabzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 5. Ablehnung des Formalismus bei Nachweis der innergemeinschaftlichen Lieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 6. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 II.

Rechtstheoretische Analyse des EuGH-Grundsatzes der Ablehnung des Formalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 1. Prinzipientheorie auf Ebene des Europarechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 2. Das rechtstheoretische Wesen von Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, Steuerneutralität und objektiven Begriffen der MwStSystRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 3. Die Ablehnung des Formalismus als Zusammenspiel von Verhältnismäßigkeit, Neutralität und objektiven Begriffen der MwStSystRL . . . . . . . . . . . . . . 317

C. Der unionsrechtliche Grundsatz der Ablehnung des Formalismus im österreichischen Recht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320

Kapitel 14 Das Besteuerungsprinzip der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit

321

A. Das OECD-Besteuerungsprinzip der Verteilungsgerechtigkeit zwischen Nationen . . . 321 B. Grundprobleme der grenzüberschreitenden Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 I.

Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322

II.

Doppelbesteuerungsabkommen, Steuerwettbewerb und zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 1. Staatliche Steuersouveränität und Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 2. Internationaler Steuerwettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 3. Zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit („inter-nation equity“) . . . . . . . 328 4. Zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit aus Sicht der OECD – gesamtwirtschaftlicher oder äquivalenzbasierter Ansatz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334

Inhaltsverzeichnis

17

5. Zwischenfazit und weitere Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 C. Die Zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit der OECD im Völkerrecht . . . . . . . 337 I. Einleitende Ausführungen zum Wesen des Völkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 II.

Zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Völkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 2. Allgemeine Rechtsgrundsätze nach Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut als Rechtsquellen des Völkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 b) Anerkennungsmethoden und Konkretisierungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 c) Anerkennungssubjekte und Ausmaß der Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . 342 d) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 3. Ermittlung der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit als allgemeinen Rechtsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 b) Zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit „dem Grunde nach“ . . . . . . . 344 aa) Völkervertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 bb) Nicht unmittelbar verbindliche staatliche Willensäußerungen . . . . . . . 348 cc) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 c) Zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit „der Höhe nach“ . . . . . . . . . . 352 aa) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 bb) Völkervertragsrecht und nicht unmittelbar verbindliche staatliche Willensäußerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 cc) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354

III. IV.

Zwischenergebnis und weitere Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 Die zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit als Rechtsprinzip? . . . . . . . . . . 356 1. Die Prinzipientheorie im Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 2. Allgemeine Rechtsgrundsätze als völkerrechtliches Medium für rechtstheoretische Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 3. Das Rechtprinzip der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit . . . . . . . . 359 a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 b) Äquivalenzbasierte zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit als ideales Sollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359

V.

Ergebnis zur zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit im Völkerrecht . . . . 362

D. Zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit auf Ebene des Europarechts . . . . . . . . . . 363 I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 II.

Das kongruente Verständnis der „inter-nation equity“ von EU und OECD . . . . 363

III.

Die Anti-BEPS-Richtlinie (ATAD) als europarechtliches Instrument für mehr zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366

IV. V.

Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 Rechtstheoretische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368

18

Inhaltsverzeichnis VI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369

E. Zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit als Bestandteil des innerstaatlichen österreichischen Rechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 II.

Zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit als anerkannte Regel des Völkerrechts nach Art. 9 Abs. 1 B-VG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369

III.

In Österreich umgesetzte unionsrechtliche Anti-BEPS-Maßnahmen . . . . . . . . . . 371

IV.

Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372

F. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372

Kapitel 15 Die OECD-Besteuerungsprinzipien als Teil der österreichischen Rechtsordnung

374

A. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 B. Gesammelte Darstellung der OECD-Besteuerungsprinzipien innerhalb der österreichischen Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 C. Besteuerungsprinzipien als Rechtsprinzipien mit kollektiven Zielsetzungen . . . . . . . . 377 D. Finanzwissenschaft, Steuerehrlichkeit und Demokratie – sechs zentrale Implikationen für das österreichische Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378

Kapitel 16 Schlussbetrachtung

383

Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427

Abkürzungsverzeichnis ABl Abs. AEUV AFS ALJ AnwBl AO ARD ARSP Art. ASVG ATAD AVG AVR BAO BEPS BFG BFGG BGBl BGer BlgNR BMF BMVIT BVerfGE B-VG BVwG BWG bzw. CFO DBA DStR E+Z EG EGV Einf. EMRK ErlRV EStG et. al. EU EuGH

Amtsblatt der Europäischen Union Absatz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Zeitschrift für Abgaben- Finanz- und Steuerrecht Austrian Law Journal Anwaltsblatt (deutsche) Abgabenordnung Aktuelles Recht zum Dienstverhältnis Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie Artikel Allgemeines Sozialversicherungsgesetz Anti-Tax-Avoidance-Directive Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 Archiv des Völkerrechts Bundesabgabenordnung Base Erosion and Profit Shifting Bundesfinanzgericht Bundesfinanzgerichtsgesetz Bundesgesetzblatt Schweizerisches Bundesgericht Beilage(n) zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates Bundesminister,-in für Finanzen; Bundesministerium für Finanzen Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundes-Verfassungsgesetz Bundesverwaltungsgericht Bankwesengesetz beziehungsweise Zeitschrift für Finance & Controlling Doppelbesteuerungsabkommen Deutsches Steuerrecht Entwicklung und Zusammenarbeit Europäische Gemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften Einführung Europäische Menschenrechtskonvention Erläuterungen zur Regierungsvorlage Einkommensteuergesetz 1988 et alia (und andere) Europäische Union Europäischer Gerichtshof

20 EUV EWG f. FA FAG ff. FJ FlugAbgG Fn. FS F-VG GA GebG GenG GesRZ GP GRC Hrsg. i. d. F. i. S. v. ICTD IDS IFF IGH IMF IRS ISR IStR JAP JBl JEV JR JZ KESt Kfz. KStG KWG Lfg. lit. m. w. N. ME MIAS Mio. MPIfG MR MR-Int Mrd. MwStSystRL

Abkürzungsverzeichnis Vertrag über die Europäische Union Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und der, die folgende FinanzArchiv Finanzausgleichsgesetz 2017 und der, die folgenden Finanz Journal Flugabgabegesetz Fußnote Festschrift Finanz-Verfassungsgesetz 1948 Generalanwalt/Generalanwältin Gebührengesetz 1957 Genossenschaftsgesetz Zeitschrift für Gesellschafts- und Unternehmensrecht Gesetzgebungsperiode Charta der Grundrechte der Europäischen Union Herausgeber in der Fassung im Sinne von International Centre for Tax and Development Institute of Development Studies Institut für Finanzwissenschaft und Finanzrecht Internationaler Gerichtshof International Monetary Fund Internal Revenue Service Internationale Steuer-Rundschau Internationales Steuerrecht Juristische Ausbildung und Praxisvorbereitung Juristische Blätter Journal für Erbrecht und Vermögensnachfolge Juristische Rundschau JuristenZeitung Kapitalertragsteuer Kraftfahrzeug Körperschaftsteuergesetz 1988 Kreditwesengesetz Lieferung litera mit weiteren Nachweisen Ministerialentwurf Mehrwertsteuer-Informationsaustauschsystem Million Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung Medien und Recht Medien und Recht International Milliarde Mehrwertsteuersystemrichtlinie

Abkürzungsverzeichnis NFT NÖ NoVAG Nr. o. V. ÖBA ÖBB OECD OECD-MA ÖJZ ÖStZ ÖStZB

21

Non-Fungible-Token Niederösterreich Normverbrauchsabgabegesetz 1991 Nummer ohne Verfasser Österreichisches Bank-Archiv Österreichische Bundesbahnen Organisation for Economic Co-operation and Development OECD-Musterabkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung Österreichische Juristen-Zeitung Österreichische Steuer-Zeitung Finanzrechtliche Erkenntnisse des VwGH, VfGH, EuGH und BFG, Beilage zur Österreichischen Steuer-Zeitung OZP Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft ÖZW Österreichische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht PKW Personenkraftwagen RdW Recht der Wirtschaft RH Rechnungshof RHG Rechnungshofgesetz RL Richtlinie RW Rechtswissenschaft RWZ Zeitschrift für Recht & Rechnungswesen Rz. Randzahl S. Seite SozSi Soziale Sicherheit SpESt Spekulationsertragsteuer SPRW Spektrum der Rechtswissenschaft StAW Spektrum der Steuerwissenschaften und des Außenwirtschaftsrecht StGG Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger StuW Steuer und Wirtschaft SWI Steuer und Wirtschaft International SWK Österreichische Steuer & Wirtschaftskartei SWS Sozialwissenschaftliche Studiengesellschaft Tz. Textziffer u. a. und andere UFS Unabhängiger Finanzsenat UFSF Unabhängiger Finanzsenat Feldkirch UFSL Unabhängiger Finanzsenat Linz UID-Nummer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer UN United Nations USA United States of America UStG Umsatzsteuergesetz 1994 UStR Umsatzsteuerrichtlinien UTB Uni-Taschenbücher VbR Zeitschrift für Verbraucherrecht VfGH Verfassungsgerichtshof VfSlg Sammlung der Erkenntnisse und wichtigsten Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofes

22 vgl. VO VR VwGG VwGH VwT wbl WerbeAbG WIFO WTO WU WuG ZaöRV ZAS ZFR ZfS ZfV ZGE ZM ZÖR ZRP ZVG

Abkürzungsverzeichnis vergleiche Verordnung (Österreich) Versicherungsrundschau Verwaltungsgerichtshofgesetz Verwaltungsgerichtshof Vereinigung österreichischer Wirtschaftstreuhänder Wirtschaftsrechtliche Blätter Werbeabgabegesetz 2000 Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung World Trade Organisation Wirtschaftsuniversität Wien Wirtschaft und Gesellschaft Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zetischrift für Arbeits- und Sozialrecht Zeitschrift für Finanzmarktrecht Zeitschrift für Stiftungswesen Zeitschrift für Verwaltung Zeitschrift für geistiges Eigentum Zusammenfassende Meldung Zeitschrift für öffentliches Recht Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Verwaltungsgerichtsbarkeit

Kapitel 1

Einleitung und Aufbau der Arbeit* A. Einleitung Der Satz „Die Steuer ist ein Preis der Freiheit“ stammt von dem bekannten deutschen Rechtswissenschaftler Paul Kirchhof.1 Damit ist gemeint, dass ein moderner demokratischer Staat, welcher seinen Bürgern politische und wirtschaftliche Freiheitsrechte gewährt, notwendigerweise auf das Finanzierungsinstrument der Steuern angewiesen ist.2 Die Steuer wird damit implizit zu einem Strukturmerkmal einer Demokratie erklärt.3 Wie aber ist die Beziehung zwischen der Regierungsform der repräsentativen Demokratie und dem Massenphänomen der Besteuerung zu begreifen? Das Steuerrecht gilt einerseits als „Gerechtigkeitsrecht par excellence“.4 Nach Valta können in keinem anderen Rechtsgebiet die Gerechtigkeitsvorstellungen so klar beziffert werden, „wie in der auf Euro und Cent ausrechenbaren Steuerbelastung“.5 Das Steuerrecht stellt den Rechtswissenschaftler dabei vor besondere Herausforderungen, da es im Vergleich zu anderen Rechtsgebieten viel stärker von den Wirtschaftswissenschaften, vor allem der Finanzwissenschaft, beeinflusst wird.6 * Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in diesem Werk die Sprachform des generischen Maskulinums angewendet. Es wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die ausschließliche Verwendung der männlichen Form geschlechtsunabhängig verstanden werden soll. 1 faz.net, Die Steuer ist ein Preis der Freiheit, https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/ sloterdijk-debatte-die-steuer-ist-ein-preis-der-freiheit-1887337.html (abgerufen am 6. 3. 2023); Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland3, Band V (2007) § 118 Rz. 1 f. 2 Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts3 V § 118 Rz. 1 ff.; vgl. auch Grunow, Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Steuerlast und Steuererhebung (2018) 76 ff. 3 Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts3 V § 118 Rz. 1 ff.; Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat (2000) 5; Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat (2001) 7, 23 ff.; vgl. auch Sumper, Effizienz und Leistungsfähigkeit im Spannungsfeld eines demokratischen Steuersystems, ZfV 2020, 11 (11 ff.). 4 Tipke, Steuerpolitik als Gerechtigkeitspolitik, in: FS Ruppe (2007) 635. 5 Valta, Das Internationale Steuerrecht zwischen Effizienz, Gerechtigkeit und Entwicklungshilfe (2014) 4. 6 Vgl. etwa Coing, Wirtschaftswissenschaften und Rechtswissenschaften, in: Raiser/Sauermann/Schneider (Hrsg.), Das Verhältnis der Wirtschaftswissenschaft zur Rechtswissen-

24

Kap. 1: Einleitung und Aufbau der Arbeit

Somit enthalten Steuergesetze zahlreiche Wertungen, die ursprünglich nicht aus der Rechtswissenschaft stammen.7 Oftmals stoßen daher rein rechtsdogmatische Ansätze und Methoden im Steuerrecht an ihre Grenzen und können so manche höchstrichterliche Entscheidung auch nur schwer nachvollziehen.8 Andererseits gilt die liberale Demokratie heute – zumindest in der westlichen Welt – als der „Goldstandard“ aller Regierungsformen.9 Nach dieser Sichtweise vermag es derzeit keine andere Regierungsform, ihren Bürgern maximale Freiheit, Sicherheit und Individualität bei gleichzeitigem Wohlstand und umfassenden Sozialsystemen zu bieten.10 Zudem ist die liberale Demokratie von Grund- und Freiheitsrechten geprägt, welche den Bürger vor einem überbordenden Zugriff des Staates schützen.11 Dennoch zeigen neuere empirische Studien vielfach einen Vertrauensverlust der Bevölkerung in demokratische Institutionen.12 Bislang war es vor allem der Politikwissenschaft vorbehalten, die Ursachen und Lösungen dafür zu benennen.13 Steuern gelten als eng mit der Entwicklung von demokratischen Institutionen verknüpft.14 Nicht umsonst ging die Parole „no taxation without representation“ in die Geschichte als Symbol für eine Verbindung von Besteuerungsrechten und demokratischer Legitimation ein. Konflikte um Besteuerungsfragen bildeten in der Geschichte daher oftmals die Keimzelle für revolutionäre Bestrebungen, mit denen eine Stärkung von frühen Repräsentationsrechten des Volkes erreicht wurde. In schaft – Soziologie und Statistik (1964) 1 ff.; Sumper, Besteuerungsprinzipien als Fundamente des österreichischen Steuerrechts, SWK 2019, 1051 (1051 ff.). 7 Als prominentestes Beispiel dafür ist das Leistungsfähigkeitsprinzip zu nennen, vgl. dazu Kapitel 7 B. II. 2. 8 Vgl. etwa Schaunig/Varro, VfGH zu „Managergehältern“: Anfang vom Ende des objektiven Nettoprinzips?, GesRZ 2015, 233 (233 ff., 243 f.); Laudacher, Kein Trinkgeld für den VfGH!, SWK 2008, 821 (821 ff.). 9 Rudolf, Analyse und Vergleich politischer Mythen (2018) 208 m. w. N. 10 Rudolf, Analyse und Vergleich politischer Mythen 208; Diamond, Developing Democracy (1999) 10 ff. 11 Rudolf, Analyse und Vergleich politischer Mythen 208; Diamond, Developing Democracy 10 ff. 12 Pewresearch.org, Global Public Opinion in an Era of Democratic Anxiety, https://www. pewresearch.org/global/2021/12/07/global-public-opinion-in-an-era-of-democratic-anxiety/ (abgerufen am 6. 3. 2023); pewresearch.org, Many Across the Globe are Dissatisfied with How Democracy is Working, https://www.pewresearch.org/global/2019/04/29/many-across-theglobe-are-dissatisfied-with-how-democracy-is-working/ (abgerufen am 6. 3. 2023); pewresearch.org, Why are People Dissatisfied with How Democracy is Working?, https://www.pewre search.org/global/2019/04/29/why-are-people-dissatisfied-with-how-democracy-is-working/ (abgerufen am 6. 3. 2023). 13 Vgl. etwa Bertelsmann Stiftung, Schwindendes Vertrauen in Politik und Parteien (2019). 14 Dieser Themenkreis wird ausführlich unter Kapitel 2 und 3 behandelt, weshalb an dieser Stelle auf die dort angegebenen umfangreichen Literaturquellen verwiesen wird und hier ein Nachweis der instruktiven Darstellungen von Ross, Does Taxation Lead to Representation?, Cambridge University Press 2004, 229 (229 ff.) genügen muss.

A. Einleitung

25

diesem Sinne wird auch im Forschungsfeld der Finanzsoziologie davon ausgegangen, dass die Steuer den modernen demokratischen Staat mitgeschaffen und seine Strukturen mitgeformt hat. So sind Steuern in westlichen Demokratien auch die mit Abstand wichtigste Einnahmenquelle. Ohne regelmäßige Steuereinnahmen würde die Erbringung von öffentlichen Gütern und generell die Funktionsfähigkeit von modernen Staaten darniederliegen. In der modernen Demokratie sind Steuern daher ein Massenphänomen.15 Kein anderes Rechtsgebiet berührt den Bürger in seinem täglichen Leben ähnlich oft wie das Steuerrecht.16 So beeinflussen Steuerbe- und entlastungen auch jedes wirtschaftliche Verhalten der Steuerpflichtigen und tangieren damit auch deren Handlungsmöglichkeiten.17 Wie die steuerrechtlichen Belastungsentscheidungen des Gesetzgebers konkret ausgestaltet werden sollen, ist dabei ein allgegenwärtiges Feld von politischen Diskussionen.18 Die Frage, wer wieviel zur Finanzierung des Staatshaushaltes beitragen muss und auf welchen Grundwerten der staatliche Steuerzugriff zu erfolgen hat, bestimmt damit regelmäßig den rechtswissenschaftlichen und politisch-medialen Diskurs.19 Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit in Österreich sind dabei etwa die Besteuerung von Trinkgeldern, die Abzugsfähigkeit von Managergehältern oder auch die verpflichtende Einführung von Registrierkassen.20 Die gesetzgeberische Entscheidung, ob und wie ein gewisser Lebenssachverhalt steuerlich be- oder entlastet wird, impliziert dabei auch oftmals grundlegende Wertentscheidungen und kann damit Aufschluss über die politische Ausrichtung einer Gesellschaft geben.21 Das Steuerrecht ist in der modernen Demokratie somit auch ein hochpolitisches Recht.22 15

Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 (2019) 6. Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 6. 17 Seer, in: Tipke/Joachim Lang (Hrsg.), Steuerrecht24 (2021) § 1 Rz. 1.1. 18 Vgl. etwa diepresse.com, Steuer auf Zufallsgewinne kommt, https://www.diepresse.com/ 6216336/steuer-auf-zufallsgewinne-kommt (abgerufen am 6. 3. 2023); derstandard.at, Harmonische Klausur, detailarme Pläne: Entlastung und Ökologisierung, https://www.derstandard.at/ story/2000113961795/regierungsklausur-entlastung-und-oekologisierung-soll-2021-starten (abgerufen am 6. 3. 2023). 19 Vgl. etwa Anderwald, Steuerverfassungsrechtliche Gedanken zur etwaigen (Wieder-) Einführung einer Nettovermögensteuer, SWK 2022, 917 (917 ff.); wienerzeitung.at, Regierung verspricht rasche Steuerreform, https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/oesterreich/2 058909-Regierung-verspricht-rasche-Steuerreform.html (abgerufen am 6. 3. 2023); kleinezeitung.at, Corona-Krise – Steuerentlastung für untere Einkommen soll „rasch kommen“, https:// www.kleinezeitung.at/politik/5806826/CoronaKrise_Steuerentlastung-fuer-untere-Einkommensoll-rasch-kommen (abgerufen am 6. 3. 2023). 20 Vgl. etwa Laudacher, SWK 2008, 821 ff.; Schaunig/Varro, GesRZ 2015, 233 ff., 243 f.; diepresse.at, VfGH: Registrierkassenpflicht ist nicht verfassungswidrig, https://www.diepresse. com/4946387/vfgh-registrierkassenpflicht-ist-nicht-verfassungswidrig (abgerufen am 6. 3. 2023). 21 Vgl. dazu im Detail Kapitel 5 B. III. und die dortigen Nachweise. 22 Vgl. etwa Ehrke-Rabel, Digitalisierung und Steuerpolitik, in: Sturn/Klüh (Hrsg.), Jahrbuch Normative und institutionelle Grundfragen der Ökonomik (2020) 141 ff.; Tipke, in: FS Ruppe 630 ff. 16

26

Kap. 1: Einleitung und Aufbau der Arbeit

Schon aus den bisherigen Ausführungen wird sichtbar, dass eine ganzheitliche Untersuchung des Verhältnisses von finanzwissenschaftlich-ökonomisch geprägtem Steuerrecht und der von liberalen Werten geprägten Demokratie nicht nur die Steuerrechtswissenschaft, sondern auch andere Wissenschaftsdisziplinen berührt. Die Steuerrechtswissenschaft hat bislang – soweit zu sehen – noch keine fächerübergreifende Untersuchung zum Spannungsfeld von Steuerrecht und Demokratie angestellt. Die vorliegende Arbeit macht es sich zur Aufgabe, diese Forschungslücke zu schließen.

B. Methodik und Aufbau der Arbeit Die einleitenden Ausführungen zeigen bereits die thematische Breite des zu untersuchenden Gegenstandes auf. Daher bedient sich diese Arbeit ausgehend von einem juristischen Ausgangspunkt einer offenen und fächerübergreifenden Methodik, welche insbesondere anerkannte Erkenntnisse der Finanz-, Politik- und Verhaltenswissenschaften miteinbezieht. Der primäre Fokus dieser Arbeit bleibt dennoch auf der Steuerrechtswissenschaft, weshalb auch die im Lauf dieser Arbeit anzustellenden Erwägungen nicht abschließend aus Sicht von anderen Wissenschaften diskutiert werden können. Das Kapitel 2 widmet sich in einem ersten Schritt der grundlegenden Definition und dem Wesen von drei Begriffen, welche für diese Arbeit zentral sind: Steuer, Demokratie und Rechtsstaat. In weiterer Folge wird anhand des Beispiels von Österreich erläutert, wie diese drei Elemente den Kern eines modernen westlich geprägten Staatswesens bilden. Kapitel 2 bereitet damit den Boden und den Ausgangspunkt für sämtliche weiteren Untersuchungen in dieser Arbeit. Kapitel 3 erörtert im Detail die komplexe Wechselbeziehung von Besteuerung und Demokratie. Um dieses Verhältnis in seiner ganzen Komplexität zu beschreiben, werden neben der juristischen Perspektive insbesondere auch Erkenntnisse der Finanz- und Politikwissenschaft, historische Betrachtungen sowie Forschungen der Verhaltensökonomie genutzt. Soweit zu sehen, ist dies die erste steuerrechtswissenschaftliche Arbeit, welche die Beziehung von Steuern und Demokratie mittels eines derartigen interdisziplinären Ansatzes untersucht. Im Zuge dieses Abschnitts wird sich insbesondere ergeben, dass finanzwissenschaftliche Besteuerungsprinzipien zu den Stabilitätsvoraussetzungen einer Demokratie gehören. Das Kapitel 4 beschreibt das Wesen und die Funktionsweise von finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien. Seit Adam Smith stellt die Finanzwissenschaft Postulate auf, nach denen eine „gute“ Besteuerung abzulaufen habe. In diesem Abschnitt wird die rechtswissenschaftliche Verwertbarkeit dieser finanzwissenschaftlichen Prinzipien geprüft und die konkreten Besteuerungsprinzipien für den weiteren Verlauf dieser Arbeit ausgewählt. Dabei wird die Wahl aus noch zu er-

B. Methodik und Aufbau der Arbeit

27

läuternden Gründen auf die aus der Finanzwissenschaft „entlehnten“ Besteuerungsprinzipien der OECD fallen. Kapitel 5 und 6 beschreiben die Grundbegriffe der rechtstheoretischen Prinzipientheorie, welche sich als ein passendes Instrument erweisen wird, um die Rolle und Funktionsweise von finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien innerhalb der österreichischen Rechtsordnung darzustellen. Kapitel 7 bis Kapitel 14 erörtern im Detail, inwiefern sich die finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien der OECD in der österreichischen Rechtsordnung wiederfinden. Die einzelnen Besteuerungsprinzipien werden dabei erst auf ihren konkreten finanz- und steuerpolitischen Gehalt untersucht. Im Anschluss wird im Zuge einer detaillierten Judikatur- und Literaturanalyse festgestellt, auf welche Art sich diese finanzwissenschaftlichen Wertungen in der österreichischen Rechtsordnung niederschlagen sowie deren rechtstheoretisches Wesen erforscht. Kapitel 15 gibt ein Fazit für die Untersuchung der OECD-Besteuerungsprinzipien und zeigt die sich daraus ergebenden Implikationen auf. Kapitel 16 schließt mit einer zusammenfassenden Schlussbetrachtung, welche die wichtigsten Ergebnisse dieser Arbeit auf den Punkt bringt.

Kapitel 2

Steuern, Demokratie und Rechtsstaat als Kern des modernen Staatswesens A. Steuern – Begriffsdefinition, Wesen und Rolle bei der Staatsbildung I. Steuern als Bestandteil des menschlichen Zusammenlebens Wo auch immer Menschen in einer Gemeinschaft leben, entwickelt sich ein kollektiver Bedarf, der gedeckt werden muss.1 Das Abgeben von Naturalien oder Arbeit durch Gruppenmitglieder zur Befriedigung eines Gemeinschaftsbedürfnisses stellt dabei den vor- und frühgeschichtlichen Ursprung der heutigen Steuern dar.2 Der Kerngedanke von Steuern ist daher so alt wie das menschliche Zusammenleben selbst.3 Das Konzept von Steuern beinhaltet die Abgabe eines wirtschaftlichen Wertes an ein Gemeinwesen zur Deckung eines gemeinsamen Bedarfes.4 Dieses Grundverständnis von Besteuerung kann in den frühesten Hochkulturen in Sumer vor 6.000 Jahren bis hin zu den heutigen von Globalisierung und Digitalisierung geprägten Industriestaaten wiedergefunden werden.5 Zwar haben Steuern in der Geschichte aufgrund von politischen, sozialen und wirtschaftlichen Umwälzungen zahlreiche unterschiedliche Ausprägungen erlebt, doch ihre Essenz als eine Abgabe zur Be-

1 Sahm, Zum Teufel mit der Steuer! 5000 Jahre Steuern2 (2018) 22; Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht22 (2019) Rz. 13. 2 Pausch/Pausch, Kleine Weltgeschichte der Steuerzahler (1988) 12; Sahm, Zum Teufel mit der Steuer! 22 f. m. w. N. 3 Adams, For Good and Evil: The Impact of Taxes on the Course of Civilization (2001) 1 ff.; Häuser, Opfer und Steuer, in: Schultz (Hrsg.), Mit dem Zehnten fing es an2 (1986) 15; Sahm, Zum Teufel mit der Steuer! 22. 4 Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht22 Rz. 1; Adams, For Good and Evil 1 ff.; zum Verhältnis von Opfer und Steuer vgl. Häuser, in: Schultz 15 ff.; vgl. auch Seer, in: Tipke/Joachim Lang, Steuerrecht24 § 1 Rz. 1.1. 5 Vgl. im Detail Adams, For Good and Evil 1 ff., passim; Sahm, Zum Teufel mit der Steuer! 14 ff., passim; Pausch/Pausch, Kleine Weltgeschichte der Steuerzahler 9 ff., passim; Drüen, Digitalisierung im Steuerrecht, in: Hey (Hrsg.), Digitalisierung im Steuerrecht (2019) 1 ff. (Veröffentlichung der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft).

A. Steuern – Begriffsdefinition, Wesen und Rolle bei der Staatsbildung

29

friedigung des Gemeinschaftswohls blieb über die Zeitalter bestehen.6 So ist der Forschung auch keine Zivilisation bekannt, welche ohne eine Form von Steuern existieren konnte.7 Die Geschichte der Menschheit ist daher auch eine Geschichte der Besteuerung.8

II. Besteuerung als „Geburtshelfer“ des modernen (Steuer-)Staates Unter Steuern versteht man heute eine grundsätzlich für alle Bürger regelmäßig anfallende, verpflichtende Geldleistung an den Staat, welche ohne Anspruch auf eine direkte Gegenleistung entrichtet wird und zur Deckung des staatlichen Einnahmenbedarfes dient, wodurch öffentliche Güter wie Infrastruktur, Gesundheitssystem oder Bildung finanziert werden.9 Diese Auffassung von Steuern ist ein relativ neues Verständnis, denn in der Geschichte wurden die Untertanen von den herrschenden Autoritäten auch lange Zeit zu Dienst- oder Sachleistungen herangezogen.10 Zudem waren finanzielle Abgaben an die Herrscher bis ins ausgehende Mittelalter oftmals zweckgebunden und wurden nur aufgrund bestimmter Anlassfälle eingehoben; ihnen fehlte also das für die heutigen Steuern typische obligatorische Fälligwerden nach dem Verstreichen von zeitlich gleichmäßigen Intervallen.11 Solche Zahlungsverpflichtungen hatten auch keine generelle Natur und trafen im Feudalsystem nur diejenigen, die zur Leistung entweder gezwungen werden konnten oder freiwillig dazu bereit waren.12 Das zeitgenössische Verständnis von Steuern als allgemeine und regelmäßige Pflichtleistung in Form von Geld ist „aufs engste“ mit der Entstehung des heutigen

6 Sahm, Zum Teufel mit der Steuer! 14 ff., passim; Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht22 Rz. 1 f.; Schultz, Vorwort, in: Schultz (Hrsg.), Mit dem Zehnten fing es an2 7 ff.; Adams, For Good and Evil 1 ff., passim. 7 Adams, For Good and Evil 1. 8 Adams, For Good and Evil 1 ff., passim; Häuser, in: Schultz 15; Sahm, Zum Teufel mit der Steuer! 14 ff., passim; Pausch/Pausch, Kleine Weltgeschichte der Steuerzahler 9 ff., passim; Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht22 Rz. 13 ff. 9 Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 9 f.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung2, Band I (2000) 2, 4 f.; Blankart, Öffentliche Finanzen in der Demokratie9 (2017) 135; Adam, Steuerpolitik in 60 Minuten (2013) 20 ff.; brockhaus.at, Steuern, https://brockhaus.at/ecs/enzy/article/steuern (abgerufen am 6. 3. 2023). 10 Roloff, Theorie und Praxis der Besteuerung (1978) 18 ff.; Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben (2000) 130 f.; Sahm, Zum Teufel mit der Steuer! 28 ff., 48, 6; vgl. auch Blockmanns, Geschichte der Macht in Europa (1998) 92 f. 11 Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben 131; Roloff, Theorie und Praxis der Besteuerung 18 ff.; Preuß, Rechtsstaat – Steuerstaat – Sozialstaat, in: Abendroth/ Blanke/Preuß et. al. (Hrsg.), Ordnungsmacht? (1981) 47 f. m. w. N.; vgl. zur Verstetigung der Steuer auch Schuppert, Staatswissenschaft (2003) 643, 648 ff. 12 Preuß, in: Abendroth et. al. 47; Roloff, Theorie und Praxis der Besteuerung 19.

30

Kap. 2: Steuern, Demokratie und Rechtsstaat als Kern des modernen Staatswesens

Staatswesens verbunden.13 Pionierarbeit zur Rolle von Steuern bei der Entstehung des modernen Staates leistete der Nationalökonom Joseph Schumpeter mit seinem mittlerweile als Standardwerk anerkannten Text „Die Krise des Steuerstaates“ aus dem Jahr 1918.14 Für Schumpeter hat die Steuer den Staat „[…] nicht nur mitgeschaffen. Sie hat ihn auch mitgeformt“.15 Dabei spielten Steuern auf zwei Ebenen eine zentrale Rolle für die Entwicklung der heutigen Staatlichkeit: einerseits gaben Steuern einen Impuls zur Ausweitung der Verwaltungsstruktur und förderten damit die Zentralisierung und Verfestigung staatlicher Macht sowie der Herrschaftsmonopole des Staates, andererseits stellten die Steuerverhandlungen mit den herrschenden Autoritäten („tax bargaining“)16 die Keimzelle für die Entwicklung von repräsentativ-demokratischen Institutionen dar.17 In diesem Abschnitt wird der Fokus auf den ersten, verwaltungsinstitutionellen Aspekt gelegt. Die demokratische Komponente wird hingegen gesondert in Kapitel 3 erläutert, in dem die Beziehung von Steuern und Demokratie als Ganzes untersucht wird. Der moderne Staat mit seiner umfassenden Verwaltungsstruktur sowie der dauerhaften Zentralisierung und Ausübung aller Herrschaftsmonopole, wie etwa Gewalt-, Rechtsetzungs- und Steuermonopol, ist aus dem Versagen des mittelalterlichen Finanzsystems entstanden.18 Im frühmodernen Zentraleuropa waren Herrscher aufgrund von ständig steigenden Kriegskosten und Ausgaben zur Erhaltung ihres Hofstaates mit einem massiven Finanzbedarf konfrontiert.19 Besonders das Aufkommen der Notwendigkeit zur Unterhaltung von stehenden Söldnerheeren trieb die 13

Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben 130; Schuppert, Staatswissenschaft 631; vgl. auch Schwennicke, „Ohne Steuer kein Staat“ (1996) 350 ff., passim. 14 Schumpeter, Die Krise des Steuerstaats (1918) Graz: Leuschner & Lubensky; vgl. dazu auch Schuppert, Staatswissenschaft 631. 15 Schumpeter, Die Krise des Steuerstaats 19. 16 Vgl. speziell zum Phänomen des „tax bargaining“ Prichard, Taxation, Responsiveness and Accountability in Sub-Sahara Africa – The Dynamics of Tax Bargaining (2015) 1 ff., passim; in diesem Zusammenhang wird auch von „revenue bargaining“ gesprochen, Moore, Between Coercion and Contract: Competing Narratives on Taxation and Governance, in: Bräutigam/Fjeldstad/Moore (Hrsg.), Taxation and State-Building in Developing Countries (2008) 37; vgl. auch Aboagye/Hillbom, Tax Bargaining, Fiscal Contracts, and Fiscal Capacity in Ghana: A Long- Term Perspective, African Affairs (2020) 177. 17 Bräutigam, Introduction: Taxation and State-Building in Developing Countries, in: Bräutigam/Fjeldstad/Moore (Hrsg.), Taxation and State-Building in Developing Countries (2008) 1 f., 7, 12 ff.; Prichard, Taxation, Responsiveness and Accountability 4 ff., 33, 48 ff.; Schuppert, Staatswissenschaft 631, 633; Moore, Revenues, State Formation, and the Quality of Governance in Developing Countries, International Political Science Review 2004, 297 (299 ff.). 18 Preuß, in: Abendroth et. al. 47 f.; Schuppert, Staatswissenschaft 631 ff., 645 ff.; Elias, Über den Prozeß der Zivilisation, Band II (1976) 142 f., 281 f.; Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben 130 f.; Isensee, Steuerstaat als Staatsform, in: FS Ipsen (1977) 416; Schumpeter, Die Krise des Steuerstaats 8 ff., 16, 19 ff. 19 Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben 131; Preuß, in: Abendroth et. al. 47; Schuppert, Staatswissenschaft 631 f.; Roloff, Theorie und Praxis der Besteuerung 25; Schumpeter, Die Krise des Steuerstaats 8 ff., 15 f.

A. Steuern – Begriffsdefinition, Wesen und Rolle bei der Staatsbildung

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Militärausgaben in bis dahin unbekannte Höhen.20 Die Aufstellung und Verwaltung von professionellen Armeen benötigte wiederum einen Beamtenapparat, welcher seinerseits laufend Kosten verursachte.21 Der kombinierte Finanzbedarf aus stehenden Heeren und Beamtenschaft war durch die sporadischen und teils auf Freiwilligkeit beruhenden Abgaben aus dem Lehenswesen nicht mehr zu bewältigen.22 Diese neuartige Kostendimension konnte nur durch Steuern in Form von verpflichtenden, regelmäßigen Geldleistungen gedeckt werden.23 Die Durchsetzung dieser staatlichen Zwangsabgaben machte wiederum den Aufbau eines ständig bestehenden Systems von bürokratischen Institutionen notwendig.24 Der dauernde Bedarf nach einem regelmäßigen und verlässlichen Zufluss an Steuern gab dem Staat somit den Antrieb, sich in seiner Verwaltungsstruktur zu stärken und das Beamtentum zu professionalisieren.25 Die Erfahrungen bei Aufbau und Organisation von frühen Finanzverwaltungen wurden auch zur treibenden Kraft für die allmähliche Modernisierung anderer Verwaltungszweige des staatlichen Herrschaftsapparates.26 Diese institutionelle Stärkung des Staates förderte auch eine Verfestigung seiner Herrschaftsmonopole und führte vor allem zur dauerhaften Etablierung des Gewaltund Steuermonopols, bei denen es sich um die Schlüsselmonopole staatlicher Macht handelt.27 Die administrative Weiterentwicklung des Staates ging Hand in Hand mit einer allmählichen Evolution hin zu einem Steuererhebungssystem, welches grundsätzlich alle Angehörigen eines bestimmten Territoriums erfasste.28 Steuereinnahmen im Sinne von obligatorischen, periodischen Geldleistungen erwiesen sich dabei als unverzichtbares Finanzierungsmittel des Staates.29 Ihre variabel gestaltbare Höhe eignete sich besonders gut, um überraschend auftretende Kosten zu decken und ihr 20 Schuppert, Staatswissenschaft 632; Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben 131; Isensee, in: FS Ipsen 415; Schumpeter, Die Krise des Steuerstaats 15 f. 21 Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben 131; Isensee, in: FS Ipsen 415. 22 Vgl. dazu grundlegend Schumpeter, Die Krise des Steuerstaats 8 ff., 19 ff.; Schuppert, Staatswissenschaft 631 f.; Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben 131; Preuß, in: Abendroth et. al. 47; Isensee, in: FS Ipsen 415. 23 Schuppert, Staatswissenschaft 636 ff., 645 ff.; vgl. dazu schon die Literatur unter Fn. 6; vgl. auch Blockmanns, Geschichte der Macht in Europa 98 f. 24 Isensee, in: FS Ipsen 415; Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben 131 f. m. w. N.; Preuß, in: Abendroth et. al. 47; vgl. auch Schuppert, Staatswissenschaft 645 ff. 25 Bräutigam, in: Bräutigam/Fjeldstad/Moore 2, 7 ff. m. w. N.; Moore, Ohne Steuern keine Mitwirkung, E+Z 2007, 56 (56 f.); Prichard, Taxation, Responsiveness and Accountability 33 m. w. N. 26 Prichard, Taxation, Responsiveness and Accountability 33 m. w. N.; Bräutigam, in: Bräutigam/Fjeldstad/Moore 8 f.; Schuppert, Staatswissenschaft 646. 27 Elias, Über den Prozeß der Zivilisation 142 f., 279 ff.; vgl. auch Schuppert, Staatswissenschaft 633 ff. 28 Preuß, in: Abendroth et. al. 47. 29 Isensee, in: FS Ipsen 415; Schuppert, Staatswissenschaft 642, 648 ff.

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Kap. 2: Steuern, Demokratie und Rechtsstaat als Kern des modernen Staatswesens

Wesen als stetiger Mittelzufluss ermöglichte eine berechenbare Haushaltswirtschaft.30 Für westliche31 Staaten mit stehendem Heer und umfangreichem Beamtenapparat setzten sich Steuern somit schrittweise als das bevorzugte Finanzierungsinstrument durch, weshalb es zu einer sukzessiven Evolution hin zum sogenannten „Steuerstaat“ kam.32 So war ein Schritt zum heutigen, zeitgenössischen Staatswesen getan, denn der moderne Staat ist im Sinne von Schumpeter eben ein Steuerstaat.33 Die Steuer kann somit „sowohl als Geburtshelfer“ als auch „als Produkt des modernen Staates“ bezeichnet werden.34

III. Strukturmerkmale des heutigen Steuerstaates nach Isensee Die eben dargestellte verknüpfte Entwicklungsgeschichte von Steuern und Staat ist in der Literatur weitgehend unbestritten.35 Anders verhält es sich jedoch mit dem Begriff des Steuerstaates an sich. Der Begriff erfuhr seine Prägung im Jahr 1918 durch Schumpeters „Die Krise des Steuerstaates“, wurde aber seither oftmals diskutiert und neuinterpretiert.36 Den Steuerstaat lediglich als einen Staat zu beschreiben, welcher sich primär durch Steuern finanziert, ist nach dem bekannten Staatsrechtler Josef Isensee daher unzureichend.37 Eine abschließende Diskussion der verschiedenen Vorstellungen über diesen Begriff würde den Rahmen dieser Arbeit jedoch sprengen.38 Daher werden nachfolgend die wichtigsten staatstheoretischen Merkmale eines heutigen Steuerstaates nach den instruktiven Ausführungen von Isensee dargestellt.39 Viele dieser Merkmale finden sich bereits in der bisher erläuterten historischen Entwicklung wieder.

30 Schuppert, Staatswissenschaft 642, 648 ff.; Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben 132; vgl. auch Isensee, in: FS Ipsen 415 ff. 31 Vgl. dazu den Exkurs unter Kapitel 3 A. III. 32 Vgl. dazu grundlegend Schumpeter, Die Krise des Steuerstaats 8 ff., 19 ff.; Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben 132 m. w. N.; Moore, in: Bräutigam/Fjeldstad/ Moore 47; Schuppert, Staatswissenschaft 631 ff., 648 ff.; Genschel/Uhl, Der Steuerstaat und die Globalisierung, in: Leibfried/Zürn (Hrsg.), Transformationen des Staates? (2006) 92. 33 Schumpeter, Die Krise des Steuerstaats 8; vgl. auch Genschel/Uhl, in: Leibfried/Zürn 92 ff. 34 Preuß, in: Abendroth et. al. 47. 35 Vgl. dazu die instruktiven Darstellungen in Schuppert, Staatswissenschaft 631 m. w. N.; vgl. auch Blockmanns, Geschichte der Macht in Europa 92 ff. 36 Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben 129 f.; Isensee, in: FS Ipsen 404 ff.; Huhnholz, Steuerstaat, in: Voigt (Hrsg.), Handbuch Staat (2018) 371 ff. 37 Isensee, in: FS Ipsen 414. 38 Zu einer jüngeren Diskussion des Steuerstaates vgl. etwa Huhnholz, Refeudalisierung des Steuerstaats?, in: Boysen/Kaiser/Meinel (Hrsg.), Verfassung und Verteilung (2015) 175 ff. 39 Die folgende Darstellung der Merkmale des Steuerstaates beruht, soweit nicht anders angegeben, auf Isensee, in: FS Ipsen 415 ff.; vgl. auch Schuppert, Staatswissenschaft 671.

A. Steuern – Begriffsdefinition, Wesen und Rolle bei der Staatsbildung

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1.) Ein Steuerstaat deckt seinen Bedarf nicht durch Dienst- oder Sachleistungen seiner Bürger. Vielmehr werden die Bürger zu Steuerzahlungen in Form von regelmäßigen Geldleistungen verpflichtet. 2.) Steuern dienen im Steuerstaat nicht nur der gelegentlichen Kostendeckung, sondern sind ordentliche und periodisch anfallende Einnahmen. Steuern sind daher gleich wie der staatliche Steuererhebungsapparat eine Dauereinrichtung. 3.) Aufgrund umfassender Staatsaufgaben40 ist der Steuerstaat der Gegenwart mit einem immer weiter steigenden Finanzbedarf konfrontiert, welcher nur durch die stetigen Einnahmen der Steuern gestemmt werden kann. 4.) Der moderne Steuerstaat setzt seine Steuerforderungen mittels demokratisch legitimierten und durch den Rechtsstaat abgesicherten Gesetzen fest.41 5.) Für die Zahlung der Steuerschuld besteht kein Anspruch des Bürgers auf eine direkte Gegenleistung des Steuerstaates. 6.) Der Steuerstaat verfolgt seine fiskalischen Ziele primär über Steuereinnahmen und verzichtet grundsätzlich selbst auf eine eigene wirtschaftliche Betätigung. Der Steuerstaat ist damit das Gegenstück zum mittelalterlichen System der Eigenwirtschaft, in welchem der öffentliche Bedarf durch Domänenerträge42 und nur sporadisch durch Steuern gedeckt wurde. Darüber hinaus ist der Steuerstaat auch eine Absage an heutige „rentier states“ welche ihre Mittel vor allem aus dem Verkauf von Bodenschätzen wie Öl beziehen.43 7.) Der Steuerstaat ist staatstheoretisch sowie von seiner wirtschaftspolitischen Ausrichtung her von der Idee des Liberalismus44 getragen. Der Steuerstaat geht daher von einem „Dualismus von Staat und Gesellschaft“ aus: einerseits besteht der Staat als ein organisiertes und institutionalisiertes Herrschaftssystem; andererseits stellt die Gesellschaft jenen Raum dar, in dem die Bürger ihr Leben als gleiche und freie Individuen gestalten können.45 Die Verfügungsgewalt über die Steuerobjekte wie Eigentum, Einkommen oder Grund und Boden obliegt den Bürgern und wird durch Rechtsinstitute wie Privatautonomie, Vertragsfreiheit, Eigentumsschutz, Erwerbsund Berufsfreiheit staatlich abgesichert. Dem Staat hingegen steht es zu, an diesen Steuerobjekten mittels seiner Steuerhoheit zu partizipieren. Gleichzeitig ist der 40

Vgl. dazu Schuppert, Staatswissenschaft 282 ff. Vgl. Kapitel 2 F. 42 Damit sind etwa Einkünfte aus eigenen Gütern der Fürsten wie Forsten oder anderem Grundbesitz gemeint, Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben 130 f.; Elias, Über den Prozeß der Zivilisation 281 f. 43 Vgl. dazu Kapitel 3 A. III. 44 Vgl. Kapitel 2 B. II. zur liberalen Demokratie. 45 In der heutigen Staatslehre wird die konzeptionelle Unterscheidung von Staat und Gesellschaft auch in einer modernen Demokratie insbesondere in Hinblick auf die grundrechtlich verbürgte Freiheitssphäre als noch immer aktuell und relevant angesehen, vgl. dazu im Detail Schöbener/Knauff, Allgemeine Staatslehre4 (2019) § 3 Rz. 28 f. 41

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Kap. 2: Steuern, Demokratie und Rechtsstaat als Kern des modernen Staatswesens

Steuerstaat jedoch daran interessiert, dass sich diese Steuerobjekte wirtschaftlich möglichst gut entwickeln können, was zum nächsten Punkt führt. 8.) Der Steuerstaat ist marktwirtschaftlich geprägt und erlaubt seinen Bürgern, sich frei privatwirtschaftlich zu entfalten.46 Gleichzeitig ist der Steuerstaat auch auf den ökonomischen Erfolg der Steuerpflichtigen angewiesen, da sich nur dort Geldleistungen in Gestalt von Steuern als Staatseinnahmen abschöpfen lassen, wo fruchtbar gewirtschaftet wird. Für den Steuerstaat ist es daher auch lebensnotwendig, dass er seine Steuerquellen nicht durch eine zu große Abgabenlast „erdrosselt“.47 9.) Die Steuergleichheit stellt eines der wichtigsten „Wesensgesetze“ des modernen Steuerstaates dar. Gesellschaftlicher Frieden im Steuerstaat kann nur durch eine gerechtigkeitsorientierte Verteilung der Steuerlasten erreicht werden. Dabei ist zu beachten, dass die Vorstellung darüber, was genau eine gerechte Steuer ausmacht, von den jeweils aktuellen politischen, wirtschaftlichen und philosophischen Strömungen der Zeitepochen geprägt wird. Isensee hält prägnant fest: „Denn das Geldopfer, dem kein individualisierbarer Vorteil korrespondiert, ist nur erträglich, wenn alle die gleiche Last tragen“.48 Eine ungerechte Besteuerung führt dagegen „notwendig“ zu einer „Desintegration des Gemeinwesens“ und kann somit den Steuerstaat als solches gefährden.49 Diese Feststellung erscheint schlüssig, denn die Geschichte ist voll von Beispielen, in denen ungerecht empfundene Steuern den Zündstoff für Revolutionen lieferten.50 Vielen der hier genannten Aspekte des heutigen Steuerstaates wird man im Laufe dieser Arbeit noch in der einen oder anderen Form wiederbegegnen. Für diesen Abschnitt ist abschließend festzuhalten, dass Steuern und Staat im modernen Staatswesen eine untrennbare Einheit darstellen.51 Daher ist Schwennicke in seinem Leitspruch zu folgen: „Ohne Steuer kein Staat“.52

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Vgl. dazu Preuß, in: Abendroth et. al. 47 ff. und Kapitel 11 C. V. 2., in dem dieser Themenkreis noch detailliert behandelt wird. 47 Vgl. dazu Kapitel 11 C. V. 2. sowie Kapitel 4 B. IV. zu den für eine Marktwirtschaft elementaren liberalen Grundrechten des Eigentumsschutzes und der Erwerbs- bzw. Berufsfreiheit. 48 Isensee, in: FS Ipsen 418. 49 Isensee, in: FS Ipsen 418. 50 Vgl. Kapitel 3 A. II. 51 Für eine instruktive Behandlung dieses Themenbereiches vgl. Schuppert, Staatswissenschaft 631 ff.; vgl. dazu auch die Darstellungen in Blockmanns, Geschichte der Macht in Europa 92 ff., 182 ff. 52 Vgl. dazu das Werk Schwennicke, „Ohne Steuer kein Staat“ (1996).

B. Demokratie – Begriffsdefinition und Wesen

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B. Demokratie – Begriffsdefinition und Wesen I. Vorbemerkung Demokratie ist ein schwer zu fassender Begriff mit einer Jahrtausende alten Geschichte und zahlreichen verschiedenen Interpretationen.53 Eine auch nur teilweise Aufarbeitung der zahlreichen Demokratietheorien würde den Rahmen dieser Arbeit völlig sprengen. Der folgende Abschnitt geht daher auch nicht auf sämtliche Unklarheiten und wissenschaftlichen Debatten des Demokratiebegriffes ein, weshalb ein Verweis auf die einschlägige Literatur an den jeweiligen Stellen genügen muss.54 Daher wird stattdessen ein Überblick über das Grundkonzept einer demokratischen Regierungsform gegeben und ein spezielles Augenmerk auf die für diese Arbeit besonders bedeutende Spielart der „liberalen Demokratie“ gerichtet.

II. Von der elektoralen zur liberalen Demokratie Die erste Problematik liefert schon das Wort „Demokratie“ selbst. Der Ausdruck Demokratie, abgeleitet vom griechischen Wort „demos“ für „Volk“ und „kratein“ für „herrschen“, bedeutet Herrschaft oder Machtausübung durch das Volk.55 Darüber jedoch, wie sich der demos, das Volk, in einer Demokratie konkret zusammensetzt, wurden in der Geschichte verschiedenste Auffassungen vertreten und ist auch noch in modernen Zeiten Gegenstand der wissenschaftlichen Debatte.56 Im deutschsprachigen Standardwerk der Demokratietheorien definierte Schmidt den demos im politischen Sinne als „Staatsvolk“, welches aus der „Gesamtheit der Freien und Gleichen“ besteht.57 In einer neueren Auflage spricht Schmidt nicht mehr vom „Staatsvolk“, sondern von „Staatsbürgern“ und „Stimmberechtigten“.58 Die Demokratie als Regierungsform ist laut der Politikwissenschaft durch drei zentrale Aspekte geprägt: die Herrschaft geht vom Volk aus, wird vom Volk oder durch von ihm gewählte Repräsentanten ausgeübt und wird zum Wohle des Volkes

53 Schmidt, Demokratietheorien6 (2019) 1 ff., 13 ff.; Diamond, Democracy, Fat and Thin, in: Clarke/Foweraker (Hrsg.), Encyclopedia of Democratic Thought (2001) 149 ff. 54 Zu verschiedenen Demokratietheorien vgl. etwa das Standardwerk Schmidt, Demokratietheorien6 (2019). 55 Schmidt, Demokratietheorien6 1; Bernauer/Jahn/Kritzinger/Kuhn/Walter, Einführung in die Politikwissenschaft5 (2022) 105. 56 Kreutz, Democracy: The Rule of the „Demos“ – Who is That? The Inherent Contradictions of Modern „Democratic“ Mass Societies, Innovation: The European Journal of Social Science Research 2000, 155 (155 ff.); vgl. auch das Werk Schlenker-Fischer, Demokratische Gemeinschaft trotz ethnischer Differenz (2009). 57 Schmidt, Demokratietheorien5 (2010) 17. 58 Schmidt, Demokratietheorien6 1.

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Kap. 2: Steuern, Demokratie und Rechtsstaat als Kern des modernen Staatswesens

eingesetzt.59 Dabei wird der „Staatswille“ von gleichberechtigten Bürgern gebildet, welche sich zu einer „selbstbestimmten politischen Gemeinschaft zusammengeschlossen haben“.60 Das Herzstück einer Demokratie besteht in der Souveränität des Volkes, der „Volkssouveränität“.61 Im Sinne der Volkssouveränität bildet das Volk in seiner Gesamtheit die Gesellschaft und ist zugleich der ultimative Träger der Staatsgewalt – sämtliche staatliche Machtausübung muss daher auf die Bürger zurückgeführt werden.62 Demokratie zielt daher im weitesten Sinn auf eine Identität zwischen Regierenden und Regierten ab.63 In modernen Demokratien ist die Ausübung der Staatsgewalt an politische Repräsentanten übertragen.64 Dies ergibt sich schon allein aus der großen Anzahl an Staatsbürgern und den räumlichen Distanzen in zeitgenössischen Flächenstaaten.65 Demokratische Herrschaftssysteme sind daher heutzutage Repräsentationssysteme.66 Diese Form der Demokratie wird auch mittelbare bzw. repräsentative Demokratie genannt.67 Bei dieser Form der demokratischen Herrschaft wählt der stimmberechtigte demos durch Mehrheitsentscheidung ein Gremium, also das Parlament, oder eine Person, welche mit der Vertretung des Volkes beauftragt sind.68 Das Treffen von politischen Entscheidungen wird daher vom Staatsvolk im Rahmen seiner Willensbildung bei Wahlen grundsätzlich an Repräsentanten ausgelagert.69 Der Umstand, dass in einem politischen System kompetitive Wahlen um die Repräsentation des Volkes stattfinden und die daraus folgende Möglichkeit eines politischen Machtwechsels, ist für manche Demokratietheorien schon ausreichend, um von einer Demokratie zu sprechen.70 Ein prominenter Vertreter dieser Denkart ist der bekannte Nationalökonom Schumpeter, der erklärt, dass die Demokratie eine Methode zur politischen Entscheidungsfindung darstellt, „bei welcher einzelne die 59 Bernauer et. al., Einführung in die Politikwissenschaft5 105; Schmidt, Demokratietheorien6 1. 60 Berka, Verfassungsrecht8 (2021) Rz. 123. 61 Bernauer et. al., Einführung in die Politikwissenschaft5 106. 62 Schöbener/Knauff, Allgemeine Staatslehre4 § 3 Rz. 28 f.; Bernauer et. al., Einführung in die Politikwissenschaft5 106 f.; Berka, Verfassungsrecht8 Rz. 123. 63 Berka, Verfassungsrecht8 Rz. 125 f. 64 Lembcke/Ritzi/Schaal, Zwischen Konkurrenz und Konvergenz, in: Lembcke/Ritzi/ Schaal (Hrsg.), Zeitgenössische Demokratietheorien, Band I: Normative Demokratietheorien (2012) 9 f.; Bernauer et. al., Einführung in die Politikwissenschaft5 106. 65 Bernauer et. al., Einführung in die Politikwissenschaft5 105 f. 66 Lembcke, Theorie demokratischer Repräsentation, in: Lembcke/Ritzi/Schaal (Hrsg.), Zeitgenössische Demokratietheorien, Band II: Empirische Demokratietheorien (2016) 23. 67 Schöbener/Knauff, Allgemeine Staatslehre4 § 5 Rz. 62. 68 Schöbener/Knauff, Allgemeine Staatslehre4 § 5 Rz. 62. 69 Adamovich/Funk/Holzinger/Frank, Österreichisches Staatsrecht, Band I: Grundlagen3 (2020) Rz. 11.004 ff. 70 Diamond, in: Clarke/Foweraker 149 ff.; Diamond, Developing Democracy 7 ff.; Bernauer et. al., Einführung in die Politikwissenschaft5 107 m. w. N.

B. Demokratie – Begriffsdefinition und Wesen

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Entscheidungsbefugnis vermittels eines Konkurrenzkampfes um die Stimmen des Volks erwerben“71.72 Solche minimalistischen Demokratiebegriffe werden aufgrund der Fokussierung auf den Wahlprozess auch als „elektorale Demokratie“ bezeichnet.73 Als problematisch wird bei einem derartigen Demokratieverständnis angesehen, dass politischen Freiheitsrechten und anderen Voraussetzungen einer liberalen Gesellschaft wie etwa Pluralismus und Rechtsstaat74 nur untergeordnete Bedeutung beigemessen werden.75 So könnte ein politisches System, in dem Menschenrechtsverletzungen geschehen und die Gewaltenteilung untergraben wird, als eine elektorale Demokratie bezeichnet werden, solange dort wahlwerbende Gruppen im Wettstreit um die Wählergunst stehen und ein Machtwechsel grundsätzlich möglich ist.76 Demgegenüber steht das oft rezipierte Konzept einer „liberalen“ Demokratie nach dem Politikwissenschaftler Diamond.77 Dieser Demokratiebegriff verlangt neben dem Vorliegen von Wahlen noch explizit weitere Bedingungen, um eine freie und gleiche Gesellschaft zu gewährleisten.78 Notwendige Voraussetzungen einer liberalen Demokratie sind dabei vor allem die Grund- und Freiheitsrechte der Bürger sowie ein Rechtsstaat, welcher die Staatsgewalt in ihre Schranken weist, die Gewaltenteilung sicherstellt und zudem eine faire Anwendung der Gesetze garantiert.79 Besonderer Schwerpunkt wird bei diesem Demokratieverständnis auf den Rechtsstaat gelegt, der als das Fundament gilt, auf dem alle anderen Aspekte einer liberalen Demokratie beruhen.80 So können Freiheit und Pluralismus nach Diamond nur dann dauerhaft bestehen, wenn ein Rechtsstaat die politische und rechtliche Gleichheit der 71

Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, UTB Verlag (2018)9 365. Zu einer instruktiven Darstellung von Schumpeters Demokratietheorie vgl. Schmidt, Demokratietheorien6 169 ff.; vgl. auch Diamond, Developing Democracy 8. 73 Diamond, Developing Democracy 8 ff.; Hartmann, Demokratie und Autokratie in der vergleichenden Demokratieforschung (2015) 67 ff.; Roller, Konzeptualisierung von Demokratie, in: Lembcke/Ritzi/Schaal (Hrsg.), Zeitgenössische Demokratietheorien, Band II: Empirische Demokratietheorien (2016) 349 f. 74 Vgl. dazu sogleich Kapitel 2 C. 75 Diamond, Developing Democracy 8 ff.; Roller, in: Lembcke/Ritzi/Schaal 349 f. 76 Karatnycky, The Decline of Illiberal Democracy, Journal of Democracy 1999, 112 (115 f.); Diamond, Developing Democracy 10; Roller, in: Lembcke/Ritzi/Schaal 349, 359; Hartmann, Demokratie und Autokratie 68. 77 Vgl. grundlegend Diamond, Developing Democracy 10 ff.; Diamond, in: Clarke/Foweraker 151 f.; vgl. auch die Darstellung in Roller, in: Lembcke/Ritzi/Schaal 350. 78 Vgl. im Detail Diamond, Developing Democracy 11 f.; vgl. auch Roller, in: Lembcke/ Ritzi/Schaal 349 ff., 359. 79 Diamond, Developing Democracy 11 f.; Roller, in: Lembcke/Ritzi/Schaal 350 f.; vgl. auch Heinisch/Hauser, Österreich und die Zukunft der Demokratie, in: Öhlinger/Poier (Hrsg.), Direkte Demokratie und Parlamentarismus (2015) 17; Pernthaler, Der Kern und die Allotropien des Rechtsstaates, in: FS Mantl (2004) 150 ff. 80 O’Donnel, The Quality of Democracy: Why the Rule of Law matters, Journal of Democracy 2004, 32 (32 f., 42 ff.); Diamond/Morlino, The Quality of Democracy: An Overview, Journal of Democracy 2004, 20 (23); Diamond, Developing Democracy 11 f. 72

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Kap. 2: Steuern, Demokratie und Rechtsstaat als Kern des modernen Staatswesens

Bürger sichert und zugleich die Staatsgewalt selbst durch das Recht gebändigt wird.81 Ein schwacher Rechtsstaat bedeutet dagegen oftmals Diskriminierungen von bestimmten Bevölkerungsschichten, unsichere individuelle Grund- und Freiheitsrechte sowie politische Einflussnahme auf die Justiz und den damit einhergehenden Missbrauch staatlicher Macht.82 Faire und freie demokratische Wahlen sind in einem politischen System ohne Rechtsstaat daher auch kaum möglich.83 In diesem Sinne ist der prägnante Ausspruch von Linz passend: „[…] no Rechtsstaat, no Democracy“.84 Somit bedarf es für das Bestehen einer liberalen Demokratie jedenfalls eines funktionierenden Rechtsstaates.85 Der nachfolgende Abschnitt widmet sich dem Begriff des Rechtsstaates im Detail.

C. Rechtsstaat – Begriffsdefinition und Wesen I. Vorbemerkung Der Begriff des Rechtsstaats ist ähnlich komplex wie jener der Demokratie. Die Idee des Rechtsstaates und seiner angelsächsischen Variante der „rule of law“86 lässt sich in verschiedenen Epochen der Geschichte verorten und Marcic geht gar davon aus, dass der rechtsstaatliche Gedanke seinen Ursprung schon in der Antike findet.87 Wie schon beim Demokratiebegriff würde eine vollständige Rezeption der Entwicklungsgeschichte des Rechtsstaates den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Daher wird in der nachfolgenden Darstellung der Fokus auf den für diese Arbeit relevanten Begriff des materiellen Rechtsstaates und seiner Beziehung zur liberalen Demokratie gesetzt.

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Diamond, Developing Democracy 11 f. Diamond/Morlino, Journal of Democracy 2004, 23; vgl. auch Diamond, Developing Democracy 12. 83 O’Donnel, Journal of Democracy 2004, 33 f.; Karatnycky, Journal of Democracy 1999, 115 f.; Diamond/Morlino, Journal of Democracy 2004, 23. 84 Linz, Democracy Today: An Agenda for Students of Democracy, Scandinavian Political Studies 1997, 115 (118). 85 Diamond, Developing Democracy 11 f. 86 Rechtsstaat und „rule of law“ haben unterschiedliche Ursprünge aber dieselbe Stoßrichtung, vgl. im Detail Fleiner/Fleiner, Allgemeine Staatslehre3 (2004) 225 f.; vgl. auch Pernthaler, in: FS Mantl 148 f. 87 Marcic, Die Sache und der Name des Rechtsstaates, in: Imboden (Hrsg.), Gedanke und Gestalt des demokratischen Rechtsstaates (1965) 60 ff.; vgl. auch Pernthaler, Sind Demokratie und Rechtsstaat wirklich „an der Wurzel eins“?, in: FS Adamovich (2002) 631 ff. 82

C. Rechtsstaat – Begriffsdefinition und Wesen

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II. Vom formellen zum materiellen Rechtsstaat Dem Rechtsstaat liegt im Kern der Gedanke zugrunde, dass öffentliche Machtausübung und Staatsgewalt nicht auf Willkür, sondern auf dem Recht zu beruhen hat.88 Im Rechtsstaat werden daher die Rechte und Pflichten der Bürger sowie die Befugnisse des Staates durch eine mittels Gesetzen inhaltlich bestimmte Rechtsordnung festgelegt, wobei die Einhaltung dieser Rechtsvorschriften durch spezielle Institutionen sichergestellt wird.89 Ein zentrales Ziel des Rechtsstaates ist daher die Rechtsgebundenheit des gesamten Staatshandelns.90 Staatsakte können somit ausnahmslos nur aufgrund und im Rahmen der Rechtsordnung zustande kommen – das Handeln des Rechtsstaates ist somit „berechenbar“.91 Durch die rechtliche Vorausbestimmtheit der staatlichen Befugnisse unterscheidet sich der Rechtsstaat vom Polizeistaat, in welchem die Exekutive unabhängig von Gesetzen nach eigenem Gutdünken willkürlich agieren kann.92 Zu differenzieren ist zwischen dem formellen und materiellen Rechtsstaat.93 Der Rechtsstaat im formellen Sinn beinhaltet keine Gerechtigkeitsüberlegungen, sondern er verwirklicht allein das positive Recht im Rahmen der jeweils geltenden Gesetzesordnung ohne Qualität und Inhalt der Rechtsnormen zu hinterfragen.94 Die formelle Seite des Rechtsstaats hat also nur die Bindung des Staates an das Gesetz im Fokus.95 Problematisch an einem rein formellen Rechtsstaat ist, dass durch das bloße Abstellen auf die Einhaltung des geltenden Rechts, für den Bürger kein ausreichender Schutz gegenüber zwar formgerecht zustande gekommenen, aber inhaltlich diskriminierenden Gesetzen besteht.96 Dieser Mangel macht den formellen Rechtsstaat anfällig für den Missbrauch durch totalitäre Systeme.97 Hingegen berücksichtigt die Rechtsstaatlichkeit im materiellen Sinn auch liberale Wertvorstellungen wie Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit, welche insbesondere von der amerikanischen Unabhängigkeitsbewegung und der Französischen Revo88 Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11 (2015) Rz. 165; Pernthaler, in: FS Mantl 145 m. w. N. 89 Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11 Rz. 165. 90 Korinek, Gedanke und Gestalt des demokratischen Rechtsstaates, Wirtschaftspolitische Blätter 1967, 1 (5). 91 Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11 Rz. 165; Adamovich et. al., Österreichisches Staatsrecht I: Grundlagen3 Rz. 14.001; Berka, Verfassungsrecht8 Rz. 174. 92 Adamovich et. al., Österreichisches Staatsrecht I: Grundlagen3 Rz. 14.002. 93 Berka, Verfassungsrecht8 Rz. 174 ff.; Adamovich et. al., Österreichisches Staatsrecht I: Grundlagen3 Rz. 14.001 ff. 94 Adamovich et. al., Österreichisches Staatsrecht I: Grundlagen3 Rz. 14.001; Berka, Verfassungsrecht8 Rz. 174; vgl. auch Schöbener/Knauff, Allgemeine Staatslehre4 § 5 Rz. 152. 95 Pernthaler, in: FS Mantl 154; Berka, Verfassungsrecht8 Rz. 174. 96 Vgl. dazu etwa Degenhart, Staatsrecht, Band I: Staatsorganisationsrecht35 (2019) Rz. 143 m. w. N.; Pernthaler, in: FS Mantl 154. 97 Degenhart, Staatsrecht I: Staatsorganisationsrecht35 Rz. 143 m. w. N.; Pernthaler, in: FS Mantl 154.

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Kap. 2: Steuern, Demokratie und Rechtsstaat als Kern des modernen Staatswesens

lution des 18. Jahrhunderts geprägt wurden.98 Zentraler Bestandteil des liberalen Gedankens ist zudem die Vorstellung, dass der Zugriff des Staates auf bestimmte Lebensbereiche der Bürger beschränkt wird und somit eine gewisse „Freiheit vom Staat“ besteht.99 Im materiellen Rechtsstaat werden diese Ideale in der Regel in einem Grundrechtskatalog festgehalten, welcher dem Einzelnen unveräußerliche Rechte gegenüber dem Staat gewährleistet.100 Diese Art von Rechtsstaatlichkeit stellt also nicht lediglich auf die „äußere Form“, sondern vielmehr auch auf die inhaltliche Substanz der Gesetze ab.101 Liberale Grundrechte schützen insbesondere das Eigentum, die Privatsphäre, den Gleichheitsgedanken und gewährleisten die Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns.102 Darüber hinaus lassen sich nach Pernthaler noch folgende fundamentale Merkmale eines modernen, materiellen Rechtsstaates nach europäischer Prägung festhalten: Gewaltenteilung, die Bindung der Verwaltung an das Gesetz, Unabhängigkeit der Justiz, Verfassung und Verfassungsgerichtsbarkeit.103 Das Grundkonzept des auf liberalen Werten beruhenden Rechtsstaates hat sich in der westlichen Staatengemeinschaft als bevorzugte Rechtsstaatsvariante durchgesetzt.104 Dies wird vor allem in den Grundrechtskatalogen der westlichen Staaten sichtbar, die von ihrer Stoßrichtung her über weite Strecken kongruent sind.105

III. Liberale Demokratie und materieller Rechtsstaat als Einheit Die Verknüpfung der Demokratie und des Rechtsstaats als ein politisches System hat ihren Ursprung in den revolutionären Freiheitsbestrebungen des 18. Jahrhun98 Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11 Rz. 1319; Adamovich et. al., Österreichisches Staatsrecht I: Grundlagen3 Rz. 14.001 ff., 14.015; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 (2022) Rz. 16; Pernthaler, in: FS Mantl 154; vgl. auch Hofmann, Geschichtlichkeit und Universalitätsanspruch des Rechtsstaats, Der Staat 1995, 1 (12); Berka, Verfassungsrecht8 Rz. 174 ff. 99 Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11 Rz. 164. 100 Berka, Verfassungsrecht8 Rz. 175; Marcic, in: Imboden 62 f.; Pernthaler, in: FS Mantl 155. 101 Berka, Verfassungsrecht8 Rz. 175; Adamovich et. al., Österreichisches Staatsrecht I: Grundlagen3 Rz. 14.001; Pernthaler, in: FS Mantl 154. 102 Adamovich et. al., Österreichisches Staatsrecht I: Grundlagen3 Rz. 14.015; Mayer/ Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11 Rz. 164, 1327; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 755 ff., 812 ff., 867 ff.; vgl. auch Fleiner/Fleiner, Allgemeine Staatslehre3 166 ff. 103 Pernthaler, in: FS Mantl 150 ff.; vgl. auch Schöbener/Knauff, Allgemeine Staatslehre4 § 5 Rz. 157 ff. 104 Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 16; Pernthaler, in: FS Mantl 150 ff.; Berka, Verfassungsrecht8 Rz. 175, 181, 183; vgl. auch Schöbener/Knauff, Allgemeine Staatslehre4 § 5 Rz. 154 ff. 105 Pernthaler, in: FS Mantl 151; vgl. auch Fleiner/Fleiner, Allgemeine Staatslehre3 167.

C. Rechtsstaat – Begriffsdefinition und Wesen

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derts.106 Rechtsstaat und Demokratie blicken seitdem auf eine lange gemeinsame Entwicklungsgeschichte zurück und gehen am Ende zusammen im modernen Verfassungsstaat westeuropäisch-amerikanischer Prägung auf.107 Marcic begreift Demokratie und Rechtsstaat daher auch als eine Einheit, da diese „an der Wurzel eins“ seien.108 Die enge Verflechtung von demokratischen und rechtsstaatlichen Gedanken wird speziell bei den Spielarten der liberalen Demokratie und dem materiellen Rechtsstaat sichtbar. So ist das Bestehen eines materiellen Rechtsstaates, wie schon unter Kapitel 2 B. II. erläutert, eine zwingende Voraussetzung für das gängige Konzept der liberalen Demokratie nach Diamond. Materieller Rechtsstaat und liberale Demokratie sind auch über deren Grundrechtsverständnis miteinander verwoben. So stellen die individuellen Grund- und Freiheitsrechte, welche ein materieller Rechtsstaat gewährleistet, Ausdruck eines liberal-demokratischen Freiheitsgedankens dar.109 Dabei ist insbesondere der Gleichheitsgedanke eng mit dem Konzept der Demokratie verbunden.110 Wahlen können in einer Demokratie auch nur dann wirklich fair ablaufen, wenn Grundrechte wie Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit vom Staat sichergestellt werden.111 Darüber hinaus beinhaltet ein moderner materieller Rechtsstaat nach Marcic schon von seinem Wesen her immer auch ein demokratisches Element, da die Rechtsunterworfenen an der Erzeugung der sie betreffenden Normen beteiligt sein sollen.112 Nach diesem Verständnis muss das Recht des Rechtstaats113 daher stets ein demokratisch erschaffenes Recht sein.114 Die demokratische bzw. parlamentarische Erzeugung der Gesetze, auf deren Basis der Rechtsstaat die Befugnisse des Staates regelt sowie die Rechte des

106 Pernthaler, in: FS Mantl 148 m. w. N.; vgl. auch Fleiner/Fleiner, Allgemeine Staatslehre3, das dortige Kapitel 5, vgl. dabei insbesondere 238 ff. 107 Pernthaler, in: FS Adamovich 638 ff.; Fleiner/Fleiner, Allgemeine Staatslehre3, das dortige Kapitel 5, vgl. insbesondere 238 ff. sowie 248 ff.; Pernthaler, in: FS Mantl 148, 154 ff.; Marcic, in: Imboden 54 ff. 108 Marcic, in: Imboden 54. 109 Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 16, 346 ff.; Adamovich, Demokratie und Rechtsstaat, in: FS Rosenzweig (1988) 33; Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11 Rz. 1317 ff.; Fleiner/Fleiner, Allgemeine Staatslehre3 167; O’Donnel, Journal of Democracy 2004, 32 f., 42 ff.; vgl. auch Isensee, Grundrechte und Demokratie: Die polare Legitimation im grundgesetzlichen Gemeinwesen, Der Staat 1981, 161 (161 ff.). 110 Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 348. 111 Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 347. 112 Marcic, in: Imboden 63, 69; vgl. auch Korinek, Wirtschaftspolitische Blätter 1967, 5; Lauth, Vermittlungsprobleme zwischen Demokratie und Rechtsstaat, in: Byrd/Hruschka/Joerden (Hrsg.), Jahrbuch für Recht und Ethik (2013) 97. 113 Vgl. schon Kapitel 2 C. II. 114 Marcic, in: Imboden 63, 69.

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Kap. 2: Steuern, Demokratie und Rechtsstaat als Kern des modernen Staatswesens

Einzelnen sichert, ist daher ebenfalls ein Ausdruck der engen Verbindung von Demokratie und Rechtsstaat.115 Liberale Demokratie und materieller Rechtsstaat sind somit untrennbar miteinander verbunden und befinden sich in einer „Balance“: Die Demokratie sorgt für eine Legitimation der Staatsgewalt durch die Volkssouveränität, während der Rechtsstaat die öffentliche Macht rechtlich begrenzt und die Freiheit des Bürgers schützt.116 Im Rahmen dieser Arbeit sind liberale Demokratie und der materielle Rechtsstaat angelehnt an das Verständnis von Diamond daher als eine sich gegenseitig bedingende Einheit117 zu begreifen: Ohne funktionierenden Rechtsstaat ist eine Demokratie der Willkür und dem Machtmissbrauch ausgeliefert; ohne Demokratie herrscht nicht das Volk, sondern der Unrechtsstaat.

D. Zwischenfazit Das Demokratieverständnis in dieser Arbeit orientiert sich an jenem der liberalen Demokratie nach Diamond. Demnach beinhaltet eine liberale Demokratie auch immer einen materiellen Rechtsstaat, der individuelle Grund- und Freiheitsrechte für den Bürger sichert. Liberale Demokratie und materieller Rechtsstaat sind daher nach dem in dieser Arbeit verwendeten Demokratiebegriff untrennbar miteinander verschränkt.118

E. Das Zusammenspiel von Steuern, Demokratie und Rechtsstaat in Österreich I. Vorbemerkung Nachdem in den vorangegangenen Abschnitten das Wesen von Steuern, Demokratie und Rechtsstaat allgemein erläutert wurde, wird nun gezeigt werden, wie diese drei Elemente konkret in Österreich, als Beispiel eines modernen Staats westlicher Prägung, zusammenspielen. Dabei werden sich Schlüsse über die Grundstruktur des österreichischen Staatswesens ziehen lassen, welche als Basis für die weitere Untersuchung in dieser Arbeit dienen.

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Adamovich, in: FS Rosenzweig 33; Marcic, in: Imboden 63, 69; Korinek, Wirtschaftspolitische Blätter 1967, 5; vgl. auch Fleiner/Fleiner, Allgemeine Staatslehre3 259. 116 Pernthaler, in: FS Adamovich 638 ff.; Fleiner/Fleiner, Allgemeine Staatslehre3 282; Pernthaler, in: FS Mantl 148 ff.; Adamovich, in: FS Rosenzweig 33. 117 Adamovich, in: FS Rosenzweig 33; Fleiner/Fleiner, Allgemeine Staatslehre3 282. 118 Pernthaler, in: FS Mantl 148; Pernthaler, in: FS Adamovich 638 ff.

E. Das Zusammenspiel von Steuern, Demokratie und Rechtsstaat in Österreich

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II. Der Steuerbegriff der österreichischen Verfassung Die österreichische Rechtsordnung kennt weder eine Legaldefinition von „Steuer“ noch ist das Verhältnis zu dem finanzwissenschaftlichen Begriff der „Abgabe“ abschließend geklärt.119 Die Finanzwissenschaft nutzt den Terminus der „Abgabe“ als Oberbegriff für Steuern, Beiträge und Gebühren.120 Dabei gelten Steuern als Geldleistungen, welche an den Staat zu entrichten sind, ohne dafür eine unmittelbare konkrete Gegenleistung zu erhalten. Beiträge stellen Geldleistungen dar, welche jenen auferlegt werden, die an staatlichen Leistungen ein besonderes Interesse haben. Gebühren hingegen sind ein öffentlich-rechtliches Entgelt für vom Bürger unmittelbar in Anspruch genommene staatliche Leistungen.121 Die österreichische Rechtssprache hält sich jedoch in den einzelnen Steuergesetzen nicht an diese finanzwissenschaftliche Terminologie und ist uneinheitlich.122 Nach Judikatur des VfGHs fallen unter „Abgaben“ nur Geldleistungen, welche die Gebietskörperschaften, nämlich der Bund, das Land oder die Gemeinde, kraft öffentlichen Rechts zur Deckung ihres Finanzbedarfs erheben.123 In der Judikatur zum Abgabenbegriff werden auch einige der unter Kapitel 2 A. III. ausgeführten Merkmale eines heutigen Steuerstaates deutlich. So sind unter Abgaben nach dem VfGH ausschließlich Geldzahlungen an den Staat und keine Arbeitsleistungen wie etwa der Wehrdienst zu verstehen.124 Zudem gelten als Abgaben in Österreich nur Zahlungen, die auf Basis der öffentlich-rechtlichen Steuerhoheit des Staates und nicht auf privatrechtlicher Grundlage anfallen.125 Schließlich besteht im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs das primäre Ziel von Abgaben im Fiskalzweck, also der Deckung des Einnahmenbedarfs des Staates, damit dieser seine Aufgaben erfüllen kann.126 So fallen etwa Geldstrafen, die einem bestimmten Verwaltungszweck dienen, nicht unter den Abgabenbegriff.127

119 Kirchmayr, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12, Band I (2019) Rz. 3; Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 9 f.; Zirngast/Kanduth-Kristen, Der Begriff der „Steuer“ und die Vermeidung internationaler Doppel-(Nicht-)Besteuerung, SWI 2016, 547 (547). 120 Kirchmayr, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 3. 121 Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 9. 122 Kirchmayr, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 3. 123 Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8, Band II (2019) Rz. 3 mit Verweis auf VfSlg 1465/1932 und 3919/1961; vgl. auch Zirngast/Kanduth-Kristen, SWI 2016, 547 m. w. N. 124 Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 4 mit Verweis auf VfSlg 2667/1954. 125 Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 6 mit Verweis auf VfSlg 3550/1959 und 4174/1962. 126 VfSlg 16.454/2002, 17.326/2004; Zirngast/Kanduth-Kristen, SWI 2016, 547; EhrkeRabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 7; jedoch dürfen mit einer Abgabe auch andere als fiskale Zwecke verfolgt werden, VfSlg 10.403/1985; vgl. dazu auch Kapitel 11 C. V. 2. 127 Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 7.

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Kap. 2: Steuern, Demokratie und Rechtsstaat als Kern des modernen Staatswesens

Die herrschende steuerrechtliche Lehre orientiert sich an dieser Rechtsprechung des VfGHs und setzt die Begriffe des Steuer- und Abgabenrechts gleich.128 Für das österreichische Steuerrecht ist daher auch der Abgabenbegriff des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG)129 mit dem unter Kapitel 2 A. II. erläuterten Verständnis von Steuern als regelmäßige, obligatorische Geldleistung an den Staat ohne Anspruch auf konkrete Gegenleistung, zu vereinbaren.130 In diesem Sinne können die Begriffe der Steuer und der Abgabe im Rahmen dieser Arbeit als Synonyme verwendet werden.

III. Das liberale Demokratie- und Rechtsstaatsverständnis des B-VG Die österreichische Verfassung ist von mehreren Grundprinzipien geprägt: Das demokratische Prinzip, das republikanische Prinzip, das bundesstaatliche Prinzip, das liberale Prinzip und das rechtsstaatliche Prinzip.131 Diese Prinzipien gelten als fundamentale „Baugesetze“ der Verfassung, deren Veränderung als eine Gesamtänderung der Bundesverfassung i. S. d. Art. 44 Abs. 3 B-VG zu verstehen ist, welche nur durch eine Volksabstimmung ermöglicht wird.132 Die Gesamtheit dieser Prinzipien bildet die verfassungsrechtliche Grundordnung, welche das Wesen des österreichischen Staates auszeichnet.133 Für diese nachfolgende Untersuchung sind besonders das demokratische, rechtsstaatliche und liberale Grundprinzip relevant. Das demokratische Prinzip findet seine ausdrückliche Verankerung in Art. 1 BVG, wonach Österreich eine „demokratische Republik“ ist, in der das Recht „vom Volk ausgeht“.134 Aus dem Gesamtzusammenhang der Bundesverfassung ergibt sich, dass das Demokratiekonzept des B-VG von einer repräsentativ-parlamentarischen Demokratie ausgeht135 : der Bürger übt also seine politische Selbstbestimmung primär durch periodisch abgehaltene Wahlen von Repräsentanten aus, welche den 128 Kirchmayr, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 3; Zirngast/Kanduth-Kristen, SWI 2016, 547; vgl. auch Michael Lang, Die Geldleistung an eine Gebietskörperschaft als Kriterium des finanzverfassungsrechtlichen Abgabenbegriffs, in: FS Schäffer (2006) 411 ff. 129 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl 1/1930 i. d. F. BGBl I 141/2022. 130 Vgl. in diesem Sinne etwa Urnik/Fritz-Schmied, in: Bertl et. al. (Hrsg.), Handbuch der österreichischen Steuerlehre4, Band I, Teil 1 (2015) 30 f.; Zirngast/Kanduth-Kristen, SWI 2016, 547 m. w. N.; vgl. auch Engelmann, in: Bergmann/Pinetz (Hrsg.), Gebührengesetz2 Kommentar (2020) § 38 Rz. 6 f. 131 Berka, Verfassungsrecht8 Rz. 114 ff.; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 66 ff., Öhlinger/Eberhard nennen als eigene Prinzipien das gewaltenteilende Prinzip und das liberale Prinzip, Berka ordnet diese Prinzipien dem rechtsstaatlichen Prinzip zu. 132 Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 62. 133 Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 62; Berka, Verfassungsrecht8 Rz. 113. 134 Berka, Verfassungsrecht8 Rz. 123, 133; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 63, 66, 330 ff.; Adamovich et. al., Österreichisches Staatsrecht I: Grundlagen3 Rz. 11.011. 135 Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 66, 330; Berka, Verfassungsrecht8 Rz. 133 ff.

E. Das Zusammenspiel von Steuern, Demokratie und Rechtsstaat in Österreich

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Volkswillen durch ihr politisches Handeln verkörpern sollen.136 Die Regierung als oberstes Verwaltungsorgan ist dabei der gewählten Volksvertretung, dem Parlament, gegenüber verantwortlich.137 Die Abhängigkeit der Bundesregierung vom Vertrauen der Mehrheit des Nationalrates gemäß Art. 74 B-VG gehört daher zu den entscheidenden Merkmalen einer parlamentarischen Demokratie im Sinne des B-VG.138 Im Gegensatz zum demokratischen Grundprinzip, ist das rechtsstaatliche Prinzip in Österreich nicht ausdrücklich geregelt, ergibt sich aber aus dem Gesamtaufbau des B-VG.139 Nach der einprägsamen Formulierung des VfGHs „gipfelt der Sinn des rechtsstaatlichen Prinzips darin, dass alle Akte staatlicher Organe im Gesetz und mittelbar letzten Endes in der Verfassung begründet sein müssen und ein System von Rechtsschutzeinrichtungen die Gewähr dafür bietet, dass nur solche Akte in ihrer rechtlichen Existenz dauernd gesichert erscheinen, die in Übereinstimmung mit den sie bedingenden Akten höherer Stufe erlassen wurden“.140 Darüber hinaus erklärt das Höchstgericht, dass die Kontrolle der Verwaltung durch den VwGH sowie die Normenkontrolle durch den VfGH wesentliche Bestandteile des rechtsstaatlichen Prinzips sind.141 Ein System von Rechtsschutzeinrichtungen stellt daher sicher, dass in Österreich grundsätzlich jeder Staatsakt von einem unabhängigen Gericht überprüft werden kann.142 Einen zentralen Kern des rechtsstaatlichen Grundprinzips der österreichischen Verfassung bildet das Legalitätsprinzip des Art. 18 (1) B-VG, wonach die gesamte staatliche Verwaltung in Österreich nur aufgrund der Gesetze ausgeübt werden darf.143 Das Legalitätsprinzip verbindet das demokratische mit dem rechtsstaatlichen Grundprinzip des B-VG.144 Einerseits kann das Parlament seinen Willen als repräsentative Volksvertretung nur in der Form von Gesetzen verbindlich äußern und wird dabei sowohl inhaltlich als auch formell vom Rechtsstaat in seine Schranken gewiesen.145 Der parlamentarische Gesetzgeber wird insbesondere von den verfassungsrechtlich garantierten Grund- und Freiheitsrechten gebunden.146 Andererseits

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Berka, Verfassungsrecht8 Rz. 134. Berka, Verfassungsrecht8 Rz. 135; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 335. 138 Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 336. 139 Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 73; Berka, Verfassungsrecht8 Rz. 185. 140 Vgl. etwa VfSlg 16.772/2002 sowie die dort angeführte Judikatur; vgl. dazu die Darstellung in Adamovich et. al., Österreichisches Staatsrecht I: Grundlagen3 Rz. 14.014 m. w. N.; vgl. auch Öhlinger/Eberhardt, Verfassungsrecht13 Rz. 74; Berka, Verfassungsrecht8 Rz. 187. 141 VfSlg 12.080/1989; vgl. auch Adamovich et. al., Österreichisches Staatsrecht I: Grundlagen3 Rz. 14.014. 142 Berka, Verfassungsrecht8 Rz. 188; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 73 f. 143 Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 598. 144 Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 66, 73. 145 Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 344. 146 Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 344, 16, 691 ff. 137

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Kap. 2: Steuern, Demokratie und Rechtsstaat als Kern des modernen Staatswesens

bedeutet die Bindung aller übrigen staatlichen Organe an das Gesetz die Zähmung der Staatsgewalt durch die „Herrschaft des Parlaments“.147 Das Legalitätsprinzip sichert somit die demokratische Komponente des Rechtsstaates in Österreich insbesondere durch den Vorrang und Vorbehalt des demokratisch erzeugten Gesetzes: kein anderer Staatsakt darf im Widersinn zur Gesetzgebung stehen und die Verwaltung darf nur aufgrund gesetzlicher Regelungen tätig werden.148 Indem jedes Handeln des Staates auf ein Gesetz zurückgeführt werden kann, ist sichergestellt, dass die Staatsgewalt in Österreich demokratisch legitimiert ist.149 Das politische System Österreichs ist daher jenes einer rechtsstaatlichen Demokratie, und beruht dabei auf dem demokratischen und rechtsstaatlichen Baugesetz des B-VG, welche einander gegenseitig ergänzen und stützen.150 Nach dem System der österreichischen Verfassung sichert das demokratische Prinzip die Beteiligung des Volkes an der Rechtserzeugung, während das rechtsstaatliche Prinzip die Herrschaft der Volksvertretungen über die übrigen Staatsorgane gewährleistet und die demokratische Herrschaft in den Grenzen des Rechts hält.151 Die österreichische Verfassung steht in der von der französischen Erklärung für Menschenrechte beeinflussten westeuropäischen Verfassungstradition.152 Nach dieser ideengeschichtlichen Überlieferung ist die Garantie von liberalen Grundrechten ein zentraler Gehalt der Rechtsstaatlichkeit.153 Österreich ist daher auch als materieller Rechtsstaat zu qualifizieren, der durch einen umfassenden Grundrechtskatalog verwirklicht wird.154 Die Grundrechte sind dabei nicht geschlossen im B-VG festgehalten, sondern erstrecken sich auch über andere Rechtsquellen wie etwa die EMRK oder das StGG.155 Ganz in Sinne der westeuropäischen Vorstellungen sichern die liberalen Grund- und Freiheitsrechte der österreichischen Verfassung insbesondere den Gleichheitsgedanken, das Privateigentum, die freie Erwerbsbetätigung und schützen vor unverhältnismäßigen staatlichen Maßnahmen.156

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Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 344 f., 598 ff. Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 345; Berka, Verfassungsrecht8 Rz. 492. 149 Berka, Verfassungsrecht8 Rz. 492. 150 Berka, Verfassungsrecht8 Rz. 183; vgl. auch Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 344 ff. 151 Berka, Verfassungsrecht8 Rz. 183; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 344 f. 152 Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 16, 76. 153 Vgl. dazu schon Kapitel 2 C. III. zum materiellen Rechtsstaat. 154 Pernthaler, in: FS Mantl 151, 155; Adamovich et. al., Österreichisches Staatsrecht I: Grundlagen3 Rz. 14.015 f. 155 Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 677 ff. 156 Adamovich et. al., Österreichisches Staatsrecht I: Grundlagen3 Rz. 10.025, 14.015; Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11 Rz. 164, 1348 ff., 1477 ff., 1494 ff.; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 76. 148

E. Das Zusammenspiel von Steuern, Demokratie und Rechtsstaat in Österreich

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Die Existenz eines umfassenden Grundrechtskataloges, in dem sich der liberale Freiheitsgedanke widerspiegelt, ist nach herrschender Auffassung auch Ausdruck des liberalen Grundprinzips der Bundesverfassung.157 Damit würde eine Abschaffung dieses Kataloges auch eine Gesamtänderung der Bundesverfassung darstellen.158 Das rechtsstaatliche und liberale Grundprinzip sind inhaltlich miteinander verwoben, da ein materieller Rechtsstaat schon per definitionem Grund- und Freiheitsrechte beinhaltet. Nach Öhlinger/Eberhardt manifestiert sich in den Grundrechten „zugleich die Idee des Rechtsstaates“.159 Daher wird das liberale „Baugesetz“ bisweilen auch als Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips angesehen.160 Das Begreifen des liberalen Grundprinzips als eigenständiges Baugesetz, kann wiederum als Ausdruck der besonders hohen Wertigkeit verstanden werden, welche die liberalen Ideale im Konzept des B-VG innehaben.161 Das liberale Grundprinzip weist nicht nur eine Verbindung zum Rechtsstaatsprinzip, sondern auch zum demokratischen Grundprinzip des B-VG auf. So ist dem Demokratiebegriff des B-VG nach herrschender Auffassung die Vorstellung inhärent, dass gewisse individuelle Freiheiten auch nicht durch parlamentarischen Mehrheitsbeschluss eingeschränkt werden können.162 In diesem Sinne impliziert das Demokratieverständnis der Verfassung daher bereits das Bestehen liberaler Grundrechte.163 Darüber hinaus wird nach Rechtsprechung des VfGH auch das Grundrecht des Gleichheitssatzes „als ein wesentlicher Bestandteil […] des demokratischen Baugesetzes“ qualifiziert.164 Laut Öhlinger/Eberhardt ist daher davon auszugehen, dass der Grundrechtskatalog des B-VG – und damit das liberale Grundprinzip – mit dem demokratischen Baugesetz verbunden ist.165 Nach den obigen Ausführungen wird klar sichtbar, dass das demokratische, rechtsstaatliche und liberale Grundprinzip im österreichischen Staat eng miteinander verwoben sind. Aus diesem Blickwinkel kann Österreich auch als eine liberale Demokratie im Sinne der Definition von Diamond166 qualifiziert werden.167 Das 157 Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11 Rz. 164 m. w. N.; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 76; vgl. auch Adamovich et. al., Österreichisches Staatsrecht I: Grundlagen3 Rz. 14.015. 158 Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 76. 159 Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 348. 160 Adamovich et. al., Österreichisches Staatsrecht I: Grundlagen3 Rz. 10.002. 161 Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 76; Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11 Rz. 164. 162 Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 346 ff. 163 Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 346 f. 164 VfSlg 15.373/1998; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 348. 165 Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 348, 16. 166 Vgl. dazu schon Kapitel 2 C. III. 167 In diesem Sinne wohl Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11 Rz. 164; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 16, 76, 348.

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Kap. 2: Steuern, Demokratie und Rechtsstaat als Kern des modernen Staatswesens

folgende Zwischenfazit fasst die wichtigsten Erkenntnisse dieses Abschnittes zusammen.

IV. Zwischenergebnis und weitere Vorgehensweise Nach dem System der österreichischen Verfassung sind das demokratische, das rechtsstaatliche und das liberale Grundprinzip untrennbar miteinander verbunden. Einerseits verbindet das Legalitätsprinzip das demokratische und rechtsstaatliche Baugesetz und bewirkt, dass sich sowohl die demokratiepolitische Willensbildung des Parlaments als auch das gesamte Staatshandeln nur auf Basis und in den Grenzen des Rechts äußern kann. Andererseits beinhalten sowohl Rechtsstaats- als auch Demokratieprinzip einen liberalen Kerngedanken, welcher einen umfassenden Katalog von individuellen Grund- und Freiheitsrechten verlangt, der die Sphäre des Individuums schützt. Demokratie, Rechtsstaat und liberale Werte prägen damit das Grundkonzept der österreichischen Verfassung und damit den gesamten Charakter dieses Staates. Österreich kann daher als eine liberale Demokratie im Sinne von Diamond bezeichnet werden. Bis jetzt wurde erörtert, wie Demokratie und Rechtsstaat im österreichischen Staatswesen konvergieren und sich daraus im Ergebnis eine liberale Demokratie ergibt. Für die folgende Betrachtung wird nun noch eine dritte Komponente beigefügt: die Besteuerung.

F. Österreich als rechtsstaatlicher und liberaldemokratischer Steuerstaat I. Besteuerung, Demokratie und Rechtsstaat als Einheit Steuern gelten in Österreich als die wichtigste Einnahmequelle des Staates.168 So bestehen die Einnahmen von Bund, Land und Gemeinden zu etwa 80 % aus Steuern.169 Ohne Steuern wäre eine Finanzierung von öffentlichen Gütern wie Bildung, Gesundheit, Infrastruktur und ein Rechtssystem sowie die Erhaltung des sozialen Friedens in Österreich kaum denkbar.170 Steuern spielen somit eine zentrale Rolle für die Funktionsfähigkeit des österreichischen Staates. Der österreichische Staat ist zur Deckung seines Einnahmenbedarfes daher primär von der steuerlichen Abschöpfung 168 Kirchmayr, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 1; Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 4 f.; vgl. dazu auch addendum.org, Wo nimmt der Staat das ganze Geld her?, https://www.ad dendum.org/staat/staat-geld/ (abgerufen am 6. 3. 2023). 169 Kirchmayr, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 1. 170 Urnik/Fritz-Schmied, in: Bertl et. al., Handbuch der österreichischen Steuerlehre4 I 30; Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 4 f.

F. Österreich als rechtsstaatlicher und liberaldemokratischer Steuerstaat

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des privatkapitalistisch erwirtschafteten Vermögens seiner Bürger abhängig.171 Haas/ Swoboda bezeichneten Österreich nach einer staatsstrukturellen Analyse daher auch ausdrücklich als Steuerstaat.172 Besteuerung kann in Österreich nur durch das Parlament im Rahmen von Gesetzen angeordnet werden.173 Diese „Gesetzmäßigkeit“ der Besteuerung ergibt sich zum einen direkt aus dem Legalitätsprinzip des Art. 18 (1) B-VG, welches – wie schon erläutert – als Verbindungsglied zwischen Demokratie und Rechtsstaat dient, und zum anderen ebenfalls aus der Norm des § 5 F-VG174, welche explizit festlegt, dass öffentliche Abgaben grundsätzlich nur „auf Grund von Gesetzen erhoben werden dürfen“.175 Die „Gesetzmäßigkeit“ der Besteuerung bewirkt zugleich einen Vorbehalt als auch einen Vorrang des Gesetzes: Steuern dürfen nur vorbehaltlich einer gesetzlichen Grundlage erhoben werden, wobei sowohl Steuerpflichtiger als auch Steuerverwaltung an gültig erlassene Steuergesetze gebunden sind.176 Die konkrete Kompetenzverteilung des Steuerwesens ist nach Art. 13 B-VG durch ein eigenes Bundesverfassungsgesetz, das F-VG geregelt.177 Die Zuteilung der Besteuerungsrechte und der Abgabenerträge unter Bund, Ländern und Gemeinden wird durch das einfachgesetzliche Finanzausgleichsgesetz (FAG178) geregelt.179 In Österreich dürfen Steuern somit ausnahmslos nur auf Basis von Normen festgesetzt werden, welche von den Volksvertretungen geschaffen wurden.180 Die Besteuerung muss daher demokratisch legitimiert sein. Daher verkörpert eine derartige Besteuerung den über Repräsentanten vermittelten und in Recht gegossenen Willen des Volkes.181 In einer rechtsstaatlichen Demokratie umfasst die Besteuerung daher stets zwei Komponenten182 : ein demokratisches Element, welches historisch auf der ständischen bzw. repräsentativen Steuerbewilligung183 wurzelt, andererseits 171

Haas/Swoboda, Ist Österreich ein Steuerstaat?, in: Grauhan/Hickel (Hrsg.), Krise des Steuerstaats? Widersprüche, Perspektiven, Ausweichstrategien, Leviathan Sonderheft 1/1978, 192. 172 Haas/Swoboda, in: Grauhan/Hickel 192; vgl. auch Universität Klagenfurt – Institut für Rechtswissenschaften, Profil, https://www.aau.at/rechtswissenschaften/finanzrecht/ (abgerufen am 6. 3. 2023). 173 Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 26. 174 Finanz-Verfassungsgesetz 1948, BGBl 45/1948 i. d. F. BGBl I 51/2012. 175 Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 26. 176 Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 23. 177 Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 17. 178 Finanzausgleichsgesetz 2017, BGBl I 116/2016 i. d. F. BGBl I 133/2022. 179 Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 17. 180 Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 26; Ehrke-Rabel, elements Steuer4 recht 23. 181 In diesem Sinne Isensee, Finanzkontrolle im Bundesstaat, ZÖR 2008, 29 (31); EhrkeRabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht II8 Rz. 26. 182 Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 26. 183 Vgl. dazu unten Kapitel 3 A.

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Kap. 2: Steuern, Demokratie und Rechtsstaat als Kern des modernen Staatswesens

das Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Schutz vor willkürlicher Steuereinhebung, in anderen Worten der Wunsch nach der Gesetzmäßigkeit, also der Rechtsstaatlichkeit, bei der Besteuerung.184 Die Rechtsstaatlichkeit der Besteuerung spiegelt sich in Österreich darüber hinaus noch in einem Rechtsschutzsystem wider, welches die Einhaltung der objektiven Rechte und den Schutz der subjektiven Rechte in Steuerfragen gewährleisten soll.185 Zentrale Gesetze stellen dabei die Bundesabgabenordnung (BAO)186, das Bundesfinanzgerichts- (BFGG)187 und das Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG)188 dar.189 Fühlt sich ein Steuerpflichtiger etwa durch einen Abgabenbescheid in einem seiner Grundrechte verletzt, so steht ihm zur Wahrung seiner Interessen in diesem Rechtsschutzsystem potentiell der Weg bis hin zum österreichischen Verfassungsgerichtshof offen.190 Die eben angesprochenen liberalen Grund- und Freiheitsrechte stellen, wie schon erläutert, in Österreich eine Ausprägung des materiellen Rechtsstaats dar.191 Das steuerrechtlich mit Abstand wichtigste Grundrecht ist der Gleichheitssatz, welcher im weiteren Verlauf dieser Arbeit noch detailliert behandelt werden wird.192 Der Gleichheitssatz gilt dabei als ein zentrales Instrument, um die Steuergerechtigkeit, also die faire Verteilung der Steuerlast auf die Bevölkerung, zu verwirklichen.193 Von Relevanz in steuerrechtlichen Angelegenheiten ist noch die unter Gesetzesvorbehalt stehende Unverletzlichkeit des Eigentums.194 Die staatliche Anordnung von Besteuerung stellt nämlich grundsätzlich einen Eingriff in den Eigentumsschutz dar, der jedoch aufgrund des weiten Gestaltungsspielraumes des Gesetzgebers grundsätzlich als zulässig angesehen wird, sofern die Verhältnismäßigkeit gewahrt wird.195 Für das Steuerrecht zentrale Grundrechte sind darüber hinaus noch die Erwerbsfreiheit196, 184

Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 26. Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 23, 422 ff.; Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 51 ff., 1358 ff. 186 Bundesabgabenordnung, BGBl 194/1961 i. d. F. BGBl I 108/2022. 187 Bundesfinanzgerichtsgesetz, BGBl I 14/2013 i. d. F. BGBl I 108/2022. 188 Verwaltungsgerichtshofgesetz, BGBl 10/1985 i. d. F. BGBl I 109/2021. 189 Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 23. 190 Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 23, 422 ff. 191 Vgl. dazu schon Kapitel 2 E. III. 192 Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 52b ff.; Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 24 f.; vgl. speziell zu Grundrechten und Steuern Rust/Blum, Grundrechtsschutz im Steuerrecht (2018); vgl. dazu detailliert Kapitel 4 B. III. 193 Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 53; zur Erfüllung dieser Aufgabe braucht der Gleichheitssatz jedoch konkrete Auslegungsmaßstäbe, vgl. dazu Kapitel 4 B. III. 194 Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 66 ff.; Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 25; Rust/Blum, Grundrechtsschutz im Steuerrecht 38 ff. 195 Rust/Blum, Grundrechtsschutz im Steuerrecht 38 ff.; Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II 66 ff. 196 Rust/Blum, Grundrechtsschutz im Steuerrecht 51 ff. 185

F. Österreich als rechtsstaatlicher und liberaldemokratischer Steuerstaat

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der Schutz der Privatsphäre197 und das Recht auf ein faires Verfahren vor unabhängigen Gerichten198.199 Im Sinne des liberalen Gedankens schützen diese Grundrechte bestimmte Lebensbereiche des Volkes vor dem Steuerzugriff des Staates.200 Ein anschauliches Beispiel dafür wäre eine sogenannte „Erdrosselungssteuer“, welche einen bestimmten Gewerbezweig mit einer so hohen Steuer belastet, dass eine Erwerbsausübung nicht mehr möglich ist.201 Eine derartige „Erdrosselung“ mittels des Steuerrechts würde einen Eingriff in das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit und Eigentum darstellen und wohl verfassungswidrig sein.202 Nach den obigen Ausführungen wird deutlich, dass Österreich zurecht als ein rechtsstaatlicher, liberaldemokratischer Steuerstaat bezeichnet werden kann.203 Auch mit Rückblick auf die unter Kapitel 2 A. III. erläuterten Charakteristika der Steuerstaatlichkeit nach Isensee lässt sich dieser Befund in Bezug auf die österreichische Staatsstruktur bejahen. Die Besteuerung, die Demokratie und der Rechtsstaat bilden in Österreich daher eine untrennbare Einheit. Jedes dieser drei Elemente steht mit dem anderen in einer wechselseitigen Beziehung zueinander und bauen auf einander auf. Diese drei untrennbar miteinander verbundenen Elemente bilden die Grundpfeiler einer modernen liberalen Demokratie. Wird eines dieser Elemente entfernt oder grundlegend verändert, so ändert dies auch den Charakter des Staates als Ganzes: Ohne Steuern wäre der Staat nicht funktionsfähig, da er seine Kosten nicht decken könnte; ohne demokratische Legitimation wären Steuern autoritäre Zwangsabgaben eines Machthabers; ohne Rechtsstaat würde Willkür herrschen. Steuern, Demokratie und Rechtsstaat stellen damit die zentralen Eckpfeiler des modernen westlichen Steuerstaates dar.

II. Exkurs: Die Ausgabenseite des Staatshaushaltes in Österreich Aufgrund der inhaltlichen Ausrichtung dieser Arbeit wurde bislang nur die Besteuerung, also die Einnahmenseite des österreichischen Staatshaushaltes, dargestellt. Der Vollständigkeit wegen wird unter diesem Exkurs in geraffter Form auch die Ausgabenseite erläutert.

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Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 70. Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 71. 199 Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 69 ff. 200 Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 52. 201 Rust/Blum, Grundrechtsschutz im Steuerrecht 44 f., 50. 202 Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 69; VfSlg 18.183/2007. 203 Vgl. auch Haas/Swoboda, in: Grauhan/Hickel 192.

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Kap. 2: Steuern, Demokratie und Rechtsstaat als Kern des modernen Staatswesens

Ebenso wie die Besteuerung ist auch die Reglung der Staatsausgaben in Österreich demokratisch und rechtsstaatlich legitimiert.204 Das Budget bzw. der Haushalt bedarf daher gemäß Art. 51 Abs. 1 B-VG der Genehmigung des Nationalrates in Form eines Bundesgesetzes, des Bundesfinanzgesetzes.205 Das Budgetbewilligungsrecht des Nationalrates ist Teil des Haushaltrechts des Bundes, welches verfassungsrechtlich in Art. 51 – 51 c B-VG normiert ist.206 Das nationale Haushaltsrecht wird dabei von den europarechtlichen Zielen über die Haushaltsdisziplin der Mitgliedstaaten überlagert.207 Innerstaatlich umgesetzt werden die unionsrechtlichen Vorgaben durch den österreichischen Stabilitätspakt.208 Der Stabilitätspakt zielt wiederum darauf ab, den EU-rechtlichen Konvergenzkriterien bezüglich Höhe und Entwicklung des Staatsschuldenstandes und des Budgetdefizits zu entsprechen.209 Gemäß den Staatszielbestimmungen des Art. 13 Abs. 3 B-VG haben Bund, Land und Gemeinden bei ihrer Haushaltsführung das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht, nachhaltig geordnete Haushalte und die Gleichstellung von Mann und Frau bzw. „gender budgeting“ zu beachten.210 Näher ausgestaltet wird das Haushaltsrecht des Bundes im einfachgesetzlichen Bundeshaushaltsgesetz.211 Das jährliche Budget des Bundes wird also in Form des einfachgesetzlichen Bundesfinanzgesetzes auf Grundlage einer Vorlage der Bundesregierung genehmigt.212 Dem Bundesfinanzgesetz hat ein Bundesfinanzrahmengesetz voranzugehen.213 Das Bundesfinanzrahmengesetz legt durch Obergrenzen einen verbindlichen Ausgabenrahmen für vier Jahre fest.214 Das Volk als Souverän, mittelbar repräsentiert durch das Parlament, stellt also der Regierung im jeweiligen Budgetgesetz finanzielle Mittel zur Verfügung.215 Zu beachten ist, dass diese Souveränität über die Wirtschafts- bzw. Budgetpolitik zumindest teilweise von den europarechtlichen Vorgaben beschränkt wird, da eine Konvergenz der Wirtschaftspolitik der Euro-Länder angestrebt wird.216

204 Isensee, ZÖR 2008, 31; Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 25 ff.; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 73 ff., 448 ff.; Berka, Verfassungsrecht8 Rz. 562 ff. 205 Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 448; Berka, Verfassungsrecht8 Rz. 562 ff. 206 Berka, Verfassungsrecht8 Rz. 562. 207 Eberhard et. al., Europäisches und öffentliches Wirtschaftsrecht10 II 194. 208 Eberhard et. al., Europäisches und öffentliches Wirtschaftsrecht10 II 194 f. 209 Eberhard et. al., Europäisches und öffentliches Wirtschaftsrecht10 II 183 ff., 194. 210 Eberhard et. al., Europäisches und öffentliches Wirtschaftsrecht10 II 155. 211 Schwabl, Die Haushaltsrechtsreform, JAP 2008/2009, 80 (80 ff.). 212 Berka, Verfassungsrecht8 Rz. 562 f. 213 Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 448. 214 Berka, Verfassungsrecht8 Rz. 562; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 448. 215 Hengstschläger, Grundlegende staatsrechtliche Prinzipien für eine wirksame öffentliche Finanzkontrolle, JBl 2010, 545 (546); Hengstschläger, Der Rechnungshof (1982) 58 f. 216 Eberhard et. al., Europäisches und öffentliches Wirtschaftsrecht10 II 157 ff., 178 ff.

F. Österreich als rechtsstaatlicher und liberaldemokratischer Steuerstaat

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Zum Fundament einer parlamentarischen Demokratie gehört auch die Kontrolle und die Verantwortlichkeit staatlicher Entscheidungsträger in finanzieller Hinsicht.217 Diese Kontrollfunktion liegt originär bei dem vom Bürger demokratisch legitimiertem Parlament.218 In Österreich wird die Funktion der Gebarungskontrolle, die Kontrolle der Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft der öffentlichen Hand durch den Rechnungshof erledigt.219 Der Rechnungshof wird daher als fachlich qualifiziertes, „parlamentarisches Kontrollorgan“ im Dienste der Volksvertretungen tätig.220 Das B-VG verankert den Rechnungshof im 6. Hauptstück (Art. 121 bis Art. 128 B-VG) und normiert dort insbesondere seinen Aufgabenkreis.221 Nähere Regelungen enthält das einfachgesetzliche Rechnungshofgesetz 1948 (RHG222).223 Funktion des Rechnungshofes ist laut B-VG die Kontrolle der Verwendung öffentlicher Finanzmittel durch die Gebietskörperschaften, von Wirtschaftsunternehmen, die von der öffentlichen Hand beherrscht werden, und von anderen Institutionen in seinem Aufgabenkreis.224 Die Kontrolle durch den Rechnungshof ist eng mit den verfassungsrechtlichen Grundprinzipien der Rechtsstaatlichkeit und Demokratie verbunden und bildet daher einen essentiellen Bestandteil eines demokratischen Rechtsstaats.225 So sorgt der Rechnungshof dafür, dass der im Budgetrecht verkörperte Wille des Volkes beachtet und umgesetzt wird.226

III. Zwischenfazit In der liberalen Demokratie Österreich ist die Besteuerung vom rechtsstaatlichen, demokratischen und liberalen Grundprinzip der Verfassung geprägt. Während die Rechtsstaatlichkeit eine strenge Gesetzmäßigkeit der Besteuerung und ein Rechtsschutzsystem vorsieht, werden die Steuergesetze mittels parlamentarischen Gesetzgebungsprozessen, welche auf dem demokratischen Baugesetz beruhen, legitimiert. Im liberalen, demokratischen Steuerstaat Österreich verkörpert also das Steuerrecht mittelbar den Willen des Volkes. Schließlich bewirkt der liberale Gedanke noch eine Beschränkung des Fiskus durch die Grundrechte, sodass ein bestimmter Lebensbereich vom Steuerzugriff der öffentlichen Hand „verschont“ bleibt. 217

Hengstschläger, JBl 2010, 545 f. Hengstschläger, Der Rechnungshof 58. 219 Berka, Verfassungsrecht8 Rz. 859. 220 Hengstschläger, Der Rechnungshof 58; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 575. 221 Berka, Verfassungsrecht8 Rz. 861. 222 Rechnungshofgesetz 1948, BGBl 144/1948 i. d. F. BGBl I 143/2015. 223 Berka, Verfassungsrecht8 Rz. 861. 224 Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 572; Berka, Verfassungsrecht8 Rz. 859. 225 Hengstschläger, JBl 2010, 545 m. w. N. 226 Isensee, ZÖR 2008, 31; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 575. 218

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Kap. 2: Steuern, Demokratie und Rechtsstaat als Kern des modernen Staatswesens

G. Ergebnis und weitere Vorgehensweise Steuern gelten als Geburtshelfer des modernen Staates und haben dessen Struktur entscheidend mitgeformt. So hat sich der sogenannte Steuerstaat als Konzept auch im modernen westlichen Staatswesen durchgesetzt. Am Beispiel Österreichs wurde gezeigt, dass ein moderner Steuerstaat heute untrennbar mit der Regierungsform der liberalen Demokratie und der materiellen Rechtsstaatlichkeit verbunden ist. In einem Steuerstaat wie Österreich ist das Steuerrecht daher als solches demokratisch legitimiert, rechtsstaatlich abgesichert und durch einen Grundrechtsschutz abgerundet. Steuern, Demokratie und Rechtsstaat vereinigen sich damit zum liberaldemokratischen Steuerstaat westlicher Prägung. Im modernen Steuerstaat beschränkt sich die Beziehung von Besteuerung und Demokratie jedoch nicht darin, dass der staatliche Steuerzugriff durch parlamentarische Repräsentation legitimiert wird. Vielmehr stehen Steuern und die demokratische Regierungsform in einer komplexen Wechselbeziehung, deren Erforschung Einblicke in die Stabilitätsvoraussetzungen eines heutigen Staates liefert. Das folgende Kapitel widmet sich dieser Thematik.

Kapitel 3

Die Wechselbeziehungen von Besteuerung und Demokratie A. Besteuerung als historische Triebfeder der Demokratisierung des Westens I. „tax bargaining“ als Keimzelle politischer Repräsentation Der Nationalökonom Schumpeter hat sich als einer der ersten Forscher mit der Frage beschäftigt, inwiefern Steuern einen Einfluss auf die Entwicklung eines Staatswesens1 haben können.2 So entwickelte Schumpeter im frühen 20. Jahrhundert auch die These, dass Steuern einen entscheidenden Beitrag für die Entstehung früher politischer Repräsentationsrechte der Bürger gegenüber den herrschenden Autoritäten leisteten.3 Als Beispiel für seine Theorie diente Schumpeter das Österreich des 14. bis 16. Jahrhunderts.4 Während dieser Epoche zwangen immer höhere Kosten für Feldzüge die Fürstentümer in eine hohe Verschuldung, worauf der Adel schließlich gezwungen wurde, sich in seinen Geldnöten an die Stände zu wenden und einen Verhandlungsprozess zu starten. Es wurde ausgehandelt, dass im Austausch für neu auferlegte Steuern, die Stände dafür Mitbestimmungsrechte und Einfluss auf den Verwendungszweck der erhobenen Steuern erlangten. Die Fürsten mussten die Verwendung dieser Steuer auch vor den Ständen rechtfertigen und wurden ihnen gegenüber zu einem gewissen Maße dafür verantwortlich.5 Im Sinne Schumpeters stellte dieser Prozess die Keimzelle für die Entwicklung repräsentativ-politischer Institutionen in der westlichen Welt dar.6 Diese Denkrichtung von Schumpeter wurde 1 Die Grundgedanken der nachfolgenden Darstellung des Kapitels 3 zum Verhältnis von Besteuerung und Demokratie wurden vom Verfasser im Rahmen des Beitrages Sumper, ZfV 2020, 11 ff. entwickelt. 2 Vgl. dazu schon Kapitel 2 A. II.; vgl. auch Ross, British Journal of Political Science 2004, 230 m. w. N. 3 Schumpeter, Die Krise des Steuerstaats 8 ff., 18, 19 ff.; Ross, British Journal of Political Science 2004, 230 m. w. N. 4 Schumpeter, Die Krise des Steuerstaats 8 ff., 16 ff. 5 Ross, British Journal of Political Science 2004, 230 m. w. N.; Schumpeter, Die Krise des Steuerstaats 8 ff., 16 ff. 6 Zur Rezeption Schumpeters vgl. instruktiv Ross, British Journal of Political Science 2004, 230 m. w. N.

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Kap. 3: Die Wechselbeziehungen von Besteuerung und Demokratie

im Schrifttum oftmals übernommen und beeinflusste die Werke zahlreiche anderer Forscher.7 Ein prominenter zeitgenössischer „neo-schumpeterianischer“8 Autor ist Moore, der ein Grundmodell für die historische Beziehung von politischer Repräsentation und Besteuerung in Europa entwickelt hat.9 Moore erklärt dabei in groben Zügen, warum sich das Konzept einer durch das Volk bzw. seinen Repräsentanten legitimierten Besteuerung in westlich geprägten Staaten durchgesetzt hat. Die Ausführungen dieses Autors verdienen besondere Aufmerksamkeit, da Moore ein Mitglied der „OECD Task Force on Tax and Development“ ist und dort laut eigenen Angaben zu „policy discussions“ beiträgt.10 Zudem beruft sich die OECD auch in mehreren ihrer Publikationen ausdrücklich auf Moores Werke.11 7 Vgl. dazu etwa Moore, How Does Taxation Affect the Quality of Governance? Tax Notes International 2007, 79 (80 ff. m. w. N.); Moore, International Political Science Review 2004, 299 ff.; Moore, E+Z 2007, 56 f.; Moore, in: Bräutigam/Fjeldstad/Moore 44 ff.; Schlichte, Der Staat in der Weltgesellschaft (2005) 182 ff.; Bräutigam, in: Bräutigam/Fjeldstad/Moore 1 ff.; Prichard, Taxation, Responsiveness and Accountability 4 ff., 33, 48 ff.; Passant, Historical Note: The History of Taxation is Written in Letters of Blood and Fire, Australasian Accounting, Business and Finance Journal 2016, 93; Møller/Skaaning, Democray and Democratization in Comparative Perspective (2013) 103 f. m. w. N.; Afzal/Considinbe, Democratic Accountability and International Human Development (2015) 53 f. m. w. N.; Leubolt, Transformation von Ungleichheitsregimes (2015) 71 ff.; Yun-Casalilla, Introduction: The Rise of the Fiscal State in Eurasia from a Global, Comparative and Transational Perspective, in: YunCasalilla/O’Brien/Comin (Hrsg.), The Rise of Fiscal States: A Global History, 1500 – 1914 (2012) 2; vgl. auch Pandey, in: Petruzzi/Spies (Hrsg.), Tax Policy Challenges in the 21st Century (2014) 507; Schön, Taxation and Democracy, Max Planck Institute for Tax Law and Public Finance (2018) 4 m. w. N., verfügbar unter https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?ab stract_id=3267279 (abgerufen am 6. 3. 2023); vgl. auch wienerzeitung.at, „Steuern befördern die Demokratie“, https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/welt/428000_Steuern-be foerdern-die-Demokratie.html (abgerufen am 6. 3. 2023). 8 Leubolt, Transformation von Ungleichheitsregimes 71. 9 Vgl. dazu vor allem Moore, International Political Science Review 2004, 299 ff.; Moore, Tax Notes International 2007, 80 ff. m. w. N.; Moore, E+Z 2007, 56 f.; vgl. auch Valta, Das Internationale Steuerrecht 34 f., 143 m. w. N.; vgl. auch schon die Nachweise unter Fn. 7. 10 Vgl. dazu die Angaben im Curriculum Vitae unter ids.ac.uk, Mick Moore, https://www. ids.ac.uk/people/mick-moore/ (abgerufen am 6. 3. 2023). 11 Vgl. etwa OECD, Governance, Taxation and Accountability: Issues and Practices (2008) 7 f. m. w. N., verfügbar unter https://www.oecd.org/tax/work-on-statebuilding-accountability-ef fective-capacity-development.htm (abgerufen am 6. 3. 2023); vgl. dazu Valta, Das Internationale Steuerrecht 143 und die dortige Fn. 47. Zum Zeitpunkt des Drucks dieser Arbeit war der Link zu der eben genannten Publikation noch auf der Webpage der OECD unter https://www. oecd.org/tax/work-on-statebuilding-accountability-effective-capacity-development.htm (abgerufen am 6. 3. 2023) verfügbar, dieser funktionierte jedoch nicht mehr. Dennoch kann wohl davon ausgegangen werden, dass die OECD Moores Grundthesen noch immer teilt, da dessen Kerngedanken sich auch in anderen Publikationen der OECD finden, vgl. etwa OECD, Taxation, State Building and Aid, Factsheet – Update December 2009, 1, verfügbar unter http:// www.oecd.org/ctp/taxation-state-building-and-aid-factsheet.pdf (abgerufen am 6. 3. 2023); vgl. dazu auch die Verweise auf Moore in OECD, Supporting Statebuilding in Situations of Conflict and Fragility: Policy Guidance (2011) 33, 55, 72.

A. Besteuerung als historische Triebfeder der Demokratisierung des Westens

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Ausgangspunkt von Moores Überlegungen stellt der Finanzbedarf der neuzeitlichen Staaten von Europa dar.12 In diesem historischen Kontext war nach Moore die Kriegsgefahr für Staaten allgegenwärtig, weshalb es von großer Bedeutung war, eine stetige und verlässliche Quelle für Staatseinnahmen zu erschließen.13 Dabei erwies sich eine Besteuerung des Volkes mittels Zwangsmaßnahmen der Machthaber, ohne eine gleichzeitige politische Repräsentation und ein gewisses Ausmaß an Mitbestimmung der Steuerzahler, als ineffektiv. Moore bezeichnet diese Form der Erhebung von Abgaben auch als „coercive taxation“.14 Eine derartige Erhebungsform von Steuern ohne politische Repräsentation neigte dazu, schnell Widerstand der Steuerzahler zu erzeugen, da derartige Abgaben oft als ungerecht empfunden wurden.15 Eine Folge daraus waren hohe Erhebungskosten, da die Steuerzahler versuchten, sich den Abgaben auf verschiedenen Wegen zu entziehen. Daraus resultierte ein unsicherer Steuerertrag, da aufgrund des Widerstandes die Höhe der eingetriebenen Abgaben schwankte. Es folgte damit auch eine schlechte Planbarkeit für Projekte des Staates, weil es schwer kalkulierbar ist, wie viele finanzielle Mittel aus Abgaben letztlich zur Verfügung stehen. Im Ergebnis führte eine Besteuerung ohne gleichzeitige politische Repräsentation der Bürger laut Moore zu einem niedrigen und unzuverlässigen Steueraufkommen, womit die Erfüllung der Staatsaufgaben gefährdet war.16 Eine Lösung für diese aus Sicht des Staates und der Bürger unbefriedigenden Situation boten repräsentativ-politische Institutionen, in denen Vertreter der Steuerzahler gemeinsam mit dem Staat über Besteuerungsregime verhandeln und über Steuern gemeinsam im konsensorientierten Diskurs entscheiden konnten.17 Diese Art von Verhandlung über Ausgestaltung von Abgaben wird in der Forschung als „tax bargaining“ oder „revenue bargaining“ bezeichnet.18 Zwischen Repräsentanten des Volkes und dem Staat einvernehmlich ausgehandelte Steuersysteme boten nach Moore eine Reihe von beiderseitigen Vorteilen.19 So hatte eine derartige Form der Besteuerung direkt Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Staat und Volk selbst. 12

Die folgenden Ausführungen zu Moores Thesen beruhen auf Moore, International Political Science Review 2004, 299 ff. m. w. N.; Moore, in: Bräutigam/Fjeldstad/Moore 44 ff.; Moore, E+Z 2007, 56 f.; Moore, Tax Notes International 2007, 79 ff. 13 Vgl. dazu instruktiv Moore, International Political Science Review 2004, 299 ff.; die Kernthesen von Moore werden in dieser Publikation sichtbar, weshalb im Folgenden auch primär auf diesen Beitrag verwiesen wird; vgl. auch Moore, in: Bräutigam/Fjeldstad/Moore 37, 44 ff. sowie Moore, E+Z 2007, 56 f. 14 Moore, International Political Science Review 2004, 300. 15 Moore, in: Bräutigam/Fjeldstad/Moore 45 f.; Moore, Tax Notes International 2007, 91 ff. 16 Moore, International Political Science Review 2004, 300. 17 Moore, International Political Science Review 2004, 300; Moore, in: Bräutigam/ Fjeldstad/Moore 46. 18 Prichard, Taxation, Responsiveness and Accountability 1 ff., passim; Moore, in: Bräutigam/Fjeldstad/Moore 37; vgl. auch Aboagye/Hillbom, African Affairs 2020, 177. 19 Moore, International Political Science Review 2004, 299 ff.; vgl. auch Moore, E+Z 2007, 56 f.

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Kap. 3: Die Wechselbeziehungen von Besteuerung und Demokratie

Durch repräsentative Institutionen wurde ein Forum für Verhandlungen von Bürger und Staat geschaffen.20 Die gemeinsame Entscheidungsfindung von Staat und Volk förderte die Suche nach Vereinbarungen, welche sowohl Machthaber als auch Bürger nützen.21 Dieser konsensorientierte Diskurs war somit dem allgemeinen politischen Klima eines Staates zuträglich.22 Oft wurde die Akzeptanz neuer Steuern von den Bürgern „getauscht“ gegen eine gewisse politische Maßnahme des Staates oder gegen die Gewährung von mehr Mitbestimmungsrechten der Repräsentanten.23 Das Volk und seine Repräsentanten stehen daher mit dem Staat in einem Dauerverhältnis: Es werden Steuern gezahlt und dafür werden vom Staat öffentliche Dienstleistungen bereitgestellt bzw. eine gewisse Politik umgesetzt.24 Der Prozess der Steuererhebung wurde zudem auch billiger, da die Steuerzahlern aufgrund der einvernehmlichen Aushandlung der Abgaben weniger Widerstand leisteten. Dadurch wurde der Staatshaushalt verlässlicher, nachhaltiger und somit besser planbar, was für einen Staat vor allem vor dem Kontext einer Kriegsgefahr einen entscheidenden Vorteil bot.25 Zudem bestand für Herrscher, die von einer solchen Form der Besteuerung abhingen, ein Anreiz, den Wohlstand der Bevölkerung zu fördern, da mehr Wohlstand der Bevölkerung sich auch positiv auf die Steuereinnahmen auswirkte.26 Staaten mit einem auf Konsens in repräsentativen Institutionen beruhenden Steuersystem konnten dadurch nachhaltig und verlässlich einen höheren Steuerertrag einnehmen. Somit waren solche Staaten anderen Nationen im geschichtlichen Kontext betrachtet im Vorteil, was dazu führte, dass sich die auf politischer Repräsentation basierende Besteuerung langsam in den westlichen Staaten durchsetzen konnte.27 Nach dieser Denkrichtung gilt daher das „tax bargaining“ von staatlichen Autoritäten und Volk über die Ausgestaltung der Steuerordnung als eine der Wurzeln der repräsentativen Demokratie in der westlichen Welt.28

II. Steuern als Zündstoff für Revolutionen Konflikte um Steuern waren in der Geschichte regelmäßig der Auslöser für revolutionäre Bestrebungen, an deren Ende oftmals eine Stärkung der politischen 20

Moore, International Political Science Review 2004, 299 ff. Moore, E+Z 2007, 56 f. 22 Moore, E+Z 2007, 56 f. 23 Moore, International Political Science Review 2004, 299 ff. 24 Moore, in: Bräutigam/Fjeldstad/Moore 37; Valta, Das Internationale Steuerrecht 33 ff. 25 Moore, International Political Science Review 2004, 299 ff.; Moore, E+Z 2007, 56 f.; Moore, in: Bräutigam/Fjeldstad/Moore 47. 26 Moore, International Political Science Review 2004, 300. 27 Moore, in: Bräutigam/Fjeldstad/Moore 47; Bräutigam, in: Bräutigam/Fjeldstad/Moore 1, 7, 12 ff. m. w. N. 28 Bräutigam, in: Bräutigam/Fjeldstad/Moore 1, 7, 12 ff. m. w. N.; Moore, International Political Science Review, 299 ff.; vgl. auch schon die übrigen Nachweise unter Fn. 7. 21

A. Besteuerung als historische Triebfeder der Demokratisierung des Westens

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Rechte der Bürger stand.29 Im Folgenden werden in geraffter Form drei der bekanntesten historischen Beispiele dafür herausgegriffen werden. So gab es etwa im England des 17. Jahrhunderts jahrelange Konflikte zwischen dem Parlament und dem Monarchen über die Einführung von neuen Steuern.30 Das Parlament strebte mehr Mitbestimmungsrechte an und widersprach einer eigenmächtigen Steuererhebung des Monarchen. Aus diesen Spannungen entlud sich schließlich ein mehrjähriger Bürgerkrieg zwischen den Anhängern der Krone und denen des Parlaments. Am Ende einer Periode der bewaffneten Auseinandersetzungen und politischer Unruhen standen schließlich eine signifikante Stärkung der Rechte des Parlaments und zahlreiche Zugeständnisse seitens der Krone. So konnte der Monarch auch nicht mehr ohne Zustimmung des Parlaments Abgaben einheben. Im Ergebnis führte dies zu einer Stärkung von repräsentativen Institutionen. Ein weiteres Beispiel betrifft Frankreich im 18. Jahrhundert.31 Das absolutistische Frankreich dieser Zeit hatte ein sehr ineffizientes, feudales Steuersystem, in welchem der Klerus und der Adel großteils von der Besteuerung ausgenommen waren. Ein drohender Staatsbankrott führte dazu, dass der Monarch gezwungen war, eine Versammlung aller Stände einzuberufen, um mit ihnen über ein neues Steuersystem zu beraten. Die Ständeversammlung konnte sich mit dem Monarchen jedoch nicht über die Einführung neuer Steuern einigen. Der Streit, der sich daraus entwickelte, heizte Konflikte, welche zwischen großen Teilen der Bevölkerung und dem Monarchen schon lange bestanden, noch weiter an. Dies mündete schon bald in der unter „Französischen Revolution“ bekannt gewordenen Aufstandsbewegung, die zum Ende des Absolutismus in Frankreich führte und im Ergebnis eine Stärkung der Repräsentationsrechte des Volkes mit sich brachte. Das letzte hier zu nennende historische Beispiel betrifft das koloniale Amerika im 18. Jahrhundert.32 Dort schwelte über etliche Jahre eine Debatte zwischen amerikanischen Kolonisten und dem britischen Mutterland über Fragen der Besteuerung. Großbritannien wollte die in Amerika angesiedelte Bevölkerung vor allem deshalb besteuern, da die Kolonien den Schutz des britischen Militärs genossen. Die Kolonisten hielten dagegen, dass sie nach britischem Recht gar nicht besteuert werden dürften, da sie auch nicht durch eigene Vertreter im britischen Parlament vertreten 29 Vgl. für die folgenden Ausführungen Adams, For Good and Evil 239 ff., 297 ff., 345 ff.; Prichard, Taxation, Responsiveness and Accountability 51 ff. m. w. N.; Schön, Taxation and Democracy 4 m. w. N.; Ross, British Journal of Political Science 2004, 230 ff. m. w. N.; vgl. auch Moore, International Political Science Review 2004, 299 ff.; Murphy, The Joy of Tax (2015) 17 ff. 30 Adams, For Good and Evil 239 ff.; Prichard, Taxation, Responsiveness and Accountability 51 ff.; Schön, Taxation and Democracy 4. 31 Adams, For Good and Evil 297 ff.; Prichard, Taxation, Responsiveness and Accountability 52; Ross, British Journal of Political Science 2004, 231. 32 Adams, For Good and Evil 345 ff.; Prichard, Taxation, Responsiveness and Accountability 52 ff.; Schön, Taxation and Democracy 4; Ross, British Journal of Political Science 2004, 231 m. w. N.

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Kap. 3: Die Wechselbeziehungen von Besteuerung und Demokratie

waren. Solange die amerikanischen Ansiedler keine eigene Repräsentation bei der Ausgestaltung der Steuern erfuhren, wollten sie Widerstand gegen die Besteuerung leisten. Der mehrjährige Streit über Steuern trug zur weiteren Mobilisierung der Unabhängigkeitsbewegung amerikanischer Kolonisten bei und gilt auch als ein Grund für den folgenden Unabhängigkeitskrieg zwischen den Kolonien und Großbritannien. Dieser Kampf führte schließlich zur Autonomie gegenüber Großbritannien, worauf im nun unabhängigen Amerika eine Verfassung mit starken repräsentativen Institutionen eingeführt wurde. Der Leitspruch der amerikanischen Kolonisten, unter der sie ihre Unabhängigkeit erstritten haben, ging als „no taxation without representation!“ in die Geschichte ein.33 Besteuerung durch die herrschenden Autoritäten zog in der Regel somit den Ruf der Bürger nach mehr Mitbestimmung nach sich.34 Die Frage nach dem Recht zur Besteuerung war also eine Triebfeder für die Entstehung von Repräsentationsrechten der Bürger und förderte den damit einhergehenden Vormarsch der Demokratie ungemein.35

III. Exkurs: Entwicklungen in nicht-westlichen Ländern In vielen außereuropäischen Ländern vollzog sich eine mit westlich geprägten Staaten nicht vergleichbare steuerliche Entwicklung.36 So deckten zahlreiche ressourcenreiche postkoloniale „Entwicklungsländer“ nämlich ihren Finanzbedarf nicht durch Steuern, sondern hauptsächlich mit Erlösen aus dem Verkauf von Bodenschätzen und mit aus dem Ausland bezogenen Hilfsgeldern.37 So kam es in solchen „rentier states“ auch zu keiner vergleichbaren, durch „tax bargaining“

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Schön, Taxation and Democracy 4. Valta, Das Internationale Steuerrecht 33 f., 143 m. w. N.; Moore, E+Z 2007, 56 f.; Moore, International Political Science Review 2004, 299 f.; Ross, British Journal of Political Science 2004, 230 ff.; in diesem Sinne auch Prichard, Taxation, Responsiveness and Accountability 1, 4 ff. m. w. N., 49 ff. m. w. N.; dazu grundlegend Schumpeter, Die Krise des Steuerstaats 8 ff., 19 ff. 35 Huhnholz, in: Boysen/Kaiser/Meinel 195 f.; Huhnholz, Die Steuer des Steuerstaates, in: Frick/Lembcke/Lhotta (Hrsg.), Politik und Recht (2017) 461; Murphy, The Joy of Tax 26 f., 37 f.; Valta, Das Internationale Steuerrecht 33 f., 143 m. w. N. 36 Vgl. dazu statt vieler Moore, International Political Science Review 2004, 304 ff.; Ritter, Steuersysteme in Subsahara-Afrika, Friedrich Ebert Stiftung (2011) 1; Sandbakken, The Limits to Democracy Posed by Oil Rentier States: The Cases of Algeria, Nigeria and Libya, Democratization 2006, 135 (135 ff.). 37 Moore, International Political Science Review 2004, 305; Ritter, Steuersysteme in Subsahara-Afrika 1; Schlichte, Staatsbildung und Staatszerfall in der „Dritten Welt“, in: Siegelberg/Schlichte (Hrsg.), Strukturwandel internationaler Beziehungen (2000) 270 f. 34

A. Besteuerung als historische Triebfeder der Demokratisierung des Westens

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entstandenen, Beziehung zwischen Staat und Volk und auch der Anreiz, ausreichende Verwaltungsstrukturen zu schaffen, fehlte somit.38 Inwiefern Steuern ein Instrument des „state buildings“ und der Entwicklungshilfe in derartigen Ländern sein können, wird mittlerweile von zahlreichen internationalen Organisationen und Forschungsinstituten diskutiert.39 Aufgrund der Komplexität dieser Thematik wird dieser Bereich nicht weiter vertieft und es ist daher auf die in diesem Abschnitt angegebenen Literaturquellen zu verweisen.

IV. Zwischenfazit und weitere Vorgehensweise Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Steuern eine historisch entscheidende Rolle bei der allmählichen Demokratisierung des westlichen Staatswesens spielten. Steuern waren das „Vehikel“, mit dem das Volk gegenüber dem Königs- und Adelstum die allmähliche Demokratisierung und Parlamentarisierung erringen konnte.40 Der Gedanke, dass die Mitwirkung der Steuerzahler den Besteuerungszugriff der Machthaber legitimieren soll, gilt als „Kristallisationspunkt“41 für diese historische Entwicklung. So kam es in westlich geprägten Ländern zu einer langsamen Evolution hin zu dem schon unter Kapitel 2 erläuterten liberaldemokratischen Steuerstaat.42 38 Ritter, Steuersysteme in Subsahara-Afrika 1; Moore, International Political Science Review 2004, 305; Sandbakken, Democratization 2006, 135 ff. 39 Vgl. dazu etwa Owens, Tax and Development – Why Tax is Important for Development, Tax Justice Focus, First Quarter 2009, Volume 4 Issue 4, 1 ff.; Owens/Parry, Why Tax Matters for Development, OECD Observer, Volume 2009, Issue 2, 24 f.; OECD, Taxation, State Building and Aid, Factsheet – Update December 2009; OECD, Governance, Taxation and Accountability: Issue and Practice 3 ff.; Oxfam Research Report, Owning Development – Taxation to Fight Poverty (2011) 4 ff., verfügbar unter https://www-cdn.oxfam.org/s3fs-public/ file_attachments/rr-owning-development-domestic-resources-tax-260911-en_3.pdf (abgerufen am 6. 3. 2023); taxjustice.net, Aid, Tax & State Building, https://www.taxjustice.net/topics/aidtax-and-state-building/ (abgerufen am 6. 3. 2023); Ritter, Steuersysteme in Subsahara-Afrika 1; vgl. un.org, Goal 17: Revitalizing the Global Partnership for Sustainable Development, http:// www.un.org/sustainabledevelopment/globalpartnerships/ (abgerufen am 6. 3. 2023); vgl. auch wienerzeitung.at, „Steuern befördern die Demokratie“, https://www.wienerzeitung.at/nachrich ten/politik/welt/428000_Steuern-befoerdern-die-Demokratie.html (abgerufen am 6. 3. 2023); vgl. auch Valta, Das Internationale Steuerrecht 133 ff. 40 Valta, Das Internationale Steuerrecht 33 m. w. N.; Ross, British Journal of Political Science 2004, 230 ff. 41 Schwennicke, „Ohne Steuer kein Staat“ 350; vgl. auch Schwennickes Ausführungen zur speziellen historischen Entwicklung in Deutschland, Schwennicke, „Ohne Steuer kein Staat“ 350 ff., passim. 42 Ross, British Journal of Political Science 2004, 230 ff. m. w. N.; Bräutigam, in: Bräutigam/Fjeldstad/Moore 2, 12 ff.; Moore, International Political Science Review 2004, 299 ff.; Moore, in: Bräutigam/Fjeldstad/Moore 44 ff.; Huhnholz, in: Boysen/Kaiser/Meinel 195; Genschel/Uhl, in: Leibfried/Zürn 92 m. w. N.; Huhnholz, in: Frick/Lembcke/Lhotta 461; vgl. auch Prichard, Taxation, Responsiveness and Accountability 50 ff. m. w. N.

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Kap. 3: Die Wechselbeziehungen von Besteuerung und Demokratie

Nach dieser historischen Betrachtung der demokratiefördernden Wirkung von Steuern, widmet sich der folgende Abschnitt wieder dem gegenwärtigen demokratischen Staatswesen. Dabei wird sich zeigen, dass die repräsentativ-demokratische Mitwirkung der Bürger nicht sämtliche Problemfelder bei der Besteuerung löst.

B. Herausforderungen an die Besteuerung im demokratischen Steuerstaat I. Die repräsentative Demokratie als unvollkommener Schutz für den Bürger Im modernen demokratischen Steuerstaat bestehen drei zentrale Problemkreise, die nicht einfach verschwinden, sobald der Steuerzugriff des Staates demokratisch legitimiert ist.43 1.) Aus Sicht der politischen Ökonomie besteht idealerweise eine Übereinstimmung zwischen jenen Bürgern, welche die Steuer durch ihr Wahlverhalten demokratisch legitimieren, jenen Bürgern, welche die Steuern zahlen, und jenen Bürgern, welche die durch die Steuer finanzierten öffentlichen Güter genießen.44 Die Gruppe, welche die Steuer legitimiert, zahlt und von der Steuer profitiert, ist somit dieselbe. Auf Basis dieser Annahme kann aus Perspektive der Ökonomie der Steuergesetzgeber die besten Entscheidungen treffen.45 Dieser Idealzustand ist in der Realität für den individuellen Steuerzahler jedoch oft nicht verwirklicht.46 Der Zahlung von Steuern liegt nämlich kein einfaches „quid pro quo“ zwischen Staat und Volk zugrunde, welches dem Bürger einen individuellen Nutzen gewährt.47 Denn in der Realität finanzieren Steuerzahler grundsätzlich auch öffentliche Güter mit, welche sie nicht oder nur wenig nutzen, und zudem entfalten Steuern regelmäßig Umverteilungswirkungen, die der einzelne Steuerzahler vielleicht sogar ablehnt.48 So unterliegt etwa eine natürliche Person, die in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig ist, potentiell mit ihrem gesamten Welteinkommen der Einkommensteuer und zwar vollkommen unabhängig davon, ob diese Person ein Wahlrecht besitzt oder in welchem Ausmaß sie öffentliche Güter in Österreich in Anspruch genommen hat. Die Deckungsgleichheit zwischen Wähler, Steuerzahler und Profiteur öffentlicher Leistungen ist demnach regelmäßig verschoben.49 Diese Problematik bleibt somit 43

Schön, Taxation and Democracy 62 f. Zu dieser Problematik vgl. im Detail Schön, Taxation and Democracy 1 f. m. w. N., 7 m. w. N., 62 f.; Blankart, Öffentliche Finanzen in der Demokratie9 86 ff. 45 Vgl. dazu Schön, Taxation and Democracy 2 m. w. N., 7. 46 Schön, Taxation and Democracy 7 m. w. N. 47 Schön, Taxation and Democracy 7. 48 Schön, Taxation and Democracy 7. 49 Schön, Taxation and Democracy 7; vgl. auch Huhnholz, in: Boysen/Kaiser/Meinel 458. 44

B. Herausforderungen an die Besteuerung im demokratischen Steuerstaat

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auch bei einer demokratisch legitimierten Besteuerung bestehen. Schön fasst diesen Themenkreis prägnant folgend zusammen: „Some taxpayers will win, others will lose.“50 2.) In der Literatur wird auch von verschiedenen Seiten auf die tendenzielle Unbeschränktheit des Staates bei seinem Steuerzugriff hingewiesen.51 Prominente Vertreter dieser Denkrichtung sind Brennan/Buchanan,52 welche mit ihrer „Leviathantheorie“ davon ausgehen, dass der Staat – gleich einem monströsem „Finanzleviathan“ – die Tendenz hat, seine Besteuerungsgewalt so weit wie möglich auszuweiten.53 Obwohl das „Leviathanmodell“ aufgrund der Annahme einer extrem eigennutzorientierten Regierung in der Kritik stand, gilt es in der Finanzwissenschaft dennoch als ein wertvoller Beitrag für die Entwicklung einer ganzheitlichen Theorie der Besteuerung.54 Eine traditionelle Schranke der Ausbreitungstendenzen einer derartigen „Leviathanregierung“ stellten Parlamente dar, in denen Repräsentanten des Volkes die Steuergesetzgebungshoheit ausübten.55 Im Schrifttum wird jedoch bemängelt, dass die Parlamente in der rechtlichen und politischen Praxis eben diese Kontroll- und Schrankenfunktion nicht mehr erfüllen.56 Vielmehr sei der parlamentarische Gesetzgeber wegen seiner „Abhängigkeit von Bürokratie“ und „interessens- und verbandsmäßigen Verflechtungen“ nun der „eigentliche Motor“ der ständigen steuerlichen Expansion des Staates.57 Die repräsentative Demokratie und das von den politischen Parteien beherrschte Parlament werden daher nur als ein unzureichender Schutz gegenüber dem sich ausbreitenden Steuer- und „Levia-

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Schön, Taxation and Democracy 7. Zu dieser Thematik vgl. insbesondere Blankart, Öffentliche Finanzen in der Demokratie8 (2011) 229 ff.; Pernthaler, Plebiszitäre Demokratie als Mittel zur Sanierung der Finanzordnung, Freie Argumente 1987, 41 (41 f.); Huhnholz, in: Boysen/Kaiser/Meinel 196 f. m. w. N., 215; Huhnholz, in: Frick/Lembcke/Lhotta 454; Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat 5, 9 ff., 31; vgl. auch Kirchhof, Verfassungsrechtliche und steuersystematische Grundlagen der Einkommensteuer, in: Ebling (Hrsg.), Die Besteuerung von Einkommen (2001) 11 (Veröffentlichung der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft); vgl. auch Schön, Taxation and Democracy 24 ff., 34 ff. 52 Brennan/Buchanan, The Power to Tax: Analytical Foundations of a Fiscal Constitution (1980). 53 Vgl. dazu die Darstellung in Blankart, Öffentliche Finanzen in der Demokratie8 229 ff.; Pernthaler, Freie Argumente 1987, 42. 54 Der Wert der Leviathantheorie wird insbesondere darin gesehen, dass sie einen scharfen Kontrast gegenüber der wohlfahrtsökonomischen Theorie der Besteuerung bietet, vgl. dazu Blankart, Öffentliche Finanzen8 213 ff., 229, 234 f. 55 Pernthaler, Freie Argumente 1987, 42; Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat 9. 56 Pernthaler, Freie Argumente 1987, 42; Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat 9; vgl. dazu auch Kirchhof, Elfte Weltethos-Rede am 31. 10. 2014, Viertes Prinzip: Die Legitimation der Steuer, verfügbar unter https://www.weltethos.org/wp-content/uploads/2022/08/ Weltethos-Rede-11-Kirchhof-2014.pdf (abgerufen am 6. 3. 2023). 57 Pernthaler, Freie Argumente 1987, 42; in diesem Sinne auch Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat 5, 9 ff., 31. 51

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Kap. 3: Die Wechselbeziehungen von Besteuerung und Demokratie

thanstaat“ angesehen.58 Paul Kirchhof hält dieses Dilemma wie folgt fest: „Wir erfahren noch immer, dass der Abgeordnete sich dem Wähler nicht als Garant niedriger Steuerlasten empfiehlt, sondern als Vordenker zusätzlicher Staatsleistungen und damit weiterer Steuererhöhungen.“59 3.) Eine weitere Herausforderung für den demokratischen Steuerstaat besteht darin, dass machtvolle Mehr- oder Minderheiten leichter ihre Anliegen in die Öffentlichkeit tragen können als ein einzelnes Individuum.60 Interessensverbände und Lobbygruppen können so potentiell Einfluss auf den politischen Prozess und die Steuergesetzgebung nehmen.61 Die bloße Tatsache, dass eine Besteuerung auf einem demokratischen Mehrheitsbeschluss beruht, schützt den individuellen Bürger nicht vor einer steuerlichen Benachteiligung gegenüber einflussreichen „pressure groups“, welche für sich Steuerprivilegien erreichen wollen.62 Zudem gewährleistet der demokratische Entstehungsprozess eines Steuergesetzes für sich allein keine materiellen, auf die inhaltliche Qualität der Regelung abzielenden Standards. Auch ein demokratisch legitimiertes Steuergesetz kann deshalb inhaltlich „schlecht“ sein. Nach den obigen Ausführungen wird deutlich, dass eine demokratisch legitimierte Besteuerung nicht automatisch eine „gute“ Besteuerung sein muss. Denn sobald sich in einer repräsentativen Demokratie entsprechende Mehrheiten etabliert haben, bietet der demokratische Gesetzgebungsprozess für sich allein dem individuellen Bürger nur unvollkommenen Schutz gegen eine exzessive oder ungerecht empfundene Besteuerung.63 Um einen vollständigeren Schutz des Bürgers zu gewährleisten, ist in Österreich der VfGH auch zur Normenkontrolle ermächtigt; das Höchstgericht kann demnach prüfen, ob Steuergesetze, welche grundsätzlich im Gesetzgebungsverfahren korrekt erlassen wurden, auch inhaltlich verfassungskonform sind oder nicht. Entspricht ein Gesetz nicht der Verfassung, so ist es aufzuheben.64 Die spezielle Rolle, welche der 58 Pernthaler, Freie Argumente 1987, 42; Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat 5, 9 ff.; Blankart, Öffentliche Finanzen8 236 f. m. w. N.; Blankart, Öffentliche Finanzen9 175; Schön, Taxation and Democracy 62 f. 59 Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat 9. 60 Schön, Taxation and Democracy 10. 61 Helbig, Steuerkomplexität (2018) 103 f. m. w. N.; Bizer, Steuervereinfachung und Steuerhinterziehung (2008) 146; vgl. auch Schön, Taxation and Democracy 10. 62 Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat 6, 8 f.; Blankart, Öffentliche Finanzen9 175; Schön, Taxation and Democracy 32, 62 f. 63 Schön, Taxation and Democracy 62; Blankart, Öffentliche Finanzen9 175; Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat 5, 9 ff. 64 Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 1001 ff.; der österreichische VfGH gilt als erstes Verfassungsgericht mit einer Kompetenz zur Gesetzesaufhebung und als Vorreiter für dieses Modell der Verfassungsgerichtsbarkeit in Europa, vgl. dazu Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 496 und die dortige Fn. 4 m. w. N.; vgl. auch Öhlinger, Die Entstehung und Entfaltung des österreichischen Modells der Verfassungsgerichtsbarkeit, in: FS Adamovich (2002) 581 ff.; Bezemek, A Kelsian Model of Constitutional Adjudication, ZÖR 2012, 115 (115 ff.).

B. Herausforderungen an die Besteuerung im demokratischen Steuerstaat

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VfGH innerhalb Österreich einnimmt, wird noch detailliert unter Kapitel 5 B. III. erläutert. Zudem lässt sich der VfGH bei der Prüfung von Steuergesetzen von grundlegenden rechtstheoretischen Prinzipien leiten, durch welche die Abwägungsentscheidungen des Höchstgerichtes deutlich werden. Diese Prinzipien werden im weiteren Verlauf dieser Arbeit ebenfalls noch ausführlich erörtert werden.65

II. „Schlechte“ Besteuerung schadet der Steuerehrlichkeit Was geschieht nun, wenn das Volk mit dem immer weiteren Vordringen des „Finanzleviathans“ unzufrieden ist und die Besteuerung als zunehmend ungerecht oder ineffizient, also als „schlecht“, wahrgenommen wird?66 Die Verhaltenswissenschaften beschäftigen sich schon seit Jahrzehnten mit der Frage, unter welchen Umständen die Bürger eines modernen Staates ehrlich und nachhaltig ihre Steuern zahlen.67 Zahlreiche Forschungsarbeiten haben dabei ergeben, dass wenn sich der Bürger nicht mehr positiv mit der Steuerpolitik des Steuerstaates identifizieren kann, dies schädlich für die „Steuermoral“68 ist und damit in weiterer Folge die sogenannte „tax compliance“ sinkt.69 Unter „tax compliance“ wird die Bereitschaft verstanden, geltende Steuergesetze einzuhalten und den steuerrechtlichen Pflichten nachzukommen – bisweilen wird dafür auch der Begriff der „Steuerehrlichkeit“ verwendet.70 Sinkt die Bereitschaft des Bürgers, seinen steuerlichen Pflichten nachzukommen, tendiert der Bürger eher dazu, dem Steuerzugriff des Staates durch „Steuerwiderstand“ – etwa mittels Steuerhinterziehung – zu entgehen.71 65

Vgl. Kapitel 7 bis 14. Vgl. zu dieser Problematik im Detail Blankart, Öffentliche Finanzen9 166 ff. 67 Vgl. dazu für einen Überblick Müller, Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die Steuermoral, SWK 2011, 244 (244 ff.); Schmidl/Schwaiger/Stieber, Steuergerechtigkeit und Moral, in: Macho/Schwaiger/Stieber (Hrsg.), Steueroasen im Visier (2015) 9 ff. m. w. N.; Blankart, Öffentliche Finanzen9 166 ff.; vgl. dazu auch die Nachweise unter den Fn. der folgenden Darstellung der Einflussfaktoren auf die Steuerehrlichkeit. 68 Unter Steuermoral wird in der Regel die innere Einstellung der Steuerzahler zu ihrer Steuerpflicht verstanden, vgl. dazu im Detail Kirchler/Zieser, Steuern: Nutzenmaximierung, Moral und Komplexität, in: Summersberger (Hrsg.), Der Wert bei Drittstaatslieferungen – Abgaben- und finanzstrafrechtliche Risken im Außenhandel (2019) 12 m. w. N. 69 Blankart, Öffentliche Finanzen9 168 f. m. w. N.; Müller, SWK 2011, 244 ff.; Mayowan, Tax Morale and Tax Compliance, Atlantis Press – Advances in Economics, Business and Management Research 2019, Annual International Conference of Business and Public Administration (AICoBPA 2018), 264 (264); zu den Begriffen „Steuermoral“ und „tax compliance“ vgl. Kirchler/Zieser, in: Summersberger 13 f. m. w. N. 70 Müller, Good Governance und Steuermoral, ÖStZ 2011, 191 (191); OECD, Monitoring Taxpayers’ Compliance: A Practical Guide Based on Revenue Body Experience (2008) 9; Müller, SWK 2011, 245 m. w. N.; vgl. auch Hofmann/Kirchler/Schrittwieser, Vertrauen als Garant für Kooperation und Steuerehrlichkeit, SWK 2014, 954 (954 f.). 71 Hannemann/Pommerehne, Einkommensteuerhinterziehung in der Schweiz: Eine empirische Analyse, Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik 1989, 515 66

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Kap. 3: Die Wechselbeziehungen von Besteuerung und Demokratie

Im Folgenden werden in geraffter Form fünf für diese Arbeit zentrale Einflussfaktoren auf die Steuerehrlichkeit der Bevölkerung näher erläutert.72 1.) Gerechtigkeit: Gerechtigkeitsvorstellungen sind ein komplexer Einflussfaktor auf die Steuerehrlichkeit der Bürger und weisen zu den übrigen noch zu nennenden Aspekten etliche Überschneidungen auf.73 Drei Arten von Gerechtigkeit spielen für die Steuerehrlichkeit eine Rolle.74 a) Die Verteilungsgerechtigkeit: Die distributive oder verteilende Gerechtigkeit betrifft die Frage, wie gerecht der Steuerzahler die eigene Steuerlast und den dafür erhaltenen Nutzen aus öffentlichen Gütern im Vergleich zu anderen Steuerpflichtigen empfindet.75 Für die Steuerehrlichkeit des Bürgers spielt somit die Einhaltung der horizontalen76 und vertikalen Gerechtigkeit77 der Besteuerung eine zentrale Rolle; in diesem Sinne sollen wirtschaftlich vergleichbare Steuerpflichtige gleich und wirtschaftlich unterschiedliche Steuerpflichtige angemessen differenziert besteuert werden.78 So empfindet es der Bürger als fair, wenn Steuerzahler mit gleichen Verhältnissen im Sinne des Leistungsfähigkeitsprinzips auch gleich besteuert werden.79 Durchbricht der Steuergesetzgeber diesen Gerechtigkeitsstandard, wird dies als unfair angesehen und die Bereitschaft des Bürgers, die Steuern zu zahlen, sinkt.80 b) Die prozedurale Gerechtigkeit: Diese Gerechtigkeitsvariante befasst sich mit dem Verhalten der Finanzbehörden gegenüber den Steuerpflichtigen – es geht hierbei also primär um die Frage, wie81 etwas gemacht wird und nicht um das Was82. Einen positiven Einfluss auf die Steuerehrlichkeit der Bürger haben dabei insbesondere ein (515 ff.); Torgler, Tax Compliance and Tax Morale (2007) 64 ff. m. w. N.; Kirchler, The Economic Psychology of Tax Behaviour (2007) 3 ff., 103 ff. m. w. N.; vgl. auch Blankart, Öffentliche Finanzen9 168 f. 72 Für eine zusammenfassende Darstellung von Einflussfaktoren auf die „tax compliance“ vgl. Müller, SWK 2011, 246 ff. m. w. N.; Kirchler, The Economic Psychology of Tax Behaviour 3. 73 Vgl. im Detail Kirchler, The Economic Psychology of Tax Behaviour 75 ff.; vgl. auch Kirchler/Zieser, in: Summersberger 22. 74 Wenzel, Tax Compliance and the Psychology of Justice: Mapping the Field, in: Braithwaite (Hrsg.), Taxing Democracy (2003) 45 f., 48 ff. 75 Wenzel, in: Braithwaite 48 ff.; Kirchler/Zieser, in: Summersberger 22. 76 Baur, Erfolgsfaktoren für die Kooperation der Steuerpflichtigen (2012) 9 (Eidgenössisches Finanzdepartement); Feld/Frey, Tax Compliance as the Result of a Psychological Tax Conctract: The Role of Incentives and Responsive Regulation, Law & Policy 2007, 102 (112). 77 Kirchler, The Economic Psychology of Tax Behaviour 78 f. m. w. N.; Wenzel, in: Braithwaite 44 ff. 78 Wenzel, in: Braithwaite 45 ff.; Kirchler, The Economic Psychology of Tax Behaviour 75. 79 Vgl. dazu die folgende Fn. 80 Torgler, Tax Compliance and Tax Morale 17 f., 71 ff., 95 f. m. w. N.; Kirchler, The Economic Psychology of Tax Behaviour 75 ff. m. w. N., 78 f., 80 ff. m. w. N.; Müller, SWK 2011, 246. 81 Hervorhebung durch den Verfasser. 82 Hervorhebung durch den Verfasser.

B. Herausforderungen an die Besteuerung im demokratischen Steuerstaat

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respektvoller Umgang, Transparenz, eine schnelle und kompetente Arbeitsweise der Steuerverwaltungen sowie geringe Verwaltungskosten der Bürger bei der Einhaltung der Steuergesetze.83 c) Die retributive Gerechtigkeit: Diese Art von Gerechtigkeit betrifft die Angemessenheit von Kontrollen und Strafen.84 Einerseits können unverhältnismäßig hart empfundene Strafen bei geringen Verstößen zu einer negativen Einstellung gegenüber den Steuerbehörden und der Besteuerung als solche führen. Andererseits erwarten ehrliche Steuerzahler auch die Bestrafung von Steuersündern. Dabei werden insbesondere Steueramnestien als auf Dauer schädlich für die Steuerehrlichkeit angesehen.85 Generell lässt sich festhalten, dass, wenn sich die Steuerzahler von einem Steuersystem ungerecht behandelt fühlen, diese darauf in einer Art Abwehrreaktion mit mehr Steuerwiderstand antworten.86 2.) Ineffizienz im öffentlichen Sektor: Es zeigt sich, dass der Bürger Ineffizienz und Verschwendung im staatlichen Bereich nicht gutheißt: Anzeichen dafür, dass der Staat die vom Volk erhobenen Steuern nicht sinnvoll in der Verwaltung – das betrifft auch die Abgabenbehörden87 – oder in anderen öffentlichen Sektoren einsetzt, erhöhen beim Bürger die Bereitschaft zur Steuerhinterziehung.88 3.) Kompliziertheit des Steuerrechts: Komplizierte und schwer verständliche Steuergesetze können auf verschiedenen Ebenen auf die Steuerehrlichkeit einwir-

83 Kirchler, The Economic Psychology of Tax Behaviour 84 ff.; Müller, SWK 2011, 244; Wenzel, in: Braithwaite 54 ff. 84 Müller, SWK 2011, 244; Wenzel, in: Braithwaite 58 ff.; Kirchler, The Economic Psychology of Tax Behaviour 87 ff. 85 Wenzel, in: Braithwaite 60. 86 Vgl. im Detail Bazart/Bonein, Reciprocal Relationships in Tax Compliance Decisions, Journal of Economic Psychology 2014, 83 (88, 96); Kornhauser, Normative and Cognitive Aspects of Tax Compliance: Literature Review and Recommendations for the IRS Regarding Individual Taxpayers, in: Annual Report to Congress (2007) 153, 164 m. w. N.; Kirchler/Zieser, in: Summersberger 22; Feld/Frey, Law & Policy 2007, 112 m. w. N.; Kirchler, The Economic Psychology of Tax Behaviour 73 ff., 194 ff.; Torgler, Tax Compliance and Tax Morale 17 f., 71 ff. m. w. N.; Kirchler/Maciejovsky, Steuermoral und Steuerhinterziehung, in: Frey/von Rosenstiel (Hrsg.), Enzyklopädie der Psychologie – Wirtschafts-, Organisations- und Marktpsychologie, Band VI: Wirtschaftspsychologie (2007) 215 m. w. N.; Blankart, Öffentliche Finanzen9 168 ff.; OECD, Tax Administration 2019: Comparative Information on OECD and other Advanced and Emerging Economies (2019) 35. 87 Vgl. dazu etwa Ehrke-Rabel/Gunacker-Slawitsch, Die Bedeutung von Governance für das Steuerrecht, ALJ 2014, 99 (99 ff.); Ehrke-Rabel/Gunacker-Slawitsch, Governance im Steuerrecht, SWK 2014, 1054 (1054 ff.); Müller, SWK 2011, 247 m. w. N. 88 Müller, SWK 2011, 246; Hofmann, Steuermoral (2010) 52 f. m. w. N.; Torgler, Tax Compliance and Tax Morale 75 f. m. w. N.; Barone/Mocetti, Tax Morale and Public Spending Inefficiency, International Tax and Public Finance 2011, 725 (748); Kirchler/Maciejovsky, in: Frey/von Rosenstiel 215.

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Kap. 3: Die Wechselbeziehungen von Besteuerung und Demokratie

ken.89 So führen schwer verständliche Steuergesetze zu einer Unsicherheit über die Höhe der eigenen Steuerpflicht. Wenn die individuelle Steuerlast nur mehr mit großem Aufwand ermittelbar ist, steigert das potentiell die Bereitschaft zur Steuerhinterziehung.90 Komplexe Steuergesetze senken darüber hinaus auch die Transparenz eines Steuersystems, was beim Bürger Zweifel darüber säen kann, ob sich nicht andere Steuerpflichtige (besser) den Steuerzahlungen entziehen können. Diese subjektiv empfundene Ungerechtigkeit kann wiederum die Steuerehrlichkeit senken.91 Komplizierte Steuergesetze können damit zu einer allmählichen Erosion der Steuerehrlichkeit führen.92 4.) Steuerbefolgungskosten: Die Befolgungskosten auf Seite des Bürgers („compliance costs“), welche bei der Erfüllung der steuerlichen Pflichten anfallen, können ebenfalls einen Einfluss auf die Steuerehrlichkeit haben. Darunter fallen etwa Kosten für die Erstellung von Steuerverpflichtungen oder für das Abführen von Selbstbemessungsabgaben, Kosten für die Erfüllung von Meldeverpflichtungen sowie Kosten für Beratung und Steuerplanung.93 In der Literatur werden hohe Befolgungskosten mit einer sinkenden „tax compliance“ in Verbindung gebracht.94 5.) Kontrollwahrscheinlichkeit und Durchsetzbarkeit: In der Literatur besteht die Überzeugung, dass Steuerehrlichkeit auch von der Kontrollwahrscheinlichkeit der Steuerpflichtigen und der tatsächlichen und konsequenten staatlichen Durchsetzbarkeit des Steuerrechts abhängt. So geht etwa die OECD davon aus, dass „die steuerzahlende Öffentlichkeit eine Steuer als unfair und unwirksam betrachten kann, 89 Müller, Tax Compliance, SWK 2011, 247 f.; Bizer, Steuervereinfachung und Steuerhinterziehung 149 ff.; Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht22 Rz. 6 f. m. w. N.; Kirchler, The Economic Psychology of Tax Behaviour 5 ff. 90 Bizer, Steuervereinfachung und Steuerhinterziehung 150. 91 Bizer, Steuervereinfachung und Steuerhinterziehung 151; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 1 Rz. 1.23 m. w. N.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 7 Rz. 7.14. 92 Kirchler, The Economic Psychology of Tax Behaviour 12 f.; Baur, Erfolgsfaktoren für die Kooperation der Steuerpflichtigen 9; Bizer, Steuervereinfachung, passim; Hey, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.2; Saad, Tax Knowledge, Tax Complexity and Tax Compliance: Taxpayers’ View, Procedia – Social and Behavioral Sciences 2014, 1069 (1069 ff.); Müller, Tax Compliance, SWK 2011, 247 f.; Nugent, Legislating morality: The Effects of Tax Law Complexity on Taxpayers’ Attitudes, Journal of Applied Business Research 2013, 1479 (1479 ff.). 93 Evans, Taxation Compliance and Administrative Costs: An Overview, in: Michael Lang/ Obermair/Schuch/Staringer/Weninger (Hrsg.), Tax Compliance Costs for Companies in an Enlarged European Community (2007) 447 ff.; Müller, Tax Compliance, SWK 2011, 247 f. 94 Franzoni, Tax Evasion and Tax Compliance (1998) 16 ff., verfügbar unter https://papers. ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=137430 (abgerufen am 6. 3. 2023); Mahangila, The Impact of Tax Compliance Costs on Tax Compliance Behaviour, Journal of Tax Administration 2017, 57 (70 f.); Nur-tegin, Determinants of Business Tax Compliance, The B.E. Journal of Economic Analysis & Policy 2008, 1 (5 m. w. N.); Müller, Tax Compliance, SWK 2011, 247 f.; Baur, Erfolgsfaktoren für die Kooperation der Steuerpflichtigen 18 m. w. N.; Wenzel, in: Braithwaite 54 ff.; vgl. auch Khokrishvili, „Good Taxation“ und die Neukonzeption der Einkommens- und Gewinnbesteuerung in Georgien (2009) 140.

C. Steuern und Steuerwiderstand als Faktoren für eine stabile Demokratie

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wenn es eine Kategorie von Steuerpflichtigen gibt, die diese Steuer eigentlich zahlen müssten, aber nie gezwungen sind, sie tatsächlich zu zahlen,“ weil die Steuer nicht vollziehbar ist.95 Eine allein auf „enforced compliance“ ausgerichtete Strategie der Finanzverwaltungen wird jedoch im neueren Schrifttum als unzureichend für die Steigerung der Steuerehrlichkeit angesehen. Vielmehr bedarf es auch eines vertrauensvollen Klimas zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung, das auf Kooperation und respektvollem Umgang basiert.96 Diese fünf eben erläuterten Problemfelder können aus der Sicht des Bürgers zu einer „schlechten“ Besteuerung führen, was im Ergebnis abträglich für die Steuerehrlichkeit der Bevölkerung ist. Auch durch den demokratischen Prozess alleine lassen sich solche Problemfelder nicht völlig ausschließen, da dieser, wie schon erörtert, für sich allein keine konkreten inhaltlichen Vorgaben für eine Besteuerung beinhaltet. Eine sinkende Steuerehrlichkeit kann neben den negativen ökonomischen Auswirkungen,97 welche nicht im Fokus dieser Arbeit stehen, auch Folgen für ein demokratisches Gemeinwesen an sich zeitigen. Steuern dienen nämlich nicht rein der Finanzierung von Staatstätigkeiten, sondern haben, wie im folgenden Abschnitt gezeigt werden wird, auch eine zentrale demokratiepolitische Funktion.

C. Steuern und Steuerwiderstand als Faktoren für eine stabile Demokratie I. Die demokratiepolitische Funktion von Steuern In einem modernen, liberaldemokratischen Steuerstaat98 sind Steuern mehr als ein bloßes Finanzierungsinstrument für staatliche Leistungen.99 So können Steuern als Solidar-100 oder Mitgliedsbeiträge101 qualifiziert werden, welche für die Teilhabe an 95

OECD, Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft – Aktionspunkt 1 (2015) 33. 96 Kirchler, The Economic Psychology of Tax Behaviour 202 ff., 88; Wenzel, in: Braithwaite 54 ff.; Schmidl/Schwaiger/Stieber, in: Macho/Schwaiger/Stieber 13 f. m. w. N.; Kirchler/ Hölzl/Wahl, Enforced Versus Voluntary Tax Compliance: The „Slippery Slope“ Framework, Journal of Economic Psychology 2008, 210 (210 ff.). 97 Vgl. etwa Blankart, Öffentliche Finanzen in der Demokratie9 166 ff.; Wellisch, Finanzwissenschaft II: Theorie der Besteuerung (2014) 267 ff.; vgl. auch sn.at, Abgabenbetrug sorgt für Schäden in Milliardenhöhe, https://www.sn.at/wirtschaft/oesterreich/abgabenbetrug-sorgtfuer-schaeden-in-milliarden-hoehe-73645 (abgerufen am 6. 3. 2023). 98 Vgl. dazu Kapitel 2 F. 99 Huhnholz, in: Boysen/Kaiser/Meinel 182. 100 Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat 5; Weber-Grellet, Steuerrecht und Demokratie, ZRP 2014, 82 (84). 101 Wieland, Freiheitsrechtliche Vorgaben für die Besteuerung von Einkommen, in: Ebling (Hrsg.), Die Besteuerung von Einkommen (2001) 47 (Veröffentlichung der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft).

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Kap. 3: Die Wechselbeziehungen von Besteuerung und Demokratie

einem funktionsfähigen und demokratisch organisierten Gemeinwesen geleistet werden.102 Laut Weber-Grellet geht das Menschenbild einer liberalen Demokratie grundsätzlich davon aus, dass das Zahlen von Steuern von der Bevölkerung nicht als Last empfunden wird, sondern Ausdruck eines „vernunftbezogenen Handelns des aufgeklärten Bürgers“ ist.103 Aus dieser Perspektive entspricht das Begleichen der Steuerschuld als Beitrag zur Erhaltung der Gemeinschaft einer demokratischen Grundpflicht.104 Der Leitspruch „no taxation without representation“ wird regelmäßig bemüht, wenn das Verhältnis von Besteuerung und der Regierungsform der Demokratie thematisiert wird.105 Die konkrete Idee hinter dieser Parole lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die Besteuerung, welche einen der schärfsten und umfassendsten nicht physischen Eingriffe des Staates in die Sphäre des Individuums darstellt, soll durch die Zustimmung der Bürger, die ihren Ausdruck in parlamentarischer Repräsentation findet, legitimiert werden.106 Neben Erzeugung eines demokratischen Legitimationsdruckes für den Staat, dienen Steuern dem Staat und seinen Institutionen aber auch zur Legitimationsbeschaffung: Die Zahlung von Steuern ist nämlich einerseits Ausdruck der Anerkennung des Verhältnisses zwischen Bürger und Staat an sich, andererseits ist sie im Verhältnis zwischen den Bürgern ein Symbol dafür, gemeinsam Teil einer solidarischen Gemeinschaft zu sein.107 So gehört die Weigerung, jegliche Steuern zu zahlen, auch zu den Maßnahmen, mit denen sogenannte Staatsverweigerer versuchen, ihre Bindung mit dem Staat und der Gesellschaft zu kappen.108 Zudem führen Steuern nach Moore im Vergleich zu anderen Einnahmenquellen des Staates zu einer erhöhten demokratischen Verantwortlichkeit von Parlament und Regierung gegenüber der Bevölkerung.109 Steuern bewirken nach dieser Ansicht einen „fiscal social contract“ zwischen Staat und Volk, der zu einer guten Regierungsführung („good governance“) anregt.110 Demnach sind Regierungen, welche 102

Huhnholz, in: Boysen/Kaiser/Meinel 203. Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat 6. 104 Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat 7. 105 Schön, Taxation and Democracy 4. 106 Schön, Taxation and Democracy 4. 107 Huhnholz, in: Boysen/Kaiser/Meinel 209; vgl. auch Huhnholz, in: Frick/Lembcke/ Lhotta 463 f. 108 derstandard.at, 14 „Staatsverweigerer“ stehen in Graz vor Gericht, https://derstandard. at/2000089320758/Staatsverweigerer-stehen-in-Graz-vor-Gericht (abgerufen am 6. 3. 2023); parlament.gv.at, Sektenbericht: Von der Esoterikszene bis hin zu den Staatsverweigerern, https://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2018/PK1112/ (abgerufen am 6. 3. 2023). 109 Moore, Tax Notes International 2007, 79 ff.; Moore, E+Z 2007, 56; vgl. auch Valta, Das Internationale Steuerrecht 143. 110 Moore, International Political Science Review 2004, 299 ff., 307; OECD, State Building and Accountability: Issue and Practice (2008) 7 f.; Moore, E+Z 2007, 56; Moore, in: Bräutigam/Fjeldstad/Moore 61 ff. 103

C. Steuern und Steuerwiderstand als Faktoren für eine stabile Demokratie

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Steuereinnahmen benötigen, einerseits vom Wohlstand ihrer Steuerzahler abhängig und somit für die Bedürfnisse der Bürger sensibilisiert.111 Andererseits regt Besteuerung die Bürger zu politisch-demokratischer Partizipation an und führt zu einem Rechtfertigungsdruck in Richtung des Staates.112 Die Regierung wird daher durch vermehrte politische Beteiligung der Bürger zu transparentem Handeln in Bezug auf die Ausgabe öffentlicher Gelder motiviert.113 Schließlich ist Besteuerung laut Moore auch noch positiv für das demokratiepolitische Klima eines Landes, da Verhandlungen über die Steuerpolitik („revenue bargaining“ bzw. „tax bargaining“)114 zu einer konsensorientierten Politik anregen können.115 Es ist noch anzumerken, dass sich dieses besondere Verhältnis von Steuern und Demokratie auch empirisch untermauern lässt.116 So weisen empirische Daten darauf hin, dass Staaten, welche bei ihrer Finanzierung primär von Steuern abhängen, eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, demokratisch zu sein.117 Die spezielle Verbindung von Besteuerung und Demokratie wird auch in ihrem übereinstimmenden ideengeschichtlichen Wertesystem deutlich. So sind im modernen Staat sowohl Steuern als auch Demokratie vom selben aufklärerischen Gleichheitsgedanken geprägt. Das allgemeine Wahlrecht und die Gleichheit vor dem 111

Vgl. dazu auch Ritter, Steuersysteme in Subsahara-Afrika 1 ff.; Moore, E+Z 2007, 56. Moore, in: Bräutigam/Fjeldstad/Moore 61 ff.; Moore, International Political Science Review 2004, 307; Valta, Das Internationale Steuerrecht 143; Murphy, The Joy of Tax 65; Prichard, Taxation, Responsiveness and Accountability 1 ff., passim. 113 Moore, E+Z 2007, 56. 114 Nach Moores Sichtweise wäre wohl das Begutachtungsverfahren im Rahmen des österreichischen Gesetzgebungsprozesses ein Beispiel für einen solchen auf Interessensausgleich ausgerichteten „tax bargaining“-Vorgang. In diesem Verfahren werden bevor ein (Steuer-)Gesetzesentwurf als Regierungsvorlage beschlossen wird, Stellungnahmen von insbesondere den Sozialpartnern eingeholt. Damit werden etwa Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer und andere Interessengruppen in den Gesetzgebungsprozess näher eingebunden und haben die Möglichkeit, sich zu Gesetzesentwürfen zu äußern. Die Stellungnahmen müssen zwar nicht zwingend beachtet werden, dennoch bietet dieses Verfahren die Möglichkeit, dass neben den demokratisch gewählten Repräsentanten des Nationalrates, zusätzliche Teile der Bevölkerung bei der Erschaffung von Gesetzen teilhaben können; vgl. dazu etwa Öhlinger/ Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 427; Berka, Verfassungsrecht8 Rz. 609. 115 Moore, E+Z 2007, 56 f.; Moore, International Political Science Review 2004, 300. 116 ICTD, Taxation, Non-Tax Revenue and Democracy: New Evidence using New CrossCountry Data, Working Paper 23 (2014) 45; Prichard, Taxation, Responsiveness and Accountability 14, 17 m. w. N.; vgl. auch die Fallstudien unter Institute of Development Studies, How does Taxation affect the Quality of Governance? IDS Policy Briefing March 2007, Issue 34, verfügbar unter http://www.ictd.ac/publication/7-policy-briefing/71-ids-policy-brie fing-how-does-taxation-affect-the-quality-of-governance (abgerufen am 6. 3. 2023); vgl. auch Ross, British Journal of Political Science 2004, 229, 246 f.; Moore, E+Z 2007, 56 f. 117 Prichard, Taxation, Responsiveness and Accountability 14, 17 m. w. N.; Institute of Development Studies, IDS Policy Briefing, Issue 34; vgl. auch ICTD, Taxation, Non-Tax Revenue and Democracy: New Evidence using New Cross-Country Data 28 ff.; Moore, E+Z 2007, 56 f.; vgl. auch Ross, British Journal of Political Science 2004, 229, 246 f.; Valta, Das Internationale Steuerrecht 143 m. w. N. 112

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Kap. 3: Die Wechselbeziehungen von Besteuerung und Demokratie

Gesetz finden ihre fiskalische Entsprechung nämlich in der allgemeinen und (nach der Leistungsfähigkeit) gleichen Steuerpflicht.118 Die grundsätzliche Pflicht, Steuern zu zahlen, ist daher eine wesentliche Bedingung des staatsbürgerlichen Gleichheitsverständnisses, welches Privilegien aufgrund der Klassenzugehörigkeit ausschließt.119 Steuern bewirken somit die Sicherstellung einer gewissen Gleichheit in einer Gemeinschaft.120 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Steuern und die Regierungsform der Demokratie in einer besonderen Beziehung zu einander stehen. Steuern erfüllen nämlich eine zentrale demokratiepolitische Funktion und sind dabei ein Medium für gesellschaftliche Integration und politische Partizipation.121 Steuern schaffen somit eine Verbindung zwischen Bürger und Staat und sind so ein systemtragendes Identifikationsmerkmal für eine demokratische Gesellschaft.122

II. Steuerwiderstand schadet der Demokratie Versuchen sich nun aufgrund einer als „schlecht“ empfundenen Besteuerung123 zunehmend mehr Menschen dem Steuerzugriff des Staates zu entziehen, hat dies aufgrund der demokratiepolitischen Funktion von Steuern auch Folgen für die Demokratie selbst. Wenn die Steuerehrlichkeit sinkt, kommt es nämlich schrittweise zu einer Entsolidarisierung des Bürgers mit dem Staat und der Gesellschaft.124 Verheimlichen immer mehr Teile der Bevölkerung ihr Einkommen gegenüber dem Staat, wird dadurch das „bonum comune“, das Gemeinwohl, und damit die Funktionsfähigkeit einer Demokratie, in Frage gestellt.125 Werden Steuern nämlich als eine Form politischer Partizipation begriffen, schwächt vermehrter Steuerwiderstand – ähnlich

118

Huhnholz, Demokratie als öffentliches Gut?, PVS 2018, 37 (41). In diesem Sinne Preuß, in: Abendroth et. al. 49 f. 120 Huhnholz, Was soll das heißen: „Steuerstaat“?, in: Nienhüser/Schmiel (Hrsg.), Jahrbuch Ökonomie und Gesellschaft (2017) 17, 18 ff. 121 Huhnholz, in: Boysen/Kaiser/Meinel 209; Huhnholz, in: Frick/Lembcke/Lhotta 459 f. m. w. N.; Huhnholz/Mertens/Rixen, Demokratieprobleme des Steuerstaates im 21. Jahrhundert: Eine Einführung, PVS 2018, 3 (4 m. w. N.). 122 Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat 6; Preuß, in: Abendroth et. al. 63 f.; Huhnholz, in: Frick/Lembcke/Lhotta 463; Schlichte, in: Siegelberg/Schlichte 270; Preuß, in: Abendroth et. al. 63 f.; Murphy, The Joy of Tax 26, 64. 123 Vgl. Kapitel 3 B. II. 124 Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat 19 f. m. w. N. 125 Hannemann/Pommerehne, Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik 1989, 516; vgl. dazu auch Braithwaite, Tax System Integrity and Compliance: The Democratic Management of the Tax System, in: Braithwaite (Hrsg.), Taxing Democracy (2003) 271 m. w. N. 119

C. Steuern und Steuerwiderstand als Faktoren für eine stabile Demokratie

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wie eine zu geringe Wahlbeteiligung126 – die Staatsform der Demokratie an sich. Der Bürger verweigert dadurch die Teilhabe am demokratischen Prozess und entsolidarisiert sich mit dem Gemeinwesen. Dies stellt ein Problem für die demokratische Legitimation127, also die Rechtfertigung eines politischen Herrschaftssystems, gegenüber dem Volk dar.128 Zahlreiche Studien haben ergeben, dass, wenn das Handeln von staatlichen Autoritäten nicht mehr als angemessen und an den Wählerwillen der Bürger rückgekoppelt angesehen wird, dies zu einem Vertrauensverlust in die Demokratie als Regierungsform führen kann.129 Dieser Schluss müsste umso mehr für steuerpolitisches Handeln des Staates gelten, da Steuern nahezu jeden Lebensbereich130 der Bürger betreffen. Geringes Vertrauen in den Staat führt laut empirischen

126

Vgl. dazu die Nachweise unter Fn. 128. In diesem Zusammenhang werden angelehnt an das Begriffsverständnis von Schöbener/ Knauff die Begriffe Legitimation und Legitimität als inhaltlich identisch angesehen. Gemeint ist damit generell die Rechtfertigung staatlicher Herrschaft, vgl. dazu Schöbener/Knauff, Allgemeine Staatslehre4 § 4 Rz. 3 ff., 16. 128 Schäfer, Alles halb so schlimm? Warum eine sinkende Wahlbeteiligung der Demokratie schadet, in: Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung (Hrsg.), MPIfG Jahrbuch 2009/ 2010 (2009) 33 ff.; Kaeding/Haußner/Pieper, Nichtwähler in Europa, Deutschland und Nordrhein-Westfalen (2016) 14, 63 ff.; Ewers/Möller, Wahlen, Wohlstand, Wohlbefinden: Über eine geringe Wahlbeteiligung und sieben sanfte Weg, sie zu erhöhen, Institut der deutschen Wirtschaft, Policy Paper 8/2014 (2014) 3 ff.; bpde.de, Sinkende Wahlbeteiligung: Interpretation und Gegenmaßnahmen, http://www.bpb.de/apuz/234703/sinkende-wahlbeteili gung-interpretationen-und-moegliche-gegenmassnahmen?p=all#fr-footnode5 (abgerufen am 6. 3. 2023); vgl. auch derstandard.at, Warum Beteiligung in der Demokratie so wichtig ist, https://derstandard.at/2000086731420/Warum-Beteiligung-in-der-Demokratie-so-wichtig-ist (abgerufen am 6. 3. 2023). 129 Foa/Klassen/Slade/Rand/Collins, The Global Satisfaction with Democracy Report 2020, Cambridge, Center for the Future of Democracy (2020) 42; vgl. auch pewresearch.org, Many across the globe are Dissatisfied with how Democracy is Working, https://www.pewrese arch.org/global/2019/04/29/many-across-the-globe-are-dissatisfied-with-how-democracy-isworking/ (abgerufen am 6. 3. 2023); pewresearch.org, Why are People Dissatisfied with how Democracy is Working?, https://www.pewresearch.org/global/2019/04/29/why-are-people-dis satisfied-with-how-democracy-is-working/ (abgerufen am 6. 3. 2023); theconversation.com, Where People are Satisfied with Democracy and why, http://theconversation.com/where-peo ple-are-satisfied-with-democracy-and-why-130979 (abgerufen am 6. 3. 2023); Warren, Trust and Democracy, in: Uslaner (Hrsg.), The Oxford Handbook of Social and Political Trust (2018) 87 ff.; economist.com, Declining Trust in Government is Denting Democracy, https:// www.economist.com/graphic-detail/2017/01/25/declining-trust-in-government-is-denting-demo cracy (abgerufen am 6. 3. 2023); OECD, Government at a Glance 2019 (2019) 158; Vlachova, The Legitimacy of Democracy and Trust in the Political Institutions in the Czech Republic, Czech Sociological Review 2001, 13 (13 ff.); Diamond, Developing Democracy 206 ff., 77 f.; vgl. auch Kirchler, The Economic Psychology of Tax Behaviour 202 ff., sowie Huget, Demokratisierung der EU (2007) 31, 79 ff.; zum Vertrauen in die öffentliche Verwaltung und dessen Auswirkung auf die Demokratie vgl. Ariely, Public Administration and Citizen Satisfaction with Democracy: Cross-National Evidence, International Review of Administrative Sciences 2013, 747 (747 ff.). 130 Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 6 f. 127

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Kap. 3: Die Wechselbeziehungen von Besteuerung und Demokratie

Daten131 wiederum zu weniger „tax compliance“, was potentiell einen Teufelskreis in Gang setzen kann, in dem sich Vertrauensverlust in die Demokratie und Steuerwiderstand gegenseitig „hochschaukeln“. Entzieht sich der Bürger dem Steuerzugriff, wird auch das Band zwischen Bürger und Staat schwächer. Nach dem Ökonomen und Steueraktivisten Richard Murphy werden Bürger, die keine Steuern zahlen, „unwichtiger“ für die Regierung, woraufhin es zu einer wechselseitigen Entfremdung zwischen Bürger und Staat kommt.132 Wer sich dem Steuerzugriff widersetzt, stellt zudem auch die Legitimität des Staates in diesem Bereich in Frage und dadurch auch den demokratischen Prozess, mit dem Steuergesetze erschaffen werden. Wird im Steuerbereich die demokratisch legitimierte Rechtsordnung nicht mehr anerkannt, kann dies auch zu einem „Überschwappen“ auf andere Gesellschaftsbereiche führen.133 Dieser „Motivations-Transfer-Effekt“ kann nach Kirchgässner mittelbar viel schlimmere gesellschaftliche Auswirkungen zeitigen als die direkten ökonomischen Folgen von Steuerhinterziehungen.134 So hat schon Isensee festgehalten, dass Steuergesetze nicht verletzt werden können, ohne dass „die Steuer als Institution“ und der Steuerstaat in seiner Gesamtheit gefährdet wird.135 Durch vermehrte Steuerhinterziehung kann bei den Bürgern somit der Eindruck entstehen, dass der Staat und seine Rechtsordnung generell an Legitimation verlieren. So könnte dadurch in weiterer Folge auch das Vertrauen in andere staatliche Institutionen wie den Rechtsstaat oder die unabhängige Gerichtsbarkeit, welche wiederum zentrale Wesensmerkmale einer liberalen Demokratie sind, sinken.136 Nach Weber-Grellet sind Steuern in einer liberalen Demokratie auch ein Zeichen von Vernunft, Gegenseitigkeit und der Einsicht, gemeinsam zum Erhalt des Gemeinwesens beizutragen.137 Durch nachhaltige Steuervermeidung wird daher nicht nur der Steuerstaat an sich in Frage gestellt, sondern auch die Solidarität und Loyalität unter den Staatsbürgern. Nicht nur der Staat wird geschädigt, sondern auch die Mitbürger.138 Im Sinne von Isensee führt daher ein vermehrter Steuerwiderstand zur allmählichen „Desintegration des Gemeinwesens“.139 131 Vgl. im Detail Kirchler, The Economic Psychology of Tax Behaviour 202 ff. m. w. N.; vgl. auch Torgler/Schneider, Attitudes Towards Paying Taxes in Austria: An Empirical Analysis, Empircia 2005, 231 (238 m. w. N.). 132 Murphy, The Joy of Tax 65. 133 Kirchgässner, Fairness, Steuermoral und Steuerhinterziehung, Wirtschaftsdienst 2008, 223 (231 m. w. N.); vgl. auch Schneider, Steuerhinterziehung in Deutschland und Österreich, Power Point Präsentation Universität Linz 2008, Folie 16, verfügbar unter http://cdn2.vol.at/2 008/11/Steuerhinterziehung_Oesterreich_Deutschland.pdf (abgerufen am 6. 3. 2023). 134 Kirchgässner, Wirtschaftsdienst 2008, 231. 135 Isensee, in: FS Ipsen 418. 136 Vgl. etwa OECD, Government at a Glance 2019 164; OECD, Government at a Glance 2013 (2013) 22; vgl. auch schon Kapitel 2 B. II. 137 Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat 24. 138 Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat 24.

D. Inhaltliche Vorgaben der Besteuerung

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Sinkende Bereitschaft, Steuern zu zahlen, stellt außerdem das einer modernen Demokratie implizite Verständnis von Gleichheit in Frage. Denn in der Regel können sich nur gewisse Bevölkerungsgruppen dem Steuerzugriff des Staates dauerhaft und erfolgreich entziehen. Dies führt somit zu einem Wiederaufkommen einer Art von „Steuerprivilegien“ und zu einer Aushöhlung des demokratischen Gedankens.140 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass vermehrter Steuerwiderstand eine nicht zu unterschätzende potentielle Gefahr für die Stabilität einer Demokratie darstellt. Im Ergebnis kann also eine vom Bürger als „schlecht“ empfundene Besteuerung letztlich zu einer Schwächung der Demokratie führen. Fraglich ist nun, wie diese Entwicklung verhindert werden kann. Der nächste Abschnitt widmet sich dieser Thematik.

D. Inhaltliche Vorgaben der Besteuerung als Fundamente einer guten Besteuerung und einer stabilen Demokratie I. Die Notwendigkeit von inhaltlichen Vorgaben für die Besteuerung In Kapitel 3 B. II. wurden fünf Faktoren ermittelt, die einen Einfluss auf die Steuerehrlichkeit der Bürger haben: die Gerechtigkeit des Steuersystems, die Effizienz der Abgabenbehörden, die Verständlichkeit der Steuervorschriften, die Geringhaltung der Steuerbefolgungskosten und die praktische Durchsetzbarkeit des Steuerrechts. Es wurde bereits erörtert, dass, wenn ein Steuersystem diesen Faktoren nicht Rechnung trägt, dies zu einer Verringerung der Steuerehrlichkeit des Bürgers führt und damit letztlich zur Schwächung und allmählichen Erosion der Demokratie beiträgt. Bejaht man die potentiell demokratiegefährdende Wirkung einer „schlechten“ Besteuerung, so braucht es konkrete Postulate für die inhaltliche Ausgestaltung eines Steuersystems, um negative Folgen für die Demokratie zu vermeiden. Diese inhaltlichen Wertungen für die Besteuerung müssen sich dabei auf die oben genannten Problemfelder der „tax compliance“ beziehen und auf diese positiv einwirken. Die Etablierung derartiger materieller Vorgaben für die Besteuerung kann in diesem Sinne auch stabilisierend für eine Demokratie wirken. Ein Steuersystem braucht daher konkrete Prinzipien, welche inhaltliche Vorgaben für die Ausgestaltung und Qualität der Besteuerung liefern, um die Steuerehrlichkeit der Bürger auf einem gewissen Niveau zu halten und damit in weiterer Folge auch stärkend für die Demokratie als solches zu wirken.

139 140

Isensee, in: FS Ipsen 418. Schön, Taxation and Democracy 4, 9 m. w. N., 38, 57.

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Kap. 3: Die Wechselbeziehungen von Besteuerung und Demokratie

Gelingt es daher der Steuerrechtswissenschaft, solche materiellen Prinzipien der Besteuerung innerhalb einer Rechtsordnung eines modernen Steuerstaates zu identifizieren und zu erforschen, werden dadurch Einblicke in die steuerrechtlichen Stabilitätsvoraussetzungen einer Demokratie gewonnen.141 Der weitere Verlauf dieser Arbeit widmet sich daher der Suche nach diesen inhaltlichen Prinzipien der Besteuerung.

II. Die Finanzwissenschaft als geeignetes Medium für materielle Vorgaben der Besteuerung Fraglich ist, in welcher Wissenschaftsdisziplin man sachgerechte Vorgaben für die Besteuerung findet. Die Rechtswissenschaft allein liefert isoliert gesehen keine ausreichenden Maximen für die konkrete Ausgestaltung eines „guten“ Steuersystems. Die Rechtswissenschaft ist in ihrem Kern nämlich eine „Interpretationswissenschaft“ mit der Aufgabe, Rechtsnormen auszulegen und damit für die Anwendung „vorzubereiten“.142 So ist die Steuerrechtswissenschaft von ihrem Wesen her auch primär mit der Interpretation und Gestaltung von Steuerrechtssystemen nach rechtsdogmatischen Gesichtspunkten befasst.143 Der rechtsdogmatische Ansatz spielt dabei eine unentbehrliche Rolle für die wissenschaftliche Durchdringung des positiven Rechts, der Ermittlung des Sinngehaltes von geltenden Rechtsnormen und bei der Regelung des Rechtsverhältnisses zwischen Bürger und Staat.144 Steuern haben jedoch von ihrem Wesen her eine ökonomische Prägung, da es um die Anknüpfung an einen wirtschaftlichen Wert und die Abschöpfung eines Teils davon an den Staat geht.145 Zudem ist das Steuerrecht im modernen Staat das Ergebnis von wirtschaftspolitischen Interessenskämpfen und es wird grundsätzlich versucht, mittels dem Steuerrecht auch bestimmte volkswirtschaftliche Ziele zu erreichen.146 Wirtschaftswissenschaftliche Kenntnisse sind daher oftmals allein für das Verständnis der ratio legis von Steuernormen notwendig.147 So drehen sich (rechts-)politische Reformdiskussionen über das Steuerrecht in der Regel auch vor allem um wirtschaftswissenschaftliche Gesichtspunkte.148 Um detaillierte inhaltliche Maximen für einen ökonomischen und auf gesamtwirtschaftliche Ziele ausgerich141 Für eine ideengeschichtliche Auseinandersetzung mit dem Konzept von Besteuerungsprinzipien vgl. Schön, Taxation and Democracy 11 ff. 142 Coing, in: Raiser/Sauermann/Schneider 1. 143 Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 3; Potacs, Rechtstheorie2 (2019) 26 f. 144 Potacs, Rechtstheorie2 26 f.; Bumke, Rechtsdogmatik (2017) 1 ff. 145 Vgl. dazu schon Kapitel 2 A. III. und dazu im Detail Kapitel 11 C. V. 2. 146 Coing, in: Raiser/Sauermann/Schneider 2. 147 Coing, in: Raiser/Sauermann/Schneider 2. 148 Vgl. dazu etwa die Diskussion um die Neutralität der Besteuerung in Kapitel 12 D. I. und Kapitel 12 D. II. und die dortigen Nachweise.

D. Inhaltliche Vorgaben der Besteuerung

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teten Vorgang wie der Besteuerung zu gewinnen, muss daher über einen rein rechtswissenschaftlich-dogmatischen Ansatz hinausgegangen werden. In diesem Sinne hält Coing fest, dass sich die Rechtswissenschaft von ihren ökonomischen Nachbarwissenschaften wie der Finanzwissenschaft „über ihren Gegenstand orientieren“ lassen muss.149 Noch zugespitzter könnte für das Steuerrecht formuliert werden, dass sich die Rechtswissenschaft von der Finanzwissenschaft „über die Natur der Sache, mit der sie es zu tun hat, aufklären lassen muss“.150 So hat sich die Steuerrechtswissenschaft auch schon seit ihrem Bestehen maßgeblich von den Ideen und Erkenntnissen der Finanzwissenschaft beeinflussen lassen und hat bestimmte nationalökonomische Wertungen nahezu zur Gänze übernommen.151 Damit bietet sich die Finanzwissenschaft bzw. ihre Teildisziplin der finanzwissenschaftlichen Steuerlehre als ein vielversprechendes Medium für die Suche nach inhaltlichen Vorgaben der Besteuerung an. Die finanzwissenschaftliche Steuerlehre hat die Finanzierung des Staates zum Gegenstand.152 Dabei befasst sich die Finanzwissenschaft mit allen ökonomisch relevanten Fragen der Besteuerung aus einzel- und gesamtwirtschaftlicher Perspektive.153 Zu den zentralen Themenkreisen der finanzwissenschaftlichen Steuerlehre gehören etwa die volkswirtschaftlich optimale Verteilung der Steuerlast, die Minimierung von Wohlfahrtsverlusten, der Wettbewerb, die Konjunktur und generell die Wirkung von Steuern auf das Verhalten von Wirtschaftssubjekten.154 Ziel der Finanzwissenschaft ist dabei ein Erkenntnisgewinn über die Frage, welche Steuern wie erhoben werden sollen, um die gesellschaftliche Wohlfahrt zu maximieren.155 Zur Erreichung dieses Ziels werden neben ökonomischen auch ethische und moralphilosophische Erwägungen miteinbezogen.156 Im Rahmen dieser Ausrichtung hat die Finanzwissenschaft auch inhaltliche Vorgaben entwickelt, denen eine „gute“ Besteuerung zu entsprechen hat, die sogenannten „Besteuerungsprinzipien“157.158 149

Coing, in: Raiser/Sauermann/Schneider 2. Coing, in: Raiser/Sauermann/Schneider 2. 151 Vgl. dazu etwa zum Leistungsfähigkeitsprinzip Beiser, Steuern20 (2022) Rz. 6 ff.; dieser Themenbereich wird noch Kapitel 7 B. II. eine zentrale Rolle spielen. 152 Bayer, Steuerlehre: Steuerverfassung – Steuergesetz – Steuergericht (1997) Rz. 5 m. w. N., 119; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 1 Rz. 1.16; Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 3; Andel, Finanzwissenschaft4 (1998) 6. 153 Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 3. 154 Bayer, Steuerlehre Rz. 5, 119; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 1 Rz. 1.16. 155 Bayer, Steuerlehre Rz. 5, 119; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 1 Rz. 1.16; EhrkeRabel, elements Steuerrecht4 3. 156 Bayer, Steuerlehre Rz. 5, 119; Andel, Finanzwissenschaft4 8 f.; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 1 Rz. 1.16; Sumper, SWK 2019, 1051. 157 Im Schrifttum wird auch von „Grundsätzen“ gesprochen, vgl. etwa Andel, Finanzwissenschaft4 8 f., 295 ff.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 7 Rz. 7.1 ff.; Bayer, Steuerlehre Rz. 5, 119. Im Sinne einer einheitlichen Terminologie wird in dieser Arbeit jedoch stets von „Besteuerungsprinzipien“ gesprochen werden, vgl. dazu Springer Fachmedien Wiesbaden, 150

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Kap. 3: Die Wechselbeziehungen von Besteuerung und Demokratie

Auf der Suche nach inhaltlichen Maximen für die konkrete Ausgestaltung eines Steuersystems wird man also innerhalb der finanzwissenschaftlichen Steuerlehre fündig. Die Bedeutung dieser finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien wird in Kapitel 4 detailliert behandelt.

E. Ergebnis und weitere Vorgehensweise I. Ergebnis Die bisher erläuterte Wechselbeziehung von Besteuerung und Demokratie sieht zusammengefasst wie folgt aus: Das Aufkommen von systematischen Besteuerungsordnungen förderte den Aufstieg der repräsentativen Demokratie ungemein. Neben der fiskalischen Rolle haben Steuern in einer Demokratie auch die zentrale politische Funktion eines Partizipationsmediums und dienen als Verbindungselement zwischen Bürger und Staat. Eine demokratisch legitimierte Besteuerung ist für sich allein jedoch nicht ausreichend, um den Bürger vor einer „schlechten“ Besteuerung zu schützen – die Steuern können auch in einer Demokratie als ungerecht und ineffizient wahrgenommen werden. Eine solche „schlechte“ Besteuerung hat negative Auswirkungen auf die Bereitschaft der Bürger, ihren steuerlichen Pflichten nachzukommen und führt zu mehr Steuerwiderstand. Erhöhter Steuerwiderstand wiederum unterminiert die Demokratie, weil die demokratische Legitimation geschwächt wird. Der Bürger entfremdet sich somit schrittweise vom Staat und der Gesellschaft. Besteuerungsfragen sind somit immer auch Demokratiefragen.159 Um eine stabile Demokratie zu gewährleisten, bedarf es daher konkreter Vorgaben, welche die Steuern inhaltlich gestalten und so eine „schlechte“ Besteuerung verhindern. Materielle Postulate für die Besteuerung werden somit zu Stabilitätsvoraussetzungen für eine Demokratie. Gelingt es der Steuerrechtswissenschaft, solche Maximen für die Besteuerung innerhalb einer Rechtsordnung zu identifizieren, werden dadurch auch Erkenntnisse über die rechtlichen „Bausteine“ für eine funktionierende Demokratie gewonnen. Die Rechtswissenschaften allein können jedoch keine inhaltlichen Wertungen für die Besteuerung liefern. Vielmehr braucht es die finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien, um konkrete Maßstäbe für ein Steuersystem zu gewinnen.

Kompakt-Lexikon Finanzwissenschaft (2013) 18 f.; Graff, Grundlagen der Finanzwissenschaft2 (2005) 260 ff. 158 Bayer, Steuerlehre Rz. 5, 119; Andel, Finanzwissenschaft4 8 f., 295 ff.; Seer, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht24 § 1 Rz. 1.17. 159 In diesem Sinne schon Droege, Steuergerechtigkeit – eine Demokratiefrage?, RW 2013, 374.

E. Ergebnis und weitere Vorgehensweise

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II. Fragestellung und Vorgehensweise für die weitere Untersuchung Ausgehend von den Ergebnissen der bisherigen Untersuchung, wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit erforscht werden, inwiefern sich finanzwissenschaftliche Besteuerungsprinzipien innerhalb der österreichischen Rechtsordnung wiederfinden. Dabei werden auch das rechtstheoretische Wesen und die Bedeutung dieser Prinzipien für die höchstrichterliche Judikatur untersucht. Infolgedessen sollen sich Erkenntnisse über die Funktionsweise solcher finanzwissenschaftlicher Elemente innerhalb der Rechtsordnung eines modernen Steuerstaates ergeben und im Sinne der Erkenntnisse dieses Kapitels 3 die steuerrechtlichen Stabilitätsvoraussetzungen der österreichischen Demokratie ermittelt werden. Das folgende Kapitel 4 widmet sich detailliert dem Wesen und der Rolle von finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien. Dabei werden auch jene konkreten Besteuerungsprinzipien ausgewählt, welche bei der weiteren Untersuchung dieser Arbeit als Forschungsobjekte dienen werden.

Kapitel 4

Die finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien A. Die finanzwissenschaftlichen Prinzipien einer „guten“ Besteuerung – Zweck, Funktionsweise und Wesen Die Finanzwissenschaft1 beschäftigt sich schon seit je her mit der Frage, wie denn eine „gute“ Besteuerung auszusehen habe.2 Aus der Finanzwissenschaft entspringt daher auch der Forschungszweig der „Lehre von den Besteuerungsprinzipien“ als deren einflussreichster Urheber der klassische Nationalökonom Adam Smith gilt.3 Smith entwickelte in seinem Werk „Wohlstand der Nationen“4 im Jahr 1776 folgende vier Vorgaben für ein Besteuerungssystem5 : - Gleichheit der Besteuerung: Die Bürger sollen Steuern in Relation zu ihren wirtschaftlichen Fähigkeiten leisten. - Bestimmtheit der Besteuerung: Die Bürger sollen den Zahlungstermin, die Zahlungsart und die Höhe der zu zahlenden Steuer klar erkennen können. - Bequemlichkeit der Besteuerung: Die Steuern sollen auf eine Art und Weise erhoben werden, die den Bürger so wenig wie möglich belastet.

1 Vgl. dazu etwa Bayer, Steuerlehre Rz. 5 m. w. N.,119 m. w. N.; Wagner, Lehrbuch der politischen Ökonomie2, Band VI: Finanzwissenschaft, Zweiter Theil: Theorie der Besteuerung, Gebührenlehre und allgemeine Steuerlehre (1890) 292 ff., 299 ff.; Neumark, Grundsätze gerechter und ökonomisch rationaler Steuerpolitik (1970) 1 ff., 15 ff. m. w. N.; Gerloff, in: Gerloff/Neumark (Hrsg.), Handbuch der Finanzwissenschaft2, Band II (1956) 269; Andel, Finanzwissenschaft4 8 f., 290 ff. m. w. N.; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 1 Rz. 1.17. 2 Die folgende Darstellung basiert in Teilen auf Sumper, SWK 2019, 1051 ff.; vgl. auch Sumper, ZfV 2020, 16 f. 3 Vgl. im Detail Neumark, Grundsätze 1 ff.; Bayer, Steuerlehre Rz. 5 m. w. N., Rz. 119 m. w. N.; Wagner, Lehrbuch der politischen Ökonomie2 292 ff.; Andel, Finanzwissenschaft4 8 f.; Graff, Grundlagen der Finanzwissenschaft2 260 ff.; Gerloff, in: Gerloff/Neumark, Handbuch der Finanzwissenschaft2 II 269; vgl. dazu auch die Ausführungen und Nachweise unter Liebing, Beschränkte Einkommensteuerpflicht in der Europäischen Union (2004) 25 ff. m. w. N. 4 Smith, Wohlstand der Nationen, Anaconda Verlag (2009) 847 ff. 5 Vgl. dazu die Darstellung von Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 7 Rz. 7.2.

A. Die finanzwissenschaftlichen Prinzipien einer „guten“ Besteuerung

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- Wohlfeilheit der Besteuerung: Die Kosten und der Aufwand der Steuererhebung sollen so gering wie möglich sein. Diese vier klassischen Besteuerungsprinzipien von Smith sind in den Finanzwissenschaften auch heute noch anerkannt und wurden von zahlreichen bekannten Ökonomen wie Adolph Wagner6, Heinz Haller7 und Fritz Neumark8 aufgegriffen und weiterentwickelt.9 Vor allem Neumark gilt dabei im deutschsprachigen Raum als der vorerst letzte große Vertreter der finanzwissenschaftlichen Lehre von den Besteuerungsprinzipien.10 Auch wenn sich in Grundzügen an die Erkenntnisse von Smith orientiert wird, so legen die verschiedenen Autoren bei der Entwicklung ihrer jeweiligen „eigenen“ Prinzipien doch unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte.11 Die12 Besteuerungsprinzipien an sich gibt es somit nicht. Vor allem haben auch die jeweiligen sozialen, politischen, wirtschaftlichen und technologischen Rahmenbedingungen einer jeden Zeitepoche einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung und inhaltliche Ausrichtung von Besteuerungsprinzipien.13 Besteuerungsprinzipien reflektieren nämlich regelmäßig die jeweils aktuellen steuerpolitischen Herausforderungen.14 Der grundlegende Zweck von Besteuerungsprinzipien bleibt jedoch immer derselbe. Der Zweck von finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien ist es, vor dem Hintergrund der Erfüllung von gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Staatsaufgaben ein Idealbild der Besteuerung bzw. einen bestmöglichen Zustand der Besteuerung so weit wie möglich zu realisieren.15 Besteuerungsprinzipien sind daher von ihrem Wesen her auf die Erfüllung kollektiver Ziele und des Gemeinwohls ausgerichtet.16 Es handelt dabei also um Prinzipien, die nicht allein auf den Einzelfall eines Individuums hinwirken sollen, sondern stattdessen auf die allgemeinen öffentlichen Interessen innerhalb einer Gesellschaft. Besteuerungsprinzipien bein-

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Wagner, Lehrbuch der politischen Ökonomie2 292 ff. Haller, Finanzpolitik5 (1972) 236 ff. 8 Neumark, Grundsätze 45 ff. 9 Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 1 Rz. 1.17; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 7 Rz. 7.2 m. w. N. 10 Bayer, Steuerlehre Rz. 5, 119. 11 Vgl. etwa Haller, Finanzpolitik 239 ff.; Joachim Lang, Entwurf eines Steuergesetzbuchs (1993) Rz. 330 ff. und Neumark, Grundsätze 45 ff. 12 Hervorhebung durch den Verfasser. 13 So schon Wagner, Lehrbuch der politischen Ökonomie2 299. 14 Wagner, Lehrbuch der politischen Ökonomie2 299; vgl. auch die OECD-Besteuerungsprinzipien unter Kapitel 4 C. II. 2. 15 Bayer, Steuerlehre Rz. 5; Wagner, Lehrbuch der politischen Ökonomie2 299 f.; Gerloff, in: Gerloff/Neumark, Handbuch der Finanzwissenschaft2 II 269; Neumark, Grundsätze 16 m. w. N. 16 In diesem Sinne Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 1 Rz. 1.16 f. m. w. N. 7

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Kap. 4: Die finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien

halten daher insbesondere haushalts-, wirtschafts- und sozialpolitische Positionen.17 Als ein übergeordnetes Metaziel von Besteuerungsprinzipien kann die Sicherung des staatlichen Steueraufkommens gesehen werden, um die Bereitstellung von öffentlichen Gütern und die Funktionsfähigkeit des Staates zu gewährleisten.18 Der besondere Wert dieser Prinzipien liegt darin, dass diese nicht allein auf die ökonomische Effizienz eines Steuersystems ausgerichtet sind, sondern auch ethische bzw. moralphilosophische Erwägungen für die Gerechtigkeit der Besteuerung miteinbeziehen.19 Den Besteuerungsprinzipien wird aber keine absolute, sondern nur eine „relative Bedeutung“20 zugesprochen, weil sie gegen andere Besteuerungsprinzipien abzuwägen21 sind und mit diesen auch kollidieren können.22 Darüber hinaus können Besteuerungsprinzipien insbesondere durch rechtliche oder wirtschaftliche Gründe eingeschränkt werden.23 Abwägungsentscheidungen spielen daher in diesem Zusammenhang eine große Rolle.24 Ein durch Abwägung zu lösender Zielkonflikt oder eine „Zweckkollision“ von Besteuerungsprinzipien kann vorliegen, wenn das Ziel eines Prinzips im Gegensatz zu dem Zweck eines anderen Prinzips steht.25 Ein klassischer derartiger Konflikt findet regelmäßig zwischen Effizienz- und Gerechtigkeitsprinzipien statt.26 Aufgrund ihrer Abwägungsfähigkeit und ihres latenten Optimierungscharakters zeigen finanzwissenschaftliche Besteuerungsprinzipien eine Ähnlichkeit mit den unter Kapitel 5 A. erörterten Rechtsprinzipien der Rechtstheorie auf. Die Anzahl der Autoren, welche sich in jüngerer Vergangenheit mit den theoretischen Grundlagen von Besteuerungsprinzipien auseinandergesetzt haben, ist überschaubar. Laut Bayer ist daher auch nicht geklärt, „ob das Wesen der Besteuerungsgrundsätze mehr im Recht, in der Finanz-, Wirtschafts- oder Steuerpolitik oder in der philosophischen Ethik zu suchen ist“.27 Wagner leitet diese Prinzipien aus dem „Wesen der Finanzwirthschaft“ und aus den „Wirkungen der Besteuerung auf

17 Gerloff, in: Gerloff/Neumark, Handbuch der Finanzwissenschaft2 II 270; Neumark, Grundsätze 45 f., 48 ff., 54 ff., 68 ff., 222 ff. 18 Neumark, Grundsätze 17 ff. 19 Vgl. dazu etwa Neumark, Grundsätze 17, 67 ff.; Bayer, Steuerlehre Rz. 5 m. w. N., 119 m. w. N.; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 1 Rz. 1.17; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 7 Rz. 7.2 ff.; Gerloff, in: Gerloff/Neumark, Handbuch der Finanzwissenschaft2 II 269 ff. 20 Vgl. dazu schon Wagner, Lehrbuch der politischen Ökonomie2 300. 21 Andel, Finanzwissenschaft4 298; Neumark, Grundsätze 335. 22 Neumark, Grundsätze 387 f., 389, 299 f. 23 Wagner, Lehrbuch der politischen Ökonomie2 299, 300 f.; Neumark, Grundsätze 387. 24 Neumark, Grundsätze 387 f., 389, 299 f.; vgl. auch OECD, Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft 34. 25 Neumark, Grundsätze 383. 26 Neumark, Grundsätze 389. 27 Bayer, Steuerlehre Rz. 110 m. w. N.

B. Das Verhältnis von Besteuerungsprinzipien und Grundrechten

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die Bevölkerung“ ab.28 Gemäß Neumark handelt es sich bei diesen Prinzipien immer um etwas „Normatives“ und um „Sollsätze“, die um der Verwirklichung bestimmter Ziele willen aufgestellt werden.29 Gerloff hält fest, dass es sich um „Gesetze des Sollens“ handelt, die zugleich „Wertmaßstab des Gegebenen“ sind.30 Gerloff erläutert weiter, dass die Steuerlehre bei der Entwicklung von Besteuerungsprinzipien „zur Steuerpolitik“ wird.31 Nach Graff bilden Besteuerungsprinzipien die „Grundlage für Postulate an die Finanzpolitik“.32 Das Wesen der finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien kann auch in dieser Arbeit nicht abschließend geklärt werden. Dennoch kann mittels der noch zu erörternden Rechtstheorie von Dworkin in Kapitel 5 ein Beitrag zu dieser Diskussion geleistet werden.

B. Das Verhältnis von Besteuerungsprinzipien und Grundrechten I. Vorbemerkung Ein möglicher Einwand gegen die Notwendigkeit der Nutzung von finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien könnte sein, dass in Österreich allein die liberalen Grundrechte bereits einen ausreichenden Schutz gegen eine „schlechte“ Besteuerung gewährleisten. Wie nachfolgend gezeigt wird, ist diese Vorstellung aus mehreren Gründen nicht zutreffend.

II. Das Wesen von Grundrechten Zuerst ist festzuhalten, dass liberale Grundrechte traditionell als Abwehrrechte gegen den Staat verstanden werden, die eine individuelle Freiheitssphäre für den Bürger vor staatlichen Eingriffen schaffen („status negativus“).33 Der ursprüngliche Zweck von Grundrechten liegt also darin, für das Individuum einen staatsfreien Raum zu gewährleisten und nicht detaillierte Vorgaben für das kollektive Interesse einer „guten“ Steuererhebung zu postulieren. Die klassischen liberalen Grundrechte und finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien haben daher eine unterschiedliche Zielausrichtung: einerseits der Schutz des Einzelnen vor staatlichen Eingriffen, andererseits die bestmögliche Ausgestaltung des Steuersystems zur Sicherung der öffentlichen Gütererbringung und des Gemeinwohls. 28

Wagner, Lehrbuch der politischen Ökonomie2 299. Neumark, Grundsätze 15. 30 Gerloff, in: Gerloff/Neumark, Handbuch der Finanzwissenschaft2 II 269. 31 Gerloff, in: Gerloff/Neumark, Handbuch der Finanzwissenschaft2 II 270 f. 32 Graff, Grundlagen der Finanzwissenschaft2 260 f. 33 Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11 Rz. 1327.

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Kap. 4: Die finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien

Zwar werden Grundrechte heute auch als Gewährleistungspflichten verstanden, welche vom Staat ein aktives Handeln verlangen können.34 Doch sind Grundrechtsbestimmungen in der Regel begrifflich sehr lapidar und vage formuliert.35 Dadurch ergeben sich bei der Anwendung der Grundrechte auch große Interpretationsspielräume für den Gesetzgeber.36 So taugen Grundrechte für sich allein nur sehr bedingt als Vorlagen für die detaillierte Ausgestaltung eines Steuersystems. Dies wird vor allem sichtbar, wenn drei der für den Steuerbereich relevantesten Grundrechte genauer erörtert werden: der Gleichheitssatz, die Eigentumsfreiheit und die Erwerbsfreiheit.

III. Der Gleichheitssatz als Blankett Das für das Steuerrecht mit großem Abstand wichtigste Grundrecht ist der Gleichheitssatz des Art. 7 B-VG, wonach „[a]lle Staatsbürger […] vor dem Gesetz gleich“ sind.37 Der Gleichheitssatz schreibt also vor, Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln, sofern nicht eine sachliche Rechtfertigung für Differenzierungen besteht.38 Damit ist der Steuergesetzgeber verpflichtet, an gleiche Tatbestände die gleichen Rechtsfolgen zu knüpfen. Der Gleichheitssatz meint mit „Gleichheit“ nicht Identität, sondern eine relative Gleichheit.39 Der Gleichheitssatz besagt demnach, dass etwas im Verhältnis zu einer anderen Sache gleich sein muss. Der Gleichheitssatz selbst gibt jedoch nicht vor „in Bezug auf was etwas gleich sein muss“; es fehlt damit ein Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der Gleichheit einer Sache.40 Der Gleichheitssatz gibt also keine Vorgaben darüber, wann welche Sachverhalte in was für einer Hinsicht gleich zu behandeln sind.41 Isoliert und für sich allein betrachtet ist der Gleichheitssatz daher juristisch nicht vollziehbar, da er keinerlei Auskunft darüber gibt, was überhaupt zu vergleichen ist bzw. was gleich zu sein hat.42 Der Gleichheitssatz ist damit laut 34 Vgl. für einen Überblick zu den Grundrechtstheorien Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 691 ff. 35 Vgl. etwa Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 685, vgl. auch Rz. 691 ff. 36 Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 685; Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11 Rz. 1139 ff. 37 Rust/Blum, Grundrechtsschutz im Steuerrecht 23. 38 Rust/Blum, Grundrechtsschutz im Steuerrecht 23; Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 53 ff.; Berka, Verfassungsrecht8 Rz. 1644. 39 Tipke, in: FS Ruppe 635. 40 Tipke, in: FS Ruppe 635. 41 Rau, Verfassungsdirigierte Prinzipien für das Unternehmenssteuerrecht (2007) 85; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.121; Tipke, in: FS Ruppe 635 ff. 42 Holthaus, Die Berücksichtigung von Bildungskosten im Einkommensteuerrecht (2011) 111 m. w. N.; Heckel, Gesammelte Schriften: Staat – Kirche – Recht – Geschichte, Band I (1989) 260.

B. Das Verhältnis von Besteuerungsprinzipien und Grundrechten

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verbreiteter Auffassung der Literatur eine „Leerformel“ oder „Blankettnorm“.43 So gibt der Gleichheitssatz für sich allein gesehen auch keine Maßstäbe vor, an denen die Steuergesetze zu messen sind, denn „[e]in Blankett kann sich nicht selbst ausfüllen“.44 Kurz gesagt liefert diese Norm selbst keine Vergleichsmaßstäbe, womit sich allein aus dem Gleichheitssatz auch keine Vorgaben für die Beschaffenheit eines „guten“ Steuersystems ergeben.45 Vielmehr muss der Gleichheitssatz nach Englisch durch exogene, also von „außen“ herangetragene, Werte konkretisiert werden.46 Auch Tipke hält fest, dass der Gleichheitssatz „mit Hilfe eines Prinzips oder Maßstabs“ ausgefüllt werden muss, um ihn überhaupt justiziabel zu machen.47 Der Gleichheitssatz kann daher auch zur Rechtsgrundlage von sogenannten Rechtsprinzipien48 der Rechtstheorie werden, was etwa Leisner beim Prinzip der „Rechtskontinuität“ detailliert aufgezeigt hat.49 Ohne derartige Prinzipien und Vergleichsmaßstäbe läuft der Gleichheitssatz nämlich leer.50 Welche konkrete Rolle Rechtsprinzipien im Zusammenhang mit den finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien als Vergleichsmaßstäbe spielen, wird noch im weiteren Verlauf dieser Arbeit sichtbar werden. Zudem wird in Österreich aus dem Gleichheitssatz auch ein den Gesetzgeber bindendes allgemeines Sachlichkeitsgebot abgeleitet. Nach herrschender Annahme wird dadurch losgelöst von einer klassischen Gleichheitsprüfung gefordert, dass für Rechtsnormen generell sachliche Gründe sprechen müssen.51 Wann konkret eine Norm sachlich ist oder nicht, kann sich jedoch auch nicht aus der Leerformel des Gleichheitssatzes selbst ergeben. So merkt auch die herrschende Lehre an, dass sich die Sachlichkeitsprüfung an Werten orientiert, die „außerhalb des positiven Rechts“ 43

Vgl. dazu etwa Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.121; Rau, Verfassungsdirigierte Prinzipien für das Unternehmenssteuerrecht 85 m. w. N.; Holthaus, Die Berücksichtigung von Bildungskosten 111 m. w. N.; Tipke, in: FS Ruppe 635; Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel (2008) 157, 573; Heckel, Gesammelte Schriften: Staat – Kirche – Recht – Geschichte I 260; vgl. auch Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat (2010) 355; Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen (1983) 146 f. 44 Holthaus, Die Berücksichtigung von Bildungskosten 110 f. m. w. N.; Tipke, in: FS Ruppe 637. 45 Rau, Verfassungsdirigierte Prinzipien für das Unternehmenssteuerrecht 85; Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen 146; Tipke, in: FS Ruppe 635 ff. 46 Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel 157, 573; Holthaus, Die Berücksichtigung von Bildungskosten 111 m. w. N.; vgl. auch Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben 214. 47 Tipke, in: FS Ruppe 636; Holthaus, Die Berücksichtigung von Bildungskosten 111; Heckel, Gesammelte Schriften: Staat – Kirche – Recht – Geschichte I 260. 48 Vgl. Kapitel 5 A. 49 Leisner, Kontinuität als Verfassungsprinzip (2002) 199 ff., 407, 641 ff., 651 ff.; vgl. auch Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge (2005) 360 f. m. w. N. 50 Tipke, in: FS Ruppe 636. 51 Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 765 ff.; Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11 Rz. 1360 m. w. N.

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Kap. 4: Die finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien

liegen.52 Demnach gelten die obigen Ausführungen in Bezug auf die Vergleichsmaßstäbe des Gleichheitssatzes auch sinngemäß für das ihm innewohnende allgemeine Sachlichkeitsgebot. Wie der Gleichheitssatz braucht also im Ergebnis auch das Sachlichkeitsgebot eine Konkretisierung durch exogene Werte, um für das Steuerrecht nutzbar gemacht werden zu können.53

IV. Die Eigentums- und Erwerbsfreiheit Die Eigentumsfreiheit sichert das Eigentum eines jeden Einzelnen vor staatlichen Eingriffen, wohingegen die Erwerbs- und Berufsfreiheit die unternehmerische Freiheit gewährleistet, „unter den gesetzlichen Bedingungen jeden Erwerbszweig“ auszuüben.54 Die Eigentumsfreiheit und die Erwerbs- und Berufsfreiheit stehen in einer engen Beziehung: die Erwerbs- und Berufsfreiheit sichert den Erwerb, dagegen garantiert die Eigentumsfreiheit die Unverletzlichkeit dessen, was bereits erworben wurde.55 Die Eigentumsfreiheit und die Erwerbs- und Berufsfreiheit sind damit ein elementarer Bestandteil eines marktwirtschaftlich organisierten und auf Privatautonomie basierenden Gesellschafts- und Wirtschaftssystems.56 Für das Steuerrecht spielen die klassischen liberalen Grundrechte der Eigentumsfreiheit und der Erwerbs- und Berufsfreiheit jedoch nur eine „stark untergeordnete Rolle“.57 Ein Hauptgrund dafür ist, dass in der VfGH-Judikatur die Beurteilung auf Basis des Gleichheitssatzes fast immer „den entscheidungserheblichen Kern“ für steuerrechtliche Sachverhalte bildet.58 So wurde nach Rust/Blum bisher auch keine Steuernorm wegen eines Verstoßes gegen die Eigentumsfreiheit oder die Erwerbs- und Berufsfreiheit vom VfGH aufgehoben.59 Die Schranke der Eigentumsfreiheit steht in einem Spannungsfeld zur staatlichen Aufgabe der Steuererhebung zu Gemeinwohlzwecken.60 Jedoch wird dem Steuergesetzgeber in diesem Bereich ein weiter Handlungsspielraum zugebilligt, wodurch lediglich eine konfiskatorische Steuererhebung durch die Eigentumsfreiheit verhindert wird.61 Ähnliches gilt für die die Erwerbs- und Berufsfreiheit, denn eine Verletzung dieser Grundfreiheit im Bereich des Steuerrechts wurde von der VfGH-Judikatur bisher nur 52

Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11 Rz. 1360. Vgl. dazu zum Gleichheitssatz aus deutscher Perspektive Holthaus, Die Berücksichtigung von Bildungskosten 111. 54 Rust/Blum, Grundrechtsschutz im Steuerrecht 38. 55 Rust/Blum, Grundrechtsschutz im Steuerrecht 52. 56 Rust/Blum, Grundrechtsschutz im Steuerrecht 38 m. w. N. 57 Rust/Blum, Grundrechtsschutz im Steuerrecht 52. 58 Rust/Blum, Grundrechtsschutz im Steuerrecht 52. 59 Rust/Blum, Grundrechtsschutz im Steuerrecht 39, 52. 60 Rust/Blum, Grundrechtsschutz im Steuerrecht 39 f. 61 Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 66 ff.; Rust/Blum, Grundrechtsschutz im Steuerrecht 40, 45 m. w. N. 53

C. Auswahl von konkreten finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien

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dann als denkbar erachtet, wenn eine Steuer eine „erdrosselnde Wirkung“ hätte und die Erwerbsausübung somit gänzlich verunmöglichen würde.62 Damit ist festzuhalten, dass sowohl die Eigentumsfreiheit als auch die Erwerbs- und Berufsfreiheit den Gestaltungsspielraum des Steuergesetzgebers nicht stark einschränken. Damit ergeben sich aus diesen Grundfreiheiten zwar gewisse Schranken für den Gesetzgeber, jedoch kaum detaillierte inhaltliche Vorgaben für ein Steuersystem. Somit resultiert in einer Zusammenschau aus dem bisher Gesagten, dass die Grundrechte der österreichischen Verfassung für sich allein gesehen keine ausreichenden Anhaltspunkte zur konkreten Ausgestaltung eines Steuerrechtssystems liefern. Es braucht daher das Instrument der finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien.

C. Auswahl von konkreten finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien I. Vorbemerkung Wie unter Kapitel 4 A. erörtert, gibt es nicht die63 finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien. Vielmehr unterscheiden sich diese von Autor zu Autor und sind von den jeweiligen zeitlichen, politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geprägt. Macht man es sich zur Aufgabe, diese Besteuerungsprinzipien innerhalb einer Rechtsordnung zu untersuchen, so muss man eine konkrete Auswahl treffen. Nachfolgend wird erörtert werden, dass die aus der Finanzwissenschaft entlehnten Besteuerungsprinzipien der OECD ein bestens geeignetes Forschungsobjekt für diese Arbeit bieten.

II. Die Übernahme von finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien durch die OECD 1. Überblick über das BEPS-Projekt der OECD Im Jahr 2012 beauftragte die Gruppe der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer die OECD einen Maßnahmenkatalog zur Bekämpfung der Aushöhlung steuerlicher Bemessungsgrundlagen und der Gewinnverlagerung in Niedrigsteuerländer (Base Erosion and Profit Shifting; BEPS) zu entwickeln.64 Diese Entwicklung 62

Rust/Blum, Grundrechtsschutz im Steuerrecht 52, 58; Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 69; VfSlg 9750/1983; 18.183/2007. 63 Hervorhebung durch den Verfasser. 64 Kirchmayr/Hohenwarter, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 1324; Schaumburg, in: Schaumburg (Hrsg.), Internationales Steuerrecht4 (2017) Rz. 5.17.

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Kap. 4: Die finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien

wurde vor allem aufgrund von politischen Diskussionen über die budgetären Auswirkungen der Finanzkrise, die Steuervermeidung und aggressive Steuerplanung von internationalen Konzernen sowie den unfairen Steuerwettbewerb65 angestoßen.66 Im Jahr 2015 präsentierte die OECD ihre umfassenden Abschlussberichte zu ihrem Base Erosion and Profit Shifting Projekt, welche 15 einzelne Aktionspunkte beinhalten.67 Jeder dieser Aktionspunkte zielt auf eine Reform bzw. Bekämpfung eines bestimmten Aspekts der BEPS-Problematik ab. Die Aktionspunkte betreffen ein inhaltlich breites Feld. Es werden Themen behandelt, die von der Besteuerung der digitalen Wirtschaft über die Hintanhaltung von schädlichen Steuerpraktiken bis hin zur Verbesserung von Verständigungs- und Schiedsverfahren reichen.68 Dabei lassen sich drei übergeordnete Metaziele festhalten, von denen das gesamte BEPS-Projekt der OECD durchdrungen ist: 1.) die Kohärenz der verschiedenen nationalen Steuersysteme zur Vermeidung eines unfairen Steuerwettbewerbs; 2.) die „Substanz“ bzw. der Ort der wirtschaftlichen Wertschöpfung69 als Anknüpfungspunkt für die Besteuerung; 3.) eine transparente Unternehmensbesteuerung.70 Das BEPS-Projekt befindet sich mittlerweile in der Implementationsphase und weltweit arbeiten 141 Staaten71 an der Umsetzung der 15 Aktionspunkte der OECD.72 Zu beachten ist, dass das BEPS-Projekt der OECD bzw. die einzelnen Aktionspunkte keine rechtliche Verbindlichkeit haben, sondern es sich bei ihnen „lediglich“ um Handlungsempfehlungen für die Staaten handelt.73 Rechtscharakter können die einzelnen Aktionspunkte nur erlangen, wenn sie in nationales Recht umgesetzt werden, in völkerrechtlichen Verträgen74 Eingang finden oder Bestandteil von EURecht werden.75

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Vgl. dazu Kapitel 14 B. II. 2. Schaumburg, in: Schaumburg, Internationales Steuerrecht4 Rz. 5.17; Kofler, Von BEPS (OECD) zur Anti-BEPS-RL (EU), in: Kirchmayr/Mayr/Hirschler/Kofler (Hrsg.), Anti-BEPSRichtlinie: Konzernsteuerrecht im Umbruch? (2017) 2. 67 Vgl. dazu die zusammenfassende Darstellung in OECD, BEPS-Projekt Erläuterung – Abschlussberichte 2015 (2016) 4 ff. 68 Vgl. dazu OECD, Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft; OECD, Wirksamere Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken unter Berücksichtigung von Transparenz und Substanz – Aktionspunkt 5 (2016); OECD, Verbesserung der Effizienz von Streitbeilegungsmechanismen – Aktionspunkt 14 (2018). 69 Vgl. dazu im Detail Kapitel 14 B. II. 3. 70 Schaumburg, in: Schaumburg, Internationales Steuerrecht4 Rz. 5.20. 71 Vgl. dazu die Mitgliederliste der OECD, oecd.org, Members of the OECD/G20 Inclusive Framework on BEPS, verfügbar unter https://www.oecd.org/tax/beps/inclusive-framework-onbeps-composition.pdf (abgerufen am 6. 3. 2023). 72 Kofler, in: Kirchmayr et. al. 3 ff.; vgl. auch oecd.org, What is BEPS?, https://www.oecd. org/tax/beps/about/ (abgerufen am 6. 3. 2023). 73 Schaumburg, in: Schaumburg, Internationales Steuerrecht4 Rz. 5.18 m. w. N. 74 Kirchmayr/Hohenwarter, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 1325 ff. 75 Schaumburg, in: Schaumburg, Internationales Steuerrecht4 Rz. 5.18. 66

C. Auswahl von konkreten finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien

89

Parallel zu der Initiative der OECD hat die Europäische Union (EU) ein eigenes Projekt zur Bekämpfung von BEPS gestartet.76 Dieses Projekt der EU überschneidet sich inhaltlich stark mit dem BEPS-Aktionsplan der OECD. Die Arbeiten der EU mündeten in der Anti-Tax-Avoidance-Richtlinie77.78 Auf diesen Themenbereich wird noch unter Kapitel 14 D. detailliert eingegangen. 2. Die „Grundprinzipien der Besteuerung“79 des OECD-Aktionspunkts 1 In Aktionspunkt 1 widmet sich die OECD den „Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft“. Unternehmen in der digitalen Wirtschaft sind oftmals dazu in der Lage, ohne eine physische Präsenz innerhalb eines Staates zu wirtschaften.80 Die bisherigen internationalen Besteuerungsstandards sind jedoch auf eine Besteuerung aufgrund eines physischen Anknüpfungspunktes angewiesen.81 Dadurch können sich Unternehmen mit digitalem Geschäftsmodell regelmäßig einer Besteuerung an Orten, an denen sie Umsätze erzielen, entziehen. Die OECD beschäftigt sich in Aktionspunkt 1 insbesondere mit dieser BEPS-Problematik und präsentierte dazu mehrere Lösungsansätze, welche jedoch nicht Thema dieser Arbeit sind. Vielmehr ist der Blick auf Kapitel 2 des Aktionspunkts 1 zu richten, welches mit „Grundprinzipien der Besteuerung“ betitelt ist. In diesem Kapitel widmet sich die OECD laut eigenen Angaben den „großen Prinzipien der Steuerpolitik, die traditionell für die Entwicklung der Steuersysteme maßgeblich sind“.82 Einleitend zu diesem eher knapp gehaltenen Kapitel wird betont, dass vor dem weltweiten Kontext eines ständig steigenden Einnahmenbedarfes von Staaten, die Erhebung von Steuern nach wie vor die wichtigste Einnahmenquelle von Regierungen bleibt. Steuern sind demnach zentral, um „öffentliche Güter wie die Sicherung von Recht und Ordnung sowie öffentliche Infrastrukturen“ zu gewährleisten.83 Damit Steuern ein dazu ausreichendes „Einnahmenniveau“ erzielen, existieren „eine Reihe allgemeiner steuerpolitischer Erwägungen“, die für Besteuerungssysteme von großer Bedeutung sind.84 Nach der OECD handelt es sich dabei um folgende Prinzipien85 der Be76

Kofler, in: Kirchmayr et. al. 10 ff. Richtlinie 2016/1164 des Rates vom 12. 7. 2016 mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarktes. 78 Vgl. dazu im Detail das Werk Michael Lang/Rust/Schuch/Staringer (Hrsg.), Die AntiTax-Avoidance-Richtlinie (2017). 79 OECD, Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft 31. 80 Vgl. für einen Überblick zu diesem Themenkreis etwa Ehrke-Rabel, in: Sturn/Klüh 142 ff.; Drüen, in: Hey 1 ff. 81 Vgl. dazu schon die vorige Fn. 82 OECD, Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft 31. 83 OECD, Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft 31. 84 OECD, Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft 32. 77

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Kap. 4: Die finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien

steuerung: Neutralität, Effizienz, Verlässlichkeit und Verständlichkeit, Wirksamkeit und Fairness, Flexibilität und Gerechtigkeit.86 Diese Prinzipien werden von der OECD in weiterer Folge auf etwa zwei Seiten genauer definiert und so mit einem konkreten Inhalt ausgestaltet. Dabei trifft die OECD normative Aussagen und formuliert Sollsätze darüber, wie ein Steuersystem im Detail auszusehen habe. So wird beispielsweise im Prinzip der Verständlichkeit postuliert: „Die Steuervorschriften sollten klar und leicht verständlich sein, […]“.87 Zu beachten ist, dass diese „allgemein anerkannten“88 Besteuerungsprinzipien der OECD nicht nur die digitale Wirtschaft betreffen, sondern generell auf die Gestaltung des gesamten Steuersystems bzw. der Steuerpolitik eines Staates ausgerichtet sind.89 Die OECD beendet ihre Ausführungen zu den Besteuerungsprinzipien mit der Feststellung, dass sich in steuerpolitischen Entscheidung oftmals „Abwägungen […] über die relative Bedeutung dieser verschiedenen Prinzipien“ ausdrücken und sich darin allgemeine „wirtschafts- und sozialpolitische Überlegungen“ widerspiegeln.90 Die eben erläuterten Besteuerungsprinzipien sind Teil des Aktionspunktes 1 bzw. des BEPS-Aktionsplans der OECD. Damit kommt diesen Prinzipien für sich allein keinesfalls eine verbindliche Rechtswirkung zu.91 Zudem wurden diese Vorgaben für die Besteuerung auch, soweit zu sehen, nicht ausdrücklich in die konkreten Handlungsempfehlungen eines der 15 BEPS-Aktionspunkte aufgenommen. Aus den Ausführungen in Aktionspunkt 1 ergibt sich dennoch, dass die OECD es für erstrebenswert hält, wenn diese Prinzipien in den Steuersystemen von modernen Staaten eingehalten werden. Sichtbar wird dies etwa, wenn die OECD davon spricht, dass der steigende Einnahmenbedarf von Staaten nur auf Grundlage von einer „Reihe allgemeiner steuerpolitischer Erwägungen“ gedeckt werden kann, „die traditionell für die Entwicklung der Steuersysteme maßgeblich sind“.92 Es ist daher davon auszugehen, dass nach Sichtweise der OECD diese Besteuerungsprinzipien generell für die Steuerpolitik und die Ausgestaltung von Steuersystemen moderner Staaten beachtet werden sollten.

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Diese Prinzipien bildeten laut der OECD bereits im Jahr 1998 die Grundlage für „Ottawa Ministerial Conference on Electronic Commerce“ und wurden als zentral für die Besteuerung der „Digital Economy“ angesehen vgl. dazu OECD, Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft 32. 86 OECD, Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft 32. 87 OECD, Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft 33. 88 OECD, Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft 32. 89 So betont die OECD auch mehrmals, dass es sich dabei um „allgemeine“ Prinzipien der Steuerpolitik handelt und nicht nur um spezifische Detailvorgaben für die digitale Wirtschaft, OECD, Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft 32 ff. 90 OECD, Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft 34. 91 Schaumburg, in: Schaumburg, Internationales Steuerrecht4 Rz. 5.18 m. w. N. 92 OECD, Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft 31 f.

C. Auswahl von konkreten finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien

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III. Gründe für die Auswahl der finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien der OECD Es wurde schon erläutert, dass es die93 Besteuerungsprinzipien an sich nicht gibt und verschiedene Autoren unterschiedliche inhaltliche Ausprägungen bei der Entwicklung ihrer Prinzipien vornehmen. Daher muss auch gerechtfertigt werden, weshalb in dieser Arbeit für die folgende Untersuchung gerade auf die Besteuerungsprinzipien der OECD zurückgegriffen wird. Die Prinzipien der OECD eignen sich aus mehreren Gründen bestens für die in dieser Arbeit durchzuführende Untersuchung: 1.) Bejaht man die potentiell demokratiegefährdende Wirkung einer „schlechten“ Besteuerung, so braucht ein Steuersystem konkrete materielle Vorgaben. Die finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien der OECD (Neutralität, Effizienz, Verlässlichkeit und Verständlichkeit, Wirksamkeit und Fairness, Flexibilität und Gerechtigkeit)94 decken sich dabei inhaltlich im Wesentlichen mit den unter Kapitel 3 B. II. erörterten fünf Einflussfaktoren der Steuerehrlichkeit (Gerechtigkeit des Steuersystems, Effizienz des Staates, Kompliziertheit der Steuervorschriften, Ausmaß der Steuerbefolgungskosten und die Durchsetzbarkeit des Steuerrechts). Somit bietet sich hier die Gelegenheit zu erforschen, ob im österreichischen Steuerrecht den zentralen Faktoren der „tax compliance“ Rechnung getragen wird. So wird auch sichtbar werden, inwiefern diese materiellen Besteuerungsprinzipien als rechtliche Bausteine und Stabilitätsvoraussetzungen eines demokratischen Steuerstaates verwirklicht sind. 2.) Die OECD orientiert sich bei der inhaltlichen Ausgestaltung ihrer Vorgaben für die Besteuerung stark an jenen klassischen Besteuerungsprinzipien, welche in der finanzwissenschaftlichen Prinzipienlehre nach Adam Smith anerkannt sind.95 Die OECD hat sich somit finanzwissenschaftliche Wertungen und Konzepte zu Eigen gemacht und daraus ihre Prinzipien geformt. Die Besteuerungsprinzipien der OECD sind daher aus den Finanzwissenschaften „entlehnt“. Im einschlägigen Schrifttum ist es zwar anerkannt, dass das österreichische Steuerrecht von finanzwissenschaftlichen Wertungen beeinflusst ist.96 Soweit zu sehen, wurde die österreichische Steuerrechtsordnung jedoch bislang noch nicht daraufhin untersucht, inwiefern ein 93

Hervorhebung durch den Verfasser. Vgl. Kapitel 4 C. II. 2. 95 Vgl. statt vieler Wagner, Lehrbuch der politischen Ökonomie2 292, 304 ff.; Neumark, Grundsätze 45 ff.; Andel, Finanzwissenschaft4 291, 293, 295 ff.; Scherf, Öffentliche Finanzen2 217 ff.; vgl. auch Lang, Entwurf eines Steuergesetzbuchs Rz. 330 ff. m. w. N.; Hey, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht24 § 7 Rz. 7.1 ff. m. w. N. 96 Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 22 ff.; Beiser, Steu20 ern Rz. 6 ff.; Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 3 ff., 5; Kanduth-Kristen, Rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung (2007) 8 ff., vgl. dazu auch die Darstellung in Sumper, SWK 2019, 1051 ff.; vgl. auch Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 1 Rz. 1.14 ff.; Hey, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.30 ff. 94

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Kap. 4: Die finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien

solcher Katalog von Besteuerungsprinzipien der Finanzwissenschaften sich in seiner Gesamtheit im Recht wiederfindet und wie sich deren Funktionsweise innerhalb der Judikatur des VfGH darstellt. 3.) Die OECD-Besteuerungsprinzipien wurden im Jahr 2015 im Rahmen des BEPS-Projekts offiziell veröffentlicht und stellen damit einen der aktuellsten finanzwissenschaftlichen Prinzipienkataloge dar. Es handelt sich dabei, soweit zu sehen, also um die neueste Interpretation der traditionellen Besteuerungsprinzipien aus den Finanzwissenschaften. Die Besteuerungsprinzipien der OECD bieten daher die Gelegenheit zu ergründen, inwiefern sich zeitgenössisch interpretierte finanzwissenschaftliche Wertungen innerhalb eines modernen Steuerstaates wie Österreich wiederfinden. 4.) Die OECD-Besteuerungsprinzipien aus Aktionspunkt 1 wurden vor dem Hintergrund der BEPS-Problematik geschaffen. Damit sind diese Prinzipien ein Bestandteil eines weltweiten, auf Jahre angelegten, Projektes mit über 141 mitwirkenden Staaten zur Bekämpfung eines aktuell schwerwiegenden steuerpolitischen Problems. Allein aus diesem Umstand ergibt sich bereits eine massive praktische Relevanz dieser Besteuerungsprinzipien, welche eine detaillierte wissenschaftliche Untersuchung rechtfertigt. 5.) Im Sinne der OECD sind ihre Besteuerungsprinzipien „allgemein“, also weltweit, anerkannt.97 Es ist auch davon auszugehen, dass die Besteuerungsprinzipien der OECD zumindest von jenen Staaten befürwortet werden, die das BEPSProjekt offiziell unterstützen und sich zur Umsetzung der OECD-Maßnahmen bekannt haben. Dabei handelt es sich um 141 Staaten aus allen wichtigen Rechtskreisen dieser Welt.98 Damit sind die Ergebnisse der Untersuchungen der OECD-Besteuerungsprinzipien innerhalb der österreichischen Rechtsordnung auch international anschlussfähig. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die OECD-Besteuerungsprinzipien insbesondere aufgrund ihrer Aktualität und internationalen Relevanz ein passendes Forschungsobjekt für diese Arbeit bieten.

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OECD, Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft 32. Vgl. die Länderliste unter oecd.org, Members of the OECD/G20 Inclusive Framework on BEPS, verfügbar unter https://www.oecd.org/tax/beps/inclusive-framework-on-beps-compo sition.pdf; für Erläuterungen zu den zentralen Rechtskreisen dieser Welt vgl. Kapitel 14 C. II. 2. c). 98

D. Ergebnis und weitere Vorgehensweise

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D. Ergebnis und weitere Vorgehensweise I. Ergebnis Bejaht man die demokratieschädliche Wirkung einer „schlechten“ Besteuerung, so braucht es inhaltlich konkrete Vorgaben für eine „gute“ Besteuerung, um die Stabilität einer Demokratie zu gewährleisten. Die finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien liefern solche Vorgaben für ein ideales Steuersystem. Diese Prinzipien der Finanzwissenschaften sind auf kollektive Güter und damit auf das Gemeinwohl ausgerichtet – übergeordnetes Metaziel ist die Sicherung des staatlichen Steueraufkommens. Aus der Vielzahl von verschiedenen Besteuerungsprinzipien stechen die aus der Finanzwissenschaft entlehnten Prinzipien der OECD hervor. Diese eignen sich aus verschiedenen Gründen bestens für die in weiterer Folge vorzunehmende Untersuchung der österreichischen Rechtsordnung.

II. Weitere Vorgehensweise Ein Kernanliegen der weiteren Untersuchung dieser Arbeit ist, wie schon erörtert, die rechtswissenschaftliche Erforschung und Nutzbarmachung von finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien innerhalb der österreichischen Rechtsordnung. Da diese finanzwissenschaftlichen Werte aus der Perspektive der Rechtswissenschaften erklärt werden sollen, bedarf es dazu der Instrumente der Rechtstheorie, genauer der einflussreichen juristischen Prinzipientheorie nach Ronald Dworkin und Robert Alexy. Daher werden im nächsten Kapitel die Grundbegriffe dieser Theorie dargestellt und somit das rechtswissenschaftliche „Rüstzeug“ für die Erforschung der finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien bereitgestellt. Die Prinzipientheorie und ihre drei Begriffe des „Rechtsprinzips“, der „Rechtsregel“ und der „policy“ spielen dabei vor allem für die im weiteren Verlauf dieser Arbeit vorzunehmenden Judikaturanalysen eine entscheidende Rolle. Bei der Darstellung in Kapitel 5 wird auch ein besonderes Augenmerk auf Dworkins Konzept von „policies“ und dessen Bedeutung für die Erklärung der Rolle des österreichischen VfGHs gelegt. Die hier gewonnenen Erkenntnisse bieten ein theoretisches Fundament für die im weiteren Verlauf dieser Arbeit noch zu behandelnden Entscheidungen des VfGH. Soweit zu sehen, wurde eine derartige Untersuchung der „policies“ in dieser Form von der österreichischen Rechtswissenschaft noch nicht durchgeführt, weshalb daher eine detailliertere Behandlung dieses Aspektes notwendig ist.

Kapitel 5

Rechtsprinzip, Rechtsregel und „policy“ – Grundbegriffe der Prinzipientheorie A. Prinzipien und Regeln Die einflussreichen Werke von Ronald Dworkin1 und Robert Alexy2 legten in den Rechtswissenschaften den Grundstein für die sogenannte Prinzipientheorie.3 Nach dieser Rechtstheorie wird in der Rechtswissenschaft zwischen zwei Arten von Normen unterschieden, die sich in ihrer logischen Struktur grundlegend voneinander unterscheiden – Rechtsregeln und Rechtsprinzipien.4 Jede Norm ist entweder eine Rechtsregel oder ein Rechtsprinzip.5 Nach Dworkin haben Regeln eine Alles-oder-Nichts-Natur („all-or-nothing fashion“)6.7 Entweder erfüllt ein Sachverhalt die Tatbestandsbedingungen einer Rechtsregel oder nicht.8 Ist der Tatbestand verwirklicht, so muss auch die Rechtsfolge, welche die Regel anordnet, akzeptiert werden.9 Die Voraussetzungen für die Anwendung einer Rechtsregel sind demnach stets dann erfüllt, wenn der Tatbestand der jeweiligen Regel gegeben ist und keine Ausnahmeregel zur Anwendung kommt.10 Demgegenüber ordnen Rechtsprinzipien gemäß Dworkin keine definitiven Rechtsfolgen an, sondern weisen auf „Gesichtspunkte“ und Gründe hin, die bei einer 1 Dworkin, Taking Rights Seriously (1977); bei der weiteren Darstellung dieses Werkes von Dworkin wurde die von Ursula Wolf übersetzte deutsche Fassung und die dort verwendeten Fachtermini berücksichtigt, vgl. dazu das Werk Dworkin, Bürgerrechte ernst genommen (1984). 2 Alexy, Theorie der Grundrechte (1985). 3 Vgl. für einen Überblick Potacs, Rechtstheorie2 105 ff.; vgl. auch die Darstellung in Sumper, ZfV 2020, 19. 4 Vgl. statt vieler die instruktiven Darstellungen von Koller, Theorie des Rechts2 (1997) 92 ff. m. w. N., 172 ff. m. w. N.; sowie Potacs, Rechtstheorie2 105 ff. m. w. N.; vgl. dazu auch grundlegend Dworkin, Taking Rights Seriously 22 ff.; Alexy, Theorie der Grundrechte 71 ff. 5 Alexy, Theorie der Grundrechte 77 m. w. N. 6 Vgl. im Detail Dworkin, Taking Rights Seriously 24. 7 Dworkin, Taking Rights Seriously 24; Potacs, Rechtstheorie2 105. 8 Koller, Theorie des Rechts2 92. 9 Dworkin, Taking Rights Seriously 24; Potacs, Rechtstheorie2 105 f. 10 Dworkin, Taking Rights Seriously 24 f.; vgl. auch Vogel, Verbrauchervertragsrecht und allgemeines Vertragsrecht (2006) 259 m. w. N.

A. Prinzipien und Regeln

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Entscheidung mehr oder weniger zu berücksichtigen sind.11 Prinzipien haben dadurch im Gegensatz zu Regeln eine Dimension der Gewichtung („dimension of weight“)12, weil „sie in einzelnen Fällen auf Basis einer Abwägung zu berücksichtigen sind“.13 Rechtsprinzipien sind daher abwägungsfähig.14 Die unterschiedliche Struktur der Normtypen von Rechtsprinzip und Rechtsregel zeigt sich besonders in ihrem jeweiligen Kollisionsverhalten.15 Geraten zwei Rechtsregeln miteinander in Konflikt, so muss eine der beiden Regeln zwingend ungültig sein. Dworkin hält dazu fest: „If two rules conflict, one of them cannot be a valid rule“.16 Kommt es dagegen zu einer Kollision von zwei Rechtsprinzipien, müssen diese nach dem Grad ihrer Wichtigkeit gegeneinander abgewogen werden, wobei dem Prinzip mit dem größeren relativen Gewicht der Vorzug zu geben ist.17 Dabei ist zentral, dass das im Nachrang stehende Rechtsprinzip dadurch nicht generell ungültig wird, sondern nur im jeweiligen Einzelfall zurücktritt.18 Bei einer Prinzipienkollision wird daher nicht über die Geltung der Prinzipien entschieden, sondern darüber, welches Prinzip im vorliegenden Sachverhalt im Vorrang steht.19 Sieckmann fasst zusammen: „Die Geltung einer Regel impliziert ein Gebot, sie unmittelbar anzuwenden und zu befolgen. Die Geltung eines Prinzips impliziert demgegenüber ein Gebot, das Prinzip in einer Abwägung zu berücksichtigen und soweit wie tatsächlich und rechtlich möglich anzuwenden und zu befolgen“.20 Dworkins Konzept von Rechtsregeln und Rechtsprinzipien wurde von Alexy fortgeführt und weiterentwickelt.21 Nach Alexy können Regeln nur entweder erfüllt oder nicht erfüllt werden.22 Wenn eine Rechtsregel anwendbar ist, dann ist „genau das zu tun, was sie verlangt, nicht mehr und nicht weniger“.23 Rechtsprinzipien werden hingegen nach Alexy auch als „Optimierungsgebote“ qualifiziert, welche fordern, dass etwas im Rahmen der jeweiligen Möglichkeiten so weit wie möglich 11

Koller, Theorie des Rechts2 173; Dworkin, Taking Rights Seriously 26 ff. Dworkin, Taking Rights Seriously 26. 13 Koller, Theorie des Rechts2 173. 14 Potacs, Rechtstheorie2 105 ff. 15 Alexy, Theorie der Grundrechte 77 ff., 87; Sieckmann, Regelmodelle und Prinzipienmodelle des Rechtssystems (1990) 68; kritisch Poscher, Theorie des Phantoms – Die erfolglose Suche der Prinzipientheorie nach ihrem Gegenstand, RW 2010, 349 (350 ff.). 16 Dworkin, Taking Rights Seriously 27. 17 Dworkin, Taking Rights Seriously 27; Koller, Theorie des Rechts2 173. 18 Potacs, Rechtstheorie2 106 m. w. N.; Dworkin, Taking Rights Seriously 22 ff.; Alexy, Theorie der Grundrechte 78 ff., 143 ff.; Koller, Theorie des Rechts2 172 ff.; Unger, Das Verfassungsprinzip der Demokratie (2008) 95 f. 19 Czauderna, Zivilgesellschaftliche Partizipation der Demokratie (2018) 199. 20 Sieckmann, Regelmodelle und Prinzipienmodelle des Rechtssystems 85. 21 Alexy, Theorie der Grundrechte 76; Potacs, Rechtstheorie2 106. 22 Alexy, Theorie der Grundrechte 76; Potacs, Rechtstheorie2 106 m. w. N. 23 Alexy, Theorie der Grundrechte 76. 12

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Kap. 5: Rechtsprinzip, Rechtsregel und „policy“ – Grundbegriffe

realisiert wird.24 Rechtsprinzipien können daher in unterschiedlichen Graden, also mehr oder weniger, erfüllt werden.25 Dabei hängt für Prinzipien „das gebotene Maß ihrer Erfüllung nicht nur von den tatsächlichen, sondern auch von den rechtlichen Möglichkeiten“ ab.26 Der Rahmen des rechtlich Möglichen wird für Prinzipien dabei von gegenläufigen Prinzipien und Rechtsregeln bestimmt.27 Rechtsprinzipien besitzen daher eine abgestufte Wirkungsintensität: „Sie gebieten, verbieten oder erlauben etwas, das mehr oder weniger stark erfüllt werden kann“.28 Hierin liegt auch ein Unterschied zu Rechtsregeln, denn Regeln können eben immer nur erfüllt oder nicht erfüllt werden.29 Dagegen können Rechtsprinzipien in unterschiedlichen Graden bzw. Abstufungen realisiert werden.30 Ein weiteres zentrales Merkmal von Prinzipien stellt auch für Alexy die Abwägungsfähigkeit dar – sie ist „die für Prinzipien kennzeichnende Form der Rechtsanwendung“.31 Kommt es zu einer Kollision von zwei Rechtsprinzipien, müssen sie auch nach Alexy gegeneinander abgewogen werden, wobei dem Prinzip mit dem größeren Gewicht der Vorzug zu geben ist.32 Für den Fall einer Prinzipienkollision schuf Alexy ein „Abwägungsgesetz“: „Je höher der Grad der Nichterfüllung oder Beeinträchtigung des einen Prinzips ist, umso größer muss die Wichtigkeit der Erfüllung des anderen sein“.33 Demnach hängt das Ausmaß der Nichterfüllung eines Prinzips vom Wichtigkeitsgrad der Erfüllung des anderen ab.34 Prinzipien enthalten dadurch keine definitiven Anweisungen, sie sind vielmehr Prima-facie-Gebote und stehen damit unter dem Vorbehalt von entgegenstehenden Rechtsprinzipien und der tatsächlichen Möglichkeiten.35 „Prinzipien stellen Gründe dar, die durch gegenläufige Gründe ausgeräumt werden können“, hält Alexy fest.36 Rechtsprinzipien gelten nicht absolut, sondern sind „zu dem, was durch gegenläufige 24

Alexy, Theorie der Grundrechte 75. Alexy, Theorie der Grundrechte 76. 26 Alexy, Theorie der Grundrechte 76. 27 Alexy, Theorie der Grundrechte 76. 28 Engels, Die Verfassungsgarantien kommunaler Selbstverwaltung (2014) 109; vgl. im Detail Alexy, Recht, Vernunft, Diskurs (1995) 202 ff. 29 Alexy, Theorie der Grundrechte 76. 30 Alexy, Recht, Vernunft, Diskurs 202 ff.; Alexy, Theorie der Grundrechte 76 f.; Unger, Das Verfassungsprinzip der Demokratie 92 ff.; Engels, Die Verfassungsgarantien kommunaler Selbstverwaltung 107, 109 m. w. N.; vgl. auch die Darstellung in Azevedo Palu, Grundrechte Spielräume und Kompetenzen (2019) 89 ff. m. w. N. 31 Alexy, Idee und Struktur eines vernünftigen Rechtssystems, ARSP Beiheft Nr. 44 (1991) 40; Potacs, Rechtstheorie2 105 f. 32 Alexy, Theorie der Grundrechte 78 f.; Koller, Theorie des Rechts2 173. 33 Alexy, Theorie der Grundrechte 146. 34 Alexy, Theorie der Grundrechte 146. 35 Alexy, Theorie der Grundrechte 88; vgl. auch Unger, Das Verfassungsprinzip der Demokratie 97 ff. 36 Alexy, Theorie der Grundrechte 88. 25

A. Prinzipien und Regeln

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Prinzipien geboten wird“ in Relation zu setzen – Prinzipien haben also relatives Gewicht.37 Rechtsprinzipien gelten damit nicht absolut, sondern stets nur relativ.38 Dworkin und Alexy sahen ihre Prinzipienlehre ursprünglich als eine Kritik am Rechtspositivismus.39 Dennoch ist die dargestellte Unterscheidung zwischen Rechtsprinzipien und Rechtsregeln auch für positivrechtliche Normen nützlich.40 So erläutert Potacs, dass die positive Rechtsordnung keineswegs lediglich aus Rechtsregeln mit hohem Determinierungsgrad und „starren“ Tatbestandselementen besteht.41 Das positive Recht beinhaltet vielmehr auch Bestimmungen, welche sich durch einen flexiblen Tatbestand, Ermessensentscheidungen und in Dworkins Worten durch eine „Dimension des Gewichts“ auszeichnen.42 „[…] im Interesse einer Systematisierung der Vielfalt von positivrechtlicher Anordnungen“ spricht sich Potacs daher dafür aus, auch im positiven Recht zwischen Regeln und Prinzipien zu unterscheiden.43 Auch Barak differenziert in diesem Zusammenhang zwischen „texts that ground rules and texts that ground principles“.44 So ist einerseits zwischen positiven Rechtsvorschriften mit Abwägungscharakter und „Gewicht“ zu unterscheiden, welche als Rechtsprinzipien bezeichnet werden. Andererseits handelt es sich bei Normen mit starrem und unflexiblem Tatbestand um Rechtsregeln, denen eine „all-or-nothing fashion“ innewohnt. Ein Rechtsprinzip kann dabei nicht nur in einer einzelnen Bestimmung, sondern auch innerhalb von mehreren positiven Rechtsnormen verankert sein, welche gemeinsam in einer Zusammenschau die positivrechtliche Grundlage des Prinzips bilden.45 Rechtsprinzipien, die auf mehreren positiven Normen basieren, werden dabei durch Induktion, also die Ableitung vom Einzelfall (die jeweiligen Normen) auf das Allgemeine (das Rechtsprinzip), ermittelt.46 Auf diese Weise können 37

Alexy, Theorie der Grundrechte 146. Alexy, Theorie der Grundrechte 146; vgl. auch Sieckmann, Regelmodelle und Prinzipienmodelle 85. 39 Vgl. Dworkin, Taking Rights Seriously 22; Alexy, Zur Kritik des Rechtspositivismus, ARSP Beiheft Nr. 37 (1990) 23 f.; Alexy, Recht, Vernunft, Diskurs 177 ff.; Potacs, Rechtstheorie2 107 m. w. N. 40 Vgl. dazu im Detail Potacs, Rechtstheorie2 108. 41 Vgl. dazu im Detail Potacs, Rechtstheorie2 108. 42 Potacs, Rechtstheorie2 105 f. 43 Potacs, Rechtstheorie2 108. 44 Potacs, Rechtstheorie2 108 und die dortige Fn. 30; Barak, Purposive Interpretation in Law (2005) 198. 45 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip4 (2014) 463 f.; dazu ausführlich Tamm, Verbraucherschutzrecht (2011) 922 ff. m. w. N.; Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz2 (2014) 68; Metzger, Extra legem, intra ius: Allgemeine Rechtsgrundsätze im Europäischen Privatrecht (2009) 64 f.; Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat 155 f.; vgl. auch Kriegner, Systemfragen im Verbraucherrecht (2020) 35 f. 46 Vgl. dazu ausführlich Tamm, Verbraucherschutzrecht 922 ff. m. w. N., 933 ff.; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip4 463. Auch bei Dworkin klingt die Induktion bereits an. 38

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Kap. 5: Rechtsprinzip, Rechtsregel und „policy“ – Grundbegriffe

Rechtsprinzipien den Wesensgehalt von mehreren positiven Normen zusammenfassen und in sich aufnehmen.47 Jenen Rechtsprinzipien, welche sich in einer Vielzahl von positivrechtlichen Bestimmungen oder auch im Verfassungsrecht wiederfinden, wird dabei eine besonders große Bedeutung zugesprochen.48 Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass die Unterscheidung von Rechtsprinzip und Rechtsregel auch für das positive Recht nutzbar gemacht werden kann. Unterschiede bei der Prinzipientheorie von Dworkin und Alexy bestehen in der Reichweite von Rechtsprinzipien. Nach Dworkins Auffassung, die vom angloamerikanischen Rechtsraum und der Common-Law-Rechtsprechung geprägt ist, erfassen Prinzipien nur individuelle Rechte und betreffen daher die „Einzelfallgerechtigkeit“.49 Nach Alexy, der seine Theorie vor dem Hintergrund des deutschen Grundgesetzes konzipierte, können sich Rechtsprinzipien „sowohl auf individuelle Rechte als auch auf kollektive Güter beziehen“.50 Alexy belegt seine Ansicht mit zahlreichen Beispielen aus der Judikatur des deutschen Bundesverfassungsgerichts, in denen sich das Gericht auf kollektive Güter in Gestalt von Rechtsprinzipen bezieht.51

B. „policies“ als politische Ziele nach Dworkin I. Das Wesen von „policies“ nach Dworkin In seiner Rechtstheorie differenziert Dworkin innerhalb der Prinzipien zwischen zwei Varianten: Prinzipien bilden den Oberbegriff, der sich in Prinzipien im engeren Sinn, den Rechtsprinzipien („principles“) und den Prinzipien im weiteren Sinn („policies“), aufspaltet.52 Unter einer „policy“ versteht Dworkin ein Ziel, das sich auf ein wirtschaftliches, politisches oder soziales Merkmal der Gesellschaft richtet.53 Derartige „policies“ beinhalten demnach politische Ziele, welche auf das Gemeinwohl ausgerichtet sind

Dieser geht jedoch trotzdem davon aus, dass der Geltungsgrund von Rechtsprinzipien die Moralsphäre ist vgl. dazu Kapitel 7 E. II. 47 Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat 155 f. m. w. N. 48 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip4 463 f. 49 Dworkin, Taking Rights Seriously 82 ff.; Heinold, Die Prinzipientheorie bei Ronald Dworkin und Robert Alexy (2011) 82. 50 Alexy, Theorie der Grundrechte 98. 51 Vgl. etwa zur „Volksgesundheit“ BVerfGE 7, 377; vgl. auch die übrigen Judikaturnachweise unter Alexy, Theorie der Grundrechte 98. 52 Dworkin, Taking Rights Seriously 22, 90 f.; Heinold, Die Prinzipientheorie bei Ronald Dworkin und Robert Alexy 133 ff. 53 Dworkin, Taking Rights Seriously 22.

B. „policies“ als politische Ziele nach Dworkin

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und haben objektiv-rechtliche Positionen im Visier.54 Im Sinne von Dworkin haben „policies“ somit eine Lenkungsfunktion, um kollektive Güter für die Gesellschaft zu verwirklichen.55 Im Gegensatz hierzu dienen die im vorigen Abschnitt erläuterten Rechtsprinzipien laut Dworkin dazu, individuelle Rechte des Einzelnen zu etablieren.56 Gemäß Dworkin besteht ein entscheidender Unterschied zwischen „policies“ und Prinzipien im Anwendungsvorbehalt, welchen die „policies“ unterliegen.57 Denn die Argumentation und Entscheidungsfindung auf der Basis von „policies“ ist laut Dworkin allein dem Gesetzgeber erlaubt.58 Gerichten soll es demgegenüber grundsätzlich verwehrt sein, bei der Entscheidungsfindung auf „policies“ zurückzugreifen – Gerichte haben somit primär nur Prinzipien zur Argumentation heranzuziehen.59 Dworkins Einschränkung für die Anwendung von Zielen lässt sich in Hinblick auf die Gewaltenteilung in einer rechtsstaatlichen Demokratie erklären.60 Im Gegensatz zur Legislative darf die Judikative nämlich nicht selbständig eigene gesellschaftspolitische Ziele entwickeln und verfolgen.61 Auf die Gemeinschaft bezogene Zielsetzungsargumente stehen der Gerichtsbarkeit laut Dworkin daher nicht zu, da die Gerichte vor allem die individuellen Rechte einer einzelnen Partei zu schützen haben – Gerichte sind demnach für die „Einzelfallgerechtigkeit“ zuständig.62 Demnach sind politische Positionen, die das kollektive Gemeinwohl und die Bedürfnisse einer Gesellschaft als Ganzes im Blick haben, in einer Demokratie auch das Ergebnis eines demokratischen Diskurses und obliegen damit primär63 dem durch den parlamentarischen Prozess legitimierten Gesetzgeber.64 Im Folgenden wird 54 Vgl. dazu etwa Holzleithner, Gefahren für das allgemeine Gute: Zur Vernetzung von Prinzipien- und Zielsetzungsargumenten im juristischen Diskurs am Beispiel von Ehe und Prostitution, ARSP Beiheft Nr. 92 (2002) 71 ff.; Callies, Kollektive Ziele und Prinzipien im Verfassungsrecht der EU – Bestandsaufnahme, Wirkungen und Perspektiven, ARSP Beiheft Nr. 92 (2002) 86 f.; vgl. auch Czauderna, Zivilgesellschaftliche Partizipation der Demokratie 198 und die dortige Fn. 889. 55 Dworkin, Bürgerrechte ernst genommen 55 ff., 145 ff., 158 ff.; Unger, Das Verfassungsprinzip der Demokratie 100. 56 Heinold, Die Prinzipientheorie bei Ronald Dworkin und Robert Alexy 135 m. w. N. 57 Heinold, Die Prinzipientheorie bei Ronald Dworkin und Robert Alexy 137. 58 Heinold, Die Prinzipientheorie bei Ronald Dworkin und Robert Alexy 137. 59 Heinold, Die Prinzipientheorie bei Ronald Dworkin und Robert Alexy 83 m. w. N.; Stück, Subsumtion und Abwägung, ARSP 1998, 405 (416 f. m. w. N.). 60 Heinold, Die Prinzipientheorie bei Ronald Dworkin und Robert Alexy 139. 61 Stück, ARSP 1998, 416 f. m. w. N.; Heinold, Die Prinzipientheorie bei Ronald Dworkin und Robert Alexy 82. 62 Heinold, Die Prinzipientheorie bei Ronald Dworkin und Robert Alexy 82; vgl. auch Holzleithner, ARSP Beiheft Nr. 92, 72. 63 Vgl. dazu Kapitel 5 B. III. 2. 64 Heinold, Die Prinzipientheorie bei Ronald Dworkin und Robert Alexy 139.

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Kap. 5: Rechtsprinzip, Rechtsregel und „policy“ – Grundbegriffe

gezeigt, dass dieses Policy-Konzept von Dworkin auch in der VfGH-Judikatur Österreichs seinen Niederschlag findet.

II. Prüfung von Dworkins Policy-Konzept an VfSlg 20.185/2017 1. Kernpunkte von VfSlg 20.185/2017 Nun soll anhand des in der Literatur vielbeachteten65 Erkenntnisses des VfGH66 zur „dritten Piste“ des Flughafens Wien ergründet werden, ob dieses Policy-Konzept von Dworkin im österreichischen Rechtssystem und der Judikatur tatsächlich seinen Niederschlag findet. Der VfGH hatte sich in VfSlg 20.185/2017 mit der Frage zu beschäftigen, ob die Versagung der Genehmigung für die Errichtung einer zusätzlichen Piste67 am Flughafen Wien durch das BVwG rechtmäßig war. Das BVwG hatte die Versagung der Bewilligung für das Bauprojekt vor allem mit dem Klimaschutz und der sparsamen „Bodeninanspruchnahme“ begründet. Wie weitschweifend das BVwG seine Entscheidung begründet, zeigt die folgende Textstelle aus dem Erkenntnis: „Der Klimawandel hat in Österreich bereits negative Auswirkungen gezeigt und hat bereits weitreichende nachteilige Folgen für Menschen, Tiere, Pflanzen sowie das Landschaftsbild. Es ist davon auszugehen, dass der Klimawandel in Österreich zu weiteren gravierenden Schäden führen wird. Für die Menschen wird es zu Gesundheitsbeeinträchtigungen kommen, die mit Todesfolgen verbunden sind; es kommt zu großen Einkommens- und Eigentumsverlusten; es kommt zu reduzierten Erträgen in verschiedenen Wirtschaftsbereichen, insbesondere Land- und Forstwirtschaft und Tourismus; weiters kommt es zu einer Abnahme an Arbeitsplätzen. Das Landschaftsbild wird durch den Klimawandel nachhaltig negativ verändert. Gletscher schmelzen ab, es kommt zu Veränderungen des Bewuchses und die Waldgrenze wandert hinauf […]. Es kommt zu Wanderungsbewegungen von Klimaflüchtlingen aus besonders vom Klimawandel betroffenen Weltregionen, was zu sozialen Spannungen führen wird“.68 Das BVwG verwendet als Begründung für die Untersagung des Bauprojektes somit nicht nur den Klimawandel an sich, sondern auch dessen angenommene Folgeerscheinungen. Dadurch zieht das Gericht weitreichende sozial- und gesellschaftspolitische Überlegungen, die von einer verringerten Lebenserwartung über

65 Vgl. die Literatur unter Storr, Die Erkenntnisse des BVwG und des VfGH zur „dritten Piste“ des Flughafens Wien, ÖZW 2017, 184 (186 und die dortige Fn. 5). 66 VfSlg 20.185/2017. 67 Vgl. dazu im Detail Storr, ÖZW 2017, 184 ff. 68 BvwG 2. 2. 2017, W109 2000179 – 1.

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volkswirtschaftliche Erwägungen bis hin zu Klimaflüchtlingen reichen, in seine Entscheidungsfindung mit ein.69 Das BVwG zog zur Untermauerung seiner Argumentation neben dem KyotoProtokoll und dem Abkommen von Paris auch einen Ministerratsbeschluss70, eine „Road Map“ des BMVIT71 sowie eine Entschließung des Nationalrates72 heran, welche allesamt Klimaziele zum Inhalt hatten. Schließlich führte das BVwG auch das Argument der sparsamen „Bodeninanspruchnahme“ ins Treffen. Die Erhaltung des wertvollen Ackerbaulandes, auf dem die Piste gebaut werden solle, sei für die Nahrungsmittelversorgung zukünftiger Generationen dringend notwendig. Diesem Ziel widerspreche der Bau der Piste, da zu viel Ackerfläche sowie Grünflächen und ökologische Ausgleichsflächen verloren gingen. Der VfGH bemängelte, dass das BVwG bei der Entscheidung über das Bauprojekt vor allem rechtspolitische Argumente heranzog und aus der Nichterreichung von politischen Klimaschutzzielen negative Folgen für die Bewilligung der Piste ableitete, „ohne dass der zuständige (Bundes-)Gesetzgeber diesbezüglich gesetzliche Anordnungen getroffen hat.“ Die völkerrechtlichen Verträge des Kyoto-Protokolls und des Übereinkommens von Paris stehen in Österreich unter dem Vorbehalt, dass deren Ziele durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen sind.73 Somit sind diese beiden Verträge innerstaatlich nicht unmittelbar anwendbar, womit die Argumentation des BVwG unzulässig war. Zudem hat das BVwG durch die Berücksichtigung von „nicht-normativen Akten“ und „Wünschen des Nationalrates“ Willkür geübt, da es diesen Schriftstücken eine entscheidungsrelevante Bedeutung beimaß. Schließlich hielt der VfGH noch fest, dass es in „keiner Weise nachvollziehbar“ ist, auf welche Rechtsnorm sich das vom Bundesverwaltungsgericht postulierte Ziel des sparsamen Bodenverbrauchs stützen lässt, wonach auch diese Argumentation ebenfalls nicht zulässig ist. Im Ergebnis kam der VfGH somit zum Schluss, dass bei der Versagung der Genehmigung die Rechtslage mehrfach wesentlich verkannt und damit Willkür geübt wurde, weshalb das Höchstgericht das BVwG-Erkenntnis aufhob.

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Kritisch dazu auch Raschauer, Klimaschutz durch Richterspruch?, ecolex 2017, 814 (814 ff.); vgl. auch Schmelz, Der VfGH zur dritten Piste – Klimaschutz im Widerspruch zu Rechtsstaat und Demokratie?, ZVG 2017, 288 (288 ff.). 70 Ministerratsbeschluss vom 23. 10. 2012, Die österreichische Strategie zur Anpassung an den Klimawandel Teil 2 Aktionsplan, Handlungsempfehlungen für die Umsetzung. 71 BMVIT Roadmap Luftfahrt 2020, vgl. dazu bmk.gv.at, Road Map Luftfahrt 2020, https://www.bmk.gv.at/themen/verkehr/luftfahrt/roadmap/massnahmenkatalog.html (abgerufen am 6. 3. 2023). 72 Entschließung des Nationalrates vom 12. November 2015, 114/E 25. GP. 73 Schmelz, ZVG 2017, 290.

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Kap. 5: Rechtsprinzip, Rechtsregel und „policy“ – Grundbegriffe

2. Würdigung in Hinblick auf Dworkins Policy-Konzept Aus VfSlg 20.185/2017 lassen sich in Hinblick auf Dworkins Policy-Konzept mehrere zentrale Schlüsse ableiten. Der VfGH verdeutlicht durch seine klaren Aussagen die Kompetenzverteilung zwischen Legislative und Judikative innerhalb eines demokratischen Rechtsstaates.74 Laut dem Gerichtshof zog das BVwG unzulässigerweise eine Vielzahl an politischen Argumenten heran, „ohne dass der zuständige (Bundes-)Gesetzgeber diesbezüglich gesetzliche Anordnungen getroffen hat.“ Die politischen Argumente, welche zum Zwecke des Klimaschutzes ins Treffen geführt werden, sind nicht Teil der Rechtsordnung und zeitigen deshalb auch keine rechtliche Verbindlichkeit. So ist es auch nicht rechtmäßig, „Wünsche“ und Entschließungen des Nationalrates oder eines Ministeriums zur Entscheidungsbegründung heranzuziehen. Diese Willensäußerungen befinden sich nämlich noch in der rein politischen Sphäre – sie stellen daher im Sinne Dworkins „policies“ dar – und sind noch nicht in Rechtsnormen geronnen. Vom VfGH wird somit klargestellt, dass Gerichte „dem Gesetz zu dienen haben, und nicht politischen Zielen“.75 Es ist demnach nicht die Aufgabe eines Gerichtes, den Gesetzgeber bei der Verwirklichung von umweltpolitischen Zielen – oder sonstigen politischen Programmen – zu überholen und dadurch selbst Politik zu betreiben76. Vielmehr obliegt es in einem demokratischen Rechtsstaat der Legislative, die geeigneten Rechtsinstrumente zu erschaffen, um politische Ziele zu erreichen.77 Aus diesem VfGH-Erkenntnis ist zu schließen, dass die Argumentation mit politischen Positionen tatsächlich primär78 dem Gesetzgeber obliegt. Der VfGH gibt zu erkennen, dass Gerichte sich nur dann auf „policies“ bzw. politische Zielsetzungen im Sinne von Dworkin berufen können, wenn diese sich innerhalb der demokratisch legitimierten Rechtsordnung wiederfinden. Damit die Judikative politische Ziele als Argumente aufgreifen darf, müssen sich diese Zielsetzungen also in der Rechtsordnung „verfestigt“ haben.

III. Dworkins „policies“ und der österreichische VfGH 1. Regelmäßige gesellschaftspolitische Argumentation des VfGH Aus VfSlg 20.185/2017 ergibt sich zwar, dass sich laut VfGH die Gerichte grundsätzlich nicht auf politische Argumente im Sinne von Dworkins „policies“ 74

Schmelz, ZVG 2017, 288 ff., 292. Schmelz, ZVG 2017, 293. 76 Schmelz, ZVG 2017, 293. 77 Schmelz, ZVG 2017, 293. 78 Vgl. dazu jedoch sogleich den folgenden Abschnitt.

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B. „policies“ als politische Ziele nach Dworkin

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berufen können. Jedoch ist es im Schrifttum allgemein anerkannt, dass der österreichische VfGH seit den letzten Jahrzehnten in seinen Erkenntnissen selbst ideologisch aufgeladene Werturteile fällt und dabei gesellschaftspolitische und kollektive Positionen in seine Erwägungen miteinbezieht.79 Nach herrschender Lehre wird dies insbesondere bei der VfGH-Rechtsprechung im Zusammenhang mit dem Gleichheitssatz bzw. dem Sachlichkeitsgebot80 deutlich, welche nach Mayer/KucskoStadlmayer/Stöger eine ständige „Gratwanderung zwischen Rechtskontrolle und politischer Gestaltung“ darstellt.81 Auch Öhlinger/Eberhard merken an, dass der VfGH in dieser Judikatur politische Entscheidungen nach Kriterien korrigiert, „die selbst wiederum politisch sind […]“.82 Beispiele für eine derartige Rechtsprechung des VfGH finden sich oftmals in steuerrechtlichen Sachverhalten.83 Drei prominente derartige Entscheidungen sind etwa das „Heiratsguterkenntnis“,84 das „Familienbesteuerungserkenntnis“85 und ein Erkenntnis zur steuerlichen Absetzbarkeit von Managergehältern86.87 Besonders intensiv diskutiert wurde die Judikatur zur Familienbesteuerung.88 Dabei hatte der VfGH über die steuerliche Absetzbarkeit von Unterhaltszahlungen zu entscheiden.89 Der Gerichtshof differenzierte hierbei klar zwischen der Unter79 Ehs, VfGH als politscher Akteur – Konsequenzen eines Judikaturwandels?, OZP 2015, 15 (15 ff.); Michalitsch, Die geänderte, realverfassungsändernde Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, in: Kohl/Ofner/Stirnemann (Hrsg.), Österreichisches Jahrbuch für Politik 1989 (1990) 198 ff., 207 ff.; Noll, Der Verfassungsgerichtshof in der Parteiendemokratie, SWS Rundschau 1998, 99 (99 ff.); Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 762, 767; Mayer/ Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11 Rz. 1357, 1360; Winkler, Die Prüfung von Verordnungen und Gesetzen durch den Verfassungsgerichtshof von Amts wegen (2006) 244 m. w. N., 245 ff.; Wagschal, Verfassungsgerichte als Vetospieler in der Steuerpolitik, in: Becker/Zimmerling (Hrsg.), Politik und Recht Sonderheft 2006, 569 f.; diepresse.com, Die Verfassungsrichter als Gesetzgeber, https://www.diepresse.com/5527336/die-verfassungsrich ter-als-gesetzgeber (abgerufen am 6. 3. 2023); vgl. auch den Tätigkeitsbericht des VfGH aus dem Jahr 2005, in dem von „Prämissen“ und „Wertentscheidungen“ die Rede ist, welche einem Erkenntnis zugrunde liegen, vfgh.gv.at, Bericht des Verfassungsgerichtshofes über seine Tätigkeit im Jahr 2005 (2006) 3, verfügbar unter https://www.vfgh.gv.at/downloads/tae tigkeitsberichte/VfGH_Taetigkeitsbericht_2005.pdf (abgerufen am 6. 3. 2023). 80 Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11 Rz. 1357, 1360; Öhlinger/ Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 762, 767. 81 Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11 Rz. 1357. 82 Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 762. 83 Ehs, OZP 2015, 18 ff. 84 VfSlg 11.368/1987. 85 VfSlg 14.992/1997; vgl. auch VfSlg 12.940/1991. 86 VfSlg 19.933/2014; dieses Erkenntnis wird unter Kapitel 7 D. IV. 5. detailliert behandelt. 87 Ehs, OZP 2015, 18; Michalitsch, in: Kohl/Ofner/Stirnemann 200. 88 Vgl. dazu etwa die Darstellung und die angeführte Literatur unter Ehs, OZP 2015, 18 f. m. w. N., 23 f. m. w. N.; vgl. auch Noll, SWS Rundschau 1998, 99 ff. 89 VfSlg 14.992/1997; vgl. auch das Vorerkenntnis VfSlg 12.940/1991; vgl. dazu auch Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 26 m. w. N.

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Kap. 5: Rechtsprinzip, Rechtsregel und „policy“ – Grundbegriffe

haltspflicht an Ehepartner und an Kinder. So entschied der VfGH, dass Unterhaltsleistungen an Kinder „nicht bloß Sache privater Lebensgestaltung oder des persönlichen Risikos“ sind und daher der Unterhalt zumindest zur Hälfte steuerlich absetzbar sein muss.90 Dabei wurde auch auf ein Vorerkenntnis verwiesen, wonach die Erfüllung der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern den „Interessen der Allgemeinheit“ entspricht. Zudem wurde festgehalten, dass „[v]on einem öffentlichen Interesse an einer Beschränkung der Kinderzahl […] nicht die Rede sein“ kann. Hingegen betreffen Unterhaltszahlungen an Ehepartner die „Sphäre privater Lebensgestaltung“, weshalb es rechtfertigbar ist, wenn diese nicht von der Steuer absetzbar sind. Die Entscheidung, dass Kinder nicht rein die Privatsphäre betreffen, sondern auch die Gesellschaft als Ganzes berühren, ist ein klares Werturteil in Bezug auf kollektive Interessen.91 Nach Noll pflanzt der VfGH in dieser Judikatur außerrechtliche Werte in die Verfassung ein, welche im Verfassungstext so nicht vorkommen.92 Der Familienbericht 1999 des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie fasst die Ratio des VfGH folgend zusammen: „Kinder zu haben ist nicht nur bloßes Privatvergnügen, sondern auch für die Gesellschaft wertvoll.“93 Das eben genannte Beispiel hat somit die herrschende Ansicht des Schrifttums verdeutlicht, wonach der VfGH in seiner Judikatur bisweilen auch auf gesellschaftspolitische Argumentationen zurückgreift. Nachfolgend wird gezeigt, dass dieser Umstand mit zwei94 Rollen des VfGH, welche dieses Gericht in der rechtsstaatlichen Demokratie Österreich einnimmt, erklärt werden kann. 2. VfGH als „Hüter der Verfassung“ und gesellschaftspolitischer Akteur Der Verfassungsgerichtshof erfüllt in einer rechtsstaatlichen Demokratie wie Österreich insbesondere zwei Rollen. Zum einen ist der VfGH durch die Ausübung der Verfassungsgerichtsbarkeit, also der Möglichkeit, Gesetze als verfassungs- bzw. grundrechtswidrig aufzuheben, ein

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Vgl. dazu im Detail Noll, SWS Rundschau 1998, 100 ff.; vgl. Bundesministerium für Umwelt, Jugend, und Familie, Familie – zwischen Anspruch und Alltag, Österreichischer Familienbericht 1999 (1999) 87; Beiser, Einige Aspekte zur Familienbesteuerung, SWK 1998, 212 (212 ff.). 91 Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 762; Noll, SWS Rundschau 1998, 104 ff. 92 Noll, SWS Rundschau 1998, 104. 93 Bundesministerium für Umwelt, Jugend, und Familie, Familie – zwischen Anspruch und Alltag, Österreichischer Familienbericht 1999, 87. 94 Diese Rollen umfassen die Bedeutung des VfGH für Österreich nicht abschließend, sind aber für die Zwecke dieser Arbeit besonders zentral; zur Funktion von Verfassungsgerichten vgl. umfassend etwa das Werk Wrase/Boulanger (Hrsg.), Die Politik des Verfassungsrechts (2013).

B. „policies“ als politische Ziele nach Dworkin

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„Hüter der Verfassung“.95 Schon allein aufgrund dieser Kompetenz, demokratisch legitimierte Gesetze der Legislative durch eigene Entscheidungen aufzuheben, wird der Judikatur des VfGH in der Literatur eine gesellschaftspolitische Komponente und eine staatspolitische Dimension zugeschrieben.96 So werden Verfassungsstreitigkeiten bisweilen nämlich ihrem Kern nach als letztlich politische und damit die Gesamtöffentlichkeit betreffende Konflikte identifiziert.97 Auch der ehemalige Präsident des VfGH Holzinger hat festgehalten, dass Entscheidungen des VfGH das öffentliche Leben besonders unmittelbar und nachhaltig betreffen.98 Das Verfassungsrecht an sich wird daher auch als besonders „politisches“ Recht qualifiziert, da es von seinem Wesen her die Rahmenbedingungen und die Ordnung für das gesellschaftliche Zusammenleben innerhalb eines Staates schafft.99 Die Streitgegenstände vor dem VfGH sind daher schon von ihrem Wesen her regelmäßig von kollektiven Zielen und gesellschaftspolitisch relevanten Positionen geprägt.100 Als Hüter der Verfassung steht es dem VfGH auch zu, den verfassungsrechtlich zulässigen Rahmen für politische Vorhaben und Ziele des Gesetzgebers abzustecken.101 So hat der Gerichtshof auch in ständiger Rechtsprechung festgestellt, dass es ihm obliegt, dem Gesetzgeber entgegenzutreten, wenn „dieser Ziele verfolgt, die keinesfalls als im öffentlichen Interesse liegend anzusehen sind“.102 Der VfGH hat somit die Aufgabe, zu beurteilen, wann eine politische Position des Gesetzgebers in einen verfassungsrechtlich geschützten Bereich vordringt.103 Ob ein konkretes politisches Ziel des Gesetzgebers droht, die Verfassungssphäre zu verletzen, kann nur im jeweiligen im Einzelfall geklärt werden. Der VfGH wird sich aber jedenfalls für zuständig erachten, wenn ein Vorhaben des Gesetzgebers die verfassungsrechtlichen

95 Hassemer, Verfassungsgerichtsbarkeit in einer Demokratie, ARSP Beiheft Nr. 93 (2004) 77 ff., 84 f., 91 f. 96 Vgl. dazu etwa Wieser, Vergleichendes Verfassungsrecht (2005) 118 ff.; vgl. auch die Ausführungen und Nachweise unter Winkler, Die Prüfung von Verordnungen und Gesetzen durch den Verfassungsgerichtshof von Amts wegen 244. 97 Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 762, 767; vgl. auch Wieser, Vergleichendes Verfassungsrecht 118 ff. 98 Holzinger, Die Verfassungsgerichtsbarkeit im demokratischen Rechtsstaat (2017) 14, verfügbar unter https://www.vfgh.gv.at/downloads/171001_Verfassungstag_Festrede_Holzin ger_final_fn.pdf (abgerufen am 6. 3. 2023). 99 Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland3, Band XII (2014) § 268 Rz. 1 ff.; Schuppert, Staatswissenschaft 798 m. w. N. 100 Kneip, Verfassungsgerichte in der Demokratie, in: Merkel (Hrsg.), Demokratie und Krise (2015) 407 ff.; von Steinsdorff, Verfassungsgerichte als Demokratieversicherung? Ursachen und Grenzen der wachsenden Bedeutung juristischer Politikkontrolle, in: Schrenk/ Soldner (Hrsg.), Analyse demokratischer Regierungssysteme (2010) 479. 101 Hassemer, ARSP Beiheft Nr. 93, 77 ff., 84 f., 91 f. 102 Vgl. etwa VfSlg 17.315/2004; 16.740/2002; 12.009/1989. 103 Hassemer, ARSP Beiheft Nr. 93, 91.

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Kap. 5: Rechtsprinzip, Rechtsregel und „policy“ – Grundbegriffe

Baugesetze der Bundesverfassung berührt.104 Dies wird insbesondere in der VfGHJudikatur zum rechtsstaatlichen Baugesetz sichtbar.105 Darüber hinaus zeigt sich auch im Lissabon-Urteil des Bundesverfassungsgerichts der Bundesrepublik Deutschland, dass die Verfassungsgerichtsbarkeit im deutschen Rechtsraum stets dann auf den Plan tritt, wenn politische Agenden des Gesetzgebers potentiell die Grundfesten einer Verfassung betreffen können.106 Zu beachten ist, dass der Entscheidung, ob ein politisches Ziel im öffentlichen Interesse liegt oder nicht, eine Abwägung bzw. Wertentscheidung zugrunde liegt, bei der schon naturgemäß gesamtgesellschaftliche Positionen berücksichtigt werden müssen.107 Es geht hier also nicht um die individuelle „Einzelfallgerechtigkeit“, sondern im Sinne von Dworkin um ein wirtschaftliches, politisches oder soziales Merkmal einer Gesellschaft.108 So kam der VfGH im Managergehältererkenntnis zu dem Schluss, dass es im öffentlichen Interesse ist, wenn sich durch eine steuerliche Regelung die Einkommensschere zwischen Führungskräften und anderen Dienstnehmern eines Unternehmens verringert.109 In VfSlg 12.940/1991 hat der VfGH entschieden, dass die Erfüllung von Unterhaltszahlungen den „Interessen der Allgemeinheit“ dient, wohingegen „[v]on einem öffentlichem Interesse an einer Beschränkung der Kinderzahl nicht die Rede sein kann“. Bei derartigen Entscheidungen geht es also schon vom Wesen der Sachverhalte her um gesamtgesellschaftliche, also politische Angelegenheiten.110 Um zu eruieren, ob ein kollektives Ziel auch tatsächlich der Allgemeinheit zugutekommt, müssen daher auch andere gesamtgesellschaftliche Werte und Gesichtspunkte berücksichtigt werden.111 In seiner Rolle als „Hüter der Verfassung“ zieht der VfGH daher bei Entscheidungen darüber, ob ein politisches Ziel im öffentlichen Interesse liegt oder nicht, auch die Bedürfnisse der Gesellschaft als Ganzes in seine Erwägungen mit ein. Zusammenfassend ist festzuhalten: Die Rolle des VfGHs als Hüter der Verfassung bringt es mit sich, dass sich der Gerichtshof zur Entscheidungsfindung auch auf das 104

Vgl. im Detail die Ausführungen und die angegebene Judikatur unter Hiesel, Die Rechtsstaatsjudikatur des Verfassungsgerichtshofs, ÖJZ 1999, 522 (522 ff.) sowie Hiesel, Die Entfaltung der Rechtsstaatsjudikatur des Verfassungsgerichtshofs, ÖJZ 2009, 111 (111 ff.) und Hiesel, Entwicklungen der Rechtsstaatsjudikatur des Verfassungsgerichtshofs, ÖJZ 2016, 205 (205 ff.); vgl. dazu auch Kapitel 9. 105 Vgl. schon die vorige Fn. 106 BVerfG 2 BvE 2/08; vgl. dazu auch die Ausführungen und zahlreichen Literaturnachweise in Bußjäger, Folgerungen aus dem Lissabonurteil des Bundesverfassungsgerichts, JBL 2010, 273 (273 ff.). 107 In diesem Sinne Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 762, 767; Alexy, Theorie der Grundrechte 98; vgl. auch Winkler, Die Prüfung von Verordnungen und Gesetzen durch den Verfassungsgerichtshof 244 m. w. N. 108 Heinold, Die Prinzipientheorie bei Ronald Dworkin und Robert Alexy 135. 109 Vgl. dazu im Detail Kapitel 7 D. IV. 5. 110 In diesem Sinne Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 762. 111 In diesem Sinne Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 762.

B. „policies“ als politische Ziele nach Dworkin

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Terrain der „policies“ nach Dworkin begibt. Die Rolle des österreichischen Verfassungsgerichtshofs erschöpft sich jedoch nicht in der eben erörterten Rolle eines „Hüters der Verfassung“. Darüber hinaus ist der Verfassungsgerichtshof nach Erkenntnissen der Politikwissenschaft nämlich noch ein eigenständiger Akteur im politischen System Österreichs.112 So hat in jüngster Zeit Ehs aus politikwissenschaftlicher Sicht detailreich dargestellt, dass der VfGH im politischen System Österreichs neben Regierung und Parlament ein eigenständiger politischer Akteur ist.113 Demnach verfolgt der VfGH bei seinen Entscheidungen „policies“,114 welche sich zwar an das Recht anlehnen, aber dennoch „eine wertorientierte und politische Zielrichtung“ aufweisen, „wodurch sie politische Inhalte definieren, befördern oder begrenzen“.115 In diesem Sinne hat auch Noll schon Ende der 1990er festgehalten, dass der VfGH in seiner „hochpolitischen Tätigkeit“ eine „Befrachtung der Verfassung“ mit außerrechtlichen „Werten“ und „Prinzipien“ vornimmt.116 Nach den Erkenntnissen der Politikwissenschaft stellt sich daher nicht die Frage, ob117 der VfGH Politik betreibt, sondern wie118 er innerhalb des österreichischen Staatssystems politisch agiert. Dabei ist jedoch fraglich, ob der VfGH als politischer Akteur mit seiner Judikatur nun einen der österreichischen Verfassung inhärenten Auftrag erfüllt oder ob er sich „selbstautorisiert“ und im Sinne von Noll zu einem neuen Souverän119 im Staat wird.120 Die abschließende Beantwortung dieser Frage würde den Rahmen dieser Arbeit jedoch sprengen.

IV. Zwischenfazit Zentral für die Zwecke dieser Arbeit ist Folgendes: Die in den Entscheidungen des VfGH bisweilen sichtbar werdende Argumentation aufgrund von gesellschaftspolitischen Positionen und Zielen, also „policies“ im Sinne von Dworkin, ergibt sich 112 Vgl. im Detail Ehs, OZP 2015, 15 ff., 17; vgl. dazu schon Noll, SWS Rundschau 1998,104 f.,108. 113 Vgl. im Detail Ehs, OZP 2015, 15 ff.; vgl. auch Wrase/Boulanger, Die Politik des Verfassungsrechts – Beiträge für ein Forschungsprogramm, in: Wrase/Boulanger (Hrsg.), Die Politik des Verfassungsrechts (2013) 10 ff. 114 Bei der Verwendung dieses Terminus wird in diesem Zusammenhang zwar nicht auf Dworkins policy-Verständnis verwiesen, es besteht jedoch eine Ähnlichkeit, da ebenfalls von gesellschaftspolitisch relevanten Positionen ausgegangen wird, vgl. dazu Wrase/Boulanger, in: Wrase/Boulanger 12 f. 115 Wrase/Boulanger, in: Wrase/Boulanger 12; Ehs, OZP 2015, 17. 116 Noll, SWS Rundschau 1998, 99, 104. 117 Hervorhebung durch den Verfasser. 118 Hervorhebung durch den Verfasser. 119 Noll, SWS Rundschau 1998, 110 f. 120 Ehs, OZP 2015, 22.

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Kap. 5: Rechtsprinzip, Rechtsregel und „policy“ – Grundbegriffe

zum einen aus seiner Funktion als „Hüter der Verfassung“ und zum anderen aus seiner Rolle als eigenständiger politischer Akteur. Daher ist es auch schlüssig, wenn der VfGH anderen Gerichten die Berufung auf „policies“ untersagt, der Gerichtshof selbst aber, aufgrund seiner speziellen und innerhalb des Staatssystems Österreichs einzigartigen Rollen, auf „policies“ zurückgreift.

C. Ergebnis und weitere Vorgehensweise I. Ergebnis Die Prinzipientheorie nach Dworkin und Alexy stellt das zentrale juristische Rüstzeug für die folgende Erforschung der finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien im Rahmen der österreichischen Rechtsordnung dar. Rechtsprinzipien sind abwägungsfähige Optimierungsgebote, welche mehr oder weniger erfüllt werden können. Demgegenüber sind Rechtsregeln Normen mit einer Alles-oderNichts-Natur, die nur entweder erfüllt oder nicht erfüllt werden können. „Policies“, beinhalten nach Dworkin kollektive politische Positionen, welche das Gemeinwohl fördern sollen. In Österreich argumentiert der VfGH bisweilen mit „policies“ im Sinne von Dworkin, was mit der speziellen und einzigartigen Funktion des Gerichtshofes innerhalb des österreichischen Staatswesens erklärt werden kann.

II. Weitere Vorgehensweise Bevor in Kapitel 7 mit der konkreten Untersuchung der finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien der OECD im Rahmen der österreichischen Rechtsordnung begonnen wird, bedarf es noch eines klärenden Zwischenschrittes. Im folgenden Kapitel wird daher das grundlegende Verhältnis der Konzepte der finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien und der Rechtsprinzipien bzw. „policies“ der Rechtstheorie erörtert. Dabei wird gezeigt, dass beide Konzepte grundsätzlich miteinander kompatibel sind.

Kapitel 6

Zwischenschritt: Besteuerungsprinzipien, „policies“ und Rechtsprinzipien A. Besteuerungsprinzipien als „policies“ Wie bereits unter Kapitel 4 A. erörtert, ist das Wesen von finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien an sich umstritten. Die unter Kapitel 4 C. erläuterten und für die weitere Untersuchung verwendeten OECD-Besteuerungsprinzipien lassen sich jedoch als „policies“ im Sinne von Dworkin definieren. Daher ist als erstes festzuhalten, dass die Besteuerungsprinzipien der OECD aufgrund ihrer Veröffentlichung im Rahmen des BEPS-Aktionspunkts 1, wie schon unter Kapitel 4 C. II. 2. erörtert, für sich allein keinesfalls einen verbindlichen Rechtscharakter haben und damit auch keine Rechtsnorm darstellen.1 Vielmehr sind die OECD-Besteuerungsprinzipien in der politischen Sphäre zu verorten. So betont die OECD an zahlreichen Stellen, dass es sich um „Prinzipien der Steuerpolitik“ bzw. steuerpolitische Erwägungen handelt.2 Auch aus den übrigen Ausführungen der OECD geht klar hervor, dass die Besteuerungsprinzipien der OECD, ganz ihrem finanzwissenschaftlichen Wesen nach, kollektive Güter und die Sicherung des Gemeinwohls innerhalb eines Staates zum Ziel haben.3 Diese Besteuerungsprinzipien zielen daher im Sinne von Dworkin auf wirtschaftliche, soziale oder politische Merkmale einer Gesellschaft ab. Bei den OECD-Besteuerungsprinzipien handelt es sich daher um „policies“ nach Dworkin, also um politische Ziele für Regierungen und Staaten.

1

Schaumburg, in: Schaumburg, Internationales Steuerrecht4 Rz. 5.18 m. w. N. OECD, Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft 31 ff., 34. 3 So ist das übergeordnete Ziel laut der OECD, den Einnahmenbedarf des Staates zu sichern, um öffentliche Güter zu gewährleisten, OECD, Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft 32. 2

110 Kap. 6: Zwischenschritt: Besteuerungsprinzipien, „policies“ und Rechtsprinzipien

B. Besteuerungsprinzipien als Rechtsprinzipien I. Von der „policy“ zum Rechtsprinzip Wie im vorangegangenen Abschnitt definiert, handelt es sich bei den OECDBesteuerungsprinzipien um politische Ziele. Zum Wesen einer rechtsstaatlichen Demokratie gehört es, dass verfassungskonforme politische Ziele in demokratisch legitimiertes Recht gerinnen können, also ein Bestandteil der Rechtsordnung werden.4 Demnach können sich finanzwissenschaftliche Besteuerungsprinzipien aus rechtstheoretischer Sicht auch potentiell zu Rechtsprinzipien wandeln. Nach der unter Kapitel 5 A. erläuterten Prinzipientheorie ist nämlich jede Rechtsnorm entweder ein Rechtsprinzip oder eine Rechtsregel. Nach der Natur von finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien wäre es auch schlüssig, wenn sich diese nationalökonomischen Wertungen aus rechtstheoretischer Sicht in Gestalt von Rechtsprinzipien wiederfinden würden. Denn wie den Rechtsprinzipien werden den finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien keine absolute, sondern eine relative Bedeutung und ein Abwägungscharakter zugesprochen.5 Inwiefern sich diese Besteuerungsprinzipien innerhalb der österreichischen Rechtsordnung tatsächlich als Rechtsprinzipien wiederfinden, wird sogleich in den Kapiteln 7 bis 14 geklärt werden.

II. Zur Reichweite von Besteuerungsprinzipien in Form von Rechtsprinzipien Unter Kapitel 5 A. wurde bereits erläutert, dass sich die Ansätze von Dworkin und Alexy in Bezug auf die Reichweite von Prinzipien unterscheiden. Dworkin geht davon aus, dass sich Rechtsprinzipien nur auf subjektive Rechte beziehen, wohingegen nach Alexy Prinzipien sowohl auf individuelle Rechte als auch auf kollektive Güter abzielen können. Die folgende Untersuchung wird Aufklärung darüber geben, welchem Ansatz zu folgen ist. Denn falls sichtbar wird, dass sich finanzwissenschaftliche Besteuerungsprinzipien innerhalb der österreichischen Rechtsordnung in Rechtsprinzipien widerspiegeln und sich diese Rechtsprinzipien auf kollektive Güter beziehen können, dann kann Alexys Ansatz als bestätigt angesehen werden. Zu beachten ist noch, dass die Unterscheidung zwischen Rechtsprinzip und „policy“ nicht durch die Annahme entwertet wird, dass Prinzipien sich auch auf kollektive Güter beziehen können. Denn auch wenn ein Rechtsprinzip kollektive bzw. öffentliche Positionen beinhaltet, gehört dieses Prinzip der juristischen Sphäre 4 In diesem Sinne Schmelz, ZVG 2017, 288 ff., 292 f., 296; vgl. schon die Ausführungen unter Kapitel 2 E. 5 Vgl. dazu schon Kapitel 4 A.

C. Ergebnis und weitere Vorgehensweise

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an.6 „Policies“ im Sinne von Dworkin hingegen haben zwar ebenfalls kollektive Güter zum Inhalt, gehören aber zur politischen und eben nicht zur rechtlichen Dimension. Diese Differenzierung macht daher die Erfassung von kollektiven Positionen in unterschiedlichen Wirkungskreisen deutlich: einerseits durch Prinzipien in der Rechtssphäre, andererseits durch „policies“ in der politischen Sphäre.

C. Ergebnis und weitere Vorgehensweise I. Ergebnis Die in dieser Arbeit herangezogenen finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien der OECD haben im Rahmen ihrer Veröffentlichung im BEPS-Aktionspunkt 1 die Form von „policies“ im Sinne von Dworkin. Finanzwissenschaftliche Besteuerungsprinzipien können jedoch auch potentiell als Rechtsprinzipien Bestandteil einer Rechtsordnung werden. Dies wäre auch schlüssig, da sowohl Rechtsprinzipien als auch Besteuerungsprinzipien ein relatives Wesen und einen Abwägungscharakter haben.7

II. Weitere Vorgehensweise In den folgenden Kapiteln 7 bis 14 wird nun im Detail untersucht, inwiefern sich jedes einzelne Besteuerungsprinzip der OECD in der österreichischen Rechtsordnung wiederfindet. Die Reihenfolge, in der diese Prinzipien untersucht werden, entspricht nicht etwa der ihnen vom Autor zugesprochenen Wichtigkeit, sondern hat methodische Gründe. So werden erst gegen Ende der Untersuchung jene Besteuerungsprinzipien behandelt, welche einen deutlichen Auslandsbezug aufweisen. Zu beachten ist, dass bei der in den Kapiteln 7 bis 14 untersuchten Judikatur bewusst weitestgehend nur Rechtsprechung des VfGH berücksichtigt wird. Die Erwägungen des Gerichtshofs bieten sich nämlich aufgrund seiner Funktion als „Hüter der Verfassung“ an, weil in dieser Arbeit allgemeine Aussagen über die Existenz von finanzwissenschaftlichen Wertungen innerhalb der österreichischen Rechtsordnung gewonnen werden sollen.

6 7

Vgl. dazu Alexy, Theorie der Grundrechte 21 ff., 98 f. Vgl. dazu schon Kapitel 4 A. und Kapitel 5 A.

Kapitel 7

Die Besteuerungsprinzipien der Gerechtigkeit und Effizienz A. Vorbemerkung Im Gegensatz zu den übrigen OECD-Besteuerungsprinzipien, welchen jeweils ein eigenes Kapitel gewidmet wird, werden das Prinzip der Gerechtigkeit und der Effizienz gemeinsam unter einem Kapitel behandelt. Die zu untersuchende relevante VfGH-Judikatur beider Prinzipien überschneidet sich nämlich stark, weshalb eine gemeinsame Behandlung im Sinne der Übersichtlichkeit der nachfolgenden Abhandlung ist. Besonderes Augenmerk wird in diesem Kapitel auf die Behandlung des Leistungsfähigkeitsprinzips gelegt, da in der rechtswissenschaftlichen Literatur in Österreich eine mangelhafte theoretische Aufarbeitung dieses Prinzips kritisiert wird.1

B. Das Besteuerungsprinzip der Gerechtigkeit I. Das OECD-Prinzip der Gerechtigkeit und seine finanzwissenschaftlichen Wurzeln 1. Das Gerechtigkeitsprinzip der OECD Nach Angaben der OECD ist „die Gerechtigkeit ein wichtiger Gesichtspunkt, den es in einem steuerpolitischen Rahmen zu beachten gilt“.2 Gerechtigkeit setzt sich nach den Ausführungen in Aktionspunkt 1 aus den Elementen der horizontalen und

1 Vgl. etwa Ehgartner, in: Kanduth-Kristen/Marschner/Peyerl/Ebner/Ehgartner (Hrsg.), Jakom EStG15 Kommentar (2022) § 2 Rz. 2; vgl. auch Gassner/Michael Lang, Die mangelnde Leistungsfähigkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips, ÖStZ 2000, 643 (643 ff.); Gassner/Michael Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht (2000) 33 ff., passim; die Grundgedanken des Kapitels 7 zu den Prinzipien der Gerechtigkeit und Effizienz wurden vom Verfasser in Sumper, ZfV 2020, 11 ff. entwickelt. 2 Die folgenden Angaben der OECD sind entnommen aus OECD, Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft 34.

B. Das Besteuerungsprinzip der Gerechtigkeit

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vertikalen Gerechtigkeit zusammen.3 Horizontale Gerechtigkeit bedeutet demnach, „dass Steuerpflichtige, die sich in der gleichen Situation befinden, auch die gleiche Steuerlast tragen sollten“. Unter vertikaler Gerechtigkeit versteht die OECD ein „normatives Konzept, dessen Definition sich unterscheiden kann, je nachdem wer es verwendet“. Dies könne etwa bedeuten, „dass besser situierte Steuerpflichtige im Verhältnis zu ihrem Einkommen einen größeren Teil der Steuerlast tragen sollten“. Die Interpretation von vertikaler Gerechtigkeit hängt laut der OECD davon ab, „inwieweit die Länder Einkommensunterschiede verringern möchten und ob dieses Prinzip auf das in einem bestimmten Zeitraum bezogene Einkommen oder auf das Lebenszeiteinkommen angewandt werden soll“. Derartige Gerechtigkeitsvorstellungen werden demnach „traditionell über die Gestaltung des Einkommensteuerund Transfersystems gewährleistet“. Gerechtigkeit beinhaltet laut der OECD auch die „Verteilungsgerechtigkeit zwischen verschiedenen Nationen“. Dieser komplexe Aspekt ist auf das internationale Steuerrecht bezogen und wird gesondert in Kapitel 14 behandelt. 2. Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Gerechtigkeitsideal in Finanz- und Steuerrechtswissenschaft Die Gerechtigkeitsidee der OECD deckt sich mit dem klassischen finanzwissenschaftlichen Gerechtigkeitsverständnis.4 So definieren etwa Musgrave/Musgrave/Kullmer die horizontale Gerechtigkeit als die Voraussetzung, dass Personen in gleichen Umständen gleich behandelt werden sollen und fordern, dass im Sinne der vertikalen Gerechtigkeit eine angemessene Unterscheidung zwischen Ungleichen vorliegen müsse.5 Aus diesen Gedanken hat die Finanzwissenschaft das Leistungsfähigkeitsprinzip entwickelt, wobei horizontale und vertikale Gerechtigkeit als „Subkategorien“ dieses Prinzips bezeichnet werden.6 Unter dem Leistungsfähigkeitsprinzip wird allgemein verstanden, dass alle Steuerpflichtigen entsprechend ihrer individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zur Erbringung des Steueraufkommens beitragen sollen.7 Die Steuerlast wird dabei anhand der unterschied3

OECD, Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft 34. Vgl. dazu für einen Überblick Burgers/Valderrama, Fairness: A Dire International Tax Standard with No Meaning?, Intertax 2017, 767 (769 m. w. N.). 5 Musgrave/Musgrave/Kullmer, Die öffentlichen Finanzen in Theorie und Praxis5, Band II (1993) 19 f.; vgl. auch Burgers/Valderrama, Intertax 2017, 769; Kaplow, Horizontal Equity: Measures in Search of a Principle, National Tax Journal 1989, 139 (140 m. w. N.). 6 Beiser, Steuern20 Rz. 6; Musgrave/Musgrave/Kullmer, Die öffentlichen Finanzen in Theorie und Praxis5 II 19 ff.; Sausgruber/Winner, Die Familie in den „drei Steuerwissenschaften“, in: Thöni/Winner (Hrsg.), Die Familie im Sozialstaat (1996) 249 f. m. w. N. (Veröffentlichung der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck); Beiser, Das Leistungsfähigkeitsprinzip – Irrweg oder Richtschnur?, ÖStZ 2000, 413 (413 ff.); Liebing, Beschränkte Einkommensteuerpflicht 99 m. w. N.; Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip 7 f. 7 Vgl. statt vieler Beiser, Steuern20 Rz. 6 ff. 4

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Kap. 7: Die Besteuerungsprinzipien der Gerechtigkeit und Effizienz

lichen Steuerkraft der Bürger aufgeteilt.8 Das Leistungsfähigkeitsprinzip verlangt von Personen in gleichen Situationen die gleichen Steuerbeträge zu zahlen, wohingegen Personen „in besseren wirtschaftlichen Ausgangslagen“ höher besteuert werden sollen.9 Individuen mit derselben Leistungsfähigkeit werden daher gleich besteuert, während Individuen mit differierender Leistungsfähigkeit unterschiedliche Steuerbeträge zu leisten haben.10 Horizontale Gerechtigkeit bedeutet aus dem Blickwinkel des Leistungsfähigkeitsprinzips die Forderung nach einer „gleichen Besteuerung Gleicher“.11 Zentral ist hierbei die Frage, wann bei verschiedenen Steuerpflichtigen eine gleiche wirtschaftliche Lage bzw. steuerliche Leistungsfähigkeit vorliegt.12 Die vertikale Gerechtigkeit behandelt die Aufteilung der Steuerlast bei unterschiedlicher Leistungsfähigkeit von Individuen.13 Eine Frage der vertikalen Gerechtigkeit ist insbesondere, welchen konkreten Steuertarif das Leistungsfähigkeitsprinzip verlangt.14 Wie die Leistungsfähigkeit am besten zu ermitteln ist, stellt seit jeher einen Streitgegenstand in der Literatur dar.15 Mehrheitlich wird in der Finanzwissenschaft das „am Markt durch erbrachte Leistungen erzielte Einkommen“ als ein adäquater und praktikabler Indikator der Leistungsfähigkeit angesehen.16 Die Steuerrechtswissenschaft hat das Leistungsfähigkeitsprinzip aus den Finanzwissenschaften übernommen und weitgehend als Maßstab für die Besteuerung des Einkommens anerkannt.17 Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist daher sowohl in der finanz- als auch rechtswissenschaftlichen Literatur eng mit Gerechtigkeitsüberlegungen zur Besteuerung – auch als „Steuergerechtigkeit“ bezeichnet – verknüpft.18 8

Vgl. etwa Fellner, Die Erbschaftsteuer als Ausdruck des Leistungsfähigkeitsprinzips, RdW 1994, 412 (412 m. w. N.). 9 Beiser, Steuern20 Rz. 6. 10 Liebing, Beschränkte Einkommensteuerpflicht 99. 11 Liebing, Beschränkte Einkommensteuerpflicht 99. 12 Liebing, Beschränkte Einkommensteuerpflicht 100. 13 Sausgruber/Winner, in: Thöni/Winner 249 f.; Liebing, Beschränkte Einkommensteuerpflicht 100 m. w. N. 14 Diese Frage noch wird in Kapitel 11 B. detailliert behandelt werden; vgl. für einen Überblick zu dieser Thematik die instruktiven Ausführungen in Liebing, Beschränkte Einkommensteuerpflicht 100. 15 Vgl. dazu im Detail Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip, 7 ff. m. w. N.; vgl. auch Liebing, Beschränkte Einkommensteuerpflicht 101. 16 Vgl. dazu etwa Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 22 ff.; Musgrave/Musgrave/Kullmer, Die öffentlichen Finanzen in Theorie und Praxis5 II 20 ff.; Beiser, Steuern20 Rz. 6 f.; Urnik/Fritz-Schmied, in: Bertl et. al., Handbuch der österreichischen Steuerlehre4 I 34; Liebing, Beschränkte Einkommensteuerpflicht 104 m. w. N. 17 Vgl. statt vieler Beiser, Steuern20 Rz. 6 sowie Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.40 ff. 18 Vgl. etwa Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip 7 ff. m. w. N.; Sturn, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Norm der Steuergerechtigkeit, in: Theurl/Winner/Sausgruber (Hrsg.), Kompendium der österreichischen Finanzpolitik (2002) 321 ff.; Musgrave/Musgrave/

B. Das Besteuerungsprinzip der Gerechtigkeit

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So werden auch, wie schon erwähnt, die beiden Unterkategorien des Leistungsfähigkeitsprinzips ausdrücklich als horizontale und vertikale Gerechtigkeit bezeichnet.19 Der einflussreiche Finanzwissenschaftler Neumark ordnet etwa seinen „Gerechtigkeitspostulaten“ die Grundsätze der Allgemeinheit, Gleichmäßigkeit und das „Prinzip der Besteuerung nach der persönlich-individuellen Leistungsfähigkeit zu“.20 Diese Postulate zielen laut Neumark auf eine „ethisch befriedigende“ Steuerverteilung ab.21 Auch nach dem Rechtswissenschaftler Joachim Lang ist das Leistungsfähigkeitsprinzip ein zentraler Aspekt der Steuergerechtigkeit.22 Hey bezeichnet das Leistungsfähigkeitsprinzip als weltweit „anerkanntes Fundamentalprinzip gerechter Besteuerung“.23 Es handelt sich daher nach Fellner um eine „ethische Regel, eine Regel der Solidarität, eine sozialstaatliche Regel“.24 Musgrave/ Musgrave/Kullmer bezeichnen das Leistungsfähigkeitsprinzip schließlich schlechthin als „Prinzip einer gerechten Besteuerung“.25 Der Ansatz einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit findet sich in verschiedenen Varianten bei einem Großteil moderner Steuersysteme wieder.26 Littmann hält dazu fest, dass das Prinzip, „jeden nach seiner Leistungsfähigkeit zu besteuern, die Abgabensysteme der europäischen Staaten geprägt und Markensteine der Finanzgeschichte gesetzt“ hat.27 Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist somit Teil der europäischen Verfassungstradition und in etlichen EU-Staaten wie etwa Spanien oder Italien auch verfassungsrechtlich ausdrücklich normiert.28 Das Leistungsfähigkeitsprinzip wird dabei als ein Ausdruck des Gerechtigkeitsverständnisses eines Staates in Bezug auf dessen Steuersystem verstanden.29 Kullmer, Die öffentlichen Finanzen in Theorie und Praxis5 II 19 ff.; Tipke, Steuergerechtigkeit in Theorie und Praxis (1981) 57 f. m. w. N.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.40 ff. 19 Vgl. grundlegend Musgrave/Musgrave/Kullmer, Die öffentlichen Finanzen in Theorie und Praxis5 II 19 ff. 20 Neumark, Grundsätze 45. 21 Neumark, Grundsätze 67. 22 Lang, Entwurf eines Steuergesetzbuchs Rz. 354. 23 Vgl. dazu die dortige Überschrift und Ausführungen von Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 B, Rz. 3.40 f. 24 Fellner, RdW 1994, 412. 25 Musgrave/MusgraveKullmer, Die öffentlichen Finanzen in Theorie und Praxis5 II 19. 26 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.41; Liebing, Beschränkte Einkommensteuerpflicht 98 f. 27 Littmann, Ein Valet dem Leistungsfähigkeitsprinzip, in: FS Neumark (1970) 113. 28 Tipke, Steuerrechtsordnung2 I 488 ff.; Lang, Entwurf eines Steuergesetzbuchs Rz. 355; Liebing, Beschränkte Einkommensteuerpflicht 98 ff. m. w. N.; vgl. dazu Art. 31 Abs. 1 der Verfassung des Königreichs Spanien von 1978 und Art. 53 der Verfassung der Republik Italien von 1947. 29 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.41; Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat 17 ff.; Vogel, Über „Besteuerungsrechte“ und über das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in: FS Klein (1994) 367; vgl. auch Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts (1964) 145 ff.

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Kap. 7: Die Besteuerungsprinzipien der Gerechtigkeit und Effizienz

Das Leistungsfähigkeitsprinzip stellt jedenfalls sowohl für Finanz- als auch für die Rechtswissenschaft einen gewichtigen Maßstab für die Steuergerechtigkeit dar, der jedoch immer auf eine nähere gesetzgeberische Ausgestaltung „hin angelegt und angewiesen ist“.30 Wie stark und in welcher Form die unterschiedlichen Aspekte des Leistungsfähigkeitsprinzips innerhalb einer Rechtsordnung ausgeprägt sind, ist von den Wertentscheidungen des Gesetzgebers beeinflusst.31 Der Gerechtigkeitsansatz der OECD findet sich also in den finanzwissenschaftlichen Überlegungen zur horizontalen und vertikalen Gerechtigkeit wieder, welche sich in weiterer Folge im Leistungsfähigkeitsprinzip niederschlagen. Das Prinzip der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit hat wiederum in der Mehrheit der modernen Steuersysteme Einzug gehalten. Auf die Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips im österreichischen Steuerrecht wird im folgenden Abschnitt eingegangen.

II. Das Leistungsfähigkeitsprinzip im österreichischen Steuerrecht 1. Vorbemerkung Das Leistungsfähigkeitsprinzip wird im österreichischen steuerrechtlichen Schrifttum auf mannigfaltige Art und Weise rezipiert.32 Die Stimmen dazu reichen von Zustimmung über Kritik bis hin zu offener Ablehnung. Konezny verortet zwei große Strömungen innerhalb dieser Meinungsvielfalt: Vertreter der ersten Auffassung sehen das Leistungsfähigkeitsprinzip als ein sogenanntes „Ordnungsprinzip“, welches zur Auslegung und Weiterentwicklung des Ertragsteuerrechts dient. Demgegenüber steht die Gegenposition, wonach das Leistungsfähigkeitsprinzip einen Irrweg darstellt und weder für die Rechtsanwendung noch für Steuerreformdiskussionen einen sinnvollen Beitrag leisten kann.33 Die nachfolgende Darstellung wird überblicksartig die herrschenden Auffassungen sowie die prominentesten Kritikpunkte am Leistungsfähigkeitsprinzip in Österreich erläutern.

30 Liebing, Beschränkte Einkommensteuerpflicht 104; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.41 f.; Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht22 Rz. 35. 31 Liebing, Beschränkte Einkommensteuerpflicht 104 f. 32 Ehgartner, in: Kanduth-Kristen et. al., Jakom EStG15 § 2 Rz. 2; vgl. auch Konezny, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab für die Bewertung von Passivposten?, SWK 2001, 579 (579). Zu beachten ist, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip im Rahmen dieser Arbeit aus dem Blickwinkel der Ertragsteuern behandelt wird. Für die Betrachtung des Leistungsfähigkeitsprinzips aus der Perspektive der Umsatzsteuer vgl. etwa Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 201 sowie Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 17 Rz. 17.13 ff. 33 Konezny, SWK 2001, 579.

B. Das Besteuerungsprinzip der Gerechtigkeit

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2. Das Leistungsfähigkeitsprinzip und seine „Subprinzipien“ nach der herrschenden Lehre Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist nach herrschender Lehre ein prägender Bestandteil der österreichischen Einkommensteuer.34 So wird das Abstellen auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit auch als ein „Wesensprinzip“35 oder „Fundamentalprinzip“36 der Einkommensbesteuerung bezeichnet, ohne diese Einordnung jedoch genauer zu definieren. Zudem zieht der VfGH dieses Prinzip zur Prüfung von einkommensteuerrechtlichen Normen auf deren Verfassungskonformität heran.37 Dabei darf nach ständiger Rechtsprechung des Höchstgerichts vom Leistungsfähigkeitsprinzip aufgrund einer sachlichen Rechtfertigung abgewichen werden.38 Nach dem Standardwerk „Doralt/Ruppe, Grundriss des Österreichischen Steuerrechts12, Band I“ werden in Österreich aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip mehrere „Unterprinzipien“ abgeleitet, welche nachfolgend in geraffter Form erläutert werden: die persönliche Universalität, die sachliche Universalität, das objektive und subjektive Nettoprinzip sowie die Abschnittsbesteuerung und die Progression des Steuertarifs.39 Diese Subprinzipien statten das Leistungsfähigkeitsprinzip nach der herrschenden Lehre mit einem konkreten Inhalt aus.40 Nach der persönlichen Universalität hat jede natürliche Person die Einkommensteuer zu entrichten, wenn sie über Einkommen verfügt. Unzulässig wäre es daher, das Einkommen bei einer Person zu besteuern und eine andere Person willkürlich von der Steuerpflicht auszunehmen.41 Individuelle Steuerbefreiungen sind daher nicht möglich.42 Nach der sachlichen Universalität ist ein umfassender Einkommensbegriff gefordert, durch den das gesamte erworbene Einkommen des Steuerpflichtigen be34 Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 51; Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 22, vgl. auch Rz. 15. 35 Beiser, Steuern20 Rz. 8 m. w. N.; Beiser, ÖStZ 2000, 413. 36 Fritz-Schmied/Urnik, Sonderausgaben (noch) gerechtfertigt?, ÖStZ 1999, 479 (479 ff.); Fellner, Neue Entwicklungen im Bewertungs- sowie Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht, taxlex 2006, 375 (375 ff.). 37 VfSlg 12.941/1999; 16.026/2000; 18.031/2006; Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 51; vgl. auch Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 22; vgl. auch VwGH 8. 10. 1998, 97/15/0073. 38 VfSlg 12.941/1999; 16.026/2000; 18.031/2006; vgl. auch Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 22; vgl. auch VwGH 8. 10. 1998, 97/15/0073. 39 Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 22 ff.; vgl. auch EhrkeRabel, elements Steuerrecht4 51 ff.; Beiser, ÖStZ 2000, 414 ff. 40 Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 22 ff.; Beiser, Steu20 ern Rz. 8 ff. m. w. N.; vgl. auch Kühbacher, Das Leistungsfähigkeitsprinzip auf nationaler und gemeinschaftsrechtlicher Ebene, RdW 2009, 150 (150 ff.); Beiser, ÖStZ 2000, 414 ff. 41 Beiser, Steuern20 Rz. 9. 42 Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 23.

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Kap. 7: Die Besteuerungsprinzipien der Gerechtigkeit und Effizienz

steuert wird.43 Darüber hinaus muss dieses Einkommen auch vollständig erfasst und gleichmäßig ermittelt werden. Grundsätzlich ist es somit nicht möglich, bestimmte Teile des Einkommens „herauszubrechen“ und bei der Besteuerung nicht zu berücksichtigen.44 Das österreichische Einkommensteuergesetz (EStG)45 besteuert nur das am Markt durch unternehmerische Tätigkeit, selbständige oder unselbständige Arbeit, Kapitalanlagen sowie durch Veräußerung von Kapitalvermögen und Grundstücken erzielte Einkommen.46 Nicht relevant sind der Nutzwert von Konsumgütern und – bis auf Ausnahmen im Bereich von Kapitalvermögen und Grundstücken – die Wertschöpfung im Privatbereich.47 Das objektive Nettoprinzip fordert, dass Aufwendungen für die Erzielung des Einkommens aus der Steuerbemessungsgrundlage auszuscheiden sind. Daraus resultiert auch die grundsätzliche Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben und Werbungskosten. Das objektive Nettoprinzip ist jedoch in Österreich nicht vollständig verwirklicht. So wird sowohl bei Kapitalerträgen als auch bei Gewinnen aus der Veräußerung von Immobilien im Privatbereich die Einkommensteuer grundsätzlich auf den Bruttobetrag ohne Abzug von Aufwendungen erhoben.48 Nach dem subjektiven Nettoprinzip soll das Existenzminimum nicht der Einkommensteuer unterliegen.49 Angesprochen ist hier jener Betrag, den der einzelne Steuerpflichtige jedenfalls zur Abdeckung der grundlegenden Lebensbedürfnisse benötigt. Das subjektive Nettoprinzip berücksichtigt demnach unvermeidbare Aufwendungen aus der Privatsphäre wie etwa Unterhaltsleistungen, Krankheitskosten, Katastrophenschäden und Aufwendungen für den eigenen Lebensunterhalt.50 Soweit das Einkommen also zur Sicherung des persönlichen bzw. familiären Existenzminimums notwendig ist, muss dieses Einkommen dem Steuerzugriff entzogen sein.51 Das EStG berücksichtigt diese Gedanken primär durch Absetzbeträge und der Geltendmachung von außergewöhnlichen Belastungen.52 Nach der Abschnittsbesteuerung wird nicht das Lebenseinkommen der Einkommensteuer unterworfen, sondern jenes Einkommen, das ein Steuerpflichtiger in einem Kalenderjahr erwirbt.53 Dabei sollen „alle Erlöse aus der Einkünfteerzielung

43

Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 24. Beiser, Steuern20 Rz. 10. 45 Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988, BGBl 400/1988 i. d. F. BGBl I 174/2022. 46 Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 24. 47 Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 24. 48 Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 52. 49 Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 52. 50 Beiser, Steuern20 Rz. 12. 51 Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 26. 52 Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 26. 53 Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 27.

44

B. Das Besteuerungsprinzip der Gerechtigkeit

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[…] ebenso exakt einmal erfasst werden wie alle Aufwendungen zur Einkunftserzielung“.54 Die österreichische Einkommensteuer beinhaltet schließlich einen progressiven Tarif.55 Die herrschende Lehre rechtfertigt den progressiven Tarifverlauf mit der Zielsetzung einer gleichmäßigen Verteilung der Steuerbelastung „im Sinne einer gleichen Nutzeneinbuße“.56 Der Steuersatz steigt somit bei steigendem Einkommen überproportional.57 Es bestehen Grenzsteuersätze von 20 %, 30 %, 40 %, 48 % und 50 %, wobei für die ersten EUR 11.693 keine Einkommensteuer anfällt.58 Der höchstmögliche Steuertarif beträgt 55 % ab Einkommensteilen über EUR 1 Million.59 Aus der sachlichen Universalität und dem objektiven Nettoprinzip folgt, dass die österreichische Einkommensteuer eine weitgehend synthetische Steuer ist.60 Demnach werden sämtliche Einkünfte, die ein Steuerpflichtiger aus verschiedenen Quellen bezieht, nach gemeinsamen Grundsätzen besteuert. Diese Synthetik ist jedoch bei den Einkünften aus Kapitalerträgen und bei der Veräußerung von Immobilien großteils durchbrochen. Derartige Einkünfte werden im Rahmen der sogenannten Schedulenbesteuerung mit einem eigenen fixen Steuersatz und nach eigenen Besteuerungsregeln isoliert von den übrigen erworbenen Einkünften besteuert.61 3. Rechtsgrundlage des Leistungsfähigkeitsprinzips Im Gegensatz zu anderen europäischen Rechtsordnungen ist das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht ausdrücklich im positiven Recht des österreichischen Rechtssystems normiert.62 Der Mangel einer eindeutigen Rechtsgrundlage wurde daher im Schrifttum an verschiedener Stelle kritisiert.63

54

Beiser, Steuern20 Rz. 13. §§ 33 ff. EStG. 56 Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 28; vgl. auch Beiser, Steuern20 Rz. 15; vgl. zu dieser Thematik im Detail Kapitel 11 B. II. 57 Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 53. 58 § 33 Abs. 1 EStG; vgl. auch Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 53. 59 Dieser Tarif ist befristet bis 2025 anzuwenden; vgl. § 33 Abs. 1 EStG. 60 Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 52; vgl. auch Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/ Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 24. 61 Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 52; Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 24. 62 Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip 34; Zorn, VfGH prüfte bisherige Liebhabereipraxis, SWK 1995, 417 (419 f.); Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 51; Werndl, Wie leistungsfähig ist das Leistungsfähigkeitsprinzip im Steuerrecht, in: FS Schäfer 2006, 954 m. w. N.; Konezny, SWK 2001, 579; Gassner/Lang, ÖStZ 2000, 643 ff. 63 Ehgartner, in: Kanduth-Kristen et. al., Jakom EStG15 § 2 Rz. 2 m. w. N.; Gassner/Lang, ÖStZ 2000, 643 ff.; Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip 60. 55

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Kap. 7: Die Besteuerungsprinzipien der Gerechtigkeit und Effizienz

Ein Teil der Literatur sieht das Leistungsfähigkeitsprinzip unmittelbar in der positivrechtlichen Regelung des Gleichheitssatzes nach Art. 7 Abs. 1 B-VG verankert.64 So genießt die „Besteuerung nach der subjektiven Leistungsfähigkeit“ laut Kühbacher auch Verfassungsrang.65 In der herrschenden Lehre wird hingegen unter Berufung auf Judikatur des VfGH festgehalten, dass „die Besteuerung nach der persönlichen Leistungsfähigkeit in Österreich keinen Verfassungsrang“ hat.66 Für Zorn ergibt sich das Leistungsfähigkeitsprinzip, dessen Berücksichtigung er als „unbestritten und allgemein anerkannt“ annimmt, schon aus den „Grundsätzen des EStG“.67 Dieser Ansicht ist offenbar auch der VfGH. So hält das Höchstgericht in VfSlg 19.933/2014 fest, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip es gebietet, „die zur Erzielung des Einkommens aufgewendeten Aufwendungen von der Bemessungsgrundlage abzuziehen (sog. objektives Nettoprinzip)“. Anschließend erklärt der VfGH, dass dieses objektive Nettoprinzip, welches ein Bestandteil des Leistungsfähigkeitsprinzips ist, „der einfachgesetzlichen Ausgestaltung im Ertragsteuerrecht“ zugrunde liegt.68 Zudem hat der VfGH festgehalten, dass dem einfachgesetzlichen „Einkommensteuerrecht“ vom Konzept her das Leistungsfähigkeitsprinzip zugrunde liegt.69 Der VwGH leitet die Existenz des Leistungsfähigkeitsprinzips aus dem ebenfalls einfachgesetzlichen Einkommensbegriff des EStG ab.70 Brezina/Zamani fassen in diesem Sinne zusammen, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip vom Schrifttum „vorwiegend als Gesamtprinzip des Einkommensteuerrechts aus dem EStG“ selbst, also aus einfachgesetzlichen Regelungen abgeleitet wird.71 Nach diesem Verständnis wird das Leistungsfähigkeitsprinzip als eine „Wertentscheidung des einfachen Gesetzgebers“ angesehen, welches ein sogenanntes „Ordnungsprinzip“ im Rahmen der „Ordnungssystem“-Rechtsprechung des VfGH darstellt.72 Diese Einstufung als „Ordnungsprinzip“ schlägt den Bogen zur Behandlung des nächsten Themenbereichs.

64

In diesem Sinne Pöschl, Gleichheit vor dem Gesetz (2008) 597 ff. und die dortige Fn. 179; Kühbacher, RdW 2009, 150 f.; wohl auch Beiser, ÖStZ 2000, 413 ff.; vgl. dazu die Darstellung in Brezina/Zamani, Periodenübergreifende Verlustverwertung bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, taxlex 2015, 279 (279 m. w. N.). 65 Kühbacher, RdW 2009, 150 (150 ff.). 66 Kirchmayr, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 15 m. w. N. 67 Zorn, SWK 1995, 419 f. 68 VfSlg 19.933/2014; vgl. auch VfSlg 8457/1978; 18.783/2009; 19.615/2012. In der jüngsten Judikatur des VfGH könnten auch Tendenzen in Richtung einer verfassungsrechtlichen Fundierung des Leistungsfähigkeitsprinzips gesehen werden, VfGH 17. 6. 2021, G223/ 2020 – 8. Aufgrund der Vielzahl von Auffassungen in Literatur, Lehre und Judikatur wird der Rechtsgeltung und rechtstheoretischen Aufarbeitung des Leistungsfähigkeitsprinzips ein eigener Abschnitt unter Kapitel 7 D. und E. gewidmet. 69 VfSlg 18.783/2009. 70 VwGH 19. 2. 1991, 87/14/0136; Zorn, SWK 1995, 419 f.; Kühbacher, RdW 2009, 150. 71 Brezina/Zamani, taxlex 2015, 281. 72 Brezina/Zamani, taxlex 2015, 281.

B. Das Besteuerungsprinzip der Gerechtigkeit

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4. Das Leistungsfähigkeitsprinzip als „Ordnungsprinzip“ Das Leistungsfähigkeitsprinzip wird vom VfGH zur Lösung von verschiedenen steuerrechtlichen Fallkonstellationen herangezogen.73 Nach jüngerer Judikatur des Höchstgerichts bedarf es auch einer sachlichen Rechtfertigung, wenn in einem Teilbereich vom Leistungsfähigkeitsprinzip abgewichen wird.74 Daher wird das Leistungsfähigkeitsprinzip in der Literatur von einer Vielzahl an Autoren ausdrücklich als ein „Ordnungsprinzip“ bzw. „Ordnungssystem“ im Sinne der „Ordnungssystem-Judikatur“75 des VfGH eingeordnet.76 Die Bedeutung eines solchen Ordnungssystems wird in der Literatur folgendermaßen beschrieben: Es steht dem Gesetzgeber frei, ein mit dem Gleichheitssatz des Art. 7 B-VG übereinstimmendes System zu schaffen – möchte der Gesetzgeber von einem derartigen System jedoch abweichen, bedarf dies einer sachlichen Rechtfertigung.77 Laut Korinek heißt diese Aussage positiv formuliert, „dass der Gesetzgeber an ein gewähltes Ordnungssystem gebunden ist, wenn er für eine nichtsystematische Regelung keine sachlich rechtfertigenden Gründe vorzuweisen vermag“.78 Nach Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer kann der Gesetzgeber somit ein von ihm geschaffenes Ordnungssystem verlassen, „indem er einzelne Tatbestände auf eine nicht systemkonforme Art regelt – dies muss sachlich begründet sein und damit dem Gleichheitssatz entsprechen“.79 Gemäß Beiser werden im Sinne dieser Judikatur vom Gesetzgeber selbst ausgewählte Ordnungsprinzipien zu einem „Vergleichsmaßstab“ bzw. zur „Generallinie“, von denen eine Abweichung nur unter einer 73 Vgl. die Judikatur unter Ehgartner, in: Kanduth-Kristen et. al., Jakom EStG15 § 2 Rz. 2 m. w. N. 74 Vgl. etwa VfSlg 18.031/2006; 16.026/2000; 14.992/1997; 14.071/1995; Kirchmayr/ Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 22 m. w. N. 75 Vgl. dazu etwa VfSlg 11.368/1987; 12.940/1991; 14.723/1997; 14.992/1997 m. w. N.; 15.040/1997; 16.026/2000; 16.226/2001; 18.031/2006; vgl. auch VwGH 15. 7. 1998, 93/13/ 0205; 8. 10. 1998, 97/15/0073; 27. 5. 1999, 98/15/0100; vgl. dazu auch Urtz, Das neue Zwangsstrafverfahren nach § 283 UGB, ZFR 2011, 222 (232); Beiser, Steuern20 Rz. 7; Kühbacher, RdW 2009, 150; Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip 38 ff. m. w. N., 58 ff. m. w. N. 76 Vgl. dazu etwa Ruppe, Die Leistungsfähigkeit des Steuerrechts – Die österreichische Perspektive, StuW 2011, 372 (376 m. w. N.); Beiser, Steuern20 Rz. 7; Zorn, SWK 1995, 419; Akyürek/Urtz, Wie könnte eine Widmungsabgabe aussehen?, ÖStZ 2012, 71 (71 ff.); Urtz, ZFR 2011, 232; vgl. auch die Darstellung von Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip 38 ff. und 58 ff.; vgl. auch Schaunig/Varro, GEsRZ 2015, 234 m. w. N.; Kühbacher, RdW 2009, 150; Kotschnigg, Drohverlustrückstellungen für Verwertungsverluste aus Leasinggeschäften eine erste Zusammenfassung, SWK 2002, 425 (428); Molterer, Sinn und Unsinn der Pendlerförderung im Lichte des Leistungsfähigkeitsprinzips, ÖStZ 2014, 478 (478 m. w. N.); Stoll, Verluste und Verlustquellen im Steuerrecht (1989) 131 ff. 77 Akyürek/Urtz, ÖStZ 2012, 71 ff. m. w. N.; Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11 Rz. 1359 f.; vgl. auch schon die übrige Literatur unter der vorigen Fn. 78 Korinek, Gedanken zur Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitsgrundsatz nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, in: FS Melichar (1983) 49. 79 Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11 Rz. 1359 f. m. w. N.

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Kap. 7: Die Besteuerungsprinzipien der Gerechtigkeit und Effizienz

Rechtfertigung zulässig ist.80 Beiser fasst zusammen, dass „Sinn und Zweck der Ausnahmeregelung“ am „Sinn und Zweck der Generallinie nachzumessen“ sind.81 Nach dieser Deutung stellt somit auch das Leistungsfähigkeitsprinzip ein Ordnungssystem für die Einkommensteuer dar, von dem nur unter einer sachlichen Rechtfertigung abgewichen werden darf.82 Der Gesetzgeber ist demnach zu keiner „reinen“ Verwirklichung des Leistungsfähigkeitsprinzips verpflichtet, sondern darf sachliche Ausnahmen davon zu Gunsten von verschiedenen außerfiskalischen Interessen oder Lenkungszielen vorsehen.83 Auf diesen Aspekt wird noch detailliert unter Kapitel 11 C. V. 4. eingegangen werden. Auch Beiser gesteht zu, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip als Ordnungsprinzip im Einkommensteuerrecht zahlreiche Durchbrechungen erfährt, jedoch ändert dies nach seiner Sicht nichts daran, dass dieses Prinzip dennoch einen leitenden Gedanken für das EStG darstellt.84 5. Das Leistungsfähigkeitsprinzip als „Irrweg“85 nach Gassner/Michael Lang Gassner/Michael Lang haben sich in einem vielbeachteten Gutachten86 ausführlich mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip beschäftigt. Einführend wird bemängelt, dass in Österreich eine „dogmatische Aufarbeitung“ des Leistungsfähigkeitsprinzips kaum stattgefunden hat und dennoch sowohl Literatur als auch Rechtsprechung sich bei der „Begründung von Auslegungsergebnissen“ regelmäßig auf genau dieses Prinzip berufen.87 In ihren Ausführungen kritisieren die Gutachter die schon erwähnte, von zahlreichen Autoren vorgenommene, Einstufung des Leistungsfähigkeitsprinzips als Ordnungsprinzip.88 Dabei wird von Gassner/Michael Lang vor allem bemängelt, dass sich die Frage nach dem Inhalt dieses postulierten Ordnungsprinzips nicht befriedigend beantworten lässt.89 Denn, „die aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip in 80

Beiser, Steuern20 Rz. 7. Beiser, ÖStZ 2000, 413 m. w. N. 82 Akyürek/Urtz, ÖStZ 2012, 71. 83 Kühbacher, RdW 2009, 150 m. w. N.; Gassner, Der Gleichheitssatz im Abgabenrecht, ÖBW 1969, 191 (196 ff.). 84 Beiser, Systembrüche als Ordnungsprinzip?, FJ 1996, 147 (147); vgl. dazu auch Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip 60. 85 Beiser, ÖStZ 2000, 413; auch Konezny sieht das Leistungsfähigkeitsprinzip sehr kritisch, Konezny, SWK 2001, 579; vgl. auch Werndl, in: FS Schäffer 945 ff. 86 Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht (2000). 87 Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip 34. 88 Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip 60 ff. 89 Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip 60, 59. 81

B. Das Besteuerungsprinzip der Gerechtigkeit

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der Rechtsprechung abgeleiteten Anforderungen werden – sofern ihnen vom Gesetz überhaupt Rechnung getragen wird – nämlich kaum vollständig erfüllt“.90 Nach Gassner/Michael Lang sind somit, etliche „Unterprinzipien“ des Leistungsfähigkeitsprinzips wie die sachliche Universalität, das objektive Nettoprinzip, das subjektive Nettoprinzip, die Synthetik der Besteuerung und der progressive Tarif nicht „zur Gänze“ bzw. „lupenrein“ verwirklicht.91 „Will man das Leistungsfähigkeitsprinzip als Ordnungsprinzip betrachten, muss man unterstellen, dass der Gesetzgeber das EStG anhand dieser Prinzipien ausgestaltet hat.“, halten die Gutachter fest.92 Aufgrund der vielen konstatierten Durchbrechungen des Leistungsfähigkeitsprinzips innerhalb des Einkommensteuergesetzes, ist somit der Inhalt dieses Prinzips für die Gutachter nicht befriedigend zu identifizieren.93 Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist laut Gassner/Michael Lang auch deshalb kein Ordnungsprinzip, da ein solches „nicht aus rechtspolitischen Vorstellungen, die dem Interpreten vernünftig erscheinen“, abgeleitet werden kann, sondern lediglich aus dem positiven Recht.94 In dieselbe Kerbe schlägt Konezny, der die Anwendung des Leistungsfähigkeitsprinzips als „verführerisch und gefährlich zugleich“ ansieht sowie dieses als „bestens dafür geeignet“ hält, ein willkürliches „Wunschergebnis“ bei der Interpretation zu erhalten.95 Auch Werndl bezweifelt, ob das Leistungsfähigkeitsprinzip tatsächlich als eine „systemtragende Generallinie“ für das EStG gesehen werden kann.96 Werndl attestiert dabei Beiser, der als Befürworter der „Ordnungsprinzip-Einstufung“ weitreichende Forderungen97 aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip ableitet, mangelnden Mut für die aus dieser Qualifikation notwendig zu ziehenden Schlüsse.98 Eine konsequente Folge der Einordnung als Ordnungssystem wäre nach Werndl nämlich, dass sämtliche von Beiser verorteten Verstöße gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip „als Abweichung von der ,Generallinie‘ entweder einer besonderen sachlichen Begründung bedürfen oder schlichtweg verfassungswidrig, weil dem Gleichheitsgrundsatz widersprechend, sind“.99 Gassner/Michael Lang kommen darüber hinaus zu dem Schluss, dass die Ableitung des Leistungsfähigkeitsprinzips aus den Grundsätzen des Einkommensteuergesetzes dazu führt, dass Verstöße gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip keine Verstöße gegen dieses Prinzip sind, sondern eben lediglich Verstöße gegen einzelne 90

Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip 59. Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip 59 f. m. w. N. 92 Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip 60. 93 Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip 60. 94 Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip 60. 95 Konezny, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab für die Bewertung von Passivposten?, SWK 2001, 584. 96 Werndl, in: FS Schäffer 958. 97 Beiser, ÖStZ 2000, 414 ff. 98 Werndl, in: FS Schäffer 958. 99 Werndl, in: FS Schäffer 958. 91

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Kap. 7: Die Besteuerungsprinzipien der Gerechtigkeit und Effizienz

Vorschriften des EStG selbst. Damit sei eine Argumentation mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip überflüssig.100 Nach dem Ergebnis von Gassner/Michael Lang ist das Leistungsfähigkeitsprinzip lediglich ein Ausfluss vager Gerechtigkeitsvorstellungen.101 Demnach sei auch der Rückgriff auf das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht nur überflüssig, sondern gar schädlich, denn dadurch werden die „wahren systematischen, verfassungsrechtlichen oder rechtspolitischen Argumente, die für eine bestimmte Lösung sprechen, verdeckt“.102 Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist nach dieser Sicht daher sowohl für die Auslegung des geltenden Rechts als auch für zukünftige Reformdiskussionen wertlos.103 Für Gassner/Michael Lang stellt das Leistungsfähigkeitsprinzip somit einen „Irrweg“ in der bisherigen Rechtsprechung und Lehre dar.104 6. Zwischenfazit und weitere Vorgehensweise a) Zwischenfazit Das finanzwissenschaftliche OECD-Besteuerungsprinzip der Gerechtigkeit findet sich in Österreich im Leistungsfähigkeitsprinzip wieder. Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist in der österreichischen Steuerrechtswissenschaft sowohl hinsichtlich dessen Rechtsgrundlage als auch bezüglich seines konkreten Inhaltes umstritten.105 Das Leistungsfähigkeitsprinzip wird jedoch trotz aller Meinungsunterschiede sowohl im Schrifttum als auch von der Judikatur regelmäßig zur Interpretation und Begründung von Auslegungsergebnissen steuerrechtlicher Vorschriften herangezogen.106 Auffällig ist, dass sich in Österreich, soweit zu sehen, noch niemand mit der rechtstheoretischen Natur des Leistungsfähigkeitsprinzips auseinandergesetzt hat. So betont auch Laudacher, dass es in Hinblick auf das Leistungsfähigkeitsprinzip einer stärkeren theoretischen Durchdringung bedarf.107 Diesem Thema widmet sich der Kapitel 7 E. und wird einen klärenden Beitrag zur anhaltenden Diskussion um dieses Prinzip liefern.

100

Gassner/Lang, ÖStZ 2000, 643. Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip 121, passim; Beiser, ÖStZ 2000, 413. 102 Gassner/Lang, ÖStZ 2000, 643. 103 Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip 121; Gassner/Lang, ÖStZ 2000, 643. 104 Gassner/Lang, ÖStZ 2000, 643; Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip 121, passim; Beiser, ÖStZ 2000, 413. 105 Vgl. dazu instruktiv Konezny, SWK 1998, 579. 106 Vgl. etwa VfSlg 12.941/1999; 16.026/2000; 18.031/2006; Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 22 m. w. N.; Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 51 ff.; Ehgartner, in: Kanduth-Kristen et. al., Jakom EStG15 § 2 Rz. 2 f. m. w. N.; Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip 33 ff. 107 Ehgartner, in: Kanduth-Kristen et. al., Jakom EStG15 § 2 Rz. 2; vgl. auch Gassner/ Lang, ÖStZ 2000, 643; Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip 33 ff., passim. 101

C. Das OECD-Besteuerungsprinzip der Effizienz

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b) Weitere Vorgehensweise Nachdem geklärt wurde, dass sich das OECD-Besteuerungsprinzip der Gerechtigkeit im Leistungsfähigkeitsprinzip wiederfindet, widmet sich der folgende Abschnitt einem weiteren OECD-Prinzip: der Effizienz. In weiterer Folge werden somit der Inhalt dieses Besteuerungsprinzips sowie sein Niederschlag in der österreichischen Rechtsordnung erörtert.

C. Das OECD-Besteuerungsprinzip der Effizienz I. Ausdifferenzierung des Besteuerungsprinzips der Effizienz 1. Die drei finanzwissenschaftlichen Effizienzaspekte Das Besteuerungsprinzip der Effizienz lautet gemäß der OECD: „Die Befolgungskosten für die Unternehmen und die Verwaltungskosten für den Staat sollten auf ein Mindestmaß reduziert werden.“108 Trotz dieser äußerst knappen Ausführungen der OECD wird nachfolgend sichtbar, dass dieses Prinzip der Effizienz mehrere Elemente beinhaltet. Diese drei Teilbereiche werden in einem ersten Schritt aus finanzwissenschaftlicher Perspektive ausdifferenziert. Effizienz bedeutet zunächst allgemein „das Verhältnis von Input zu Output“ und das Verhältnis von Kosten zu Aufwand bzw. zu Leistung und Erfolg.109 Effizientes Handeln wird in den Wirtschaftswissenschaften somit auch als „richtig“ bzw. „geeignet, ein bestimmtes, ökonomisch geprägtes Ziel zu erreichen“ verstanden.110 Effizienz ist dabei immer mit Blick auf das zu erreichende Ziel zu beurteilen.111 Im hier behandelten Kontext der OECD-Besteuerungsprinzipien ist das Ziel, welches möglichst effizient erreicht werden soll, die Sicherung und Lukrierung des Steuerertrages im Steuerstaat.112

108

OECD, Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft 33. Kroneder-Partisch, in: Korinek et. al., Österreichisches Bundesverfassungsrecht (4. Lfg., 2001) Art. 126b Rz. 34 f.; Raschauer, Der Effizienzgrundsatz im Abgaben- und Verwaltungsverfahren, in: Holoubek/Michael Lang (Hrsg.), Allgemeine Grundsätze des Verwaltungs- und Abgabenverfahrens (2006) 97; siehe auch Lachmayer, Effizienz als Verfassungsprinzip? – eine Maxime für staatliches Handeln in Österreich?, in: Bungenberg et. al., Recht und Ökonomik, 44. Assistententagung des öffentlichen Rechts (2004) 147. 110 Thielscher, Wirtschaftswissenschaften verstehen (2014) 51. 111 Vgl. dazu Kapitel 7 C. II. zum verfassungsrechtlichen Effizienzprinzip und die dortigen Nachweise. 112 OECD, Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft 31 ff.; vgl. dazu schon Kapitel 2 F. 109

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Kap. 7: Die Besteuerungsprinzipien der Gerechtigkeit und Effizienz

Der Gedanke, die Kosten für die Steuererhebung möglichst gering zu halten, findet sich bei den finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien ursprünglich unter dem Begriff der Wohlfeilheit der Besteuerung.113 Die Wohlfeilheit der Besteuerung beinhaltet die sogenannte „administrative Effizienz“114, also die möglichst günstige Steuererhebung bzw. die Geringhaltung der Steuererhebungskosten.115 Haller behandelt diese Thematik unter den Begriffen der „Erhebungsbilligkeit“ und „Entrichtungsbilligkeit“.116 Der Finanzwissenschaftler Neumark, welcher sich im deutschsprachigen Raum, soweit zu sehen, zuletzt mit der Effizienz der Besteuerung beschäftigt hat, definiert dieses Prinzip wie folgt: „… die mit der Veranlagung, Erhebung und Kontrolle verbundenen Aufwendungen sei es der Finanzbehörden, sei es der Pflichtigen“ sollen „nicht das Mindestmaß überschreiten, das sich bei gebührender Beachtung der übergeordneten wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Ziele der Besteuerung als erforderlich erweist“.117 Es wird also sichtbar, dass die Finanzwissenschaft bei der Effizienz der Steuererhebung sowohl die staatliche als auch die Seite der Steuerpflichtigen berücksichtigt. Auch die OECD spricht ausdrücklich von „Befolgungskosten“ der Unternehmen und „Verwaltungskosten“ des Staates.118 Nach Neumark sind damit zum einen die Aufwendungen von Steuerpflichtigen „für Arbeiten, die mit der Entrichtung von ihnen selbst geschuldeter Abgaben zusammenhängen“ betroffen.119 Zum anderen sind auf staatlicher Seite „die dem Fiskus unmittelbar erwachsenen Aufwendungen für die Steuerverwaltung im weitesten Wortverstande“ gemeint.120 Diese zwei Kostenelemente werden schon dem Wortsinn nach jedenfalls auch im Prinzip der Effizienz der OECD enthalten sein. Nicht genannt werden von der OECD die Kosten, die ein Dritter trägt, wenn er als Abfuhrpflichtiger für den Fiskus tätig wird und die Steuer des eigentlich Steuerpflichtigen abführt. Da die Finanzwissenschaft das Prinzip der Effizienz, soweit zu sehen, tendenziell weit ausgelegt hat, ist auch davon auszugehen, dass die Steuererhebungskosten Dritter als relevante Größe für das hier behandelte Prinzip der Effizienz anzusehen sind.121 Es ist dabei zu beachten, dass die OECD davon spricht, dass die „Verwaltungskosten für den Staat“ gering gehalten werden sollen. Die OECD spezifiziert jedoch nicht, ob eine Steuer an sich aus rein ökonomischer Sicht für den Staat effizient sein 113 Vgl. im Detail Neumark, Grundsätze 368 ff.; vgl. auch Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 7 Rz. 7.2, 7.12 ff. 114 Zu unterscheiden von der wirtschaftlichen Effizienz, vgl. etwa Lang, Entwurf eines Steuergesetzbuchs Rz. 337, 340. 115 Lang, Entwurf eines Steuergesetzbuchs Rz. 7, 335, 338, 341, 381, 393 f. 116 Haller, Finanzpolitik5 239 f., 244. 117 Neumark, Grundsätze 372. 118 OECD, Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft 33. 119 Neumark, Grundsätze 370. 120 Neumark, Grundsätze 370. 121 Neumark, Grundsätze 369; vgl. auch Haller, Finanzpolitik5 239 f., 244.

C. Das OECD-Besteuerungsprinzip der Effizienz

127

soll, also der Verwaltungsaufwand einer Steuer im Ergebnis unter dem Steuerertrag bleiben muss. Nach rein wirtschaftlichen Parametern wäre dies jedoch nach Birk/ Desens/Tappe für eine ökonomisch effiziente Steuer notwendig.122 Die Forderung, dass der Erhebungsaufwand einer Steuer stets unter ihrem Steuerertrag bleiben muss, ist jedoch im Wortsinn des OECD-Prinzips nicht enthalten und kann auch nicht ohne weiteres „hineininterpretiert“ werden.123 Demnach geht die nachfolgende Darstellung davon aus, dass dieser Aspekt nicht im OECD-Besteuerungsprinzip der Effizienz enthalten ist. Somit umfasst das OECD-Besteuerungsprinzip der Effizienz drei Aspekte:124 1.) die Effizienz für den Staat bei der Steuererhebung; 2.) die Effizienz für den abzugspflichtigen Dritten bei der Steuerabfuhr; 3.) die Effizienz für den Steuerpflichtigen selbst. Das OECD-Besteuerungsprinzip der Effizienz hat also zum Ziel, die Steuererhebungskosten in Bezug auf die drei eben genannten Aspekte möglichst gering zu halten. Wie sich diese Erhebungskosten im Detail zusammensetzen, wird im folgenden Abschnitt näher beleuchtet. 2. Effizienz der Steuererhebung als relevanter Kostenfaktor Steuererhebungskosten sind in ihrer Gesamtheit jene Kosten, die einerseits den Steuerpflichtigen bzw. den abzugspflichtigen Dritten und andererseits dem Staat im Zuge des Besteuerungsverfahrens entstehen.125 Kosten des Staates, die bei der Durchführung des Besteuerungsverfahrens anfallen, werden als Vollzugskosten („administrative costs“) bezeichnet, wohingegen der Aufwand der Steuerpflichtigen bzw. der abzugspflichtigen Dritten126 Steuerbefolgungskosten („compliance costs“)127 genannt werden.128 Die staatlichen Vollzugskosten setzen sich insbesondere zusammen aus den Kosten der Steuerveranlagung, also etwa der Informationsbeschaffung und der Fallbearbeitung in der Abgabenverwaltung sowie Kosten der Finanzgerichte und der Betriebsprüfung.129 Vollzugskosten beinhalten daher ihrem Namen nach jene Kosten, die dem Staat anfallen, um das materielle Steuerrecht auch 122

Vgl. im Detail Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht22 Rz. 43 m. w. N. Vgl. in diesem Sinne auch die Interpretation von Wohlfeilheit in Neumark, Grundsätze 368 ff. und Lang, Entwurf eines Steuergesetzbuchs Rz. 338. 124 Neumark, Grundsätze 370. 125 Rose/Rimmler/Scholz/Zöller, Kosten der Erhebung von Unternehmenssteuern in Deutschland, Heidelberg Discussion Paper 459 (2007) 6; vgl. auch Neumark, Grundsätze 370. 126 Allers, Administrative and Compliance Costs of Taxation and Public Transfers in the Netherlands, Dissertationsschrift (1994) 19. 127 Vgl. dazu schon Kapitel 3 B. II. 128 Rose et. al., Kosten der Erhebung von Unternehmenssteuern in Deutschland 6 m. w. N. 129 Rose et. al., Kosten der Erhebung von Unternehmenssteuern in Deutschland 8 m. w. N.; Allers, Administrative and Compliance Costs of Taxation 19 f.; Evans, in: Lang et. al. 450 f.; Yitzhaki, The Costs of Taxation and the Marginal Efficiency Costs of Funds, IMF Staff Papers 1996, 172 (179); Neumark, Grundsätze 370, 372 ff. 123

128

Kap. 7: Die Besteuerungsprinzipien der Gerechtigkeit und Effizienz

in die Realität umzusetzen.130 Steuerbefolgungskosten sind insbesondere: Anfertigung von Steuererklärungen, Sammeln und Verwaltung von Belegen und Daten, Aufzeichnungspflichten, Mitwirkung bei Betriebsprüfung und Kosten, die abzugspflichtigen Dritten im Zusammenhang mit Berechnung und Abfuhr von Steuern an den Fiskus anfallen.131 Steuererhebungskosten können bei unterschiedlichen Steuern verschieden hoch ausfallen. 132 Generell ist festzustellen, dass die „compliance costs“ insbesondere bei der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer und bei der Umsatzsteuer als „high and significant“ gelten.133 So machen die Steuerbefolgungskosten bei verschiedenen Messmethoden zwischen zwei und zehn Prozent dieser Steuern aus.134 Demgegenüber gelten die Vollzugskosten des Staates als eher moderat und belaufen sich nur selten auf mehr als 1 Prozent des Steueraufkommens.135 Sowohl „compliance costs“ als auch „administrative costs“ eines Steuersystems sind relevante Kostenfaktoren für eine Volkswirtschaft. Steuererhebungskosten können nämlich aus ökonomischer Sicht als ein Bestandteil der „excess burden“, also der Zusatzlasten der Besteuerung, auch „deadweight loss“ genannt, qualifiziert werden.136 Solche Zusatzlasten der Besteuerung führen aus volkswirtschaftlicher Sicht zu Wohlfahrtsverlusten und sind daher soweit wie möglich zu minimieren.137 Es ist daher zentral, festzustellen, inwiefern sich der Gedanke einer Reduktion der Steuererhebungskosten auch in einer Rechtsordnung wiederfindet. Im folgenden Abschnitt wird die weitere Vorgehensweise für die Bearbeitung der Steuererhebungskosten in dieser Arbeit dargelegt.

130 Barbone/Bird/Vazquez-Caro, The Costs of VAT: A Review of the Literature, Case Network Reports 106/2012 (2012) 14 f. 131 Evans, in: Lang et. al. 451 ff.; Rose et. al., Kosten der Erhebung von Unternehmenssteuern in Deutschland 7; Neumark, Grundsätze 375 ff.; Müller/Reinweber, Hintergründe und Ziele der begleitenden Kontrolle, in: Müller/Woischitzschläger/Zöchling (Hrsg.), Co-operative Tax Compliance in Österreich (2019) 12 f. 132 Wagner, Was bedeutet Steuervereinfachung wirklich? Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2006, 19 (21). 133 Evans, in: Lang et. al. 457 f.; Barbone/Bird/Vazquez-Caro, The Costs of VAT: A Review of the Literature 32; Rose et. al., Kosten der Erhebung von Unternehmenssteuern in Deutschland 6 m. w. N. 134 Evans, in: Lang et. al. 457. 135 Evans, in: Lang et. al. 458; Rose et. al., Kosten der Erhebung von Unternehmenssteuern in Deutschland 6 m. w. N. 136 Wagner, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2006, 20 m. w. N.; Rose et. al., Kosten der Erhebung von Unternehmenssteuern in Deutschland 5 f.; Wellisch, Finanzwissenschaft II 23 ff.; vgl. auch Kaplow, How Tax Complecity and Enforcement Affect the Equity and Efficiency of the Income Tax, National Tax Journal 1996, 135 (140). 137 Rose et. al., Kosten der Erhebung von Unternehmenssteuern in Deutschland 5 f. m. w. N.; Wellisch, Finanzwissenschaft II: Theorie der Besteuerung 23.

C. Das OECD-Besteuerungsprinzip der Effizienz

129

3. Weitere Vorgehensweise zur Prüfung der Effizienz Wie bereits erörtert, beinhaltet das OECD-Besteuerungsprinzip der Effizienz drei Aspekte: die Effizienz für den Staat bei der Steuererhebung; die Effizienz für den abzugspflichtigen Dritten bei der Steuerabfuhr; die Effizienz für den Steuerpflichtigen selbst. Diese drei Elemente werden jedoch nicht gesammelt untersucht, sondern unter Berücksichtigung eines stringenten Aufbaues in getrennten Abschnitten behandelt. So wird im nachfolgenden Kapitel 7 C. II. zuerst die Effizienz für den Staat bei der Steuererhebung dargestellt und in Kapitel 7 D. aufgrund gemeinsamer Judikaturbeispiele eine verknüpfte rechtstheoretische Analyse mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip angestellt. In Kapitel 8 A. wird die Effizienz für den abzugspflichtigen Dritten erörtert. Kapitel 8 B. behandelt schließlich die Effizienz für den Steuerpflichtigen selbst, wobei dieser Aspekt in Bezug auf die Umsatzsteuer aufgrund wesentlicher unionsrechtlicher Vorgaben noch gesondert in Kapitel 13 behandelt wird.

II. Das verfassungsrechtliche Effizienzprinzip des österreichischen B-VG Sucht man nach dem Aspekt der Effizienz in der österreichischen Rechtsordnung, wird man im sechsten Hauptstück der Bundesverfassung fündig. So hat sich nach Art. 126b (5) B-VG die Gebarungskontrolle des Rechnungshofes neben der ziffernmäßigen Richtigkeit auch auf die „Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit“ zu erstrecken. Diese Bestimmung dient nach dem Schrifttum als zentrale Grundlage für ein „verfassungsrechtliches Effizienzprinzip“138, welches nachfolgend in Grundzügen dargestellt wird.139 Nach herrschender Lehre bediente sich der Verfassungsgesetzgeber bei der Formulierung der drei Prüfungsmaßstäbe des Art. 126b (5) B-VG an wirtschaftswissenschaftlichen Begriffsinhalten.140 Unter „Sparsamkeit“ wird die „Erfüllung einer Aufgabe unter geringstmöglichem Mitteleinsatz“ verstanden. Sparsamkeit wird an der Höhe des Aufwandes gemessen und bewirkt das Vermeiden von unnötigen wirtschaftlichen Belastungen bei der Erfüllung eines bestimmten Auftrages.141 Das Kriterium der „Zweckmäßigkeit“ betrifft die Eignung von bestimmten

138

Vgl. im Detail Lachmayer, in: Bungenberg et. al. 136 f. m. w. N.; Kroneder-Partisch, in: Korinek et. al. Art. 126b B-VG Rz. 34 ff. 139 Lachmayer, in: Bungenberg et. al. 144 f. 140 Kroneder-Partisch, in: Korinek et. al., B-VG Art. 126b Rz. 34 m. w. N. 141 Kroneder-Partisch, in: Korinek et. al., B-VG Art. 126b Rz. 34 m. w. N.; Ritz, Verwaltungsökonomie in der BAO, ÖStZ 1996, 226 (226).

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Kap. 7: Die Besteuerungsprinzipien der Gerechtigkeit und Effizienz

Maßnahmen zur Verwirklichung eines bestimmten Zieles – die gestellten Aufgaben sollen dabei mit den am besten geeigneten Maßnahmen gelöst werden.142 „Wirtschaftlichkeit“ i. S. d. Art. 126b (5) B-VG wird als „Erzielung des bestmöglichen Erfolges mit geringstmöglichen Ressourceneinsatz“ verstanden.143 Zwei Teilaspekte der Wirtschaftlichkeit sind das Maximalprinzip, nach dem mit gegebenen Mitteln ein größtmöglicher Erfolg zu erreichen ist sowie das Minimalprinzip, wonach ein gegebenes Ziel mit geringstmöglichem Mitteleinsatz zu realisieren ist.144 Anvisiert ist daher das Verhältnis zwischen Aufwand und Erfolg.145 Entscheidend ist, dass die Prüfungskriterien der „Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit“ nicht autonom und isoliert voneinander betrachtet werden dürfen.146 Nach herrschender Ansicht haben diese drei Maßstäbe zwar jeweils einen spezifischen Inhalt, zielen aber dennoch alle auf ein „optimales147 Verhältnis zwischen Mitteleinsatz (Input) und Leistungsergebnis (Output)“ ab.148 Mit den verfügbaren Mitteln soll mit Blick auf die Zielerreichung ein Höchstmaß an Nutzen erreicht werden.149 Die Elemente der „Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit“ werden damit als eine untrennbare Einheit angesehen, welche ein allgemeines150 Effizienzprinzip im Verfassungsrang formen.151 Das Effizienzprinzip beinhaltet eine „Ziel-Mittel-Relation“.152 Kroneder-Paritsch erläutert dazu: „Effizientes Handeln bedeutet eine Optimierung im Hinblick auf das zu erreichende Ziel; je nach spezifischer Aufgabenstellung wird daher ein anderes Handeln und ein anderes Ergebnis als effizient anzusehen sein“.153 Zentral ist also, mit welchem Ressourceneinsatz, welches Ergebnis erreicht wird.154 Im staatlichen

142 Kroneder-Partisch, in: Korinek et. al., B-VG Art. 126b Rz. 34 m. w. N.; Ritz, Verwaltungsökonomie in der BAO, AFS 2017, 42 (42). 143 Kroneder-Partisch, in: Korinek et. al., B-VG Art. 126b Rz. 34 m. w. N.; vgl. auch Zellenberger, Wirtschaftlichkeit Versus Rechtsstaat, in: Österreichische Verwaltungswissenschaftliche Gesellschaft (Hrsg.), Verwaltung im Umbruch (2007) 307 f. 144 Kroneder-Partisch, in: Korinek et. al., B-VG Art. 126b Rz. 34. 145 Ritz, ÖStZ 1996, 226 ff. 146 Kroneder-Partisch, in: Korinek et. al., B-VG Art. 126b Rz. 34 m. w. N. 147 Vgl. zum Optimierungscharakter auch Kapitel 7 D. III. 148 Kroneder-Partisch, in: Korinek et. al., B-VG Art. 126b Rz. 34. 149 Baumgartner, in: Kneihs/Lienbacher (Hrsg.), Rill-Schäffer Bundesverfassungsrecht Kommentar (14. Lfg., 2014) Art. 126b B-VG S. 72. 150 Lachmayer, in: Bungenberg et. al. 146. 151 Kroneder-Partisch, in: Korinek et. al., B-VG Art. 126b Rz. 34 und die dortige Fn. 133; Baumgartner, in: Kneihs/Lienbacher, B-VG Art. 126b S. 71. 152 Baumgartner, in: Kneihs/Lienbacher, B-VG Art. 126b S. 72. 153 Kroneder-Partisch, in: Korinek et. al., B-VG Art. 126b Rz. 35. 154 Kroneder-Partisch, in: Korinek et. al., B-VG Art. 126b Rz. 34.

C. Das OECD-Besteuerungsprinzip der Effizienz

131

Bereich stehen als Zielvorgaben gesamtgesellschaftliche und gesamtwirtschaftliche Erwägungen im Zentrum.155 Die herrschende Auffassung qualifiziert dieses, aus den drei Prüfungskriterien des Rechnungshofes abgeleitete Effizienzprinzip, als ein im Verfassungsrang stehendes „Rechtsgebot“ mit „Normcharakter“, welches damit auch der Rechtskontrolle des VwGH und VfGH unterliegt.156 Die staatliche Verwaltung ist dadurch verpflichtet, die Prüfungsmaßstäbe der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit bei der Vollziehung einzuhalten.157 Trotz des Effizienzprinzips muss sich jedoch jedes Verwaltungshandeln im Rahmen des Gesetzes i. S. d. Art. 18 (1) B-VG abspielen.158 Nach herrschender Lehre bindet das verfassungsrechtliche Effizienzprinzip auch die Gesetzgebung.159 Eine bestimmte Wirtschaftspolitik oder das Ausmaß der Staatsleistungen werden jedoch nicht vorgeschrieben. Der Gesetzgeber ist aber bei der Erreichung seiner selbstgewählten politischen Ziele verpflichtet, die von ihm erlassenen Rechtsnormen so zu regeln, dass den Anforderungen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit entsprochen wird.160 Das verfassungsrechtliche Effizienzprinzip stellt nach dem Schrifttum keinen selbstständigen Prüfungsmaßstab für den VfGH dar.161 „Was im Parlament mehrheitsfähig ist und zum rechtsstaatlich konformen Inhalt eines Gesetzes wird, kann nicht aus betriebswirtschaftlichen Gründen als unzulässig erklärt werden“, bemerken dazu Oberndorfer/Pesendorfer.162 Effizienz ist für Gerichte generell kein eigenständiger Maßstab, da diese „jenseits der Rechtswidrigkeit liegt“.163 Effizienz und Rechtswidrigkeit sind daher voneinander zu trennen.164 „Ineffiziente Vorgänge 155 Kroneder-Partisch, in: Korinek et. al., B-VG Art. 126b Rz. 35; Baumgartner, in: Kneihs/Lienbacher, B-VG Art. 126b S. 72. 156 Kroneder-Partisch, in: Korinek et. al., B-VG Art. 126b Rz. 36 m. w. N., 37 m. w. N.; Ritz, ÖStZ 1996, 226; Raschauer, in: Holoubek/Lang 99. 157 Kroneder-Partisch, in: Korinek et. al., B-VG Art. 126b Rz. 36 f. m. w. N.; Ritz, ÖStZ 1996, 226; vgl. dazu auch jüngst VfSlg 20.391/2020. 158 Kroneder-Partisch, in: Korinek et. al., B-VG Art. 126b Rz. 36 m. w. N. 159 Adamovich et. al., Österreichisches Staatsrecht, Band II: Staatliche Organisation3 (2014) Rz. 27.102 m. w. N.; Kroneder-Partisch, in: Korinek et. al., B-VG Art 126b Rz. 36; vgl. auch Stöger, in: Kneihs/Lienbacher, B-VG (6. Lfg., 2019) Art. 51 S. 73 f. 160 Kroneder-Partisch, in: Korinek et. al., B-VG Art. 126b Rz. 36. 161 Vgl. im Detail Wiederin, Gemeinwohl, Effizienzprinzip und Rechtspersönlichkeit der Bundesländer, wbl 2015, 669 (678 f. m. w. N.); VfSlg 11.190/1986; 14.474/1996; 19.412/ 2011; Oberndorfer/Pesendorfer, Rechtsstaat und Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, in: Österreichische Verwaltungswissenschaftliche Gesellschaft (Hrsg.), Verwaltung im Umbruch (2007) 357 ff. m. w. N.; Müller, Die Stellung der Länder als Träger von Privatrechten, ÖZW 2016, 82 (86); vgl. auch Michael Lang, KESt-neu mit ausreichender Legisvakanz grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig, ÖZW 2012, 15 (27). 162 Oberndorfer/Pesendorfer, in: Österreichische Verwaltungswissenschaftliche Gesellschaft 358. 163 Wiederin, wbl 2015, 669 (678). 164 Müller, ÖZW 2016, 82 (86).

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Kap. 7: Die Besteuerungsprinzipien der Gerechtigkeit und Effizienz

können von Gerichten zwar zu beurteilen sein, jedoch kann das Urteil über diese Vorgänge sich nur aus der Rechtswidrigkeit speisen und nicht aus ihrer Ineffizienz“, fasst Wiederin zusammen.165 Der VfGH würde demnach die ihm durch das B-VG vorgegebenen Grenzen überschreiten, wenn er ein Gesetz allein nur wegen Ineffizienz prüfen und wegen eines Verstoßes gegen das Effizienzprinzip gemäß Art. 126b Abs. 5 B-VG aufheben wollte.166 Im Sinne der obigen Ausführungen wird das Effizienzprinzip vom VfGH in seiner ständigen Rechtsprechung auch nicht als unabhängiger Prüfungsmaßstab herangezogen, sondern dient vielmehr zur Interpretation und Klärung der Reichweite von anderen Verfassungsvorschriften.167 So ist das Effizienzprinzip eine zentrale Beurteilungsgrundlage für den Gleichheitssatz des Art. 7 B-VG und dient auch beim allgemeinen Sachlichkeitsgebot als ein Auslegungsmaßstab für den VfGH.168 Überlegungen zur Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Effizienz können daher als Argumente für oder gegen die Sachlichkeit einer Regelung dienen.169 Eine dem Effizienzprinzip widersprechende gesetzliche Norm könnte daher wegen Gleichheitswidrigkeit bzw. Unsachlichkeit durch den VfGH aufgehoben werden, wenn der eindeutige Zweck des Gesetzes durch die vorgeschriebenen Vollzugsmaßnahmen nicht verwirklicht werden kann.170 Auf die genauere Ausdifferenzierung des Effizienzprinzips durch den VfGH in steuerrechtlichen Angelegenheiten wird im folgenden Abschnitt eingegangen. Neben der Primärquelle des Effizienzprinzips in Art. 126b (5) B-VG nennt Lachmayer insbesondere noch die haushaltsrechtlichen Regelungen des Art. 51 ff. B-VG und das Sachlichkeitsgebot des Gleichheitssatzes als weitere sekundäre Rechtsgrundlagen.171 Nach Lachmayer stellt das Sachlichkeitsgebot des Gleichheitssatzes nämlich einen speziellen ökonomisch-rationalen Begründungsanspruch für das Staatshandeln dar.172 Die Primärquelle des Effizienzprinzips von Art. 126b (5) B-VG wird daher von anderen Normen flankiert.173 Aus diesen Anknüpfungs165

Wiederin, wbl 2015, 678 m. w. N. Wiederin, wbl 2015, 678; vgl. auch Oberndorfer/Pesendorfer, in: Österreichische Verwaltungswissenschaftliche Gesellschaft 357 ff. 167 Vgl. etwa VfSlg 11.190/1986; 14.474/1996; 13.176/1992; 19.412/2011; vgl. im Detail auch die angeführte Judikatur und die Ausführungen unter Wiederin, wbl 2015, 678 m. w. N.; vgl. auch Lang, ÖZW 2012, 27. 168 Vgl. etwa VfSlg 11.190/1986; 13.176/1992; 14.474/1996; 19.412/2011; KronederPartisch, in: Korinek et. al., B-VG Art. 126b Rz. 36 und die dortige Fn. 144; Lachmayer, in: Bungenberg et. al. 142 f. 169 Lachmayer, in: Bungenberg et. al. 142 ff. 170 Oberndorfer/Pesendorfer, in: Österreichische Verwaltungswissenschaftliche Gesellschaft 357 ff. 171 Lachmayer, in: Bungenberg et. al. 143, Lachmayer nennt zudem noch den Verhältnismäßigkeitsgedanken. 172 Lachmayer, in: Bungenberg et. al. 143. 173 Vgl. dazu im Detail Lachmayer, in: Bungenberg et. al. 138 ff. 166

C. Das OECD-Besteuerungsprinzip der Effizienz

133

punkten ergibt sich in einer Zusammenschau ein im Verfassungsrang stehender Auftrag zur Effizienz, der sich grundsätzlich an das gesamte staatliche Handeln richtet.174 Dabei merkt Lachmayer an, dass dieses verfassungsrechtliche Effizienzprinzip in seiner Gesamtheit als eine eigenständige „Konstruktion“ anzusehen ist und nicht etwa nur ein Bestandteil einer anderen Norm bzw. eines anderen „Prinzips“ ist.175 Darauf wird unter der rechtstheoretischen Analyse in Kapitel 7 D. III. noch genauer eingegangen werden. Nachfolgend werden die steuerrechtlichen Aspekte des Effizienzprinzips näher erörtert.

III. Der steuerrechtliche Aspekt des verfassungsrechtlichen Effizienzprinzips 1. Effizienzprinzip und Steuergesetzgeber In diesem Abschnitt wird ergründet, inwiefern sich das Effizienzprinzip des B-VG steuerrechtlich niederschlägt und welche Erkenntnisse aus steuerrechtlicher Sicht daraus gewonnen werden können. Da das Effizienzprinzip sich an die Legislative richtet, hat sich auch der Steuergesetzgeber grundsätzlich an dieser Maxime zu orientieren.176 Das Effizienzprinzip gibt zwar keine bestimmte Wirtschafts- oder Steuerpolitik vor, der Gesetzgeber hat jedoch auch bei der Umsetzung seiner steuerpolitischen Ziele die Wertungen des verfassungsrechtlichen Effizienzprinzips zu beachten.177 Dabei ist das Effizienzprinzip jedoch nicht als absolute Anordnung anzusehen, sondern vielmehr als einer unter vielen Aspekten, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung von Steuernormen in Einklang zu bringen hat.178 Steuernormen, die dem Effizienzprinzip nicht genügen, sind im Sinne von Zellenberg abzuändern – ebenso wie Regelungen, welche ein unwirtschaftliches Verwaltungshandeln vorschreiben.179 Korinek hat im Zusammenhang mit Ausgliederungen erläutert, dass aufgrund des weitmaschigen Kontrollmaßstabes der Verfassungsgerichtshof ein Gesetz „nur dann als dem Effizienzgebot widersprechend wird aufzuheben haben, wenn es unvertretbar ist, die Maßnahme als wirtschaftlich, 174

Lachmayer, in: Bungenberg et. al. 145. Lachmayer, in: Bungenberg et. al. 145. 176 Adamovich et. al., Österreichisches Staatsrecht II: Staatliche Organisation3 Rz. 27.102; Kroneder-Partisch, in: Korinek et. al., B-VG Art. 126b Rz. 36 und die dortige Fn. 144; Zellenberger, in: Österreichische Verwaltungswissenschaftliche Gesellschaft 308 m. w. N.; vgl. auch Ritz, AFS 2017, 42. 177 Kroneder-Partisch, in: Korinek et. al., B-VG Art. 126b Rz. 36. 178 Sumper, SWK 2019, 1052 ff.; Sumper, ZfV 2020, 12 ff.; vgl. dazu im Detail Kapitel 7 D. IV.; vgl. auch Kroneder-Partisch, in: Korinek et. al., B-VG Art. 126b Rz. 40. 179 Zellenberger, in: Österreichische Verwaltungswissenschaftliche Gesellschaft 308. 175

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Kap. 7: Die Besteuerungsprinzipien der Gerechtigkeit und Effizienz

sparsam und zweckmäßig zu bewerten“.180 Dieser Effizienzmaßstab wird auch für die Prüfung eines Steuergesetzes heranzuziehen sein.181 Soweit zu sehen, hat der VfGH den Effizienzgedanken im Zusammenhang mit Steuern erstmals ausdrücklich in einem Prüfungsbeschluss zur Grunderwerbsteuer im Jahr 1986 aufgegriffen.182 Dort hielt das Höchstgericht fest, dass „der primär aus fiskalischen Motiven erklärbaren Grunderwerbsteuerpflicht eine Vielzahl von kasuistischen Ausnahmetatbeständen gegenübersteht, die – wie gerichtsbekannt ist – sowohl auf Seiten der Steuerpflichtigen (insgesamt) wie auch auf Seiten der öffentlichen Hand zu einem enormen Verwaltungsaufwand führen, der – setzt man ihn in Verhältnis zum Steuerertrag – unverhältnismäßig sein dürfte“. Dies widerspreche demnach dem aus dem Gleichheitssatz erfließenden Sachlichkeitsgebot, „als damit eine effiziente, an den Kriterien der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit (Art. 126b Abs. 5,…) orientierte Verwaltungstätigkeit geradezu inhibiert erscheint.“ Der VfGH setzte hier in seinen Effizienzüberlegungen den Verwaltungsaufwand für die Erhebung einer Steuer in Verhältnis zu deren Ertrag. Das Missverhältnis von Steuerertrag und Aufwand stand im Widerspruch zu dem aus dem Gleichheitssatz entspringenden Sachlichkeitsgebot, weil der VfGH die Vorgaben des verfassungsrechtlichen Effizienzprinzips als nicht erfüllt ansah. Effizienzüberlegungen dienen dem VfGH in diesem Prüfungsbeschluss daher zur Auslegung des Gleichheitssatzes. Zu beachten ist jedoch, dass der VfGH diese Ausführungen in seinem Enderkenntnis nicht mehr aufgenommen hat. Im Gegensatz zu den Erwägungen im eben erwähnten Prüfungsbeschluss, hat der VfGH ein „allgemeines“ Effizienzprinzip für Abgaben in VfSlg 19.412/2011 ausdrücklich abgelehnt. Dieses Erkenntnis wird noch unter Kapitel 7 D. IV. 3. und 8 A. IV. detailliert behandelt werden. Doch schon an dieser Stelle ist es geboten, diese Entscheidung zum besseren Verständnis der Bedeutung des Effizienzprinzips in geraffter Form zu erörtern. In VfSlg 19.412/2011 hält das Höchstgericht fest: „Ein allgemeines verfassungsrechtliches ,Effizienzgebot für Abgaben‘ wie es die antragstellenden Kreditinstitute behaupten, ist nicht anzunehmen. Eine aus legitimen rechtspolitischen Gründen erhobene Abgabe wird nicht deswegen verfassungswidrig, weil ihr Ertrag im Verhältnis zum Erhebungsaufwand gering ist. […] Ein die Kreditinstitute belastender Erhebungsaufwand mag zwar daher an sich unsachlich sein oder einen verfassungswidrigen Eingriff in das Eigentum bilden, die Verfassungswidrigkeit wird aber nicht allein dadurch bewirkt, dass der Erhebungsaufwand in einem Missverhältnis zum Ertrag der eingehobenen Abgabe steht.“ 180

Korinek, Staatsrechtliche Bedingungen und Grenzen der Ausgliederung und Beleihung, ÖZW 2000, 46 (49). 181 Vgl. zum Maßstab allgemein Oberndorfer/Pesendorfer, in: Österreichische Verwaltungswissenschaftliche Gesellschaft 357 ff.; vgl. auch Korinek, ÖZW 2000, 49. 182 VfSlg 11.190/1986.

C. Das OECD-Besteuerungsprinzip der Effizienz

135

Nach Michael Lang wurde damit das Effizienzprinzip auf dem Gebiet des Steuerrechts relativiert.183 Demnach ist der Gesetzgeber nicht dazu verpflichtet, eine Steuer so zu regeln, dass ein positiver Saldo zwischen Steuerertrag und Erhebungskosten besteht.184 Aus gleichheitsrechtlicher Sicht ist es somit zulässig, dass der Gesetzgeber hohe Erhebungskosten „wegen einer steuerlichen Belastung einer bestimmten Gruppe in Kauf nimmt“.185 Auf die Argumentation des VfGH in diesem Erkenntnis wird in späteren Abschnitten noch detaillierter eingegangen.186 Zum Verhältnis von Ertrag und Aufwand einer Steuer äußerte sich der VfGH weiters in VfSlg 19.976/2015 zur Schaumweinsteuer. Der VfGH bestätigt hier seine Rechtsprechung aus VfSlg 19.412/2011, dass es kein allgemeines Effizienzgebot für Abgaben gibt: „Die vom Bundesfinanzgericht geäußerten Bedenken, dass die Einnahmen aus der Schaumweinsteuer in keinem vernünftigen Verhältnis zu dem Aufwand stünden […] sind ebenso wenig geeignet, eine Verfassungswidrigkeit der Anhebung des Schaumweinsteuersatzes aufzuzeigen. […] Das Bundesfinanzgericht übersieht somit, dass die Regelung auch ohne Einhebung einer Steuer einen nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand bedingt. Insofern erweist sich aber das Bedenken, dass ,die Kontrolle der Vollziehung den finanziellen Nutzen aus diesem Gesetz in Form von Steuereinnahmen ausgleicht‘ als verfehlt.“ Nach der Judikatur des VfGH schreibt das Effizienzprinzip dem Steuergesetzgeber also nicht vor, dass der Ertrag über dem Einhebungsaufwand einer Steuer liegen muss. Dem Gesetzgeber bleibt daher ein relativ weiter Gestaltungsspielraum, sodass er auch „ineffiziente“ Steuern zur Erreichung bestimmter Ziele in Kauf nehmen kann, wenn dafür legitime Gründe bestehen.187 2. Effizienzprinzip und Steuerverwaltung Wie schon erwähnt, richtet sich das verfassungsrechtliche Effizienzprinzip auch an die gesamte staatliche Verwaltung.188 Laut VwGH geben die Kriterien der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit daher ein „Maßprinzip vor, das bei jedem Umgang mit öffentlichen Mitteln leitend zu sein hat“.189 Für die Verwaltung ergibt sich damit aus dem Effizienzprinzip ein allgemeines Verbot, öf183

Vgl. im Detail Lang, ÖZW 2012, 15 ff. Lang, ÖZW 2012, 27. 185 Lang, ÖZW 2012, 27. 186 Vgl. etwa Kapitel 7 D. IV. 3. 187 Lang, ÖZW 2012, 27; vgl. auch VfSlg 19.809/2013; Korinek, ÖZW 2000, 47 f. m. w. N. 188 Ritz, ÖStZ 1996, 226; Wiederin, wbl 2015, 678; Kroneder-Partisch, in: Korinek et. al., B-VG Art. 126b Rz. 36 f. m. w. N.; Adamovich et. al., Österreichisches Staatsrecht II: Staatliche Organisation3 Rz. 27.102; VwGH 11. 2. 1983, 82/14/0255. 189 VwGH 21. 2. 1991, 90/09/0171; vgl. auch VfSlg 12.929/1991. 184

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Kap. 7: Die Besteuerungsprinzipien der Gerechtigkeit und Effizienz

fentliche Mittel ineffizient zu verwenden.190 Die vorhandenen öffentlichen Ressourcen sind daher von den Steuerbehörden in Hinblick auf das Ziel, den gesetzlich geschuldeten Abgabenertrag der Steuerpflichtigen zu lukrieren, möglichst nutzenbringend einzusetzen.191 Die Abgabenbehörden haben dieses Ziel auf dem Wege zu erreichen, der den öffentlichen Haushalt am geringsten belastet.192 Bestehen im konkreten Fall mehrere Handlungsmöglichkeiten, so hat die Behörde im Sinne von Zellenberg grundsätzlich die jeweils effizienteste Alternative zu wählen.193 Als Sanktion gegen ineffizientes Handeln einer Behörde werden bisweilen Budgetkürzungen des jeweiligen Organs ins Treffen geführt.194 Der Steuergesetzgeber ist verpflichtet, eine effiziente Vollziehung der Abgabengesetze zu ermöglichen.195 Das Abgabenverfahrensrecht muss daher derart gestaltet werden, dass ein verwaltungsökonomisches Steuerverfahren gewährleistet ist.196 Der Gedanke der Verwaltungsökonomie ist demnach als ein Bestandteil des Effizienzprinzips anzusehen.197 Der Begriff der Verwaltungsökonomie beschreibt daher eine Facette des verfassungsrechtlichen Effizienzprinzips.198 Die BAO kennt keine dem § 39 Abs. 2 AVG199 entsprechende Regelung, welche für die Behörde bezogen auf die Durchführung des Ermittlungsverfahrens ausdrücklich anordnet, sie habe sich von „Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis“ leiten zu lassen.200 Aufgrund der auch für das Abgabenverfahren geltenden verfassungsmäßigen Pflicht zur Einhaltung des Effizienzprinzips i. S. v. Art. 126b B-VG, ist nach Ritz eine derartige einfachgesetzliche Wiederholung auch entbehrlich.201 Raschauer und vor allem Ritz verorten zahlreiche Regelungen innerhalb der BAO, die dazu dienen, die Kriterien der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmä-

190

Korinek, ÖZW 2000, 49. Zellenberg, in: Österreichische Verwaltungswissenschaftliche Gesellschaft 307, 308 m. w. N. 192 Zellenberg, in: Österreichische Verwaltungswissenschaftliche Gesellschaft 308. 193 Zellenberg, in: Österreichische Verwaltungswissenschaftliche Gesellschaft 308. 194 Oberndorfer/Pesendorfer, in: Österreichische Verwaltungswissenschaftliche Gesellschaft 357. 195 Zellenberg, in: Österreichische Verwaltungswissenschaftliche Gesellschaft 326. 196 Ritz, AFS 2017, 42. 197 Raschauer, in: Holoubek/Lang 100; Ritz, Verwaltungsökonomie als Ermessenskriterium, ÖStZ 1996, 70 (70 ff.); Ritz, ÖStZ 1996, 226; Ritz, AFS 2017, 42; wohl auch Lachmayer, in: Bungenberg et. al. 142 f., 147 ff. 198 In diesem Sinne Raschauer, in: Holoubek/Lang 100; Ritz, ÖStZ 1996, 70; Ritz, ÖStZ 1996, 226; Ritz, AFS 2017, 42; so wohl auch Lachmayer, in: Bungenberg et. al. 142 f., 147 ff. 199 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl 51/1991 i. d. F. BGBl I 58/2018. 200 Raschauer, in: Holoubek/Lang 100. 201 Ritz, ÖStZ 1996, 226 ff. 191

C. Das OECD-Besteuerungsprinzip der Effizienz

137

ßigkeit im Steuerverfahren zu gewährleisten.202 In diesen Bestimmungen findet sich somit im Kern der Gedanke einer ökonomisch effizienten Gestaltung des Abgabenverfahrens.203 Nach Raschauer können zahlreiche Regelungen der Bundesabgabenordnung sogar nur verfassungskonform interpretiert werden, wenn man sie als vom Prinzip der Effizienz „getragen“ sieht.204 Von Bedeutung ist das Effizienzprinzip laut Ritz in der BAO auch dort, wo der Abgabenbehörde Ermessen eingeräumt wird.205 Bestehen etwa im Ermittlungsverfahren verschiedene Optionen, um das angestrebte Ziel zu erreichen, so sind sowohl Effizienzüberlegungen als auch die Interessen des Betroffenen zu berücksichtigen.206 Bei Ermessensentscheidungen bildet die Effizienz damit eines der möglichen Abwägungskriterien, die bei Treffen einer Entscheidung zu beachten sind. Das Effizienzprinzip stellt jedoch keine gesetzliche Grundlage für das Handeln der Abgabenbehörden im Sinne des Legalitätsprinzips nach Art. 18 Abs. 1 B-VG dar und gewährt auch keine subjektiven Rechte für Steuerpflichtige.207 Die Befolgung von geltenden Rechtsnormen geht dem Effizienzprinzip also vor.208 3. Zwischenfazit Der Gedanke eines ökonomisch agierenden Staates des OECD-Besteuerungsprinzips der Effizienz findet sich in Österreich im verfassungsrechtlichen Effizienzprinzip, welches seine Primärquelle in Art. 126b (5) B-VG hat. Das verfassungsrechtliche Effizienzprinzip richtet sich an das gesamte Staatshandeln. Auch steuerrechtliche Effizienzüberlegungen speisen sich daher originär aus diesem Effizienzprinzip. Somit haben auch der Steuergesetzgeber und die Steuerverwaltung grundsätzlich die Kriterien der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu beachten. Das Effizienzprinzip hat somit auch zum Ziel, die staatlichen Vollzugskosten der Steuererhebung (etwa bei der Informationsbeschaffung oder Steuerveranlagung) möglichst gering zu halten. Darüber hinaus ist auch der Steuergesetzgeber dazu angehalten, effizient zu vollziehende Gesetze zu erlassen. Bei der Verfolgung ihrer Ziele bleibt der Legislative jedoch ein relativ weiter Gestaltungsspielraum, sodass auch der Ertrag einer Steuer nicht zwingend über deren Erhebungsaufwand liegen muss. Das verfassungsrechtliche Effizienzprinzip hat somit 202 Dazu zählen etwa Regelungen über Bagatellgrenzen, die Abstandnahme der Festsetzung oder die Amtshilfe, vgl. dazu im Detail Ritz, ÖStZ 1996, 226 ff.; Ritz, AFS 2017, 42 ff.; Raschauer, in: Holoubek/Lang 101 ff. 203 Ritz, ÖStZ 1996, 226; Ritz, AFS 2017, 42. 204 Raschauer, in: Holoubek/Lang 101. 205 Ritz, ÖStZ 1996, 70. 206 Ritz, ÖStZ 1996, 70. 207 Kroneder-Partisch, in: Korinek et. al., B-VG Art. 126b Rz. 36, 38; Ritz, ÖStZ 1996, 226. 208 Zellenberg, in: Österreichische Verwaltungswissenschaftliche Gesellschaft 311 und die dortige Fn. 63; Ritz, ÖStZ 1996, 226.

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Kap. 7: Die Besteuerungsprinzipien der Gerechtigkeit und Effizienz

eine steuerrechtliche Facette, welche durch Judikatur des VfGHs präzisiert und weiter ausdifferenziert wird.

IV. Zwischenergebnis und weitere Vorgehensweise Bislang wurde erörtert, dass sich sowohl das OECD-Besteuerungsprinzip der Gerechtigkeit als auch das OECD-Besteuerungsprinzip der Effizienz in der österreichischen Rechtsordnung einerseits im Leistungsfähigkeitsprinzip, andererseits im verfassungsrechtlichen Effizienzprinzip wiederfinden. Nun wird nachfolgend anhand von Judikaturbeispielen die rechtstheoretische Natur beider Prinzipien geklärt werden.

D. Die rechtstheoretische Analyse des Leistungsfähigkeits- und Effizienzprinzips I. Vorbemerkung In den folgenden Abschnitten wird das rechtstheoretische Wesen des Leistungsfähigkeits- und Effizienzprinzips geklärt.209 Dabei wird zuerst jeweils allgemein erörtert, ob das Wesen von Leistungsfähigkeits- und Effizienzprinzip grundsätzlich mit der unter Kapitel 5 A. erläuterten Normstruktur eines Rechtsprinzips kompatibel ist. Anschließend wird noch eine ausführliche rechtstheoretische Betrachtung anhand einer Judikaturanalyse vorgenommen.

II. Keine vollständige Verwirklichung des Leistungsfähigkeitsprinzips Das Leistungsfähigkeitsprinzip stellt nach verbreiteter Ansicht einen Vergleichsmaßstab für die Blankettnorm des Gleichheitssatzes dar.210 Das Leistungs209

Die nachfolgende rechtstheoretische Analyse des Leistungsfähigkeits- und Effizienzprinzips basiert auf Grundgedanken, die vom Verfasser in Sumper, ZfV 2020, 19 ff. entwickelt wurden. 210 Vgl. dazu im Detail Tipke, in: FS Ruppe 635 ff. m. w. N.; vgl. auch Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.121; Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen 146 f.; Bernert, Das Bundesverfassungsgericht und die Erbschaftssteuer (2017) 63; Schmitt-Homann, Die Vererbung einkommensteuerlicher Rechtspositionen (2005) 20 m. w. N.; Jochum, Die Steuervergünstigung (2006) 99 f. m. w. N.; Rau, Verfassungsdirigierte Prinzipien 86; Kober, Leistungsfähigkeitsprinzip und Einkommensbesteuerung in Italien (2002) 8; Kaya, Mantelkauf und fiskalische (Über-)Reaktion (2009) 78; vgl. auch die Nachweise unter Kapitel 4 B. III.

D. Die rechtstheoretische Analyse des Leistungsfähigkeits- und Effizienzprinzips 139

fähigkeitsprinzip wird daher als eine steuerspezifische Wertung angesehen, welche den Gleichheitssatz mit einem konkreten Maßstab ausstattet.211 Das Leistungsfähigkeitsprinzip liefert also den Bezugspunkt für die Gleichheit der Steuerbelastung. Dieses Prinzip ist in anderen Worten jener Maßstab, mithilfe dessen die relativ gleiche Verteilung der Gesamtsteuerlast auf die Bevölkerung im Einklang mit dem Gleichheitssatz realisiert werden soll.212 Dabei ist der Gesetzgeber jedoch zu keiner „reinen“ Verwirklichung des Leistungsfähigkeitsprinzips verpflichtet.213 Der VfGH hält im Zusammenhang mit der steuerlichen Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen ausdrücklich fest: „Dabei ist es keineswegs erforderlich, daß die unterschiedliche Leistungsfähigkeit in jeder Hinsicht und zur Gänze vollkommen berücksichtigt wird“.214 So ist das Leistungsfähigkeitsprinzip auch laut dem VfGH innerhalb des Einkommensteuergesetzes nicht vollständig realisiert.215 Dies zeigt sich etwa darin, dass das zum Leistungsfähigkeitsprinzip gehörende objektive Nettoprinzip innerhalb des EStG mehrfach durchbrochen ist.216 So wird bei Kapitalerträgen und Gewinnen aus der Veräußerung von Immobilien die Einkommensteuer ohne Abzug von Aufwendungen erhoben.217 Auch die Synthetik der Einkommensteuer tritt bei bestimmten Einkünften zu Gunsten einer Schedulenbesteuerung zurück.218 Dies ist beispielsweise bei der Endbesteuerung gewisser Kapitalerträge ersichtlich.219 Zudem ist auch die Steuerprogression220 bei jenen Einkünften, die innerhalb des Schedulensystems besteuert werden, nicht realisiert. Bezogen auf die deutsche Rechtsordnung darf das Leistungsfähigkeitsprinzip aufgrund verschiedener Gemeinwohlinteressen durchbrochen werden.221 Das sind etwa das Bedürfnisprinzip, das Verdienstprinzip und andere gesundheits-, kultur-, sozial- und wirtschaftspolitische Ziele.222

211 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.121; Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen 146 f. 212 Tipke, in: FS Ruppe 636; vgl. Jochum, Die Steuervergünstigung 99 f. m. w. N. 213 Kühbacher, RdW 2009, 150; Beiser, FJ 1996, 147. 214 Vgl. dazu VfSlg 14.992/1997 mit Verweis auf Prüfungsbeschluss zu B7/95; vgl. auch VfSlg 16.026/2000. 215 VfSlg 14.723/1997. 216 Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 52. 217 Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 52. 218 Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 52 f. 219 Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 24. 220 Vgl. dazu Kapitel 11 B. II. 221 Fellner, Einkommensteuerrechtliche Begünstigungen unter den Gesichtspunkten des Sachlichkeitsgebotes und des Leistungsfähigkeitsprinzips, in: FS Doralt (2007) 67 und die dortige Fn. 53. 222 Fellner, in: FS Doralt 67 und die dortige Fn. 53.

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Kap. 7: Die Besteuerungsprinzipien der Gerechtigkeit und Effizienz

Eine ähnliche Auffassung vertritt auch der VfGH in Österreich.223 In Österreich ist es ständige Rechtsprechung des VfGH, dass vom Leistungsfähigkeitsprinzip abgewichen werden darf, wenn dafür eine sachliche Rechtfertigung besteht.224 Dabei liefert das Leistungsfähigkeitsprinzip wiederum in seiner Funktion als Maßstab verschiedene Gesichtspunkte, die im Rahmen einer Abwägung mehr oder weniger zu berücksichtigen sind und damit für oder gegen die Sachlichkeit einer Vorschrift sprechen können.225 Als sachliche Gründe können generell etwa außerfiskalische Förderungs- und Lenkungsziele sowie die verwaltungsökonomische Effizienz angesehen werden.226 Abweichungen von der Einkommensteuerbelastung, welche grundsätzlich gemäß dem Leistungsfähigkeitsprinzip zu erfolgen hat, können dabei konkret mit verschiedenen steuerpolitischen Erwägungen gerechtfertigt werden.227 Dazu gehören etwa nach Ruppe „Maßnahmen der Konjunktur- oder Strukturpolitik, die Förderung des Wohnungsbaues, die Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und viele andere Gesichtspunkte“.228 Als weitere förderungswürdige Erwägungen bringt der VfGH beispielsweise „den Spargedanken im gesamtwirtschaftlichen Interesse“229 sowie familienpolitische,230 gesellschaftsrechtliche231 und sozialpolitische232 Überlegungen ins Treffen.233 Darüber hinaus können Ausnahmen vom Leistungsfähigkeitsprinzip aufgrund von Vereinfachungen durch typisierende oder pauschalierende Regelungen im Sinne der Verwaltungseffizienz zulässig sein.234 Die Verwirklichung des Leistungsfähigkeitsprinzips im EStG kann daher mit anderen 223

Vgl. dazu die folgende Fn. Vgl. etwa VfSlg 4466/1963; 14.992/1997; 12.941/1999; 16.026/2000; 18.031/2006; Ruppe, Die Ausnahmebestimmungen des Einkommensteuergesetzes (1971) 172 f. m. w. N.; Fellner, in: FS Doralt 67 m. w. N.; Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 22 m. w. N.; Kühbacher, RdW 2009, 151 m. w. N.; vgl. auch VwGH 8. 10. 1998, 97/15/0073. 225 Tipke, in: FS Ruppe 635 f. 226 Vgl. etwa VfSlg 4466/1963; 5268/1966; 5268/1983; 16.226/2001; 18.549/2008; Kühbacher, RdW 2009, 151 m. w. N.; Ruppe, Die Ausnahmebestimmungen des Einkommensteuergesetzes 172 f. m. w. N.; Fellner, in: FS Doralt 67 m. w. N.; Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 7. 227 Vgl. dazu im Detail Ruppe, Die Ausnahmebestimmungen des Einkommensteuergesetzes 172 f. m. w. N. 228 Ruppe, Die Ausnahmebestimmungen des Einkommensteuergesetzes 173 unter Verweis auf VfSlg 4466/1963; 4708/1964; 5268/1966; vgl. dazu auch Ruppe, Verfassungsrechtliche Schranken im Steuerrecht, in: Österreichische Juristenkommission (Hrsg.), Rechtsstaat – Liberalisierung und Strukturreform (1998) 126; vgl. auch Fellner, in: FS Doralt 67. 229 VfSlg 5692/1968. 230 VfSlg 5692/1968; 12.940/1991. 231 VfSlg 4379/1963; 5165/1965. 232 VfSlg 3595/1959; 16.196/2001 m. w. N.; vgl. auch VfSlg 19.933/2014. 233 Ruppe, Die Ausnahmebestimmungen des Einkommensteuergesetzes 172 f. 234 Vgl. etwa VfSlg 6204/1970; 16.226/2001; 18.549/2008; 20.096/2016; Kühbacher, RdW 2009, 150 m. w. N. 224

D. Die rechtstheoretische Analyse des Leistungsfähigkeits- und Effizienzprinzips 141

rechtlichen und steuerpolitischen Positionen abgewogen werden. Dem Gesetzgeber ist es somit nicht verwehrt, mit Steuergesetzen auch andere, als fiskalische Ziele zu erreichen.235 Nach den bisherigen Ausführungen ist daher davon auszugehen, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip in Österreich mit anderen Gesichtspunkten abwägungsfähig ist und nicht absolut gilt.236 Es handelt sich dabei also nicht um eine Rechtsregel, welche im Sinne einer Alles-oder-Nichts-Natur nur entweder vollständig erfüllt oder nicht erfüllt werden kann. Vielmehr kommt dem Leistungsfähigkeitsprinzip im Rahmen des EStG eine „dimension of weight“ zu, da es zu anderen Gründen in Relation gestellt wird. Dieses relative Gewicht des Leistungsfähigkeitsprinzips wird vor allem auch bei der Untersuchung von ausgewählten höchstrichterlichen Erkenntnissen in Kapitel 7 D. IV. ersichtlich. Der Grund der Rechtsgeltung bzw. die konkrete Rechtsgrundlage des Leistungsfähigkeitsprinzips innerhalb der österreichischen Rechtsordnung ist in der Literatur stark umstritten und bedarf daher einer eigenständigen Untersuchung in Kapitel 7 E.

III. Das verfassungsrechtliche Effizienzprinzip als Optimierungsgebot In diesem Abschnitt wird überprüft, ob das Effizienzprinzip des B-VG mit dem unter Kapitel 5 A. erläuterten Prinzipienbegriff in Einklang zu bringen ist. Wie schon unter Kapitel 7 C. II. erörtert, speist sich das verfassungsrechtliche Effizienzprinzip aus mehreren Rechtsquellen wie Art. 126b Abs. 5 B-VG, Art. 51 ff. B-VG oder auch dem Sachlichkeitsgebot. Nach Lachmayer wird auf Basis dieser Rechtquellen ein eigenständiges verfassungsrechtliches Prinzip erschaffen, welches nicht als ein bloßer Bestandteil einer anderen Norm oder eines anderen „Prinzips“ gesehen werden kann – Lachmayer schließt dabei auch explizit das Sachlichkeitsgebot aus.237 Nachfolgend wird gezeigt werden, dass dieses verfassungsrechtliche Effizienzprinzip von seiner rechtstheoretischen Natur her ein Rechtsprinzip nach der unter Kapitel 5 A. erläuterten Definition darstellt. In einem ersten Schritt ist festzustellen, dass es sich beim verfassungsrechtlichen Effizienzprinzip um ein positivrechtlich verankertes Rechtsprinzip handelt. Daher ist an Potacs Überlegungen anzuknüpfen, nach dem Rechtsprinzipien auch als Teil der geschriebenen Rechtsordnung qualifiziert werden können.238 Zudem ist die eben 235

Vgl. etwa VfSlg 4466/1963; 5268/1966; vgl. auch Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 7 m. w. N.; Ruppe, Die Ausnahmebestimmungen des Einkommensteuergesetzes 172 f. 236 VfSlg 19.933/2014 m. w. N. 237 Lachmayer, in: Bungenberg et. al. 145. 238 Vgl. dazu schon die Ausführungen und Nachweise unter Kapitel 5 A.

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Kap. 7: Die Besteuerungsprinzipien der Gerechtigkeit und Effizienz

erläuterte Ansicht von Lachmayer über die verschiedenen positivrechtlichen Wurzeln des verfassungsrechtlichen Effizienzprinzips kongruent mit der rechtstheoretischen Auffassung, dass Rechtsprinzipien nicht nur eine einzelne, sondern mehrere positivrechtliche Verankerungen haben können.239 Diese positivrechtlichen Normen ergeben dabei durch Induktion in ihrer Gesamtheit die Basis des Rechtsprinzips. Das verfassungsrechtliche Effizienzprinzip findet als Rechtsprinzip daher seine Wurzeln in mehreren positivrechtlichen Normen. Somit ergibt sich für dieses Rechtsprinzip auch die Rechtsgeltung240, also die Zugehörigkeit zur österreichischen Rechtsordnung, unmittelbar aus dem positiven Recht. Zu beachten ist, dass nach herrschender Auffassung die Norm der Rechnungshofkontrolle nach Art. 126b Abs. 5 B-VG als die wichtigste und damit prägendste Quelle des verfassungsrechtlichen Effizienzprinzips gilt.241 Wenn der VfGH vom „Effizienzprinzip der Bundesverfassung“ spricht, verwendet er auch die Wendungen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit und verweist explizit auf Art. 126b Abs. 5 B-VG.242 Daher ist davon auszugehen, dass diese Norm auch für das rechtstheoretische Wesen des Effizienzprinzips eine prägende Bedeutung hat. Das verfassungsrechtliche Effizienzprinzip gibt dem Staat weder bestimmte Ziele, noch den Umfang von Leistungen, noch eine bestimmte Politik vor.243 Es schreibt mit den Prüfungskriterien der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit jedoch bestimmte „Gesichtspunkte“ vor, die das staatliche Handeln zu berücksichtigen hat.244 Effizienzüberlegungen haben dabei von ihrem Wesen her schon einen abwägenden Charakter.245 Effizienz ist nämlich immer in Relation zu dem jeweilig gesetzten Ziel zu beurteilen und abhängig von den im konkreten Einzelfall eingesetzten Faktoren und Variablen.246 Demnach ist Effizienz nach Lachmayer ein relationaler Begriff, der für die Vergleiche von Ziel/Mittel, Kosten/ Nutzen und In-/Output ein ständiges Abwägungsverhalten fordert.247 Die Maßstäbe des Art. 126b (5) B-VG stellen in ihrem Kern auf ein optimales Verhältnis zwischen Mitteleinsatz und Leistungsergebnis ab.248 Effizientes Handeln 239

Vgl. dazu schon die Ausführungen und Nachweise unter Kapitel 5 A. Heinold, Die Prinzipientheorie bei Ronald Dworkin und Robert Alexy 248 m. w. N. 241 Vgl. dazu etwa Kroneder-Partisch, in: Korinek et. al., B-VG Art. 126b Rz. 34 ff.; Adamovich et. al., Österreichisches Staatsrecht II: Staatliche Organisation3 Rz. 27.102 f.; Lachmayer, in: Bungenberg et. al. 145 ff. m. w. N.; VfSlg 14.473/1996; 14.474/1996. 242 VfSlg 14.474/1996; vgl. auch VfSlg 17.023/2003 m. w. N. sowie 14.473/1996. 243 Vgl. dazu schon die Ausführungen und Nachweise unter Kapitel 7 C. II. 244 Wiederin, wbl 2015, 677 und die dortige Fn. 68. 245 Lachmayer, in: Bungenberg et. al. 149. 246 Lachmayer, in: Bungenberg et. al. 149; Kroneder-Partisch, in: Korinek et. al., B-VG Art. 126b Rz. 34 und die dortige Fn. 134. 247 Lachmayer, in: Bungenberg et. al. 147 ff.; Kroneder-Partisch, in: Korinek et. al., B-VG Art. 126b Rz. 34 ff. 248 Kroneder-Partisch, in: Korinek et. al., B-VG Art. 126b Rz. 34. 240

D. Die rechtstheoretische Analyse des Leistungsfähigkeits- und Effizienzprinzips 143

bedeutet demnach eine Optimierung in Hinblick auf die zu erreichenden Aufgaben. Das Effizienzprinzip ist daher vom Gedanken der Optimierung des Staatshandelns getragen.249 Im Verständnis von Alexy stellt das verfassungsrechtliche Effizienzprinzip somit ein „Optimierungsgebot“ dar, welches vorschreibt, das staatliche Agieren „relativ auf die rechtlichen Möglichkeiten“ so weit wie möglich effizient zu gestalten. Wie nachfolgend zu zeigen sein wird, ist das Effizienzprinzip rechtlich sowohl durch andere Rechtsprinzipien als auch durch Rechtsregeln eingeschränkt. Die für ein Rechtsprinzip charakteristische relative Gewichtung wird für das Effizienzprinzip vor allem auch im Vergleich zu Art. 18 Abs. 1 B-VG klar. Bei dem Legalitätsprinzip i. S. d. Art. 18 Abs. 1 B-VG handelt es sich nämlich aus dem Blickwinkel der Rechtstheorie, trotz der in diesem Zusammenhang irreführenden Bezeichnung, nicht um ein Prinzip, sondern um eine Rechtsregel. Art. 18 Abs. 1 B-VG besitzt im Sinne von Dworkin eine Alles-oder-Nichts-Natur mit einem „starren“, unflexiblen Tatbestand und klar bestimmter Rechtsfolge: „Die gesamte staatliche Verwaltung darf nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden“; diese Anordnung kann nur entweder erfüllt oder nicht erfüllt werden und ist daher keinerlei Abwägung oder Abstufung zugänglich.250 Das Effizienzprinzip kann mit Art. 18 Abs. 1 B-VG kollidieren, wenn unter Einhaltung der Rechtsvorschriften ein effizientes Handeln nicht möglich ist bzw. wenn Vollzugsanordnungen befohlen werden, die dem Maßstab des Art. 126 B-VG widersprechen.251 Alexy unterscheidet bei einer Einschränkung von Prinzipien durch Regeln zwei Fälle:252 1.) Die Regel R, welche das Prinzip P einschränkt, gilt strikt; 2.) Die Regel R gilt nicht strikt. Stehen das Effizienzprinzip und die Rechtsregel des Art. 18 Abs. 1 B-VG in Widerspruch, so ist die erste Variante einschlägig. Nach Alexys Schema besteht in diesem Fall eine Geltungsregel „R“253, welche besagt, dass die Regel R dem Prinzip P in jedem Fall vorgeht. Derartige „Geltungsregeln“ ergeben sich für die Rechtsregel des Art. 18 B-VG aus dem rechtsstaatlichen Baugesetz der Verfassung sowie aus dem Vorrang der lex specialis gegenüber dem generelleren Effizienzprinzip.254 Demnach geht die Einhaltung der bestehenden Rechtsvorschriften allen anderen Zielen vor, womit Legalität stets Vorrang vor Effizienz hat.255 Abwägungsentscheidungen bezüglich der Effizienz einer Maßnahme können daher nur im Rahmen des rechtlich Möglichen stattfinden.256 Anhand von Alexys Schema wird

249

Kroneder-Partisch, in: Korinek et. al., B-VG Art. 126b Rz. 35. Kroneder-Partisch, in: Korinek et. al., B-VG Art. 126b Rz. 38 m. w. N.; Ritz, ÖStZ 1996, 226; Ritz, AFS 2017, 42. 251 Kroneder-Partisch, in: Korinek et. al., B-VG Art. 126b Rz. 38 und die dortige Fn. 148. 252 Alexy, Theorie der Grundrechte 76 und die dortige Fn. 24. 253 Kursiv auch im Original. 254 Kroneder-Partisch, in: Korinek et. al., B-VG Art. 126b Rz. 38. 255 Kroneder-Partisch, in: Korinek et. al., B-VG Art. 126b Rz. 38. 256 Ritz, ÖStZ 1996, 226. 250

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Kap. 7: Die Besteuerungsprinzipien der Gerechtigkeit und Effizienz

somit sichtbar, wie das Rechtsprinzip der Effizienz durch die strikt geltende Rechtsregel der Legalität des Art. 18 Abs. 1 B-VG eingeschränkt wird. Nach den obigen Ausführungen zeigt sich, dass das verfassungsrechtliche Effizienzprinzip die zentralen Merkmale eines Rechtsprinzips erfüllt.257 Dieses Wesen wird bei der folgenden Judikaturanalyse noch deutlicher werden.

IV. Ausgewählte Judikaturbeispiele zur Anwendung der Rechtsprinzipien der Leistungsfähigkeit und Effizienz 1. Vorbemerkung Die in den folgenden Abschnitten behandelten Erkenntnisse des VfGH zeigen, dass das Effizienz- und das Leistungsfähigkeitsprinzip als Rechtsprinzipien im Rahmen der höchstgerichtlichen Judikatur angewendet werden. Die Prinzipientheorie verdeutlicht dadurch die Abwägungsentscheidungen und die Funktionsweise von Besteuerungsprinzipien für den VfGH bei der Behandlung von steuerrechtlichen Sachverhalten. 2. VfSlg 18.549/2008 – Steuerbefreiung von Trinkgeldern Ein anschauliches Beispiel für die Abwägungsfähigkeit des Leistungsfähigkeitsund Effizienzprinzips bietet VfSlg 18.549/2008.258 In diesem Erkenntnis hatte sich der VfGH mit der Frage auseinanderzusetzen, ob eine Befreiung von der Einkommensteuer für Trinkgelder verfassungskonform ist.259 VfSlg 18.549/2008 betraf die Steuerbefreiung260 für ortsübliche Trinkgelder nach § 3 Abs. 1 Z. 16a EStG. Von dieser Steuerbefreiung ausgenommen sind jene 257 Vgl. dazu jedoch auch Lachmayer, in: Bungenberg et. al. 145 f., wonach das Effizienzprinzip als ein „Verfassungsprinzip“ im Sinne von Reimer zu verstehen ist (Reimer, Verfassungsprinzipien – Ein Normtyp im Grundgesetz [2001]). „Verfassungsprinzipien“ von Reimer unterscheiden sich auf Grund des fehlenden Charakteristikums der Abwägungsfähigkeit grundlegend von den Rechtsprinzipien der Rechtstheorie (Reimer, Verfassungsprinzipien 181 ff.). Die Definition als „Verfassungsprinzip“ lässt das zentrale Element der Abwägungsfähigkeit des Effizienzprinzips außer Acht, wodurch auch keine Schlüsse über das Kollisionsverhalten des Effizienzprinzips gegenüber anderen Prinzipien bzw. Gesichtspunkten oder Rechtsregeln gezogen werden können. Das rechtstheoretische Wesen und die Funktionsweise des Effizienzprinzips werden durch die Interpretation als „Verfassungsprinzip“ im Sinne von Reimer daher nur unzureichend erklärt. Deshalb ist diese Interpretation abzulehnen; Sumper, ZfV 2020, 18 und die dortige Fn. 107. 258 Dieses Erkenntnis wird auch noch unter dem Aspekt der Praktikabilität der Besteuerung in Kapitel 10 C. IV. 2. c) erörtert. 259 Vgl. dazu etwa Bieber/Lehner, VfGH zur Steuerfreiheit von Trinkgeldern: § 3 Abs. 1 Z. 16a EStG verfassungskonform!, taxlex 2008, 445 (445 ff.). 260 Die Befreiungsbestimmung ist § 3 Abs. 1 Z. 16a EStG.

D. Die rechtstheoretische Analyse des Leistungsfähigkeits- und Effizienzprinzips 145

Trinkgelder, deren direkte Annahme den Arbeitnehmern verboten sind.261 Aufgrund gleichheitsrechtlicher Bedenken hat der VfGH diese Regelung im Jahr 2008 einer Prüfung unterzogen. Dabei stellte das Höchstgericht generelle Überlegungen zu Effizienz- und Leistungsfähigkeitsaspekten an, die von besonderem Interesse sind. Der VfGH betonte einleitend die grundsätzliche Maßgeblichkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips für das Einkommensteuergesetz. So ist es nach dem Höchstgericht grundsätzlich geboten, dass Einkünfte, die „an sich einen Teil des steuerbaren Einkommens bilden und die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen […] erhöhen“, der Steuerpflicht unterliegen. Demnach müssten aus dem Blickwinkel des Leistungsfähigkeitsprinzips auch Trinkgelder der Einkommensteuer unterliegen. In weiterer Folge nahm der VfGH jedoch eine Abwägung zwischen dem Leistungsfähigkeitsprinzip und anderen Gesichtspunkten vor, welche „zusammengenommen“ bewirkten, dass dieses Prinzip im konkreten Fall eingeschränkt wurde: In einem ersten Schritt hält der VfGH fest, dass Trinkgelder, die „ihre Wurzel im direkten Verhältnis [von] Arbeitnehmer – [und] Kunde (Gast etc.) haben“, nicht zum „Kernbereich“ des einkommensteuerrechtlichen Tatbestands gehören.262 Aus Sicht des VfGH habe der Gesetzgeber schon aus diesem Grund bei der Anwendung des Leistungsfähigkeitsprinzips einen größeren Gestaltungsrahmen. Mit anderen Worten ist bei derartigen Trinkgeldern das Leistungsfähigkeitsprinzip weniger stark ausgeprägt, als bei Einkünften, die im „Kernbereich“ des EStG liegen.263 Hierbei wird schon sichtbar, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip gemäß der Natur eines Rechtsprinzips eine unterschiedlich große Wirkungsintensität haben kann und daher bisweilen stärker und schwächer realisiert sein kann. Darüber hinaus bestehen nach dem VfGH bei der Besteuerung von Trinkgeldern besondere Vollzugsprobleme für die Behörden.264 So hält das Höchstgericht das Ermittlungs- und Prüfungsinstrumentarium der Finanzverwaltung als nicht für die Kontrolle der Trinkgelder ausgelegt. Zudem geht der VfGH davon aus, dass eine steuerliche Erfassung von Trinkgeldern ein intensives Eindringen in die Privatsphäre der Arbeitnehmer erfordern würde, ohne dass eine „wirklichkeitsnahe Besteuerung“ erwartet werden könne. Eine Besteuerung von Trinkgeldern wäre dabei jedenfalls mit einem massiven verwaltungsökonomischen Aufwand verbunden. Daher kommt der VfGH zu folgendem Schluss: „Ist aber damit zu rechnen, dass verwaltungsökonomisch nicht vertretbare Verfahren auch nur ein Ergebnis zeitigen, das weit weg von einer wirklichkeitsgetreuen Erfassung dieser Einkünfte ist“, dann ist es zulässig, mit der Normierung einer Steuerbefreiung zu reagieren und so vom Leistungsfähigkeitsprinzip abzuweichen. Somit wird im Sinne der Verwaltungseffizienz die Steuerbefreiung von den einschlägigen Trinkgeldern als dem Gleich261

Vgl. dazu etwa Bieber/Lehner, taxlex 2008, 445 ff. Bieber/Lehner, taxlex 2008, 446 ff.; Laudacher, SWK 2008, 822 ff. 263 Laudacher, SWK 2008, 822 ff. 264 Laudacher, SWK 2008, 823.

262

146

Kap. 7: Die Besteuerungsprinzipien der Gerechtigkeit und Effizienz

heitssatz entsprechend angesehen, da eine „realitätsgerechte Erfassung dieser Einkünfte mit vertretbarem Aufwand nicht möglich“ ist. Im Kern standen sich in diesem Erkenntnis zwei widersprechende Gesichtspunkte gegenüber: Verwaltungsökonomie im Sinne des Effizienzprinzips und die steuerliche Erfassung von Einkünften im Sinne des Leistungsfähigkeitsprinzips. Da weder Effizienz- noch Leistungsfähigkeit von vornherein absolut gelten, musste der Sachverhalt durch eine für Rechtsprinzipien charakteristische Abwägung gelöst werden. Der VfGH nutzte das Rechtsprinzip der Effizienz hierbei als einen Auslegungsmaßstab des Gleichheitssatzes. Das Effizienzprinzip diente dem Gericht somit als eine sachliche Rechtfertigung für die Einschränkung des Leistungsfähigkeitsprinzips. In diesem konkreten Fall hielt der VfGH eine Realisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips nur auf Kosten des Effizienzprinzips für möglich, weil unverhältnismäßig hohe Verwaltungskosten anfallen würden. Im Ergebnis erkannte der VfGH daher der Durchsetzung des Leistungsfähigkeitsprinzips weniger Gewicht zu als dem gegenüberstehenden Effizienzgedanken – das Leistungsfähigkeitsprinzip stand somit in diesem Fall im Nachrang. Auch wenn das Leistungsfähigkeitsprinzip in diesem konkreten Sachverhalt zurücktrat, bleibt es dennoch im Sinne des VfGH grundsätzlich „maßgeblich“ für das Einkommensteuerrecht. Dies entspricht ebenfalls der Natur eines Rechtsprinzips, da diese nicht ungültig werden, wenn sie im konkreten Einzelfall zurücktreten.265 3. VfSlg 19.412/2011 – Ausweitung der KESt-Pflicht für Kapitalanlagen a) Vorbemerkung Dieses komplexe Erkenntnis tangiert insgesamt drei der in dieser Arbeit behandelten finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien: Das Leistungsfähigkeitsprinzip, das Effizienzprinzip und die Effizienz für die abzugsverpflichteten Dritten. Im nachfolgenden Kapitel wird das Erkenntnis primär in Hinblick auf seine Bedeutung für das Leistungsfähigkeitsprinzip und das verfassungsrechtliche Effizienzprinzip behandelt. In Kapitel 8 A. wird dieses Erkenntnis gesondert in Bezug auf die Effizienz der Abgabenerhebung für Dritte erörtert. Dabei wird Kapitel 8 A. die grundsätzliche Frage behandeln, ab welcher Höhe ein Aufwand eines abzugsverpflichteten Dritten an sich als verfassungswidrig gilt; diese Thematik wird im folgenden Abschnitt noch bewusst ausgeklammert. b) Erkenntnis Ein weiteres Judikaturbeispiel für die Rechtsprinzipien der Effizienz und Leistungsfähigkeit bietet ein Erkenntnis des VfGH zur Kapitalertragsteuer aus dem Jahr 265

Vgl. dazu schon Kapitel 5 A. und die dortigen Nachweise.

D. Die rechtstheoretische Analyse des Leistungsfähigkeits- und Effizienzprinzips 147

2011. In diesem Erkenntnis zur „KESt-Neu“ wurde im Ergebnis eine Ausweitung der Einkommensteuerpflicht auf Veräußerungsgewinne aus Kapitalvermögen als verfassungskonform erkannt.266 Bei dieser Erweiterung der Steuerpflicht ging es primär um Wertsteigerungen von Kapitalanlagen im Privatvermögen, welche nach der damaligen Rechtslage nur unter Einschränkungen besteuert wurden. Nach dieser Neuregelung der KESt obliegt den Banken nun generell auch der Quellensteuerabzug,267 also die Erhebung und Abfuhr der Einkommensteuer, beim Verkauf von privaten Kapitalanlagen. Der VfGH erläuterte dazu, dass es für den Gesetzgeber zulässig ist, „wenn er versucht, […] Wertsteigerungen bei Kapitalanlagen, die ebenso wie die Früchte des Kapitals eine Leistungsfähigkeit268 repräsentieren (vgl. dazu z. B. VfSlg. 16.760/ 2002), in die Einkommensteuerpflicht einzubeziehen“. Demnach entspricht die Ausweitung dieser Steuerpflicht laut dem VfGH dem Prinzip der Leistungsfähigkeit. Der Gerichtshof musste sich jedoch mit dem Einwand der abzugspflichtigen Banken beschäftigen, dass die Besteuerung dieser Kapitalanlagen einen enormen Verwaltungsaufwand verursachen würde und im Ergebnis der Steuerertrag weit unter den Kosten der Erhebung bliebe – eine derart ökonomisch ineffiziente Steuer stehe damit im Widerspruch zum Effizienzprinzip.269 Der VfGH antwortete darauf in einem ersten Schritt mit einer allgemeinen Abschwächung und Relativierung des verfassungsrechtlichen Effizienzprinzips auf dem Gebiet des Steuerrechts; ein allgemeines Effizienzprinzip für Abgaben gibt es nämlich aus Sicht des VfGH nicht.270 So erläutert der Gerichtshof, dass Steuern, deren Ertrag unter den Kosten der Erhebung bleibt, zulässig seien, wenn sie aufgrund von legitimen Gründen erhoben werden. Das Effizienzprinzip des B-VG ist nach herrschender Annahme von wirtschaftswissenschaftlichen Wertungen geprägt.271 Ausgehend vom rein ökonomischen Standpunkt dieses Prinzips dürfte es daher eine Steuer, bei welcher der Ertrag unter dem Erhebungsaufwand bleibt, eigentlich nicht geben, denn das wäre wirtschaftlich ineffizient.272 Jedoch erklärt der VfGH in diesem Erkenntnis, dass er ökonomisch ineffiziente Abgaben in Kauf nimmt, sofern diese aus bestimmten Gründen gerechtfertigt werden können. Der VfGH macht hier wieder die für ein Rechtsprinzip charakteristische Abwägungsfähigkeit und graduelle Erfüllbarkeit des Effizienzprinzips deutlich: Ökonomische Effizienz von Steuern kann also nur insoweit verwirklicht werden, sofern dagegen nicht rechtliche 266

Lang, ÖZW 2012, 26 ff. Vgl. dazu unter Kapitel 8 A. 268 Hervorhebung durch den Verfasser. 269 Dabei wird in der Argumentation der Kreditinstitute auf VfSlg 11.190/1986 verwiesen, in dem auf das Effizienzprinzip Bezug genommen wurde. 270 Lang, ÖZW 2012, 27. 271 Kroneder-Partisch, in: Korinek et. al., B-VG Art. 126b Rz. 34; Lachmayer, in: Bungenberg et. al. 135 ff.; vgl. auch Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht22 Rz. 43. 272 In diesem Sinne Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht22 Rz. 43. 267

148

Kap. 7: Die Besteuerungsprinzipien der Gerechtigkeit und Effizienz

oder tatsächliche Gründe sprechen, welche mehr Gewicht haben als das Effizienzprinzip. Das Effizienzprinzip relativiert sich also und kann durch das größere Gewicht anderer Gesichtspunkte eingeschränkt werden. Der Ertrag einer Steuer muss daher nicht zwingend über dem Erhebungsaufwand einer Steuer sein. Dies gilt sowohl für den Staat, wenn er die Steuern selbst erhebt, als auch für Dritte, auf die der Staat die Abgabenerhebung übergewälzt (siehe dazu sogleich) hat.273 Im zweiten Schritt widmet sich der VfGH den in diesem Erkenntnis konkret kollidierenden Interessen. In diesem Sachverhalt standen sich die folgenden zwei Gesichtspunkte gegenüber – zum einen das Leistungsfähigkeitsprinzip und zum anderen die ökonomische Effizienz des Steuerabzugs für die Kreditinstitute. Einerseits waren die hier einschlägigen Kapitalanlagen gemäß dem Leistungsfähigkeitsprinzip zu besteuern, weil auch solche Einkünfte eine Leistungsfähigkeit darstellen. Andererseits wurden der hohe Verwaltungsaufwand für die abzugspflichtigen Kreditinstitute als solches sowie das ineffiziente Missverhältnis zwischen diesem Erhebungsaufwand und dem Steuerertrag ins Treffen geführt. Bei seinen Erwägungen zu dieser konkreten Sachlage bezog sich der VfGH erneut auf die Abschwächung des Effizienzprinzips in Steuerangelegenheiten. So ist es nach dem VfGH zwar grundsätzlich möglich, dass der Steuererhebungsaufwand einer Bank an sich Ausmaße annimmt, welche verfassungswidrig sein können. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es in diesem Zusammenhang auch auf die Höhe der erhobenen Steuern ankommt.274 Vielmehr wird nach dem VfGH eine Verfassungswidrigkeit eines einem Dritten aufgebürdeten Aufwandes „nicht allein dadurch bewirkt, dass der Erhebungsaufwand in einem Missverhältnis zum Ertrag der eingehobenen Abgabe steht“. Somit ließ der VfGH einerseits das von den Banken ins Treffen geführte und auf dem Effizienzgedanken basierende Argument eines zu starken Missverhältnisses zwischen Steuerertrag und Aufwand hier nicht gelten. Andererseits sah der Gerichtshof im von den Banken zu tragenden Verwaltungsaufwand als solchem auch keine anderen Gründe, die für eine Verfassungswidrigkeit sprechen würden.275 Im Ergebnis stand für den VfGH demnach das Leistungsfähigkeitsprinzip im Vorrang: Der VfGH nahm somit eine Abgabe, deren Ertrag im Verhältnis zum Erhebungsaufwand der abzugspflichtigen Banken potentiell gering ist, in Kauf, um damit die Leistungsfähigkeit von bestimmten Kapitalanlegern steuerlich zu erfassen. Das Rechtsprinzip der Leistungsfähigkeit wurde in diesem Erkenntnis jedoch nur zu einem gewissen Grad erfüllt: Die einschlägigen Wertsteigerungen von Kapitalerträgen wurden zwar in die Einkommensteuerpflicht einbezogen; allerdings werden

273

Lang, ÖZW 2012, 27. Vgl. dazu auch Lang, ÖZW 2012, 27. 275 Vgl. dazu Kapitel 8 A. IV. 274

D. Die rechtstheoretische Analyse des Leistungsfähigkeits- und Effizienzprinzips 149

derartige Einkünfte in einem Schedulensystem276 besteuert, was wiederum eine Einschränkung der Synthetik der Einkommensteuer bzw. der sachlichen Universalität darstellt.277 Damit wurde das Leistungsfähigkeitsprinzip in diesem Fall nur bis zu einer gewissen Stufe erfüllt. „Noch mehr“ erfüllt wäre das Prinzip der Leistungsfähigkeit, wenn die vorliegenden Wertsteigerungen synthetisch besteuert werden würden. Auch hier zeigt sich also, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip den klassischen abstufbaren bzw. graduellen Charakter eines Rechtsprinzips innehat. 4. Das relative Gewicht von Effizienzüberlegungen vor dem Hintergrund von Pauschalierungsregelungen Die Natur des verfassungsrechtlichen Effizienzprinzips als Rechtsprinzip zeigt sich auch klar in der Judikatur des VfGH zu Pauschalierungsregeln.278 Ein Beispiel dafür ist VfSlg 9624/1983, in dem eine Pauschalierungsregel des Tiroler Aufenthaltsabgabegesetzes als zulässig angesehen wurde. Der VfGH räumte zwar einerseits ein, dass „die […] Durchschnittsannahme des Gesetzgebers nicht immer zutreffen wird“. Andererseits qualifizierte das Höchstgericht die Pauschalierung als „den Erfahrungen des täglichen Lebens“ entsprechend und im Sinne der Verwaltungsökonomie zu sein. Außerdem hielt das Gericht fest: „Der Verwaltungsaufwand wäre gerade hier bei einer – an sich sicherlich durchführbaren – individuellen Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen unangemessen hoch“. Der VfGH erkannte in VfSlg 9624/1983 zwar, dass die Pauschalierung nicht bei jedem Sachverhalt zum korrekten Ergebnis führen wird und eine individuelle Ermittlung der Besteuerungsgrundlage an sich möglich wäre. Gegenüber diesen Überlegungen hatten jedoch die zum Effizienzprinzip gehörenden Erwägungen zur Verwaltungsökonomie279 mehr Gewicht – demnach wurde die Pauschalierung als verfassungskonform qualifiziert. Das Interesse der Verwaltungsökonomie gilt jedoch laut dem VfGH nicht unbeschränkt.280 Vielmehr geht der Gerichtshof augenscheinlich von einer „Dimension des Gewichts“ der verwaltungsökonomischen Gesichtspunkte aus. So ist es auch ständige Rechtsprechung des VfGH, dass verwaltungsökonomische Argumente mit anderen Gesichtspunkten abgewogen werden können und dort in den Nachrang

276

In der Einkommensteuer werden Einkünfte üblicherweise gemeinsam nach denselben Grundsätzen (synthetisch) und mit einem progressiven Tarif besteuert. Gewisse Einkünfte wie Kapitalerträge werden jedoch von den übrigen Einkünften getrennt in einem Schedulensystem, also nach eigenen Grundsätzen und mit einem festen Steuersatz, besteuert, vgl. dazu Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 52 f., 58, 141. 277 Vgl. dazu schon Kapitel 7 B. II. 2. 278 Vgl. etwa VfSlg 5022/1965; 7136/1973; 7286/1974; 9624/1983; vgl. auch VfSlg 18.549/2008 m. w. N. 279 Vgl. zur Verwaltungsökonomie schon Kapitel 7 C. III. 2. und die dortigen Nachweise. 280 Vgl. etwa VfSlg 18.549/2008.

150

Kap. 7: Die Besteuerungsprinzipien der Gerechtigkeit und Effizienz

treten, wo anderen Überlegungen „größeres Gewicht beizumessen ist“.281 Aus diesen Äußerungen des VfGH ergibt sich folglich die Abwägungsfähigkeit des Effizienzprinzips gegenüber verschiedenen anderen Interessen. Es zeigt sich somit wiederum, dass das Effizienzprinzip somit im Steuerrecht in gewissen Graden „mehr oder weniger“ erfüllt werden kann, denn nicht jede Pauschalierung, die im Namen der Verwaltungsökonomie normiert wird, ist auch automatisch zulässig – so können andere Gesichtspunkte282 auch stärkeres Gewicht haben. 5. VfSlg 19.933/2014 – Beschränkte Abzugsfähigkeit von Managergehältern VfSlg 19.933/2014 zeigt, dass Rechtsprinzipien nicht nur durch das Recht, sondern auch durch politische Wertungen eingeschränkt werden können. In diesem Erkenntnis beschäftigte sich der VfGH mit der Frage der Abzugsfähigkeit von Managergehältern.283 Der VfGH kam zu dem Ergebnis, dass Regelungen des EStG und KStG,284 welche im Ergebnis ein Abzugsverbot für Managergehälter über EUR 500.000 normierten, verfassungskonform sind. In seiner Argumentation betonte das Höchstgericht abermals die grundsätzliche Bedeutung des Leistungsfähigkeitsprinzips für das EStG. Demnach gebietet es die Konzeption des EStG „grundsätzlich, die zur Erzielung des Einkommens aufgewendeten Aufwendungen von der Bemessungsgrundlage abzuziehen (sog. objektives Nettoprinzip)“. Konkret sprach das Höchstgericht in diesem Fall somit eine Facette des Leistungsfähigkeitsprinzips an, nämlich das objektive Nettoprinzip. Das Höchstgericht erklärte dazu weiter: „Der Verfassungsgerichtshof hat allerdings schon mehrfach festgehalten, dass dieses – der einfachgesetzlichen Ausgestaltung im Ertragsteuerrecht zugrunde liegende – Prinzip nicht absolut gilt“. In diesem Sinne darf nach ständiger Rechtsprechung bei Vorliegen einer sachlichen Rechtfertigung auch vom Leistungsfähigkeitsprinzip abgegangen werden. Bemerkenswert ist, dass sich bei der vom VfGH vorgenommenen Abwägung nicht zwei Rechtsprinzipien einander gegenüberstanden, sondern ein Rechtsprinzip – das Leistungsfähigkeitsprinzip – und eine politische Wertung, nämlich jene, die Einkommensschere zu verringern. Denn der VfGH führte aus, dass mit der Versagung der Abzugsfähigkeit von Managergehältern ab EUR 500.000 die „Gerechtigkeits- und Solidaritätsaspekte des Steuerrechts“ gestärkt werden sollten. Daraus folgerte das Höchstgericht, dass „die Verringerung des Einkommensgefälles in Unternehmen zwischen den Führungskräften und den übrigen Dienstnehmern“ ein 281 Vgl. etwa VfSlg 18.549/2008 mit Verweis auf VfSlg 9524/1982; 13.726/1994; 13.977/ 1994; 15.819/2000. 282 Vgl. etwa VfSlg 13.726/1994. 283 Zur Rezeption in Österreich vgl. etwa Schaunig/Varro, GesRZ 2015, 233 ff.; Mechtler/ Pinetz, Managergehälter: Abzugsverbot nicht verfassungswidrig!, ecolex 2015, 148 (148 ff.). 284 Vgl. zur aktuellen Fassung Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl 401/1988 i. d. F. BGBl I 108/2022.

D. Die rechtstheoretische Analyse des Leistungsfähigkeits- und Effizienzprinzips 151

im öffentlichen Interesse liegendes „sozial- und gesellschaftspolitisches Ziel“ sei, das einen Eingriff in das Leistungsfähigkeitsprinzip rechtfertigt. Die Begründung der Einschränkung des Leistungsfähigkeitsprinzips ergab sich daher aus einer politischen Zielsetzung und nicht direkt aus dem Recht selbst. Das Abweichen vom grundsätzlich für das EStG maßgeblichen Leistungsfähigkeitsprinzip wurde vom VfGH daher nicht aufgrund eines anderen Rechtsprinzips gerechtfertigt, sondern mittels einer gesellschaftspolitischen Wertung. Im Sinne von Dworkins Rechtstheorie handelt es sich hierbei um eine sogenannte „policy“, da die Verringerung der Einkommensschere eindeutig ein kollektives, auf das Gemeinwohl abzielendes, politisches Anliegen ist.285 Trotz der eher knappen Ausführungen im Erkenntnis, lassen sich zwei grundlegende Schritte des VfGH in Bezug auf die Bewertung dieses politischen Ziels des Gesetzgebers erkennen. Zum einen stellte der VfGH in seiner Rolle als „Hüter der Verfassung“286 fest, dass dieses gesetzgeberische Ziel im öffentlichen Interesse steht und daher zulässig ist. Zum anderen ist das sozialpolitische Ziel der Verringerung des Einkommensgefälles nicht nur grundsätzlich erlaubt, sondern nimmt nach dem Verständnis des VfGH sogar so einen großen Stellenwert ein, dass dadurch das für das Ertragsteuerrecht grundsätzlich maßgebliche Leistungsfähigkeitsprinzip eingeschränkt werden darf. Aus dieser Vorgehensweise werden die unter Kapitel 5 B. III. 2. erläuterten zwei Rollen des VfGH als politischer Akteur gut sichtbar. Einerseits klärt das Höchstgericht als „Hüter der Verfassung“, ob gesetzgeberische Vorhaben überhaupt zulässig sind. Andererseits fällt er als politischer Akteur auch Wertentscheidung, die in diesem Fall dazu führen, dass ein aus der politischen Sphäre stammender Solidaritätsgedanke sich gegenüber einem etablierten rechtlichen Prinzip durchsetzt. Theoretisch wäre es nämlich auch möglich gewesen, dass der VfGH die Verringerung der Einkommensschere als keinen ausreichenden sachlichen Rechtfertigungsgrund für eine Zurückdrängung des Leistungsfähigkeitsprinzips angesehen hätte. In diesem Erkenntnis wird auch wieder sichtbar, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip einen Abwägungscharakter gegenüber anderen Gesichtspunkten innehat und dieses Prinzip eine abgestufte Wirkungsintensität haben kann. Hätte das Leistungsfähigkeitsprinzip eine Alles-oder-Nichts-Natur, so müssten die in Frage stehenden Managergehälter in jedem Fall zur Gänze von der Bemessungsgrundlage abzuziehen sein. Trotz der grundsätzlichen Bedeutung des Leistungsfähigkeitsprinzips für das EStG, entschied das Höchstgericht sich dennoch zugunsten von gesellschaftspolitischen Gesichtspunkten für eine lediglich beschränkte Abzugsfähigkeit der einschlägigen Gehälter. Obwohl das Leistungsfähigkeitsprinzip hier gegenüber anderen Überlegungen im Nachrang steht, bleibt es dennoch bei der Maßgeblichkeit dieses Prinzips für die Konzeption des EStG.

285 286

Vgl. dazu schon Kapitel 5 B. Vgl. dazu schon Kapitel 5 B. III. 2.

152

Kap. 7: Die Besteuerungsprinzipien der Gerechtigkeit und Effizienz

Das Leistungsfähigkeitsprinzip könnte in diesem Erkenntnis auch stärker oder schwächer erfüllt werden. Geht man beispielsweise von einem gezahlten Managergehalt von EUR 800.000,– aus, so wäre das Leistungsfähigkeitsprinzip stärker erfüllt, wenn das Gehalt zu mehr als EUR 500.000,– bzw. zur Gänze abzugsfähig wäre. Das Prinzip könnte jedoch auch weniger verwirklicht werden, wenn bei einem Gehalt von EUR 800.000,– anstatt von EUR 500.000,– lediglich EUR 400.000,– oder überhaupt nichts abzugsfähig wäre.

V. Zwischenfazit und weitere Vorgehensweise 1. Zwischenfazit Die bisherigen Ergebnisse zu den OECD-Besteuerungsprinzipien der Gerechtigkeit und Effizienz lassen sich wie folgt festhalten: Die OECD-Besteuerungsprinzipien finden ihren Niederschlag in der österreichischen Rechtsordnung einerseits im Leistungsfähigkeitsprinzip, andererseits im verfassungsrechtlichen Effizienzprinzip. Anhand einer rechtstheoretischen Analyse mit Judikaturbeispielen des VfGH wurde gezeigt, dass sowohl das verfassungsrechtliche Effizienzprinzip als auch das Leistungsfähigkeitsprinzip von ihrer rechtstheoretischen Natur her das Wesen von Rechtsprinzipien haben. Ob das Effizienz- oder das Leistungsfähigkeitsprinzip in einem konkreten Sachverhalt mehr oder weniger realisiert werden, kann damit von einer Abwägung mit anderen Gesichtspunkten abhängen. Für diese Abwägung können sowohl rechtliche als auch gesellschaftspolitische Gründe eine Rolle spielen. Die Funktionsweise und die Rechtsnatur, welche das Effizienz- und das Leistungsfähigkeitsprinzip im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung einnehmen, können somit durch die rechtstheoretische Prinzipientheorie schlüssig erklärt werden. Die Prinzipientheorie kann darüber hinaus auch einen Beitrag zu der in Österreich umstrittenen Frage nach der Rechtsgeltung des Leistungsfähigkeitsprinzips beitragen, welcher sich der folgende Abschnitt noch widmen wird. 2. Weitere Vorgehensweise Wie bereits erörtert, wird in Österreich die mangelnde theoretische Aufarbeitung des Leistungsfähigkeitsprinzips kritisiert.287 Ein Streitpunkt ist dabei insbesondere die mangelnde ausdrücklichen Rechtsgrundlage dieses Prinzips.288 Um einen Beitrag zu der jahrzehntelangen Diskussion um dieses Prinzip zu leisten, widmet sich der nächste Abschnitt daher detailliert dem Geltungsgrund des Leistungsfähigkeitsprinzips aus dem Blickwinkel der Theorien von drei bedeutenden Autoren. 287

Vgl. dazu etwa Ehgartner, in: Kanduth-Kristen et. al., Jakom EStG15 § 2 Rz. 2; vgl. auch Gassner/Lang, ÖStZ 2000, 643; Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip 33 ff., passim. 288 Vgl. dazu Kapitel 7 B. II. 3. und die dortigen Nachweise.

E. Der Geltungsgrund des Rechtsprinzips der Leistungsfähigkeit

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E. Der Geltungsgrund des Rechtsprinzips der Leistungsfähigkeit in der österreichischen Rechtsordnung I. Rechtsprinzipien und Rechtsgeltung Der Begriff der rechtlichen Geltung betrifft allgemein die Frage, ob eine bestimmte Norm zu einer Rechtsordnung gehört oder nicht.289 Nur gültige Normen entfalten auch Bindungswirkung.290 Der Umstand, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip in Österreich keine eindeutige Rechtsgrundlage im positiven Recht hat, wird in der Literatur regelmäßig ins Treffen geführt.291 Die Rechtstheorie hat aber festgestellt, dass die juristische Praxis notwendigerweise – „und zwar als Voraussetzung ihres Gelingens“ – auch Prinzipien heranziehen muss, deren Geltung sich nicht rein aus dem positiven Recht ableiten lässt.292 So übten Rechtstheoretiker wie Franz Bydlinski293 und Robert Alexy294 Kritik an einem Rechtspositivismus, der Recht und Moral strikt voneinander trennt und der als einzige Grundlage für die Rechtsgeltung von Prinzipien auf einen formalen Akt der positiven Rechtserzeugung abstellt.295 Eine gänzliche Abgrenzung des positiven Rechts gegenüber gesellschaftlich weitgehend akzeptierten Sozialnormen sowie Werten der Moralphilosophie führt demnach zu einem von der gesellschaftspolitischen Realität isolierten Rechtsdenken und einer mangelhaften rationalen Begründbarkeit der juristischen Argumentation.296 Für die rechtswissenschaftliche Theorie und Praxis ist es daher notwendig, auch anerkannte moralische und sozialwissenschaftliche Erkenntnisse in ihre Erwägungen miteinzubeziehen. Daher soll nun geprüft werden, worin aus rechtstheoretischer Sicht der Geltungsgrund des Rechtsprinzips der Leistungsfähigkeit in der österreichischen Rechtsordnung bestehen kann. Bei der nachfolgenden rechtstheoretischen Unter289

Heinold, Die Prinzipientheorie bei Ronald Dworkin und Robert Alexy 248 m. w. N. Heinold, Die Prinzipientheorie bei Ronald Dworkin und Robert Alexy 248 m. w. N. 291 Vgl. etwa Ehgartner, in: Kanduth-Kristen et. al., Jakom EStG15 Rz. 2 m. w. N.; Gassner/ Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip 60; Gassner/Lang, ÖStZ 2000, 643 ff.; Kirchmayr, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 15 m. w. N.; vgl. dazu schon Kapitel 7 B. II. 3. und die dortigen Nachweise. 292 Luf, Zur Geltung von Rechtsprinzipien, in: Schilcher/Koller/Funk (Hrsg.), Regeln, Prinzipien und Elemente im System des Rechts (2000) 130. 293 Bydlinski, Fundamentale Rechtsgrundsätze (1988) 54, 61 ff., 151. 294 Alexy, Begriff und Geltung des Rechts (1992) 15 ff., 39 ff., 137 ff., 201 ff. 295 Vgl. zu verschiedenen Theorien der Rechtsgeltung und deren Kritik am Rechtspositivismus Luf, in: Schilcher/Koller/Funk 129 ff. m. w. N.; vgl. auch Heinold, Die Prinzipientheorie bei Ronald Dworkin und Robert Alexy 357 ff. 296 In diesem Sinne Bydlinski, Fundamentale Rechtsgrundsätze 65 f., 128 ff.; Bydlinski, Der Begriff des Rechts (2015) 26 ff., 229; Luf, in: Schilcher/Koller/Funk 131 f., 135 ff.; Alexy, Begriff und Geltung des Rechts 137 ff.; vgl. zur rechtsrealistischen Kritik am Positivismus Weber-Grellet, Steuerrecht und Steuerstaat in rechtsrealistischer Perspektive, Rechtstheorie 2005, 301 (303 ff.). 290

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Kap. 7: Die Besteuerungsprinzipien der Gerechtigkeit und Effizienz

suchung wird der Reihe nach auf zentrale Eckpunkte von Dworkins, Alexys und Bydlinskis Ausführungen zurückgegriffen.

II. Geltungsgrund nach Dworkin 1. Rechtsprinzipien als angemessene Gebote297 der Gerechtigkeit Dworkin versteht seine Prinzipienlehre als eine Kritik am Rechtspositivismus.298 So leitet er auch seine Ausführungen zu Rechtsprinzipien in dem Werk „Taking Rights Seriously“ mit den Worten „I want to make a general attack on positivism …“, ein.299 Laut Dworkin ist der Positivismus ein „Modell eines Regelsystems“ und besteht demnach grundsätzlich nur aus Rechtsregeln.300 Im Sinne von Dworkin können Rechtsprinzipien aber dennoch ein Teil des Rechtssystems sein, deren Verbindlichkeit ergibt sich jedoch nicht aus dem positiven Recht.301 So stellt nach Dworkin die Befolgung solcher Prinzipien „ein Gebot der Gerechtigkeit oder Fairness oder einer anderen moralischen Dimension“ dar.302 Damit sind Rechtsprinzipien für Dworkin untrennbar mit der Moralsphäre verbunden und leiten daraus auch ihre Bedeutung für die Rechtswissenschaft ab.303 Laut Dworkin stellen nämlich „moralische Prinzipienfragen“ den Kern von „rechtswissenschaftlichen Fragen“ dar – somit haben sich Juristen auch mit der „politischen und moralischen Theorie“ zu befassen.304 Durch Rechtsprinzipien werden damit moralphilosophische Wertungen in eine Rechtsordnung „hineintransportiert“.305 Darüber hinaus hält Dworkin fest, dass der „Ursprung“ („origin“) seiner mit der Moralsphäre verknüpften Rechtsprinzipien „nicht306 in einer bestimmten Entscheidung einer gesetzgebenden Körperschaft“ liegt, „sondern in einem Sinn für Angemessenheit,307 der sich im juristischen Berufstand und in der Öffentlichkeit über 297 Bei den nachfolgenden Ausführungen zu Dworkins Theorien wird wiederum zum Teil auf die in der deutschen Übersetzung „Bürgerrechte ernst genommen“ verwendete Terminologie Bezug genommen vgl. dazu schon Kapitel 5 A. und die dortigen Nachweise. 298 Potacs, Rechtstheorie2 107 f. m. w. N. 299 Dworkin, Taking Rights Seriously 22. 300 Potacs, Rechtstheorie2 107; Dworkin, Bürgerrechte ernst genommen 55; Heinold, Die Prinzipientheorie bei Ronald Dworkin und Robert Alexy 81. 301 Potacs, Rechtstheorie2 107 f.; Heinold, Die Prinzipientheorie bei Ronald Dworkin und Robert Alexy 81 f. m. w. N., 92; vgl. auch Alexy, Recht, Vernunft, Diskurs 179 ff. 302 Dworkin, Bürgerrechte ernst genommen 55; Dworkin, Taking Rights Seriously 22. 303 Heinold, Die Prinzipientheorie bei Ronald Dworkin und Robert Alexy 81. 304 Dworkin, Bürgerrechte ernst genommen 26, 30, 124; vgl. auch Osterkamp, Juristische Gerechtigkeit 159 f. 305 Heinold, Die Prinzipientheorie bei Ronald Dworkin und Robert Alexy 343. 306 Hervorhebung durch den Verfasser. 307 Hervorhebung durch den Verfasser.

E. Der Geltungsgrund des Rechtsprinzips der Leistungsfähigkeit

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Zeiten hinweg entwickelt hat“.308 Die Geltung von Dworkins Rechtsprinzipien wird demnach aus dem fortdauernden Gefühl ihrer moralischen Angemessenheit abgeleitet („sense of appropriateness“).309 Heinold bezeichnet dieses Angemessenheitsgefühl auch als ein „Gerechtigkeitsempfinden“.310 Moralische Vorstellungen werden aber nicht automatisch zu Rechtsprinzipien und damit zum Bestandteil eines Rechtssystems.311 Denn Dworkin modifiziert seine Ausführungen zur Geltung noch um ein weiteres entscheidendes Kriterium: Nach Dworkin kann nämlich kein noch so hochwertiges Moralprinzip als Teil einer Rechtsordnung angesehen werden, wenn es mit dieser Rechtsordnung selbst nicht kohärent ist.312 Damit ein moralisches Prinzip als ein Rechtsprinzip ein Bestandteil des Rechtssystems wird, bedarf es dafür nämlich notwendigerweise eines institutionellen Rückhalts („institutional support“) durch öffentliche Institutionen wie Parlamente oder Gerichte.313 Um zu ermitteln, ob ein Prinzip mit Rechtsgeltung ausgestattet ist, muss demnach geprüft werden, ob ein „institutional support“ für dieses Prinzip vorliegt.314 Dieser institutionelle Niederschlag ist nach Luf gegeben, wenn das jeweilige Prinzip für das positive Recht eine interpretative Rolle spielt.315 Dworkin nennt als Beispiele für einen „institutional support“ ausdrücklich das Aufscheinen des Prinzips in Präambeln zu Gesetzesbestimmungen, in Ausschussberichten oder anderen legislativen Dokumenten sowie das Bezugnehmen von Gerichten in Fällen, in denen das Prinzip „eine Rolle in der Argumentation spielte“.316 Auch Gesetze, welche sich überzeugend als eine Exemplifizierung eines Prinzips

308

Dworkin, Bürgerrechte ernst genommen 82. Dworkin, Taking Rights Seriously 40; Dworkin, Bürgerrechte ernst genommen 82; Potacs, Rechtstheorie2 107; Heinold, Die Prinzipientheorie bei Ronald Dworkin und Robert Alexy 92; Sieckmann, Regelmodelle und Prinzipienmodelle des Rechtssystems 175; Pascua, Die Grundlagen rechtlicher Geltung von Prinzipien – eine Gegenüberstellung von Dworkin und Esser, in: Orsi/Seelmann/Smid/Steinvorth (Hrsg.), Rechtsphilosophische Hefte 1996, Band VI: Prinzipien des Rechts 28 f.; Metzger, Extra legem, intra ius: allgemeine Rechtsgrundsätze im europäischen Privatrecht 92 und die dortige Fn. 294; vgl. auch Luf, in: Schilcher/Koller/Funk 137 ff. 310 Dworkin, Bürgerrechte ernst genommen 82; Heinold, Die Prinzipientheorie bei Ronald Dworkin und Robert Alexy 92. 311 Dworkin, Taking Rights Seriously 40 ff.; Pascua, in: Orsi et. al. 28. 312 Pascua, in: Orsi et. al. 28. 313 Dworkin, Taking Rights Seriously 40; Dworkin, Bürgerrechte ernst genommen 82 f.; Pascua, in: Orsi et. al. 28; Heinold, Die Prinzipientheorie bei Ronald Dworkin und Robert Alexy 92; Sieckmann, Regelmodelle und Prinzipienmodelle des Rechtssystems 175; Tamm, Verbraucherschutzrecht 923 f. 314 Sieckmann, Regelmodelle und Prinzipienmodelle des Rechtssystems 175; vgl. dazu auch Heinold, Die Prinzipientheorie bei Ronald Dworkin und Robert Alexy 92. 315 Luf, in: Schilcher/Koller/Funk 138. 316 Dworkin, Bürgerrechte ernst genommen 82 f., 122 f.; vgl. zum „interpretativen Umgang“ mit Prinzipien im Detail Luf, in: Schilcher/Koller/Funk 137 f. 309

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Kap. 7: Die Besteuerungsprinzipien der Gerechtigkeit und Effizienz

begreifen lassen, sind Ausdruck eines „institutional supports“.317 Je größer diese Institutionelle Stützung ausfällt, desto schlüssiger lässt sich das Vorliegen eines Rechtsprinzips argumentieren.318 An anderer Stelle erläutert Dworkin die aus seiner Sicht ideale Methode, um ein mit Rechtsgeltung ausgestattetes Rechtsprinzip zu identifizieren.319 Im Kern sieht Dworkins Idealmodel vor, sich mit dem gesamten existierenden Fachwerk juristischer Institutionen und einschlägiger Rechtsnormen zu befassen und in weiter Folge jenes Prinzip zu suchen, welches das positive Recht bestmöglich moralisch rechtfertigt.320 Dworkin selbst bemerkt jedoch, dass diese Vorgehensweise geradezu übermenschliche Anstrengungen fordert und somit kaum zu erfüllen ist.321 Trotz der bisweilen in der Literatur kritisierten fehlenden Eindeutigkeit322 von Dworkins Ausführungen, lassen sich folgende Kernelemente in Hinblick auf die Geltung von Rechtsprinzipien festhalten: Rechtsprinzipien erlangen ihre Geltung bzw. ihre Eigenschaft, ein Bestandteil des Rechtssystems zu sein, zum einen aufgrund ihres Wesens als moralische Forderungen und zum anderen aus dem Rückhalt von staatlichen Institutionen.323 Nachfolgend wird geprüft, ob auch das Leistungsfähigkeitsprinzip diesen Anforderungen entspricht. 2. Das Leistungsfähigkeitsprinzip als moralisches Gebot mit institutionellem Rückhalt im Sinne von Dworkin? a) Moralphilosophische Wurzeln des Leistungsfähigkeitsprinzips In einem ersten Schritt stellt sich die Frage, ob das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit als ein in der Moralsphäre verwurzeltes Prinzip angesehen werden kann. Durch die Erhebung von Steuern kommt es zu einer grundsätzlich zwangsweisen Übertragung von Vermögen der Steuerpflichtigen auf den Staat, ohne dass diese dafür eine direkte Gegenleistung erhalten.324 Koch hält dazu fest: „Was auf Seiten des Staates als Einnahme verbucht wird, ist auf Seiten der Besteuerten eine Abgabe, 317 Dworkin, Taking Rights Seriously 40; Luf, in: Schilcher/Koller/Funk 138; Pascua, in: Orsi et. al. 28; Tamm, Verbraucherschutzrecht 923. 318 Dworkin, Bürgerrechte ernst genommen 83; Dworkin, Taking Rights Seriously 40; Tamm, Verbraucherschutzrecht 923; Heinold, Die Prinzipientheorie bei Ronald Dworkin und Robert Alexy 92 f. 319 Pascua, in: Orsi et. al. 29; Dworkin, Bürgerrechte ernst genommen 105 ff., 116, 122 ff. 320 Pascua, in: Orsi et. al. 29. 321 Pascua, in: Orsi et. al. 29. 322 Vgl. dazu etwa Schroeder, Das Gemeinschaftsrechtssystem (2002) 101 f. m. w. N. 323 Vgl. dazu instruktiv Pascua, in: Orsi et. al. 28. 324 Koch, Steuern, in: Goppel/Mieth/Neuhäuser (Hrsg.), Handbuch Gerechtigkeit (2016) 451; vgl. zur Funktionsweise von Steuern schon Kapitel 2 A. und die dortigen Nachweise.

E. Der Geltungsgrund des Rechtsprinzips der Leistungsfähigkeit

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deren Tätigung und Umfang nicht ins individuelle Belieben gestellt ist“.325 Deshalb stellt sich auch seitens der Moralphilosophie die Frage, unter welchen Bedingungen eine Besteuerung bzw. die Verteilung der Gesamtsteuerlast auf die Bevölkerung als gerecht angesehen werden kann.326 Das Leistungsfähigkeitsprinzip hat sich dabei in den Disziplinen der Finanz-327 und Rechtswissenschaft328 als ein zentraler Maßstab durchgesetzt, um eine gerechte Verteilung der Steuerlast zu erreichen.329 So hielt auch schon Weston im Jahre 1903 fest, „the question of taxation is part of the larger question of distributive justice“ und die Bezugnahme auf das Leistungsfähigkeitsprinzip „is the best expression that we have of the ethical basis of distributive justice in taxation“.330 Ähnlicher Ansicht ist Tipke, für den das Steuerrecht an sich ein „Gerechtigkeitsrecht par excellence“ darstellt.331 Demnach ist das Steuerrecht „in einzigartiger Weise gerechtigkeitsbedürftig und gerechtigkeitsempfindlich“.332 Im Sinne von Tipke sollte das Steuerrecht daher auch den Kriterien des Leistungsfähigkeitsprinzips gerecht werden.333 Die ideengeschichtlichen Ursprünge des Leistungsfähigkeitsprinzips lassen sich bis in die Antike zurückverfolgen.334 So unterschied schon Aristoteles zwischen Verteilungsgerechtigkeit bzw. austeilender Gerechtigkeit, welche die Gerechtigkeit im Verhältnis des Staates zum Einzelnen behandelt und Austauschgerechtigkeit, welche die Gerechtigkeit der Bürger untereinander betrifft.335 Da das Leistungsfähigkeitsprinzip einen Maßstab für die Verteilung der Gesamtsteuerlast auf die ein325

Koch, in: Goppel/Mieth/Neuhäuser 451. Vgl. dazu etwa Osterloh-Konrad, Zur Legitimation steuerlicher Umverteilung, StuW 2017, 305 (305 ff.); Tipke, in: FS Ruppe 632; Kirchgässner, Moralische Aspekte der Besteuerung, Universität St. Gallen Discussion Paper (2001) 6 ff. m. w. N.; Koch, in: Goppel/ Mieth/Neuhäuser 451, 453. 327 Sturn, in: Theurl/Winner/Sausgruber 321; Neumark, Grundsätze 121 ff.; Musgrave/ Musgrave/Kullmer, Theorie der öffentlichen Finanzen5 II 19 ff.; vgl. auch Tipke, Steuergerechtigkeit 57 m. w. N.; vgl. dazu schon Kapitel 7 B. I.2. und die dortigen Nachweise. 328 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.40 ff.; Beiser, Steuern20 Rz. 6 ff.; EhrkeRabel, elements Steuerrecht4 51; Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 22 ff.; Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht22 Rz. 35 ff.; vgl. auch Tipke, Steuergerechtigkeit 58 m. w. N.; vgl. dazu schon Kapitel 7 B. II. und die dortigen Nachweise. 329 Vgl. etwa Osterloh-Konrad, StuW 2017, 305 ff.; Tipke, Steuergerechtigkeit 57 m. w. N.; Koch, in: Goppel/Mieth/Neuhäuser 453 m. w. N.; Musgrave/MusgraveKullmer, Die öffentlichen Finanzen in Theorie und Praxis5 II 19. 330 Weston, Principles of Justice in Taxation (1903) 14, 171 f. 331 Tipke, in: FS Ruppe 635. 332 Tipke, in FS Ruppe 635 m. w. N., 8. 333 Tipke, Steuergerechtigkeit 57 ff. 334 Bayer, Steuerlehre Rz. 129 m. w. N.; vgl. dazu im Detail Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen 6 ff. m. w. N. 335 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Hofenberg Sonderausgabe, Übersetzt von Adolf Lasson (2016) 107 ff.; Kirchgässner, Moralische Aspekte der Besteuerung 7 und die dortige Fn. 21 m. w. N. 326

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Kap. 7: Die Besteuerungsprinzipien der Gerechtigkeit und Effizienz

zelnen Bürger liefert, stellt dieses Prinzip aus dem Blickwinkel von Aristoteles Gerechtigkeitstheorien eine Form der verteilenden Gerechtigkeit („iustitia distributiva“) dar.336 Das Leistungsfähigkeitsprinzip wird auch innerhalb der Rechtsphilosophie als ein Aspekt der verschiedenen Gerechtigkeitstheorien der Philosophie anerkannt.337 Das Leistungsfähigkeitsprinzip kann somit als ein in der Moralsphäre verwurzeltes Prinzip im Sinne von Dworkin angesehen werden. b) „institutional support“ für das Leistungsfähigkeitsprinzip in Österreich Wie schon unter Kapitel 7 E. II. 1. erläutert, bedarf nach Dworkin ein moralisches Prinzip eines institutionellen Rückhalts, um als „angemessenes“ Rechtsprinzip ein Teil der Rechtsordnung zu werden. Es ist nun zu prüfen, ob das Leistungsfähigkeitsprinzip einen derartigen institutionellen Niederschlag in Österreich genießt. In Österreich nehmen eine Vielzahl von Institutionen auf das Leistungsfähigkeitsprinzip Bezug. Das Leistungsfähigkeitsprinzip wird dabei auch vom VwGH und VfGH schon seit Jahrzehnten zu den verschiedensten Fallkonstellationen aufgegriffen und als Argumentationshilfe verwendet.338 Die Themenbereiche, zu denen dieses Prinzip von den Höchstgerichten herangezogen wird, betreffen etwa die „Wahrung der Steuergerechtigkeit“,339 den Mittelpunkt der Tätigkeiten für ein Arbeitszimmer,340 den Rückstellungsbegriff,341 die Mehrbedarfsrente,342 die Zuordnung von Aufwendungen,343 die Sachbezugsbesteuerung344 und viele andere Sachverhalte.345 336 Tipke, in: FS Ruppe 633; Bayer, Steuerlehre 129; Kirchgässner, Moralische Aspekte der Besteuerung 7 und die dortige Fn. 21; Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen 6 m. w. N. 337 Vgl. etwa Kaufmann, Einführung in die Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart6 (1994) 43; Henkel, Einführung in die Rechtsphilosophie (1977) 398; Radbruch, Rechtsphilosophie8 (1973) 121; vgl. auch die Ausführungen und die zahlreichen Literaturnachweise unter Tipke, Steuergerechtigkeit 58 und die dortige Fn. 92. 338 Vgl. etwa die Judikaturnachweise in den folgenden Fn. sowie die Nachweise unter Ehgartner, in: Kanduth-Kristen et. al., Jakom EStG15 § 2 Rz. 2 f. m. w. N. sowie auch die zitierte Judikatur unter Kirchmayer/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 22 m. w. N.; vgl. dazu auch schon die Kapitel 7 B. II. 2., D. II., sowie D. IV. und die dortige angeführte Judikatur des VfGH. 339 VfSlg 4681/1964; vgl. auch VfSlg 9894/1983. 340 VwGH 27. 5. 1999, 98/15/0100. 341 VwGH 26. 5. 2004, 2000/14/0181. 342 VfSlg 18.031/2006. 343 VwGH 24. 5. 2007, 2006/15/0031. 344 VwGH 19. 9. 2013, 2013/15/0183. 345 Vgl. dazu schon die unter den Kapiteln 7 B. II. 2., D. II., sowie D. IV. angeführte VfGH-Judikatur.

E. Der Geltungsgrund des Rechtsprinzips der Leistungsfähigkeit

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Der VfGH betonte in verschiedenen Erkenntnissen auch ausdrücklich die Maßgeblichkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips für das Einkommensteuerrecht.346 In VfSlg 17.342/2004 bezeichnete das Höchstgericht das Leistungsfähigkeitsprinzip als „tragend“ für die Einkommensteuer.347 In VfSlg 12.940/1991 nannte der VfGH die „Maßgabe der persönlichen Leistungsfähigkeit“ einen „bestimmenden Grundsatz“ für die Einkommensteuer.348 Der VfGH beschrieb das Leistungsfähigkeitsprinzip in VfSlg 18.031/2006 als „Grundlage der Besteuerung“ im Rahmen des EStG.349 Auch der VwGH erkannte im Leistungsfähigkeitsprinzip ein „wesentliches Element“ bzw. ein „wesentliches Merkmal“ der Einkommensteuer.350 Zudem nehmen VfGH und VwGH auch immer wieder Bezug auf Unterprinzipien (wie das objektive Nettoprinzip), welche einen Bestandteil des Leistungsfähigkeitsprinzips darstellen.351 Das Leistungsfähigkeitsprinzip dient in Österreich jedoch nicht nur den Höchstgerichten als Argumentationshilfe, sondern es findet auch rege Verwendung im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses.352 So wird in der Regierungsvorlage zum Budgetbegleitgesetz 1998353 bezüglich der steuerlichen Berücksichtigung von Kindern mehrfach auf das Leistungsfähigkeitsprinzip verwiesen.354 In den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum Materien-Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018355 wird im Zusammenhang mit der Abzugsfähigkeit von außergewöhnlichen Belastungen356 festgehalten: „Die Ertragsteuer ist vom Leistungsfähigkeitsprinzip geprägt. Ein Aspekt des Leistungsfähigkeitsprinzips wird ,subjektives Nettoprinzip‘ genannt“.357 Auch in den Erläuterungen zum Jahressteuergesetz 2018358 wird vor dem Hintergrund der Einführung des sogenannten „Familienbonus Plus“ postuliert: „Das österreichische Einkommensteuersystem ist vom Grundsatz der Leistungsfähigkeit geprägt“.359 Ferner wird das Leistungsfähigkeitsprinzip im 346

VfSlg 18.549/2008; 14.992/1997 m. w. N.; 12.940/1991; 14.071/1995; vgl. auch VfSlg 5740/1968. 347 VfSlg 17.342/2004; der VwGH nennt das Leistungsfähigkeitsprinzip ebenfalls als „tragend“ in VwGH 18. 12. 2008, 2006/15/0053. 348 VfSlg 12.940/1991. 349 VfSlg 18.031/2006. 350 VwGH 22. 3. 2010, 2010/15/0005; 27. 5. 1999, 98/15/0100; 8. 10. 1998, 97/15/0073. 351 Vgl. etwa VfSlg 18.783/2009; VwGH 27. 5. 1999, 98/15/0100; vgl. auch VwGH 26. 05. 2004, 2000/14/0181. 352 Vgl. etwa ErlRV 1237 BlgNR 28. GP 50 sowie die weiteren Nachweise zu parlamentarischen Dokumenten in den nachfolgenden Fn. dieses Abschnitts. 353 Budgetbegleitgesetz 1998, BGBl I 79/1998. 354 ErlRV 1099 BlgNR 20. GP 12, 13, 14, 16. 355 Materien-Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018, BGBl I 32/2018. 356 Vgl. dazu § 34 f. EStG. 357 ErlRV 65 BlgNR 26. GP 57. 358 Jahressteuergesetz 2018, BGBl I 62/2018. 359 ErlRV 190 BlgNR 26. GP 1.

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Kap. 7: Die Besteuerungsprinzipien der Gerechtigkeit und Effizienz

Begutachtungsverfahren von einer Vielzahl von Interessengruppen wie der Arbeiterkammer,360 Wirtschaftskammer361 oder der Industriellenvereinigung362 aufgegriffen und in deren Stellungnahmen verwendet.363 Das Leistungsfähigkeitsprinzip scheint des Weiteren in Ausschussberichten364 und anderen parlamentarischen Dokumenten365 auf. Zudem legt die Rechtsprechung des VfGH nahe, dass der Gerichtshof die im einfachen positiven Recht des EStG festgehaltenen „Subprinzipien“ des Leistungsfähigkeitsprinzips wie das objektive Nettoprinzip366 und auch die Steuerpro360 Bundesarbeitskammer, 24/SN-129/ME XXV. GP – Stellungnahme zu Entwurf 6, verfügbar unter https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/SNME/SNME_03923/imfna me_421778.pdf (abgerufen am 6. 3. 2023). 361 WKO-Bundessparte Bank und Versicherung, 3/SN-129/ME XXV. GP – Stellungnahme zu Entwurf 3, verfügbar unter https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/SNME/SNME_ 03847/imfname_421206.pdf (abgerufen am 6. 3. 2023). 362 Industriellenvereinigung, 96/SN-129/ME XXV. GP – Stellungnahme zu Entwurf 20, verfügbar unter https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/SNME/SNME_04035/imfna me_422300.pdf (abgerufen am 6. 3. 2023). 363 Vgl. auch folgende Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen: Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, 32/SN-24/ME XXVI. GP 1, verfügbar unter https://www.parlament.gv. at/PAKT/VHG/XXVI/SNME/SNME_00755/imfname_689540.pdf (abgerufen am 6. 3. 2023); Beiser, 1/SN-262/ME XXV. GP 1, verfügbar unter https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/ XXV/SNME/SNME_07956/imfname_569562.pdf (abgerufen am 6. 3. 2023); Institut für Finanzrecht Universität Wien, 5/SN-239/ME XXI. GP 3, 6, 8, verfügbar unter https://www.parla ment.gv.at/PAKT/VHG/XXI/SNME/SNME_04418/imfname_592736.pdf (abgerufen am 6. 3. 2023); Österreichischer Gewerbeverein, 41/SN-127/ME XVII. GP 3, 5, 10, 12, 36 f., 39, verfügbar unter https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XVII/SNME/SNME_02511/imfname_ 541934.pdf (abgerufen am 6. 3. 2023); vgl. auch Bericht des Rechnungshofes 2013/1 (2013) 131, 153, verfügbar unter https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/III/III_00401/imfna me_296753.pdf (abgerufen am 6. 3. 2023). 364 Vgl. etwa den Bericht vom Ausschuss für Arbeit und Soziales vom 27. 5. 2015 bezüglich der Pendlerverorndung (634 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP), verfügbar unter https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/I/I_00634/fnameo rig_420089.html (abgerufen am 6. 3. 2023). 365 Vgl. etwa die Anfrage der Abgeordneten Kickl, Belakowitsch-Jenewein, Neubauer und Wurm vom 25. 5. 2015 bezüglich Pendlerverordnung und Pendlerrechner (3855/J XXV. GP), verfügbar unter https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_03855/fnameorig_386073. html (abgerufen am 6. 3. 2023); Entschließungsantrag der Abgeordneten Kickl, BelakowitschJenewein, Neubauer und Wurm vom 25. 2. 2015 bezüglich der Pendlerverordnung (901/A(E) XXV. GP), verfügbar unter https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_00901/fnameo rig_385543.html (abgerufen am 6. 3. 2023); Anfrage der Abgebordneten Krainer und Genossinnen und Genossen vom 10. 4. 2017 bezüglich Steuervermeidung durch Firmenkonstrukte (14117/j XXV.GP), verfügbar unter https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_14117/ imfname_671160.pdf (abgerufen am 6. 3. 2023); Stellungnahme des BMI vom 22. 8. 2002 bezüglich „Gebührenstudie“ (4059/AB XXI.GP), verfügbar unter https://www.parlament.gv.at/ PAKT/VHG/XXI/AB/AB_04059/fnameorig_599556.html (abgerufen am 6. 3. 2023); Bundeskanzleramt, Bericht der Bundesregierung betreffend den Abbau von Benachteiligungen von Frauen (2007) 46, verfügbar unter https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIII/III/III_ 00097/imfname_089555.pdf (abgerufen am 6. 3. 2023). 366 VfSlg 19.933/2014; 18.783/2009.

E. Der Geltungsgrund des Rechtsprinzips der Leistungsfähigkeit

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gression367 als eine Exemplifizierung, also einen Ausdruck des Leistungsfähigkeitsprinzips, ansieht. Nach dem VfGH findet sich das Leistungsfähigkeitsprinzip nämlich in der einfachgesetzlichen „Konzeption“ des österreichischen Ertragsteuerrechts wieder.368 Darüber hinaus betont das Höchstgericht auch, dass durch das einfachgesetzliche objektive Nettoprinzip dem Leistungsfähigkeitsprinzip Rechnung getragen wird.369 Somit ergeben sich daraus zumindest Indizien dafür, dass die im einfachen Gesetz festgehaltenen „Subprinzipien“ des Leistungsfähigkeitsprinzips wohl ebenfalls als eine Form des „institutional supports“ nach Dworkin verstanden werden können. Generell ist zu erkennen, dass in Österreich sowohl staatliche Institutionen als auch verschiedene Akteure der Zivilgesellschaft regelmäßig das Leistungsfähigkeitsprinzip aufgreifen und als Argumentationsgrundlage innerhalb des politischen und rechtlichen Diskurses ins Treffen führen. Demnach liegt der von Dworkin für ein Rechtsprinzip geforderte „institutional support“ vor. Im Lichte der bisherigen Ausführungen zum „institutional support“ lässt sich im Sinne von Dworkin auch das Angemessenheitsgefühl des juristischen Berufsstandes und der Öffentlichkeit („sense of appropriateness“) für das Leistungsfähigkeitsprinzip bejahen.370 Wie bereits erläutert, wird das Leistungsfähigkeitsprinzip schon seit Jahrzehnten insbesondere von Höchstgerichten und verschiedensten Akteuren im Rahmen des parlamentarischen Gesetzgebungsprozesses herangezogen. Demnach hat sich für das Leistungsfähigkeitsprinzip ein „Sinn für Angemessenheit“ im Kreise der Juristen und innerhalb der Öffentlichkeit (vertreten durch Parlament, Regierung und Interessenvertretungen) entwickelt. Ein nachfolgendes Zwischenfazit fasst die nach Dworkins Theorien geprüfte Rechtsgeltung des Leistungsfähigkeitsprinzips in Österreich zusammen. c) Zwischenergebnis: Leistungsfähigkeit als moralisches Prinzip mit institutioneller Stützung in Österreich Es wurde gezeigt, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip ein mit der Moralsphäre verbundenes Prinzip darstellt, dessen gedankliche Wurzeln sich bis hin zu Aristoteles Gerechtigkeitstheorien zurückzuverfolgen lassen. Dieses Prinzip wird in Österreich sowohl von staatlichen Akteuren wie dem Parlament und Höchstgerichten als auch von unterschiedlichen Interessengruppen der Zivilgesellschaft regelmäßig als Argumentationshilfe im rechtlichen bzw. politischen Bereich verwendet. Das Leistungsfähigkeitsprinzip hat sich daher im juristischen Berufsstand, vertreten durch Richter sowie in der Öffentlichkeit, verkörpert durch Parlament und Interessens367

Vgl. dazu im Detail Kapitel 11 B. II. VfSlg 19.933/2014; 18.783/2009. 369 VfSlg 19.933/2014 m. w. N. 370 Dworkin, Taking Rights Seriously 40; Heinold, Die Prinzipientheorie bei Ronald Dworkin und Robert Alexy 92 f.; vgl. auch Pascua, in: Orsi et. al. 28 f. 368

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Kap. 7: Die Besteuerungsprinzipien der Gerechtigkeit und Effizienz

vertretungen, durchgesetzt. Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist somit als ein Teil der österreichischen Rechtsordnung anzusehen, obwohl es nicht im positiven Recht normiert ist. Als Endergebnis lässt sich festhalten: Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist aus rechtstheoretischer Sicht ein Rechtsprinzip, welches nach Dworkin auch Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung ist.

III. Die Geltung des Leistungsfähigkeitsprinzips als Rechtsprinzip nach Alexy und Bydlinski 1. Vorbemerkung Wegen der im Schrifttum beanstandeten mangelnden rechtstheoretischen Behandlung des Leistungsfähigkeitsprinzips wird nun in geraffter Form geprüft werden, ob dieses Rechtsprinzip auch aus der Perspektive der Theorien von Alexy und Bydlinski als Teil der österreichischen Rechtsordnung angesehen werden kann. 2. Die Geltung des Leistungsfähigkeitsprinzips nach Alexy371 a) Alexys Ausführungen zur Rechtsgeltung von Prinzipien Alexys Prinzipientheorie behandelt Geltungsfragen nur als ein Randthema und beinhaltet keine allgemeine Geltungstheorie.372 Dennoch tätigt Alexy Aussagen zu den Voraussetzungen der Geltung von Rechtsprinzipien, welche auf ihre Verwertbarkeit in Bezug auf das Leistungsfähigkeitsprinzip geprüft werden können. Alexy erläutert zunächst, dass eine Rechtsordnung, welche nur aus positiven Rechtsregeln besteht, nur zu einer „sehr reduzierten und unvollständigen“ Darstellung des Rechtssystems führt.373 Auch Alexy hält Rechtsprinzipien daher als ein geeignetes Instrument für einen „general attack“ auf den Rechtspositivismus.374 Ähnlich wie Dworkin kommt Alexy zum Schluss, dass die Zugehörigkeit von Rechtsprinzipien zum Rechtssystem bedeutet, dass das Rechtssystem ein gegenüber der Moral offenes System ist.375 Nach Alexy bietet das Verfassungsrecht besonders 371

Zur Geltungsbegründung von Alexy vgl. etwa Luf, in: Schilcher/Koller/Funk 134, vgl. dazu auch Henninger, Menschenrechte und Frieden als Rechtsprinzipien des Völkerrechts (2013) 252 f. m. w. N. 372 Henninger, Menschenrechte und Frieden als Rechtsprinzipien des Völkerrechts 238, 251 f. m. w. N.; Alexy, Theorie der Grundrechte 21; Alexy, Rechtsregeln und Rechtsprinzipien, ARSP Beiheft (1985) Nr. 25, 21; Alexy, Recht, Vernunft, Diskurs 197 f. 373 Alexy, Rechtsregeln und Rechtsprinzipien, ARSP Beiheft Nr. 25, 21; vgl. auch Luf, in: Schilcher/Koller/Funk 134 f. 374 Alexy, Rechtsregeln und Rechtsprinzipien, ARSP Beiheft 25, 22. 375 Alexy, Rechtsregeln und Rechtsprinzipien, ARSP Beiheft 25, 22.

E. Der Geltungsgrund des Rechtsprinzips der Leistungsfähigkeit

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augenfällige Beispiele für die Zugehörigkeit von Rechtsprinzipien zum Rechtssystem, da dort oftmals Prinzipien des „neuzeitlichen Natur- und Vernunftrechts“ normiert sind.376 Prinzipien existieren jedoch überall im Rechtssystem und müssen nicht immer explizit dem positiven Recht angehören.377 Sehr pauschal erklärt Alexy: „Es kann ganz allgemein gesagt werden, dass ein Prinzip immer dann zum Rechtssystem gehört, wenn es mindestens einen Fall gibt, der zu Recht anders entschieden werden könnte, wenn das Prinzip nicht zu beachten wäre. Wenn ein Fall bei Nichtzugehörigkeit eines Prinzips zu Recht anders als bei seiner Zugehörigkeit entschieden werden könnte, kann von einer Bindung des Richters an das Prinzip und von durch das Prinzip begründeten Rechten des Bürgers gesprochen werden. Was den Richter bindet und Rechte des Bürgers begründet, gehört zur Rechtsordnung“.378 Diese Ausführungen werden nun anhand des Leistungsfähigkeitsprinzips in Österreich erprobt. b) Erprobung von Alexy an VfSlg 18.031/2006 Wie schon unter Kapitel 7 D. II. erläutert, ist es in Österreich ständige Rechtsprechung des VfGHs, dass vom Leistungsfähigkeitsprinzip abgewichen werden darf, wenn dafür eine sachliche Rechtfertigung besteht.379 Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist damit zwar einer Abwägung mit anderen Gesichtspunkten zugänglich. Dennoch erfolgt die Besteuerung im Rahmen des EStG grundsätzlich nach Maßgabe des Leistungsfähigkeitsprinzips.380 Als Anschauungsbeispiel zu Alexys obigen Aussagen soll VfSlg 18.031/2006 dienen. Dieses Erkenntnis betraf eine sogenannte „Mehrbedarfsrente“, also Zahlungen zur Deckung eines Mehrbedarfs, der aus einer Behinderung eines Steuerpflichtigen resultierte.381 Der VfGH hatte in diesem Fall die Frage zu beantworten, ob derartige Mehrbedarfsrenten alleine aufgrund ihrer Rechtsform als wiederkehrende Bezüge nach § 29 Z. 1 EStG zu versteuern sind oder mangels eines Zuwachses an Leistungsfähigkeit auf Seiten des Steuerpflichtigen gar nicht der Einkommensteuer unterliegen. Der VfGH prüfte diesen Sachverhalt vor dem Hintergrund des Gleichheitssatzes des Art. 7 B-VG und nutzte dabei das Leistungsfähigkeitsprinzip als Vergleichsmaßstab für seine Erwägungen. Mehrbedarfsrenten, welche der Abdeckung von Mehrkosten beispielsweise aus Unfallschäden dienten, wurden bis zu dem einschlägigen Erkenntnis nach Ansicht 376

Alexy, Rechtsregeln und Rechtsprinzipien, ARSP Beiheft 25, 21 f. Alexy, Rechtsregeln und Rechtsprinzipien, ARSP Beiheft 25, 21. 378 Alexy, Rechtsregeln und Rechtsprinzipien, ARSP Beiheft 25, 21 f. 379 Vgl. etwa Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 22 m. w. N. 380 Vgl. etwa VfSlg 18.549/2008; 14.992/1997 m. w. N.; 12.940/1991; 14.071/1995; vgl. auch VfSlg 5740/1968. 381 Wagner, VfGH: Keine Besteuerung kraft Rentenform von Mehrbedarfsrenten, FJ 2007, 43 (43 ff.). 377

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Kap. 7: Die Besteuerungsprinzipien der Gerechtigkeit und Effizienz

der Finanzverwaltung allein aufgrund ihrer Rechtsform als steuerpflichtige wiederkehrende Bezüge gemäß § 29 Z. 1 EStG qualifiziert.382 In VfSlg 18.031/2006 stellte der VfGH nun klar, dass auch Mehrbedarfsrenten auf der Grundlage des Leistungsfähigkeitsprinzips zu beurteilen sind. So hielt das Höchstgericht fest, dass „eine Besteuerung von wiederkehrenden Bezügen allein auf Grund der Rentenform gleichheitswidrig ist, wenn ihr nicht ein Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit entspricht“. Nach dem VfGH fehlt es bei Mehrbedarfsrenten „an einem solchen Zuwachs an Leistungsfähigkeit“, denn die gezahlten Beträge sollen lediglich den durch die Schädigung verursachten erhöhten Existenzbedarf des Steuerpflichtigen decken – der Steuerpflichtige erhält somit kein zusätzliches disponibles Einkommen und er ist damit in diesem Kontext auch nicht leistungsfähiger als eine nichtbehinderte Person. Derartige Mehrbedarfsrenten steigern daher nicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. „Würde § 29 Z. 1 EStG 1988 sich auf solche Renten beziehen, wäre er wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz verfassungswidrig,“ fasst der VfGH zusammen. Um § 29 Z. 1 EStG keinen gleichheitswidrigen Inhalt zu unterstellen, sind demnach Mehrbedarfsrenten, bei denen kein Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit vorliegt, nicht von dieser Regelung erfasst. Der VfGH sah also keine sachliche Rechtfertigung, um das Leistungsfähigkeitsprinzip in Bezug auf Mehrbedarfsrenten zu durchbrechen. Eine Steuerpflicht für Mehrbedarfsrenten wäre demnach wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz als verfassungswidrig zu qualifizieren. Das Ergebnis des VfGH in VfSlg 18.031/2006 entspricht der ständigen Rechtsprechung des VfGH, wonach das Leistungsfähigkeitsprinzip die Grundlage der Besteuerung im EStG zu sein hat. Nach Alexys Erläuterungen ist ein Prinzip ein Bestandteil des Rechtssystems, wenn bei Wegdenken dieses Prinzips mindestens ein Fall anders entschieden hätte werden können. Dies ist nun an VfSlg 18.031/2006 zu erproben. Wäre das Leistungsfähigkeitsprinzip kein bestimmender Wert für das EStG, so müssten auch die in VfSlg 18.031/2006 einschlägigen Mehrbedarfsrenten nicht nach diesem Prinzip beurteilt werden. Für die Steuerpflicht dieser Renten wäre es demnach gleichgültig, ob sie für den Steuerpflichtigen einen Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit darstellen oder nicht. Folglich müsste auch eine etwaige Gleichheitswidrigkeit des § 29 Z. 1 EStG vom VfGH völlig anders argumentiert werden, da die drohende Verfassungswidrigkeit dieser Regelung ebenfalls mit einem Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip begründet wurde. Ohne die Maßgeblichkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips für das EStG hätte der VfGH somit in diesem Erkenntnis zu einem grundlegend anderen Ergebnis kommen können. Dies trifft im Kern auch auf eine Vielzahl anderer Erkenntnisse zu, in denen der VfGH mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip argumentiert.383

382 383

Wagner, FJ 2007, 43 ff. Vgl. dazu schon Kapitel 7 D. II. sowie D. IV.

E. Der Geltungsgrund des Rechtsprinzips der Leistungsfähigkeit

165

Wörtlich auf Alexys Aussagen umgelegt bedeutet dies, dass in VfSlg 18.031/2006 bei Nichtzugehörigkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips anders als bei Zugehörigkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips entschieden werden könnte. Demnach kann nach Alexy beim Leistungsfähigkeitsprinzip auch „von einer Bindung des Richters an das Prinzip und von durch das Prinzip begründeten Rechten des Bürgers gesprochen werden“. Auch diese Ausführungen können trotz ihrer Allgemeinheit mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip in Einklang gebracht werden. Im Rahmen ihrer ständigen Rechtsprechung sind die Höchstgerichte bzw. der VfGH an das Leistungsfähigkeitsprinzip gebunden. Im Sinne von Alexys Ausführungen haben die Bürger, basierend auf höchstrichterlicher Rechtsprechung, demnach auch ein Recht, grundsätzlich gemäß dem Leistungsfähigkeitsprinzip besteuert zu werden. Wird gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip unsachlich verstoßen, so steht dem Bürger die Berufung auf das Grundrecht des Gleichheitssatzes offen.384 c) Ergebnis Trotz der Unschärfen, die der Allgemeinheit von Alexys Aussagen geschuldet sind, ist nach Alexys Erläuterungen das Leistungsfähigkeitsprinzip als Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung anzusehen. 3. Die Geltung des Leistungsfähigkeitsprinzips nach Bydlinski a) Bydlinskis Ausführungen zur Rechtsgeltung von Prinzipien Wie schon Dworkin und Alexy kritisiert Bydlinski in seinen Erläuterungen zu Rechtsprinzipien den Positivismus.385 Bydlinski vertritt dabei die Ansicht, dass Prinzipien auch unabhängig von einem positivistischen, formalen Akt der Rechtserzeugung ein Bestandteil eines Rechtssystems sein können.386 Auch nach Bydlinski müssen Rechtsprinzipien daher nicht zwingend dem positiven Recht angehören.387 Gemäß dieser Sichtweise kann „bei isolierender Abgrenzung des ,positiven Rechts‘ gegenüber der Moral, das mögliche Maß an rationaler Begründbarkeit im Rechtsdenken bei der Rechtsgewinnung wie bei der Rechtsänderung nicht ausgeschöpft werden“.388 Die von Bydlinski gemeinten Prinzipien sind daher ebenfalls mit der Moralsphäre verwoben, denn sie sind „allgemeine ethische (moralische) Prinzipi384 Dabei wird wiederum sichtbar, dass der Gleichheitssatz durch den Vergleichsmaßstab des Leistungsfähigkeitsprinzips konkretisiert und judizierbar wird, vgl. dazu schon Kapitel 4 B. III. 385 Vgl. dazu instruktiv Luf, in: Schilcher/Koller/Funk 135 f. 386 Luf, in: Schilcher/Koller/Funk 136; Bydlinski, Fundamentale Rechtsgrundsätze 54, 61 ff., 128 ff., 151; Bydlinski, Der Begriff des Rechts 26 ff., 229. 387 Luf, in: Schilcher/Koller/Funk 135 f.; Bydlinski, Fundamentale Rechtsgrundsätze 65; Bydlinski, Der Begriff des Rechts 26. 388 Bydlinski, Fundamentale Rechtsgrundsätze 128 f.

166

Kap. 7: Die Besteuerungsprinzipien der Gerechtigkeit und Effizienz

en“389 und gehören „sowohl zur rechtlichen wie zur moralischen Ordnung“.390 Daher sind nach Bydlinski solche moralischen Prinzipien als rechtlich verbindlich bzw. als in Geltung stehende Rechtsprinzipien zu qualifizieren, „die sich gerade oder doch in erster Linie auf spezifisch positivrechtliches Verhalten, nämlich auf Rechtssetzung und Rechtsanwendung beziehen und die an solches Verhalten bestimmte Anforderungen stellen; ferner solche, die die elementarsten Anforderungen an menschliches Sozialverhalten überhaupt betreffen, so dass sie […] auch mit organisiertem Zwang durchzusetzen sind“.391 An anderer Stelle führt Bydlinski aus, dass jenen „ethisch(moralischen) Prinzipien“ eine Rechtsqualität zukommt, „deren weitgehende Akzeptierbarkeit in rationaler Argumentation aufgewiesen werden kann und die zugleich […] den Inhalt der jeweils ins Auge gefassten Rechtsordnung (gleichgültig auf welcher formalen Stufe) bestimmen“.392 Luf stellt zusammenfassend fest, dass Bydlinski bei der Geltung primär auf „den interpretativen Zusammenhang der Prinzipien mit dem positiven Recht“ abstellt.393 Rechtsprinzipien dienen Bydlinski dabei als „fundamentale Orientierungspunkte bei der Rechtskonkretisierung und der Weiterentwicklung des Rechts“.394 b) Erprobung von Bydlinskis Thesen am Leistungsfähigkeitsprinzip Ähnlich wie Dworkin geht Bydlinski davon aus, dass Rechtsprinzipien in der moralischen Sphäre verwurzelt sind und in ihrem Kern „ethische (moralische) Prinzipien“ darstellen. Unter Kapitel 7 E. II. 2. a) wurde das Leistungsfähigkeitsprinzip bereits als eine Facette der moralphilosophischen Gerechtigkeitstheorien identifiziert. Demnach ist das Leistungsfähigkeitsprinzip auch als ein moralisches Prinzip im Sinne von Bydlinski anzusehen. Ebenfalls zu bejahen ist, dass die Verteilung der Steuerlast gemäß dem Leistungsfähigkeitsprinzip und der Vorgang der Besteuerung als solches die elementaren Anforderungen des menschlichen Sozialverhaltens betrifft. In diesem Zusammenhang ist auf die umfassenden Ausführungen des Kapitels 2 und 3 zu verweisen, in denen detailliert dargestellt wurde, dass Steuern ein zentrales Merkmal des menschlichen Zusammenlebens sind und insbesondere wichtige demokratiepolitische Funktionen im heutigen Steuerstaat erfüllen. Die Sozialwissenschaften beschäftigen sich dabei umfangreich mit den verschiedensten Aspekten der Besteue-

389 390

128. 391

Bydlinski, Fundamentale Rechtsgrundsätze 65. Luf, in: Schilcher/Koller/Funk 135 m. w. N.; Bydlinski, Fundamentale Rechtsgrundsätze

Bydlinski, Fundamentale Rechtsgrundsätze 130; Luf, in: Schilcher/Koller/Funk 135. Bydlinski, Fundamentale Rechtsgrundsätze 65. 393 Luf, in: Schilcher/Koller/Funk 135; vgl. dazu auch Bydlinski, Der Begriff des Rechts 27, 29, 229. 394 Bydlinski, Fundamentale Rechtsgrundsätze 65. 392

E. Der Geltungsgrund des Rechtsprinzips der Leistungsfähigkeit

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rung, die von Steuergerechtigkeit über soziale Ungleichheit bis hin zu staatswissenschaftlichen Dimensionen reichen.395 Eine weitere Voraussetzung für die Geltung eines Prinzips stellt für Bydlinski der interpretative Bezug zur „Rechtssetzung und Rechtsanwendung“ des positiven Rechts dar. Auch diese Bedingung kann unter Verweis auf die Ausführungen unter Kapitel 7 E. II 2. bejaht werden. Sowohl Akteure der Legislative als auch der Exekutive ziehen das Leistungsfähigkeitsprinzip in verschiedensten Fallkonstellationen zur Untermauerung ihrer Argumente heran. c) Ergebnis Nach Bydlinskis Erläuterungen ist das Leistungsfähigkeitsprinzip als der österreichischen Rechtsordnung zugehörig anzusehen.

IV. Ergebnis zur Rechtsgeltung des Leistungsfähigkeitsprinzips Um einen Beitrag zu der in Österreich jahrzehntelang anhaltenden Diskussion über das Leistungsfähigkeitsprinzip zu erbringen, widmete sich dieser Abschnitt detailliert der Rechtsgeltung dieses Prinzips aus dem Blickwinkel von drei bedeutenden rechtstheoretischen Autoren. Dabei wurde festgestellt, dass die Rechtsgeltung des Rechtsprinzips der Leistungsfähigkeit nach den Werken von Dworkin, Alexy und Bydlinski bejaht werden kann. Nach Dworkin muss für die Rechtsgeltung eines Rechtsprinzips eine moralische Dimension und eine Anerkennung bzw. institutionelle Stützung des Prinzips durch Gerichte, Parlament und Öffentlichkeit vorliegen. Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist ein anerkanntes Moralprinzip der „iustitia distributiva“ und wird in Österreich seit Jahrzehnten von Gerichten und verschiedenen anderen staatlichen Akteuren für den juristischen und politischen Diskurs herangezogen. Nach Dworkin ist das Rechtsprinzip der Leistungsfähigkeit somit ein Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung. Alexys Prinzipientheorie beinhaltet keine detaillierten Aussagen zur Rechtsgeltung. Für Alexy gehört ein Rechtsprinzip bereits dann zur Rechtsordnung, „wenn es mindestens einen Fall gibt, der zu Recht anders entschieden werden könnte, wenn das Prinzip nicht zu beachten wäre“. Auch dies kann für das Leistungsfähigkeitsprinzip bejaht werden. Nach Bydlinski kommt es bei der Rechtsgeltung von Prinzipien auf deren moralische Natur, ihre Bedeutsamkeit für das menschliche Verhalten und – ähnlich wie 395 Vgl. statt vieler Liebig/Mau, Wann ist ein Steuersystem gerecht?, ZfS 2005, 468 (468 ff.); Martin/Prasad, Taxes and Fiscal Sociology, Annual Review of Sociology 2014, 331 (331 ff.); Huhnholz, in: Boysen/Kaiser/Meinel 175 ff.

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Kap. 7: Die Besteuerungsprinzipien der Gerechtigkeit und Effizienz

nach Dworkin – auf den interpretativen Zusammenhang mit dem positiven Recht an. Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen liegt die Rechtsgeltung des Leistungsfähigkeitsprinzips auch nach Bydlinskis Theorien vor.

F. Ergebnis Das OECD-Besteuerungsprinzip der Gerechtigkeit findet seinen Niederschlag in Österreich im Leistungsfähigkeitsprinzip. Das Leistungsfähigkeitsprinzip entspricht aus rechtstheoretischer Sicht einem abwägungsfähigen Rechtsprinzip. Trotz fehlender ausdrücklicher positivrechtlicher Normierung ist das Rechtsprinzip der Leistungsfähigkeit nach unterschiedlichen rechtstheoretischen Zugängen als ein Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung anzusehen. Das OECD-Besteuerungsprinzip der Effizienz findet sich im verfassungsrechtlichen Effizienzprinzip wieder, dessen Primärquelle der Art. 126b (5) B-VG ist. Das Effizienzprinzip entspricht aus rechtstheoretischer Sicht einem abwägungsfähigen Rechtsprinzip und findet seine Rechtsgrundlage im positiven Recht.

Kapitel 8

Das Besteuerungsprinzip der Effizienz für mitwirkungspflichtige Dritte und den Steuerpflichtigen selbst A. Effizienz für mitwirkungspflichtige Dritte I. Vorbemerkung Dieser Abschnitt widmet sich dem zweiten Aspekt des OECD-Besteuerungsprinzips der Effizienz – der Effizienz für den abzugspflichtigen Dritten. Es geht hierbei also um die Geringhaltung jener Compliance-Kosten, welche dem Dritten bei der Abfuhr der Steuer für den eigentlichen Steuerpflichtigen anfallen.1 Eine Norm, die sinngemäß dem Effizienzprinzip gleicht und ausdrücklich eine ökonomische Effizienz der Steuerabfuhr von Inpflichtgenommenen privaten Dritten vorschreibt, existiert in Österreich nicht. Es gibt jedoch in der Judikatur des VfGH Anhaltspunkte, welche eine gewisse Tendenz in diese Richtung erkennen lassen. Die nachfolgenden Abschnitte gehen der Frage nach, ob hierbei schon von einem Rechtsprinzip der Effizienz für Dritte bei der Steuererhebung gesprochen werden kann.

II. Historischer Ursprung und Zweck der Mitwirkungspflichten Dritter im Steuerrecht Die Erhebung von Steuern gehört zu den staatlichen Kernaufgaben und wird grundsätzlich von der Finanzverwaltung durchgeführt.2 Der für diese Untersuchung relevante Fall ist die Inpflichtnahme eines Privaten durch den Staat für die Erhebung und Abfuhr der Einkommensteuer an der Quelle des Einkommens mit anschließender Abfuhr an den Fiskus.3 Angesprochen ist dabei der sogenannte Quellensteuerabzug, durch welchen direkt am Ursprung der wirtschaftlichen Leistungsfä1

Vgl. dazu schon Kapitel 7 C. I. 2. Schuch, Erhebung von Quellensteuern als „Ausgliederung“ der Steuererhebung, in: Michael Lang/Schuch/Staringer (Hrsg.), Quellensteuern: Der Steuerabzug bei Zahlungen an ausländische Empfänger (2010) 179. 3 Schuch, in: Lang/Schuch/Staringer 179 f. 2

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Kap. 8: Das Besteuerungsprinzip der Effizienz für mitwirkungspflichtige Dritte

higkeit angeknüpft wird und die Steuer der Steuerpflichtigen von einem Dritten abgeführt wird.4 Die Mitwirkung von Privaten an der Steuererhebung hat im Abgabenwesen eine lange Tradition und ist mit der Geschichte der Einkommensteuer verbunden.5 So entwickelte sich der Quellensteuerabzug des Arbeitgebers auch ausgehend von der britischen Einkommensteuer aus dem Jahre 1803.6 Hervorzuheben ist, dass als die ursprüngliche historische Motivation für die Entwicklung einer Quellenbesteuerung primär der Schutz der Privatsphäre des Bürgers gilt.7 So sollte der Steuerabzug die Steuerzahler vor einer „inquisitorischen Ausforschung“ und einem „Spionagesystem“ schützen und so die „finanzwirtschaftliche Privatsphäre“ bewahren.8 Die Quellenbesteuerung bewirkt aber auch eine vereinfachte und zeitnahe Besteuerung, welche maßgeblich zur Sicherung der Steuereinnahmen des Staates beiträgt.9 Zudem dient der Quellensteuerabzug auch der Gleichheit und Allgemeinheit der Besteuerung, da er ein für den Bürger möglichst unausweichliches Steuerrecht gewährleistet.10 Das Verfahren des Quellensteuerabzuges stellt daher heute, trotz vermehrter Kritik aufgrund seiner steigenden Komplexität, einen fixen Bestandteil zahlreicher moderner Steuersysteme dar.11

III. Mitwirkungspflicht Dritter im österreichischen Steuerrecht 1. Lohn- und Kapitalertragsteuerabzug Nach ständiger Rechtsprechung des VfGH ist es dem Gesetzgeber in Österreich erlaubt, Personen, die formal am eigentlichen Steuerschuldverhältnis unbeteiligt sind, Mitwirkungspflichten bezüglich der Steuerabfuhr aufzuerlegen.12 Der abzugspflichtige Private übt jedoch keine Hoheitsgewalt aus und es kommt zu keiner Änderung der Zuständigkeit, wodurch die Finanzbehörden auch im Zusammenhang 4

Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht23 § 7 Rz. 7.27. Die nachfolgende Darstellung orientiert sich an den umfangreichen, mit zahlreichen Literaturquellen belegten, Ausführungen zum geschichtlichen Hintergrund des Quellensteuerabzuges in Gregor Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren (2005) 72 ff.; vgl. auch Schuch, in: Lang/Schuch/Staringer 179 f. m. w. N. 6 Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers 75. 7 Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers 90. 8 Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers 90 f. 9 Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers 75 f., 90 f.; Schuch, in: Lang/Schuch/ Staringer 181 f. 10 Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers 90 f. 11 Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers 87 ff.; Gregor Kirchhof, Die Überforderung der Arbeitgeber durch den Lohnsteuerabzug, FinanzRundschau 2015, 773 (773 ff.). 12 Vgl. etwa VfSlg 15.773/2000 m. w. N.; vgl. auch Marschner, in: Kanduth-Kristen et. al., Jakom EStG15 § 93 Rz. 8; Schuch, in: Lang/Schuch/Staringer 181 f. 5

A. Effizienz für mitwirkungspflichtige Dritte

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mit dem Quellensteuerabzug zuständiges Organ für die Abgabenerhebung bleiben.13 Nach herrschender Ansicht übt der verpflichtete Dritte im Rahmen des Steuervollzugs eine Hilfsfunktion aus, wobei sich seine zentralen Pflichten auf die Berechnung, den Abzug und die Abfuhr der Steuer an den Staat belaufen.14 Für die Erfüllung dieser Pflichten bestehen für den Dritten in der Regel auch Haftungspflichten.15 Als Ziele dieses Quellensteuerabzuges gelten heute in Literatur und Judikatur vor allem die Sicherung der Einbringlichkeit der Abgaben und die Vereinfachung der Steuererhebung.16 Prominente Beispiele für den Quellensteuerabzug sind in Österreich vor allem der Lohnsteuerabzug des Arbeitsgebers und der Kapitalertragsteuerabzug der abzugspflichtigen Stellen.17 Im Folgenden werden die Grundzüge des Lohnsteuer- und Kapitalertragsteuerabzuges des österreichischen EStG dargestellt und die einschlägige höchstrichterliche Judikatur erläutert. Konkret bewirkt der Lohnsteuerabzug, dass die Einkommensteuer bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit grundsätzlich monatlich direkt durch den Arbeitgeber mittels Abzug vom Arbeitslohn erhoben und an den Staat abgeführt wird (§§ 47 ff. EStG).18 Der Arbeitnehmer bleibt zwar der Steuerschuldner, ihn treffen jedoch in der Regel keine Veranlagungspflichten aus seinen Einkünften aus dem Dienstverhältnis mehr.19 Der Arbeitgeber haftet hingegen für die korrekte Berechnung, Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer (§§ 78, 79, 82 EStG).20 Der Kapitalertragsteuerabzug ähnelt dem Lohnsteuerabzug.21 So wird die Einkommensteuer von bestimmten inländischen Einkünften aus Kapitalvermögen durch Quellensteuerabzug der inländischen auszahlenden bzw. depotführenden Stelle an den Staat erhoben (§ 93 EStG). Die Steuer auf den Kapitalertrag ist damit für den Steuerpflichtigen in der Regel abgegolten und braucht nicht mehr veranlagt werden (§ 93 Abs. 1a EStG). Wie bei der Lohnsteuer bleibt der Empfänger der Kapitalerträge der eigentliche Steuerschuldner, wohingegen der Abzugsverpflichtete für die richtige Einbehaltung und Entrichtung an den Staat haftet (§ 95 Abs. 1 und Abs. 2 EStG).22

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Schuch, in: Lang/Schuch/Staringer 180. Schuch, in: Lang/Schuch/Staringer 179. 15 Vgl. etwa § 82 f. EStG. 16 VfSlg 11.942/1988; Schuch, in: Lang/Schuch/Staringer 179, 181 f. 17 Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 130, 146 ff.; Kirchmayer/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 727 ff., 749 ff. 18 Kirchmayer/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 727. 19 Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 125. 20 Kirchmayer/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 729. 21 Vgl. im Detail Kirchmayer/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 749. 22 Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers 72. 14

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Kap. 8: Das Besteuerungsprinzip der Effizienz für mitwirkungspflichtige Dritte

2. Ausdifferenzierung der Grenzen von Mitwirkungspflichten Dritter Mittlerweile lassen sich aus der Judikatur des VfGH zur Mitwirkungspflicht Dritter bei der Abgabenerhebung recht detaillierte Grenzen dieser Pflichten erkennen. Den Ursprung dieser Grenzen sieht die Judikatur und Literatur im Gleichheitssatz des Art. 7 B-VG selbst.23 Wie schon im vorangegangenen Abschnitt erwähnt, hegt der VfGH gegen die Inpflichtnahme von Dritten bei der Steuerabfuhr an den Staat keine grundsätzlichen Bedenken.24 Jedoch kann der Gesetzgeber an einen privaten Dritten nicht völlig unbeschränkt beliebig viele Pflichten, welche mit der Abgabenerhebung zusammenhängen, überwälzen.25 Denn, wenn der Gesetzgeber einem am Steuerschuldverhältnis formal unbeteiligten Dritten weitreichende Mitwirkungspflichten auferlegt, sodass der eigentliche Steuerschuldner bzw. Primärschuldner „gegen seinen Willen praktisch nicht mehr in Anspruch genommen“ werden kann, dann braucht die Ausgestaltung dieser Inpflichtnahme eine sachliche Rechtfertigung.26 Die konkreten Schranken, welchen die Ausgestaltung von derartigen Mitwirkungspflichten bei der Steuerabfuhr unterliegen, wurden vom VfGH im Erkenntnis VfSlg 15.773/2000 zur Spekulationsertragsteuer dargelegt.27 Diese Entscheidung gilt als der „leading case“ zu den Möglichkeiten und Grenzen der Ausgestaltung von Mitwirkungspflichten Dritter bei der Steuererhebung und wird sogleich noch detaillierter behandelt werden.28 Für die Zulässigkeit von Mitwirkungspflichten Dritter ergeben sich aus der Judikatur des VfGH für den Gesetzgeber im Wesentlichen zwei Grenzen: zum einen in Bezug auf den betroffenen Personenkreis und zum anderen eine inhaltliche Schranke bezüglich des Ausmaßes der konkreten Pflichten.29

23 VfSlg 15.773/2000; Schuch, in: Lang/Schuch/Staringer 188; Damjanovic, Der verfassungsrechtliche Rahmen für die Umsetzung besonderer Verbraucherschutzbestimmungen – am Beispiel von § 77 EIWOG und § 26 Abs. 2 VZKG, in: Reiffenstein/Blaschek (Hrsg.), Konsumentenpolitisches Handbuch 2017 (2017) 142, 144; wohl auch Mayr, Haftung für Abgabenverbindlichkeiten Dritter, ÖZW 2001, 102 (102 ff.); vgl. dazu auch den folgenden Abschnitt. 24 Vgl. etwa VfSlg 10.213/1984; 15.773/2000 m. w. N. 25 Vgl. dazu etwa Ehrke-Rabel, Verfassungsrechtliche Aspekte der Immobilienbesteuerung, in: Ehrke-Rabel/Niemann (Hrsg.), Spezialfragen der Immobilienbesteuerung (2014) 117 f.; vgl. auch Schuch, in: Lang/Schuch/Staringer 188. 26 VSlg 15.773/2000 m. w. N. 27 VfSlg 15.773/2000; vgl. auch 2896/1955; 5318/1966; 6425/1971; 11.771/1988; 11.921/ 1988; 13.583/1993; 10.403/1985; 11.942/1988; 12.572/1988; 16.808/2003; vgl. dazu auch die Darstellung von Damjanovic, in: Reiffenstein/Blaschek 144 m. w. N. sowie Schuch, in: Lang/ Schuch/Staringer 182 ff. 28 Schuch, in: Lang/Schuch/Staringer 183. 29 VfSlg 15.773/2000; 2896/1955; 5318/1966; 11.771/1988; 11.921/1988; 13.583/1993; 10.403/1985; 11.942/1988; 12.572/1988; vgl. dazu die Darstellung von Schuch, in: Lang/ Schuch/Staringer 182 ff.; vgl. auch Damjanovic, in: Reiffenstein/Blaschek 144 f.

A. Effizienz für mitwirkungspflichtige Dritte

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Für eine gleichheitskonforme Ausgestaltung von Mitwirkungspflichten Dritter bedarf es laut VfGH als Erstes der Zurechnung zu einem sachlich gerechtfertigten Personenkreis. Eine Inpflichtnahme eines Dritten durch den Steuergesetzgeber ist nämlich nur dann sachgerecht, wenn zwischen dem Abgabenschuldner, also dem Primärschuldner, und dem Mitwirkungspflichtigen eine „qualifizierte Beziehung rechtlicher oder wirtschaftlicher Art besteht“, welche es rechtfertigt, gerade diesen Entrichtungspflichtigen für die Steuerabfuhr heranzuziehen.30 Laut VfGH kann diese „qualifizierte Beziehung“ ihre Begründung etwa im steuerschuldbegründenden Verhältnis von Primärschuldner und Dritten finden oder darin liegen, dass der Mitwirkungspflichtige leichten Zugang zu den Bemessungsgrundlagen der Steuer hat oder in sonstigen Umständen, welche eine Inpflichtnahme gerade dieser Person rechtfertigen. Hingegen wäre es nach VfSlg 5318/1966 unsachlich, einer Person Mitwirkungspflichten für Angelegenheiten aufzubürden, die völlig außerhalb ihrer Interessens- und Einflusssphäre liegen.31 In dieser besonderen Beziehung des mitwirkungspflichtigen Dritten zum Steuerschuldner liegt somit die erste Schranke für den Gesetzgeber bei der Inpflichtnahme Privater bei der Steuerabfuhr. Bei der Überwälzung von Mitwirkungspflichten unterliegt der Gesetzgeber jedoch nicht nur personellen, sondern auch inhaltlichen Grenzen. So rechtfertigt eine qualifizierte Beziehung zwischen Steuerschuldner und Drittem alleine es nicht, Mitwirkungspflichten „jedweden Inhaltes und jedweder Intensität aufzuerlegen“.32 Vielmehr müssen, und dies stellt die zweite Schranke dar, die Mitwirkungspflichten des Dritten ins Verhältnis zur Qualität und zum Umfang der zum Steuerschuldner bestehenden Beziehungen gesetzt werden.33 Besteht also für den Mitwirkungspflichtigen ein erheblicher Aufwand für die Beschaffung der zum Steuerabzug notwendigen Daten, so kann dies nur bei Vorliegen besonderer Umstände gerechtfertigt sein.34 Je höher der Aufwand des Dritten bei der Steuerabfuhr ist, desto enger bzw. „qualifizierter“ muss die Beziehung zum Primärschuldner der Steuern sein.35 Um im Sinne des Gleichheitssatzes rechtfertigbar zu sein, müssen die Mitwirkungspflichten demnach in einer angemessenen Relation zu der Beziehung zwischen Abzugspflichtigen und Steuerschuldner stehen.36 Diese Prüfungsschritte wandte der VfGH auch konkret bei seiner Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der Spekulationsertragssteuer an.37 In diesem Erkenntnis 30 VfSlg 15.773/2000 m. w. N.; Ehrke-Rabel, in: Ehrke-Rabel/Niemann 117 f.; vgl. auch Schuch, in: Lang/Schuch/Staringer 182. 31 VfSlg 5318/1966. 32 VfSlg 15.773/2000. 33 Vgl. etwa die Darstellung in Ehrke-Rabel, in: Ehrke-Rabel/Niemann 117 f. 34 VfSlg 15.773/2000; Ehrke-Rabel, in: Ehrke-Rabel/Niemann 118; Schuch, in: Lang/ Schuch/Staringer 183; vgl. auch Damjanovic, in: Reiffenstein/Blaschek 144. 35 VfSlg 15.773/2000; Schuch, in: Lang/Schuch/Staringer 182. 36 Ehrke-Rabel, in: Ehrke-Rabel/Niemann 117 f.; Schuch, in: Lang/Schuch/Staringer 184. 37 VfSlg 15.773/2000.

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Kap. 8: Das Besteuerungsprinzip der Effizienz für mitwirkungspflichtige Dritte

hatte der VfGH die Verfassungskonformität einer Steuerabzugspflicht von Banken auf Gewinne aus dem Verkauf von spekulationsverfangenen Wertpapieren zu beurteilen. Die in Frage stehende Regelung verpflichtete die Kreditinstitute selbst dann zum Quellensteuerabzug, wenn der Steuerpflichtige die Anschaffung bzw. Veräußerung der Wertpapiere nicht über die depotführende Bank abwickelte.38 Einschlägige Fälle für den Steuerabzug der Banken waren daher etwa der Privatverkauf der Wertpapiere ohne Involvierung des depotführenden Kreditinstitutes oder auch Fälle, bei denen die Wertpapiere vom Steuerpflichtigen schon zeitlich vor der Depoteröffnung angeschafft wurden und der Erwerb dieser Wertpapiere nicht über die depotführende Bank lief.39 Zudem war ein Quellensteuerabzug auch bei einer Depotentnahme der Wertpapiere vorgesehen. Der VfGH stellte dazu fest, dass den Kreditinstituten die Abzugspflicht auch in Konstellationen auferlegt wurde, bei denen die für den Steuerabzug notwendigen Informationen wie Anschaffungszeitpunkt, Veräußerungszeitpunkt, Anschaffungskosten und Veräußerungspreis nur teilweise oder überhaupt gar nicht zur Verfügung standen, da sich die Informationen in der Sphäre des Steuerschuldners bzw. Primärschuldners befanden. Um den Quellensteuerabzug zu bewerkstelligen, müssten die Banken daher die dazugehörigen Daten selbst in einer „vermutlich arbeitsintensiven“ Art und Weise recherchieren, wobei jedoch nicht gewährleistet war, dass diese „in der erforderlichen Eindeutigkeit erlangt werden können“. Der VfGH kam zu dem Schluss, dass die Intensität der rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen eigentlichem Steuerschuldner und der Bank nicht ausreichte, um die eben beschriebenen umfassenden Mitwirkungspflichten sachlich zu rechtfertigen. Somit waren die Mitwirkungspflichten für den Dritten hinsichtlich der bei Depotgeschäften nur losen Beziehung zum Steuerschuldner in einem unangemessenen Missverhältnis und damit verfassungswidrig. In VfSlg 15.733/2000 scheiterte der Gesetzgeber bei der Regelung der Inpflichtnahme Dritter, also konkret an der weiter oben erläuterten zweiten inhaltlichen Schranke.40 Zusammenfassend liegen die Grenzen der Zulässigkeit der Inpflichtnahme Dritter bei der Steuererhebung also einerseits in der notwendigen qualifizierten Beziehung von Dritten und Primärschuldner, andererseits im angemessenen Verhältnis von den Mitwirkungspflichten und der Beziehung von Dritten und Steuerschuldner. Wird eine dieser beiden Schranken nicht erfüllt, so stellt dies einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 7 B-VG dar.41

38 Vgl. dazu auch Stangl, Heranziehung der Kreditinstitute zur Einhebung der SpESt verfassungswidrig, ecolex 2000, 672 (672 ff.). 39 Stangl, ecolex 2000, 672 (674). 40 Vgl. dazu die Darstellung in Schuch, in: Lang/Schuch/Staringer 183. 41 VfSlg 15.773/2000; Schuch, in: Lang/Schuch/Staringer 188.

A. Effizienz für mitwirkungspflichtige Dritte

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3. Die Grenzen von Mitwirkungspflichten Dritter und das Sachlichkeitsgebot des Gleichheitssatzes Bisher wurde die inhaltliche Beschaffenheit der Grenzen der Inpflichtnahme Dritter anhand der Judikatur des VfGHs dargestellt. Nun stellt sich für die weitere Untersuchung die Frage, ob diese Grenze in einer konkreten Norm der österreichischen Rechtsordnung zu verorten ist. Eine Antwort darauf liefert abermals der VfGH in dem Erkenntnis zur Spekulationsertragsteuer.42 In diesem Erkenntnis erläuterte das Höchstgericht, dass dem Gesetzgerber bei der Regelung von Haftungsund Abfuhrpflichten Dritter „durch Art. 7 B-VG […] eine Grenze gezogen“ wird. Demnach stellt laut dem Gerichtshof die Schranke für die Normierung der Inpflichtnahme Dritter der Gleichheitssatz des Art. 7 B-VG selbst dar. In diesem Sinne hält auch Schuch fest, dass die Grenzen für Abzugspflichten von Dritten im Gleichheitssatz zu finden sind.43 Präziser gesprochen handelt es sich, wie nachfolgend gezeigt werden wird, bei der konkreten Grenze für die Normierung dieser Mitwirkungspflichten um das allgemeine Sachlichkeitsgebot44 des Art. 7 B-VG.45 Das Sachlichkeitsgebot setzt dem Gesetzgeber „inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen“.46 Das Sachlichkeitsgebot wird damit in der Literatur auch als eine „nichtkomporative Bedeutungsschicht“ des Gleichheitssatzes angesehen, da es bestimmte Normen als solche für unsachlich erklärt und damit nicht ausschließlich auf eine Gleich- oder Ungleichbehandlungen abstellt.47 Gemäß Pöschl ist die Entscheidungspraxis des VfGH in Bezug auf das Sachlichkeitsgebot nicht homogen und kann in mehrere Gruppen eingeteilt werden.48 Bei einer dieser Entscheidungsgruppen werden aus dem Sachlichkeitsgebot bereichsspezifische „Rechtsgrundsätze“ entnommen, welche dem Gesetzgeber gewisse Grenzen setzen.49 Die Schranken für den Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Mitwirkungspflichten Dritter fallen unter eben diese Entscheidungsgruppe der Judikatur zum 42

VfSlg 15.773/2000. Schuch, in: Lang/Schuch/Staringer 181, 184, 188; in diesem Sinne auch Damjanovic, in: Reiffenstein/Blaschek 142, 144; Stangl, ecolex 2000, 672 ff.; wohl auch Mayr, Haftung für Abgabenverbindlichkeiten Dritter, ÖZW 2001, 102 (102 f.); vgl. dazu auch Schlager, Die verfassungsrechtlichen Grenzen für die Ausgliederung der Abgabeneinhebung – Teil I, ÖStZ 2007, 21 (22 ff.). 44 Vgl. dazu schon Kapitel 4 B. III. 45 Schuch, in: Lang/Schuch/Staringer 181,184; vgl. dazu auch Mayr, ÖZW 2001, 109 f.; vgl. auch Stangl, ecolex 2000, 672. 46 VfSlg 11.369/1987 m. w. N.; Pöschl, Gleichheit vor dem Gesetz 219 f. m. w. N.; vgl. Pöschl, in: Merten/Papier/Kucsko-Stadlmayer (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte2 (2014) § 14 Rz. 36 m. w. N.; Pöschl, Gleichheit vor dem Gesetz 219 ff. m. w. N. 47 Pöschl, in: Merten/Papier/Kucsko-Stadlmayer, Handbuch der Grundrechte2 § 14 Rz. 36 m. w. N.; vgl. auch Pöschl, Gleichheit vor dem Gesetz 219 ff. 48 Vgl. dazu im Detail Pöschl, in: Merten/Papier/Kucsko-Stadlmayer § 14 Rz. 37 ff. 49 Pöschl, in: Merten/Papier/Kucsko-Stadlmayer, Handbuch der Grundrechte2 § 14 Rz. 39. 43

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Kap. 8: Das Besteuerungsprinzip der Effizienz für mitwirkungspflichtige Dritte

Sachlichkeitsgebot.50 Nach Pöschl werden nämlich bei dieser Gruppe aus dem Sachlichkeitsgebot für die verschiedensten Rechtsbereiche „konkrete Rechte“, „Rechtsgrundsätze“ oder „Prinzipien“ abgeleitet, in welche ein Eingriff dem Gesetzgeber verwehrt ist.51 Als Beispiel eines dieser „bereichsspezifischen Rechtsgrundsätze“ wird von Pöschl das bereits schon unter Kapitel 8 A. III. 2. erwähnte Erkenntnis VfSlg 5318/1966 herangezogen.52 Dort stellte der VfGH fest, dass es dem Sachlichkeitsgebot widerspricht, wenn jemand verhalten wird, für Umstände einzustehen, die völlig außerhalb seiner Interessen- und Einflusssphäre liegen. Insbesondere auf eben diese Entscheidung beruft sich auch der VfGH, wenn er im Erkenntnis zur SPESt seine Rechtsprechungslinie zu den Schranken der Mitwirkungspflichten Dritter darlegt.53 Im Sinne von Pöschl stellen also die unter Kapitel 8 A. III. 2. beschriebenen Grenzen des Gesetzgebers für die Inpflichtnahme Dritter einen „bereichsspezifischen Rechtsgrundsatz“ dar, welcher innerhalb des Sachlichkeitsgebotes des Gleichheitssatzes von Art. 7 B-VG zu verorten ist.54 Zu beachten ist, dass der Gleichheitssatz bzw. das Sachlichkeitsgebot, wie schon unter Kapitel 4 B. III. erörtert, eine Blankettnorm darstellt und daher darauf angewiesen ist, mit konkreten Maßstäben und Werten aufgefüllt zu werden. Genau dies ist hier geschehen. Das Sachlichkeitsgebot besagt lediglich, dass Normen für sich sachlich bzw. nicht unsachlich sein müssen – es fehlen damit jegliche Bezugspunkte für eine Entscheidung.55 Um zu einem Ergebnis zu gelangen, hat sich der VfGH im Sinne Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stögers daher bei der Sachlichkeitsprüfung im SPESt-Erkenntnis an Werten orientiert, deren Ursprung „außerhalb des positiven Rechts“ liegt.56 Diese Werte waren wiederum ökonomisch geprägt, da sie darauf abzielten, einen zu „arbeitsintensiven“ und kostspieligen Verwaltungsaufwand für den Dritten bei der Steuerabfuhr zu verhindern.57 Genau dieses Ziel verfolgt auch der in diesem Abschnitt einschlägige Aspekt des OECD-Besteuerungsprinzips der Effizienz.58 Im Ergebnis wurde das Sachlichkeitsgebot also inhaltlich mit der originär finanzwissenschaftlichen Wertung einer kostensparenden Steuererhebung für den Dritten ausgefüllt, um daraus zwei konkrete Grenzen für den Gesetzgeber zu erschaffen. Unter Kapitel 4 B. III. wurde schon erläutert, dass der Gleichheitssatz auch zur Rechtsgrundlage von Rechtsprinzipien werden kann. Inwiefern dies in diesem Fall 50

Pöschl, in: Merten/Papier/Kucsko-Stadlmayer, Handbuch der Grundrechte2 § 14 Rz. 39. Pöschl, in: Merten/Papier/Kucsko-Stadlmayer, Handbuch der Grundrechte2 § 14 Rz. 39. 52 Pöschl, in: Merten/Papier/Kucsko-Stadlmayer, Handbuch der Grundrechte2 § 14 Rz. 39. 53 VfSlg 15.773/2000. 54 Pöschl, in: Merten/Papier/Kucsko-Stadlmayer, Handbuch der Grundrechte2 § 14 Rz. 39; Schuch, in: Lang/Schuch/Staringer 184, 188. 55 Vgl. dazu im Detail Kapitel 4 B. III. und die dortigen Nachweise. 56 Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11 Rz. 1360. 57 VfSlg 15.773/2000. 58 Vgl. dazu Kapitel 7 C. I. 2. 51

A. Effizienz für mitwirkungspflichtige Dritte

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tatsächlich zutrifft, wird nachfolgend im Rahmen einer rechtstheoretischen Analyse erörtert.

IV. Rechtstheoretische Analyse der Grenzen der Mitwirkungspflichten Nachdem die Grenzen der Mitwirkungspflichten Dritter – und damit ein Aspekt des OECD-Besteuerungsprinzips der Effizienz – in den vorigen Abschnitten nach der Rechtsprechung des VfGH und der einschlägigen Literatur im Gleichheitssatz verortet wurden und diese inhaltlich auch definiert worden sind, stellt sich nun die Frage nach deren rechtstheoretischer Natur. Im Folgenden ist also zu klären, ob es sich bei dieser Grenze der Inpflichtnahme Dritter um ein Rechtsprinzip oder eine Rechtsregel handelt. Wie schon im vorigen Abschnitt erläutert, stellen die Grenzen der Mitwirkungspflichten nach Pöschl einen „bereichsspezifischen Rechtsgrundsatz“ dar, der seine rechtliche Verankerung im Sachlichkeitsgebot des Gleichheitssatzes nach Art. 7 B-VG findet. In diesem Sinne ist der „Rechtsgrundsatz“ damit auch positivrechtlich fundiert und so ein Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung.59 Es wurde schon unter Kapitel 4 B. III. erörtert, dass der Gleichheitssatz auch zur Rechtsgrundlage von Rechtsprinzipien der Rechtstheorie werden kann.60 Nachfolgend wird geklärt werden, ob in diesem Fall tatsächlich ein Rechtsprinzip vorliegt. Zu diesem Zweck ist zuerst die rechtstheoretische Natur der Grundrechtsbestimmung des Gleichheitssatzes genauer zu klären. Alexys Rechtstheorie hat sich detailliert mit dem Charakter von Grundrechten befasst.61 Vereinfacht gesagt können Grundrechte wie der Gleichheitssatz nach Alexy als Rechtsprinzipien bezeichnet werden, haben jedoch eine Doppelnatur.62 Das „Grundrecht als Ganzes“ erschöpft sich also nicht in seinem Prinzipiencharakter.63 Vielmehr setzen sich Grundrechte aufgrund ihrer komplexen Schutzwirkung aus einem ganzen „Bündel“ von definitiven Geboten und von abwägungsfähigen Prima-facie-Positionen zusammen.64 Dieses „Bündel“ von Normen stellt laut Alexy 59 Vgl. zur Rechtsgeltung Heinold, Die Prinzipientheorie bei Ronald Dworkin und Robert Alexy 248. 60 Vgl. dazu ausführlich Leisner, Kontinuität als Verfassungsprinzip 199 ff., 407, 641 ff., 651 ff.; vgl. auch Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge 360 f. m. w. N. 61 Alexy, Theorie der Grundrechte, passim. 62 Vgl. dazu Alexy, Grundrechte, Demokratie und Repräsentation, Der Staat 2015, 201 (202 m. w. N.); Alexy, Grundrechte und Verhältnismäßigkeit, in: FS Schmidt-Jortzig (2011) 9 ff.; vgl. dazu auch die instruktive Zusammenfassung von Heinold, Die Prinzipientheorie bei Ronald Dworkin und Robert Alexy 234 ff. 63 Alexy, Theorie der Grundrechte 224; Heinold, Die Prinzipientheorie bei Ronald Dworkin und Robert Alexy 234. 64 Heinold, Die Prinzipientheorie bei Ronald Dworkin und Robert Alexy 235 m. w. N.

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Kap. 8: Das Besteuerungsprinzip der Effizienz für mitwirkungspflichtige Dritte

die eigentliche Grundrechtsbestimmung dar.65 Grundrechte können also eine Vielzahl von Anordnungen beinhalten, welche entweder Regeln oder Prinzipien darstellen.66 So hält Alexy auch fest, dass, wenn Grundrechte „Schrankenklauseln“, also mit anderen Worten eine Grenze für den Gesetzgeber beinhalten, dann dies eine Rechtsregel statuieren kann – dieser Fall wird für die folgende Untersuchung einschlägig sein.67 Der Gleichheitssatz kann also grundsätzlich sowohl Rechtsprinzipien als auch Rechtsregeln beinhalten. Nun stellt sich die Frage, als welcher Normtypus die Grenze der Mitwirkungspflichten Dritter zu qualifizieren ist. Es ist somit zu ergründen, ob in diesem Fall ein abwägungsfähiges Rechtsprinzip vorliegt, welches in unterschiedlichen Graden erfüllt werden kann, oder ob eine definitive Rechtsregel vorliegt, die nur erfüllt oder nicht erfüllt werden kann. Die unter Kapitel 8 A. III. 2. erörterte Rechtsprechungslinie des VfGH wird in der Literatur ausdrücklich als eine „Grenze“ für den Gesetzgeber bei der Regelung von Mitwirkungspflichten von Dritten bei der Steuerabfuhr beschrieben.68 Auch der Gerichtshof selbst verwendet in seinen Ausführungen im SPESt-Erkenntnis diesen Begriff.69 In der Natur des Begriffes der „Grenze“ liegt, dass diese entweder nur überschritten werden kann oder nicht.70 Dies deutet bereits auf eine für Rechtsregeln charakteristische Entweder-Oder-Natur bzw. Alles-oder-Nichts-Natur hin. Diese zweistufige „Grenze“ fordert definitiv, dass bei der gesetzgeberischen Normierung von Mitwirkungspflichten Dritter zum einen eine qualifizierte Beziehung zwischen Primärschuldner und Abzugspflichtigen bestehen muss, zum anderen die Mitwirkungspflichten des Dritten in einem angemessenen Verhältnis zur Beziehung zwischen Abzugspflichtigem und Steuerschuldner stehen müssen; nachfolgend werden diese beiden Aspekte als „qualifizierter Personenkreis“ und „angemessene Abzugspflichten“ bezeichnet. Es bestehen also für die rechtliche Normierung der Mitwirkungspflichten für den Gesetzgeber zwei definitive „Grenzen“ bzw. Anforderungen: Einerseits darf für die Überwälzung der Mitwirkungspflichten nur ein qualifizierter Personenkreis herangezogen werden, andererseits müssen die Abzugspflichten für den Dritten angemessen ausgestaltet werden. Diese Anordnungen des Sachlichkeitsgebotes können nur entweder erfüllt oder nicht erfüllt werden – entweder besteht ein qualifizierter Personenkreis bzw. eine angemessene Ausgestaltung der Abzugspflichten oder 65 Alexy, Theorie der Grundrechte 224; Heinold, Die Prinzipientheorie bei Ronald Dworkin und Robert Alexy 234. 66 Alexy, Theorie der Grundrechte 86 f., 121, 122, 125; vgl. auch Heinold, Die Prinzipientheorie bei Ronald Dworkin und Robert Alexy 234 f., 235. 67 Alexy, Theorie der Grundrechte 121; Alexy, Der Staat 2015, 202. 68 Schuch, in: Lang/Schuch/Staringer 182 ff. 69 VfSlg 15.773/2000. 70 Vgl. etwa brockhaus.at, Grenze (Recht), https://brockhaus.at/ecs/enzy/article/grenzerecht (abgerufen am 6. 3. 2023).

A. Effizienz für mitwirkungspflichtige Dritte

179

nicht. Diese Anforderungen können nicht durch eine Abwägung realisiert werden und sind auch nicht in gewissen Graden zu verwirklichen, sondern müssen vollständig erfüllt werden, andernfalls ein Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot vorliegen würde. Dies wird auch im SPESt-Erkenntnis deutlich, da sich die zentrale Frage eben darum dreht, ob die vom Gesetzgeber vorgeschriebenen umfassenden Mitwirkungspflichten unter Berücksichtigung der nur losen Beziehung von Bank und Primärschuldner noch angemessen sind oder nicht.71 Entweder verwirklicht also ein Gesetz diese Voraussetzungen und ist dadurch rechtskonform oder diese Anforderungen liegen nicht vor und die Rechtsnorm wird dadurch in dieser Hinsicht verfassungswidrig. Somit hat die dem Sachlichkeitsgebot innewohnende Grenze der Mitwirkungspflichten Dritter, welche dem Gesetzgeber die Auswahl aus einem qualifizierten Personenkreis und die Normierung von angemessenen Abzugspflichten vorschreibt, die Alles-oder-Nichts-Natur einer Rechtsregel, da sie nur entweder erfüllt oder nicht erfüllt werden kann.72 Sichtbar wird diese rechtstheoretische Natur der Grenzen der Mitwirkungspflichten auch im schon unter Kapitel 7 D. IV. 3. erläuterten Erkenntnis zur Erweiterung des Quellensteuerabzuges für private Kapitalanlagen („KEST-neu“).73 Eine Kernfrage dieses Erkenntnisses betraf die Zulässigkeit der Steuerabfuhrpflichten der Banken, wogegen insbesondere mit dem hohen Erhebungsaufwand und der ökonomisch ineffizienten Besteuerung argumentiert wurde. Wie schon unter Kapitel 7 D. IV. 3. erläutert, verwarf der Gerichtshof die auf dem Effizienzprinzip basierenden Einwände. Darüber hinaus verwies der VfGH jedoch noch ausdrücklich und umfassend auf seine in der SPESt-Judikatur ausdifferenzierten Grenzen für die Mitwirkungspflichten Dritter. Der Gerichtshof stellte fest, dass die Mitwirkungspflichten der KEST-neu die vom VfGH „im SpESt-Erkenntnis für verfassungsrechtlich wesentlich erachteten Umstände“ berücksichtigte. Denn nach dem VfGH besteht eine Abzugsverpflichtung nur bei Transaktionen, die sich auf einem Depot der abzugspflichtigen Banken abspielen. KESt ist darüber hinaus auch nur dann einzubehalten und abzuführen, wenn das jeweilige Kreditinstitut Kenntnis über die für den KESt-Abzug wesentlichen Umstände hat und über die notwendigen Mittel dazu verfügt. So wurde die im SPESt-Erkenntnis aufgestellte Grenze bzw. Rechtsregel der besonders qualifizierten Verbindung und der Angemessenheit eingehalten. Nun ist aber regelmäßig auslegungsbedürftig, ob eine bestimmte Mitwirkungspflicht für einen Dritten die Angemessenheitsgrenze überschreitet oder nicht und es können Unklarheiten darüber entstehen, wann genau eine qualifizierte Beziehung zwischen einem Primärschuldner und dem Dritten vorliegt. Je nach Einzelfall können das Ausmaß der Inpflichtnahme und die konkreten Beziehungen zwischen Abzugspflichtigen und Steuerschuldner eine ganz unterschiedliche Beschaffenheit annehmen. Nach Alexy ist diese Tatsache dem Wesen einer Rechtsregel nicht ab71

VfSlg 15.773/2000. Alexy, Theorie der Grundrechte 76 und die dortige Fn. 25. 73 VfSlg 19.412/2011. 72

180

Kap. 8: Das Besteuerungsprinzip der Effizienz für mitwirkungspflichtige Dritte

träglich.74 Denn gefordert wird definitiv, dass eine bestimmte Grenze für die Mitwirkungspflichten nicht überschritten wird bzw. dass die Voraussetzungen der qualifizierten Beziehung und angemessenen Inpflichtnahme erfüllt werden. Im jeweiligen Einzelfall kann zwar zunächst zweifelhaft sein, welcher Umfang an Abzugspflichten noch angemessen ist. Bei derartigen Zweifelsfragen geht es aber stets darum, ob die jeweilige Grenze der Angemessenheit verletzt wurde oder nicht.75 Anders formuliert kann bei verschiedenen Sachverhalten die Angemessenheitsgrenze zwar der Höhe76 nach unterschiedliche Ausmaße annehmen, geklärt werden muss dabei jedoch immer, ob jeweils ein bestimmtes Maß77 an Angemessenheit überschritten wurde oder nicht.78 Derartige binäre Fragestellungen sind nach Alexy kennzeichnend für das Wesen von Rechtsregeln.79

V. Zwischenfazit Das OECD-Besteuerungsprinzip der Effizienz für den abzugspflichtigen Dritten findet sich innerhalb einer Rechtsprechungslinie des VfGH im Zusammenhang mit der SPESt wieder. Judikatur und Literatur gehen davon aus, dass der Gleichheitssatz bestimmte Grenzen der Mitwirkungspflichten Dritter enthält. Diese Grenzen haben die Wirkung einer Rechtsregel.

B. Die Effizienz für den Steuerpflichtigen selbst I. Vorbemerkung In diesem Abschnitt wird der dritte Aspekt des OECD-Besteuerungsprinzips der Effizienz behandelt: die Effizienz für den Steuerpflichtigen selbst. Dabei geht es also um die Geringhaltung jener Kosten, die dem Steuerpflichtigen etwa im Zuge der Anfertigung von Steuererklärungen, Erfüllung der Aufzeichnungspflichten sowie der Sammlung und Verwaltung von Belegen anfallen.80 Bei der Behandlung dieses Aspektes muss in diesem Abschnitt jedoch die Effizienz für den Unternehmer speziell bezogen auf die Umsatzsteuer außen vor bleiben 74 Alexy, Theorie der Grundrechte 76 und die dortige Fn. 25; vgl. auch Gehne, Nachhaltige Entwicklung als Rechtsprinzip (2011) 205. 75 Alexy, Theorie der Grundrechte 76 und die dortige Fn. 25. 76 Hervorhebung durch den Verfasser. 77 Hervorhebung durch den Verfasser. 78 Alexy, Theorie der Grundrechte 76 und die dortige Fn. 25. 79 Alexy, Theorie der Grundrechte 76 und die dortige Fn. 25; vgl. auch Gehne, Nachhaltige Entwicklung als Rechtsprinzip 205; vgl. auch Kapitel 9 B. III. 80 Vgl. dazu schon Kapitel 7 C. I.

B. Die Effizienz für den Steuerpflichtigen selbst

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und wird stattdessen unter Kapitel 13 erörtert. Für die Effizienz des steuerpflichtigen Unternehmers bei Abfuhr der Umsatzsteuer finden sich nämlich zentrale unionsrechtliche Grundlagen. Da jene OECD-Besteuerungsprinzipien, welche einen eindeutigen Auslandsbezug aufweisen, erst ab Kapitel 13 behandelt werden, ist es aus Gründen der Stringenz auch notwendig, diesen umsatzsteuerlichen Effizienzaspekt vorerst auszuklammern.

II. Senkung der Compliance-Kosten für den Steuerpflichtigen als steuerpolitisches Thema Die Senkung der Compliance-Kosten der Steuerpflichtigen wird in der steuerrechtlichen Literatur vor allem vor dem Hintergrund der Unternehmensbesteuerung immer wieder thematisiert.81 Dabei handelt es sich jedoch, soweit zu sehen, primär um eine steuerpolitische Debatte. Denn explizite rechtlich-normative Vorgaben in Bezug auf die Effizienz der Steuerabfuhr für den Steuerpflichtigen bzw. für die Geringhaltung von dessen Steuerbefolgungskosten existieren in der österreichischen Rechtsordnung nicht. Zudem ist auch keine höchstgerichtliche Judikatur ersichtlich, welche sich diesem Thema angenommen hätte. Als mögliche Rechtsgrundlage der Geringhaltung der Steuerbefolgungskosten von Steuerpflichtigen kann jedoch das dem Gleichheitssatz innewohnende Sachlichkeitsgebot genannt werden. Denn in Anlehnung an die unter Kapitel 8 A. erörterten Grenzen des Quellensteuerabzuges durch Dritte wird auch für den Steuerpflichtigen sinngemäß gelten, dass dieser im Zuge der Erfüllung seiner steuerlichen Abfuhrpflichten nicht unbeschränkt mit einem Aufwand belastet werden darf. Gesteigerte Erwähnung bekam das Thema der Compliance-Kosten in der steuerrechtswissenschaftlichen Literatur in Österreich jüngst im Zusammenhang mit der Einführung der sogenannten „Begleitenden Kontrolle“ in den §§ 153a ff. BAO.82 Dieses spezielle, auf andauernde Kooperation von Unternehmen und Finanzbehörden beruhende Verfahren, kann auf Antrag die klassische Außenprüfung ersetzen. 81

Vgl. dazu etwa Riener-Micheler, Gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage, CFO aktuell 2011, 95 (95); Pitlik/Klien/Schratzenstaller, Umfassende Steuerhoheit der österreichischen Bundesländer, WIFO 2015, 68 f.; Elmecker, Horizontal Monitoring kommt in den Regelbetrieb, SWK 2018, 676 (676 ff.); diepresse.at, Ein Steuerpaket mit Tücken im Detail, https://www.diepresse.com/5408126/ein-steuerpaket-mit-tucken-im-detail (abgerufen am 6. 3. 2023); o. V., Digitalisierung und Compliance-Kosten aus dem Blickwinkel der Steuerabteilung, Compliance Praxis 2018, 8 (8 f.); Michael Lang/Müller/Staringer/ Schrittwieser/Wakounig, Tax Governance (Teil 2), ÖStZ 2013, 156 (156 ff.); vgl. auch Ruppe, Steuervereinfachung, ÖJZ 1999, 186 (186); Kirchmayr-Schliesselberger/Achatz, Steuervereinfachung, taxlex 2010, 45 (45 ff.). 82 Vgl. etwa Manuela Lang/Macho, Horizontal Monitoring wird zur Begleitenden Kontrolle, taxlex 2018, 226 (226 ff.); Lautenschlager, Beurteilung der begleitenden Kontrolle von Unternehmensseite, in: Brandl/Macho/Schrottmeyer/Vock (Hrsg.), SWK-Spezial Begleitende Kontrolle 2019, 154.

182

Kap. 8: Das Besteuerungsprinzip der Effizienz für mitwirkungspflichtige Dritte

Als ein zentrales Ziel dieses Verfahrens wird eine Reduktion der Compliance-Kosten für die Unternehmer gesehen.83 Gewisse, mit klassischen Betriebsprüfungen zusammenhängende Befolgungskosten, sollen durch die begleitende Kontrolle ganz obsolet werden. Jedoch fallen im Rahmen der begleitenden Kontrolle auch wiederum spezielle Steuerbefolgungskosten für die Unternehmen an. In der Literatur wird davon ausgegangen, dass zu Beginn der begleitenden Kontrolle zwar erhöhte Befolgungskosten anfallen, es aber mittel- und langfristig zu einer Senkung der Compliance-Kosten kommt.84 Zu beachten ist, dass die begleitende Kontrolle nicht jedem Steuerpflichtigen offen steht, sondern lediglich bestimmten Unternehmen mit größeren Umsatzzahlen.85 Unter Ausklammerung des umsatzsteuerrechtlichen Aspektes ist zusammenfassend festzuhalten, dass die Thematik der Reduzierung der Compliance-Kosten bzw. die Effizienz für den Steuerpflichtigen primär eine steuerpolitische Diskussion ist. Explizite Rechtsgrundlagen fehlen in diesem Bereich in der österreichischen Rechtsordnung ebenso wie höchstrichterliche Judikatur.86 Unter Berücksichtigung der VfGH-Judikatur zu den Mitwirkungspflichten Dritter kann jedoch das Sachlichkeitsgebot als mögliche Grenze für den Verwaltungsaufwand, der einem Steuerpflichtigen aufgebürdet werden kann, gesehen werden.

C. Ergebnis In diesem Abschnitt wurde einerseits der zweite Aspekt des OECD-Besteuerungsprinzips der Effizienz behandelt: die Effizienz für den abzugspflichtigen Dritten bei der Steuerabfuhr. Dabei wurde sichtbar, dass sich dieser finanzwissenschaftliche Gedanke im Sinne der erörterten VfGH Judikatur und Literatur in Österreich innerhalb des Gleichheitssatzes bzw. des Sachlichkeitsgebotes des B-VG wiederfindet. Der VfGH griff in einer Rechtsprechungslinie die originär finanzwissenschaftlich-ökonomische Wertung der Geringhaltung der Steuererhebungskosten Dritter auf und nutzte diesen Gedanken zur Operationalisierung und Ausfüllung des Gleichheitssatzes. Aus rechtstheoretischer Sicht stellen die Grenzen der Mitwirkungspflichten Dritter eine Rechtsregel dar, welche ihre Rechtsgrundlage im Gleichheitssatz findet. Andererseits wurde der dritte Aspekt des OECD-Besteuerungsprinzips der Effizienz behandelt: die Effizienz für den Steuerpflichtigen bei Erfüllung seiner Steuerpflichten (unter Ausklammerung der Effizienz bei der Abfuhr der Umsatzsteuer). Für diesen Effizienzaspekt gibt es, soweit zu sehen, weder rechtliche Vor83

Müller/Reinweber, in: Müller/Woischitzschläger/Zöchling 12 f. Müller/Reinweber, in: Müller/Woischitzschläger/Zöchling 12 f. 85 § 153a ff. BAO. 86 Vgl. dazu jedoch für den Bereich der Umsatzsteuer Kapitel 13. 84

C. Ergebnis

183

gaben noch höchstgerichtliche Judikatur. Allenfalls könnte aus der VfGH-Rechtsprechung zu den Grenzen der Mitwirkungspflichten Dritter abgeleitet werden, dass diese Vorgaben sinngemäß auch für den Steuerpflichtigen selbst gelten könnten.

Kapitel 9

Das Besteuerungsprinzip der Verständlichkeit A. Das OECD-Prinzip der Verständlichkeit und seine finanzwissenschaftlichen Wurzeln I. Das OECD-Prinzip der „Verlässlichkeit und Verständlichkeit“ Das Prinzip der „Verlässlichkeit und Verständlichkeit“ lautet gemäß den Angaben der OECD wörtlich: „Die Steuervorschriften sollten klar und leicht verständlich sein, damit die Steuerpflichtigen wissen, woran sie sind. Ein einfaches Steuersystem macht es für Privatpersonen und Unternehmen leichter, ihre Rechte und Pflichten zu verstehen. Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass Unternehmen optimale Entscheidungen treffen und auf Politikentscheidungen im beabsichtigten Sinne reagieren. Komplexität begünstigt zudem eine aggressive Steuerplanung, die für die Volkswirtschaft zu Wohlfahrtsverlusten führen kann.“1 Zum Prinzip der Verständlichkeit hält die OECD im Wesentlichen also fest, dass „Steuervorschriften klar und verständlich“ sein sollen, damit die Steuerpflichtigen ihre „Rechte und Pflichten“ wahrnehmen können. In weiterer Folge spricht die OECD von einem „einfachen Steuersystem“; daraus lässt sich ableiten, dass die Anforderung der Verständlichkeit nicht nur einzelne Steuernormen isoliert betreffen soll. Vielmehr hat das Steuersystem als Ganzes „einfach“ und „verständlich“ zu sein, da ein komplexes Steuersystem eine unerwünscht aggressive Steuerplanung begünstige. Dem Begriff der „Verlässlichkeit“ kommt hingegen kein eigenständiger Inhalt zu. Dieses OECD-Prinzip zielt somit auf die Gewährleistung von einfachen und verständlichen Steuergesetzen ab. Wie nachfolgend gezeigt wird, ist dieses Anliegen bereits seit langem eine Forderung der Finanz- und Steuerrechtswissenschaft.

1

OECD, Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft 33.

A. Das OECD-Prinzip der Verständlichkeit und seine finanzwiss. Wurzeln

185

II. Die finanz- und steuerrechtswissenschaftliche Forderung nach einer einfachen Besteuerung Schwer verständliche Steuergesetze führen sowohl auf Seiten der Steuerpflichtigen als auch der Abgabenbehörden zu Unsicherheiten über die Steuerpflicht.2 Dadurch werden Entscheidungen verzögert und Verwaltungs- bzw. Gerichtsentscheidungen sind weniger vorhersehbar.3 Zudem steigen bei komplizierten Steuergesetzen aufgrund des höheren Beratungs- bzw. Bearbeitungsaufwandes die Steuererhebungskosten sowohl auf Seiten der Steuerpflichtigen als auch auf Seiten der Finanzverwaltung an.4 Um die eben skizzierten negativen Folgen zu vermeiden, ist die Vereinfachung der Steuergesetze ein andauerndes Thema in der Finanz- und Steuerrechtswissenschaft. So findet sich dieser Gedanke schon bei den vier klassischen „Grundregeln über die Steuern“ von Adam Smith.5 Nach Smith muss „dem Steuerpflichtigen sowie jeder anderen Person klar und deutlich sein“, wann welche Steuer in welchem Ausmaß gezahlt werden muss.6 Es hat also stets Klarheit über Zahlungszeitpunkt und Steuerpflicht zu bestehen. Wird dieser Standard nicht erfüllt, so ist dies nach Smith einer korrekten Besteuerung abträglich.7 Auch der bekannte Finanzwissenschaftler Neumark hat sich mit der Forderung nach einer einfachen Besteuerung beschäftigt. Neumark ordnet das Prinzip der Verständlichkeit von Steuernormen seinem Grundsatz der Steuertransparenz zu und hält dabei fest, dass „Steuergesetze […] so zu gestalten [sind], dass sie das technische und rechtliche Höchstmaß an Gemeinverständlichkeit aufweisen“.8 Die Steuerrechtsordnung ist demnach so auszugestalten, dass sowohl bei den Steuerpflichtigen als auch bei den Abgabenbehörden keine Zweifel über deren Rechte und Pflichten bestehen.9 Nach Neumark sollten Steuergesetze dabei idealerweise so beschaffen sein, dass diese Normen auch für mit geringeren Begabungen10 ausgestattete Individuen verständlich sind.11 Dies sei jedoch insbesondere aufgrund der Komplexität des modernen Wirtschaftslebens, die sich auch im Steuerrecht widerspiegelt, faktisch nicht möglich.12 Dennoch gibt es nach Neumark Möglichkeiten, unnötige Verkomplizierungen des Steuersystems zu 2

Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 7 Rz. 7.13. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 7 Rz. 7.13. 4 Damit hat das Prinzip der Verständlichkeit auch einen Konnex zum Prinzip der Effizienz; vgl. auch Ruppe, ÖJZ 1999, 186; Kirchmayr-Schliesselberger/Achatz, Steuervereinfachung, taxlex 2010, 45 ff. 5 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 7 Rz. 7.3 m. w. N.; Neumark, Grundsätze 342. 6 Smith, Wohlstand der Nationen 849. 7 Smith, Wohlstand der Nationen 849. 8 Neumark, Grundsätze 344. 9 Neumark, Grundsätze 344. 10 Neumark spricht wörtlich von „marginaler Intelligenz“, vgl. Neumark, Grundsätze 344. 11 Neumark, Grundsätze 344. 12 Neumark, Grundsätze 343 f., 351. 3

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Kap. 9: Das Besteuerungsprinzip der Verständlichkeit

vermeiden, indem etwa der Wildwuchs von „Sonderbestimmungen“ und „Spezialregelungen“ in Steuergesetzen eingedämmt wird.13 Auch in der Steuerrechtswissenschaft besteht schon seit langem der Ruf nach einer Vereinfachung der Steuergesetze. Vor allem in Österreich und Deutschland wird in der Literatur die stärker zunehmende Verkomplizierung des Steuerrechts scharf kritisiert.14 Als Ursache für die steigende Kompliziertheit werden eine Vielzahl von Faktoren identifiziert, die von Lobbyismus über unklare politische Vorgaben und die „Neigung des Staates zum Steuerinterventionismus“15 bis hin zu legistischen Gründen und Missbrauchsverhinderungsstrategien reichen.16 Es wird zwar zugestanden, dass eine bürgernahe Sprache in einer rechtstechnisch anspruchsvollen Materie wie dem Steuerrecht nicht durchgehend zu realisieren ist.17 Dennoch ist es auch schon aus rechtsstaatlichen Gründen18 geboten, ein gewisses Ausmaß an Verständlichkeit zu gewährleisten und Gesetze nicht unnötig kompliziert und verklausuliert zu formulieren.19 Zudem wird die Kompliziertheit von Steuergesetzen auch als ein Gerechtigkeitsthema angesehen. Denn komplizierte Steuernormen führen dazu, dass nur mehr jene Steuerpflichtigen, die sich eine gute Beratung leisten können, die vom Gesetz gebotenen Möglichkeiten zur Steuerersparnis nutzen können.20 Dies bewirkt einen so genannten „Dummensteuereffekt“, wodurch ärmere und weniger gut betuchte Steuerpflichtige sich nicht mehr über steuersparende Gestaltungsmöglichkeiten informieren können.21 Unverständliche Steuergesetze werden daher auch aufgrund von Gerechtigkeitsüberlegungen als schädlich angesehen.22 In der steuerrechtlichen Literatur werden insbesondere Pauschalierungen und Typisierungen als ein Weg zur Realisierung eines einfacheren Steuerrechts gesehen.23 Nach Ruppe gibt es jedoch kein Allheilmittel gegen die steigende Kompliziertheit des Steuerrechts. Laut Ruppe besteht stattdessen der Bedarf für „eine klare 13

Neumark, Grundsätze 353 ff. Lang, Entwurf eines Steuergesetzbuchs Rz. 390; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.1, 3.146, § 7 Rz. 7.14; Wala/Knoll, Steuervereinfachung – eine Utopie?, RdW 2001, 501 (501 ff.); vgl. auch Kirchmayr-Schliesselberger/Achatz, taxlex 2010, 45 ff.; Ruppe, ÖJZ 1999, 186 (186). 15 Wala/Knoll, RdW 2001, 503. 16 Ruppe, ÖJZ 1999, 186; vgl. auch Neumark, Grundsätze 343 f. 17 Lang, Entwurf eines Steuergesetzbuchs Rz. 388. 18 Vgl. dazu sogleich Kapitel 9 B. 19 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 7 Rz. 7.3. 20 Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 1 Rz. 1.23; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 7 Rz. 7.3. 21 Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 1 Rz. 1.23 m. w. N.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuer24 recht § 7 Rz. 7.3; Wala/Knoll, RdW 2001, 503 f. 22 Wala/Knoll, RdW 2001, 503 f.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.146, § 7 Rz. 7.3; Neumark, Grundsätze 345, 353, 357. 23 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.145 ff. m. w. N. 14

B. Das Besteuerungsprinzip der Verständlichkeit

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Zielvorgabe und viele kleine Einzelschritte, bei denen jeweils wieder genau betrachtet werden muß, daß sie nicht statt zur Vereinfachung zur zusätzlichen Komplizierung beitragen“.24

B. Das Besteuerungsprinzip der Verständlichkeit innerhalb der österreichischen Rechtsordnung I. Verständlichkeit als generelle Funktionsvoraussetzung von Rechtsnormen Unter Kapitel 9 A. II. wurde erläutert, dass die Verständlichkeit des Steuerrechts eine zentrale Forderung des Schrifttums ist. Verständlichkeit von Rechtsnormen ist jedoch kein spezifisch steuerrechtliches Thema, sondern – wie nachfolgend gezeigt werden wird – eine unabdingbare Funktionsvoraussetzung des Rechts an sich. Kelsen definiert den Begriff des Rechts als eine „Ordnung menschlichen Verhaltens“.25 „Ordnung“ wird in diesem Zusammenhang als ein System von Rechtsnormen verstanden.26 Laut Kelsen stellt der Fokus auf die Regelung von menschlichen Verhaltensweisen ein zentrales Merkmal einer modernen Rechtsordnung dar.27 Die Normen einer zeitgenössischen Rechtsordnung regeln demnach das menschliche Verhalten, welches entweder ein positives Handeln oder ein negatives Unterlassen darstellen kann.28 Der Sinn und Zweck von Rechtsnormen kann daher in der Beeinflussung und Lenkung des menschlichen Handelns gesehen werden.29 Holzinger hält dazu fest, dass Rechtsvorschriften „Instrumente zur zielgerichteten Steuerung gesellschaftlicher Verhältnisse“ sind.30 Im Sinne von Holzinger haben Rechtsnormen somit die „Normadressaten über die vom Autor der Rechtsvorschrift intendierten Regelungsinhalte [zu] informieren und auf diese Weise das künftige Verhalten der Normadressaten in Richtung auf das Regelungsziel [zu] beeinflussen“.31

24

Ruppe, ÖJZ 1999, 186. Kelsen, Reine Rechtslehre2 (1960) 32; vgl. dazu auch die Darstellung in Kleiser, Über die NÖ Legistischen Richtlinien 1987, NÖ Schriften 118 (1999), 14 ff. 26 Kelsen, Reine Rechtslehre2 32. 27 Kelsen, Reine Rechtslehre2 32 f.; im Gegensatz zu Rechtsordnungen des Altertums und Mittelalters, in denen das Verhalten von Tieren, Pflanzen und sogar unbelebten Dingen auf die gleiche Weise geregelt wurde wie das Verhalten des Menschen, vgl. dazu im Detail Kelsen, Reine Rechtslehre2 32 f. 28 Kelsen, Reine Rechtslehre2 32. 29 Kleiser, Über die NÖ Legistischen Richtlinien 1987, NÖ Schriften 118, 14. 30 Holzinger, Die Technik der Rechtssetzung, in: Schäffer (Hrsg.), Theorie der Rechtssetzung (1988) 276 f. 31 Holzinger, in: Schäffer 276. 25

188

Kap. 9: Das Besteuerungsprinzip der Verständlichkeit

Damit das Recht seine verhaltenssteuernde Funktion auch erfüllen kann, ist die Verständlichkeit der Rechtsnormen für den Normadressaten eine entscheidende Voraussetzung.32 Schon Kelsen äußert sich zum Aspekt der Verständlichkeit des Rechts in seiner Schrift „Reine Rechtslehre“ und postuliert, dass Individuen die von ihnen zu befolgenden Rechtsnormen verstehen und auch deren Sinn erfassen müssen.33 Nach Kelsen führt eine nicht eindeutig formulierte Norm für den Normadressaten zu Unsicherheiten darüber, ob ein Verhalten eine Gesetzesübertretung darstellt oder nicht.34 Je leichter eine Norm zu verstehen ist, desto mehr Klarheit gibt es über das vom Recht gewünschte Verhalten.35 Damit das Recht also seine gewünschte Wirkung entfalten kann, nämlich die Beeinflussung und Steuerung des menschlichen Verhaltens, müssen die einschlägigen Vorschriften für den angesprochenen Adressaten verständlich sein, um das von den Rechtsnormen intendierte Verhalten auch setzen zu können.36 Korinek fasst zusammen, dass die Anwendung von Rechtsvorschriften es erfordert, diese zu verstehen.37 Die Verständlichkeit von Normen ist demnach eine zentrale Voraussetzung für die Funktionalität des Rechts an sich und ein Gebot einer jeden modernen Rechtsordnung.38

II. Die Anforderung an die Verständlichkeit von Normen in der österreichischen Rechtsordnung 1. Die „Denksportjudikatur“ des VfGH Der Gedanke der Verständlichkeit wurde vom österreichischen VfGH schon in VfSlg 3130/1956 im Zusammenhang mit der Publikation von Gesetzen aufgegriffen.39 So hielt der VfGH fest, dass im Lichte des Rechtsstaatsprinzips der „Gesetzgeber der Öffentlichkeit den Inhalt seines Gesetzesbeschlusses in klarer und erschöpfender Weise“ zur Kenntnis zu bringen hat und dass vom Bürger keine subtilen verfassungsrechtlichen Kenntnisse und „kein archivarischer Fleiß“ bei der „Sinnermittlung“ der Norm erwartet werden kann.40 Weiter kam der VfGH dabei zu 32

Kleiser, Über die NÖ Legistischen Richtlinien 1987, NÖ Schriften 118, 15. Kelsen, Reine Rechtslehre2 346; vgl. dazu auch Kleiser, Über die NÖ Legistischen Richtlinien 1987, NÖ Schriften 118, 15 f. 34 Kelsen, Reine Rechtslehre2 352. 35 Kleiser, Über die NÖ Legistischen Richtlinien 1987, NÖ Schriften 118, 15. 36 Kleiser, Über die NÖ Legistischen Richtlinien 1987, NÖ Schriften 118, 15. 37 Korinek, Verständlichkeit von Rechtsnormen als Gebot der Rechtsordnung, VR 2007, 18 (18 ff.). 38 Kleiser, Über die NÖ Legistischen Richtlinien 1987, NÖ Schriften 118, 15; Korinek, VR 2007, 18 ff. 39 Tomandl, Die Zugänglichkeit von Normen als verfassungsrechtliches Problem, ZAS 1990, 181 (183). 40 Tomandl, ZAS 1990, 183; Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 34 m. w. N. 33

B. Das Besteuerungsprinzip der Verständlichkeit

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folgender Feststellung: „Wenn der Zweck der Rechtsordnung darin besteht, den Menschen durch die Vorstellung der Norm zu einem normgemäßen Verhalten zu veranlassen, so ist der Gesetzgeber gehalten, die Möglichkeit einer solchen Vorstellung zu geben“.41 Auf VfSlg 3130/1956 nimmt der VfGH auch ausdrücklich im vielbeachteten „Denksporterkenntnis“42 Bezug.43 In diesem Erkenntnis hat das Höchstgericht eine Verordnungsbestimmung betreffend dem Arbeitslosenversicherungsrecht als gesetzwidrig aufgehoben, da diese das rechtsstaatlich geforderte „Mindestmaß an Verständlichkeit“ nicht aufweisen konnte.44 Der VfGH kam zu dem Schluss, dass man im Zusammenhang mit der betreffenden Norm nur mit „subtiler Sachkenntnis, außerordentlichen methodischen Fähigkeiten und einer gewissen Lust zum Lösen von Denksportaufgaben“ überhaupt ermitteln kann, „welche Anordnungen getroffen werden sollen“.45 Festzuhalten ist, dass die in Frage stehende Norm nicht als sinnlos angesehen wurde, sondern nur als schwer verständlich, da der VfGH einräumt, dass es vielleicht doch möglich wäre, den Sinn „durch umfassende Analyse der in Prüfung stehenden Bestimmung im Kontext der gesamten Verordnung letzten Endes doch zu klären“.46 In diesem Erkenntnis wurde der Ansatz aus der Vorjudikatur vom VfGH fortgeführt und das Höchstgericht ordnete nun dem Rechtsstaatsprinzip ausdrücklich die Voraussetzung der Verständlichkeit von Normen zu.47 Der VfGH hob hier erstmals eine Verordnung auf, die aufgrund ihrer Schwerverständlichkeit gegen das rechtsstaatliche Grundprinzip der österreichischen Verfassung verstoßen hat.48 2. Ausdifferenzierung des Gebots der Verständlichkeit Aus der oben erläuterten „Denksportjudikatur“ wurde in der Literatur abgeleitet, dass es in der österreichischen Rechtsordnung ein verfassungsrechtliches „Gebot“ der Verständlichkeit von Normen gibt.49 Dieses Gebot der Verständlichkeit von

41 Vgl. dazu auch Adamovich et. al., Österreichisches Staatsrecht I: Grundlagen3 Rz. 14.014. 42 VfSlg 12.420/1990. 43 Jabloner, Das „Denksporterkenntnis“ des Verfassungsgerichtshofes im Spannungsfeld von Verfassungsrecht und Rechtstechnik, in: FS Adamovich (1992) 190 ff. m. w. N.; vgl. dazu auch Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 34 m. w. N. 44 Kölbl, Ein Recht auf verständliche Rechtstexte/-normen?, juridikum 2015, 373 (376); Jabloner, in: FS Adamovich 189. 45 Jabloner, in: FS Adamovich 189 f. 46 Jabloner, in: FS Adamovich 189. 47 Kölbl, juridikum 2015, 376; Tomandl, ZAS 1990, 183. 48 Kölbl, juridikum 2015, 378. 49 Huber, Verständlichkeit als Gebot der Verfassung – Eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs von weitreichender Bedeutung, Zeitschrift für Gesetzgebung 1990, 355 (355 ff.); Korinek, VR 2007, 18; vgl. auch Kleiser, Über die NÖ Legistischen Richtlinien

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Kap. 9: Das Besteuerungsprinzip der Verständlichkeit

Normen ordnet die Judikatur und Literatur dem rechtsstaatlichen Grundprinzip der österreichischen Verfassung zu.50 Das Rechtsstaatsprinzip beinhaltet somit die Forderung nach verständlichen Rechtsnormen. Die konkrete Ausgestaltung und Reichweite dieses Gebots wirft hingegen einige Schwierigkeiten auf. Das Kernproblem liegt darin, genau auszudifferenzieren, wann eine Norm derart unverständlich ist, dass sie als verfassungswidrig gilt und daher aufzuheben ist.51 Der „vage“ und in der „Praxis kaum handhabbare Prüfungsmaßstab“ hinsichtlich der vom VfGH geforderten Verständlichkeit war Zentrum der Kritik am einschlägigen VfGH-Erkenntnis.52 Jabloner hält dazu fest, dass der VfGH bei „der Beurteilung des erforderlichen Mindeststandards an Verständlichkeit“ wegen der immer differenzierter werdenden Lebensverhältnisse allergrößte Schwierigkeiten bekäme, um eine handhabbare Grenze dafür zu finden.53 Nach Tomandl ist durch das Erkenntnis des VfGH kein abschließendes Bild von den rechtsstaatlichen Anforderungen an ein Gesetz im materiellen Sinn zu erkennen.54 Die Literatur hat daher bisher, soweit zu sehen, noch keine detaillierten Kriterien für die Verständlichkeit einer Norm aus der Judikatur des VfGH entwickelt.55 Hey hält vor dem Hintergrund der deutschen Steuerrechtsordnung und Judikatur fest, dass es auch nicht möglich ist, allgemeine Regeln für die Verständlichkeit von Rechtsvorschriften festzuschreiben.56 Vielmehr kommt es auf die Eigenart des geregelten Sachverhaltes an und insbesondere auf das Ausmaß, in dem Grundrechte von der Regelung betroffen werden und der Intensität des Verhaltens, zu dem die Verwaltung ermächtigt wird. Die Anforderungen an das Ausmaß der Verständlichkeit sollen sich dabei nach Art und Schwere des Eingriffs richten.57 Trotz der Schwierigkeiten, Mindestbedingungen der Verständlichkeit einer Norm zu formulieren, lassen sich zumindest allgemeine Anhaltspunkte aus der VfGH Judikatur ableiten.58 Durch die Anforderung, dass die Ermittlung des Inhalts eines 1987, NÖ Schriften 118, 14, 15; Adamovich et. al., Österreichisches Staatsrecht I: Grundlagen3 Rz. 14.014. 50 Adamovich et. al., Österreichisches Staatsrecht I: Grundlagen3 Rz. 14.014; Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 34; Berka, Verfassungsrecht8 Rz. 192; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 85; Mayer/Kuscko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11 Rz. 167; Jabloner, in: FS Adamovich 192 m. w. N.; Tomandl, ZAS 1990, 183; Kölbl, juridikum 2015, 375; vgl. dazu auch Gründler, Legalitätsprinzip und Sachlichkeitsgebot – Das Werkvertragserkenntnis des Verfassungsgerichtshofes im Detail, ASoK 1997, 167 (176 ff.). 51 Gründler, ASoK 1997,176 m. w. N. 52 Hiesel, ÖJZ 1999, 531 m. w. N. 53 Jabloner, in: FS Adamovich 193. 54 Tomandl, ZAS 1990, 181. 55 Vgl. dazu aber die Ausführungen von Holzinger aus den Jahr 1988, Holzinger, in: Schäffer 294 m. w. N. 56 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.246 f. 57 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.246. 58 Tomandl, ZAS 1990, 181, 185.

B. Das Besteuerungsprinzip der Verständlichkeit

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Normtextes nicht einer Denksportaufgabe gleichen darf, ergibt sich ein Verbot einer übermäßigen und unnötigen Kompliziertheit bei der Formulierung einer Rechtsvorschrift.59 Die Norm muss zumindest „in sich selbst“ verständlich sein.60 Nach Tomandl ist der Gesetzgeber nicht verpflichtet, die beste und leichteste Formulierung zu verwirklichen, jedoch muss von ihm ein erkennbares Bemühen, den Normunterworfenen den Text und Inhalt der Regelung nahezubringen, bestehen.61 Dabei beschränkt der VfGH offenbar die Aufhebung wegen Unverständlichkeit auf besonders krasse legistische Fehlleistungen.62 Durch Lesen der Norm muss man jedoch zumindest ein vordergründiges Wissen über die getroffenen Anordnungen63 erlangen können.64 Speziell im Bereich des Steuerrechts muss dabei laut Hey ein Mindestmaß an Orientierungssicherheit erreicht werden.65 3. Verständlichkeit für wen? Die Frage nach dem Maßstab Eine zentrale Frage ist, welcher Maßstab für eine Prüfung der Verständlichkeit angesetzt wird und für wen bzw. welchen Personenkreis66 die Rechtsnorm verständlich sein soll.67 Jedenfalls unrealistisch ist es zu fordern, dass eine Rechtsvorschrift schlechthin für jedermann zu verstehen sein muss.68 Demnach ist es notwendig, den Adressatenkreis, welcher für den Maßstab der Verständlichkeit der jeweiligen Rechtsnorm entscheidend ist, sachgerecht einzuschränken.69 Walter merkte schon im Jahre 1963 an, dass das Recht jedenfalls von jenem Personenkreis verstanden werden muss, der „von der Rechtsordnung zum Vollzug der Gesetze berufen“ ist.70 Nach Krüger sind Gesetze so zu gestalten, dass deren Inhalt zumindest für den „interessierten Laien erkennbar“ ist.71 Laut Noll ist auf das Verständnis jener „Betroffenen, Verpflichteten und Berechtigten“ abzustellen, welche „in den Verhältnissen stehen“, die das Gesetz regelt.72 Zudem merkt Noll an, dass der Verständnismaßstab einer Rechtsnorm immer nur „für den Kernbereich der 59

Tomandl, ZAS 1990, 185. Kölbl, juridikum 2015, 378. 61 Tomandl, ZAS 1990, 185. 62 Kölbl, juridikum 2015, 381 m. w. N. 63 VfSlg 12.420/1990. 64 In diesem Sinne Kölbl, juridikum 2015, 380 m. w. N. 65 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.246. 66 Hervorhebung durch den Verfasser. 67 Vgl. dazu im Detail die Ausführungen von Holzinger, in: Schäffer 292 ff. m. w. N. 68 Vgl. dazu Holzinger, in: Schäffer 292; vgl. dazu auch Walter, Die Lehre von der Gesetzestechnik, ÖJZ 1963, 85 (85 ff. m. w. N.). 69 Vgl. dazu Holzinger, in: Schäffer 292 ff. 70 Walter, ÖJZ 1963, 85 ff. 71 Krüger, Der Adressat des Rechtsgesetzes (1969) 87. 72 Noll, Gesetzgebungslehre (1973) 191. 60

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Kap. 9: Das Besteuerungsprinzip der Verständlichkeit

gesetzten Norm“ und nicht für etwaige Grenzfälle geprüft werden soll.73 Gemäß Baden wiederum soll der Maßstab der Verständlichkeit nicht danach bestimmt werden, „wer das Gesetz lesen sollte“, sondern anhand der Bedürfnisse des Personenkreises, der tatsächlich mit dem Gesetz „arbeiten“ wird.74 Aus jüngerer Zeit gibt es auch Autoren, die scheinbar dazu tendieren, den Verständnishorizont eines durchschnittlichen Lesers heranzuziehen.75 Setzt man für die Verständnisprüfung von Normen die Kompetenz eines Durchschnittslesers an, dann erscheinen komplexe Steuergesetze wie das EStG und KStG möglicherweise verfassungsrechtlich bedenklich – dasselbe gilt für das Miet- oder das Sozialversicherungsrecht, welches als besonders „unverständlich und unzugänglich“ gilt.76 Es ist nämlich sehr zweifelhaft, ob der typische Abgabenpflichtige allein aus den Paragraphen des EStG tatsächlich seine steuerlichen Rechte und Pflichten korrekt ableiten kann.77 Jedoch hegte der VfGH keine Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit und Rechtsstaatskonformität des ähnlich komplexen Budgetbegleitgesetzes 200178.79 Wie nachfolgend noch näher gezeigt werden wird, ist eine Durchschnittsbetrachtung für die Prüfung der Verständlichkeit vor dem Hintergrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung abzulehnen. Im Sinne von Potacs ist nicht darauf abzustellen, dass Rechtsvorschriften für jeden „Normalbürger“ bzw. von juristischen Laien zu verstehen sind.80 Auch nach Rill müssen Gesetze nach rechtsstaatlichen Standards nicht bereits schon vom „sorgfältigen Durchschnittsleser“ verstanden werden.81 Nach Rill gebietet auch schon das Legalitätsprinzip des B-VG eine Orientierung am „juristischen Sprachgebrauch“.82 Laut Potacs ist es demnach entscheidend, dass Rechtsnormen für einen mit der juristischen Fachsprache vertrauten und somit rechtskundigen Leser verständlich sind.83 Potacs und Rills Ansatz ist offenbar im Einklang mit höchstrichterlicher Rechtsprechung. So ist es für den VfGH zulässig, wenn der Bürger die Auswirkungen und 73

Noll, Gesetzgebungslehre 183. Baden, Gesetzgebung und Gesetzesanwendung im Kommunikationsprozess (1977) 264. 75 In diesem Sinne Kölbl, juridikum 2015, 381 m. w. N. 76 Vgl. dazu etwa Kölbl, juridikum 2015, 381 m. w. N. 77 Vgl. dazu etwa Rainer, Kuriositäten bei der Begünstigung der sonstigen Bezüge und beim Gewinnfreibetrag, ÖStZ 2014, 581 (583); zur Kompliziertheit des Steuerrechts vgl. auch Bruckner, „Nichts ist so kompliziert wie die Vereinfachung des Steuersystems“, UFSjournal 2010, 82 (82 ff.); Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 34. 78 Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl I 142/2000. 79 Hiesel, ÖJZ 2009, 117. 80 Potacs, Auslegung und Legalitätsprinzip, ZfV 2015, 230 (231). 81 Rill, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff – Gedanken zum gleichnamigen Buch von Franz Bydlinski, ZfV 1985, 577 (583). 82 Potacs, ZfV 2015, 231. 83 Potacs, ZfV 2015, 231 unter Verweis auf VfSlg 9883/1983; 19.923/2014. 74

B. Das Besteuerungsprinzip der Verständlichkeit

193

den Zweck einer Rechtsnorm erst „gegebenenfalls aufgrund entsprechender Beratung“ erfassen kann.84 Nach der Judikatur des VwGH ist es für Gewerbetreibende zumutbar, sich über die für sie geltenden steuerrechtlichen Pflichten zu informieren und „zeitgerecht“ eine „fachliche Beratung“ über die Steuerrechtslage einzuholen.85 Insbesondere für selbständig Erwerbstätige und Tätigkeiten, die üblicherweise mit Abgabenpflichten verbunden sind, ließ der VwGH erkennen, dass die Einholung von entsprechenden Erkundigungen verlangt werden kann.86 Auch Stoll geht davon aus, dass bei Zweifeln über den Inhalt von Gesetzen und der Richtigkeit einer rechtlichen Beurteilung eine Verpflichtung zu einer fachkundigen Beratung besteht.87 Ferner hat der VwGH im Bereich des Sozialversicherungsrechts ausgesprochen, dass es gegebenenfalls notwendig ist, sich bei „einer zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugten Person“ Gewissheit über die jeweilige Rechtslage zu verschaffen.88 Aus der Judikatur des VfGH und VwGH ergibt sich somit, dass es für das Verstehen des Sinngehaltes einer Norm grundsätzlich zumutbar ist, sich gegebenenfalls einer fachlichen Beratung zu bedienen. Eine Rechtsvorschrift ist daher auch dann verfassungskonform, wenn sie vom „Normalbürger“ erst im Zuge einer fachlichen Erkundigung verstanden wird. Eine Orientierung des Verständlichkeitsmaßstabes an einen Durchschnittsbürger ist abzulehnen. Erst wenn die Norm selbst für den rechtskundigen Leser nicht zu verstehen ist, kann es zu einer Aufhebung wegen Verstoßes gegen das rechtsstaatliche Bauprinzip der Verfassung kommen.89 Bemerkenswert ist jedoch, dass, im Gegensatz zu der oben erläuterten Judikatur, der VfGH an die rechtsstaatlichen Voraussetzungen von Flächenwidmungsplänen andere Anforderungen knüpft. So ist es ständige Rechtsprechung, dass aus einem Flächenwidmungsplan die Rechtslage „eindeutig und unmittelbar“ ohne Heranziehung etwaiger technischer Hilfsmittel für „jedermann“90 erkennbar sein muss.91 Durch Abstellen auf den Begriff „jedermann“ wird der Maßstab der Verständlichkeit bei Flächenwidmungsplänen potentiell auf einen extrem großen Personenkreis ausgedehnt. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass mit „jedermann“ kein absolut unbeschränkter Personenkreis gemeint sein kann, da in diesem Fall auch etwa Kinder oder unzurechnungsfähige Personen darunter fallen würden. Zweckmäßiger erscheint es stattdessen, unter Berücksichtigung der obigen Literaturmeinungen, den Ausdruck „jedermann“ im Sinne einer Durchschnittsbetrachtung zu verstehen. In 84

VfSlg 10.737/1985; vgl. auch Potacs, ZfV 2015, 231 m. w. N. VwGH 25. 06. 2007, 2006/14/0054 m. w. N. 86 Vgl. dazu die Ausführungen und die angeführte Judikatur unter Stoll, Bundesabgabenordnung, Band II (1994) 1530. 87 Stoll, BAO II 1530 m. w. N. 88 VwGH 22. 3. 1994, 93/08/0176. 89 Vgl. dazu schon Kapitel 9 B. II. 1. 90 VfSlg 13.887/1994; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 85. 91 Vgl. dazu VfSlg 11.807/1988; 13.716/1994 m. w. N.; 13.887/1994; 14.968/1997; 19.213/ 2010; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 85. 85

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Kap. 9: Das Besteuerungsprinzip der Verständlichkeit

diesem Sinne ist bei Flächenwidmungsplänen der Verständnishorizont eines sorgfältigen „Durchschnittsbürgers“ entscheidend – und nicht wie bei übrigen Rechtsnormen der Verständnismaßstab eines rechtskundigen Lesers. 4. Zwischenfazit Das rechtsstaatliche Grundprinzip des österreichischen Bundesverfassungsgesetzes beinhaltet ein Gebot der Verständlichkeit von Normen. Rechtsnormen müssen demnach ein gewisses Mindestmaß an Verständlichkeit aufweisen können. Der Gedanke des OECD-Besteuerungsprinzips der Verständlichkeit findet sich somit in Österreich im rechtsstaatlichen Grundprinzip der Verfassung wieder. Aus VfGH Judikatur und Literatur lässt sich erschließen, dass dieses Gebot primär extreme legistische Fehlleistungen ausschließen soll, welche unnötig komplizierte „Denksportaufgaben“ darstellen. Im Sinne des VfGH muss aber anhand der Formulierung einer Rechtsnorm zumindest vordergründig zu ermitteln sein, welche Anordnungen getroffen werden sollen.

III. Rechtstheoretische Analyse des Gebots der Verständlichkeit Nach herrschender Lehre und Literatur ist es, wie schon erwähnt, unbestritten, dass das Gebot der Verständlichkeit von Rechtsnormen im rechtsstaatlichen Baugesetz des B-VG zu verorten ist.92 Dieses Gebot ist demnach ein Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung. Fraglich ist, ob es sich um eine Rechtsregel oder ein Rechtsprinzip handelt. Nach dem Verständnis der herrschenden Lehre und Judikatur stellt das Gebot der Verständlichkeit eine Mindestgrenze für das Maß an Verständlichkeit dar, welches eine Rechtsnorm in Österreich erfüllen muss – wird diese Anforderung nicht erfüllt, gilt die jeweilige Norm als verfassungswidrig.93 Das Gebot der Verständlichkeit gibt demnach eine definitive Voraussetzung vor, die ein Gesetz jedenfalls zu erfüllen hat. Diese Mindestgrenze der Verständlichkeit kann von einer Rechtsnorm nur entweder über- oder unterschritten werden.94 Das Verständlichkeitsgebot kann daher nicht im Rahmen einer Abwägung in unterschiedlichen Graden oder Abstufungen verwirklicht werden: Entweder besitzt eine Norm das notwendige Mindestmaß an Verständlichkeit und ist dadurch in dieser Hinsicht rechtskonform oder die Rechtsnorm erfüllt dieses Maß nicht und wird deshalb verfassungswidrig. Das geforderte Min92 Adamovich et. al., Österreichisches Staatsrecht I: Grundlagen3 Rz. 14.014; Berka, Verfassungsrecht8 Rz. 192; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 74, 85; vgl. dazu schon die Nachweise unter Kapitel 9 B. II. 2. 93 Vgl. dazu VfSlg 12.420/1990; vgl. Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 Rz. 74, 85; Berka, Verfassungsrecht8 Rz. 192; Korinek, VR 2007, 18; Huber, Zeitschrift für Gesetzgebung 1990, 357; Kleiser, Über die NÖ Legistischen Richtlinien 1987, NÖ Schriften 118, 18 f. 94 Vgl. dazu Alexy, Theorie der Grundrechte 76 und die dortige Fn. 25.

C. Fazit

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destmaß an Verständlichkeit wird daher von einer Norm nur entweder erfüllt oder nicht. Rechtsnormen müssen demnach auch nicht im Sinne eines Optimierungsgebotes bzw. Rechtsprinzips so verständlich wie möglich sein, sondern haben lediglich eine bestimmte „Verständlichkeitsschwelle“ jedenfalls zu überschreiten.95 Das Gebot der Verständlichkeit des B-VG hat damit die rechtstheoretische Natur einer Rechtsregel. Zu beachten ist, dass das Verständlichkeitsgebot die Höhe96 der Mindestgrenze bei unterschiedlichen Rechtsgebieten verschieden hoch bzw. niedrig ansetzt. So müssen etwa die erwähnten Flächenwidmungspläne bereits von „jedermann“ verstanden werden, während bei anderen Rechtsbereichen der Verständnishorizont von zumindest rechtskundigen Lesern maßgebend ist.97 Dieser Umstand nimmt dem Gebot der Verständlichkeit jedoch nicht die Eigenschaften einer Rechtsregel.98 Denn vorgeschrieben wird dem Grunde nach99 stets die definitive Erfüllung eines bestimmten Maßes an100 Verständlichkeit. Es können zwar Zweifelsfragen bezüglich der beim jeweiligen Rechtsgebiet anzusetzenden Höhe101 der Mindestgrenze für die Verständlichkeit bestehen. Bei diesen Unklarheiten geht es aber gerade um die Frage, ob die Grenze der Verständlichkeit überschritten wurde oder nicht.102 Diese Art der binären Fragestellung ist im Sinne von Alexy kennzeichnend für eine Rechtsregel.103

C. Fazit Das OECD-Besteuerungsprinzip der Verständlichkeit findet in Österreich seinen Niederschlag im Gebot der Verständlichkeit des österreichischen Rechtsstaatsprinzips. Das Gebot der Verständlichkeit ist demnach ein Bestandteil eines Baugesetzes der österreichischen Verfassung. Aus rechtstheoretischer Sicht ist das Gebot der Verständlichkeit von Rechtsnormen eine Rechtsregel, da definitiv ein ganz bestimmtes Maß an Verständlichkeit von den Normen gefordert wird.

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In diesem Sinne Alexy, Theorie der Grundrechte 76 und die dortige Fn. 25. Hervorhebung durch den Verfasser. 97 VfSlg 13.887/1994. 98 Vgl. dazu im Detail Alexy, Theorie der Grundrechte 76 und die dortige Fn. 25. 99 Hervorhebung durch den Verfasser. 100 Hervorhebung durch den Verfasser. 101 Hervorhebung durch den Verfasser. 102 Vgl. dazu Alexy, Theorie der Grundrechte 76 und die dortige Fn. 25. 103 Vgl. dazu Alexy, Theorie der Grundrechte 76 und die dortige Fn. 25. 96

Kapitel 10

Das Besteuerungsprinzip der Praktikabilität bzw. Wirksamkeit A. Das OECD-Prinzip der „Wirksamkeit und Fairness“ Die OECD beschreibt das Prinzip der Wirksamkeit und Fairness wie folgt:1 „Die Besteuerung sollte den richtigen Steuerbetrag zur richtigen Zeit hervorbringen und zugleich Doppelbesteuerung ebenso wie unbeabsichtigte Nichtbesteuerung verhindern. Zudem sollten die Möglichkeiten für Steuerhinterziehung und Steuervermeidung auf ein Mindestmaß reduziert werden. Frühere Diskussionen der technischen Beratungsgruppen (Technical Advisory Groups – TAG) trugen dem Umstand Rechnung, dass die steuerzahlende Öffentlichkeit eine Steuer als unfair und unwirksam betrachten kann, wenn es eine Kategorie von Steuerpflichtigen gibt, die diese Steuer eigentlich zahlen müssten, aber nie gezwungen sind, sie tatsächlich zu zahlen, weil dies nicht durchsetzbar ist. Die praktische Durchsetzbarkeit von Steuervorschriften ist somit ein wichtiger Punkt, den die politischen Entscheidungsträger berücksichtigen müssen. Außerdem ist die Durchsetzbarkeit von entscheidender Bedeutung für die Effizienz des Steuersystems, da sie die Einziehbarkeit und Administrierbarkeit der Steuern beeinflusst.“ Dieses OECD-Prinzip ist eines der quantitativ längsten und streift mehrere Themenbereiche an, die in dieser Arbeit bereits behandelt wurden oder noch an anderer Stelle thematisiert werden. Die Effizienz eines Steuersystems wird bereits in einem eigenständigen Prinzip erörtert.2 Das Problem der Doppelbesteuerung wird noch unter Kapitel 14 ausgeführt. Erläuterungen zur Steuermoral wurden bereits unter Kapitel 3 B. II. getätigt. Dieses Prinzip trägt im Übrigen das Wort „Fairness“ im Titel, welchem aber kein eigenständiger Begriffsinhalt zukommt. Der eigentliche und eigenständige Kern dieses Prinzips wird in einem Satz deutlich: „Die praktische Durchsetzbarkeit von Steuervorschriften ist somit ein wichtiger Punkt, den die politischen Entscheidungsträger berücksichtigen müssen.“3 Im Folgenden wird dieses Prinzip als Praktikabilität oder Wirksamkeit bezeichnet. 1

OECD, Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft 33. Vgl. Kapitel 7. 3 Der Forderung der OECD nach einer möglichst reduzierten Steuerhinterziehung und Steuervermeidung wird in diesem Zusammenhang als dem Prinzip der Praktikabilität immanent angesehen. Eine gesonderte Behandlung von steuerstrafrechtlichen Aspekten würde den 2

B. Praktikabilität der Besteuerung als finanz- und steuerrechtswiss. Forderung

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B. Praktikabilität der Besteuerung als finanzund steuerrechtswissenschaftliche Forderung Die Praktikabilität bzw. Wirksamkeit der Besteuerung gehört zu den grundlegenden finanzwissenschaftlichen Forderungen an ein Steuersystem.4 Dabei werden der Praktikabilität der Besteuerung in der Literatur verschiedene inhaltliche Aspekte zugesprochen.5 So schließt im Schrifttum die Praktikabilität bisweilen auch die ökonomische Effizienz und die Verständlichkeit des Steuersystems mit ein.6 Diese Teilaspekte werden jedoch schon im Rahmen von anderen OECD-Prinzipien behandelt.7 Daher wird der Fokus in diesem Abschnitt auf einen allein dem hier behandelten OECD-Besteuerungsprinzip zugehörigen Inhalt gerichtet: der Forderung nach faktischer und tatsächlicher Durchsetzbarkeit der Steuergesetze durch die Finanzbehörden.8 Nach Neumark bedeutet die Praktikabilität der Besteuerung somit, dass „die Steuerpolitik im einzelnen wie im ganzen so zu gestalten [ist], daß ihre Maßnahmen und die mit ihnen verfolgten Ziele […] den institutionellen und fachlichen Kapazitäten“ der Abgabenbehörden entsprechen, sodass sie durchsetzbar sind.9 Die Praktikabilität der Besteuerung fordert daher ein Steuerrecht, das nicht nur theoretisch am „Reißbrett“ funktioniert, sondern von der Finanzverwaltung auch tatsächlich in die Realität umgesetzt bzw. vollzogen werden kann und damit auch wirksam für den Steuerpflichtigen wird.10 Dieses Verständnis wird dem Besteuerungsprinzip der Praktikabilität auch bei der nachfolgenden Untersuchung zugrunde gelegt. Jedes Gesetz hat den Zweck, auch in die Realität umgesetzt zu werden.11 Damit ist die Praktikabilität der Besteuerung auch für die Steuerrechtswissenschaft ein zentrales Anliegen.12 Die Forderung nach Rechtsnormen, die für die Behörden sinnvoll Rahmen dieser Arbeit nämlich sprengen. Vielmehr konzentrieren sich die nachfolgenden Ausführungen auf das klassische finanzwissenschaftliche Verständnis des Prinzips der Praktikabilität. 4 Neumark, Grundsätze 45, 357 ff.; Mayer, Internationale Arbeitnehmerbesteuerung (2010) 36; Lang, Entwurf eines Steuergesetzbuchs Rz. 352, 385 ff.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 7 Rz. 7.3 ff., 7.12 ff.; vgl. auch die Ausführungen und die Literaturnachweise in Sava, Dualismus der Einkunftsarten (2007) 108 und die dortige Fn. 594. 5 Lang, Entwurf eines Steuergesetzbuchs Rz. 352, 385 ff.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 7 Rz. 7.3 ff., 7.12 ff. 6 Lang, Entwurf eines Steuergesetzbuchs Rz. 352, 385 ff.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 7 Rz. 7.3 ff., 7.12 ff. 7 Vgl. dazu Kapitel 7, 8 und 9. 8 Vgl. dazu grundlegend Neumark, Grundsätze 357 ff. 9 Neumark, Grundsätze 358. 10 Neumark, Grundsätze 357 ff. 11 Arndt, Praktikabilität und Effizienz (1983) 8. 12 Vgl. etwa die instruktiven Darstellungen von Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.113 ff. sowie Gunacker-Slawitsch, Überwindung von Informationsasymmetrien, Habilitationsschrift (2019) 58 ff.

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Kap. 10: Das Besteuerungsprinzip der Praktikabilität bzw. Wirksamkeit

anwendbar und durchsetzbar sind, gilt in besonderer Weise für die Steuererhebung, da es sich hierbei um ein aufwändiges Massenphänomen handelt.13 Um in der Praxis durch die Behörden eine möglichst gleichmäßige, also umfassende und lückenlose, Kontrolle und Erfassung der Steuern sicherzustellen, ist ein praktikables Steuerrecht notwendig.14 In diesem Sinne müssen Steuerrechtsnormen daher derart ausgestaltet sein, dass sie auf Basis der tatsächlichen Möglichkeiten der Abgabenverwaltungen auch in die Realität umgesetzt werden können und damit für den Steuerpflichtigen möglichst „flächendeckend“ wirksam werden.15 Nach dem der folgenden Untersuchung zugrunde gelegten Verständnis zielt die Praktikabilität der Besteuerung primär auf den Steuergesetzgeber ab. Gemäß dem OECD-Besteuerungsprinzip der Praktikabilität ist somit der Steuergesetzgeber dazu aufgefordert, die Rahmenbedingungen für ein vollziehbares Recht zu schaffen. Der Vollständigkeit wegen wird in der nachfolgenden Darstellung jedoch auch auf die Abgabenverwaltung eingegangen, welche das materielle Recht nicht willkürlich, sondern gleichmäßig zu vollziehen hat.16 Für eine praktikable und damit gleichmäßige Realisierung des materiellen Steuerrechts spielt, wie noch gezeigt werden wird, insbesondere der Gleichheitssatz eine Rolle.

C. Das Prinzip der Praktikabilität der Besteuerung innerhalb des österreichischen Steuerrechts I. Die Gleichmäßigkeit der Besteuerung als Vorgabe für die Abgabenverwaltung Der Gleichheitssatz nach Art. 7 B-VG besagt, „[a]lle Bundesbürger sind vor dem Gesetz gleich“ und bindet damit sowohl Gesetzgebung als auch die Vollziehung.17 Der Gleichheitssatz schreibt in diesem Sinne eine Rechtsanwendungs- und eine Rechtssetzungsgleichheit vor.18 Nach Hey gebietet die Rechtsanwendungsgleichheit, dass die materiellen Steuernormen durch die Finanzverwaltung unter den Steuerpflichtigen nicht lückenhaft oder arbiträr vollzogen werden.19 Für das Abgabenwesen bedeutet dies demnach, dass die Finanzbehörden keine willkürlichen 13

Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.145; Mayer, Internationale Arbeitnehmerbesteuerung 36 m. w. N.; vgl. auch Gunacker-Slawitsch, Überwindung von Informationsasymmetrien 58 ff. 14 Mayer, Internationale Arbeitnehmerbesteuerung 36 m. w. N. 15 Neumark, Grundsätze 357 ff. 16 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.113 ff. 17 Vgl. etwa Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 53; vgl. auch vorher Kapitel 4 B. III. 18 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.110. 19 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.111.

C. Prinzip der Praktikabilität der Besteuerung innerhalb des österr. Steuerrechts

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oder unsachlichen Entscheidungen treffen dürfen.20 Vielmehr müssen die gleichheitskonformen materiellen Steuergesetze von den Behörden auch „gleichmäßig“ durchgesetzt werden.21 Es soll somit für die Rechtsunterworfenen eine Gleichheit im realen Belastungserfolg der Steuergesetze erreicht werden.22 Der Gleichheitssatz fordert von den Abgabenbehörden damit eine gleichmäßige Durchsetzung der materiellen Steuergesetze.23 Vorgaben für den Steuervollzug finden sich in Österreich auch im einfachen Recht. So schreibt der erste Satz von § 114 Abs. 1 BAO für die Finanzverwaltung folgendes vor: „Die Abgabenbehörden haben darauf zu achten, dass alle Abgabepflichtigen nach den Abgabenvorschriften erfasst und gleichmäßig behandelt werden, sowie darüber zu wachen, dass Abgabeneinnahmen nicht zu Unrecht verkürzt werden.“ Nach der herrschenden Ansicht beschreibt § 114 Abs. 1 BAO damit den sogenannten „Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung“.24 Nach Stoll erfasst diese Gleichmäßigkeit der Besteuerung zwei Seiten.25 Zum einen darf aufgrund des Legalitätsprinzips26 von Art. 18 B-VG die Steuerverwaltung nur auf Basis von materiellen Steuergesetzen tätig werden und nicht willkürlich Abgaben vom Bürger einheben. Zum anderen gebietet laut Stoll bereits der eben erörterte Gleichheitssatz des Art. 7 B-VG, dass der Vollzug der materiellen Steuergesetze auch faktisch möglichst vollständig in die Realität umgesetzt wird.27 Diesen gleichheitsrechtlichen Aspekt des § 114 Abs. 1 BAO versteht Stoll dabei als einen „Idealzustand“, dem sich die Abgabenbehörden so weit wie möglich anzunähern haben.28 § 114 Abs. 1 BAO ist somit als eine einfachgesetzliche Wiederholung der bereits weiter oben erläuterten gleichheitsrechtlichen Vorgaben für den Steuervollzug zu verstehen.29 Diese Wiederholung wird in der Literatur als ein

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Vgl. etwa Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 55. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.111. 22 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.111. 23 Vgl. dazu sogleich Kapitel 10 C. II. 24 Ritz/Koran, Bundesabgabenordnung7 Kommentar (2021) § 114 Rz. 1 ff.; Stoll, BAO II 1252, 1254; Gebetsroither, in: Koller/Schuh/Woischitzschläger (Hrsg.), Praxis der steuerlichen Betriebsprüfung: Handbuch (29. Lfg., 2015) § 114 Gleichmäßigkeit der Besteuerung S. 2 ff.; Tanzer/Unger, BAO – Einführung in das Recht der Bundesabgabenordnung 2018/2019 (2019) 108; Schlager, Die verfassungsrechtlichen Grenzen für die Ausgliederung der Abgabeneinhebung Teil I, ÖStZ 2007, 15 (16). 25 Vgl. dazu im Detail Stoll, BAO II 1252 ff. 26 Das Legalitätsprinzip wird in weiterer Folge nicht genauer behandelt, da schon unter Kapitel 7 D. III. festgestellt wurde, dass diese Norm die rechtstheoretische Natur einer Rechtsregel hat. 27 Stoll, BAO II 1252 f., 1254 f. 28 Stoll, BAO II 1254 f. 29 Vgl. dazu etwa Ritz/Koran, BAO7 § 114 Rz. 1. 21

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Kap. 10: Das Besteuerungsprinzip der Praktikabilität bzw. Wirksamkeit

Ausdruck des hohen Stellenwerts, welchen der gleichmäßige und möglichst vollständige Vollzug der Finanzverwaltung im Abgabenwesen genießt, interpretiert.30 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Gleichheitssatz im Sinne der Rechtsanwendungsgleichheit den Abgabenbehörden eine gleichmäßige Durchsetzung des materiellen Steuerrechts vorschreibt und daher ein willkürlicher Vollzug grundsätzlich hintangehalten wird.

II. Praktikabilität als Vorgabe für den Gesetzgeber 1. Vollziehbarkeit von Steuergesetzen als gleichheitsrechtliche Problematik Das Themenfeld der Vollziehung von Steuergesetzen tangiert nicht nur wie oben erörtert die Abgabenverwaltung, sondern auch den Gesetzgeber. So wird nämlich auch ein sogenanntes „strukturelles Vollzugsdefizit“ von Steuernormen als eine gleichheitsrechtliche Problematik angesehen.31 In diesem Fall ist der Mangel des Vollzuges nicht den Abgabenbehörden selbst, sondern dem Gesetzgeber zuzurechnen.32 Dabei handelt es sich also nicht um vereinzelte Fehler, welche bei einem Massenverfahren wie dem Abgabenvollzug vorkommen können, sondern um Mängel, welche die praktische Durchsetzung der Norm nachhaltig verhindern.33 Die Ursache liegt dabei beim Gesetzgeber, der bei der Ausgestaltung des Steuergesetzes zu wenig auf dessen regelmäßige Durchsetzbarkeit bzw. auf die Gleichheit des tatsächlichen Belastungserfolges der Norm geachtet hat.34 Demnach besteht somit grundsätzlich die Möglichkeit, dass ein gleichheitskonformes materielles Steuergesetz aufgrund eines strukturellen Vollzugsdefizits gleichheitswidrig werden kann.35 Wegweisend für diese gleichheitsrechtliche Sichtweise waren vor allem das

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Gebetsroither, in: Koller/Schuh/Woischitzschläger, Praxis der steuerlichen Betriebsprüfung: Handbuch § 114 Gleichmäßigkeit der Besteuerung 3. 31 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.113; Gunacker-Slawitsch, Überwindung von Informationsasymmetrien 58 ff.; Toifl, Der subjektive Tatbestand im Steuer- und Steuerstrafrecht (2010) 156 f.; Seer, in: Tipke/Kruse (Hrsg.), Abgabenordnung Kommentar (132. Lfg., 2013) § 85 Rz. 9 ff. m. w. N. 32 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.111; vgl. dazu auch BVerfG 27. 6. 1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239; BVerfG 9. 3. 2004 – 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94. 33 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.111; vgl. dazu auch BVerfG 27. 6. 1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239; BVerfG 9. 3. 2004 – 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94. 34 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.111, 113; BVerfG 27. 6. 1991 – 2 BvR 1493/ 89, BVerfGE 84, 239 (271 f.); Gunacker-Slawitsch, Überwindung von Informationsasymmetrien 58 ff. 35 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.113; Toifl, Der subjektive Tatbestand im Steuer- und Steuerstrafrecht 156 f.; Gunacker-Slawitsch, Überwindung von Informationsasymmetrien 58 ff.

C. Prinzip der Praktikabilität der Besteuerung innerhalb des österr. Steuerrechts

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„Zinsurteil“36 und das „Spekulationssteuerurteil“37 des deutschen Bundesverfassungsgerichts.38 Im österreichischen Schrifttum wurde die eben erläuterte gleichheitsrechtliche Dimension von Vollzugsdefiziten zwar bislang noch nicht mit derselben Bestimmtheit wie in Deutschland ausgesprochen.39 Dennoch wird auch in Österreich davon ausgegangen, dass der Gesetzgeber aufgrund des Gleichheitssatzes bei der Erschaffung von materiellem Steuerrecht auch auf die tatsächliche Vollziehbarkeit dieser Normen zu achten hat.40 Vor allem Gunacker-Slawitsch hat jüngst detailliert aufgezeigt, dass die praktische Vollziehbarkeit von Steuergesetzen auch in Österreich eine gleichheitsrechtliche Dimension hat.41 So leitet Gunacker-Slawitsch etwa Anhaltspunkte für eine gesetzgeberische Verpflichtung der Sicherstellung einer Gleichheit des tatsächlichen Belastungserfolges von Steuergesetzen aus VfSlg 15.029/1997 vor dem Hintergrund der Berichtigungsmöglichkeiten bei Selbstbemessungsabgaben ab.42 In diesem Erkenntnis sprach der VfGH aus, dass auch für Abgaben, die im Wege der Selbstbemessung entrichtet werden, eine Möglichkeit bestehen muss, „sachlich oder rechtlich“ fehlerhafte Erklärungen zu korrigieren. Aufgrund des Gleichheitssatzes dürfen dabei jedoch nicht allein den Steuerpflichtigen „Verpflichtungen auferlegt werden, die eine Verkürzung der Abgabe verhindern“. Vielmehr muss auch gewährleistet sein, dass die für die Steuerbemessung „nach den materiellrechtlichen Abgabenvorschriften maßgeblichen Umstände in objektiver Weise und daher auch zugunsten des Abgabepflichtigen festgestellt werden können.“ Demnach muss die Berichtigung einer Abgabe aus gleichheitsrechtlicher Sicht sowohl zugunsten als auch zu Lasten eines Steuerpflichtigen möglich sein.43 Nach Pöschl kann aus dieser Judikatur abgeleitet werden, dass der Gleichheitssatz generell die Korrektur von unrichtig bemessenen Steuern, seien sie zu hoch oder zu niedrig angesetzt, gebietet.44 Gunacker-Slawitsch abstrahiert diesen Ansatz von Pöschl noch weiter und leitet daraus ab, dass der Gleichheitssatz den Gesetzgeber dazu auffordert, die Rahmenbedingungen für eine „richtige“ Abgabenerhebung zu schaffen.45 Die gleichheitsrechtliche Anordnung 36

BVerfG 27. 6. 1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239. BVerfG 9. 3. 2004 – 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94. 38 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.113 ff.; Gunacker-Slawitsch, Überwindung von Informationsasymmetrien 58 ff. 39 Gunacker-Slawitsch, Überwindung von Informationsasymmetrien 65, 69. 40 Gunacker-Slawitsch, Überwindung von Informationsasymmetrien 69; Toifl, Der subjektive Tatbestand im Steuer- und Steuerstrafrecht 156 f.; vgl. auch Ehrke-Rabel, in: Doralt/ Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 55 ff. 41 Gunacker-Slawitsch, Überwindung von Informationsasymmetrien 61 ff. 42 VfSlg 15.029/1997 sowie 8726/1980. 43 Pöschl, Gleichheit vor dem Gesetz 264; Gunacker-Slawitsch, Überwindung von Informationsasymmetrien 67 f. 44 Pöschl, Gleichheit vor dem Gesetz 264, 270 f. 45 Gunacker-Slawitsch, Überwindung von Informationsasymmetrien 68. 37

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Kap. 10: Das Besteuerungsprinzip der Praktikabilität bzw. Wirksamkeit

einer „richtigen“ Abgabenerhebung impliziert damit die Forderung nach einer Richtigkeit des tatsächlichen Belastungserfolges und daher auch die Möglichkeit der praktischen Durchsetzung steuergesetzlicher Bestimmungen.46 Die gleichheitsrechtliche Dimension von vollziehbaren Steuergesetzen wird auch in anderer Judikatur des VfGH sichtbar.47 Beispiele bieten etwa VfSlg 12.922/1991, das „Zinserkenntnis“ aus dem Jahr 1991 und das „Trinkgelderkenntnis“48 aus dem Jahr 2008, welche beide noch unter der rechtstheoretischen Analyse in Kapitel 10 C. IV. behandelt werden.49 Im Zinserkenntnis identifizierte der VfGH die „erschwerte Erfassbarkeit“ von Einkünften aus Kapitalvermögen als ein potentiell gleichheitsrechtliches Problem.50 Der schwierige Vollzug dieser Einkünfte war zwar in diesem Fall aus Sicht des VfGH durch das Bankgesetz gerechtfertigt. Der VfGH lehnte aber die erschwerte Durchsetzbarkeit nicht an sich als ein untaugliches Argument für die Gleichheitswidrigkeit einer Norm ab.51 Nach Toifl ist daher aus dieser Judikatur zu schließen, dass massive Defizite im Steuervollzug zu einer Gleichheitswidrigkeit führen können.52 Im Trinkgelderkenntnis beschäftigte sich der VfGH zudem „unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes“ mit der praktischen Durchsetzung der Besteuerung von Trinkgeldern.53 Dabei kam der VfGH zu dem Schluss, dass es gleichheitsrechtlich zulässig ist, auf massive Vollzugsschwierigkeiten mit der Normierung einer Steuerbefreiung zu reagieren. Wenn Vollzugsprobleme eine Steuerbefreiung rechtfertigen können, dann ist damit nach Gunacker-Slawitsch „bereits das Tor geöffnet, erhebliche Vollzugsdefizite als Verstöße gegen den Gleichheitssatz zu qualifizieren“.54 Zu beachten ist, dass der VfGH konkret im Trinkgelderkenntnis zwar kein Vollzugsdefizit annahm, sich den Äußerungen des Gerichtshofs jedoch entnehmen lässt, dass er strukturelle Vollzugsdefizite dennoch als gleichheitsrechtliches Problem ansieht.55 So wird aus diesen beiden Erkenntnissen sichtbar, dass der VfGH in Problematiken des Vollzuges ein grundsätzlich gleichheitsrechtliches Thema sieht. Genauer zu behandeln ist in diesem Zusammenhang noch ein bestimmter Ausspruch, den der VfGH im Zinserkenntnis VfSlg 12.922/1991 getätigt hat. Dort hielt 46

Gunacker-Slawitsch, Überwindung von Informationsasymmetrien 68. Die folgende Darstellung orientiert sich an den Ausführungen und der angeführten Literatur in Gunacker-Slawitsch, Überwindung von Informationsasymmetrien 68 ff. 48 VfSlg 18.549/2008. 49 Gunacker-Slawitsch, Überwindung von Informationsasymmetrien 70; Toifl, Der subjektive Tatbestand im Steuer- und Steuerstrafrecht 156 f.; vgl. auch Doralt, in: Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, Einkommensteuergesetz13 Kommentar § 1 Tz. 27/12 (Stand 1. 1. 2005, rdb.at). 50 Toifl, Der subjektive Tatbestand im Steuer- und Steuerstrafrecht 156 f. m. w. N. 51 Toifl, Der subjektive Tatbestand im Steuer- und Steuerstrafrecht 156 f. m. w. N. 52 Toifl, Der subjektive Tatbestand im Steuer- und Steuerstrafrecht 156 f. 53 VfSlg 18.549/2008. 54 Gunacker-Slawitsch, Überwindung von Informationsasymmetrien 65. 55 Gunacker-Slawitsch, Überwindung von Informationsasymmetrien 65. 47

C. Prinzip der Praktikabilität der Besteuerung innerhalb des österr. Steuerrechts

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der VfGH fest: „Der Umstand, dass eine – an sich sachliche – Regelung (möglicherweise in größerem Ausmaß) nicht befolgt wird, macht eine solche Regelung noch nicht unsachlich.“ Darüber hinaus ist laut VfGH der Hinweis, dass eine Norm „gesetzwidrig oder missbräuchlich“ vollzogen werden könnte, nicht dazu geeignet, verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Bestimmung auszulösen.56 Isoliert betrachtet könnten diese Äußerungen des VfGH in die Richtung verstanden werden, dass es gleichheitsrechtlich unbeachtlich ist, wenn eine Steuernorm tatsächlich nicht vollzogen werden kann.57 Dies ist jedoch unzutreffend.58 So identifiziert der VfGH, wie schon erwähnt, noch im selben Erkenntnis die „erschwerte Erfassbarkeit“ gewisser Einkünfte als eine grundsätzlich gleichheitsrechtliche Frage, welche jedoch in diesem Einzelfall durch das im Verfassungsrang stehende Bankgeheimnis gerechtfertigt ist.59 Die Vollzugsprobleme wurden als Argument vom VfGH nicht generell als unzulässig verworfen, sondern nur für diesen konkreten Sachverhalt aufgrund von Normen des Bankgesetzes zurückgewiesen. Zudem wird das schon erwähnte Trinkgelderkenntnis in der Literatur als eine Bestätigung der gleichheitsrechtlichen Dimension von Vollzugsproblemen des Gesetzgebers verstanden.60 Denn, wenn es für den VfGH zulässig ist, „unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes“ die Normierung einer Steuerbefreiung mit Vollzugsschwierigkeiten zu rechtfertigen, dann ist es für den Gerichtshof zumindest nicht undenkbar, bei massiven Vollzugsproblemen eine Gleichheitswidrigkeit anzunehmen.61 Demnach kann davon ausgegangen werden, dass für den VfGH der praktisch durchsetzbare Vollzug von Steuergesetzen eine gleichheitsrechtliche Dimension beinhaltet. Der oben wiedergegebene Ausspruch aus dem „Zinserkenntnis“ ist also wie folgt zu verstehen: In dem konkreten Sachverhalt lag zwar grundsätzlich eine Vollzugsproblematik für gewisse Einkünfte vor; die Schwierigkeiten bei der Steuererhebung konnten aber für sich alleine62 keine Gleichheits- bzw. Verfassungswidrigkeit auslösen, da der erschwerte Vollzug durch Regelungen zum Bankgeheimnis gerechtfertigt wurde. Unter Berücksichtigung der bisher erläuterten Literatur und Judikatur ist festzuhalten, dass die Praktikabilität, also die tatsächliche Vollziehbarkeit von Steuer56

VfSlg 12.922/1991. Gunacker-Slawitsch, Überwindung von Informationsasymmetrien 62; Toifl, Der subjektive Tatbestand im Steuer- und Steuerstrafrecht 156 f. m. w. N.; Haslinger, Die Veräußerung von Beteiligungen (2006) 156 ff. 58 Toifl, Der subjektive Tatbestand im Steuer- und Steuerstrafrecht 156 f.; Gunacker-Slawitsch, Überwindung von Informationsasymmetrien 62 ff. 59 Toifl, Der subjektive Tatbestand im Steuer- und Steuerstrafrecht 156 f.; vgl. auch Gunacker-Slawitsch, Überwindung von Informationsasymmetrien 64 f. 60 Gunacker-Slawitsch, Überwindung von Informationsasymmetrien 62 ff.; VfSlg 18.549/ 2008. 61 VfSlg 18.549/2008; Gunacker-Slawitsch, Überwindung von Informationsasymmetrien 65. 62 Hervorhebung durch den Verfasser. 57

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Kap. 10: Das Besteuerungsprinzip der Praktikabilität bzw. Wirksamkeit

gesetzen, eine gleichheitsrechtliche Dimension für den Gesetzgeber beinhaltet. Eine in der Realität nicht durchsetzbare Steuernorm ist daher potentiell mit Gleichheitswidrigkeit bedroht. Wie nachfolgend gezeigt werden wird, findet sich der Gedanke einer praktikablen Ausgestaltung von Steuergesetzen auch in einer speziellen Konkretisierung des Gleichheitssatzes wieder. 2. Die Gleichmäßigkeit der Besteuerung und der Steuergesetzgeber Nachdem im vorigen Abschnitt erörtert wurde, dass die Durchsetzbarkeit von Gesetzen grundsätzlich eine gleichheitsrechtliche Problematik darstellt, ist nun erneut auf den Begriff der „Gleichmäßigkeit der Besteuerung“ einzugehen – diesmal jedoch aus der Sicht des Gesetzgebers. Die Gleichmäßigkeit der Besteuerung ist, wie nachfolgend gezeigt wird, nicht nur eine Vorgabe für die Verwaltung, sondern erweist sich auch für die Steuergesetzgebung als relevant. Zu beachten ist, dass bei der Gleichmäßigkeit der Besteuerung zwischen zwei Aspekten differenziert werden muss: einerseits zwischen jener in § 114 BAO beschriebenen Gleichmäßigkeit der Besteuerung, welche sich an die Abgabenbehörden wendet; andererseits zwischen der in diesem Abschnitt noch zu erörternden Gleichmäßigkeit der Besteuerung, die auf die Vollziehbarkeit von Gesetzen abzielt und damit den Gesetzgeber im Visier hat. In der Literatur herrscht nach Gunacker-Slawitsch zwar weitgehend ein Konsens darüber, dass es sich bei der Gleichmäßigkeit der Besteuerung um ein zentrales „verfassungsrechtliches Fundament“ des österreichischen Steuersystems handelt.63 Zugleich wird jedoch angemerkt, dass die konkrete Bedeutung dieses Phänomens in Österreich noch nicht detailliert erforscht wurde und sich auch aus der höchstgerichtlichen Judikatur nur wenig Anhaltspunkte über den konkreten Inhalt der Gleichmäßigkeit der Besteuerung ergeben.64 Bei einer Reihe von Erkenntnissen bringt der VfGH die Gleichmäßigkeit der Besteuerung auch explizit in Zusammenhang mit der Vollziehbarkeit des materiellen Steuerrechts.65 Die folgende Darstellung widmet sich dieser Judikatur und versucht so zumindest einen inhaltlichen Teilbereich der Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu erschließen. Der VfGH erläuterte schon in VfSlg 5993/1969 zur Frage der Bestimmtheit von Steuergesetzen, dass es die Gleichmäßigkeit der Besteuerung gebietet, die Tatbestände des Steuerrechts in einer klaren und „zugänglichen Weise zu umschreiben“, damit den Rechtsanwendungsorganen auch eine gleichmäßige und nicht willkürliche tatsächliche Vollziehung dieser Normen möglich ist. In diesem Erkenntnis sprach der Gerichtshof auch aus, dass die Gleichmäßigkeit der Besteuerung ihre Verankerung 63

Gunacker-Slawitsch, Überwindung von Informationsasymmetrien 65. Gunacker-Slawitsch, Überwindung von Informationsasymmetrien 65. 65 Diese Darstellung orientiert sich an Gunacker-Slawitsch, Überwindung von Informationsasymmetrien 60 ff. 64

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im allgemeinen Gleichheitssatz findet.66 In VfSlg 14.948/1997 behandelt der VfGH die Gleichmäßigkeit der Besteuerung vor dem Hintergrund einer Neuregelung der Vergebührung von Darlehen. In diesem Erkenntnis war es für den VfGH im Sinne der Gleichmäßigkeit der Besteuerung geboten, für gewisse Darlehen mit Auslandsbezug einen speziellen Ersatztatbestand zu schaffen, damit der „Schwierigkeit der tatsächlichen67 Erfassung“ dieser Rechtsgeschäfte Rechnung getragen wird. Auch im „Registrierkassen-Erkenntnis“, welches unter Kapitel 10 C. IV. 2. a) detaillierter behandelt wird, zieht der VfGH die Gleichmäßigkeit der Besteuerung ausdrücklich als Rechtfertigung für die Einführung der Registrierkassenpflicht für Kleinunternehmer heran.68 Denn die Registrierkassen bezwecken laut VfGH nicht primär die Erhöhung der Steuereinnahmen, sondern vielmehr die Vermeidung von Steuerausfällen durch Umsatzverkürzungen bei Bargeschäften. Demnach bewirkt die Registrierkassenpflicht eine verbesserte und damit vollständigere Verwirklichung des materiellen Steuerrechts und „dient“ dem „Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung“. So rechtfertigt dieser „Grundsatz“ laut VfGH auch den Aufwand zur Anschaffung von Registrierkassen, da der Vollzug des Steuerrechts „mit Blick auf [das] Abgabenverfahren als Massenverfahren“ mittels Einsatz von modernen Technologien wesentlich erleichtert wird. Auch ein Erkenntnis zur Tabaksteuer bietet Anhaltspunkte über den konkreten Inhalt des Grundsatzes der Gleichmäßigkeit der Besteuerung.69 In diesem Erkenntnis verfolgte der Gesetzgeber laut VfGH das Ziel, den Tabakkonsum im Inland einer generell einheitlichen Steuerbelastung zu unterwerfen, unabhängig davon ob die Tabakwaren im In- oder Ausland erworben wurden. Jedoch wurden grenznahe Tabak-Verkaufsstellen als problematisch identifiziert, da diese auch mehrmals täglich angefahren werden konnten und dadurch eine Norm, welche eine Steuerbefreiung für beschränkte Mengen von im Reiseverkehr eingeführten Tabakwaren gewährte, unterlaufen werden konnte. Wenn aber die Gefahr besteht, dass die vom Gesetzgeber intendierte einheitliche Steuerbelastung des Tabakkonsums durch bestimmte „faktische70 Entwicklungen“ verhindert wird, dann ist es gemäß dem „Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit der Besteuerung“ geboten, Regelungen zu treffen, um den steuerfreien Konsum von Tabakwaren einzuschränken. In diesem Sinne hält der VfGH auch zusammenfassend fest, dass bei der rechtlichen Normierung der Verbrauchsbesteuerung einer bestimmten Ware gleichzeitig dafür gesorgt werden muss, dass auch de facto „grundsätzlich jeder Konsum dieser Ware“ mit der Steuer belastet ist. Aus dieser Judikatur wird deutlich, dass die im Gleichheitssatz verankerte Gleichmäßigkeit der Besteuerung nach Ansicht des VfGH Vorgaben für die Voll66

VfSlg 5993/1969. Hervorhebung durch den Verfasser. 68 VfSlg 20.065/2016. 69 VfSlg 15.941/2000. 70 Hervorhebung durch den Verfasser.

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Kap. 10: Das Besteuerungsprinzip der Praktikabilität bzw. Wirksamkeit

ziehbarkeit bzw. faktische Durchsetzung von materiellem Steuerrecht enthält. Aus den oben erläuterten Entscheidungen lässt sich nämlich klar eine Stoßrichtung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung erkennen: die tatsächliche Durchsetzung des materiellen Steuerrechts soll gewährleistet werden.71 Obwohl in dieser Untersuchung die Bedeutung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung für das österreichische Steuerrecht nicht abschließend geklärt wird, ist nun klargestellt, dass dieser „Grundsatz“ jedenfalls auch auf die Sicherstellung eines praktikablen, also durchsetzbaren, Steuerrechts hinwirken soll. Die Gleichmäßigkeit der Besteuerung findet ihre rechtliche Verankerung im Gleichheitssatz. Zu beachten ist, dass der Gleichheitssatz, wie in dieser Arbeit schon mehrfach erläutert wurde, eine Blankettnorm ist, die sich nicht selbst ausfüllen kann und daher auf eine Konkretisierung bzw. auf Bezugspunkte angewiesen ist.72 Der VfGH zieht die Gleichmäßigkeit der Besteuerung bei der Entscheidungsfindung als Argumentationshilfe und als einen Maßstab, der auf die Durchsetzung der materiellen Steuergesetze abzielt, heran.73 Dieser herangezogene Maßstab deckt sich dabei mit jenem des OECD-Besteuerungsprinzips der Praktikabilität, wonach bei der Konzipierung von Steuergesetzen auf die Möglichkeit ihrer tatsächlichen Umsetzung zu achten ist. Die Gleichmäßigkeit der Besteuerung kann damit als eine Konkretisierung des Gleichheitssatzes verstanden werden, welche sich inhaltlich mit dem OECD-Besteuerungsprinzip der Praktikabilität deckt.

III. Zwischenfazit Der Gedanke des OECD-Besteuerungsprinzips der Praktikabilität, wonach Steuergesetze möglichst gut vollziehbar konstruiert werden sollen, findet sich in zwei Aspekten der VfGH-Judikatur wieder. Zum einen bestehen gute Gründe, um von einem gleichheitsrechtlichen Verbot eines strukturellen Vollzugsdefizits auszugehen. Dies impliziert die gleichheitsrechtliche Forderung, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Steuergesetze auch auf deren faktische Durchsetzbarkeit Bedacht nehmen muss. Zum anderen wendet der VfGH bisweilen auch die im Gleichheitssatz verankerte Konkretisierung der „Gleichmäßigkeit der Besteuerung“ an, um auf die Vollziehbarkeit von Steuergesetzen hinzuwirken. Festzuhalten ist an dieser Stelle, dass sich das OECD-Besteuerungsprinzip der Praktikabilität also in der österreichischen Steuerrechtsordnung niederschlägt und durch den Gleichheitssatz gewährleistet wird. In welcher rechtstheoretischen Form dies geschieht, wird nachfolgend geklärt werden.

71

Vgl. auch Gunacker-Slawitsch, Überwindung von Informationsasymmetrien 68. Vgl. dazu schon Kapitel 4 B. III. 73 Vgl. auch Gunacker-Slawitsch, Überwindung von Informationsasymmetrien 65 ff.

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IV. Rechtstheoretische Analyse der Praktikabilität der Besteuerung 1. Positivrechtliche Verankerung der Praktikabilität der Besteuerung Der Gedanke einer vollziehbaren Ausgestaltung von Steuergesetzen findet seine positivrechtliche Verankerung nach den Ausführungen in den Kapiteln 10 C. II. 1. und 2. im verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz. Selbst wenn man nicht davon ausgeht, dass sich aus der unter Kapitel 10 C. II. 1. erörterten Judikatur und Literatur zu Vollzugsdefiziten eine gewisse gleichheitsrechtliche Anforderung an den Gesetzgeber ergibt, auf die tatsächliche Vollziehbarkeit von Steuergesetzen zu achten, so lässt sich dies deutlich aus der unter Kapiteln 10 C. II. 2. angeführten Rechtsprechung zum Grundsatz der „Gleichmäßigkeit der Besteuerung“ schließen, welcher laut dem Gerichtshof ebenfalls im Gleichheitssatz verankert ist. Die Rechtsgrundlage für ein etwaiges Rechtsprinzip der Praktikabilität ist also der Gleichheitssatz des Art. 7 B-VG.74 Da der Gleichheitssatz jedoch potentiell sowohl Rechtsprinzipien als auch Rechtsregeln beinhalten kann, bedarf es einer tiefergehenden normenstrukturtheoretischen Analyse.75 Zu diesem Zweck werden nachfolgend drei VfGH-Erkenntnisse erläutert, in denen der Gedanke der Praktikabilität der Besteuerung eine Rolle spielt. 2. Ausgewählte Judikaturbeispiele a) Registrierkassenerkenntnis VfSlg 20.065/2016 Als erstes Beispiel dient das bereits erwähnte „Registrierkassen-Erkenntnis“ aus dem Jahr 2016.76 In diesem Erkenntnis hatte der VfGH über die Verfassungsmäßigkeit der Verpflichtung für Unternehmer zur Anschaffung von Registrierkassen zu entscheiden. Die Einführung der Registrierkassenpflicht (insbesondere auch für Kleinunternehmer) war „Teil eines Maßnahmenpaketes zur Vermeidung von Steuerausfällen durch Umsatzverkürzungen aus Bargeschäften“.77 Somit lag der eigentliche Zweck der Registrierkassen für den Gerichtshof darin, die Durchsetzung des materiellen Steuerrechts zu stärken. Demnach dienten78 die Registrierkassen der Gewährleistung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und damit letztlich der Sicherung eines praktikablen Steuerrechts. Der VfGH hatte sich dabei mit dem Einwand zu beschäftigen, dass die Registrierkassenpflicht aufgrund des technischen und administrativen Aufwandes die 74

Zur Verankerung von Rechtsprinzipien im Gleichheitssatz vgl. Leisner, Kontinuität als Verfassungsprinzip 199 ff., 407, 641 ff., 651 ff.; vgl. dazu schon Kapitel 4 B. III. 75 Vgl. dazu schon Kapitel 4 B. III. 76 VfSlg 20.065/2016. 77 ErlRV 684 BlgNR 25. GP 4. 78 Der VfGH spricht explizit davon, dass die Registrierkassen der Sicherung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung dienen, VfSlg 20.065/2016.

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Interessen der Unternehmer beeinträchtige und dabei insbesondere die Freiheit der Erwerbsbetätigung verletzt werden würde. Es standen sich bei diesem Erkenntnis also insbesondere zwei Gesichtspunkte gegenüber, welche der Gerichtshof gegeneinander abzuwägen hatte: zum einen die Verbesserung der Praktikabilität der Besteuerung im Sinne einer Normierung von gut vollziehbarem Recht, zum anderen die Interessen der registrierkassenpflichtigen Unternehmer. Im Ergebnis überwog für den VfGH – auch mit Blick auf das „Abgabenverfahren als Massenverfahren“ – die Gleichmäßigkeit der Besteuerung über die Bedenken der Unternehmer, da durch die Registrierkassenpflicht Steuerausfälle bzw. das Risiko von Umsatzverkürzungen vermieden werden können. Die Gewährleistung eines durchsetzbaren Steuerrechts wog für den VfGH so stark, dass er die Registrierkassenpflicht auch für Kleinunternehmer als zulässig erkannte, welche potentiell einen größeren Aufwand aus dieser Pflicht tragen. In diesem Erkenntnis übertrumpfte also das Prinzip der Praktikabilität der Besteuerung im Rahmen einer Abwägung die gegenläufigen Interessen der registrierkassenpflichtigen Unternehmer. Deutlich wird in diesem Erkenntnis auch, dass die Praktikabilität der Besteuerung gemäß dem Wesen eines Rechtsprinzips in unterschiedlich großen Intensitäten erfüllt werden kann. Die Registrierkassenverpflichtung ist in der BAO systematisch unter Abschnitt C den „Obliegenheiten der Abgabenpflichtigen“ zuzuordnen und gehört dabei zu den Buchführungs-, Aufzeichnungs- und Belegerteilungspflichten von Unternehmern. Schon vor Einführung der Registrierkassenpflicht gab es in den §§ 124 ff. BAO diverse Aufzeichnungspflichten, welche laut VfGH einer „gleichmäßigen Besteuerung“79 dienen und damit auch eine funktionierende Durchsetzung des Rechts gewährleisten sollten. Das Prinzip der Praktikabilität war somit logischerweise schon vor der Registrierkassenpflicht zu einem gewissen Ausmaß erfüllt. Nach dem VfGH war ein Zweck der Registrierkassen, vor allem bei Bargeschäften, das Risiko von Steuerausfällen und Umsatzverkürzungen noch weiter zu verringern. So soll mit der Registrierkassenpflicht laut dem Gerichtshof durch den „Einsatz moderner Technologien“ eine Verbesserung der Vollziehbarkeit und damit eine noch vollständigere Realisierung der Praktikabilität der Besteuerung erreicht werden. Damit wird deutlich, dass das Rechtsprinzip der Praktikabilität in unterschiedlichen Graden bzw. Ausmaßen erfüllt werden kann. Durch die Einführung der Registrierkassen wurde erreicht, dass diesem Prinzip in einem noch höheren Grad nachgekommen wird. Im Ergebnis übertrumpfte das Gewicht des Rechtsprinzips der Praktikabilität in diesem Erkenntnis die gegenläufigen Interessen der Unternehmer. Somit wird diese Norm durch die Einführung der Registrierkassenpflicht nun „noch mehr“ bzw. in einem noch größeren Ausmaß realisiert.

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VfSlg 20.065/2016.

C. Prinzip der Praktikabilität der Besteuerung innerhalb des österr. Steuerrechts

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b) Zinserkenntnis VfSlg 12.922/1991 Als zweites Beispiel dient das ebenfalls bereits unter Kapitel 10 C. II. 1. angerissene Zinserkenntnis aus 1991.80 In diesem Erkenntnis machte eine Beschwerdeführerin die Verfassungswidrigkeit der tarifmäßigen Besteuerung von Zinserträgen geltend. Dabei führte die Beschwerde zunächst ins Treffen, es sei „unbestritten und gerichtsbekannt“, dass die in Frage stehenden Zinseinkünfte nur „in geringem Ausmaß steuerlich erfasst“ werden. Da somit der Gesetzgeber in dieser Hinsicht eine „gleichmäßige Durchsetzung“ der Steuerpflicht nicht gewährleistet, habe er deshalb das Recht auf Gleichbehandlung aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt. Der VfGH teilte diese Bedenken der Beschwerdeführerin nicht. Vielmehr erläuterte der Gerichtshof in einem ersten Schritt allgemein, dass er keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen hegt, wenn durch das Bankgeheimnis die Durchsetzung der Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen gehemmt wird. So ist es auch für den Gesetzgeber zulässig, wenn durch die Normierung des im Verfassungsrang stehenden Bankgeheimnisses,81 eine „erschwerte Erfassbarkeit“ solcher Einkünfte in Kauf genommen wird. Vollzugsprobleme können zwar grundsätzlich eine verfassungs- und gleichheitsrechtliche Dimension haben, laut VfGH rechtfertigte das Bankgeheimnis jedoch in diesem Einzelfall die erschwerte Durchsetzung des Steuerrechts. In diesem Erkenntnis kollidierte das Prinzip der Praktikabilität mit der Rechtsregel des damaligen § 23 KWG82. Das Bankgeheimnis hat in seiner Formulierung83 eine klare Alles-oder-Nichts-Natur und enthält definitive Anordnungen, die keiner Abwägung zugänglich sind. Die Anordnungen des Bankgeheimnisses können auch nicht mehr oder weniger erfüllt werden: die Kreditinstitute dürfen Geheimnisse, welche Ihnen aufgrund ihrer Geschäftsverbindungen mit Kunden anvertraut wurden grundsätzlich84 nicht offenbaren oder verwerten. Das Rechtsprinzip der Praktikabilität strebt nach einer möglichst reibungslosen und vollständigen Vollziehbarkeit der Abgabengesetze. Bei Einkünften aus Kapitalvermögen wie Zinsen ist die Praktikabilität jedoch potentiell eingeschränkt, da die Vollziehbarkeit von Normen von Informationen abhängen kann, die regelmäßig durch das Bankgeheimnis ge-

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Gunacker-Slawitsch, Überwindung von Informationsasymmetrien 61 f. Die heutige entsprechende Norm ist § 38 BWG, Bankwesengesetz, BGBl 532/1993 i. d. F. BGBl I 36/2022; vgl. dazu Toifl, Der subjektive Tatbestand im Steuer- und Steuerstrafrecht 156 f. m. w. N. 82 Die heutige entsprechende Norm ist § 38 BWG; vgl. § 23 KWG in der Stammfassung des Kreditwesengesetzes, BGBl 63/1979. 83 Vgl. dazu die Norm des § 38 BWG. 84 Dass das Bankgeheimnis klar definierte Ausnahmetatbestände vorsieht, ist mit seinem rechtstheoretischen Wesen als Rechtsregel zu vereinbaren, vgl. dazu Alexy, Theorie der Grundrechte 88 ff. 81

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Kap. 10: Das Besteuerungsprinzip der Praktikabilität bzw. Wirksamkeit

schützt sind.85 Im Sinne von Alexy trifft in diesem Bereich somit ein Rechtsprinzip auf eine streng geltende und positivrechtlich normierte Rechtsregel.86 Die Rechtsregel des Bankgeheimnisses gibt nur taxativ bestimmte Ausnahmegründe vor, in denen die Praktikabilität der Besteuerung keine Berücksichtigung findet. Somit hat die Wahrung des Bankgeheimnisses Vorrang und das Rechtsprinzip der Praktikabilität tritt in diesem Fall zurück. Das bedeutet, die erschwerte Vollziehbarkeit und potentiell unvollständige Erfassung von Einkünften wurden in diesem Erkenntnis aufgrund des Bankgeheimnisses in Kauf genommen.87 In diesem Erkenntnis wird aufgrund des Kollisionsverhaltens der Praktikabilität gegenüber einer Rechtsregel wiederum deren Prinzipiencharakter deutlich und es zeigt sich auch, dass die Praktikabilität hier zurücktritt und aufgrund des Bankgeheimnisses (potentiell) in einem weniger großen Ausmaß erfüllt ist. Die Gleichmäßigkeit der Besteuerung wird jedoch dadurch gemäß ihrer Natur als Rechtsprinzip nicht generell ungültig, sondern tritt nur in diesem Einzelfall in den Nachrang. c) Trinkgelderkenntnis VfSlg 18.549/2008 Auch das Trinkgelderkenntnis bietet noch ein Beispiel für die Prinzipiennatur der Praktikabilität der Besteuerung.88 In diesem Sachverhalt erhob ein Mitarbeiter der Casinos Austria eine Beschwerde, da sein erhaltenes Trinkgeld im Gegensatz zu anderen Arbeitnehmern aufgrund einer Spezialregelung nicht von der Einkommensteuer befreit wurde. Dabei hatte der VfGH über die Verfassungsmäßigkeit der Einkommensteuerbefreiung von Trinkgeldern nach § 3a Abs. 1 Z. 16 EStG zu entscheiden, die ortsübliche Trinkgelder, die einem Arbeitnehmer von dritter Seite gewährt wurden, von der Steuer ausnehmen. Als Begründung für die Normierung dieser Steuerbefreiung wurde vom Gesetzgeber ins Treffen geführt, dass die Besteuerung von Trinkgeldern praktisch „allein von der Steuerehrlichkeit des Trinkgeldempfängers“ determiniert wird und daher keine wirksamen Überprüfungsmöglichkeiten dieser Besteuerung existieren. Der Gerichtshof hatte im Prüfungsbeschluss Zweifel darüber, ob Probleme bei der Vollziehbarkeit von Steuergesetzen und fehlende Rechtstreue eine Steuerbefreiung rechtfertigen konnten. 85

Vgl. zur Entwicklung des Bankgeheimnisses in Österreich Günther/Jergitsch, Aktuelle Rechtsfragen zum österreichischen Bankgeheimnis und dem internationalen Informationsaustausch, in: Steuersachen, ÖBA 2016, 106 (106 ff.); vgl. auch o. V., Neuordnung der Zinsbesteuerung für Nichtansässige in der EU, ÖStZ 2000, 329 (329); VfSlg 12.922/1991; Toifl, Der subjektive Tatbestand im Steuer- und Steuerstrafrecht 156 f. 86 Alexy, Theorie der Grundrechte 76 und die dortige Fn. 24; vgl. auch Borowski, Grundrechte als Prinzipien3 (2018) 132 m. w. N. 87 Zu diesem Erkenntnis vgl. auch Toifl, Der subjektive Tatbestand im Steuer- und Steuerstrafrecht 156 f. 88 Vgl. zu diesem Erkenntnis Gunacker-Slawitsch, Überwindung von Informationsasymmetrien 62 ff.; Toifl, Der subjektive Tatbestand im Steuer- und Steuerstrafrecht 156 f.

C. Prinzip der Praktikabilität der Besteuerung innerhalb des österr. Steuerrechts

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Im Gesetzesprüfungsverfahren wurden diese Zweifel des Gerichtshofs jedoch ausgeräumt. Zwar hält der VfGH fest, dass es keine rechtlichen Gründe gibt, den Besteuerungstatbestand von Trinkgeldern nicht durchzusetzen.89 Im Ergebnis kam der Gerichtshof aber zu dem Schluss, dass Einkünfte aus Trinkgeldern eine Reihe von Besonderheiten aufweisen, die es zusammengenommen rechtfertigen, eine Steuerbefreiung für sie vorzusehen. So handelt es sich bei Trinkgeldern einerseits „aus Sicht des EStG“ um atypische Einkünfte, andererseits bestehen bei der Erfassung dieser Einkünfte „besondere Vollzugsprobleme“. So ist laut VfGH das „Ermittlungs- und Prüfungsinstrumentarium der Finanzverwaltung“ für die Kontrolle derartiger Einkünfte nicht geeignet. Somit wäre ein Vollzug der Besteuerung von Trinkgeldern jedenfalls mit einem intensiven Eindringen in die Privatsphäre der Steuerpflichtigen sowie einem massiven administrativen Aufwand verbunden, ohne dass eine „wirklichkeitsnahe Besteuerung“ gewährleistet werden könnte. Daher kam der VfGH zu dem Befund, dass, wenn ein verwaltungsökonomisch nicht vertretbarer Steuervollzug „nur ein Ergebnis zeitigen [würde], das weit weg von einer wirklichkeitsgetreuen“ Einkünfteerfassung liegt, es zulässig ist, mit der Normierung einer Steuerbefreiung zu reagieren. Die Steuerbefreiung wurde daher vom VfGH als zulässig angesehen. Zu beachten ist, dass der VfGH in diesem Erkenntnis nicht die Verfassungswidrigkeit der Besteuerung von Trinkgeldern feststellte, sondern vielmehr die Zulässigkeit einer Steuerbefreiung90 der Trinkgelder bejahte.91 So hielt der VfGH auch fest, dass grundsätzlich keine rechtlichen92 Bedenken bestehen, nicht auch Trinkgelder durch materielle Steuertatbestände zu erfassen.93 Daraus ergibt sich implizit, dass die Erfüllung des Prinzips der Praktikabilität bei der Steuerpflicht von Trinkgeldern zu einem gewissen Ausmaß „dem Grunde nach“ möglich wäre. Der Besteuerungstatbestand von Trinkgeldern wäre nämlich laut VfGH grundsätzlich zwar vollziehbar, doch aufgrund der oben geschilderten Probleme, wäre die Praktikabilität des Steuertatbestandes „der Höhe nach“ nur zu einem geringen Grad gegeben.94 In diesem konkreten Fall sah der VfGH also auch kein strukturelles Vollzugsdefizit bei der Besteuerung von Trinkgeldern.95 Der Gerichtshof ließ jedoch erkennen, dass die Durchsetzbarkeit, also Praktikabilität, der Steuerpflicht von Trinkgeldern nur zu einem geringem Ausmaß gegeben ist und zudem einen massiven Verwaltungsaufwand verursachen würde. Die Praktikabilität der Steuerpflicht von Trinkgeldern war

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VfSlg 18.549/2008. Hervorhebung durch den Verfasser. 91 Gunacker-Slawitsch, Überwindung von Informationsasymmetrien 64. 92 Hervorhebung durch den Verfasser. 93 Gunacker-Slawitsch, Überwindung von Informationsasymmetrien 64. 94 VfSlg 18.549/2008. 95 Vgl. schon Kapitel 10 C. II. 1. und die dortigen Nachweise.

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Kap. 10: Das Besteuerungsprinzip der Praktikabilität bzw. Wirksamkeit

in diesem Fall zwar nur schwach ausgeprägt, aber nicht so schwach, dass der VfGH von vornherein ein verfassungswidriges strukturelles Vollzugsdefizit annahm.96 Damit zeigt sich wiederum, dass die Praktikabilität der Besteuerung gemäß einem Rechtsprinzip eine abgestufte Wirkungsintensität hat und mehr oder weniger erfüllt werden kann. Die Gründe, welche das Rechtsprinzip der Praktikabilität hier einschränken, liegen im Sinne des VfGH primär im Tatsächlichen und nicht im Rechtlichen, da der Steuerpflicht für Trinkgelder grundsätzlich keine rechtlichen Gründe entgegenstehen.97 d) Zwischenfazit Nach diesen Judikaturbeispielen wird deutlich, dass die Praktikabilität der Besteuerung das rechtstheoretische Wesen eines abwägungsfähigen und graduell erfüllbaren Rechtsprinzips innehat.

D. Ergebnis Die von der OECD in ihrem Besteuerungsprinzip aufgegriffene finanzwissenschaftliche Forderung nach einem praktikablen Steuerrecht findet sich in Österreich innerhalb des Gleichheitssatzes wieder. Dieser Umstand ergibt sich aus einer Reihe von VfGH-Erkenntnissen, wonach der Gleichheitssatz dem Gesetzgeber vorschreibt, auf die tatsächliche Vollziehbarkeit und die Möglichkeit der Verwirklichung von Steuernormen zu achten. Rechtstheoretisch handelt es sich bei dieser Forderung nach einem durchsetzbaren Steuerrecht um ein im Gleichheitssatz verankertes Rechtsprinzip.

96 Dennoch erkannte es der VfGH als zulässig an, auf Vollzugsprobleme mit einer Steuerbefreiung zu reagieren, was, wie schon erörtert, das „Tor öffnet“, strukturelle Vollzugsdefizite als gleichheitsrechtliches Problem anzuerkennen, vgl. dazu Gunacker-Slawitsch, Überwindung von Informationsasymmetrien 65; vgl. auch schon Kapitel 10 C. II. 1. 97 VfSlg 18.549/2008; vgl. auch Alexy, Theorie der Grundrechte 75 f.

Kapitel 11

Das Besteuerungsprinzip der Flexibilität A. Das Flexibilitätsprinzip der OECD und seine zwei Aspekte Das Prinzip der Flexibilität der OECD lautet:1 „Besteuerungssysteme sollten hinreichend flexibel und dynamisch sein, um mit technologischen und wirtschaftlichen Entwicklungen Schritt halten zu können. Es ist wichtig, dass ein Steuersystem dynamisch und flexibel genug ist, um den laufenden Einnahmenbedarf des Staats zu decken und zugleich kontinuierliche Anpassungen an sich verändernde Anforderungen zu ermöglichen. Dies bedeutet, dass die strukturellen Merkmale des Systems in einem sich wandelnden Politikumfeld stabil und dabei zugleich flexibel und dynamisch genug sein sollten, um den Regierungen zu gestatten, nach Bedarf zu reagieren, um mit technologischen und wirtschaftlichen Entwicklungen Schritt zu halten, wobei es zu berücksichtigen gilt, dass sich künftige Entwicklungen häufig schwer vorhersehen lassen.“ Aus diesen Ausführungen der OECD lassen sich die zwei wesentlichen Elemente dieses Prinzips erkennen. Zum einen soll ein Steuersystem allgemein dynamisch und flexibel genug sein, um auch bei sich ändernden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen noch den Einnahmenbedarf des Staates decken zu können. Zum anderen wird zweimal angesprochen, dass das Besteuerungssystem auch speziell in Hinblick auf technologische Neuerungen „Schritt halten“ soll. Der erste Aspekt beinhaltet das klassische finanzwissenschaftliche Besteuerungsprinzip der Flexibilität, während der zweite Aspekt den Themenkreis der Technologieneutralität des Rechts anspricht. Aufgrund der Komplexität dieser beiden Elemente werden diese im Folgenden getrennt behandelt.

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OECD, Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft 33 f.

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Kap. 11: Das Besteuerungsprinzip der Flexibilität

B. Flexibilität der Besteuerung und progressiver Tarif I. Flexibilität der Besteuerung als finanzwissenschaftliche Vorgabe 1. Aktive und passive Flexibilität Flexibilität im finanzwissenschaftlichen Sinn bedeutet allgemein gesprochen, dass ein Steuersystem auf Veränderungen der wirtschaftlichen Lage bestmöglich reagieren soll, um eine stabile Deckung des staatlichen Finanzbedarfs zu gewährleisten.2 In diesem Zusammenhang wird auch der Begriff der steuerlichen „Stabilisierungs- oder Stabilitätspolitik“ verwendet.3 Neumark differenziert dabei die Besteuerungsprinzipien der aktiven und passiven Flexibilität.4 Sowohl aktive als auch passive Flexibilität zielen im Kern darauf ab, ein gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht sicherzustellen, unterscheiden sich aber bei der Wahl der Mittel zur Erreichung dieses Ideals.5 Die Grundideen von aktiver und passiver Flexibilität wurzeln ursprünglich im Keynesianismus, einem wirtschaftswissenschaftlichen Theoriesystem, benannt nach seinem Begründer John Maynard Keynes6.7 Der Keynesianismus besagt, dass der Staat antizyklisch, also gegensteuernd, in die Wirtschaft einzugreifen hat, um die Schwankungen von Angebot und Nachfrage, auch Konjunkturschwankungen genannt, auszugleichen.8 Unter aktiver Flexibilität wird im Wesentlichen verstanden, dass der Staat auf Änderungen der wirtschaftlichen Lage mit einer Novellierung der Steuergesetze reagiert, um die gewünschten Stabilisierungseffekte zu erreichen.9 Dieses auf den Einzelfall bezogene Eingreifen in den Wirtschaftskreislauf wird auch als „diskretionäre Finanzpolitik“ bezeichnet.10 Einen problematischen Faktor im Rahmen der 2 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 7 Rz. 7.9 f.; Neumark, Grundsätze 283 ff., 295 ff.; Stiglitz/Schönfelder, Finanzwissenschaft2 (1996) 413 f.; Brümmerhoff, Finanzwissenschaft12 (2012) 353 ff. 3 Neumark, Grundsätze 283; Graff, Grundlagen der Finanzwissenschaft 230 ff.; Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht22 Rz. 41 m. w. N. 4 Neumark, Grundsätze 283 ff., 295 ff. 5 Neumark, Grundsätze 295. 6 Vgl. zu Keynes und seinem Theoriemodell etwa Klump, Wirtschaftspolitik3 (2013) 146; Graff, Grundlagen der Finanzwissenschaft 230 ff.; Wohltmann, Grundzüge der Makroökonomischen Theorie7 (2016) 14 ff.; Gabler, Gabler-Volkswirtschafts-Lexikon Band I: A–K (1996) 583. 7 Kalusche, Ausmaß und Stärke der automatischen Stabilisatoren in Deutschland vor dem Hintergrund der jüngsten Steuer- und Sozialreformen, Sozialökonomische Schriften (2010) 7 m. w. N.; Graff, Grundlagen der Finanzwissenschaft 22 ff.; welt.de, Die Theorie des Keynesianismus, https://www.welt.de/wirtschaft/Wirtschaftslexikon/article7096430/Die-Theoriedes-Keynesianismus.html (abgerufen am 6. 3. 2023). 8 Wohltmann, Grundzüge der Makroökonomischen Theorie7 14 ff.; Graff, Grundlagen der Finanzwissenschaft 230 ff. 9 Neumark, Grundsätze 285; Brümmerhoff, Finanzwissenschaft10 379. 10 Stiglitz/Schönfelder, Finanzwissenschaft2 414 f.

B. Flexibilität der Besteuerung und progressiver Tarif

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aktiven Flexibilität stellt der Zeitbedarf einer Anpassung des Steuerrechts dar.11 Idealerweise fordert die aktive Flexibilität „rasche und schnell wirkende ad hocEingriffe“.12 Jedoch ist es aufgrund politischer Kontroversen und des oft langwierigen Gesetzgebungsprozesses bei einer sich rasch ändernden Wirtschaftslage für den Staat schwierig, mittels Steuergesetzesänderungen zur richtigen Zeit ökonomisch richtig zu reagieren.13 So ist die Effektivität von diskretionären Maßnahmen wie Konjunkturpaketen aufgrund ihrer Wirkungsverzögerungen und der Problematik, exakte Prognosen für wirtschaftliche Entwicklungen anzustellen, in der Literatur umstritten.14 Die passive Flexibilität bzw. „eingebaute Flexibilität“ oder „built-in-flexibility“ soll hingegen automatisch und ohne explizites Handeln des Staates die angestrebten Stabilisierungseffekte für die Wirtschaft erzeugen.15 Die passive Flexibilität ist im Steuertatbestand bereits „eingebaut“, wodurch sich das Steueraufkommen idealerweise ohne Steuerrechtsnovellen konjunkturgerecht entwickelt.16 Diese „built-inflexibility“ wird auch oft als „automatischer Stabilisator“ bezeichnet.17 Unter „automatische Stabilisatoren“ werden allgemein jene Einnahmen und Ausgaben des staatlichen Haushalts verstanden, die eine selbständige Stabilisierungswirkung für die Gesamtwirtschaft entfalten.18 Das bedeutet, solche Staatseinnahmen und -ausgaben werden bei Schwanken des Bruttoinlandprodukts für die Konjunktur wirksam und zwar auch ohne langwierige legislative oder administrative Änderungen.19 Diese verzögerungslose Wirkung der passiven Flexibilität bzw. von automatischen Sta-

11 Stiglitz/Schönfelder, Finanzwissenschaft2 414 f.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 7 Rz. 7.9 f. 12 Neumark, Grundsätze 295. 13 Stiglitz/Schönfelder, Finanzwissenschaft2 414 f; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 7 Rz. 7.9 f. 14 Budgetdienst, Anfragebeantwortung des Budgetdiensts – Wirkung der automatischen Stabilisatoren (2018) 7, verfügbar unter https://www.parlament.gv.at/ZUSD/BUDGET/2018/ BD_-_Anfragebeantwortung_zur_Wirkung_der_automatischen_Stabilisatoren.pdf (abgerufen am 6. 3. 2023); Taylor, The Lack of Empirical Rationale of a Revival of Discretionary Fiscal Policy, American Economic Review 2009, 550 (550 ff.); Dujmovits, Fiskalische automatische Stabilisierung: Ein bekanntes, aber offenes Konzept, in: Held/Kubon-Gilke/Sturn (Hrsg.), Jahrbuch Normative und institutionelle Grundfragen der Ökonomik (2014) 221 m. w. N.; Brümmerhoff, Finanzwissenschaft12 381 ff. 15 Neumark, Grundsätze 295; Brümmerhoff, Finanzwissenschaft12 386 ff.; vgl. auch Graff, Grundlagen der Finanzwissenschaft 242 ff. 16 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 7 Rz. 7.9 f. 17 Neumark, Grundsätze 299; Brümmerhoff, Finanzwissenschaft10 386; Budgetdienst, Anfragebeantwortung des Budgetdiensts – Wirkung der automatischen Stabilisatoren 7; Dujmovits, in: Held/Kubon-Gilke/Sturn 7 m. w. N. 18 Kalusche, Ausmaß und Stärke der automatischen Stabilisatoren 7; vgl. auch Graff, Grundlagen der Finanzwissenschaft 242 ff. 19 Kalusche, Ausmaß und Stärke der automatischen Stabilisatoren 7; Budgetdienst, Anfragebeantwortung des Budgetdiensts – Wirkung der automatischen Stabilisatoren 6.

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Kap. 11: Das Besteuerungsprinzip der Flexibilität

bilisatoren wird als entscheidender Vorteil gegenüber der aktiven Flexibilität bzw. diskretionären Maßnahmen angesehen.20 Klassische Beispiele für automatische Stabilisatoren sind die Arbeitslosenversicherung auf der Ausgabenseite und die Sozialversicherungsbeiträge sowie die progressive Einkommensteuer auf der Einnahmenseite.21 Allgemein gesprochen sollen automatische Stabilisatoren während einer Rezession stimulierend auf eine Volkswirtschaft wirken, während sie in Hochkonjunkturphasen einen dämpfenden Effekt zeitigen.22 Das Steuer- und Transfersystem schwächt somit Schwankungen der Konjunktur ab, was sich wiederum stabilisierend auf die Konsumnachfrage von privaten Haushalten auswirkt.23 Zentrale Determinanten für die Stabilisierungswirkung sind vor allem das Ausmaß der Progression eines Steuersystems und der Umfang staatlicher Transferzahlungen.24 Zum besseren Verständnis wird im Folgenden vereinfacht beschrieben, wie diese finanzpolitischen Instrumente in einer Krise wirken:25 Durch eine Wirtschaftskrise verringern sich generell die verfügbaren Einkommen in einer Volkswirtschaft. In der Krise bewirken automatische Stabilisatoren, dass für den Staat die Steuereinnahmen sinken und die Sozialausgaben steigen.26 Somit fallen bei einem progressiven Steuersystem durch das Absinken des Einkommens die Steuerzahler in einen niedrigeren Steuertarif und darüber hinaus bekommen Bürger vermehrt Beiträge aus der Arbeitslosenversicherung ausbezahlt.27 Die automatischen Stabilisatoren bewirken somit, dass die Bürger in einer Wirtschaftskrise zum einen einer geringeren Steuerlast unterliegen und zum anderen erhöhte Transferzahlungen vom Staat erhalten. Unter der Voraussetzung, dass der Staat ein erhöhtes Defizit in Kauf nimmt und in der Krise keine Steuererhöhungen bzw. Ausgabensenkungen vornimmt, wird somit durch die passive Flexibilität er-

20 Budgetdienst, Anfragebeantwortung des Budgetdiensts – Wirkung der automatischen Stabilisatoren 7 f. 21 Vgl. etwa Neumark, Grundsätze 302 ff.; Kalusche, Ausmaß und Stärke der automatischen Stabilisatoren 7 m. w. N.; Graff, Grundlagen der Finanzwissenschaft 242 f. 22 Budgetdienst, Anfragebeantwortung des Budgetdiensts – Wirkung der automatischen Stabilisatoren 6; Kalusche, Ausmaß und Stärke der automatischen Stabilisatoren 8 ff.; Graff, Grundlagen der Finanzwissenschaft 242 f. 23 Budgetdienst, Anfragebeantwortung des Budgetdiensts – Wirkung der automatischen Stabilisatoren 15. 24 Brümmerhoff, Finanzwissenschaft12 387; Budgetdienst, Anfragebeantwortung des Budgetdiensts – Wirkung der automatischen Stabilisatoren 4, 6 f. 25 Vgl. dazu die Darstellungen in Dolls/Fuest/Peichl, Wie wirken die automatischen Stabilisatoren in der Wirtschafskrise? Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Staaten und den USA, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2010, 132 (132 ff.); Graff, Grundlagen der Finanzwissenschaft 242 f. 26 Dolls/Fuest/Peichl, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2010, 132. 27 Budgetdienst, Anfragebeantwortung des Budgetdiensts – Wirkung der automatischen Stabilisatoren 4, 6 f.; Brümmerhoff, Finanzwissenschaft12 389; Dolls/Fuest/Peichl, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2010, 132 ff.

B. Flexibilität der Besteuerung und progressiver Tarif

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reicht, dass die konjunkturbedingte Verringerung des Einkommens innerhalb einer Gesamtwirtschaft teilweise vom Staat absorbiert wird.28 Die folgenden Abschnitte beschäftigen sich im Detail mit der steuerrechtlich relevantesten Determinante der passiven Flexibilität bzw. automatischen Stabilisation, nämlich der progressiven Einkommensteuer.29 2. Die progressive Einkommensteuer als automatischer Stabilisator In der Literatur ist es verbreitet anerkannt und empirisch belegt, dass die progressive Einkommensteuer eine stabilisierende Wirkung auf die Konjunktur haben kann.30 So wurde etwa von Dolls/Fuest/Peichl vor dem Hintergrund der Finanzkrise 2008 eine Simulation durchgeführt, welche die Wirkung von automatischen Stabilisatoren in der EU und den USA vergleicht.31 Dabei kamen die Autoren zu dem Ergebnis, dass die progressive Einkommensteuer bei einem Einkommensschock, also dem plötzlichen Absinken aller Bruttolöhne innerhalb einer Volkswirtschaft, einen entscheidenden Faktor für die Stabilisierung der Wirtschaft und Abschwächung der Krise darstellt. Nach den Simulationsergebnissen schneidet die Bundesrepublik Deutschland überdurchschnittlich gut bei der Messung der Stabilisierungswirkung der automatischen Stabilisatoren ab. Die Autoren führen dies auf die im internationalen Vergleich relativ hohe Progressivität der deutschen Einkommensteuer zurück.32 Auch Österreich erzielt bei der Simulation von Dolls/Fuest/Peichl Stabilisierungswerte, die deutlich über dem Durchschnitt liegen.33 Es liegt nahe, das gute Abschneiden Österreichs ebenfalls mit der vergleichsweise hohen Progression der österreichischen Einkommensteuer zu erklären. Denn die Progression der österreichischen Einkommensteuer liegt nach einer Studie der OECD aus dem Jahr 2014 deutlich über dem OECD-Durchschnitt.34 So steigt in Österreich „der durchschnittliche Einkommensteuersatz pro Prozentpunkt Einkommenserhöhung um 0,071 Prozentpunkte“ an, während der OECD-Durchschnitt lediglich bei 28

Dolls/Fuest/Peichl, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2010,132. Vgl. etwa Kalusche, Ausmaß und Stärke der automatischen Stabilisatoren 9 ff. m. w. N.; Dolls/Fuest/Peichl, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2010, 132; Brümmerhoff, Finanzwissenschaft12 387; Budgetdienst, Anfragebeantwortung des Budgetdiensts – Wirkung der automatischen Stabilisatoren 4, 6. 30 Vgl. dazu etwa die Ausführungen und die Nachweise unter Dujmovits, in: Held/KubonGilke/Sturn 221 und die dortige Fn. 8; Dolls/Fuest/Peichl, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2010, 136; Budgetdienst, Anfragebeantwortung des Budgetdiensts – Wirkung der automatischen Stabilisatoren 4, 6, 20 f. 31 Dolls/Fuest/Peichl, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2010, 136. 32 Dolls/Fuest/Peichl, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2010, 136. 33 Dolls/Fuest/Peichl, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2010, 139. 34 EcoAustria, Analyse unterschiedlicher progressiver Steuerreformszenarien, Policy Note Nr. 8 (2014) 2 f.; vgl. auch OECD, Taxing Wages 2012 – 2013 (2014) 195 ff. 29

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Kap. 11: Das Besteuerungsprinzip der Flexibilität

0,053 Prozent liegt.35 Demnach hat die Einkommensteuer in Österreich damit die fünfthöchste Progression unter allen OECD-Ländern.36 Konkret auf Österreich bezogen hat erst 2018 der Budgetdienst des österreichischen Parlaments eine Studie zur Wirkung von automatischen Stabilisatoren veröffentlicht.37 Auch in dieser Studie wurde festgehalten, dass die österreichische progressive Einkommensteuer einen ganz wesentlichen Beitrag zur Stabilisierung in Krisenzeiten darstellt.38 Bei einem Einkommensschock resultiert sogar der Großteil der Stabilisierungswirkung aus der Einkommensteuer.39 Der Einkommensstabilisierungskoeffizient40, also jene Größe, welche die Schockabfederung von Steuern, Sozialversicherungsbeiträgen und Transferzahlungen in Relation zum „Gesamtschock“ misst, beträgt insgesamt 47,3 % – bei einer Krise würden also 47,3 % der negativen Auswirkungen von den automatischen Stabilisatoren absorbiert werden.41 Sinken also aufgrund des Einkommensschocks die Bruttoeinkommen um EUR 1.000,–, so würden die tatsächlich verfügbaren Einkommen lediglich um EUR 527,– (EUR 1.000,– minus EUR 473,–) fallen, da EUR 473,– durch die „builtin-fexibility“ aufgefangen werden.42 Der Einkommensstabilisierungskoeffizient setzt sich wie folgt zusammen: 32,9 % Einkommensteuer, 13,6 % Sozialversicherungsbeiträge und 0,8 % Transferzahlungen.43 Bei einem zweiten Modell wurde neben dem Rückgang der Einkommen auch noch der Anstieg der Arbeitslosigkeit miteinbezogen. Bei dieser Variante beträgt der Einkommensstabilisierungskoeffizient insgesamt 54,3 %, wobei wiederum die Einkommensteuer mit 23 % das bedeutendste Stabilisierungselement darstellt (Sozialversicherungsbeiträge 15,7 %, Transferzahlungen 15,6 %). Der mit Abstand größte Teil der Stabilisierung resultiert in beiden Modellvarianten somit aus der Einkommensteuer. Die Studie schließt mit dem Fazit, dass automatische Stabilisatoren und insbesondere das progressive

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EcoAustria, Analyse unterschiedlicher progressiver Steuerreformszenarien 2 f.; OECD, Taxing Wages 40. 36 EcoAustria, Analyse unterschiedlicher progressiver Steuerreformszenarien 2. 37 Budgetdienst, Anfragebeantwortung des Budgetdiensts – Wirkung der automatischen Stabilisatoren (2018). 38 Budgetdienst, Anfragebeantwortung des Budgetdiensts – Wirkung der automatischen Stabilisatoren 4, 6; auch Dolls/Fuest/Peichl, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2010, 136 m. w. N. 39 Budgetdienst, Anfragebeantwortung des Budgetdiensts – Wirkung der automatischen Stabilisatoren 4, 20, 33. 40 Dolls/Fuest/Peichl, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2010, 135. 41 Budgetdienst, Anfragebeantwortung des Budgetdiensts – Wirkung der automatischen Stabilisatoren 20. 42 Budgetdienst, Anfragebeantwortung des Budgetdiensts – Wirkung der automatischen Stabilisatoren 20. 43 Budgetdienst, Anfragebeantwortung des Budgetdiensts – Wirkung der automatischen Stabilisatoren 20 f.

B. Flexibilität der Besteuerung und progressiver Tarif

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Einkommensteuersystem in Österreich einen wesentlichen Beitrag zu einer stabilisierenden Wirtschaftspolitik leisten.44 Die progressive Einkommensteuer ist somit auch in Österreich eine zentrale Facette des finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzips der passiven Flexibilität. In den weiteren Abschnitten werden der ideengeschichtliche Ursprung und die rechtliche Form, in der sich die finanzwissenschaftliche Maxime der passiven Flexibilität im österreichischen Steuerrecht wiederfindet, erläutert.

II. Progressivität der österreichischen Einkommensteuer aus Sicht der Steuerrechtswissenschaft 1. Begriffsdefinition und ideengeschichtlicher Ursprung der Steuerprogression Der Steuertarif, auch Steuersatz genannt, bestimmt jenen Teil der Steuerbemessungsgrundlage, der als Steuerschuld an den Staat abzugeben ist.45 In der Regel benennt der Tarif dabei einen Vomhundert- oder Vomtausendsatz der Bemessungsgrundlage.46 Steuertarife können progressiv, regressiv oder proportional sein.47 Ein Tarif ist progressiv, wenn dieser mit wachsender Steuerbemessungsgrundlage ansteigt und regressiv, wenn der Tarif mit wachsender Bemessungsgrundlage absinkt. Hingegen bleibt ein proportionaler Steuertarif bei steigender Bemessungsgrundlage gleich. Klassisches Beispiel für eine zeitgenössische Steuer mit einem progressiven Tarif ist die Steuer auf das Einkommen.48 Ein progressiver Einkommensteuertarif steigt bei zunehmendem erwirtschafteten Einkommen, welches die Bemessungsgrundlage darstellt, an.49 Eine Einkommensteuer mit progressivem Tarif wurde erstmals im Jahr 1798 vom englischen Parlament aufgrund eines kriegsbedingten hohen Finanzbedarfs bewilligt.50 Der Progressionstarif hat sich jedoch nicht nur in westlich geprägten Ländern durchgesetzt, sondern findet nahezu weltweit seine Verbreitung.51 44

Budgetdienst, Anfragebeantwortung des Budgetdiensts – Wirkung der automatischen Stabilisatoren 33 f. 45 Isensee, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts3 V § 118 Rz. 271; vgl. dazu auch Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 6 Rz. 6.46 ff. 46 Isensee, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts3 V § 118 Rz. 271. 47 Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 6 Rz. 6.46; Isensee, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts3 V § 118 Rz. 271. 48 Vgl. im Detail Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 8 Rz. 8.800 ff. 49 Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 53. 50 Knaupp, in: Kube et. al. (Hrsg.), Leitgedanken des Rechts: Paul Kirchhof zum 70. Geburtstag, Band II: Staat und Bürger (2013) § 159 Rz. 7 m. w. N. 51 Vgl. dazu die Ausführungen und die angeführten Nachweise unter Sellhorn, Steuersatz und Verfassungsrecht (1998) 74 und die dortige Fn. 541.

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Kap. 11: Das Besteuerungsprinzip der Flexibilität

In manchen Ländern des spanischen und lateinamerikanischen Rechtskreises ist das Progressionsprinzip zum Teil auch ausdrücklich verfassungsrechtlich verankert.52 Die Idee einer progressiven Steuer findet sich schon bei Montesquieu und Rousseau, die den Weg für die sogenannte Opfer-53 und finanzwissenschaftliche Grenznutzentheorie54 mitbereitet haben.55 Grundgedanke hinter diesen nicht unumstrittenen Theoriegebäuden ist, dass sich eine nominell gleich hohe Steuerzahlung aufgrund unterschiedlicher Vermögensverhältnisse nicht für jeden Bürger gleich schwer auswirkt.56 Um eine gerechte Besteuerung sicherzustellen, bedarf es deshalb einer auf die Umstände des Einzelnen Rücksicht nehmenden gleichmäßigen Verteilung der Steuerlast.57 Nach nutzentheoretischen Erkenntnissen steigt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen bei höherem Einkommen überproportional an.58 So muss nämlich bei zunehmendem Einkommen nur ein prozentuell geringerer Teil dieses erwirtschafteten Einkommens für die Befriedigung der grundlegenden Lebensbedürfnisse aufgewendet werden. Daher kann ein Besserverdienender in absoluten Zahlen mehr an Einkommen für die Steuerzahlung „opfern“, bis dieser eine gleich hohe Nutzeneinbuße bzw. verringerte Leistungsfähigkeit wie ein Schlechterverdiener erfährt.59 Um ein relativ gleich hohes „Steueropfer“ zu gewährleisten, muss der Tarif einer Steuer somit an Hand der individuellen wirtschaftlichen Fähigkeiten der Steuerzahler abgestuft werden. Eine gesteigerte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist somit auch durch einen ansteigenden, progressiven Tarif abzuschöpfen.60 52

Sellhorn, Steuersatz und Verfassungsrecht 74 und die dortige Fn. 541. Eine Grundidee der Opfertheorie ist, dass die vom Individuum zu tragende Steuerlast abhängig vom Ausmaß des Vermögens abgestuft werden soll, vgl. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 8 Rz. 8.801. 54 Vgl. etwa die instruktive Darstellung von Sellhorn, Steuersatz und Verfassungsrecht 71 ff. 55 Knaupp, in: Kube et. al., Leitgedanken des Rechts § 159 Rz. 8 m. w. N.; Tipke, Steuerrechtsordnung2 I 405 ff.; Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen 11, 25 ff.; Knaupp, Der Einkommensteuertarif als Ausdruck der Steuergerechtigkeit (2004) 40; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 8 Rz. 8.801; Sellhorn, Steuersatz und Verfassungsrecht 71 ff. m. w. N.; Isensee, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts3 V § 118 Rz. 273; Herzog, in: Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg.), EStG22 § 33 Rz. 4 (Stand 1. 10. 2021, rdb.at); Kanduth-Kristen, in: Kanduth-Kristen et. al., Jakom EStG15 § 33 Rz. 4; Cagianut/Cavelti, Degressive Steuersätze, IFF Forum für Steuerrecht 2006, 150 (153 m. w. N.); vgl. auch Schweizer BGer 1. 6. 2007, 2 P. 43/2006 m. w. N.; vgl. auch Elicker, Die Ungerechtigkeit der direkten Steuerprogression, ÖStZ 2001, 166 (166 ff.). 56 Die Erläuterungen dieses Theoriemodells basieren auf den Nachweisen unter Fn. 55, wobei einzelne Elemente aufgrund ihrer Bedeutung in den nachfolgenden Fn. besonders hervorgehoben werden. 57 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen 7, 24 f.; Knaupp, in: Kube et. al., Leitgedanken des Rechts § 159 Rz. 8. 58 Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 28. 59 Knaupp, in: Kube et. al., Leitgedanken des Rechts § 159 Rz. 8; in diesem Sinne auch Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 28 m. w. N. 60 Knaupp, Der Einkommensteuertarif als Ausdruck der Steuergerechtigkeit 40. 53

B. Flexibilität der Besteuerung und progressiver Tarif

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Aufgrund dieser Überlegungen wurde der progressive Steuertarif ideengeschichtlich schon früh mit dem Gerechtigkeitsideal der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit in Verbindung gebracht.61 So betrifft der progressive Tarifverlauf auch die Subkategorie der vertikalen Gerechtigkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips, da es hierbei im Kern um die Ermittlung der gerechten Steuerlast für Individuen mit unterschiedlich großer Leistungsfähigkeit geht.62 Die Opfer- und Grenznutzentheorie sind damit eine Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips in Hinblick auf die Frage, nach welchem Maßstab unterschiedlich leistungsfähige Individuen besteuert werden sollen.63 Über die Frage, ob das Leistungsfähigkeitsprinzip tatsächlich zwingend einen progressiven Tarif verlangt, herrscht jedoch Uneinigkeit in der Literatur.64 So wird vor allem die Grenznutzentheorie scharf kritisiert und es wird angezweifelt, dass sich der progressive Tarifverlauf aus rechtlicher und finanzwissenschaftlicher Sicht direkt aus dem Prinzip der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ableiten lässt.65 Dabei wird insbesondere die Konkretisierungsbedürftigkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips bemängelt und die Frage nach der Ausgestaltung des Progressionsausmaßes ins Treffen geführt.66 In den nachfolgenden Abschnitten wird gezeigt, dass jedenfalls in der österreichischen Steuerrechtsordnung nach herrschender Lehre und VfGH-Judikatur die Progression als ein Bestandteil des Prinzips der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit angesehen wird. 2. Rechtsgrundlage der Steuerprogression Der progressive Tarif der Einkommensteuer ist im dritten Teil des EStG konkret in § 33 Abs. 1 geregelt. Zu den Tarifbestimmungen des dritten Teils des EStG gehören neben den Steuersätzen des § 33 Abs. 1 auch Regelungen über die Steuerabsetzbeträge, die Steuerermäßigungen wegen außergewöhnlichen Belastungen (§ 34) und für Behinderte (§ 35), die Steuerfestsetzung bei Schuldenerlass im Rahmen einer

61 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen 11, 24 ff.; Sellhorn, Steuersatz und Verfassungsrecht 73 ff.; Schweizer BGer 1. 6. 2007, 2 P. 43/2006; Cagianut/ Cavelti, IFF Forum für Steuerrecht 2006, 152 f. 62 Liebing, Beschränkte Einkommensteuerpflicht 100 m. w. N. 63 Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht22 Rz. 35 ff. 64 Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip 8 f.; vgl. dazu auch die Ausführungen und die Nachweise unter Sellhorn, Steuersatz und Verfassungsrecht 71 und die dortige Fn. 518 sowie die dortige Fn. 519; Isensee, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts3 V § 118 Rz. 273 f. 65 Vgl. dazu im Detail die Ausführungen und die Nachweise unter Sellhorn, Steuersatz und Verfassungsrecht 71 ff.; Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip 8 f. 66 Cagianut/Cavelti, Degressive Steuersätze, IFF Forum für Steuerrecht 2006, 153; Sellhorn, Steuersatz und Verfassungsrecht 71 m. w. N.; vgl. Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip 8 f.

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Kap. 11: Das Besteuerungsprinzip der Flexibilität

Insolvenz (§ 36), die Steuersätze bei außerordentlichen Einkünften (§ 37) und bei Verwertung von Patentrechten (§ 38).67 Nach § 33 Abs. 1 EStG bestehen insgesamt sechs Grenzsteuersätze, die bei steigendem Einkommen überproportional ansteigen, wobei für die ersten EUR 11.693,– der Tarif noch 0 Prozent beträgt.68 § 33 Abs. 1 EStG lautet wörtlich: „Die Einkommensteuer beträgt jährlich für die ersten 11.693 Euro für Einkommensteile über 11.693 Euro bis 19.134 Euro für Einkommensteile über 19.134 Euro bis 32.075 Euro für Einkommensteile über 32.075 Euro bis 62.080 Euro für Einkommensteile über 62.080 Euro bis 93.120 Euro für Einkommensteile über 93.120 Euro Für Einkommensteile über eine Million Euro beträgt der Steuersatz in den Kalenderjahren 2016 bis 2025

0% 20 % 30 % 40 % 48 % 50 % 55 %.“

Der österreichische Einkommensteuertarif wird in der Literatur als ein progressiver Staffeltarif bzw. Stufentarif bezeichnet und ist auf die Bemessungsgrundlage anzuwenden.69 Die Bemessungsgrundlage stellt das jährliche Einkommen der Steuerpflichtigen dar, welches nach § 2 Abs. 2 wie folgt definiert ist: „Einkommen ist der Gesamtbetrag der Einkünfte […] nach Ausgleich mit Verlusten, […] nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) und außergewöhnlichen Belastungen (§§ 34 und 35) sowie des Freibetrags nach § 105.“70 Durch den Staffeltarif wird das Einkommen als Bemessungsgrundlage in mehrere Tarifstufen zerlegt, auf welche die verschiedenen Grenzsteuersätze angewendet werden.71 Das Basiseinkommen von bis zu EUR 11.693,– bleibt hingegen völlig steuerfrei. Grundsätzlich wird das Gesamteinkommen durch den in § 33 Abs. 1 EStG geregelten progressiven Tarif besteuert.72 Auf alle Einkunftsarten kommen also in der Regel dieselben Tarifregelungen zur Anwendung. Der progressive Tarif ist in der österreichischen Einkommensteuer jedoch nicht lückenlos verwirklicht. Vielmehr wird der progressive Tarif bei einigen Einkünften durchbrochen. Denn für bestimmte Einkünfte aus Kapitalerträgen oder Grundstücksveräußerungen können feste Steuersätze von 27,5 %, 25 % oder 30 % zur Anwendung kommen.73 67

Hilber, in: Büsser/Ehrke-Rabel/Hirschler/Petritz/Sutter (Hrsg.), Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer: Kommentar (70. Lfg., 2021) § 33 Rz. 2. 68 Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 53. 69 Kanduth-Kristen, in: Kanduth-Kristen et. al., Jakom EStG15 § 33 Rz. 2 ff.; Herzog, in: Doralt et. al., EStG22 § 33 Rz. 4 (Stand 1. 10. 2021, rdb.at). 70 Kanduth-Kristen, in: Kanduth-Kristen et. al., Jakom EStG15 § 33 Rz. 2 ff. 71 Herzog, in: Doralt et. al., EStG22 § 33 Rz. 4 (Stand 1. 10. 2021, rdb.at). 72 Wanke, in: Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke (Hrsg.), Einkommensteuergesetz § 33 Rz. 3 (Stand 1. 9. 2021, rdb.at). 73 Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 53.

B. Flexibilität der Besteuerung und progressiver Tarif

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Dadurch, dass gewisse Einkünfte schon von vornherein aus dem progressiven Steuertarif durch die Schedulenbesteuerung ausgenommen sind, zeigt sich, dass die Steuerprogression im österreichischen Einkommensteuersystem nicht absolut gilt.74 Hier wird schon ein Hinweis auf einen Prinzipiencharakter sichtbar, welcher unter Kapitel 11 B. III. detailliert behandelt wird. 3. Rezeption des progressiven Steuertarifs im österreichischen Schrifttum Die Progression der Einkommensteuer wird in der österreichischen Lehre durchgehend im Zusammenhang mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip der Einkommensteuer erläutert.75 So wird der progressive Steuertarif von der herrschenden Lehre auch als eines der „Unterprinzipien“ und damit als ein Bestandteil des Leistungsfähigkeitsprinzips angesehen.76 Begründet wird dies von Kirchmayr/Bodis/Hammerl mit der schon erwähnten Nutzentheorie, wonach bei steigendem Einkommen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit überproportional steigt und daher zur Erzielung einer relativ gleichen Nutzeneinbuße bzw. Steuerbelastung ein progressiv ansteigender Tarif erforderlich ist.77 Nach herrschender Auffassung ist die Steuerprogression im System des österreichischen EStG somit ein Ausdruck des Leistungsfähigkeitsprinzips.78 Abstrahiert von dieser konkreten Ausgestaltung des EStG besteht jedoch die Auffassung im Schrifttum, dass dem Leistungsfähigkeitsprinzip auch auf anderem Wege als durch einen progressiven Tarif Rechnung getragen werden kann. 74 Vgl. auch Cagianut/Cavelti, IFF Forum für Steuerrecht 2006, 153, wonach „die Forderung nach einem progressiven Einkommensteuertarif […] nicht absolut verstanden werden“ kann. 75 Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 22 ff.; Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 51 ff.; Beiser, Steuern20 Rz. 15; Kanduth-Kristen, in: Kanduth-Kristen et. al., Jakom EStG15 § 33 Rz. 4; Herzog, in: Doralt et. al., EStG22 § 33 Rz. 4 (Stand 1. 10. 2021, rdb.at); Toifl, in: Doralt et. al., EStG21 § 2 Rz. 1 (Stand 1. 1. 2020, rdb.at); Sausgruber/ Winner, in: Thöni/Winner 241 ff., 258 f.; Novacek, Gemeinschaftsrechtliche Grundsätze der unbeschränkten und beschränkten Steuerpflicht, FJ 2006, 359 (359 ff.). 76 Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 22, 28; Urnik, in: Bertl et. al., Handbuch der österreichischen Steuerlehre4 I 59; Urnik/Fritz-Schmied, in: Bertl et. al., Handbuch der österreichischen Steuerlehre4 I 70; Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 52 ff.; VfSlg 14.992/1997; Toifl, in: Doralt et. al., EStG21 § 2 Rz. 1 (Stand 1. 1. 2020, rdb.at); vgl. auch Novacek, FJ 2006, 359 ff., wonach sich die Progression aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip ergibt; vgl. auch Fritz-Schmied/Zaminer, Die Verlustverrechnung im Kontext sonderbesteuerter Wirtschaftsgüter: Eine Bewertung des vorliegenden Regelungsbestandes, in: Urnik/Fritz/Schmied (Hrsg.), Jahrbuch Bilanzsteuerrecht 2013 (2013) 16. 77 Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 28 m. w. N. 78 Vgl. etwa Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 22, 28; Urnik, in: Bertl et. al., Handbuch der österreichischen Steuerlehre4 I 56; Urnik/Fritz-Schmied, in: Bertl et. al., Handbuch der österreichischen Steuerlehre4 I 70; Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 52 ff.; vgl. auch VfSlg 14.992/1997; Doralt/Knörzer, in: Doralt et. al., EStG 13 § 67 Rz. 3 (Stand 1. 1. 2006, rdb.at); Fellner, in: FS Doralt 74; vgl. auch schon die übrigen Nachweise unter Fn. 75 sowie 76.

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Kap. 11: Das Besteuerungsprinzip der Flexibilität

So wird in der österreichischen Literatur die Ansicht vertreten, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip an sich nicht zwingend einen progressiven Tarifverlauf fordert.79 Nach Meinungen im Schrifttum wäre das Leistungsfähigkeitsprinzip vielmehr schon durch einen proportionalen Tarif erfüllt.80 Gemäß dieser Sichtweise würde auch eine proportionale Besteuerung bei einer steigenden Bemessungsgrundlage eine zur individuellen Leistungsfähigkeit ansteigende Steuerbelastung bewirken.81 So hält Herzog fest, dass eine Besteuerung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip lediglich „proportional zum Einkommen ansteigend sein“ muss, also in absoluten Zahlen eine mit steigender Bemessungsgrundlage höhere Steuerbelastung zu bewirken hat.82 Auch nach Kanduth-Kristen fordert das Leistungsfähigkeitsprinzip bzw. die vertikale Gerechtigkeit lediglich, dass die „absolute“ Steuerbelastung bei einer steigenden Bemessungsgrundlage „streng monoton“ ansteigt.83 Um mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip im Einklang zu stehen, wäre es nach dieser Sichtweise ausreichend, wenn der Einkommensteuertarif proportional und nicht progressiv ausgestaltet würde. Das Schrifttum schließt daraus, dass es der steuerpolitischen Disposition des Gesetzgebers obliegt, ob über einen proportionalen Tarif hinaus eine progressive Besteuerung festgelegt wird.84 Nach dieser Auffassung werden im Schrifttum für die Rechtfertigung der Steuerprogression auch nicht das Leistungsfähigkeitsprinzip an sich, sondern insbesondere sozial- und wirtschaftspolitische Ziele wie etwa Umverteilungs- und Solidaritätsgedanken oder die Deckung des staatlichen Finanzbedarfs ins Treffen geführt.85 Demgegenüber gilt im Schrifttum ein regressiver Steuertarif (also ein bei steigender Bemessungsgrundlage abnehmender Abgabentarif) als eine Verletzung des Leistungsfähigkeitsprinzips.86 Dabei wird auf eine Entscheidung des Schweizeri79

Vgl. etwa Herzog, in: Doralt et. al., EStG22 § 33 Rz. 10 (Stand 1. 10. 2021, rdb.at); Kanduth-Kristen, in: Kanduth-Kristen et. al., Jakom EStG15 § 33 Rz. 4; vgl. dazu auch die Nachweise unter der folgenden Fn. 80 Urnik, Maßnahmen der Steuerreform 2015/2016 zur Umverteilung durch die Besteuerung von Vermögen, in: Pfeil/Urnik (Hrsg.), Die Steuerreform 2015/2016 zwischen Wirtschaftsimpuls und sozialer Gerechtigkeit (2016) 45 m. w. N.; Elicker, ÖStZ 2001, 167 ff. m. w. N.; Beiser, ÖStZ 2000, 413 ff.; Bodenhöfer, Rationales Steuersystem, internationaler Steuerwettbewerb und das Modell der „flat tax“, in: FS Kofler (2009) 785; Wala, Plädoyer für einen flachen Einkommen- und Körperschaftsteuertarif, RdW 2001, 245 (245 ff.). 81 Elicker, ÖStZ 2001, 169 m. w. N. 82 Herzog, in: Doralt et. al., EStG22 § 33 Rz. 10 (Stand 1. 10. 2021, rdb.at). 83 Kanduth-Kristen, in: Kanduth-Kristen et. al., Jakom EStG15 § 33 Rz. 4. 84 Kanduth-Kristen, in: Kanduth-Kristen et. al., Jakom EStG15 § 33 Rz. 4 ff.; Herzog, in: Doralt et. al., EStG22 § 33 Rz. 10 (Stand 1. 10. 2021, rdb.at). 85 Kanduth-Kristen, in: Kanduth-Kristen et. al., Jakom EStG15 § 33 Rz. 5 f.; Herzog, in: Doralt et. al., EStG22 § 33 Rz. 10 (Stand 1. 10. 2021, rdb.at); Beiser, ÖStZ 2000, 413 ff.; Beiser, Die Besteuerung von Unfallrenten im Licht sozialstaatlicher Solidarität, SWK 2001, T 69 (T 69 f.); Mayr/Pülzl, Kinderbetreuungsgeld und Progressionsvorbehalt, SWK 2002, 361 (362); Urnik, in: Pfeil/Urnik 45; Elicker, ÖStZ 2001, 167 f. 86 Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 28; Toifl, in: Doralt et. al., EStG21 § 2 Rz. 1 (Stand 1. 1. 2020, rdb.at.); o. V., Schweizer Bundesgericht: Degressiver

B. Flexibilität der Besteuerung und progressiver Tarif

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schen Bundesgerichts aus dem Jahr 2007 verwiesen, in der ausdrücklich erklärt wurde, dass ein regressiver Steuertarif nicht mit dem Wesen des Leistungsfähigkeitsprinzips zu vereinbaren ist.87 In dieser Entscheidung hatte sich das Schweizer Höchstgericht mit der Verfassungsmäßigkeit eines regressiven Steuertarifs des Kantons Obwalden zu beschäftigen, welcher damit seinen Wirtschaftsstandort stärken wollte. Nach dem Schweizer Höchstgericht liegt ein regressiver Tarif dann vor, wenn ab einer bestimmten Einkommenshöhe die durchschnittliche Steuerbelastung abnimmt. Das Gericht kommt nach weitschweifenden Ausführungen zu dem Befund, dass ein regressiver Steuertarif „per definitionem“ eine Besteuerung entgegen dem Leistungsfähigkeitsprinzip bewirkt, da die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit mit ansteigendem Einkommen oder Vermögen zunimmt. Diese Ansicht des Schweizer Bundesgerichts haben sich insbesondere Kirchmayr/Bodis/Hammerl im österreichischen Standardwerk des Steuerrechts88 zu Eigen gemacht, nach denen ein regressiver Einkommensteuertarif auch in Österreich „wohl“ verfassungswidrig wäre.89 Zusammenfassend lässt sich festhalten: Der progressive Tarif wird in der Literatur wechselhaft rezipiert. Einerseits gilt der progressive Tarif nach herrschender Lehre als ein „Unterprinzip“ und damit als ein Bestandteil des Leistungsfähigkeitsprinzips. Nach dieser Auffassung liegt der Konzeption des österreichischen EStG somit die Steuerprogression als ein Ausdruck des Leistungsfähigkeitsprinzips zugrunde. Andererseits wird der progressive Tarif nicht als eine zwingende Forderung des Leistungsfähigkeitsprinzips an sich angesehen. Das Leistungsfähigkeitsprinzip wäre nach dieser Sichtweise bereits durch einen proportionalen Tarifverlauf, der mit steigendem Einkommen eine in absoluten Zahlen höhere Belastung bewirkt, erfüllt. Dass im österreichischen EStG dennoch ein progressiver Tarif vorherrscht, wird daher bisweilen auch mit den steuer- und gesellschaftspolitischen Wertungen des Gesetzgebers begründet. Ein regressiver Steuertarif wird dagegen als jedenfalls dem Leistungsfähigkeitsprinzip widersprechend angesehen. Nachfolgend wird anhand der Judikatur des VfGH eine rechtstheoretische Analyse des progressiven Tarifs im Zusammenhang mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip vorgenommen.

Steuertarif verfassungswidrig, RdW 2007, 558 (558); Herzog, in: Doralt et. al., EStG22 § 33 Rz. 10 (Stand 1. 10. 2021, rdb.at.); Heber, Progressiver Steuertarif bei Zu- und Wegzug nach und aus Österreich, ÖStZ 2016, 150 (151); vgl. auch Cagianut/Cavelti, IFF Forum für Steuerrecht 2006, 153; vgl. auch Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 8 Rz. 8.804 m. w. N. 87 Schweizer BGer 1. 6. 2007, 2 P. 43/2006; o. V., RdW 2007, 558. 88 Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 Band I (2019). 89 Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 28.

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Kap. 11: Das Besteuerungsprinzip der Flexibilität

III. Rechtstheoretische Analyse 1. VfSlg 14.992/1997 – Die Verknüpfung von Steuerprogression und Leistungsfähigkeitsprinzip Der VfGH äußerte sich, soweit zu sehen, bisher einzig in VfSlg 14.992/1997 ausdrücklich über den Zusammenhang zwischen der Steuerprogression und dem Leistungsfähigkeitsprinzip.90 In diesem Erkenntnis hatte das Höchstgericht im Rahmen der Familienbesteuerung über die Verfassungsmäßigkeit der steuerlichen Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen zu entscheiden.91 Dabei erläuterte der VfGH, dass die aus der progressiven Einkommensbesteuerung folgende höhere überproportionale Steuerbelastung von Besserverdienenden durch das Leistungsfähigkeitsprinzip „gerechtfertigt“ ist. Aus dieser eher knappen Aussage des Höchstgerichts ergeben sich implizit jedoch weitreichende Folgen. Der VfGH erkennt den progressiven Tarif also explizit als durch das Leistungsfähigkeitsprinzip „gerechtfertigt“ an. Fraglich ist, was das Höchstgericht konkret mit dem Begriff „gerechtfertigt“ meint. Geht man davon aus, dass der VfGH dem allgemeinen Sprachgebrauch folgt, so bedeutet „Rechtfertigung“ die Begründung für ein bestimmtes Verhalten bzw. den Vorgang, einen bestimmten Umstand als richtig darzustellen.92 Unterstellt man dem VfGH dieses Begriffsverständnis, so sieht der Gerichtshof den Grund für die progressive Besteuerung direkt im Leistungsfähigkeitsprinzip selbst.93 Mit dieser Sichtweise unterscheidet sich der VfGH klar von jenen Teilen des Schrifttums, welche ihrerseits für die Rechtfertigung des progressiven Tarifs ausdrücklich nicht das Leistungsfähigkeitsprinzip heranziehen, sondern dabei insbesondere auf den Solidaritätsgedanken und andere sozial- und wirtschaftspolitische Überlegungen verweisen.94 Für das Höchstgericht jedoch ergibt sich in VfSlg 14.992/ 1997 die Begründung für die progressive Besteuerung allein aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip an sich, ohne die Angabe weiterer Gesichtspunkte. Diese Ansicht des Höchstgerichts lässt sich nachvollziehen, wenn man sich die unter Kapitel 11 B. II. 1. vorgenommene ideengeschichtliche Betrachtung in Erinnerung ruft. Unter Kapitel 11 B. II. 1. wurde erläutert, dass laut den Annahmen der Opfer- und Grenznutzentheorie eine der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entsprechende

90 Urnik, in: Pfeil/Urnik 46 und die dortige Fn. 21; Kanduth-Kristen, in: Kanduth-Kristen et. al., Jakom EStG15 § 33 Rz. 4. 91 Vgl. etwa o. V., Verfassungswidrige Unterhaltsbesteuerung, ARD 1997, 4882/11. 92 wortbedeutung.info, Rechtfertigung, https://www.wortbedeutung.info/Rechtfertigung/ (abgerufen am 6. 3. 2023); brockhaus.at, Rechtfertigung, https://brockhaus.at/ecs/enzy/article/ rechtfertigung-philosophie (abgerufen am 6. 3. 2023). 93 In diesem Sinne auch Urnik, in: Bertl et. al., Handbuch der österreichischen Steuerlehre4 I 56. 94 Vgl. dazu Kapitel 11 B. II. 3.

B. Flexibilität der Besteuerung und progressiver Tarif

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Besteuerung durch die Anwendung eines progressiven Tarifs erreicht werden kann.95 Opfer- und Grenznutzentheorie gelten dabei als eine Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips, mit welchem der progressive Tarifverlauf erklärt wird.96 Der progressive Tarif betrifft dabei auch die „Subkategorie“ der vertikalen Gerechtigkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips, da es um die Frage der Verteilung der Steuerlast zwischen unterschiedlich leistungsfähigen Individuen geht.97 Progressive Besteuerung und Leistungsfähigkeitsprinzip sind aus der Perspektive der Opfer- und Grenznutzentheorie demnach miteinander verknüpft.98 Nach dieser Sichtweise lässt sich die Existenz des progressiven Steuertarifs daher aus dem mit opfer- und nutzentheoretischen Wertungen angereicherten Charakter des Leistungsfähigkeitsprinzips selbst erklären.99 Auch der VfGH sieht in VfSlg 14.992/1997 den Grund bzw. die „Rechtfertigung“ für die Steuerprogression im Leistungsfähigkeitsprinzip selbst. Es ist somit davon auszugehen, dass sich das Höchstgericht die opfer- und nutzentheoretischen Kernannahmen zu Eigen gemacht hat und demnach den progressiven Tarif als einen zentralen Bestandteil des Leistungsfähigkeitsprinzips ansieht. Diese Perspektive ist auch im Einklang mit der Einordnung von Kirchmayr/Bodis/Hammerl, welche die progressive Besteuerung als eines der Unterprinzipien einstufen, die das Leistungsfähigkeitsprinzip mit einem konkreten Inhalt ausgestaltet.100 Die Sichtweise des VfGH, dass die progressive Besteuerung einen Aspekt des Leistungsfähigkeitsprinzips darstellt, wurde in weiterer Folge offenbar auch von Seiten des Unabhängigen Finanzsenats geteilt. So sprach der Unabhängige Finanzsenat in mehreren Entscheidungen in den Jahren nach VfSlg 14.992/1997 aus, dass der progressive Tarif seine „Rechtfertigung“ im Leistungsfähigkeitsprinzip findet.101 In dieselbe Kerbe schlug darüber hinaus auch das deutsche Bundesverfassungsgericht, welches festgehalten hat, dass es im Sinne einer relativen Gleichheit der Besteuerung notwendig ist, dass „der wirtschaftlich Leistungsfähigere einen 95

Vgl. etwa Sellhorn, Steuersatz und Verfassungsrecht 73 und die dortige Fn. 534. Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht22 Rz. 35 ff. 97 Liebing, Beschränkte Einkommensteuerpflicht 100; Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 28; Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen 24 ff. 98 Vgl. dazu schon Kapitel 11 B. II. 1. und die dortigen Nachweise; vgl. auch Sellhorn, Steuersatz und Verfassungsrecht 73 und die dortige Fn. 534; Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 28. 99 Für eine zusammenfassende Darstellung vgl. die Ausführungen und Nachweise unter Knaupp, in: Kube et. al., Leitgedanken des Rechts § 159 Rz. 8 f. m. w. N.; Sellhorn, Steuersatz und Verfassungsrecht 73 ff.; Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 28. 100 Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 22 ff., 28. 101 UFSF 27. 11. 2007, RV/0346-F/07; 7. 6. 2010, RV/0406-F/08; 26. 11. 2007, RV/0304-F/ 07; vgl. auch UFSL 4. 12. 2006, RV/1144-L/04, wonach das Leistungsfähigkeitsprinzip dem System der progressiven Besteuerung „als Motiv“ unterstellt wird. 96

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Kap. 11: Das Besteuerungsprinzip der Flexibilität

höheren Prozentsatz seines Einkommens als Steuer zu zahlen hat als der wirtschaftlich Schwächere.“102 Qualifiziert der VfGH den progressiven Tarif als Bestandteil des Leistungsfähigkeitsprinzips, hat dies wiederum implizite Folgen für eine rechtstheoretische Analyse. Denn wie in Kapitel 7 D. schon detailliert erläutert wurde, stellt das Leistungsfähigkeitsprinzip aus rechtstheoretischer Sicht ein Rechtsprinzip dar und wird vom VfGH auch als solches judiziert. Dementsprechend müsste der progressive Steuertarif als Aspekt des Leistungsfähigkeitsprinzips ebenfalls das Wesen eines Rechtsprinzips aufweisen. Der nachfolgende Abschnitt wird diese Thematik wiederum anhand eines Judikaturbeispieles aufklären. 2. VfSlg 16.196/2001 – Tarifbegünstigung für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit a) Begründung der Tarifbegünstigung durch den VfGH In VfSlg 16.196/2001 hatte der VfGH die Gleichheitskonformität der steuerlichen Begünstigung in § 67 Abs. 1 EStG für sonstige Bezüge wie das dreizehnte und vierzehnte Monatsgehalt im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit beurteilt. Allgemein gesprochen enthält § 67 Abs. 1 EStG eine wesentliche Vergünstigung des Steuertarifs für einmalige Bezüge wie das dreizehnte oder vierzehnte Monatsgehalt oder andere Belohnungen, welche Arbeitnehmer im Rahmen ihrer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von ihren Arbeitgebern erhalten.103 In diesem Erkenntnis traf der VfGH eine Reihe von grundsätzlichen Aussagen in Bezug auf die Progressionsermäßig des § 67 Abs. 1 EStG, welche in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung sind. Einführend erklärt der VfGH, dass es sich bei der Regelung des § 67 Abs. 1 EStG aufgrund der Breitenwirkung dieser Norm um eine generelle Ermäßigung des Einkommensteuertarifs für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit handelt. Nach dem VfGH können die Tarifbegünstigungen des dreizehnten und vierzehnten Gehaltes weder mit dem Argument der Vereinfachung der Steuererhebung, noch mit dem Erfordernis einer Progressionsermäßigung nach § 37 EStG gerechtfertigt werden. Bei diesen Gehältern handelt es sich nämlich um regelmäßig zufließende Einkünfte, bei denen die steuerliche Erfassung zum normalen Steuertarif keine Schwierigkeiten bereiten würde. Anschließend hält der VfGH fest, dass der österreichischen Einkommensteuer ein einheitlicher und grundsätzlich synthetischer Einkommensbegriff zugrunde liegt. Dieses Einkommen wird aber „nicht unmittelbar als einheitliche Größe, sondern auf dem Umweg“ über die sieben Einkunftsarten ermittelt. Der VfGH führt in weiterer Folge die Unterschiede aus, welche zwischen diesen sieben Einkunftsarten bestehen und kommt zu dem Schluss, dass die Synthetik der Einkommensteuer bzw. das 102 103

BVerfGE 8, 51, 70; Tipke, Steuergerechtigkeit 98 und die dortige Fn. 127. Vgl. etwa Ebner, in: Kanduth-Kristen et. al., Jakom EStG15 § 67 Rz. 1 ff.

B. Flexibilität der Besteuerung und progressiver Tarif

229

Konzept einer homogenen Besteuerung von Einkommen bis zu einem gewissen Grad ausgehöhlt ist. Nach dem VfGH bestehen gegen die tariflichen Erleichterungen des § 67 Abs. 1 EStG keine verfassungsrechtlichen Bedenken, da diese Regelung die Funktion eines Ausgleiches der für andere Einkunftsarten geltenden begünstigenden Regelungen erfüllt. Dadurch ist laut dem VfGH eine „soziale Symmetrie der Begünstigungen“ im EStG sichergestellt.104 Das Höchstgericht erklärt auch ausdrücklich, dass die Steuerbegünstigung des § 67 Abs. 1 EStG verfassungsrechtlich keineswegs zwingend geboten ist. Abschließend betont der VfGH erneut, dass die Tarifermäßigung des § 67 Abs. 1 EStG aber eben gerechtfertigt ist, da sie die soziale „Symmetrie“ und den „Ausgleich“ zwischen den verschiedenen Einkunftsarten gewährleistet.105 Wie nachfolgend genauer zu erörtern ist, wird dadurch im Ergebnis der in den §§ 33 EStG geregelte progressive Tarif des Leistungsfähigkeitsprinzips durchbrochen.106 b) Durchbrechung der allgemeinen Steuerprogression und der Synthetik der Einkommensteuer In VfSlg 16.196/2001 wird erkennbar, wie der VfGH die Einhaltung der Progressionsregelungen des § 33 Abs. 1 EStG vor dem Hintergrund des Gleichheitssatzes mit anderen Gesichtspunkten abwägt. Durch die Aussagen des VfGH wird klar, dass auch die Steuerprogression als Bestandteil des Rechtsprinzips der Leistungsfähigkeit abwägungsfähig ist und eine graduelle Erfüllbarkeit aufweist. Zudem wird wiederum sichtbar werden, wie letztlich durch eine „policy“ ein Rechtsprinzip eingeschränkt wird. Der VfGH weist ausdrücklich darauf hin, dass es sich bei § 67 Abs. 1 EStG um eine „generelle Ermäßigung“ des Einkommensteuertarifs für bestimmte Einkünfte handelt.107 Damit wird für die von § 67 Abs. 1 EStG erfassten Einkünfte die allgemeine Tarifregelung von § 33 Abs. 1 EStG eingeschränkt. Demnach sind von § 67 Abs. 1 EStG konkret zwei inhaltliche Bestandteile des Leistungsfähigkeitsprinzips betroffen: die Steuerprogression und die Synthetik108 der Besteuerung.109

104

VfSlg 16.196/2001. VfSlg 16.196/2001. 106 Fellner, in: FS Doralt 74 m. w. N.; vgl. dazu auch sogleich die Nachweise im nachfolgenden Abschnitt. 107 VfSlg 16.196/2001. 108 Die Synthetik der Einkommensteuer wird zwar nicht als eigenes Unterprinzip des Leistungsfähigkeitsprinzips genannt, ergibt sich aber aus den Unterprinzipien der sachlichen Universalität und dem objektiven Nettoprinzip und bedeutet, dass alle Einkunftsquellen grundsätzlich nach denselben Regeln zu besteuern sind, vgl. dazu Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 52; Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 24 f. 109 In diesem Sinne schon Fellner, in: FS Doralt 73 f. m. w. N. 105

230

Kap. 11: Das Besteuerungsprinzip der Flexibilität

Wie bereits zu VfSlg 14.992/1997 erläutert, geht der VfGH davon aus, dass die Steuerprogression ein Aspekt der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist.110 Nach dieser Perspektive, welche auch in der Lehre vertreten wird, stellt daher die Abweichung von den allgemeinen Progressionsregelungen des § 33 Abs. 1 EStG durch den § 67 Abs. 1 EStG grundsätzlich eine Einschränkung des Leistungsfähigkeitsprinzips dar.111 Die Tarifbegünstigung des § 67 Abs. 1 EStG wirkt sich nämlich für Besserverdiener stärker aus.112 So steht bei einem Besserverdiener etwa ein Normalsteuersatz von 50 % dem begünstigten Tarif von 6 % gegenüber.113 Demgegenüber profitiert ein Schlechterverdienender bei einem Eingangssteuersatz von 20 % weniger vom begünstigten Tarif von 6 %. Besserverdiener werden damit nicht gemäß ihrer Leistungsfähigkeit progressiv besteuert, sondern unterliegen nur einem Bagatellsteuersatz und werden bevorteilt.114 Das Leistungsfähigkeitsprinzip wird somit letztlich durch § 67 Abs. 1 EStG zurückgedrängt. Im Ergebnis hat der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 16.196/2001 den Eingriff des § 67 Abs. 1 EStG in das Leistungsfähigkeitsprinzip als verfassungskonform qualifiziert. Fraglich ist, auf welcher Basis das Höchstgericht diese Durchbrechung als gerechtfertigt ansieht. Der VfGH geht in seiner Argumentation systematisch vor und wägt die Einhaltung der allgemeinen Progressionsbestimmungen bzw. des Leistungsfähigkeitsprinzips nacheinander mit einer Reihe von gegenüberstehenden Argumenten ab. Analysiert man die Vorgehensweise des VfGH im Detail, wird sichtbar, dass das Höchstgericht die Einhaltung des Leistungsfähigkeitsprinzips nacheinander mit zwei gegenüberstehenden Themenkreisen abwägt: der effizienten Steuererhebung und der sozialen Ausgleichswirkung von Tarifbegünstigungen. Dabei wird wieder die für ein Rechtsprinzip typische Abwägungsfähigkeit und graduelle Erfüllbarkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips sichtbar. 110

Vgl. Kapitel 11 B. III. 1. Vgl. dazu etwa Kofler/Kanduth-Kristen/Kofler, in: Bertl et. al., Handbuch Steuerlehre4 I 426; Doralt/Knörzer, in: Doralt et. al., EStG 13 § 67 Rz. 3 (Stand 1. 1. 2006, rdb.at); Singer, Besserstellung der Lohnsteuerzahler gleichheitswidrig?, SWK 1997, T 113 (T 113 ff.); Fellner, in: FS Doralt 73 f. m. w. N.; vgl. auch die angeführten Literaturquellen in VfSlg 16.196/2001; vgl. auch derstandard.at, Steuerprivileg für 13. und 14. Gehalt bringt Topverdienern mehr, https://www.derstandard.at/story/2000101044027/steuerprivileg-fuer-13-und-14gehalt-bringt-topverdienern-mehr (abgerufen am 6. 3. 2023). 112 Vgl. etwa Kirchmayr/Schaunig, in: Doralt et. al., EStG 21a § 67 Rz. 4 m. w. N. (Stand 1. 2. 2021, rdb.at); derstandard.at, Steuerprivileg für 13. und 14. Gehalt bringt Topverdienern mehr, https://www.derstandard.at/story/2000101044027/steuerprivileg-fuer-13-und-14-gehaltbringt-topverdienern-mehr (abgerufen am 6. 3. 2023); Doralt/Knörzer, in: Doralt et. al., EStG 13 § 67 Rz. 3 (Stand 1. 1. 2006, rdb.at); vgl. auch Singer, SWK 1997, T 113; Heidinger, Zur Steuerbegünstigung des 13. und 14. Gehalts, SWK 1995, T 13 (T 13 ff.); Lenneis, Gleichheitssatz und Sechstelbegünstigung des § 67 EStG, AnwBl, 1993, 71 (71 ff.). 113 Vgl. dazu schon die vorige Fn. 114 Vgl. dazu etwa Kofler/Kanduth-Kristen/Kofler, in: Bertl et. al., Handbuch Steuerlehre4 I 426; Doralt/Knörzer, in: Doralt et. al., EStG 13 § 67 Rz. 3 (Stand 1. 1. 2006, rdb.at); Fellner, in: FS Doralt 73 f. m. w. N.; vgl. auch die angeführten Literaturquellen in VfSlg 16.196/ 2001. 111

B. Flexibilität der Besteuerung und progressiver Tarif

231

In einem ersten Schritt wägt der VfGH das Leistungsfähigkeitsprinzip mit Überlegungen zur Vereinfachung der Steuererhebung ab. Der VfGH kommt dabei zu dem Befund, dass die das Leistungsfähigkeitsprinzip einschränkende Regelung des § 67 Abs. 1 EStG nicht115 durch organisatorische Argumente gerechtfertigt werden kann, da es sich beim dreizehnten und vierzehnten Gehalt um regelmäßig zufließende Einkünfte handelt. Eine steuerliche Erfassung zum gewöhnlichen Einkommensteuertarif bereitet somit keine administrativen Probleme. In diesem Fall haben also verwaltungsökonomische Argumente nicht ausreichend Gewicht, um das Leistungsfähigkeitsprinzip zu übertrumpfen. Es zeigt sich also, dass Überlegungen zur Steigerung der Effizienz der Steuererhebung in diesem Fall nicht mehr Gewicht haben als das Leistungsfähigkeitsprinzip; auf Basis von administrativen Erwägungen darf § 67 Abs. 1 EStG das Leistungsfähigkeitsprinzip also nicht einschränken. Da sich erwiesen hat, dass effizienzorientierte Argumente nicht genug Gewicht haben, um das Rechtsprinzip der Leistungsfähigkeit einzuschränken, geht der VfGH nun zum zweiten Themenkreis über. Im nächsten Schritt stellt der VfGH das Leistungsfähigkeitsprinzip der sozialen Ausgleichswirkung von § 67 Abs. 1 EStG gegenüber. In dieser umfassenden Argumentationslinie führt der VfGH einführend aus, dass der österreichischen Einkommensteuer ein einheitlicher und grundsätzlich synthetischer Einkommensbegriff zugrunde liegt. In weiterer Folge weist der VfGH jedoch darauf hin, dass die Synthetik der Einkommensteuer bzw. das Konzept der homogenen Besteuerung bis zu einem gewissen Grad ausgehöhlt ist. In Hinblick auf die sieben verschiedenen Einkunftsarten gibt es daher vielfältige Steuerbefreiungen, Steuerbegünstigungen und Wahlrechte, mit denen sich die Steuerlast reduzieren lässt. Trotz der zahlreichen Unterschiede herrscht zwischen den verschiedenen Einkunftsarten aber dennoch eine „soziale Symmetrie“ der Steuerbegünstigungen vor, deren Bewahrung ein zulässiges Interesse darstellt.116 Der VfGH kommt daher zu dem Schluss, dass die Tarifbegünstigung des § 67 Abs. 1 EStG „die Funktion eines Ausgleiches der für andere Einkunftsarten geltenden Regelungen“ erfüllt und insoweit auch ein Eingriff in das Leistungsfähigkeitsprinzip gerechtfertigt ist. Der § 67 Abs. 1 EStG wird vom VfGH somit als verfassungskonform erkannt, da durch diese Norm die soziale Symmetrie und Ausgleichswirkung von Steuerbegünstigungen im Einkommensteuersystem sichergestellt werden. Die Rechtfertigung für die Einschränkung des Leistungsfähigkeitsprinzips ergibt sich demnach aus dem wirtschafts- und sozialpolitischen Ziel, die Steuerbegünstigungen fair auf die verschiedenen Einkunftsarten aufzuteilen. Bei der Verwirklichung der sozialen Symmetrie der Steuerbegünstigungen handelt es sich somit um eine „policy“ und damit um eine Wertung „außerhalb des positiven Rechts“117, mittels der der VfGH hier vor dem Hintergrund des Gleichheitssatzes das Leistungsfähigkeitsprinzip bzw. dessen Steuerprogression abwägt. Aus Sicht des 115

Hervorhebung durch den Verfasser. VfSlg 16.196/2001. 117 Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11 Rz. 1360. 116

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Kap. 11: Das Besteuerungsprinzip der Flexibilität

VfGH hat das politische Ziel, einen sozialen Ausgleich zwischen den Einkunftsarten sicherzustellen, mehr Gewicht als die konsequente Erfüllung der Progressionsregelungen des Leistungsfähigkeitsprinzips. Im Ergebnis wird damit das Abweichen vom Leistungsfähigkeitsprinzip durch die Aufrechterhaltung der sozialen Symmetrie der Steuerbegünstigungen gerechtfertigt. Das Leistungsfähigkeitsprinzip tritt somit in diesem Fall zurück, bleibt aber dennoch grundsätzlich maßgeblich für das EStG. Darüber hinaus wird in diesem Erkenntnis wieder die abstufbare bzw. graduelle Erfüllbarkeit des Rechtsprinzips der Leistungsfähigkeit deutlich. So wäre das Leistungsfähigkeitsprinzip in einem höheren Ausmaß erfüllt, wenn das dreizehnte und vierzehnte Gehalt den allgemeinen Progressionsregelungen des § 33 Abs. 1 EStG unterliegen würden. Demgegenüber wäre das Leistungsfähigkeitsprinzip noch weniger erfüllt, wenn diese Bezüge überhaupt nicht oder mit einem noch geringeren Tarif als dies aktuell schon der Fall ist besteuert werden würden.

3. Der progressive Tarif als Bestandteil des Rechtsprinzips der Leistungsfähigkeit Wie anhand von Judikaturbeispielen gezeigt werden konnte, sieht der VfGH die Steuerprogression als einen Bestandteil des Leistungsfähigkeitsprinzips an. Diese Ansicht ist ideengeschichtlich schlüssig und lässt sich auch durch die unter Kapitel 11 B. III. 1. erwähnten Entscheidungen des UFS und des deutschen Bundesverfassungsgerichts untermauern. Die Erkenntnis, dass der VfGH die Steuerprogression als einen Bestandteil des Leistungsfähigkeitsprinzips sieht, steht auch im Einklang mit der rechtstheoretischen Einordnung des Leistungsfähigkeitsprinzips als Rechtsprinzip.118 So wurde an VfSlg 16.196/2001 gezeigt, dass das Rechtsprinzip der Leistungsfähigkeit auch in Hinblick auf seinen Aspekt der Steuerprogression mit anderen Gesichtspunkten abgewogen und graduell erfüllt werden kann. Anzumerken ist, dass die Steuerprogression, wie schon erläutert, seine positive Rechtsgrundlage in den §§ 33 ESG findet. Dieser Umstand ist mit der unter Kapitel 7 E. erläuterten Rechtsgeltung des Leistungsfähigkeitsprinzips zu vereinbaren. So wurde erörtert, dass nach Dworkin das Leistungsfähigkeitsprinzip dann mit Rechtsgeltung in Österreich ausgestattet ist, wenn es einen „institutional support“ hat. Der „institutional support“ kann sich auch dadurch ausdrücken, dass sich positive Gesetze als eine Exemplifizierung des Rechtsprinzips verstehen lassen, also dass sich in einer Gesetzesbestimmung deutlich der Inhalt des Rechtsprinzips wiederfindet.119 Das Lokalisieren von positiven Gesetzen, in denen das Rechtsprinzip veranschaulicht wird, dient dazu, den „institutional support“ und damit die 118

Vgl. dazu schon Kapitel 7 D.; vgl. auch Cagianut/Cavelti, IFF Forum für Steuerrecht 2006, 153, welche ebenfalls festhalten, dass die Progressivität nicht absolut gilt, was auch für eine Prinzipiennatur spricht. 119 Vgl. dazu schon Kapitel 7 E. II. 2. b).

C. Flexibilität der Besteuerung und die Technikneutralität des Rechts

233

Rechtsgeltung des Prinzips besser argumentieren zu können. Unter der Berücksichtigung der obigen ideengeschichtlichen Ausführungen und Erörterungen zur höchstgerichtlichen Rechtsprechung ist somit davon auszugehen, dass die Tarifbestimmungen der §§ 33 EStG als eine Exemplifizierung des Charakters des Leistungsfähigkeitsprinzips anzusehen sind und dies auch vom VfGH so gesehen wird.

IV. Zwischenfazit zu Flexibilität und Progression Das OECD-Besteuerungsprinzip der Flexibilität beinhaltet die finanzwissenschaftliche Maxime der passiven Flexibilität. Die passive Flexibilität bedeutet aus finanzwissenschaftlicher Sicht bezogen auf das Steuerrecht den progressiven Tarif. Die Steuerprogression stellt dabei in Österreich ideengeschichtlich und nach höchstrichterlicher Judikatur einen zentralen und wesensbildenden Bestandteil des Rechtsprinzips der Leistungsfähigkeit dar.

C. Flexibilität der Besteuerung und die Technikneutralität des Rechts I. Vorbemerkung Das OECD-Prinzip der Flexibilität beinhaltet neben der unter Kapitel 11 B. erläuterten finanzwissenschaftlichen passiven Flexibilität auch die Anforderung an Steuern, mit zukünftigen technologischen Entwicklungen „Schritt halten“ zu müssen.120 Demnach hat das Steuerrecht den staatlichen Einnahmenbedarf auch angesichts des Aufkommens von neuartigen Technologien zu decken. Die OECD spricht in ihrem Besteuerungsprinzip der Flexibilität damit eher beiläufig und kurz das komplexe Spannungsverhältnis von Recht und Technik an. Durch dieses Prinzip ist damit auch die sogenannte Technik- bzw. Technologieneutralität des Steuerrechts betroffen, welche in diesem Abschnitt behandelt wird.

II. Technik – Versuch einer Begriffsbestimmung Eine konkrete Definition von „Technik“ zu finden ist wegen der Mannigfaltigkeit technischer Phänomene eine Herausforderung.121 „Technik“ ist ein schwer zu fassender Begriff, zumal es auch keine generell anerkannte allgemeine Technikdefi-

120

OECD, Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft 33. Vgl. zu diesem Themenkreis Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik (1985) 71 ff. m. w. N. 121

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Kap. 11: Das Besteuerungsprinzip der Flexibilität

nition gibt.122 Stattdessen bestehen in der Literatur und Forschung eine Vielzahl an Varianten von Technikbegriffen.123 So beschreibt etwa die zeitgenössische Brockhaus-Definition die Technik als „Menge der nutzenorientierten, künstlichen, materiellen Gebilde“ sowie die „Menge menschlicher Handlungen und Einrichtungen, in denen Sachsysteme entstehen“ und verwendet werden.124 Eine technikphilosophische Definition beschreibt Technik als ein Handeln, durch welches „der Mensch naturgegebene Stoffe und Energien intelligent so umformt, dass sie seinem Bedarf und Gebrauch dienen…“.125 Nach einer Definition von Marburger stellt Technik „das Hervorbringen und Verwenden von Sachen, Verfahren und Informationen zur Umwandlung, Speicherung oder zum Transport von Materie, Energie und Informationen“ dar.126 Gemeinsam ist diesen Technikdefinitionen, dass sie die Sphäre des bewussten und intentionellen menschlichen Handles und Herstellens betreffen, durch welches der Mensch die vorgefundene Natur aktiv umgestaltet.127 Die gängigen Technikdefinitionen sind inhaltlich in der Regel so weit gefasst, dass sie sämtliche technischen Phänomene vom Steinbeil bis zum Nanoroboter erfassen können – diese Definitionen werden deshalb bisweilen als unscharf, unbestimmt und konturenlos kritisiert.128 Murswiek merkt an, dass man aufgrund der Breite und mangelnden Aussagekraft eines allgemeinen Begriffes der „Technik“ dazu tendieren kann, diesem Wort „den Charakter eines Begriffes abzusprechen“.129 So plädiert Murswiek auch dafür, den Begriff der Technik in einen historisch-konkreten Zusammenhang zu setzen. Denn der Begriffsinhalt von Wendungen wie „mittelalterliche Technik“, „vorindustrielle Technik“ oder „moderne Technik“ lasse sich viel präziser fassen als eine allumfassende, allgemeine Technikdefinition.130 Auch die Rechtswissenschaft tut sich schwer mit einer Definition des Begriffs der Technik.131 Eine allgemeingültige Technikdefinition kennt die Rechtswissenschaft nicht, auch weil „die Technik“ an sich nicht Regelungsgegenstand des Rechts ist.132 Vielmehr kommt es auch im Rahmen des Rechts für den Begriffsinhalt des Wortes 122

Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik 71 ff. Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik 73 m. w. N. 124 brockhaus.at, Technik, https://brockhaus.at/ecs/enzy/article/technik-20 (abgerufen am 6. 3. 2023). 125 Stork, Einführung in die Philosophie der Technik (1977) 1. 126 Marburger, Die Regeln der Technik im Recht (1979) 18; Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik 76 m. w. N. 127 Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik 74. 128 Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik 75. 129 Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik 71. 130 Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik 76. 131 Vgl. dazu im Detail Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik 72 ff. 132 Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik 72. 123

C. Flexibilität der Besteuerung und die Technikneutralität des Rechts

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„Technik“ immer auf den konkreten Sachzusammenhang an.133 Der juristische Technikbegriff hängt damit stets von den jeweiligen konkreten rechtlichen und sachlichen Zusammenhängen ab.134 In der Literatur wird von Technik noch die „Technologie“ unterschieden, welche als Wissenschaft, die „die Verarbeitung der Naturalien lehrt“ verstanden werden kann. „Technik“ und „Technologie“ werden in der Alltagssprache jedoch in der Regel als Synonyme eingesetzt.135 Da der Zweck dieser Arbeit keine Unterscheidung zwischen Technik und Technologie notwendig macht, werden diese Termini daher im Folgenden ebenfalls stets als Synonyme verwendet. Wie gezeigt wurde, ist die präzise Definition des Begriffs „Technik“ kein leichtes Unterfangen. Für die im Zentrum dieses Kapitels stehende, nachfolgende Untersuchung der sogenannten Technikneutralität des Rechts, lässt sich aber dennoch eine zweckmäßige Technikdefinition finden. Im Rahmen dieser Arbeit ist es ausreichend, sinngemäß auf die obenstehenden, breiten Technikdefinitionen zurückzugreifen und diese etwas zu adaptieren. Im Kontext dieses Kapitels bedeutet Technik somit ein bewusstes menschliches Handeln und Herstellen, durch welches die vorgefundene Natur aktiv umgestaltet und dadurch nutzenorientierte, künstliche Gebilde erschaffen werden, die aufgrund ihrer potentiell großen Auswirkungen auf eine Gesellschaftsordnung, einer rechtlichen Regulierung bedürfen könnten.136

III. Das Spannungsverhältnis von Recht und Technik 1. Dynamische Technik versus statisches Recht Recht und Technik stehen seit jeher in einem Spannungsverhältnis.137 Dies liegt an der grundverschiedenen Natur dieser beiden Phänomene.138 Wesenselemente des Rechts sind insbesondere Stabilität, Dauerhaftigkeit und (Rechts-)Sicherheit, während sich die Technik demgegenüber in permanenter Veränderung, „Revolution“ und Dynamik befindet. Zudem stellt das Recht im Gegensatz zur Technik eine normative Ordnung dar, welche von den Ideen der Begrenzung und Verhältnismäßigkeit geprägt ist.139 Für die Technik an sich ist wiederum die einzige Grenze das technisch 133

Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik 72. Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik 73. 135 brockhaus.at, Technologie, https://brockhaus.at/ecs/enzy/article/technologie (abgerufen am 6. 3. 2023); Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik 79 f. 136 Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik 71 m. w. N. 137 Vgl. dazu statt vieler Ossenbühl, Die Not des Gesetzgebers im naturwissenschaftlichtechnischen Zeitalter (2000) 11 ff.; Grawert, Technischer Fortschritt in staatlicher Verantwortung, in: FS Broermann (1982) 457 ff.; Eisenberger, Innovation im Recht (2016) 7 ff. 138 Ossenbühl, Die Not des Gesetzgebers 12 m. w. N. 139 Ossenbühl, Die Not des Gesetzgebers 12 m. w. N.; vgl. auch Roßnagel, Rechtswissenschaftliche Technikfolgenforschung: Umrisse einer Forschungsdisziplin (1993) 26 ff. m. w. N. 134

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Kap. 11: Das Besteuerungsprinzip der Flexibilität

Mögliche – aus technisch-rationaler Sicht ist alles richtig, was funktioniert, also alles, was „geht“.140 Die entgegengesetzten Wesen von Recht und Technik stehen somit in einem nur schwer versöhnlichen Widerspruch zueinander.141 Dennoch ist nach Ossenbühl eine Synthese zwischen Recht und Technik entscheidend für ein funktionierendes Gemeinwesen.142 Es liegt daher in der Verantwortung des Staates, den technischen Fortschritt zu beobachten, auf seine möglichen gesellschaftspolitischen Folgen hin zu prüfen und gegebenenfalls mittels des Rechts zu regulieren.143 Die staatliche Regulierung von fortschrittlichen Technologien stellt das Recht jedoch vor große Herausforderungen.144 So zwingt das immer schnellere Aufkommen von neuartigen Innovationen die Rechtswissenschaften dazu, sich ständig Gedanken darüber zu machen, ob das bestehende Recht für eine zeitgemäße Technikregulierung noch ausreichend ist.145 Die Dynamik der Technik gibt somit auch den Anstoß für eine permanente Weiterentwicklung und Hinterfragung des Rechts. Rechtsentwicklung und Technikentwicklung stehen daher in einem Zusammenhang.146 Tendenziell hinkt jedoch das Recht dem technischen Fortschritt stets hinterher.147 Denn das Recht entwickelt sich aufgrund seiner dauerhaften Natur und des meist langwierigen parlamentarischen Gesetzgebungsprozesses nur schwerfällig und kann daher oftmals auf bereits „vorangeeilte“ technische Innovationen nur im Nachhinein reagieren.148 Die Statik des Rechts steht somit der Dynamik der Technik gegenüber.149

140 Roßnagel, Rechtswissenschaftliche Technikfolgenforschung 28; Ossenbühl, Die Not des Gesetzgebers 13. 141 Ossenbühl, Die Not des Gesetzgebers 12 m. w. N.; vgl. dazu auch Cockfield, Tax Law and Technological Change, in: Brownsword/Scotford/Yeung (Hrsg.), The Oxford Handbook of Law, Regulation and Technology (2017) 549 f. m. w. N. 142 Ossenbühl, Die Not des Gesetzgebers 12. 143 Grawert, in: FS Broermann 477 ff., 483, 484, 489; Schulze-Fielitz, Technik und Umweltrecht, in: Schulte/Schröder (Hrsg.), Handbuch des Technikrechts2 (2011) 458; Roßnagel, Rechtswissenschaftliche Technikfolgenforschung 28. 144 Vgl. dazu etwa Drüen, in: Hey 1 ff.; vgl. auch Cockfield, in: Brownsword/Scotford/ Yeung 546 ff. 145 Vgl. dazu etwa Drüen, in: Hey 1 ff.; vgl. auch Cockfield, in: Brownsword/Scotford/ Yeung 546 ff. 146 Grawert, in: FS Broermann 490. 147 Hofmann, Grundsatz der Technikneutralität im Urheberrecht?, ZGE 2016, 482 (489). 148 Forgo, Digitalisierung und das ABGB – Einige Vorbemerkungen aus Anlass des 20. Österreichischen Juristentages, VbR 2018, 122 (122 f.); Kofler/Mayr/Schlager, Digitalisierung und Betriebsstättenkonzept, RdW 2017, 396 (369 ff.). 149 Hofmann, ZGE 2016, 489.

C. Flexibilität der Besteuerung und die Technikneutralität des Rechts

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2. Technologieneutralität des Rechts als Strategie zur Regulierung zukünftiger Technologien Eine rechtliche Regulierung von Technologien wird besonders durch die geradezu berüchtigte Unvorhersehbarkeit von technischen Innovationen erschwert. Die Geschichte ist voll von Beispielen falscher Prognosen und Fehleinschätzungen über den Erfolg oder Fehlschlag von technologischen Neuerungen.150 Bei der Regulierung von Technik stellt dieser Umstand vor allem den Gesetzgeber vor große Probleme.151 Nach Greenberg hat der Gesetzgeber zwei Optionen, um zu verhindern, dass ein Gesetz von technologischen Neuerungen völlig abgehängt und damit obsolet gemacht wird.152 Zum einen müsste der Gesetzgeber präzise die Beschaffenheit einer ganz spezifischen technologischen Innovation voraussehen und in weiterer Folge den Tatbestand einer Rechtsnorm bereits im Vorhinein dementsprechend gestalten. Diese Variante ist jedoch sehr unrealistisch, da selbst Fachexperten und Zukunftswissenschaftler nur schwerlich seriöse und detaillierte Technikprognosen anstellen können.153 Die andere, realistischere Option besteht darin, dass der Gesetzgeber Rechtsnormen bewusst flexibel und mit einer breiten Reichweite gestaltet, sodass diese auf eine Vielzahl von Sachverhalten angewandt und potenziell auch bisher unbekannte Technologien einschließen können.154 Dies kann durch sogenanntes technik- bzw. technologieneutrales Recht erreicht werden. Technologieneutrale Regelungen sind begrifflich weit gefasst und umgreifen einen bestimmten Vorgang unabhängig von der bei der Verwirklichung des Tatbestandes benutzen Technologie.155 Die technikneutrale Rechtsnorm stellt also nur auf die Regulierung eines bestimmten Zustandes ab und blendet die technischen Mittel, durch welche die Tatbestandsbedingungen verwirklicht werden, völlig aus. Es kommt lediglich auf die Geschehnisse an, die „hinter“ der Technologie stehen.156 Präzise gesprochen reguliert technikneutrales Recht also nicht eine bestimmte Technik an sich, sondern das Verhalten, welches durch die Technik ermöglicht 150

Vgl. dazu Greenberg, Rethinking Technology Neutrality, Minnesota Law Review 2016, 1495 (1524 m. w. N.); Ossenbühl, Die Not des Gesetzgebers 18 ff., 20. 151 Greenberg, Minnesota Law Review 2016, 1524; vgl. dazu auch Roßnagel, Das Neue regeln, bevor es Wirklichkeit geworden ist – Rechtliche Regelungen als Voraussetzung technischer Innovation, in: Sauer/Christa Lang (Hrsg.), Paradoxien der Innovation (1999) 193 ff. 152 Greenberg, Minnesota Law Review 2016, 1521. 153 Greenberg, Minnesota Law Review 2016, 1524 ff.; Ossenbühl, Die Not des Gesetzgebers 20, 31; vgl. auch Roßnagel, Technikneutrale Regulierung: Möglichkeiten und Grenzen, in: Eifert/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Innovationsfördernde Regulierung (2009) 324. 154 Greenberg, Minnesota Law Review 2016, 1521. 155 Greenberg, Minnesota Law Review 2016, 1499, 1513 f., 1517, 1521 ff., 1530; Roßnagel, in: Eifert/Hoffmann-Riem 325. 156 Vgl. dazu etwa Roßnagel, in: Eifert/Hoffmann-Riem 325; Ehrke-Rabel, Aspekte grenzüberschreitenden digitalen Wirtschaftens, in: Hey (Hrsg.), Digitalisierung im Steuerrecht (2019) 372 ff.; Cockfield, in: Brownsword/Scotford/Yeung 564.

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Kap. 11: Das Besteuerungsprinzip der Flexibilität

wird.157 Das technikneutrale Recht legt den Fokus auf die Frage was158 passiert ist und nicht wie159 etwas passiert ist. Dabei ist die Rechtsvorschrift in der Formulierung ihres Tatbestandes so unspezifisch und allgemein, dass auch völlig neuartige Technologien in ihren Anwendungsbereich fallen können.160 So wird es möglich, dass „altes“ Recht, welches aus noch einer weitgehend analogen Welt stammt, auch neue digitale Phänomene erfassen kann.161 Technologieneutrales Recht unterstreicht die statische Natur des Rechts, da durch diese Art der staatlichen Regulierung selbst unvorhergesehene technische Entwicklungen nicht zwingend zu Gesetzesänderungen führen müssen.162 In der Literatur werden eine Reihe von Vorzügen des technikneutralen Rechts ins Treffen geführt, über die ein kurzer Überblick gegeben werden soll.163 So wird technikneutrales Recht als besonders praktikabel für den Gesetzgeber bezeichnet, da detaillierte Technikregulierungen ein hohes Fachwissen erfordern würden, welches der Gesetzgeber in der Regel nicht besitzt und sich nur schwerlich aneignen kann. Darüber hinaus wird technikneutrales Recht auch als besonders innovationsfreundlich und entwicklungsoffen für neue Technologien angesehen, weil sich die Technik dadurch freier als unter detaillierten Regelungen zu entfalten vermag und sich somit neue Ideen barrierefrei entwickeln können. Aufgrund seines weitreichenden Anwendungsbereiches wird dem technikneutralen Recht auch eine wettbewerbsfördernde Wirkung attestiert, da Innovationen die Chance gegeben wird, sich unter den gleichen rechtlichen Rahmenbedingungen durchzusetzen wie bereits etablierte Technologien. Zudem wird im Schrifttum auch betont, dass technikneutrales Recht dazu beiträgt, die Gesetze „langlebiger“ und zukunftssicherer zu gestalten.164 Schließlich wird noch angemerkt, dass technikneutrale Regelungen zu einer größeren Fairness bei der Anwendung des Rechts führen würden, da das Gesetz verschiedene Technikbereiche gleich behandelt und nicht bevorzugt oder benachteiligt.165 Die Literaturmeinungen zur Technikneutralität des Rechts sind jedoch nicht einhellig positiv und es werden auch zunehmend kritische Stimmen laut.166 So merkt etwa Roßnagel an, dass technikneutrale Regelungen nicht immer automatisch zu 157

Greenberg, Minnesota Law Review 2016, 1521. Hervorhebung durch den Verfasser. 159 Hervorhebung durch den Verfasser. 160 Greenberg, Minnesota Law Review 2016, 1521. 161 Greenberg, Minnesota Law Review 2016, 1522; Ehrke-Rabel, in: Hey 378. 162 Greenberg, Minnesota Law Review 2016, 1523. 163 Diese Ausführungen basieren auf der Darstellung in Roßnagel, in: Eifert/HoffmannRiem 324 ff.; vgl. auch Cockfield, in: Brownsword/Scotford/Yeung 560 ff. 164 Greenberg, Minnesota Law Review 2016, 1512 ff. 165 Greenberg, Minnesota Law Review 2016, 1513. 166 Vgl. etwa Roßnagel, in: Eifert/Hoffmann-Riem 324 ff.; dazu ausführlich Greenberg, Minnesota Law Review 2016, 1495 ff. 158

C. Flexibilität der Besteuerung und die Technikneutralität des Rechts

239

mehr Entwicklungsoffenheit führen und technische Innovationen fördern würden. Vielmehr kommt es auf das Rechtsgebiet und den Kontext an, in dem die technikneutrale Norm eingebettet ist.167 In der Literatur wird auch die bisher unzureichende theoretische Durchdringung der Technologieneutralität kritisiert.168 Soweit zu sehen, hat sich in jüngster Zeit Greenberg am ausführlichsten mit dieser Thematik befasst.169 In seinem Beitrag „Rethinking Technology Neutrality“ setzt sich Greenberg detailliert mit dem theoretischen Unterbau der Technologienneutralität des Rechts auseinander und identifiziert dabei vier entscheidende Makel: das Problem der Prognose170, das Problem der Unsicherheit171, das Problem der Perspektive172 und das Problem der Nicht-Neutralität173. Eine Kernaussage aus Greenbergs Thesen ist, dass durch disruptive Technologiesprünge selbst technologieneutrale Normen obsolet werden, da die dem Recht implizit innewohnenden Grundannahmen nicht mehr mit der Realität übereinstimmen.174 Technologieneutrale Regelungen können daher nach außen den falschen Eindruck vermitteln, dass das Recht nicht angepasst werden muss, wenn in Wahrheit die der Norm zugrundeliegenden Prämissen schon längst überholt sind.175 Somit stellt auch technologieneutrales Recht kein Allheilmittel dar, mit dem die Rechtswissenschaft problemlos sämtlichen Innovationen der Technik Herr werden könnte. Die bisherigen Ausführungen haben sich generell auf das Verhältnis von Recht und Technik bezogen und die Eigenschaften von technologieneutralem Recht erklärt. In den nachfolgenden Abschnitten wird konkret die Technikneutralität des österreichischen Steuerrechts untersucht.

IV. Steuerrecht und Technikneutralität 1. Vorbemerkung Der Themenkomplex von technologischem Wandel und Steuerrecht ist derart weitreichend und komplex, dass es immer mehr Publikationen gibt, welche sich

167

Roßnagel, in: Eifert/Hoffmann-Riem 326 ff. Greenberg, Minnesota Law Review 2016, 1498. 169 Greenberg, Minnesota Law Review 2016, 1495 ff. 170 Greenberg, Minnesota Law Review 2016, 1524; vgl. dazu auch Ossenbühl, Die Not des Gesetzgebers 20, 31. 171 Greenberg, Minnesota Law Review 2016, 1529. 172 Greenberg, Minnesota Law Review 2016, 1536. 173 Greenberg, Minnesota Law Review 2016, 1543. 174 Greenberg, Minnesota Law Review 2016, 1527, 1554. 175 Greenberg, Minnesota Law Review 2016, 1495, 1529. 168

240

Kap. 11: Das Besteuerungsprinzip der Flexibilität

ausschließlich mit dieser Thematik befassen.176 Eine abschließende Behandlung dieses Themenbereiches würde den Rahmen dieser Arbeit weit sprengen. Daher wird in Kapitel 11 C. IV. 2. lediglich ein geraffter Einblick in die Problemfelder, welche sich im Zuge der Digitalisierung speziell für das Steuerrecht auftun, gegeben.177 Dieser Abschnitt dient damit als Referenz- und Ausgangspunkt für die folgenden Kapitel, in denen die Technikneutralität des österreichischen Steuerrechts im Detail behandelt wird. Kapitel 11 C. IV. 3. dient einer terminologischen Klarstellung für die Begriffe der Medien- bzw. Technikneutralität. Die Kapitel 11 C. VI. und VII. widmen sich schließlich einer detaillierten Analyse der Technikneutralität des österreichischen Steuerrechts. 2. Steuerrecht und technologischer Wandel Das Steuerrecht sieht sich wie fast alle anderen Rechtsbereiche mit dem unter Kapitel 11 C. III. schon erläuterten allgemeinen Grundproblem des technologischen Wandels konfrontiert: der Unvorhersehbarkeit von technischen Innovationen und der Frage, wie das Recht am besten darauf reagieren solle.178 Auch das Steuerrecht „hinkt“ in der Regel dem technischen Fortschritt hinterher.179 Zwischen Steuerrecht und technologischem Wandel gibt es jedoch auch spezielle Spannungsverhältnisse, die in anderen Rechtsdisziplinen nicht in dieser Form existieren. So ist das Steuerrecht im Gegensatz zur effizienzorientierten Technik besonders von moralphilosophischen Vorstellungen wie etwa der horizontalen und vertikalen Gerechtigkeit beeinflusst und steht in einer engen Beziehung mit demokratiepolitischen Idealen.180 Neben seiner primären fiskalischen Funktion werden mit dem Steuerrecht auch ganz bestimmte sozio-ökonomische und gesellschaftspolitische Ziele wie etwa die Umverteilung von Vermögen, die faire Lastenverteilung innerhalb eines Gemeinwesens und verschiedenste gesellschafts- und wirtschaftspolitische Ziele verfolgt.181 Innerhalb einer Gesellschaft ist das Steuerrecht also immer auch Ausdruck von aktuellen Gerechtigkeitsvorstellungen.182 Die Technik an sich dagegen wird, wie schon unter Kapitel 11 C. III. 1. erläutert, von großen Teilen der Literatur als ein weitgehend amorales Phänomen angesehen, für welches das staatliche Gemeinwohl

176

Vgl. dazu etwa die Werke Hey (Hrsg.), Digitalisierung im Steuerrecht (2019) und Kirchmayr/Mayr/Hirschler/Ehrke-Rabel/Kofler (Hrsg.), Digitalisierung im Konzernsteuerrecht (2018). 177 Drüen, in: Hey 1 ff. 178 Cockfield, in: Brownsword/Scotford/Yeung 558 ff. 179 Kofler/Mayr/Schlager, RdW 2017, 396 f. 180 Cockfield, in: Brownsword/Scotford/Yeung 550; Tipke, in: FS Ruppe 635; vgl. dazu schon Kapitel 3. 181 Cockfield, in: Brownsword/Scotford/Yeung 557; Tipke, Steuerrechtsordnung2 I 5 ff. 182 Tipke, Steuerrechtsordnung2 I 6 ff.

C. Flexibilität der Besteuerung und die Technikneutralität des Rechts

241

grundsätzlich keine relevante Größe darstellt.183 Technologische Innovationen nehmen rein von sich aus somit keinerlei Rücksicht auf die von Gerechtigkeitsvorstellungen geprägten und am öffentlichen Interesse orientierten Zwecke des Steuerrechts.184 Mit dem technologischen Fortschritt gehen eine zunehmende Digitalisierung der Wirtschaft und das Aufkommen völlig neuer Geschäftsmodelle, Produkte und Dienstleistungen einher.185 Die Digitalisierung bewirkt insbesondere, dass Unternehmer Geschäftstätigkeiten auf einem bestimmten Markt unabhängig von ihrer physischen Präsenz in einem Staat ausüben können.186 Zur Durchführung grenzüberschreitender wirtschaftlicher Aktivitäten in einem anderen Land ist heute somit vielfach das Internet ausreichend.187 Zudem gibt es auch völlig neue wirtschaftsrelevante Phänomene wie etwa Non-Fungible-Tokens (NFTs)188 und 3D-Drucker, deren steuerrechtliche Einordnung Fragen aufwerfen.189 Das Steuerrecht knüpft zudem traditionell primär an analoge wirtschaftliche Sachverhalte an.190 Ändern sich die Rahmenbedingungen des Wirtschaftens wegen der Digitalisierung grundlegend, muss daher auch über die Zweckmäßigkeit des aus einer „vordigitalen“ Zeit stammenden Steuerrechts nachgedacht werden.191 Die meisten heute bestehenden Steuergesetze sind von Grundannahmen und Prämissen getragen, welche schon über ein Jahrhundert alt sind.192 Es stellt sich daher die Frage, ob das derzeitige Steuerrecht noch in der Lage ist, die sich aufgrund des technologischen Fortschritts immer weiter entwickelnde Wirtschaft sinnvoll zu erfassen.193 In rechtspolitischen Diskussionen wird oft kritisiert, dass sich große Technologieunternehmen mit einem digitalen Geschäftsmodell wie Google, Facebook und Amazon aufgrund aggressiver Steuerplanung und veraltetem Recht – im Gegensatz zu klassischen Bricks-and-Mortar-Unternehmen – dem Steuerzugriff zum Teil entziehen können.194 Dieser Thematik hat sich auch die OECD im Rahmen des 183 Cockfield, in: Brownsword/Scotford/Yeung 550 m. w. N.; Roßnagel, Rechtswissenschaftliche Technikfolgenforschung 28 m. w. N. 184 Ossenbühl, Die Not des Gesetzgebers 12. 185 Kofler/Mayr/Schlager, RdW 2017, 396 ff.; Zöchling/Plott/Rosar, Digitalisierung und Steuern, SWK 2017, 1409 (1409 ff.). 186 Drüen, in: Hey 4. 187 Vgl. dazu die Darstellung von Cockfield, in: Brownsword/Scotford/Yeung 550 ff. 188 Vgl. zu NFTs weiter unten Kapitel 11 C. VI. 1. 189 Drüen, in: Hey 1 ff.; Ehrke-Rabel, in: Hey 372 ff. 190 Ehrke-Rabel, in: Hey 372; Ehrke-Rabel, in: Sturn/Klüh 142 ff.; vgl. dazu im Detail Kapitel 11 C. V. und die dortigen Nachweise. 191 Drüen, in: Hey 1. 192 Ehrke-Rabel, in: Sturn/Klüh 142 f.; vgl. auch Ehrke-Rabel, Der digitalisierte Steuerpflichtige, ALJ 2017, 150 (151). 193 Drüen, in: Hey 1 ff. 194 Vgl. zu dieser Thematik etwa Kofler/Mayr/Schlager, RdW 2017, 369 ff.; Kirchmayr/ Achatz, Besteuerung von Google und Co: Bitte warten!, taxlex 2017, 293 (293 ff.).

242

Kap. 11: Das Besteuerungsprinzip der Flexibilität

BEPS-Projektes im Aktionspunkt 1 angenommen.195 In diesem Bericht werden ausführlich die Besonderheiten der digitalen Wirtschaft vor dem Hintergrund des Steuerrechts erläutert. Im Ergebnis hat die OECD im Aktionspunkt 1 aber keine konkreten Vorgaben für den nationalen Steuergesetzgeber gemacht. Aufgrund der schwerfälligen internationalen Diskussion über den steuerrechtlichen Umgang mit der Digitalisierung haben einigen Staaten – darunter Österreich – „Alleingänge“ vorgenommen und sogenannte „Digitalsteuern“196 eingeführt, welche die Tätigkeiten von internationalen Technologieunternehmen erfassen sollen.197 In der einschlägigen Fachliteratur werden insbesondere technologieneutrale Regelungen für das Steuerrecht ins Treffen geführt, um dem technologischen Wandel entgegenzuwirken.198 Technologieneutrale Regelungen sind jedoch auch im Steuerrecht kein Allheilmittel. Wie unter Kapitel 11 C. VI. noch erläutert werden wird, macht die Technologieneutralität des Steuerrechts es zwar durchaus möglich, mit dem „alten“ Recht neue technologische Phänomene zu erfassen. Jedoch stellen sich bei der konkreten Durchsetzung des Rechts zahlreiche ungelöste Probleme insbesondere für das Abgabenverfahren. Aufgrund der Komplexität dieses Themenkreises muss ein Verweis auf die einschlägige Literatur zur Vollzugsproblematik von steuerrechtlichen Sachverhalten mit Bezug zur digitalen Wirtschaft genügen.199 3. Technik- bzw. Technologieneutralität und Medienneutralität Das österreichische rechtswissenschaftliche Schrifttum verwendet die Begriffe Technikneutralität und Technologieneutralität, soweit zu sehen, als Synonyme. So werden diese Begriffe insbesondere vor dem Hintergrund des Telekommunikationsgesetzes,200 der Kryptowährungen,201 des Urheberrechts202 oder des automati195

OECD, Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft 25 ff., passim. Vgl. dazu weiter unten Kapitel 11 C. VII. 2. b). 197 Vgl. etwa o. V., Französische Digitalsteuer, SWI 2019, 569 (596); Nestler/Riegler, Digitalsteuer: Die „Google-Steuer“ unter der Lupe, taxlex 2020, 45 (45 ff.). 198 Cockfield, in: Brownsword/Scotford/Yeung 557 f., 560 ff. m. w. N., 564; vgl. auch nzz.ch, Eine Lex Bitcoin braucht es nicht, https://www.nzz.ch/meinung/eine-lex-bitcoinbraucht-es-nicht-ld.1343079 (abgerufen am 6. 3. 2023); taxtech.blog, Blockchain-Steuerrecht – Rechtspolitischer Handlungsbedarf?, https://taxtech.blog/2019/07/24/blockchain-steuerrechtrechtspolitischer-handlungsbedarf/ (abgerufen am 6. 3. 2023). 199 Vgl. etwa Gunacker-Slawitsch, Online-Glücksspiel und Beweismaß, taxlex 2017, 335 (335 ff.); Ehrke-Rabel/Eisenberger/Hödl/Zechner, Bitcoin-Miner als Prosumer: eine Frage staatlicher Regulierung? Dargestellt am Beispiel des Glücksspielrechts, ALJ 2017, 188 (188 ff.). 200 Lust, Warum gibt es im Festnetz keine günstigen Pauschaltarife?, ecolex 2015, 159 (159 ff.). 201 Gassebner, Apropos: Warum Mining kein digitaler Erzeugungsprozess sein kann, ecolex 2018, 801 (801 ff.); Völkel, Zum Begriff „virtuelle Währung“, ZFR 2019, 346 (346 ff.). 202 Fischer, nPVR, Tethered Downloads und Cloud – neue Anwendungsfälle der Speichermediengütung?, MR 2016, 326 (326 ff.); Schmittmann, IPTV und Mobile TV – Kabel196

C. Flexibilität der Besteuerung und die Technikneutralität des Rechts

243

sierten Fahrens203 behandelt. Daher werden, wie schon unter Kapitel 11 C. II. angemerkt, auch in dieser Arbeit diese Begriffe als Synonyme verwendet. Auffällig ist, dass diese Termini in der Literatur kaum im Zusammenhang mit dem Steuerrecht erwähnt werden.204 Im Schrifttum wird durchgehend von einer sogenannten „Medienneutralität“ des österreichischen Rechts ausgegangen.205 Der Begriff Medienneutralität wird dabei häufig im Zusammenhang mit der Digitalisierung, dem Internet und dem E-Commerce-Recht verwendet. Unter Medienneutralität wird allgemein verstanden, dass das Recht, welches ursprünglich für analoge Vorgänge geschaffen wurde, auch auf Geschehnisse in der digitalen Welt und des Internets anwendbar ist, da die Normen eben nicht auf ein bestimmtes technisches Medium bei der Sachverhaltsverwirklichung abstellen.206 Im Ergebnis hat Medienneutralität im Kern denselben Begriffsinhalt wie Technikneutralität. Das Verwenden des Wortes „Medien“ soll vor dem Hintergrund des E-Commerce lediglich betonen, dass es für das Recht gleichgültig ist, ob bei der Abwicklung von Geschäften das Internet oder ein anderes elektronisches Mittel verwendet wurde.207 Es kann daher davon ausgegangen werden, dass „Medien-“ und „Technikneutralität“ als Synonyme zu verwenden sind. Im Kern sagen beide Begriffe aus, dass das Recht für die Verwirklichung eines gesetzlichen Tatbestandes nicht eine bestimmte Technologie im Fokus hat, sondern das Geschehen „hinter“ der Technik. Im Zuge einer einheitlichen Terminologie wird in weiterer Folge von Technik- bzw. Technologieneutralität gesprochen.

weiterverbeitung i. S. d. Satelliten- und Kabel-RÖ?, MR-Int 2010, 68 (68 ff.); Kraft, Die öffentliche Wiedergabe von Programmen in Satellitenbouqets, MR-Int 2015, 3 (3 ff.). 203 Eisenberger/Gruber/Huber/Lachmayer, Automatisiertes Fahren – Komplexe regulatorische Herausforderungen, ZVR 2016, 158 (158 ff.). 204 Vgl. dazu sogleich Kapitel 11 C. V. 1. 205 Böhmdorfer, E-Commerce-Gesetz (Zankl) Geleitwort zur 1. Auflage (2015) S. VI f.; Zankl, E-Commerce-Gesetz § 1 Rz. 4, 34; Ciresa, in: Schwimann/Kodek (Hrsg.), ABGB: Praxiskommentar4, Band 5a (2015) § 1 ECG Rz. 4, § 24 ECG Rz. 2; Thiele, in: Triffterer/ Rosbaud/Hinterhofer (Hrsg.), StGB: Salzburger Kommentar zum StGB (15. Lfg., 2007) § 118a Rz. 1; Burgstaller/Koxeder, Shrink-wrap und click-wrap Agreements, ecolex 2012, 325 (325 ff.); Zankl, Von E-Commerce zu M-Commerce, ecolex 2003, 507 (507 ff.); Zankl, Bürgerliches Recht9 (2020) Rz. 252; Ehrke-Rabel/Eisenberger/Hödl/Zechner, ALJ 2017, 190; Ehrke-Rabel/Eisenberger/Hödl/Pachinger/Schneider, Kryptowährungen, Blockchain und Smart Contracts: Risiken und Chancen für den Staat (Teil I), jusIT 2017, 87 (90); EhrkeRabel, in: Hey 372 ff. 206 Ehrke-Rabel, in: Hey 372 ff. 207 Vgl. schon die Nachweise unter Fn. 205.

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Kap. 11: Das Besteuerungsprinzip der Flexibilität

V. Technikneutralität, Fiskalzweck und wirtschaftliche Anknüpfung des Steuerrechts 1. Vorbemerkung In Bezug auf das österreichische Steuerrecht hält, soweit zu sehen, einzig EhrkeRabel in Hinblick auf die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung von Kryptowährungen explizit fest, dass das Steuerrecht an sich technikneutral ist.208 Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, ist Ehrke-Rabels Einschätzung zuzustimmen und kann in mehreren Schritten mit dem fiskalischen Wesen und der wirtschaftlichen Anknüpfung von Steuern und Steuerrecht209 erklärt werden. In einem ersten Schritt wird in Kapitel 11 C. V. 2. aus finanzsoziologisch- und politikwissenschaftlicher Sicht erläutert, weshalb Steuern notwendigerweise an wirtschaftliche Sachverhalte anknüpfen. Kapitel 11 C. V. 3. erklärt, wie sich diese ökonomische Ausrichtung konkret in Ausgestaltung und Interpretation des Steuerrechts wiederfindet. In Kapitel 11 C. V. 4. wird in einem notwendigen Zwischenschritt zwischen fiskaler und sozialer Funktion des Steuerrechts differenziert. Unter Kapitel 11 C. V. 5. wird schließlich aufbauend auf den vorigen Ausführungen der Zusammenhang zwischen Technikneutralität, Fiskalzweck und wirtschaftlicher Anknüpfung des Steuerrechts erläutert. 2. Die Privatökonomie als Anknüpfungspunkt für Steuern Steuern dienen primär dazu, dem Staat Einnahmen zu verschaffen, welche für die Bereitstellung von öffentlichen Gütern wie Sicherheit, Infrastruktur oder dem Gesundheitswesen verwendet werden.210 Der moderne Steuerstaat erhebt seine Steuern vom Bürger nicht etwa durch Dienstleistungen oder Naturalabgaben, sondern in Gestalt von Geldleistungen.211 Allgemein kann die grundlegende Funktion von Steuern daher als die Übertragung von Geldwert „aus der Verfügungsgewalt von Wirtschaftssubjekten in die Verfügungsgewalt des Staates“ zur Deckung des öffentlichen Haushaltes beschrieben werden.212 Damit Geldwerte innerhalb einer

208 Ehrke-Rabel, Kryptowährungen und Umsatzsteuer, in: Kirchmayr/Mayr/Hirschler/ Ehrke-Rabel/Kofler (Hrsg.), Digitalisierung im Konzernsteuerrecht (2018) 147; vgl. auch Ehrke-Rabel, in: Sturn/Klüh 142 ff.; Ehrke-Rabel/Eisenberger/Hödl/Zechner, ALJ 2017, 190. 209 Hervorhebung durch den Verfasser. 210 Vgl. dazu schon Kapitel 2 A. 211 Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben 136; Preuß, in: Abendroth et. al. 48; Isensee, in: FS Ipsen 415 ff. 212 Vogel, Rechtfertigung der Steuern: Eine vergessene Vorfrage, Der Staat 1986, 481 (516).

C. Flexibilität der Besteuerung und die Technikneutralität des Rechts

245

Gesellschaft überhaupt erst entstehen können, muss der Steuerstaat jedoch die dafür notwendigen Rahmenbedingungen sicherstellen.213 Nach Preuß ist die Voraussetzung für die „Abschöpfung von Werten in Geldform“ eine staatsunabhängige Ökonomie, in der sich private Akteure wirtschaftlich frei entfalten können und dabei Vermögen produzieren sowie vermehren.214 Die Steuer basiert im Steuerstaat daher auf der Vervielfachung von Privateigentum und knüpft an der Erwerbsbetätigung von Individuen an.215 Von seinem Wesen her ist der Steuerstaat somit privateigentums- und marktwirtschaftsfreundlich.216 Diese Staatsform gewährt demnach auch eine umfangreiche Eigentums- bzw. Erwerbsfreiheit und möchte den unternehmerischen Geist217 des Bürgers fördern – „Der Steuerstaat lässt wirtschaften“, fasst Huhnholz diesen Umstand zusammen.218 So wird in der Literatur die kapitalistische Wirtschaftsstruktur, welche sich auf Privateigentum, Wachstum und Gewinnstreben stützt, auch als ein charakteristisches Merkmal des Steuerstaates angesehen.219 Schumpeter bezeichnete den Steuerstaat gar als „Parasit“, welcher von der Produktivität des privaten Wirtschaftssektors und vom Spar- und Investitionswillen seiner Bürger abhängig ist.220 In diesem Sinne ist der marktwirtschaftlich strukturierte Staat, welcher auf Privatnützigkeit des Eigentums basiert, somit zur Erreichung seiner Ziele auf Steuern angewiesen.221 Denn zentral für diesen Staat ist, dass sich seine Bürger individuell wirtschaftlich betätigen, dadurch eigennützig Werte erzeugen, welche dann in weiterer Folge von der öffentlichen Hand in Form von Geld abgeschöpft werden können. Zum Zwecke einer ertragreichen Steuererhebung ist der Steuerstaat somit an einem möglichst gewinnorientierten Wirtschaften seiner Bürger interessiert.222

213

Preuß, in: Abendroth/Blanke/Preuß et. al. 47 ff.; vgl. auch Roloff, Theorie und Praxis der Besteuerung 11 ff. 214 Preuß, in: Abendroth/Blanke/Preuß et. al. 48 f.; Sacksofsky, Umweltschutz durch nichtsteuerliche Abgaben 136 f.; vgl. auch Roloff, Theorie und Praxis der Besteuerung 11 ff., 18, 22 ff. 215 Huhnholz, Der Fall des Steuerstaates, Mittelweg 36, Schwerpunktheft 2018 – Von Steuern und Staaten, 29 (31); Preuß, in: Abendroth/Blanke/Preuß et. al. 48 f.; Roloff, Theorie und Praxis der Besteuerung 11 ff. 216 Huhnholz, in: Frick/Lembcke/Lhotta 454, 465; Huhnholz, in: Voigt, Handbuch Staat 377. 217 Huhnholz, in: Frick/Lembcke/Lhotta 455, 459; Huhnholz, in: Boysen/Kaiser/Meinel 185, 188; Huhnholz, in: Voigt, Handbuch Staat 375 m. w. N. 218 Huhnholz, Mittelweg 36, 32. 219 Preuß, in: Abendroth et. al. 48; Roloff, Theorie und Praxis der Besteuerung 17 ff.; Huhnholz, in: Voigt, Handbuch Staat 373 ff., 377. 220 Schumpeter, Die Krise des Steuerstaates 26; Sacksofsky, Umweltschutz durch nichtsteuerliche Abgaben 135 ff.; Huhnholz, Mittelweg 36, 30 ff.; vgl. auch Roloff, Theorie und Praxis der Besteuerung 11 ff., 26 m. w. N. 221 Tipke, Steuerrechtsordnung2 I 1 ff. m. w. N.; vgl. auch Preuß, in: Abendroth et. al. 48 ff. 222 Huhnholz, Mittelweg 36, 31; Isensee, in: FS Ipsen 415 ff.

246

Kap. 11: Das Besteuerungsprinzip der Flexibilität

Privatwirtschaftliche Vorgänge stellen also aus finanzsoziologischer und politikwissenschaftlicher Perspektive den zentralen Anknüpfungspunkt und die Abschöpfungsquelle für Steuern dar, um den Staatshaushalt mit ausreichend Einnahmen zu versorgen.223 In weiterer Folge wird gezeigt werden, wie sich diese Ausrichtung auf das Wirtschaftstreiben auch im Steuerrecht224 aus juristischer Perspektive wiederfindet. 3. Die wirtschaftliche Ausrichtung des Steuerrechts Das Steuerrecht225 befasst sich allgemein gesprochen mit der rechtlichen Ordnung und Ausgestaltung von Steuersystemen und der Besteuerung als Rechtsvorgang.226 Die wirtschaftliche Ausrichtung dieses Rechtsgebietes ergibt sich zunächst aus der im vorigen Abschnitt erläuterten wirtschaftlich-fiskalischen Natur von Steuern selbst. Damit nämlich das Steuerrecht dem auf ökonomische Vorgänge geprägten Wesen von Steuern gerecht wird, müssen auch die Normen dieses Rechtsgebietes generell an wirtschaftlichen Sachverhalten anknüpfen, um daraus die Abschöpfung von Geldwerten rechtlich möglich zu machen.227 Das Steuerrecht ist somit zwangsläufig auf wirtschaftliche Vorgänge bezogen und beeinflusst so auch nahezu jede ökonomische Betätigung der Bürger.228 Besonders deutlich wird die auf die Wirtschaft ausgerichtete Polung des Steuerrechts bei der Einkommensteuer: Der Staat besteuert das anhand der individuellen Leistungsfähigkeit gemessene Markteinkommen, das der Bürger als Früchte seiner Partizipation am Wirtschaftsleben erwirbt.229 Im Fokus des Steuerrechts stehen demnach ökonomische Vorgänge, deren Wert es für den Staat zu erfassen gilt.230 Diese wirtschaftliche Anknüpfung des Abgabenrechts spiegelt sich auch in der Formulierung der Steuerrechtsnormen und in den verwendeten Rechtsbegriffen wider. Jeder Rechtsbereich verwendet ihm eigene Begrifflichkeiten und Ausdrücke, welche die Mittel darstellen, mit denen die spezielle Funktion der jeweiligen Rechtsdisziplin erfüllt wird.231 So verwendet etwa das Zivilrecht unter Rücksicht223

Huhnholz, Mittelweg 36, 31; Isensee, in: FS Ipsen 415 ff. Hervorhebung durch den Verfasser. 225 Hervorhebung durch den Verfasser. 226 Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 3; Tipke, Steuerrechtsordnung2 I 10; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 1 Rz. 1.2. 227 Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 5 Rz. 5.70; Tipke, Steuerrechtsordnung2 I 5 ff.; Sparrer, Sonderbetriebsvermögen (2007) 43; vgl. dazu auch Anderwald, Die Abgrenzung zwischen Schein- und Umgehungsgeschäft (2018) 99 m. w. N. 228 Sparrer, Sonderbetriebsvermögen 43; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 5 Rz. 5.70; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 1 Rz. 1.1; Tipke, Steuerrechtsordnung2 I 5 f. 229 Sparrer, Sonderbetriebsvermögen 43; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 5 Rz. 5.70. 230 Sparrer, Sonderbetriebsvermögen 43. 231 Buchwald, Verhältnis von Zivil- und Steuerrecht, JR 1958, 87 (88). 224

C. Flexibilität der Besteuerung und die Technikneutralität des Rechts

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nahme auf seine Zielsetzung, nämlich die Rechtssphären der einzelnen Bürger gerecht gegeneinander abzugrenzen, eigene Begriffe für „Vermögen“ oder „Eigentum“, welche in anderen Rechtsbereichen teils einen anderen Begriffsinhalt haben können.232 Demnach muss auch das Steuerrecht mit den in seinen Normen verwendeten Formulierungen auf seine Funktion, nämlich die Erfassung von wirtschaftlichen Vorgängen zum Zweck der Besteuerung, abstellen.233 So ist das Steuerrecht auch durchsetzt von ursprünglich wirtschaftswissenschaftlichen Wertungen und Begrifflichkeiten wie etwa „Umsatz“, „Gewinn“, „Rechnungslegung“, „Bilanz“ oder „Wirtschaftsgut“.234 Derartige Wirtschaftsbegriffe spielen auch in anderen Rechtsdisziplinen eine Rolle, ihnen kommt aber in der Regel keine ähnlich zentrale Bedeutung wie im Steuerrecht zu.235 Die Ausrichtung auf ökonomische Sachverhalte des Steuerrechts findet sich auch in der positivrechtlich festgehaltenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise des § 21 Abs. 1 BAO wieder.236 Diese Norm schreibt vor, dass generell für die Beurteilung abgabenrechtlicher Fragen „in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend“ ist. Der § 21 Abs. 1 BAO wird von der herrschenden Lehre als eine Facette der teleologischen Auslegung gesehen, welche die spezielle wirtschaftliche Prägung des Steuerrechts und dessen ökonomische Zielsetzung verdeutlichen soll.237 Somit lässt sich festhalten, dass das Steuerrecht als solches aus juristischer Perspektive im Einklang mit der unter Kapitel 11 C. V. 2. angestellten sozial- und politikwissenschaftlichen Analyse von Steuern dem Grunde nach von einer wirtschaftlichen Ausrichtung geprägt ist. 4. Steuerrechtliche Fiskal- und Sozialzwecknormen Wie unter Kapitel 11 C. V. 2. erläutert, liegt die primäre Funktion von Steuern darin, dem Staat Einnahmen zu verschaffen. Dies wird auch durch Judikatur des VfGH gestützt, wonach Steuern nach dem Verständnis der österreichischen Verfassung in erster Linie dazu dienen, den staatlichen Finanzbedarf zu decken.238 Dieser Fiskalzweck ist somit die eigentliche und ursprüngliche Existenzberechti232

Buchwald, JR 1958, 88. Buchwald, JR 1958, 88; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 1 Rz. 1.28. 234 Tipke, Steuerrechtsordnung2 I 7; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 1 Rz. 1.28. 235 Tipke, Steuerrechtsordnung2 I 7 m. w. N. 236 Anderwald, Die Abgrenzung zwischen Schein- und Umgehungsgeschäft 99. 237 Vgl. im Detail Anderwald, Die Abgrenzung zwischen Schein- und Umgehungsgeschäft 99 ff.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung2, Band III (2012) 1648. 238 VfSlg 4446/1963; 8457/1978; 9750/1983; 11.143/1986; Stolzlechner, Der verfassungsrechtliche Rahmen des Wirtschaftsrechts und seine Konkretisierung durch verfassungsrechtliche Judikatur, ÖZW 1987, 33 (33 ff.); Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 7 m. w. N. 233

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Kap. 11: Das Besteuerungsprinzip der Flexibilität

gung der meisten Steuern.239 Neben der bisher im Fokus stehenden fiskalen Funktion wird das Steuerrecht jedoch vom Staat auch zur Verfolgung anderer politischer Interessen genutzt.240 Zentral für die weitere Untersuchung ist somit die Differenzierung zwischen steuerrechtlichen Fiskal- und Sozialzwecknormen.241 Mit dem Steuerrecht werden damit nicht nur fiskalische sondern auch gesellschaftspolitische Ziele verfolgt.242 Das Motiv für die wirtschaftliche Anknüpfung des Steuerrechts kann daher entweder fiskalischer oder außerfiskalsicher Natur sein. Das Steuerrecht ist daher nicht rein fiskalisch motiviert, sondern es gibt auch Abgabennormen, die überwiegend von nicht-fiskalischen Motiven geleitet sind.243 In diesem Sinne unterscheidet das Schrifttum zwischen Fiskalzwecknormen, deren alleiniger Zweck es ist, dem Staat Einnahmen zu verschaffen und Sozialzwecknormen, welche nicht auf die Einnahmenbeschaffung abzielen, sondern eine bestimmte Verhaltenslenkung der Bürger bewirken oder ein soziales Interesse erfüllen sollen.244 Innerhalb der Sozialzwecknormen differenziert das Schrifttum noch zwischen Lenkungs- und Umverteilungszwecknormen.245 Lenkungsnormen sollen gewisse gesellschaftliche Ziele erreichen und können damit insbesondere sozial-, wirtschafts-, oder umweltpolitisch motiviert sein.246 Konkret sollen Lenkungsnormen mit einer gezielten Steuerbe- oder Entlastung eine bestimmte Verhaltenssteuerung der Bürger bewirken.247 Prominente Lenkungsnormen sind in Österreich vor allem die unter Kapitel 11 C. VII. 1. behandelten Umweltabgaben, welche die Steuerzahler zu einem ökologischeren Handeln anleiten sollen. Umverteilungsnormen hingegen haben eine Vermögensverschiebung im Sinne eines sozialen Auftrages zum Ziel.248 Als Beispiele für Umverteilungszwecknormen werden in der Literatur die Vor-

239

Urnik, in: Bertl et. al., Handbuch der österreichischen Steuerlehre4 I 37. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.21; Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 4. 241 Vogel, Die Einflussnahme steuerlicher Lenkungsnormen auf Entscheidungen von Wirtschaftssubjekten (2015) 1010; vgl. dazu auch die Darstellung in Urnik, in: Bertl et. al., Handbuch der österreichischen Steuerlehre4 I 37 ff. 242 Vgl. etwa Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 7 m. w. N. 243 Vgl. dazu im Detail Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.19 ff. 244 Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem (2005) 83 m. w. N.; Tipke, Steuerrechtsordnung2 I 74 ff.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.20 ff.; vgl. auch Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen 153 ff., 194 ff., 221 ff.; zudem werden noch Vereinfachungszwecknormen unterschieden, welche an dieser Stelle jedoch nicht thematisiert werden, vgl. dazu Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.23 f. 245 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.21. 246 Vogel, Die Einflussnahme steuerlicher Lenkungsnormen 10. 247 Vogel, Die Einflussnahme steuerlicher Lenkungsnormen 10. 248 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.21. 240

C. Flexibilität der Besteuerung und die Technikneutralität des Rechts

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schriften der Erbschafts- und Schenkungssteuer, welche in Österreich249 bis 2008 erhoben wurde, genannt.250 Aufgrund der schon erörterten ökonomischen Ausrichtung des Steuerrechts knüpfen Fiskalzwecknormen und Sozialzwecknormen grundsätzlich an wirtschaftlich geprägte Vorgänge an.251 Das eigentliche Motiv, weshalb an ökonomische Sachverhalte angeknüpft wird, ist jedoch bei Fiskal- und Sozialzwecknormen verschieden.252 Zentraler Unterschied ist, dass für Sozialzwecknormen das Ziel der Deckung des öffentlichen Finanzbedarfs zumindest vordergründig nicht relevant ist und primär auf nichtfiskalische Zielsetzungen abgestellt wird.253 Im Folgenden werden als Fiskalsteuern bzw. Fiskalzwecksteuern jene Steuern bezeichnet, bei denen die Einnahmenbeschaffung primär im Vordergrund steht und als Sozialzwecksteuern jene Abgaben, bei denen zumindest vordergründig außerfiskalische Motive überwiegen. Steuerrechtliche Sozialzwecknormen bzw. Sozialzwecksteuern, welche ein bestimmtes Verhalten steuerlich belasten, können selbstredend auch eine fiskale Wirkung für den Staat zeitigen. Die fiskalen Konsequenzen dieser Steuern sind jedoch (zumindest vordergründig) nicht der eigentliche Zweck, sondern lediglich eine Folge aus diesen Lenkungsabgaben.254 Innerhalb des deutschsprachigen Schrifttums 249 Vgl. dazu etwa Lampret, Wieviel Erbschaftssteuer verträgt das Erbrecht? Pro und Contra um die Wiedereinführung der Erbschaftssteuer, JEV 2018, 36 (36 ff.). 250 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.21. 251 Sozialzwecknormen haben zwar kein fiskalisches Motiv, knüpfen aber dennoch an grundsätzlich ökonomisch geprägte Sachverhalte eines ganz bestimmten Lebensbereiches an, um ihre Wirkung entfalten zu können. So können Sozialzwecknormen beispielsweise aus gesundheits-, umwelt-, kultur- oder sozialpolitischen Gründen den Erwerb bestimmter Genussmittel und Ressourcen, den Konsum bestimmter Dienstleistungen oder den Transfer von Vermögen erfassen. Im Schrifttum wird betont, dass solche Steuernormen aus gesamt- und einzelwirtschaftlicher Perspektive mit steuerrechtlichen Instrumenten die Allokation der Ressourcen bzw. die Verteilung des Wohlstands beeinflussen sowie die Produktion, Nutzung und den Absatz bestimmter Güter oder Dienstleistungen fördern bzw. hemmen sollen. Somit erfüllen Sozialzwecknormen im Kern auch eine ökonomische Funktion und knüpfen damit an gewisse wirtschaftliche Sachverhalte an. So wird in Bezug auf die Adressaten solcher Steuervorschriften auch ausdrücklich von „Wirtschaftssubjekten“ gesprochen; vgl. dazu etwa Vogel, Die Einflussnahme steuerlicher Lenkungsnormen auf Entscheidungen 10 m. w. N.; Urnik, in: Bertl et. al., Handbuch der österreichischen Steuerlehre4 37 ff.; Tipke, Steuerrechtsordnung2 I 77 ff.; Anderwald, Die Abgrenzung zwischen Schein- und Umgehungsgeschäft 99 m. w. N.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.21; Urnik, Überlegungen zur Sinnhaftigkeit von Sozialzwecknormen in der Ertragsbesteuerung, in: Kellermann (Hrsg.), Die Geldgesellschaft und ihr Glaube (2007) 13 ff.; vgl. auch Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 5 Rz. 5.70. 252 Urnik, in: Bertl et. al., Handbuch der österreichischen Steuerlehre4 I 37 ff. 253 Tipke, Steuerrechtsordnung2 I 77 ff.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.20; Vogel, Die Einflussnahme steuerlicher Lenkungsnormen auf Entscheidungen 10; vgl. auch Urnik, in: Bertl et. al., Handbuch der österreichischen Steuerlehre4 I 37 ff. 254 Tipke, Steuerrechtsordnung2 I 80 ff.; Vogel, Die Einflussnahme steuerlicher Lenkungsnormen auf Entscheidungen 10 ff.; vgl. auch Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.20.

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Kap. 11: Das Besteuerungsprinzip der Flexibilität

wird in rechtspolitischen Diskussionen häufig debattiert, inwiefern der Steuerungszweck nur Vorwand ist, um eine in Wahrheit fiskale Abgabe in das „Kleid“ einer Lenkungszwecknorm zu hüllen.255 In Bezug auf die österreichische Steuerrechtsordnung ist zu beachten, dass aufgrund der verfassungsrechtlich vorgegebenen Kompetenzverteilung der Staatsfunktionen nicht jede interventionistische Maßnahme des Gesetzgebers, welche mit den Mitteln des Steuerrechts, also durch eine Steuerbe- oder Steuerentlastung, erfolgt, zulässig ist.256 Andernfalls könnte die allgemeine Kompetenzverteilung des B-VG durch den Steuergesetzgeber ausgehebelt werden.257 Nach ständiger Rechtsprechung des VfGH ist es zwar zulässig, mit Steuergesetzen auch andere als fiskalische Zwecke zu verfolgen.258 Dem Gesetzgeber ist es jedoch untersagt, durch Steuergesetze in eine fremde Materie bzw. Kompetenz hineinzuwirken, wenn die Abgabennormen so intensiv und umfassend sind, dass diese als Regelung der fremden Materie selbst gewertet werden müssen.259 Für die Prüfung, ob ein Steuergesetz aufgrund einer solchen Kompetenzüberschreitung als verfassungswidrig aufzuheben ist, sind insbesondere die „Dichte der Regelung und die Art ihrer Auswirkung im fremden Sachbereich“ zu bewerten.260 Rein fiskalisch motivierte Abgaben können sich wiederum auch auf das konkrete Verhalten der Bürger auswirken und damit gewisse, mitunter auch unbeabsichtigte, Lenkungseffekte zeitigen.261 Nach der einschlägigen Literatur ist für die Frage, ob eine Fiskalzweck- oder Lenkungszwecknorm vorliegt, zum einen auf den ursprünglichen Willen des Gesetzgebers und zum anderen auf das Bestehen einer konkreten Lenkungswirkung abzustellen.262 Im nächsten Abschnitt wird aufbauend auf den bisherigen Ausführungen erläutert werden, dass der Fiskalzweck und die wirtschaftliche Anknüpfung logisch mit der Technikneutralität des Steuerrechts korreliert.

255 Vgl. etwa Tipke, Steuerrechtsordnung2 I 80 ff.; Vogel, Die Einflussnahme steuerlicher Lenkungsnormen auf Entscheidungen 11 f. m. w. N. 256 Vgl. dazu im Detail die Ausführungen und zahlreichen Nachweise unter Ruppe, in: Korinek et. al., B-VG § 5 Rz. 13 f. F-VG (12. Lfg., 2016) sowie unter Ehrke-Rabel, in: Doralt/ Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 7. 257 Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 7. 258 Vgl. etwa VfSlg 4466/1963; 4708/1964; 16.378/2001; Ruppe, in: Korinek et. al., B-VG § 5 Rz. 14 F-VG. 259 VfSlg 10.430/1985; 18.183/2007; Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 7 m. w. N. 260 VfSlg 10.430/1985; 11.143/1986; 14.597/1996; vgl. auch Ruppe, in: Korinek et. al., B-VG § 5 Rz. 14 F-VG m. w. N. 261 Vogel, Die Einflussnahme steuerlicher Lenkungsnormen auf Entscheidungen 10. 262 Vogel, Die Einflussnahme steuerlicher Lenkungsnormen auf Entscheidungen 11 m. w. N.

C. Flexibilität der Besteuerung und die Technikneutralität des Rechts

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5. Technikneutralität des Steuerrechts in Korrelation mit Fiskalzweck und wirtschaftlicher Anknüpfung Wie im vorigen Abschnitt erläutert wurde, haben Fiskalzwecknormen bzw. fiskale Steuern den primären Zweck, den staatlichen Finanzbedarf zu decken. Damit das fiskale Steuerrecht sein Ziel auch wirksam erfüllen kann, muss es auf die Erfassung von möglichst vielen ökonomischen Sachverhalten gepolt sein. Zentral ist, dass der wirtschaftliche Kern eines Geschehens erfasst wird. Wie schon unter Kapitel 11 C. V. 3. beschrieben wurde, zielt deshalb das Steuerrecht gestützt durch eine wirtschaftliche Betrachtungsweise auf die Erfassung des wirtschaftlichen Inhalts eines Geschehens ab und legt den Fokus nicht auf die äußere „Hülle“ einer Betätigung.263 Somit stellen privatökonomische Vorgänge auch den zentralen Anknüpfungspunkt für fiskales Steuerrecht dar. Da das fiskale Steuerrecht auf den wirtschaftlichen Inhalt eines Geschehens abstellt, ist es grundsätzlich nicht daran interessiert, mit welchen technischen Mitteln ein ökonomischer Vorgang realisiert wird. Die rechtliche Erfassung und Regulierung von bestimmten Technologien ist schlicht gesagt einfach nicht die Aufgabe des fiskalen Steuerrechts. Für Fiskalzwecknormen ist es nur relevant, ob264 ein ökonomischer Vorgang realisiert wurde und nicht wie265 dieser technologisch verwirklicht wird. Im Fokus des fiskalen Steuerrechts stehen daher die Erfassung möglichst zahlreicher wirtschaftlicher Betätigungen und nicht die Regulierung der Technik. Hier besteht nun die Brücke zur Technikneutralität des Steuerrechts. Fiskalzwecknormen stellen auf ökonomisches Verhalten ab und nicht auf das technische Medium, mit dem ein wirtschaftliches Ergebnis erzielt wird. Für das fiskale Steuerrecht ist es daher in der Regel gleichgültig, mit welchen technischen Errungenschaften etwa die Einkünfte i. S. d. EStG oder steuerbare Umsätze i. S. d. UStG266 erzielt werden – Ziel von Fiskalzwecknormen ist die Erfassung wirtschaftlicher Gegebenheiten und nicht die Regulierung der technischen „Hilfsmittel“.267 Fiskalzwecknormen des Steuerrechts nehmen daher grundsätzlich nicht auf spezifische Technologien Rücksicht und erfassen wirtschaftliche Sachverhalte unabhängig von deren technologischem Hintergrund. Demnach sind Fiskalzwecknormen in der Regel268 auch technikneutral ausgestaltet. Zwischen fiskalem Steuerrecht und Technikneutralität besteht somit ein logischer Zusammenhang. Wie auch Fiskalzwecknormen strebt technikneutrales Recht danach, tendenziell einen großen Anwendungsbereich zu haben und möglichst viele

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Anderwald, Die Abgrenzung zwischen Schein- und Umgehungsgeschäft 99 ff. Hervorhebung durch den Verfasser. 265 Hervorhebung durch den Verfasser. 266 Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl 663/1994 i. d. F. BGBl I 163/2022. 267 Vgl. Kapitel 11 C. VI. 268 Vgl. Kapitel 11 C. VII. 2. 264

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Kap. 11: Das Besteuerungsprinzip der Flexibilität

Lebenssachverhalte zu erfassen.269 Für fiskales Steuerrecht ist es daher von seinem Zweck her förderlich, wenn es auch technologieneutral ausgestaltet wird, weil dadurch potentiell mehr wirtschaftliche Lebenssachverhalte in seinen Anwendungsbereich fallen können. Das fiskale Steuerrecht ist jedoch nicht deshalb technologieneutral, weil es primär zukünftige Technologien regulieren will. Die Technikneutralität ist vielmehr eher als ein Mittel zur Erfassung möglichst diverser wirtschaftlicher Sachverhalte anstatt als eine Form der Regulierung von neuen technologischen Phänomenen zu sehen. Daher stellt die Technikneutralität von Steuerrecht einen Ausdruck des Fiskalzwecks dar, mit dem Ziel, möglichst zahlreiche und unterschiedliche wirtschaftliche Lebenssachverhalte in seinem Anwendungsbereich zu vereinen. Technikspezifische Normen hingegen schränken die Reichweite einer Norm teils erheblich ein.270 Durchwegs technikspezifisches, fiskales Steuerrecht scheint allein aus quantitativer Hinsicht nicht zweckmäßig zu sein. Denn für die Einnahmenbeschaffungsfunktion des Steuerrechts wäre es kontraproduktiv, wenn in seinen Normen nur auf die Erfassung von ganz bestimmten Technologien abgestellt werden würde. Abgesehen von potentiellen gleichheitsrechtlichen Bedenken271 würde dann nur ein Bruchteil des Wirtschaftslebens erfasst werden können. Bei einer Steuer, die sich aufgrund einer technikspezifischen Ausgestaltung von vorneherein nur auf einen „schmalen“ Wirtschaftsbereich beschränkt, ist daher regelmäßig272 davon auszugehen, dass nichtfiskalische Zielsetzungen eine zentrale Rolle spielen. Im fiskalen Steuerrecht stellen technikneutrale Normen daher die Regel dar, technikspezifische Vorschriften dagegen die Ausnahme. Die technologieneutrale Ausgestaltung von Normen und der Fiskalzweck des Steuerrechts korrelieren also und stehen damit in einer wechselseitigen Beziehung zueinander. Zum einen fördert Technologieneutralität den Fiskalzweck von Normen, da damit ein größerer Anwendungsbereich auf eine Vielzahl von wirtschaftlichen Sachverhalten gewährleistet wird. Zum anderen impliziert das Motiv von Fiskalzwecknormen, welches allein auf das Ziel der Einnahmenbeschaffung und nicht auf die Technikregulierung ausgerichtet ist, grundsätzlich eine technikneutrale Ausgestaltung des Rechts. Aufgrund der bisherigen Ausführungen lassen sich somit folgende Annahmen treffen: Fiskales Steuerrecht bzw. Fiskalzwecksteuern sind grundsätzlich technologieneutral. Im Umkehrschluss müsste das auch bedeuten, dass technologiespezifisches Steuerrecht bzw. technologiespezifische Steuern tendenziell nicht primär fiskalisch, sondern aufgrund von Sozialzwecken motiviert sind. Nachfolgend wird gezeigt werden, dass diese Annahmen auch einer Überprüfung anhand des österreichischen Steuerrechts Stand halten. Es ist darauf hinzuweisen, dass aufgrund der 269

Vgl. Kapitel 11 C. V. 3. Vgl. im Detail Greenberg, Minnesota Law Review 2016, 1495 ff. 271 Vgl. zum Gleichheitssatz Kapitel 4 B. III. 272 Vgl. zur Ausnahme der Digitalsteuer und Werbeabgabe weiter unten Kapitel 11 C. VII. 2.

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C. Flexibilität der Besteuerung und die Technikneutralität des Rechts

253

juristischen Natur dieser Arbeit zum Nachweis dieser Annahmen keine empirische Untersuchung angestellt wird. Dennoch wird in den folgenden Abschnitten gezeigt werden, dass sich die obenstehenden Thesen schlüssig anhand von Beispielen aus dem österreichischen Steuersystem stützen lassen.

VI. Ausgewählte Beispiele für technologieneutrales, fiskales Steuerrecht 1. Einkommensteuer Die Einkommensteuer ist die fiskalisch bedeutendste Steuer in Österreich.273 Sie wurde als Fiskalzwecksteuer mit dem Hauptzweck, dem Staat Einnahmen zu verschaffen konzipiert.274 Das Einkommensteueraufkommen betrug im Jahr 2018 etwa 31,5 Mrd. Euro, was etwa 40 % des gesamten Abgabenaufkommens des Bundes entspricht.275 Die Einkommensteuer steckt ihren grundsätzlichen Anwendungsbereich in den Vorschriften zur persönlichen und sachlichen Steuerpflicht des EStG ab.276 Die persönliche Steuerpflicht beschreibt die Steuersubjekte, während die sachliche Steuerpflicht den Steuergegenstand definiert. In diesem Sinne erfasst die Einkommensteuer grundsätzlich nur das Einkommen, welches eine natürliche Person mit einem Inlandsbezug innerhalb eines Kalenderjahres erwirtschaftet hat. Das steuerpflichtige Einkommen, also die sachliche Steuerpflicht, ergibt sich nach § 2 Abs. 3 EStG aus dem Gesamtbetrag der taxativ aufgezählten sieben verschiedenen Einkunftsarten: Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§ 21 EStG), Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 22 EStG), Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 23 EStG), Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 25 EStG), Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 27 EStG), Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 28 EStG) und sonstige Einkünfte nach § 29 EStG. Die Normen, welche die sieben Einkunftsarten des EStG definieren, sind technologieneutral ausgestaltet. Die verschiedenen Einkunftsformen der §§ 21 ff. EStG stellen damit in ihren Definitionen nicht auf eine Technologie ab, sondern stattdessen auf ein bestimmtes wirtschaftliches Verhalten der Steuersubjekte. Die Einkommensteuer stellt daher in ihrer sachlichen Steuerpflicht auf das marktmäßig erzielte Einkommen unabhängig von der dafür verwendeten Technologie ab.277 Für die einzelnen Einkunftsarten ist es daher nicht von Belang, welche technische Mittel eingesetzt werden. Zentral ist lediglich, dass das in den Einkunftsvorschriften umschriebene wirtschaftliche Verhalten erfüllt wird. Eine technologiespezifische, 273 Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 20; Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 51; Urnik, in: Bertl et. al., Handbuch der österreichischen Steuerlehre4 I 60. 274 Urnik, in: Bertl et. al., Handbuch der österreichischen Steuerlehre4 I 60. 275 Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 20. 276 Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 29 ff., 38 ff. 277 Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 54.

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Kap. 11: Das Besteuerungsprinzip der Flexibilität

sachliche Steuerpflicht wäre für die Einkommensteuer auch kaum vorstellbar, da durch das Abstellen auf bestimmte Technologien der Fiskalzweck der Steuer wohl nicht erfüllt werden könnte. Damit ist die Grundausrichtung der Einkommensteuer technologieneutral. Die technologieneutrale Grundausrichtung der Einkommensteuer wird dadurch konkret sichtbar, dass neuartige technologische Phänomene wie NFTs vom EStG erfasst werden können. Ein NFT ist ein nicht austauschbarer digitaler Gegenstand, der aus einem kryptographisch verschlüsselten Verweis auf eine digitale Ressource im Internet besteht. Meist handelt es sich bei der Ressource um digitale Bilder. Die Erzeugung, der Handel und der Eigentumsnachweis von NFTs werden auf einer Blockchain, einem dezentralen System, dargestellt.278 Die Abbildung des jeweiligen NFTs auf einer Blockchain bezeugt dessen Existenz, den Eigentümerstatus und macht ihn handelbar. Da mittels NFTs Vermögenswerte umgesetzt und vermehrt werden können, besteht somit grundsätzlich ein steuerrechtlicher Anknüpfungspunkt.279 Aus steuerrechtlicher Sicht sind im Zusammenhang mit NFTs zwei Vorgänge relevant: die Erzeugung und der Handel.280 Zu jener Zeit, als das Einkünftekonzept des EStG erschaffen wurde, konnte ein technologisches Phänomen wie NFTs keineswegs vorausgeahnt werden. Dennoch ist es aufgrund der Technologieneutralität der Fiskalzwecknormen des EStG möglich, auch immaterielle Wirtschaftsgüter281 steuerrechtlich zu erfassen. Einkünfte im Zusammenhang mit NFTs werden in Österreich somit nach den allgemeinen Besteuerungsnormen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Einkünfte aus selbständiger Arbeit oder aus Spekulationsgeschäften qualifiziert (§§ 22, 23 und 31 EStG).282 Als Beispiel für die Erfassung von NFTs durch eine technologieneutrale Rechtsnorm des EStG soll § 31 Abs. 1 EStG genauer erläutert werden. Der § 31 Abs. 1 EStG regelt die Besteuerung von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens, das sogenannte Spekulationsgeschäft. Diese Norm erfasst „Veräußerungsgeschäfte von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens, wenn […] der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt“. Die Regelung des § 31 EStG stellt weder auf eine bestimmte technische Art des Verkaufes ab, noch wird mit dem Begriff der privaten „Wirtschaftsgüter“ ein bestimmtes technologisches Produkt definiert. § 31 Abs. 1 EStG kann mit dem Wort „Wirtschaftsgüter“ von Antiquitäten 278 Vgl. zu NFTs und deren steuerrechtlichen Dimension im Detail Ehrke-Rabel/DomesHohl/Hammerl, Non-Fungible-Token (NFTs) – Eine neue Welt im Krypto-Universum aus steuerrechtlicher Sicht, taxlex 2022, (83) 83 ff.; vgl. zur Blockchain-Technologie EhrkeRabel/Eisenberger/Hödl/Zechner, ALJ 2017,189 ff. m. w. N. 279 Vgl. dazu im Detail Ehrke-Rabel/Domes-Hohl/Hammerl, taxlex 2022, 84. 280 Vgl. dazu im Detail Ehrke-Rabel/Domes-Hohl/Hammerl, taxlex 2022, 84. 281 Petutschnig, ÖStZ 2014, 353 ff.; vgl. auch Ehrke-Rabel/Domes-Hohl/Hammerl, taxlex 2022, 84 m. w. N. 282 Ehrke-Rabel/Domes-Hohl/Hammerl, taxlex 2022, 84 ff.

C. Flexibilität der Besteuerung und die Technikneutralität des Rechts

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über Gold jedes körperliche und unkörperliche Wirtschaftsgut erfassen. Für die Erfüllung des Tatbestandes von § 31 Abs. 1 EStG spielt die Technologie somit keinerlei Rolle – die Technologie wird, wie unter Kapitel 11 C. III. 2. erwähnt, ausgeblendet. NFTs gelten aus ertragsteuerlicher Sicht als unkörperliche Wirtschaftsgüter. Demnach kann der Verkauf von NFTs nach § 31 Abs. 1 EStG ein steuerpflichtiges Spekulationsgeschäft darstellen, wenn auch die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind.283 Somit können im EStG neue Technologien durch „altes“ Recht erfasst werden. Innerhalb des EStG bestehen jedoch auch gewisse Ausnahmen von der grundsätzlichen Technologieneutralität. So schreibt § 8 Abs. 6 Z. 1 EStG für PKW und Kombinationskraftwagen eine zwingende betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von acht Jahren für die Absetzung für Abnutzung vor. Zudem kann auch nach § 10 Abs. 4 EStG der investitionsbedingte Gewinnfreibetrag für bestimmte PKWs und Kombis sowie Luftfahrzeuge nicht geltend gemacht werden.284 Darüber hinaus sind PKWs und Kombis zum Teil auch von den prämienbegünstigten Wirtschaftsgütern des § 108e EStG ausgenommen. Auch die Besteuerung von Kryptowährungen in § 27b EStG stellt auf eine bestimmte Technologie ab.285 2. Körperschaftsteuer Die Körperschaftsteuer ist die Ertragsteuer der juristischen Personen.286 Die Körperschaftsteuer erfasst demnach das Einkommen, welches eine Körperschaft i. S. d. Körperschaftsteuergesetzes innerhalb eines Kalenderjahres erwirtschaftet. Wie die Einkommensteuer ist die Körperschaftsteuer primär von einem Fiskalzweck getragen.287 Da der Begriff des Einkommens i. S. d. KStG mit jenem des EStG übereinstimmt, gelten die unter Kapitel 11 C. VI. 1. dargestellten Ausführungen zur Technikneutralität auch sinngemäß für die Körperschaftsteuer. Das KStG ist daher wie das EStG ein technologieneutrales Abgabengesetz. Im Fokus ist bei der Körperschaftsteuer die Besteuerung von wirtschaftlicher Wertschöpfung juristischer Personen und nicht die Regulierung von Technologien. 3. Umsatzsteuer Die Umsatzsteuer ist nach der Einkommensteuer die ertragreichste Abgabe in Österreich. Das Aufkommen der Umsatzsteuer belief sich im Jahr 2018 auf rund 283

Ehrke-Rabel/Domes-Hohl/Hammerl, taxlex, 2022, 84 ff. Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 427; Kirchmayr/ Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 462/4. 285 Vgl. dazu die Definition in § 27b Abs. 4 EStG. 286 Mayr/Bodis/Lachmayer, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 901 ff. 287 Mayr/Bodis/Lachmayer, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 901 ff. 284

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Kap. 11: Das Besteuerungsprinzip der Flexibilität

29 Mrd. Euro.288 Bei der Umsatzsteuer handelt es sich um eine allgemeine Abgabe auf den Konsum von Waren und Dienstleistungen. Daher erfasst die Umsatzsteuer in ihrem Haupttatbestand nach § 1 Abs. 1 Z. 1 UStG Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Belastungsziel der Umsatzsteuer ist demnach der Endverbrauch von Waren und Dienstleistungen im Inland.289 In ihren Nebentatbeständen erfasst die Umsatzsteuer auch die Einfuhr von Gegenständen aus Drittländern, den innergemeinschaftlichen Erwerb und den sogenannten Eigenverbrauch.290 Die Normen, welche die Tatbestände und damit den Anwendungsbereich der Umsatzsteuer definieren, sind technologieneutral ausgestaltet. Es kommt somit für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung eines Sachverhaltes in der Regel nicht auf die von Unternehmern beim Verkauf von Waren und beim Erbringen von Dienstleistungen verwendete Technologie an.291 Die grundsätzliche Technologieneutralität des Umsatzsteuerrechts lässt sich auch aus der Rechtsprechung des EuGH ableiten.292 So sind die Begriffe der Mehrwertsteuersystemrichtlinie293 nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt und der geschäftlichen Realität des Sachverhaltes zu beurteilen.294 Die Bedeutung der im österreichischen Steuerrecht grundsätzlich vorherrschenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise wird somit durch die Judikatur des EuGH für das Umsatzsteuerrecht erneut hervorgehoben.295 Das Mehrwertsteuerrecht ist demnach von seinem Grundansatz her technologieneutral.296 Von der Technologieneutralität bestehen jedoch wie nachfolgend noch erläutert wird etliche Ausnahmen. Ein Beispiel für die Technikneutralität der Umsatzsteuer bietet die Besteuerung von Bitcoin. Bitcoin ist eine digitale Währung, welche in einem dezentralen System, der Blockchain, erschaffen und transferiert wird. Es stellt sich dabei die Frage, ob Umsätze, die aus dem Tausch von Bitcoin in gesetzliche Zahlungsmittel erzielt werden, der Umsatzsteuer unterliegen.297 In der Rechtssache Hedqvist298 stellte der EuGH bei seiner umsatzsteuerrechtlichen Analyse von Bitcoin in wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht auf die technologische „Hülle“ der digitalen Währung, sondern auf deren ökonomische Funktion ab. Nach Ansicht des EuGH sind Bitcoin 288

Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 202. Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 309. 290 Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 310. 291 Ehrke-Rabel, in: Kirchmayr et. al. 148. 292 Vgl. dazu im Detail Ehrke-Rabel, in: Hey 373. 293 Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. 11. 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl L 2006/347, 1. 294 Ehrke-Rabel, in: Hey 373. 295 Ehrke-Rabel, in: Hey 373; vgl. auch Ehrke-Rabel, in: Kirchmayr et. al. 153 und die dortige Fn. 29. 296 Ehrke-Rabel, in: Kirchmayr et. al. 153 und die dortige Fn. 29. 297 Ehrke-Rabel, in: Hey 373; Ehrke-Rabel, in: Kirchmayr et. al. 153; vgl. allgemein zu Bitcoin Ehrke-Rabel/Eisenberger/Hödl/Zechner, ALJ 2017,191 ff. 298 EuGH 22. 10. 2015, C-264/14, Hedqvist. 289

C. Flexibilität der Besteuerung und die Technikneutralität des Rechts

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keine Gegenstände i. S. v. Art. 14 Mehrwertsteuersystemrichtlinie und damit kann auch deren Verkauf nicht als Lieferung qualifiziert werden. Dies liegt daran, dass laut dem EuGH die wirtschaftliche Funktion der virtuellen Währung ausschließlich in der Verwendung als Zahlungsmittel liegt. Bitcoin stellen für den EuGH daher ein den gesetzlichen Währungen gleichgestelltes Zahlungsmittel „zwischen denjenigen Wirtschaftsteilnehmern dar, die sie akzeptieren“.299 Somit unterliegen auch Bitcoin der Umsatzsteuerbefreiung von Art. 135 Abs. 1 lit. e MwStSystRL bzw. § 6 Abs. 1 Z. 8 lit. b UStG. Im Zuge einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise können damit auch neuartige Phänomene wie Kryptowährungen durch das technologieneutrale Umsatzsteuerrecht geregelt werden. Dennoch wird die grundsätzliche Technikneutralität der Umsatzsteuer wie bei der Einkommensteuer an verschiedenen Stellen durchbrochen, wofür nachfolgend eine Reihe von Beispielen angeführt werden.300 So war bis 2020 etwa der ermäßigte Steuersatz von 10 % lediglich auf gedruckte Bücher und nicht auch auf E-Books anwendbar.301 Erst mit dem Steuerreformgesetz 2020302 wurden elektronische und physische Bücher hinsichtlich des ermäßigten Steuersatzes gleichgestellt, indem der Tarif von 10 % auch auf „elektronische Publikationen“ ausgedehnt wurde.303 Weiters ist für die Beförderung von Personen mit Luftverkehrsfahrzeugen ein ermäßigter Steuersatz von 13 % vorgeschrieben.304 Zudem wird bei der Bestimmung des Leistungsortes von Dienstleistungen im B2C-Bereich nach Art der vom Unternehmer eingesetzten Technologien unterschieden. So gelten auf elektronischem Weg erbrachte Dienstleistungen als am Sitz des Leistungsempfängers erbracht, während analog erbrachte Dienstleistungen grundsätzlich am Unternehmerort als ausgeführt gelten.305 Technologiespezifische Regelungen gibt es auch im Zusammenhang mit Fahrzeugen verschiedener Art. So sind gewisse Umsätze der See- und Luftfahrt von der Umsatzsteuer echt befreit.306 Auch sind Personenkraftwagen zum großen Teil vom Vorsteuerabzug ausgenommen.307

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EuGH 22. 10. 2015, C-264/14, Hedqvist Rz. 42. Vgl. dazu die Darstellung von Ehrke-Rabel, in: Hey 374 ff. 301 Vgl. dazu im Detail Pernegger, Der ermäßigte Steuersatz für elektronische Publikationen im StRefG 2020, in: Gaedke/Tumpel (Hrsg.), Umsatzsteuer am Puls der Zeit (2020) 58 ff. m. w. N. 302 Steuerreformgesetz 2020, BGBl I 103/2019. 303 Vgl. schon Fn. 301. 304 § 10 Abs. 3 Z. 9 UStG. 305 Ehrke-Rabel, in: Hey 374. 306 § 6 Abs. 1 Z. 2 UStG. 307 § 12 Abs. 2 Z. 2 lit. b UStG. 300

258

Kap. 11: Das Besteuerungsprinzip der Flexibilität

4. Zwischenfazit Die drei „großen“ fiskalen Steuern, die Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer sind grundsätzlich technologieneutral ausgestaltet. Demnach bestätigt sich die unter Kapitel 11 C. V. 5. beschriebene Annahme, dass Steuern mit einem primär fiskalischen Zweck in Österreich tendenziell technologieneutral ausgestaltet sind. Dennoch finden sich auch in der Einkommen- und Umsatzsteuer etliche technologiespezifische Regelungen. Ausnahmen von der Technologieneutralität finden sich bei diesen Steuern insbesondere im Zusammenhang mit PKW. Der Gesetzgeber verfolgt wie nachfolgend bei der Behandlung der KFZ-Steuern und Luftfahrtabgabe noch gezeigt werden wird, mit der Besteuerung des Transportwesens einen ökologischen Lenkungszweck. Demnach ist davon auszugehen, dass derartige technologiespezifische Ausnahmen innerhalb des grundsätzlich technologieneutralen EStG und UStG ebenfalls ein solches nichtfiskales Ziel verfolgen. In den folgenden Abschnitten wird gezeigt werden, dass Steuern, welche einen primären Sozialzweck und keine vordergründig fiskalische Motivation haben, in Österreich regelmäßig technologiespezifisch ausgestaltet sind.

VII. Ausgewählte Beispiele für technologiespezifisches Steuerrecht mit Sozialzweck 1. Transportsteuern und Energiesteuern Nachfolgend wird gezeigt werden, dass in Österreich tendenziell jene Steuern technologiespezifisch sind, welche einen Sozial- bzw. Lenkungszweck verfolgen. Als prominente Beispiele von nicht-technikneutralen Lenkungsabgaben sind in Österreich vor allem die sogenannten Transportsteuern zu nennen. Darunter fallen insbesondere die Flugabgabe, die KFZ-Steuer, die motorbezogene Versicherungssteuer und die Normverbrauchsabgabe. Diese Steuern werden auch zu den Umweltsteuern gezählt.308 Erstes Beispiel ist die in Österreich seit 2011 geltende Flugabgabe.309 Durch diese Abgabe wird nach § 1 FlugAbgG „der Abflug eines Passagiers von einem inländischen Flughafen mit einem motorisierten Luftfahrzeug“ besteuert. Die Flugabgabe besteuert den Schadstoffausstoß des „motorisierten Luftfahrzeuges“ je nach Länge des Fluges zum Zielflugplatz und Anzahl der Passagiere.310 Abgabenschuldner ist der Luftfahrzeughalter. § 3 FlugAbgG regelt diverse Steuerbefreiungen insbesondere für 308 Köppl/Schratzenstaller, Das österreichische Abgabensystem – Status quo, WIFO Monatsberichte, 2015, 88 (2), 109 (120). 309 Flugabgabegesetz, BGBl I 111/2010 i. d. F. BGBl 96/2020. 310 Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 1147.

C. Flexibilität der Besteuerung und die Technikneutralität des Rechts

259

Flüge zu militärischen, medizinischen oder humanitären Zwecken. Die Flugabgabe ist nicht technologieneutral, da sie in ihrer Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 FlugAbgG ganz konkret festlegt, dass als „motorisierte Luftfahrzeuge“ nur Flugzeuge und Drehflügler, für die Mineralöl als Brennstoff eingesetzt wird, gelten. Demnach ist der Anwendungsbereich dieser Abgabe von vorneherein auf einen relativ engen Bereich der Wirklichkeit bzw. des Wirtschaftstreibens eingeschränkt, nämlich auf den privaten und kommerziellen Individualflugverkehr.311 Der Gesetzgeber rechtfertigt die Einführung der Flugabgabe ausdrücklich mit einem umweltpolitischen Lenkungseffekt.312 So soll die Flugabgabe auch nur Flüge betreffen, die sich aufgrund des Verbrauches fossiler Energieträger schädlich auf die Umwelt auswirken.313 Durch die steuerliche Belastung dieser Flüge soll damit auf eine „Bewusstseinsbildung hinsichtlich der ökologischen Kosten“ des Luftverkehrs hingewirkt werden.314 Die Flugabgabe stellt somit eine technologiespezifische Sozial- bzw. Lenkungszwecksteuer dar. Als nächstes zu nennen sind die KFZ-bezogenen Transportsteuern. Darunter fallen die KFZ-Steuer,315 die motorbezogene Versicherungssteuer316 und die Normverbrauchsabgabe317.318 Allgemein gesprochen sollen diese Abgaben den Betrieb von Kraftfahrzeugen in einer Weise steuerlich belasten, dass ein Lenkungseffekt hin zur Förderung von leistungsschwächeren und damit umweltschonenderen Fahrzeugen erreicht wird.319 Diese Steuern werden demnach primär mit umweltschutzpolitischen Motiven und nicht durch einen Fiskalzweck gerechtfertigt. Wie die Flugabgabe sind die KFZ-bezogenen Abgaben konkret auf eine ganz bestimmte technische Erscheinungsform bezogen. Daher handelt es sich auch bei diesen Steuern um technologiespezifische Lenkungszwecksteuern. Im Zusammenhang mit technologiespezifischen Lenkungssteuern können zudem noch die Energiesteuern genannt werden.320 Energiesteuern sind grundsätzlich als Verbrauchsteuern einzuordnen, da durch sie die Lieferung und der Verbrauch von Elektrizität und Treibstoffen besteuert werden.321 Energiesteuern wie die Mineralölsteuer sind von ihrem Effekt her technologiespezifisch, da sich diese Steuern im 311

Varro, Zweifelsfragen der Flugabgabe, RdW 2011, 61 (61 ff.). ErlRV 981 BlgNR 24. GP 7, 103. 313 ErlRV 981 BlgNR 24. GP 109. 314 ErlRV 981 BlgNR 24. GP 7. 315 ErlRV 582 BlgNR 18. GP 8, 11 ff.; ErlRV 24 BlgNR XXV. GP 18; Aigner/Gaedke/ Grabner/Tumpel, Das Auto im Steuerrecht3 (2017) 245 ff. 316 ErlRV 24 BlgNR 25. GP 18. 317 ErlRV 582 BlgNR 18. GP 9; vgl. Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 1112 ff.; Aigner et. al., Das Auto im Steuerrecht3 207 ff. 318 Vgl. dazu im Detail Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 1111 ff. 319 Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 1111b m. w. N.; Luketina, Umweltwirkungsabgaben und deren ökologische Wirksamkeit (Teil 1), ÖStZ 2018, 228 (228 ff.). 320 Summersberger, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 701, 704. 321 Summersberger, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 701. 312

260

Kap. 11: Das Besteuerungsprinzip der Flexibilität

Ergebnis nur auf solche Technologien auswirken, welche die jeweilige Energie auch verarbeiten und nutzen können. Der Mineralölsteuer und zum Teil auch der Elektrizitäts- und Erdgasabgabe wird somit von verschiedener Seite ein gewisser Lenkungseffekt hin zu einer Drosselung des Verbrauchs von umweltschädlichen Treibstoffen zugesprochen.322 Demnach können auch diese technologiespezifischen Steuern potentiell eine Verhaltenslenkung bewirken. Ob sich mit Energiesteuern jedoch tatsächlich effektiv umweltpolitische Ziele erreichen lassen, ist jedoch umstritten.323 Zusammenfassend lässt sich festhalten: Die unter Kapitel 11 C. V. 5. getroffene Annahme, dass mit technologiespezifischen Steuern regelmäßig ein Lenkungszweck verfolgt wird, lässt sich somit in Hinblick auf das österreichische Steuersystem mit etlichen Beispielen belegen. 2. Sonderfall Werbeabgabe und Digitalsteuer: Technologiespezifische Fiskalzwecksteuern? a) Werbeabgabe Eine weitere technikspezifische Steuer ist die Werbeabgabe. Diese Abgabe ist in ihrer bestehenden Form weltweit ein österreichisches Unikum und stellt wie nachfolgend gezeigt wird in mehrerer Hinsicht eine Besonderheit dar.324 Die Werbeabgabe besteuert nach § 1 Abs. 1 WerbeAbG325 „Werbeleistungen, soweit sie im Inland gegen Entgelt erbracht werden“. § 1 Abs. 2 WerbeAbG zählt taxativ auf, dass als Werbeleistungen nur Werbeeinschaltungen in Druckwerken, Hörfunk oder Fernsehen und Plakatwerbung in der Öffentlichkeit gelten. Die Werbeabgabe ist somit klar 322 Keuschnigg, Öffentliche Finanzen (2005) 16; Luketina, ÖStZ 2018, 231; Luketina, Umweltwirkungsabgaben und deren ökologische Wirksamkeit (Teil 2), ÖStZ 2018, 258 (261 f.); Bernhofer/Brait, Die Verteilungswirkungen der Mineralölsteuer in Österreich, WuG 2011, 69 (69 ff.); Adolf, Mineralölsteuer – Stütze unseres Steuersystems oder Auslaufmodell?, Wirtschaftsdienst 2003, 460 (460 ff.); Stahlschmidt, Umweltsteuern und Umweltabgaben in der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland (2003) 47 ff.; Kletzan/Schratzenstaller, Umweltsteuern in Österreich: Theorie des Föderalismus und empirische Ergebnisse, WIFO Monatsberichte 2007, 80 (2), 145 (145 ff.); Summersberger, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II, Rz. 721. 323 Luketina, ÖStZ 2018, 261 f. 324 Schaunig, Die Werbeabgabe im Onlinezeitalter: Zukunftshoffnung oder Auslaufmodell?, taxlex 2017, 348 (348 ff.); Kirchmayr, Werbeabgabe und Digitalisierung, in: Kirchmayr/ Mayr/Hirschler//Ehrke-Rabel/Kofler (Hrsg.), Digitalisierung im Konzernsteuerrecht (2018) 71 ff.; Welbich, Die unendliche Geschichte der Besteuerung von Werbeleistungen und kein Ende in Sicht, VWT 2017, 307 (307 ff.); Vereinigung österreichischer Wirtschaftstreuhänder, 90 Jahre Werbesteuer in Österreich – lernen unsere Politiker immer noch nichts dazu?, VwT 2017, 152 (152 f.); wko.at, Geschichte der Werbeabgabe, https://www.wko.at/branchen/infor mation-consulting/werbung-marktkommunikation/geschichte-der-werbeabgabe.html (abgerufen am 6. 3. 2023). 325 Werbeabgabegesetz 2000, BGBl I 29/2000 i. d. F. BGBl I 91/2019.

C. Flexibilität der Besteuerung und die Technikneutralität des Rechts

261

technologiespezifisch, da ihr Anwendungsbereich explizit auf die in § 1 Abs. 2 WerbeAbG definierten Werbemedien begrenzt ist. Online-Werbung ist von der Werbeabgabe nicht erfasst, da zum Zeitpunkt der Erschaffung des Gesetzes dieser Werbezweig noch keine große Rolle gespielt hatte.326 Die Online-Werbung ist jedoch in den letzten Jahren stark am Wachsen und erzielt stetig hohe Zuwächse, wobei der Online-Werbemarkt von Google und Facebook dominiert wird und etwa zwei Drittel der weltweiten Einnahmen aus Online-Werbung auf diese beiden Unternehmen entfallen.327 Zahlreiche Stimmen in der Wirtschaft und einschlägigen juristischen Fachliteratur fordern daher schon seit geraumer Zeit eine steuerliche Erfassung der Online-Werbung oder gar eine gänzliche Abschaffung der Werbeabgabe.328 Im Jahr 2017 stellte der VfGH in einem Beschluss klar, dass es verfassungskonform ist, wenn der Gesetzgeber OnlineWerbung von der Steuerpflicht des Werbeabgabegesetzes ausnimmt.329 Die Einordnung der Werbeabgabe als entweder Fiskal- oder Sozialzwecksteuer bereitet Schwierigkeiten, da der konkrete Zweck, welchen der Gesetzgeber hinter dieser Abgabe sieht, nicht leicht zu ermitteln ist. So wird die Einführung der Werbeabgabe in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich mit verwaltungsökonomischen und volkswirtschaftlichen Argumenten begründet.330 Demnach soll eine bundeseinheitliche Werbeabgabe zu einer administrativen Erleichterung führen und einen unerwünschten, wirtschaftsstandortschädlichen Steuerwettbewerb unter den Ländern hintanhalten.331 Nimmt man die erläuternden Bemerkungen streng beim Wort, so wird die Werbeabgabe somit vor allem mit außerfiskalischen Lenkungsmotiven für die Wirtschaft der Bundesländer begründet. Andererseits spielten für die Besteuerung von Werbung historisch gesehen immer auch finanzielle Motive zur Deckung des Staatshaushaltes eine dominante Rolle.332 So wurde aufgrund von fiskalischen Erwägungen erstmals im Jahr 1850 im Kaisertum Österreich für alle Kronländer eine Anzeige- und Ankündigungsabgabe verabschiedet, welche Einschaltungen und Werbung in Zeitungen besteuerte.333 Auch in den 1920er Jahren der Ersten Republik wurden die Ankündigungs- und Steckschilderabgaben der Bundesländer primär eingeführt, um dem Finanzbedarf der Gemeinden gerecht zu

326

Kirchmayr, in: Kirchmayr et. al. 76 f. Kirchmayr, in: Kirchmayr et. al. 72 ff. 328 Vgl. etwa werbungwien.at, 5 Fakten zur Werbeabgabe, https://werbungwien.at/2019/ 08/16/5-fakten-zur-werbeabgabe/ (abgerufen am 6. 3. 2023) sowie schon die Literatur unter Fn. 324. 329 VfGH 12. 10. 2017, E 2025/2016. 330 ErlRV 87 BlgNR 21. GP 12, 15, 16. 331 ErlRV 87 BlgNR 21. GP 12, 15, 16. 332 Leithner, Kurzkommentar zur Werbeabgabe (2001) 15 ff., 19 ff. m. w. N. 333 Vgl. im Detail Leithner, Kurzkommentar zur Werbeabgabe 16 m. w. N., 19 ff. 327

262

Kap. 11: Das Besteuerungsprinzip der Flexibilität

werden.334 Bei den historischen Vorgängern der Werbeabgabe standen somit eher fiskalische Motive im Vordergrund.335 Als Nachfolgerin gleicht die Werbeabgabe vor allem in Bezug auf Besteuerungsgegenstand und Bemessungsgrundlage grundsätzlich den vorigen Anzeigeund Ankündigungsabgabegesetzen der einzelnen Bundesländer.336 So ist die Werbeabgabe im Wesentlichen nichts anderes als eine bundesweite Vereinheitlichung des Besteuerungsregimes für (analoge) öffentliche Werbungen.337 Aufgrund der vielen Gemeinsamkeiten ist es daher naheliegend, dass bei der Einführung der Werbeabgabe, wie bei ihren Vorgängern, auch der fiskale Zweck das ausschlaggebende Moment für den Gesetzgeber gewesen ist. Unter Berücksichtigung ihres historischen Kontextes ist der Werbeabgabe deshalb ein primär fiskalischer Zweck zu unterstellen. Die Werbeabgabe ist daher als eine technologiespezifische Fiskalzwecksteuer zu qualifizieren. Diese Steuer stellt demnach eine Ausnahme von der unter Kapitel 11 C. V. 5. angestellten Annahme dar – nämlich, dass Fiskalzwecksteuern in der Regel technikneutral sind – und ist damit auch in dieser Hinsicht eine Besonderheit innerhalb des österreichischen Steuersystems. b) Digitalsteuer Ein weiteres prominentes Beispiel für eine technologiespezifische Abgabe ist in Österreich seit dem 1. 1. 2020 die Digitalsteuer.338 Die Digitalsteuer hat die Besteuerung von Onlinewerbedienstleistungen von großen Technologiekonzernen im Visier und ist eine Reaktion auf die immer weiter fortschreitende Digitalisierung der Wirtschaft.339 Wie schon unter Kapitel 11 C. IV. 2. erläutert, ist ein steuerrechtliches Grundproblem der immer weiter fortschreitenden Digitalisierung, dass grenzüberschreitend tätig werdende Unternehmen mit digitalem Geschäftsmodell in der Regel steuerlich schwerer zu erfassen sind als Unternehmen mit einem traditionellen Bricks-and-Mortar-Geschäftsmodell. Da international die Steuerrechtsordnungen den technischen Entwicklungen hinterherhinken, gelingt es Unternehmen aus der „digital economy“ oftmals durch Steuerplanung und Steuervermeidung, ihre Steuerlast bedeutend zu verringern und sich dadurch gegenüber der klassischen Wirtschaft wesentliche Wettbewerbsvorteile zu sichern.340 Da die OECD und die EU 334

Vgl. im Detail Leithner, Kurzkommentar zur Werbeabgabe 16, 19 ff. m. w. N. Vgl. im Detail Leithner, Kurzkommentar zur Werbeabgabe 16, 19 ff. m. w. N. 336 Leithner, Kurzkommentar zur Werbeabgabe 49, 84 ff. 337 Leithner, Kurzkommentar zur Werbeabgabe 49, 84. 338 Vgl. etwa o. V., Digitalsteuer auf Online-Werbung ab 1. Jänner 2020, MR 2019, 215 (215). 339 Geringer, Der Entwurf für das Digitalsteuergesetz 2020 aus Sicht des EU-Beihilfenrechts, ÖStZ 2019, 393 (393 ff.). 340 Geringer, ÖStZ 2019, 393 ff.; OECD, Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft 11 ff.; Bendlinger, Die Besteuerung der Digital Economy – Eine kritische Würdigung, StAW 2018, 113 (113 ff.). 335

C. Flexibilität der Besteuerung und die Technikneutralität des Rechts

263

bereits jahrelang fruchtlos an einer Lösung dieses Problems arbeiteten, beschloss Österreich in einem „Alleingang“ eine Digitalsteuer einzuführen.341 Gegenstand dieser Digitalsteuer sind Onlinewerbeleistungen, welche im Inland gegen Entgelt von Onlinewerbeleistern erbracht werden.342 Durch das ausdrückliche Abstellen des Steuergegenstands auf „Onlinewerbeleistungen“ ist die Digitalsteuer technologiespezifisch ausgestaltet, da sie analoge Werbeleistungen völlig ausklammert. Als „Onlinewerbeleister“ im Sinne der Digitalsteuer wird ein Unternehmen nur dann qualifiziert, wenn es weltweit und in Österreich 750,– Mio. bzw. 25,– Mio. Euro an Umsätzen überschreitet. Durch die hohen Umsatzgrenzen werden in erster Linie große internationale Technologiekonzerne wie Facebook oder Google erfasst.343 Als Rechtfertigung für die Einführung dieser Steuer führt der österreichische Gesetzgeber an, dass durch die stärkere Erfassung der „digital economy“ mit einem Bezug zu Österreich ein Beitrag zu mehr Steuergerechtigkeit geleistet werden soll.344 Zwischen Werbeabgabe und Digitalsteuer zeigen sich zahlreiche terminologische Parallelen sowie Entsprechungen bei Bemessungsgrundlage, Tarif und Erhebung der Steuer.345 Die Einführung der Digitalsteuer bewirkt, dass nun Werbung mit Inlandsbezug346 der Steuerpflicht unterliegt, gleichgültig ob sie mittels analogen oder digitalen Medien veröffentlicht wird.347 Da dem Gesetzgeber für die Besteuerung von analoger Werbung ein fiskalisches Motiv unterstellt werden kann und er sich bei der Ausgestaltung der Digitalsteuer erkennbar an der Werbeabgabe orientiert hat, ist es nur folgerichtig, wenn auch für die Besteuerung von Online-Werbung ein primär fiskalischer Zweck angenommen wird. Die Angaben in den Gesetzesmaterialien der Digitalsteuer lassen sich mit einem Fiskalmotiv vereinbaren, da in diesem Sinne nun auch in Österreich mittels Internet werbende Technologieunternehmen zum Staatshaushalt beitragen und damit mehr Steuergerechtigkeit erreicht werden soll.348 Wie die Werbeabgabe stellt damit auch die Digitalsteuer eine technologiespezifische Fiskalzwecksteuer dar.

341 Vgl. dazu diepresse.at, Österreichs Digitalsteuer als lästige Anekdote, https://www.die presse.com/5735343/osterreichs-digitalsteuer-als-lastige-anekdote (abgerufen am 6. 3. 2023); Kirchmayr, in: Kirchmayr et. al. 78 f.; Nestler/Riegler, taxlex 2020, 45 ff. 342 Geringer, ÖStZ 2019, 393 ff. m. w. N. 343 Kirchmayr, in: Kirchmayr et. al. 72 ff.; Nestler/Riegler, taxlex 2020, 45. 344 132/ME XXVI. GP – ME 1. 345 Geringer, ÖStZ 2019, 394 m. w. N. 346 Vgl. dazu etwa Mayr, Das neue Digitalsteuergesetz 2020, RdW 2019, 264 (264 ff.). 347 Geringer, ÖStZ 2019, 393 ff. 348 Zur Steuergerechtigkeit der Digitalsteuer kritisch Geringer, ÖStZ 2019, 393 ff.

264

Kap. 11: Das Besteuerungsprinzip der Flexibilität

VIII. Zwischenfazit Nach den Ausführungen und Beispielen der vorangegangenen Abschnitte ergibt sich für die Technikneutralität des Steuerrechts in Österreich folgendes Bild: Die primär von einem Fiskalzweck getragenen Steuern und Fiskalzwecknormen des österreichischen Steuerrechts sind in der Regel technikneutral. Die Technikneutralität von Rechtsnormen korreliert aufgrund ihres weiten Anwendungsbereiches auch mit dem grundsätzlich fiskalischen Wesen und wirtschaftlichen Ausrichtung des Steuerrechts. So sind auch die „großen“ Fiskalzwecksteuern wie die Einkommensteuer, die Umsatzsteuer und die Körperschaftsteuer grundsätzlich technologieneutral ausgestaltet und erfassen damit eine Vielzahl von wirtschaftlichen Sachverhalten. Demgegenüber sind Lenkungszwecknormen bzw. Steuern mit einem zentralen Sozialzweck regelmäßig technologiespezifisch gefasst, da sie jeweils auf einen speziellen, einzelnen Wirtschafts- und Technologiezweig hinwirken möchten. Eine Besonderheit stellen in diesem Zusammenhang die Werbeabgabe und Digitalsteuer dar, da diese aufgrund ihrer steuerhistorischen Wurzeln als technologiespezifische Fiskalsteuern zu qualifizieren sind.

IX. Rechtstheoretische Analyse der Technologieneutralität des Steuerrechts Es stellt sich daher die Frage nach der rechtstheoretischen Einordung der Technologieneutralität des Steuerrechts. Es muss hier unterschieden werden zwischen der Technikneutralität eines Steuergesetzes in seiner Gesamtheit und der Technikneutralität von einzelnen steuerrechtlichen Normen. In den einzelnen Steuergesetzen gibt es keine Norm, die explizit vorschreibt, ob das jeweilige Gesetz als solches technikneutral oder technikspezifisch ist. Ob sich ein konkretes Abgabengesetz grundsätzlich technikneutral oder technikspezifisch gestaltet, ergibt sich vielmehr in der Regel aus jenen positivrechtlichen Normen, die seinen generellen Anwendungsbereich abstecken und damit die zentralen Begriffsdefinitionen der jeweiligen Steuer beinhalten. Dies sind etwa in der Einkommensteuer die Einkünfteparagraphen, in der Umsatzsteuer der Umsatz- bzw. Unternehmerbegriff oder die Definition von Lieferung oder sonstiger Leistung sowie bei der Werbeabgabe die Definition von Werbeleistung. Diese Normen legen mit ihren Formulierungen die grundsätzlich technologieneutrale oder technologiespezifische Ausrichtung einer Steuer fest. Die Frage, ob eine Norm technikneutral ist oder sich auf eine spezifische Technologie bezieht, lässt sich nur mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten. Die binäre Natur derartiger Vorschriften, welche einer Abwägung nicht zugänglich ist, erweist sich als charakteristisch für Rechtsregeln.349 Solche zentrale Begriffsbestimmungen haben demnach eine Alles-oder-Nichts-Natur und damit das 349

Alexy, Theorie der Grundrechte 77 und die dortige Fn. 25.

C. Flexibilität der Besteuerung und die Technikneutralität des Rechts

265

rechtstheoretische Wesen einer Rechtsregel: Entweder wird durch diese Bestimmungen eine gewisse Technologie erfasst oder nicht. Derartige Normen lassen auch keinen Platz für eine „Dimension des Gewichts“ im Sinne eines Rechtsprinzips, denn eine bestimmte Technologie kann nicht mehr oder weniger von einer solchen Vorschrift erfasst sein. So kann etwa das Internet als Technologie nicht nur „ein bisschen“ bzw. zu einem gewissen Grad von den einschlägigen Normen der Werbeabgabe erfasst werden. In diesem Sinne lässt auch der VfGH-Beschluss350 über die Verfassungsmäßigkeit der Werbeabgabe erkennen, dass die technologiespezifischen Vorschriften des § 1 Abs. 2 Z. 1 – Z. 3 WerbeAbg im Sinne einer Rechtsregel entweder nur erfüllt oder nicht erfüllt werden können: Diese Normen verlangen, dass ausschließlich analoge Werbung besteuert wird; OnlineWerbung ist von diesem Paragraphen schlicht nicht erfasst, weshalb es auch keine Abwägung darüber gibt, ob digitale Werbung nicht doch unter die bestehenden Steuertatbestände der Werbeabgabe zu subsumieren ist. Auch können die Einkünfte aus Spekulationsgeschäften des § 31 EStG nicht nur zu einem bestimmten Ausmaß technikneutral sein – der Verkauf von im Privatvermögen gehaltenen NFTs kann nicht nur „ein wenig“ unter § 31 EStG fallen. Normen, welche die technikneutrale Ausrichtung eines Steuergesetzes bestimmen, haben in dieser Hinsicht somit die rechtstheoretische Natur von Rechtsregeln. Wendet man den Blick von den einzelnen Normen auf ein Abgabengesetz als Ganzes, kann dieses jedoch sehr wohl mehr oder weniger technikneutral bzw. technikspezifisch ausgestaltet sein. So gibt es auch im EStG und UStG eine Reihe von Ausnahmen von der grundsätzlichen Technikneutralität dieser Gesetze; je mehr Durchbrechungen es gibt, desto weniger technikneutral wird das Gesetz. Die Entscheidung darüber, ob ein Abgabengesetz als solches eher technologieneutral oder -spezifisch ausgestaltet sein soll, ist eine politische Entscheidung und daher als „policy“ im Sinne von Dworkin anzusehen. Somit lässt sich zusammenfassend festhalten: Jene einzelnen Normen, aus welchen sich konkret ergibt, ob ein Steuergesetz grundsätzlich technologieneutral oder technologiespezifisch ausgerichtet ist, haben die rechtstheoretische Natur von Rechtsregeln. Ob sich ein Steuergesetz als Ganzes mehr oder weniger technologieneutral darstellt, ist dagegen eine Policy-Entscheidung des Gesetzgebers.

X. Fazit zur Flexibilität und Technikneutralität Das OECD-Prinzip der Flexibilität beinhaltet die Vorgabe, dass das Steuerrecht auch mit neuen Technologien „Schritt halten“ muss, um seinem fiskalen Zweck gerecht zu werden. Eine weit verbreitete Regelungsmethode, um neuartige Technologien zu erfassen, sind technologieneutrale Rechtsnormen, welche auf den Zustand „hinter“ der Technik abstellen. Der weite Anwendungsbereich von techno350

VfGH 12. 10. 2017, E 2025/2016.

266

Kap. 11: Das Besteuerungsprinzip der Flexibilität

logieneutralen Vorschriften korreliert mit dem fiskalen Zweck des Steuerrechts. Die grundsätzliche Technologieneutralität von Steuern lässt sich durch ihren fiskalen Zweck und ihre wirtschaftliche Anknüpfung erklären. Daher sind Fiskalzwecksteuern in Österreich in der Regel technologieneutral ausgestaltet, wohingegen Sozialzwecksteuern oft technologiespezifisch gehalten sind, da sie aufgrund eines nichtfiskalen politischen Auftrages auf bestimmte Technologien hinwirken sollen. Aus rechtstheoretischer Sicht stellen Normen, welche die technologieneutrale oder -spezifische Ausrichtung eines Steuergesetzes festlegen wegen ihrer Alles-oderNichts-Natur Rechtsregeln dar.

D. Ergebnis Die zwei Aspekte des OECD-Besteuerungsprinzips der Flexibilität finden sich beide in der österreichischen Rechtsordnung wieder. Zum einen ist die passive Flexibilität in Form des progressiven Einkommensteuertarifs ein Bestandteil des Rechtsprinzips der Leistungsfähigkeit. Zum anderen ist die Vorgabe eines technikneutralen Steuerrechts in Österreich auch grundsätzlich von den drei „großen“ Fiskalzwecksteuern realisiert.

Kapitel 12

Das Besteuerungsprinzip der Neutralität A. Das OECD-Besteuerungsprinzip der Neutralität und seine zwei Aspekte Das OECD-Besteuerungsprinzip der Neutralität lautet wörtlich:1 „Die steuerliche Behandlung verschiedener Formen der Geschäftstätigkeit sollte neutral und gerecht sein. Eine neutrale Steuer fördert die Effizienz, indem sie eine optimale Allokation der Produktionsmittel gewährleistet. Zu einer Verzerrung mit den damit einhergehenden Wohlfahrtsverlusten kommt es, wenn Preisänderungen zu Veränderungen von Angebot und Nachfrage führen, die anders geartet sind als die Veränderungen, die ohne Besteuerung eingetreten wären. So gesehen bedeutet Neutralität auch, dass sich das Steuersystem bei der Erhebung von Einnahmen so wenig wie möglich zu Gunsten oder zu Lasten bestimmter wirtschaftlicher Entscheidungen auswirkt. Daraus ergibt sich, dass für alle Arten von Geschäftstätigkeiten die gleichen Besteuerungsprinzipien gelten sollten, wobei es zugleich gilt, Besonderheiten Rechnung zu tragen, die andernfalls die gerechte und neutrale Anwendung dieser Prinzipien beeinträchtigen könnten.“ Der Inhalt dieses OECD-Prinzips lässt sich in zwei Bereiche aufspalten: Der erste Aspekt betrifft die Anordnung, dass für alle Arten von Geschäftstätigkeiten grundsätzlich die gleichen Besteuerungsprinzipien gelten sollen. Diese Maxime überschneidet sich inhaltlich mit der unter Kapitel 11 C. behandelten Flexibilität der Besteuerung. Denn die Forderung nach gleichen Prinzipien für alle Geschäftsbereiche impliziert ein grundsätzlich technikneutrales Steuersystem, welches auch den „Besonderheiten“ gewisser Besteuerungsbereiche durch technikspezifische Regelungen Rechnung trägt. Bezüglich dieses Aspektes ist damit auf die Ausführungen unter Kapitel 11 C. zu verweisen. Der zweite Aspekt fordert eine neutrale Steuer, um eine optimale Allokation der Produktionsmittel zu erreichen, wobei sich die Besteuerung so wenig wie möglich auf wirtschaftliche Entscheidungen auswirken soll. Dieser Aspekt betrifft damit das finanzwissenschaftliche Neutralitätsverständnis und wird nachfolgend behandelt.

1

OECD, Herausforderungen für die Besteuerungen der digitalen Wirtschaft 32.

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Kap. 12: Das Besteuerungsprinzip der Neutralität

B. Neutralität der Besteuerung in den Wirtschaftsund Rechtswissenschaften I. Neutralität der Besteuerung als finanzwissenschaftliche und betriebswirtschaftliche Kategorien Mit ihrer Forderung nach einem Optimum an Allokation der Produktionsmittel begibt sich die OECD abermals auf das Gebiet der Finanzwissenschaften. So wird das Prinzip der Neutralität der Besteuerung in der Literatur auch allgemein als Gebot der „Nichtbeeinflussung der wettbewerblich geregelten Ressourcenallokation“ verstanden – das Steuersystem soll demnach nicht diskriminierend in den Wettbewerb eingreifen.2 Hintergrund dieser finanzpolitischen Forderung ist die Annahme, dass eine Besteuerung, welche nicht auf ökonomischen Aktivitäten basiert, wirtschaftliche Entscheidungen stört und verzerrt.3 Dieser Umstand belastet die Steuerpflichtigen, lukriert für die Finanzverwaltung jedoch keine zusätzlichen Steuererträge. Demnach hat das Neutralitätsprinzip den Zweck, diese Mehrbelastung zu minimieren.4 Nach Elschen/Hüchtebrock steht das Prinzip der Besteuerungsneutralität auch im Zusammenhang mit dem liberalen Staatsgedanken, welcher von einem funktionierenden Wettbewerb ausgeht und in dem Interventionen mittels steuerlicher Maßnahmen als finanzpolitisch eher hinderlich angesehen werden.5 Auch nach Neumark bedeutet „steuerliche Wettbewerbsneutralität“, dass sich die Steuerpolitik grundsätzlich aller Eingriffe enthält, „die den Konkurrenzmechanismus des Marktes beeinträchtigen […].“6 Die Neutralität der Besteuerung wird in der finanzwissenschaftlichen Literatur häufig in Verbindung mit der Einkommensentstehung, der sogenannten Faktorallokation thematisiert.7 Die Allokation der Ressourcen erfolgt in einer Marktwirtschaft grundsätzlich durch den Wettbewerb.8 Die Finanzwissenschaft fordert demnach eine „Wettbewerbsneutralität der Besteuerung“, die insbesondere folgende Aspekte betrifft:9

2

Vgl. die instruktive Darstellung von Heinrich, Die Steuerneutralität von Beteiligungen, Habilitationsschrift (2003) 228 ff.; Neumark, Grundsätze 261 ff.; Andel, Finanzwissenschaft4 298; Elschen/Hüchtebrock, Steuerneutralität in Finanzwissenschaft und Betriebswirtschaftslehre – Diskrepanzen und Konsequenzen, FA 1983, 253 (253 ff.). 3 Musgrave/Musgrave/Kullmer, Die öffentlichen Finanzen in Theorie und Praxis5 II 92; Elschen/Hüchtebrock, FA 1983, 253 ff. 4 Musgrave/Musgrave/Kullmer, Die öffentlichen Finanzen in Theorie und Praxis5 II, 92; Neumark, Grundsätze 261. 5 Elschen/Hüchtebrock, FA 1983, 254. 6 Neumark, Grundsätze 266. 7 Elschen/Hüchtebrock, FA 1983, 257 m. w. N. 8 Elschen/Hüchtebrock, FA 1983, 257. 9 Vgl. im Detail die Darstellung in Elschen/Hüchtebrock, FA 1983, 257 ff.

B. Neutralität der Besteuerung in den Wirtschafts- und Rechtswissenschaften

269

- die Rechtsformneutralität der Besteuerung unterschiedlicher Formen unternehmerischer Tätigkeit, - die Betriebsgrößenneutralität, - die Branchenneutralität, - die Neutralität der Besteuerung gegenüber kapital- und arbeitsintensiven Unternehmen und - die Standortneutralität. Dieses OECD-Besteuerungsprinzip ist jedoch auch vom betriebswirtschaftlichen Neutralitätsverständnis beeinflusst.10 Die OECD fordert nämlich weiter, dass sich die Besteuerung „so wenig wie möglich zu Gunsten oder zu Lasten bestimmter wirtschaftlicher Entscheidungen auswirkt“. Mit dieser Formulierung wird auf die Frage abgestellt, inwiefern die Besteuerung einen Einfluss auf Entscheidungen von steuerpflichtigen Wirtschaftssubjekten nimmt – in diesem Fall befindet sich die OECD im Sinne von Elschen/Hüchtebrock auf dem Terrain der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre.11 Laut dem einschlägigen Schrifttum nimmt die betriebswirtschaftliche Steuerlehre in Neutralitätsfragen eine einzelwirtschaftliche Position ein, wohingegen die Finanzwissenschaft die Neutralität als Allokationseffizienz aus einer gesamtwirtschaftlichen Perspektive versteht.12 Nach Kanduth-Kristen bedeutet Neutralität für die Betriebswirtschaft, dass Besteuerung keinen Einfluss auf einzelunternehmerische Entscheidungen hat.13 Diese „Entscheidungsneutralität“ liegt laut Heinrich dann vor, wenn „die Rangordnung unternehmerischer Handlungen durch die Erhebung einer Steuer nicht beeinflusst wird“.14 Zu betonen ist, dass die Neutralität der Besteuerung in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur durchwegs als eine regulative Idee gilt, die in der Realität nie 10 Zum betriebswirtschaftlichen und finanzwissenschaftlichen Neutralitätsverständnis vgl. ausführlich Elschen/Hüchtebrock, FA 1983, 253 ff. 11 Elschen/Hüchtebrock, FA 1983, 253 ff.; vgl. auch Heinrich, Die Steuerneutralität von Beteiligungen, 231 m. w. N.; Kanduth-Kristen, Rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung 9 m. w. N. 12 Zu beachten ist jedoch, dass sowohl betriebswirtschaftliche Steuerlehre als auch Finanzwissenschaft bei der Neutralität der Besteuerung im Kern jene Zusatzlasten der Besteuerung („deadweight loss“) im Auge haben, welche durch die Substitutionseffekte steuerbedingter Veränderungen der relativen Preise – also der Attraktivität zwischen Alternativen in etwa Konsum, Produktion oder Standortwahl – bedingt werden, wobei Allokationsänderungen durch Einkommenseffekte herausgerechnet werden müssten (für diesen Input danke ich meinem Zweitbetreuer Univ.-Prof. Dr. Richard Sturn sehr herzlich); vgl. zum Verhältnis von betriebswirtschaftlichem und finanzwissenschaftlichem Neutralitätsverständnis auch Kanduth-Kristen, Rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung 9; Elschen/Hüchtebrock, FA 1983, 253; Fuest, Taugt Neutralität als Leitlinie der Steuerpolitik?, in: Kahle/Overesch/Ruf/ Spengel (Hrsg.), Kernfragen der Unternehmensbesteuerung (2017) 31. 13 Kanduth-Kristen, Rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung 9; Elschen/Hüchtebrock, FA 1983, 253 ff. 14 Heinrich, Die Steuerneutralität von Beteiligungen 232.

270

Kap. 12: Das Besteuerungsprinzip der Neutralität

vollständig umzusetzen ist.15 So wird das Erheben von verzerrenden Steuern als unvermeidlich angesehen, da nur eine Pauschalsteuer allokationsneutral wäre.16 Eine Kopf-Pauschalsteuer wird aber aus Gerechtigkeitsgründen meist abgelehnt, während eine persönlich (nach Gerechtigkeitskriterien bzw. Leistungsfähigkeit) differenzierte Pauschalsteuer am Informationsbedarf scheitern dürfte.17 Darüber hinaus sind die allokativen Vorteile von Pauschalsteuern nur bei Annahme eines (ohne die Steuer) gänzlich unverzerrten Preissystems ohne weitere Bedingungen zu erwarten – diese Annahme ist jedoch unrealistisch.18 Dennoch gilt die Steuerneutralität in den Wirtschaftswissenschaften als eine relevante steuerpolitische Leitlinie, um insbesondere eine Senkung der Zusatzlasten der Besteuerung zu erreichen.19 Das OECD-Besteuerungsprinzip der Neutralität ist somit sowohl vom finanzwissenschaftlichen als auch vom betriebswirtschaftlichen Verständnis einer neutralen Besteuerung geprägt. Nachfolgend wird die steuerrechtswissenschaftliche Perspektive auf die neutrale Besteuerung erläutert.

II. Neutralität der Besteuerung aus Sicht der Steuerrechtswissenschaft Der Gedanke der steuerlichen Neutralität ist ursprünglich kein rechtswissenschaftlicher Maßstab, sondern im politischen und wirtschaftlichen Liberalismus des späten 18. Jahrhunderts verwurzelt.20 Gemäß Joachim Lang beinhaltet die Freiheitsidee der französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte auch die 15 Für den Input zu diesem Absatz danke ich meinem Zweitbetreuer Univ.-Prof. Dr. Richard Sturn sehr herzlich; vgl. auch Neumark, Grundsätze 261 ff.; Musgrave/Musgrave/Kullmer, Die öffentlichen Finanzen in Theorie und Praxis5 II 92; Fuest, in: Kahle et. al. 29 ff.; Wagner, Was ist eigentlich aus der Entscheidungsneutralität der Besteuerung geworden?, in: Kahle/Overesch/Ruf/Spengel (Hrsg.), Kernfragen der Unternehmensbesteuerung (2017) 11 ff.; Heinrich, Die Steuerneutralität von Beteiligungen 233. 16 Vgl. dazu schon die Nachweise unter der vorigen Fn.; vgl. auch Daepp/Schaltegger, Moderne Steuersysteme: Grundfragen und Reformvorschläge (2004) 2 f. (Eidgenössische Steuerverwaltung); Dölker, Die Besteuerung von Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht (2012) 29 ff. 17 Vgl. dazu schon die Nachweise unter der Fn. 15; vgl. auch Homburg, Allgemeine Steuerlehre (2015) 93 ff.; Dölker, Die Besteuerung von Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht 30 f. und die dortigen zahlreichen Nachweise; Daepp/Schaltegger, Moderne Steuersysteme: Grundfragen und Reformvorschläge 2 f. 18 Vgl. dazu schon die Nachweise unter der Fn. 15; vgl. auch Daepp/Schaltegger, Moderne Steuersysteme: Grundfragen und Reformvorschläge 2 f.; Homburg, Allgemeine Steuerlehre 93 ff.; vgl. auch die Nachweise unter Kapitel 12 D. III. 1. a). 19 Vgl. statt vieler Fuest, in: Kahle et. al. 39; Wagner, in: Kahle et. al. 25; Musgrave/Musgrave/Kullmer, Die öffentlichen Finanzen in Theorie und Praxis5 II 92. 20 Heinrich, Die Steuerneutralität von Beteiligungen 232 f.; Joachim Lang, Reform der Unternehmensbesteuerung auf dem Weg zum europäischen Binnenmarkt und zur deutschen Einheit, StuW 1990, 107 (111, 115 ff.).

B. Neutralität der Besteuerung in den Wirtschafts- und Rechtswissenschaften

271

Sicherung der ökonomischen Handlungsfreiheit und die Forderung, den Wirtschaftsprozess möglichst nicht zu beeinflussen.21 Demnach manifestiert sich das Gebot der ökonomischen Handlungsfreiheit daher auch in der Forderung nach einer den Markt nicht verzerrenden Besteuerung.22 Diese steuerlichen Neutralitätsaspekte wurden historisch auch mit Gleichheitsgedanken23 verknüpft.24 In Verbindung mit der Gleichheitsidee bedeutet eine neutrale Besteuerung im Kern, dass Wirtschaftssubjekte, die in gleicher wirtschaftlicher Lage und Konkurrenz zueinander stehen, steuerlich gleich zu belasten sind.25 Das Zusammenspiel von Gleichheitspostulaten und Neutralitätsidee wird unter Kapitel 12 D. noch erläutert. Für die Steuerrechtswissenschaft sind besonders zwei Ausprägungen der Neutralität der Besteuerung von Bedeutung: die Wettbewerbsneutralität und die Rechtsformneutralität.26 Unter Wettbewerbsneutralität wird in juristischen Kreisen die gleiche Besteuerung aller am Markt teilnehmenden Wettbewerber verstanden, wohingegen Rechtsformneutralität die gleiche Besteuerung aller Unternehmensformen bedeutet.27 Für die Entwicklung und Bedeutung der Wettbewerbsneutralität für die Steuerrechtswissenschaften zieht Heinrich eine Parallele zum Leistungsfähigkeitsprinzip.28 Denn beide Besteuerungsmaximen sind finanzwissenschaftlich geprägt und wurden von der Steuerrechtswissenschaft übernommen.29 Gemäß Hidien beinhaltet die Wettbewerbsneutralität der Besteuerung allgemein formuliert, die Forderung der Wirtschaftswissenschaften an den Steuergesetzgeber, wirtschaftliche Prozesse nicht durch das Steuerrecht zu beeinflussen.30 Als Sinnbild einer neutralen und allokationseffizienten Steuer wird in der Literatur regelmäßig die pauschale Kopfsteuer genannt.31 Eine solche Steuer wird jedoch heute allgemein aus Gerechtigkeitsüberlegungen abgelehnt.32 Nach Tipke besteht steuerliche Wettbewerbsneutralität, 21

Lang, StuW 1990,115 ff.; Heinrich, Die Steuerneutralität von Beteiligungen 232. Lang, StuW 1990,115. 23 Lang, StuW 1990,115. 24 Lang, StuW 1990,115; Hidien, in: Hidien/Jürgens (Hrsg.), Die Besteuerung der öffentlichen Hand (2017) § 2 Rz. 336; vgl. auch Theile, Wettbewerbsneutralität der harmonisierten Umsatzsteuer (1995) 176 ff. 25 Theile, Wettbewerbsneutralität der harmonisierten Umsatzsteuer 178 m. w. N. 26 Lang, StuW 1990,115. 27 Lang, StuW 1990,115; vgl. dazu auch Heinrich, Die Steuerneutralität von Beteiligungen 233. 28 Heinrich, Die Steuerneutralität von Beteiligungen 233 ff. 29 Heinrich, Die Steuerneutralität von Beteiligungen 233. 30 Hidien, in: Hidien/Jürgens § 2 Rz. 333. 31 Wittkowski, Grenzüberschreitende Verlustverrechnung in Deutschland und Europa (2008) 14; Neumark, Grundsätze 270; Heinrich, Die Steuerneutralität von Beteiligungen 233. 32 Vgl. etwa Schön, Steuergesetzgebung zwischen Markt und Grundgesetz, in: Mellinghoff/Morgenthaler/Puhl (Hrsg.), Die Erneuerung des Verfassungsstaates (2003) 156 ff.; Heinrich, Die Steuerneutralität von Beteiligungen 233. 22

272

Kap. 12: Das Besteuerungsprinzip der Neutralität

wenn die Wirtschaftsteilnehmer von der Steuer so belastet werden, dass ihre Marktposition davon unberührt bleibt.33 Eine wettbewerbsneutrale Besteuerung liegt damit im Sinne von Kanduth-Kristen vor, wenn die Unternehmer sowie die am Markt feilgebotenen Güter und Dienstleistungen steuerlich gleich belastet werden, sodass sich die Preise in „einer Welt ohne Besteuerung nicht ändern“.34 Steuerliche Wettbewerbsneutralität beinhaltet demnach grundsätzlich das Verbot, die Marktposition konkurrierender Unternehmen, welche sich in einer gleichen wirtschaftlichen Situation befinden, zu beeinflussen.35 Die Besteuerung soll somit nicht in den Marktmechanismus eingreifen und einzelnen Wettbewerbsteilnehmern durch Steuerbefreiungen Vorteile verschaffen oder gewisse Marktteilnehmer im Vergleich zu anderen steuerlich überbelasten. Im Rahmen der Besteuerung von Unternehmen wird als Maßstab für eine vergleichbare wirtschaftliche Situation in der Regel der nach ökonomischen Kriterien ermittelte Gewinn angesehen.36 Stehen Wirtschaftsteilnehmer jedoch nicht in Konkurrenz zueinander, so existiert auch kein Wettbewerb, der durch Steuern verzerrt werden könnte.37 Steuerliche Rechtsformneutralität liegt vor, wenn die Besteuerung keinen Einfluss auf die Wahl der Rechtsform von Unternehmungen hat.38 Die Rechtsformneutralität fordert somit, dass wirtschaftliche Betätigungen der gleichen Steuerlast unterliegen, unabhängig davon, in welcher Rechtsform diese Betätigung ausgeübt wird.39 Einzelne Rechtsformen wie Kapitalgesellschaften, Personengesellschaften oder Einzelunternehmen sollen durch die Besteuerung somit weder begünstigt noch benachteiligt werden – im Kern verlangt die Rechtsformneutralität somit grundsätzlich die gleiche Besteuerung aller Formen des unternehmerischen Tätigwerdens.40 In diesem Sinne soll die Wahl der rechtlichen Ausgestaltung der unternehmerischen Rechtsform nicht aufgrund steuerrechtlichen Überlegungen, sondern ausschließlich anhand der ökonomischen Zweckmäßigkeit getroffen werden.41 Zu beachten ist jedoch, dass unterschiedliche Rechtsformen unterschiedliche wirtschaftliche Fakten schaffen und dies somit eine Differenzierung in Hinblick auf die Besteuerung rechtfertigen kann.42

33

Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II (1993) 1032. Kanduth-Kristen, Rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung 15 m. w. N. 35 Kanduth-Kristen, Rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung 15. 36 Kanduth-Kristen, Rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung 15 m. w. N. 37 Kanduth-Kristen, Rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung 15. 38 Kanduth-Kristen, Rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung 16. 39 Lang, StuW 1990, 115. 40 Lang, StuW 1990, 115. 41 Kanduth-Kristen, Rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung 12. 42 Lang, StuW 1990, 115; vgl. auch Heinrich, Die Rechtsformneutralität der Besteuerung – rechtspolitisches Ziel oder rechtliches Gebot?, in: FS Ruppe (2007) 205 ff. 34

B. Neutralität der Besteuerung in den Wirtschafts- und Rechtswissenschaften

273

Die Begriffe der Wettbewerbs- und Rechtsformneutralität hängen ideengeschichtlich und konzeptionell eng zusammen.43 Das Postulat der Wettbewerbsneutralität wird im Schrifttum in der Regel mit der Forderung der Rechtsformneutralität verknüpft, weswegen die Rechtsformneutralität als ein Teilaspekt der Wettbewerbsneutralität angesehen wird.44 Eine Verletzung der Rechtsformneutralität führt nach Kanduth-Kristen zu einem Verstoß gegen die wettbewerbsneutrale Besteuerung, wenn eine steuerrechtliche Differenzierung von Unternehmen anhand ihrer Rechtsform „deren Marktposition beeinflusst“.45 Der Gedanke der Rechtsformneutralität wohnt somit der Wettbewerbsneutralität inne. Trotz der engen Verbindung dieser beiden Termini, sind Rechtsformneutralität und Wettbewerbsneutralität keine Synonyme.46 Der Begriff der Wettbewerbsneutralität ist nämlich weiter als der der Rechtsformneutralität.47 Eine rechtsformneutrale Steuer kann demnach trotzdem wettbewerbsverzerrend wirken.48 So wäre nach Hey etwa eine progressive Besteuerung sämtlicher Unternehmen anhand der persönlichen Einkommensverhältnisse der an ihnen beteiligten Personen rechtsformneutral, aber nicht wettbewerbsneutral.49 Der Neutralitätsgedanke der OECD findet sich also in der Steuerrechtswissenschaft in der Wettbewerbsneutralität und der Rechtsformneutralität wieder. Nachfolgend wird untersucht, inwieweit sich die Aspekte der Wettbewerbsneutralität und der Rechtsformneutralität im österreichischen Steuerrecht verorten lassen. Zuvor ist es jedoch notwendig, auch zentrale unionsrechtliche Vorgaben für die Neutralität der Besteuerung zu behandeln.

43 Lang, StuW 1990, 110 f., 115; Heinrich, Die Steuerneutralität von Beteiligungen 227 ff.; Kanduth-Kristen, Rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung 15 ff.; Heinrich, in: FS Ruppe 205 ff.; Heinrich, Die Steuerneutralität von Beteiligungen 227 ff. 44 Hey, Besteuerung von Unternehmensgewinnen und Rechtsformneutralität, in: Ebling (Hrsg.), Besteuerung von Einkommen (2001) 157 m. w. N. (Veröffentlichung der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft); Rau, Verfassungsdirigierte Prinzipien für das Unternehmenssteuerrecht (2007) 169; Wittkowski, Grenzüberschreitende Verlustverrechnung in Deutschland und Europa 16; Kanduth-Kristen, Rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung 15 m. w. N.; Elschen/Hüchtebrock, FA 1983, 257. 45 Kanduth-Kristen, Rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung 16. 46 Elschen/Hüchtebrock, FA 1983, 257; Hey, in: Ebling 158. 47 Kanduth-Kristen, Rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung 16. 48 Hey, in: Ebling 158 f. 49 Hey, in: Ebling 158 m. w. N.

274

Kap. 12: Das Besteuerungsprinzip der Neutralität

C. Unionsrechtliche Vorgaben für die Neutralität der Besteuerung I. Vorbemerkung Die Neutralität der Besteuerung spielt nicht nur im rein innerstaatlichen österreichischen Recht eine Rolle, sondern beruht vor allem in der harmonisierten Mehrwertsteuer auch auf unionsrechtlichen Vorgaben. Daher wird nachfolgend zuerst der unionsrechtliche Hintergrund einer neutralen Besteuerung behandelt.

II. Wettbewerbsneutrale Besteuerung als ein zentrales Ziel der Europäischen Union Bereits mit der Schaffung eines gemeinsamen Marktes durch den EWG-Vertrag 1957 entstand für die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (EG) die Notwendigkeit, Hindernisse, welche den freien Waren- und Dienstleistungsaustausch im Binnenmarkt behinderten, abzubauen.50 Dabei soll ein gemeinsamer Markt aus ökonomischer Sicht sicherstellen, dass eine optimale Allokation der Produktionsfaktoren verwirklicht ist.51 Auch nach der Ratifikation des Vertrages von Lissabon, wodurch die Europäische Union (EU) offiziell an die Stelle der Europäischen Gemeinschaft trat, ist die Verwirklichung und Erhaltung des europäischen Binnenmarktes nach wie vor eines der zentralsten Ziele der europäischen Staatengemeinschaft.52 Durch den Binnenmarkt soll erreicht werden, dass zwischen den Mitgliedstaaten keine marktrelevanten Diskriminierungen und Schranken mehr bestehen sowie ein freier und unverfälschter Wettbewerb bestehen kann.53 Nach Schaumburg sind daher EUV (Vertrag über die Europäische Union) und AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union), als zwei der wichtigsten Quellen des europäischen Primärrechts darauf ausgerichtet, den freien Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital sicherzustellen, um eine „Wettbewerbsneutralität zu gewährleisten“.54 Zu den wichtigsten unionsrechtlichen Instrumenten für eine Verwirklichung des wettbewerbsneutralen Binnenmarktes zählen die Harmonisierung der nationalen Steuerrechtssysteme, die Einschränkung der Steuerhoheit der Mitgliedstaaten durch

50

Ruppe/Achatz, Umsatzsteuergesetz: Kommentar5 (2017) Einf. Rz. 7; Tumpel, Mehrwertsteuer im innergemeinschaftlichen Warenverkehr (1997) 31. 51 Tumpel, Mehrwertsteuer im innergemeinschaftlichen Warenverkehr 31 m. w. N. 52 Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 4 Rz. 4.2. 53 Schaumburg, in: Schaumburg/Englisch (Hrsg.), Europäisches Steuerrecht2 (2020) Rz. 1.4; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 4 Rz. 4.2 m. w. N. 54 Schaumburg, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht2 Rz. 1.4.

C. Unionsrechtliche Vorgaben für die Neutralität der Besteuerung

275

die EU-Grundfreiheiten und das Beihilfeverbot.55 Das unionsrechtliche Beihilfeverbot untersagt generell eine wettbewerbsverzerrende staatliche Unterstützung von bestimmten Wirtschaftszweigen und Unternehmen. Dabei kann eine verbotene staatliche Beihilfe auch aus einer durch einen Mitgliedstaat gewährten Steuervergünstigung oder einer bevorzugten Behandlung im Steuervollzug bestehen.56 Ziel des Beihilfeverbotes ist es, den Binnenmarkt vor Wettbewerbsverfälschungen zu schützen.57 Darüber hinaus wird der nationale Gesetzgeber noch durch die unionsrechtlichen Grundfreiheiten, welche insbesondere eine dem gemeinsamen Markt schadende Besteuerung verhindern sollen, eingeschränkt.58 Grundfreiheiten wie die Warenverkehrsfreiheit, die Arbeitnehmerfreizügigkeit, die Niederlassungsfreiheit, die Dienstleistungsfreiheit und die Kapitalverkehrsfreiheit haben daher ebenfalls zum Ziel, den Wettbewerb im Binnenmarkt zu schützen.59 Sowohl das Beihilfeverbot als auch die Grundfreiheiten sind daher ebenso vom Gedanken der wettbewerbsneutralen Besteuerung geprägt.60 Bezüglich des Instruments der Angleichung von nationalen Steuerrechtssystemen ist aufgrund unterschiedlicher Kompetenzen der EU zwischen direkten und indirekten Steuern zu differenzieren.61 Bei den direkten Steuern, also insbesondere für Einkommen- und Körperschaftsteuer, fehlt es der Union weitgehend an einer Gesetzgebungskompetenz für eine Rechtsangleichung.62 Die Sicherstellung der Wettbewerbsneutralität im Binnenmarkt wird im Bereich der direkten Steuern daher vor allem durch die Grundfreiheiten, das Beihilfeverbot und bestimmte Sekundärrechtsakte wie die Mutter-Tochter-Richtlinie bewirkt.63 Bei den indirekten Steuern hingegen kommt der EU gemäß Art. 113 AEUV eine umfassende Rechtsangleichungskompetenz zu.64 Um „das Funktionieren des Binnenmarktes und die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen“ sicherzustellen, fordert Art. 113 AEUV daher die Harmonisierung von Verbrauchsteuern und von der in diesem Zusammenhang relevantesten Steuer, der Umsatz- bzw. Mehrwertsteu-

55

Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 4 Rz. 4.2. Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht2 Rz. 9.1 f., 9.4. 57 Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht2 Rz. 9.2. 58 Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 4 Rz. 4.2; Schaumburg, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht2 Rz. 1.2. 59 Schaumburg, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht2 Rz. 1.2. 60 Vgl. etwa Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 4 Rz. 4.2, 4.10; Schaumburg, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht2 Rz. 1.2, 1.4, 9.1 ff. 61 Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 4 Rz. 4.66 ff.; Schaumburg, in: Schaumburg/ Englisch, Europäisches Steuerrecht2 Rz. 1.17 ff. 62 Schaumburg, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht2 Rz. 1.18 ff. 63 Schaumburg, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht2 Rz. 1.18 ff.; Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht2 Rz. 9.1. ff. 64 Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 4 Rz. 4.68 ff.; Schaumburg, in: Schaumburg/ Englisch, Europäisches Steuerrecht2 Rz. 1.10; Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 309. 56

276

Kap. 12: Das Besteuerungsprinzip der Neutralität

er65.66 Dieser „Harmonisierungsauftrag“ wird primär durch EU-Richtlinien sowie EU-Verordnungen durchgeführt.67 So beruht aufgrund der primärrechtlichen Vorgabe von Art. 113 AEUV die Umsatzsteuer in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union – und somit auch in Österreich – auf dem System der europäischen Mehrwertsteuerrichtlinie68 und ist damit insoweit harmonisiert.69 Der konkrete Zweck dieser Rechtsangleichung der Umsatzsteuersysteme der Mitgliedstaaten liegt in der Verwirklichung eines unverfälschten Binnenmarktes und der Beseitigung von Unterschieden zwischen inländischen und europäischen Umsätzen, welche sich verzerrend auf den Wettbewerb auswirken.70 Somit sollen im unionsrechtlichen Mehrwertsteuersystem gleichartige Waren und Dienstleistungen in den jeweiligen Mitgliedstaaten unabhängig vom Ausmaß des Produktions- und Vertriebswegs der gleichen Steuerbelastung unterliegen.71 In diesem Sinne stellt also das unionsrechtliche Ziel der Wettbewerbsneutralität eine Rechtfertigung für die Harmonisierung der Umsatzsteuersysteme innerhalb des Binnenmarktes dar.72 Wegen der nur beschränkten Rechtsangleichungskompetenz der EU bei den direkten Steuern besteht in diesem Bereich keine vergleichbar vollständige Harmonisierung der Steuergesetze wie bei der Umsatzsteuer.73 So wird in den folgenden Darstellungen der unionsrechtlichen Ausprägung der Neutralität daher auch der Fokus auf die Mehrwertsteuer gelegt, da diese Abgabe auch die bedeutendste uni-

65 Umsatz- und Mehrwertsteuer werden im Folgenden als Synonyme verwendet; zum Wesen der Umsatzsteuer vgl. Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 200 ff.; vgl. dazu auch Kapitel 13 A. 66 Ruppe/Achatz, UStG5 Einf. Rz. 7; Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 309; Tumpel, Mehrwertsteuer im innergemeinschaftlichen Warenverkehr 166; vgl. dazu auch schon die Nachweise unter Fn. 58. 67 Schaumburg, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht2 Rz. 1.10; EhrkeRabel, elements Steuerrecht4 309. 68 RL 2006/112/EG. 69 Ruppe/Achatz, UStG5 Einf. Rz. 18; Schaumburg, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht2 Rz. 1.15 f.; Dobratz, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht2 Rz. 19.1 m. w. N. 70 Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht, Dissertationsschrift (2019) 9 f. m. w. N.; Schaumburg, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht2 Rz. 1.10; Sutter/Gurtner, in: Jaeger/Stöger, EUV/AEUV Kommentar Art. 113 AEUV Rz. 23 ff. (Stand 1. 10. 2018, rdb.at); Zirkl, Die Neutralität der Umsatzsteuer als europäisches Besteuerungsprinzip (2015) 20; Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 309. 71 Erwägungsgrund 7 RL 2006/112/EG. 72 Für den Input zu diesem Themenkreis danke ich meiner Erstbetreuerin Univ.-Prof. Dr. Tina Ehrke-Rabel sehr herzlich; vgl. auch Zirkl, Die Neutralität der Umsatzsteuer als europäisches Besteuerungsprinzip 20; Schaumburg, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht2 Rz. 1.4, 1.10; Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 9 f. m. w. N.; Tumpel, Mehrwertsteuer im innergemeinschaftlichen Warenverkehr 166; vgl. zur umsatzsteuerlichen Neutralität auch den folgenden Abschnitt. 73 Schaumburg, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht2 Rz. 1.18 f.

C. Unionsrechtliche Vorgaben für die Neutralität der Besteuerung

277

onsrechtlich vereinheitliche Steuer ist.74 In Bezug auf die Mehrwertsteuer bestehen mittlerweile aufgrund von EuGH-Judikatur und Aufarbeitungen in der Literatur detaillierte unionsrechtliche Vorgaben hinsichtlich einer Neutralität der Besteuerung. Der nachfolgende Abschnitt widmet sich dieser Thematik.

III. Der unionsrechtliche Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer Das unionsrechtliche Mehrwertsteuerrecht ist durch eine Reihe von „allgemeinen Rechtsgrundsätzen“ geprägt.75 Im Schrifttum wird dabei auch von „Zielsetzungen und Charakter“,76 „Grundprinzipien“77 sowie „Kennzeichen und systembildende[n] Prinzipien“78 der Umsatzsteuer gesprochen.79 Diesen Begriffen ist gemein, dass sie zum Ziel haben, aus dem Mehrwertsteuerrecht übergeordnete „Wertungen“ abzuleiten, damit die einschlägigen Rechtsnormen im Einklang mit dem Ziel und Zweck des europäischen Mehrwertsteuersystems ausgelegt werden können.80 Einer dieser Grundsätze wird nachfolgend genauer erläutert werden: der unionsrechtliche Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer. Der Neutralitätsgrundsatz gilt als „Fundamentalprinzip“81 des unionsrechtlichen Mehrwertsteuerrechts und findet seinen Niederschlag bereits in der ersten Mehrwertsteuerrichtlinie82 aus dem Jahr 1967.83 Die steuerliche Neutralität wurde vom EuGH in seiner Rechtsprechung fortentwickelt und ausdifferenziert, sodass er mittlerweile einen allgemeinen Auslegungsgrundsatz84 darstellt und vom Gerichtshof regelmäßig zur Lösung von umsatzsteuerlichen Sachverhalten herange-

74 Vgl. etwa Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 309; Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 202 ff. 75 Dobratz, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht2 Rz. 19.15 ff.; Berger/ Toifl/Wakounig, Mehrwertsteuersystemrichtlinie Praxiskommentar2 (2018) 30 ff.; Ruppe/ Achatz, UStG5 Einf. Rz. 30 ff. 76 Tumpel, Mehrwertsteuer im innergemeinschaftlichen Warenverkehr 161. 77 Tumpel, Mehrwertsteuer im innergemeinschaftlichen Warenverkehr 161. 78 Ruppe/Achatz, UStG5 Einf. Rz. 30. 79 Vgl. dazu Berger/Toifl/Wakounig, MwStSystRL2 30 m. w. N.; vgl. auch Schlussanträge von GA Kokott, 8. 6. 2017, C-246/16, Enzo Di Maura, Rz. 40. 80 Ruppe/Achatz, UStG5 Einf. Rz. 30; Berger/Toifl/Wakounig, MwStSystRL2 30 ff. 81 Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 4 Rz. 4.23. 82 RL 67/227 EWG vom 11. 4. 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer, ABl 1967/71, 1301. 83 Tumpel, Mehrwertsteuer im innergemeinschaftlichen Warenverkehr 166 ff.; Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 15. 84 EuGH 13. 3. 2014, C-204/113, Malburg, Rz. 43; 19. 7. 2012, C-44/11, Deutsche Bank, Rz. 45; 9.3. 2017, C-573/15, Oxycure Belgium SA, Rz. 32.

278

Kap. 12: Das Besteuerungsprinzip der Neutralität

zogen wird.85 Im Wesentlichen lassen sich zwei zentrale Aspekte des Neutralitätsgrundsatzes der unionsrechtlich harmonisierten Umsatzsteuer unterscheiden, welche nachfolgend erörtert werden.86 Einerseits ist die Neutralität der Umsatzsteuer als eine Belastungsneutralität innerhalb der Unternehmerkette zu verstehen.87 In diesem Sinne soll der steuerpflichtige Unternehmer von der Umsatzsteuer entlastet werden, welche im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldet oder entrichtet wird.88 Diese Neutralität in Bezug auf die steuerliche Belastung wird im unionsrechtlichen Mehrwertsteuersystem primär durch das Rechtsinstitut des Vorsteuerabzuges sichergestellt.89 In seiner Rechtsprechung betont der EuGH den Sofortabzug der Umsatzsteuer, wonach der Vorsteuerabzug für die Steuerbelastung der vorausgehenden Umsatzstufen in zeitlicher Hinsicht ohne Verzögerung ausgeübt werden kann.90 Zudem soll der Vorsteuerabzug auch in quantitativer Hinsicht eine vollständige Entlastung von der aufgrund der wirtschaftlichen Tätigkeiten angefallenen Umsatzsteuer bewirken.91 Auf den Punkt gebracht wird die steuerliche Belastungsneutralität innerhalb des unionsrechtlichen Mehrwertsteuersystems in Bezug auf alle wirtschaftlichen Tätigkeiten, sofern diese Tätigkeiten selbst der Erzielung von steuerpflichtigen Umsätzen unterliegen, im Wesentlichen durch das Recht auf Vorsteuerabzug verwirk-

85 Dobratz, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht2 Rz. 19.16 ff.; Kokott, Das Steuerrecht der Europäischen Union (2018) § 3 Rz. 21 ff. 86 Die nachfolgende Darstellung basiert insbesondere auf den instruktiven Ausführungen von Kokott, Das Steuerrecht der Europäischen Union § 3 Rz. 21 ff.; Dobratz, in: Schaumburg/ Englisch, Europäisches Steuerrecht2 Rz. 19.16 ff.; Zirkl, Die Neutralität der Umsatzsteuer als europäisches Besteuerungsprinzip 61 ff.; Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 15 ff.; vgl. auch Schlussanträge von GA Kokott, 8. 6. 2017, C-246/16, Enzo Di Maura, Rz. 41, 42 und die dortigen Nachweise. 87 EuGH 14. 2. 1985, 268/83, Rompelmann, Rz. 19; 28. 7. 2016, C-3332/15, Astone, Rz. 29; Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 15 f.; Dobratz, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht2 Rz. 19.19; vgl. auch die Nachweise unter der folgenden Fn. 88 EuGH 13. 3. 2008, C-437/06, Securenta, Rz. 25; 1. 4. 2004, C-90/02, Bockemühl, Rz. 39; 13. 3. 2014, C-204/13, Malburg, Rz. 41; 21. 4. 2005, C-25/03, HE, Rz. 57; 15. 12. 2005, C-63/ 04, Centralan Property, Rz. 51; 9. 7. 2015, C-183/14, Radu Florin Salomie und Nicolae Vasile Oltean, Rz. 57; Schlussanträge von GA Kokott, 15. 12. 2005, C-63/04, Centralan Property, Rz. 25; Schlussanträge von GA Kokott, 8. 6. 2017, C-246/16, Enzo Di Maura, Rz. 42; Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 15 ff. 89 EuGH 15. 12. 2005, C-63/04, Centralan Property, Rz. 51; 6. 7. 2006, C-439/04 und C-440/04, Alex Kittel und Recolta Recycling, Rz. 48; 28. 7. 2016, C-332/15, Astone, Rz. 29; Kokott, Das Steuerrecht der Europäischen Union § 8 Rz. 493. 90 EuGH 6. 12. 2012, C-285/11, Bonik, Rz. 26 m. w. N.; 8. 5. 2013, C-271/12, Petroma u. a., Rz. 22; 22. 6. 2016, C-267/15, Gemeente Woerden, Rz. 31. 91 EuGH 6. 2. 2014, C-424/12, Fatorie, Rz. 31; 11. 12. 2014, C-590/13, Idexx Laboratories Italia, Rz. 32; Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 15 m. w. N.

C. Unionsrechtliche Vorgaben für die Neutralität der Besteuerung

279

licht.92 Unternehmerische Investitionen werden daher grundsätzlich nicht mit einer Umsatzsteuerbelastung belegt.93 Andererseits wird die Neutralität der Umsatzsteuer in Literatur und Rechtsprechung des EuGH auch als eine Wettbewerbsneutralität im Sinne einer Wettbewerbsgleichheit hinsichtlich vergleichbarer Umsätze verstanden.94 Diese Facette der Neutralität bedeutet somit, dass gleichartige und infolgedessen miteinander im Wettbewerb stehende Waren und Dienstleistungen hinsichtlich der Umsatzsteuer nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen; solche Waren und Dienstleistungen sind daher mit einem einheitlichen Steuersatz zu belegen.95 Darüber hinaus untersagt es dieser Aspekt der umsatzsteuerlichen Neutralität auch, Wirtschaftsteilnehmer, welche gleichartige Umsätze ausführen, umsatzsteuerlich unterschiedlich zu behandeln.96 Somit ist es auch verboten, die Besteuerung von der Rechtsform des Unternehmers abhängig zu machen.97 Vielmehr muss es für die Unternehmer möglich sein, das Organisationsmodell auszuwählen, welches ihnen aus wirtschaftlicher Sicht am besten zusagt, ohne Gefahr zu laufen, dass ihre Umsätze von Steuerbefreiungen ausgeschlossen werden.98 Damit ist unionsrechtlich auch eine Rechtsformneutralität der Umsatzsteuer gewährleistet.99 Im Wesentlichen gebietet die als Wettbewerbsgleichheit verstandene Neutralität für das unionsrechtliche Mehrwertsteuersystem daher eine gleiche Besteuerung von gleichen Umsätzen sowie eine gleiche Besteuerung von Steuerpflichtigen, die vergleichbare Umsätze 92 Vgl. etwa EuGH 21. 3. 2000, C-110/98 bis C-147/98, Gabalfrisa u. a., Rz. 44; Kokott, Das Steuerrecht der Europäischen Union § 8 Rz. 493 ff.; Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 15. 93 Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 16 m. w. N. 94 EuGH 10. 4. 2008, C-309/06, Marks & Spencer, Rz. 49 ff.; 31. 1. 2013, C-643/11, LVK, Rz. 55; 19. 7. 2012, C-33/11, A Oy, Rz. 32; Kokott, Das Steuerrecht der Europäischen Union § 3 Rz. 29 ff.; Dobratz, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht2 Rz. 19.17. 95 EuGH 23. 10. 2003, C-109/02, Kommission/Deutschland, Rz. 20; 26. 5. 2005, C-498/03, Kingscrest, Rz. 41; 10. 4. 2008, C-309/06, Marks & Spencer, Rz. 49 ff.; 31. 1. 2013, C-643/11, LVK, Rz. 55; 19. 7. 2012, C-33/11, A Oy, Rz. 32; Kokott, Das Steuerrecht der Europäischen Union § 3 Rz. 29 ff.; Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 17 m. w. N. 96 EuGH 22. 2. 2002, C-404/799, Kommission/Frankreich, Rz. 45 ff.; 7. 4. 2016, C-546/14, Degano Trasporti, Rz. 21; Kokott, Das Steuerrecht der Europäischen Union § 3 Rz. 27. 97 EuGH 2. 6. 2016, C-263/15, Lajver, Rz. 24; 12. 1. 2006, C-246/04, Turn- und Sportunion Waldburg, Rz. 34; 26. 6. 2007, C-284/04, T-Mobile Austria, Rz. 38; 29. 3. 2001, C-404/99, Kommission/Frankreich, Rz. 45; 4. 12. 1999, C-186/89, Van Tiem, Rz. 18; Berger/Toifl/Wakounig, MwStSystRL2 37 m. w. N.; Ruppe/Achatz, UStG5 Einf. Rz. 47; Spies/Zolles, VwGH als Hüter der EU-Grundrechte: Istbesteuerung in § 17 Abs. 1 UStG gleichheitswidrig, SWI 2018, 231 (235); Stadie, in: Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz (171. Lfg., 2017) Einf. Rz. 604 m. w. N. 98 EuGH 3. 4. 2008, C-124/07, Beheer, Rz. 28; vgl. auch Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG Einf. Rz. 604 m. w. N. 99 Vgl. etwa EuGH 7. 9. 1999, C-216/97, Gregg, Rz. 20 sowie Dobratz, in: Schaumburg/ Englisch, Europäisches Steuerrecht2 Rz. 19.17.

280

Kap. 12: Das Besteuerungsprinzip der Neutralität

tätigen.100 Diese Bedeutungsvariante der umsatzsteuerlichen Neutralität ist ein Ausdruck des in Art. 20 GRC festgehaltenen unionsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes.101 Neutralitäts- und Gleichbehandlungsgrundsatz sind jedoch nicht identisch.102 So ergibt sich auch aus der Rechtsprechung des EuGH, dass die steuerliche Neutralität als solche keinen primärrechtlichen Rang innehat, sondern vielmehr die Rolle einer Auslegungsmaxime für die Umsatzsteuer einnimmt.103 Nach Behandlung der unionsrechtlichen Vorgaben, widmet sich der nächste Abschnitt der Frage, inwieweit sich das Postulat der neutralen Besteuerung im österreichischen Recht niederschlägt.

D. Besteuerungsneutralität in Österreich I. Die Wettbewerbsneutralität der Besteuerung 1. Vorbemerkung Sucht man im österreichischen Steuerrecht nach einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage für die Wettbewerbsneutralität, wird man nicht fündig. Die rechtswissenschaftliche Literatur, welche sich detailliert mit der Analyse der Rechtsgrundlage und des rechtlich-normativen Gehalts der Wettbewerbsneutralität beschäftigt, ist in Österreich überschaubar.104 Trotzdem ist das Ideal der Wettbewerbsneutralität dem österreichischen Steuersystem nicht fremd.105 Im Folgenden wird die österreichische Ausprägung der Wettbewerbsneutralität der Besteuerung zuerst hinsichtlich der 100

Dobratz, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht2 Rz. 19.17; Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 17 m. w. N. 101 EuGH 29. 10. 2009, C-174/08, NCC Construction Danmark, Rz. 41; 10. 6. 2010, C-262/ 08, CopyGene, Rz. 64; 19. 12. 2012, C-549/11, Ofrey Balgaria, Rz. 34 ff.; 19. 12. 2018, C-51/ 18, Kommission/Österreich, Rz. 55; Dobratz, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht2 Rz. 19.17; Kokott, Das Steuerrecht der Europäischen Union § 3 Rz. 27 ff.; Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 17. 102 Vgl. dazu im Detail Kokott, Das Steuerrecht der Europäischen Union § 3 Rz. 29 ff.; Dobratz, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht2 Rz. 19.17. 103 EuGH 13. 3. 2014, C-204/113, Malburg, Rz. 43; 19. 7. 2012, C-44/11, Deutsche Bank, Rz. 45; 9.3. 2017, C-573/15, Oxycure Belgium SA, Rz. 32; 17. 3. 2017, C-40/15, Aspiro SA, Rz. 31; 2. 7. 2015, C-334/14, Nathalie De Fruytier, Rz. 37; 13. 4. 2014, C-366/12, Klinikum Dortmund, Rz. 40; vgl. auch Droege, Zur Besteuerung der öffentlichen Hand (2018) 116; Spies/Zolles, SWI 2018, 235 m. w. N.; Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht2 Rz. 12.23; Dobratz, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht2 Rz. 19.17; Kokott, Das Steuerrecht der Europäischen Union § 3 Rz. 23, 37; Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 17. 104 Vgl. dazu etwa Heinrich, Die Steuerneutralität von Beteiligungen 232 ff.; KanduthKristen, Rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung 16 ff.; vgl. auch Heinrich, in: FS Ruppe 205 ff. 105 Heinrich, Die Steuerneutralität von Beteiligungen 233.

D. Besteuerungsneutralität in Österreich

281

Umsatzsteuer und in einem zweiten Schritt bezüglich der direkten Steuern erörtert. Es wird mit dem Themenkreis der Umsatzsteuer begonnen, da der VfGH hierbei bereits in den 1980er Jahren ausdrücklich von einem „Grundsatz der Wettbewerbsneutralität“ gesprochen hat.106 In einem dritten Schritt werden die bis dahin erlangten Erkenntnisse der Wettbewerbsneutralität für Österreich in einer Zusammenschau dargestellt. 2. Wettbewerbsneutralität der Umsatzsteuer Der VfGH hat sich in den 1980er Jahren in zwei Erkenntnissen zur Wettbewerbsneutralität im Zusammenhang mit dem Umsatzsteuerrecht geäußert.107 Das Höchstgericht qualifizierte in VfSlg 10.043/1984 eine unechte Umsatzsteuerbefreiung als dem Gleichheitssatz widersprechend, da diese vollkommen undifferenziert und zum Nachteil des Steuerpflichtigen den Verlust des Vorsteuerabzuges bewirkte. Der VfGH nahm dabei auf die damals einschlägigen Gesetzesmaterialen zum UStG 1972 Bezug und erläuterte, dass es das Ziel des UStG ist, „auch in Österreich auf ein Umsatzsteuersystem überzugehen, das sich weder auf den innerstaatlichen, noch auf den zwischenstaatlichen Wettbewerb nachteilig auswirkt…“. Der VfGH führte weiter aus, dass „dieser sich schon aus dem Gleichheitssatz ergebende Grundsatz durch die Normierung einer unechten Umsatzsteuerbefreiung, die mit dem Verlust hoher Vorsteuern verbunden ist, in sein Gegenteil verkehrt wird“. In VfSlg 10.405/1985 griff der VfGH diese Argumentation wiederum in Verbindung mit einer wettbewerbsverzerrenden Umsatzsteuerbefreiung in § 6 Abs. 1 Z. 9 lit. a UStG 1972108 auf und sprach von einem „Grundsatz der Wettbewerbsneutralität“,109 welcher sich „schon aus dem Gleichheitssatz“110 ergibt. Nach Pöschl sieht somit der VfGH die Wettbewerbsneutralität der Besteuerung als einen „Ausfluss“ des Gleichheitssatzes an.111 Pöschl leitet zudem aus dieser VfGH Judikatur auch ein „Prima-facie-Recht“ von Unternehmern ab, „nicht durch eine unechte Umsatzsteuerbefreiung einem Wettbewerbsnachteil ausgesetzt zu werden“.112 Fraglich ist, ob aus dieser Rechtsprechung geschlossen werden kann, dass der Gleichheitssatz des Art. 7 B-VG als unmittelbare Rechtsgrundlage der Wettbewerbsneutralität der Besteuerung angesehen werden kann. Die vom VfGH gewählte Formulierung, „[…] der – schon aus dem Gleichheitssatz erfließende – Grundsatz der 106

Vgl. dazu sogleich im folgenden Abschnitt. VfSlg 10.043/1984; 10.405/1985; vgl. dazu die Ausführungen von Pöschl, Gleichheit vor dem Gesetz 299 f., 607 f. 108 Umsatzsteuergesetz 1972, BGBl 223/1972. 109 Hervorhebung durch den Verfasser. 110 Hervorhebung durch den Verfasser. 111 Pöschl, Gleichheit vor dem Gesetz 608. 112 Pöschl, Gleichheit vor dem Gesetz 299. 107

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Kap. 12: Das Besteuerungsprinzip der Neutralität

Wettbewerbsneutralität“, legt dies zumindest nahe.113 Denn, wenn das Postulat der Wettbewerbsneutralität aus dem Gleichheitssatz „fließt“, dann muss der Gleichheitssatz auch folgerichtigerweise als rechtliche „Quelle“ der Wettbewerbsneutralität angesehen werden. Pöschl tendiert offenbar ebenfalls in diese Richtung, da unter Verweis auf VfSlg 10.043/1984 erläutert wird, dass sich das oben erwähnte „Prima-facie-Recht“ nicht etwa aus „einem einfachgesetzlich114 aufgestellten ,Grundsatz‘“ speist, sondern vielmehr aus dem „[…] – schon aus dem Gleichheitssatz erfließenden – Grundsatz der Wettbewerbsneutralität“.115 Auch laut Ruppe/Achatz versteht der VfGH in dieser Judikatur die Wettbewerbsneutralität als ein verfassungsrechtlich bedeutendes „Leitprinzip“, dessen Verletzung gleichheitsrechtliche Bedenken auslöst.116 Ähnlich äußern sich auch Berger/Toifl/Wakounig, wenn festgestellt wird, dass der „Neutralitätsgrundsatz“ der Umsatzsteuer seine verfassungsrechtliche Gewährleistung bereits vor117 dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union im Gleichheitssatz fand.118 Anhand der bisherigen Ausführungen kann Folgendes festgehalten werden: In Österreich wird die Wettbewerbsneutralität der harmonisierten Mehrwertsteuer im Sinne von VfGH und Schrifttum insbesondere119 durch den Gleichheitssatz des B-VG abgesichert. Diese Bestimmung hat dabei auch schon vor dem EU-Beitritt Österreichs auf die Wettbewerbsneutralität der Umsatzsteuer120 hingewirkt. Die Verbindung, welche VfGH und Literatur zwischen Gleichheitssatz und Wettbewerbsneutralität sehen, findet sich jedoch nicht nur im Zusammenhang mit der harmonisierten Umsatzsteuer, sondern auch bei den direkten Steuern wieder. 3. Wettbewerbsneutralität von direkten Steuern Die bisher rezipierte Literatur und Judikatur zur Wettbewerbsneutralität bezog sich auf die Umsatzsteuer, also auf eine indirekte Steuer. Die nachfolgenden Ausführungen widmen sich nunmehr Literatur und Rechtsprechung, welche die steuerliche Wettbewerbsneutralität auch vor dem Hintergrund der direkten Steuern behandelt.

113

VfSlg 10.405/1985. Hervorhebung im Original. 115 Pöschl, Gleichheit vor dem Gesetz 300 m. w. N. 116 Ruppe/Achatz, UStG5 Einf. Rz. 47. 117 Hervorhebung durch den Verfasser. 118 Berger/Toifl/Wakounig, MwStSystRL2 38 m. w. N. 119 Davon abgesehen dienen selbstredend auch einfachgesetzliche Vorschriften des UStG der Wettbewerbsneutralität der Umsatzsteuer. 120 Dabei handelte es sich um das Umsatzsteuergesetz 1972, BGBl 223/1972. 114

D. Besteuerungsneutralität in Österreich

283

Die Wettbewerbsneutralität der Besteuerung wird von unterschiedlichen Autoren als eine „Ausprägung“ des Gleichheitssatzes verstanden.121 Für die Kommentarliteratur leitet sich der „Grundsatz der Wettbewerbsneutralität“ vor dem Hintergrund der Körperschaftsteuer aus dem Gleichheitssatz ab.122 Achatz/Mang/Lindinger halten in Zusammenhang mit der Besteuerung von Körperschaften öffentlichen Rechts explizit fest, dass die Wettbewerbsneutralität eine „Konkretisierung“ des Gleichheitssatzes darstellt.123 Schließlich qualifiziert auch Kanduth-Kristen die Wettbewerbsneutralität der Besteuerung als einen „im Gleichheitssatz verankerte[n] Grundsatz“.124 Zentral ist in diesem Zusammenhang eine Rechtsprechungslinie des VfGH zu Steuer- und Gebührenbefreiungen der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), in welcher der Gerichtshof nach Rezeption des Schrifttums „dem Grundsatz der Wettbewerbsneutralität der Besteuerung als einer Ausprägung des Gleichheitssatzes […] auch bei den Ertragsteuern zum Durchbruch verholfen“ hat.125 In VfSlg 14.805/ 1997 beschäftigte den VfGH die Frage, ob eine umfassende Befreiung der ÖBB von der Kommunalsteuer126 rechtskonform ist.127 Das Tätigkeitsfeld der ÖBB umfasst im Wesentlichen zwei Unternehmensbereiche: den „Absatz“, welcher insbesondere Personen- und Güterbeförderung auf der Schiene umfasst, sowie den Bereich „Eisenbahninfrastrukturleistungen“. Die Kosten aus dem Unternehmensbereich „Eisenbahninfrastruktur“ trägt von Gesetz nach § 2 Abs. 2 BundesBahnG 1992128 der Bund. Dagegen haben die ÖBB die Aufwendungen aus dem „Absatz“ durch eigene Einnahmen zu decken. Für den VfGH war eine Steuerbefreiung für den Bereich der „Eisenbahninfrastruktur“ unbedenklich, er qualifizierte jedoch eine Befreiung für den „Absatz“ als unzulässig. Nach dem VfGH darf eine steuerliche Begünstigung des Bereiches der „Infrastruktur“ jedoch nicht „zur Quersubventionierung des Unter121 Holoubek/Michael Lang, Rechtsprechungsübersicht – Verfassungsgerichtshof, ecolex 2001, 874 (874); Schmidtmann, Hinzurechnungsbesteuerung bei internationalen Umstrukturierungen (2007) 67; Heinrich, Die Steuerneutralität von Beteiligungen 233; vgl. auch Ruppe, Die steuerliche Doppelbelastung der Körperschaftsteuergewinne (1967) 156 f. 122 Achatz, in: Achatz/Kirchmayr, Körperschaftsteuergesetz Kommentar (2015) § 2 Rz. 5 mit Verweis auf VfSlg 14.805/1997, Rz. 12; vgl. auch Achatz, Der Betrieb gewerblicher Art zwischen Wettbewerbswidrigkeit und Wettbewerbsneutralität, in: FS Doralt (2007) 2. 123 Achatz/Mang/Lindinger, Besteuerung der Körperschaften öffentlichen Rechts3 (2014) Rz. 2. 124 Kanduth-Kristen, Rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung 17 m. w. N. 125 Vgl. dazu etwa Holoubek/Lang, ecolex 2001, 874; Achatz, in: Achatz/Kirchmayr, KStG § 2 Rz. 5; Heinrich, Die Steuerneutralität von Beteiligungen 234. 126 Die Kommunalsteuer wird zwar von Holoubek/Lang als indirekte Steuer qualifiziert, dennoch gelten die Ausführungen in VfSlg 14.805/1997 laut VfGH auch für die direkte Körperschaftsteuer, weshalb diese Judikatur auch unter diesem Abschnitt behandelt wird, VfSlg 16.223/2001; Holoubek/Lang, ecolex 2001, 874. 127 Vgl. zu dieser Thematik Heinrich, Die Steuerneutralität von Beteiligungen 234; Holoubek/Lang, ecolex 2001, 874. 128 Bundesbahngesetz 1992, BGBl 825/1992.

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Kap. 12: Das Besteuerungsprinzip der Neutralität

nehmensbereiches ,Absatz‘ führen“. Zur Versagung der steuerlichen Begünstigung des Bereiches „Absatz“ bemerkte das Höchstgericht, dass das öffentliche Interesse an der Erbringung der Personen- und Güterbeförderungsleistungen der ÖBB „qualitativ nicht anders zu beurteilen [ist], als das öffentliche Interesse am reibungslosen Funktionieren der Erbringung anderer wesentlicher Verkehrsleistungen“. Nach Meinung des VfGH wird dies besonders deutlich, wenn die Leistungen der ÖBB mit den Verkehrsdienstleistungen von privaten Busunternehmern oder Privatbahnen verglichen werden. Laut VfGH ist keine Rechtfertigung dafür zu finden, dass private Unternehmen, welche ebenfalls im öffentlichen Interesse liegende Verkehrsdienstleistungen erbringen, der Kommunalsteuerpflicht unterliegen sollen, die ÖBB aber von dieser Steuer befreit werden. Das Kernargument des VfGH für die Versagung der Steuerbefreiung ist somit, dass die ÖBB im Unternehmensbereich „Absatz“ in gleicher Weise wie private Unternehmen im öffentlichen Interesse liegende Verkehrsdienstleistungen erbringen. Deshalb ist auch eine einseitige steuerliche Begünstigung der Bundesbahnen im Gegensatz zur Privatwirtschaft sachlich nicht gerechtfertigt. Demnach erkannte der VfGH die umfassende Kommunalsteuerbefreiung für die ÖBB als dem Gleichheitssatz widersprechend und somit als verfassungswidrig. Genau diese Argumentation behielt das Höchstgericht auch bei den Folgeerkenntnissen zur Befreiung der ÖBB von den Fremdenverkehrsabgaben, den Rechtsgeschäftsgebühren und der Körperschaftsteuer bei.129 Aus dieser VfGH-Judikatur ergibt sich, dass es gleichheitswidrig ist, wenn eine Steuer einen Wettbewerber, der in einem bestimmten Wirtschaftsbereich mit anderen Marktteilnehmern in Konkurrenz steht, ohne sachliche Rechtfertigung benachteiligt.130 Damit beinhaltet der Gleichheitssatz auch die Anordnung, dass die Chancengleichheit der Marktteilnehmer im Wettbewerb nicht durch eine unsachlich ausgestaltete Besteuerung eingeschränkt werden darf – die Besteuerung muss also grundsätzlich wettbewerbsneutral sein.131 Der Gleichheitssatz beinhaltet somit die Forderung, dass Wirtschaftsteilnehmer unter den gleichen steuerrechtlichen Bedingungen am Wettbewerb teilnehmen können – damit wird also eine gewisse Chancengleichheit am Markt gewährleistet.132 In diesem Sinne hält auch der VwGH fest, dass der Zweck der Besteuerung von Betrieben gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts darin besteht, solche Betriebe „im Sinne einer Wettbewerbsneutralität“ steuerlich den gleichen Marktbedingungen zu unterwerfen wie privaten Unternehmen.133

129

VfSlg 15.267/1998; 15.271/1998; 16.223/2001. Holoubek/Lang, ecolex 2001, 874; Heinrich, Die Steuerneutralität von Beteiligungen 233 f.; vgl. auch Isensee, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts3 V § 118 Rz. 214 m. w. N.; Schön, in: Mellinghoff/Morgenthaler/Puhl 155. 131 Vgl. dazu auch Storr, Der Staat als Unternehmer (2001) 367. 132 Isensee, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts3 V § 118 Rz. 217. 133 VwGH 22. 12. 2011, 2010/15/0192. 130

D. Besteuerungsneutralität in Österreich

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Demnach lässt sich feststellen, dass die Wettbewerbsneutralität der Besteuerung auch in Bezug auf die direkten Steuern durch den Gleichheitssatz gewährleistet wird. Nachfolgend werden die Erkenntnisse der Kapitel 12 D. I. 2. und 3. kombiniert und ein Gesamtbild der Wettbewerbsneutralität der Besteuerung gezeichnet. 4. Wettbewerbsneutralität der Besteuerung als Konkretisierung des Gleichheitssatzes Aus der in den Kapiteln 12 D. I. 2. und 3. erörterten VfGH-Judikatur und Literatur ergibt sich, dass die Wettbewerbsneutralität der Besteuerung sowohl bei den direkten als auch indirekten Steuern durch den Gleichheitssatz sichergestellt wird. Es wird dabei davon ausgegangen, dass im Gleichheitssatz ein „Grundsatz der Wettbewerbsneutralität“ verankert ist.134 Konkret bedeutet dies eine gleichheitsrechtliche Anordnung, die Chancengleichheit der Marktteilnehmer nicht durch eine undifferenzierte Besteuerung zu beeinflussen. In anderen Worten fordert die Wettbewerbsneutralität, dass Unternehmer, welche in vergleichbaren Situationen sind, auch unter den gleichen steuerrechtlichen Bedingungen am Wettbewerb teilnehmen.135 Marktteilnehmer dürfen in diesem Sinne also nicht willkürlich steuerlich begünstigt oder benachteilt werden. Die Wettbewerbsneutralität wird im Schrifttum auch ausdrücklich als eine „Konkretisierung“ des Gleichheitssatzes bezeichnet.136 Dieser Sichtweise ist zuzustimmen und erklärt sich aus der bereits mehrfach erörterten Rolle des Gleichheitssatzes als Blankettnorm, welche durch exogene „Gerechtigkeitsmaßstäbe“137 gefüllt werden muss.138 Ursprünglich stammt der Maßstab der Besteuerungsneutralität nämlich nicht aus der Rechtswissenschaft, sondern aus der finanzwissenschaftlichen Steuerprinzipienlehre und dem ökonomischen Liberalismus.139 Dieser Wert wurde im Gleichheitssatz aufgenommen und so verfassungsrechtlich verankert.140 Wie unter Kapitel 12 D. I. 2. und 3. gezeigt wurde, nutzt die Judikatur diesen Maßstab zur Lösung von ökonomisch und marktwirtschaftlich geprägten Sachverhalten. Bei der rechtstheoretischen Analyse wird sich dieser Befund noch weiter 134

Vgl. etwa VfSlg 10.405/1985 sowie Holoubek/Lang, ecolex 2001, 874. Holoubek/Lang, ecolex 2001, 874; Heinrich, Die Steuerneutralität von Beteiligungen 233 f.; vgl. auch Isensee, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts3 V § 118 Rz. 214, 217. 136 Achatz/Mang/Lindinger, Besteuerung der Körperschaften öffentlichen Rechts3 Rz. 2; vgl. auch Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat 219; Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts3 V § 118 Rz. 214. 137 Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel 157 f. m. w. N. 138 Vgl. dazu schon Kapitel 4 B. III. 139 Vgl. dazu schon oben Kapitel 12 B. II. und die dortigen Nachweise. 140 Vgl. etwa Heinrich, Die Steuerneutralität von Beteiligungen 232 ff.; Kanduth-Kristen, Rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung 17 f.; Lang, StuW 1990, 110 f., 115; Holoubek/ Lang, ecolex 2001, 874; vgl. auch Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat 219. 135

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Kap. 12: Das Besteuerungsprinzip der Neutralität

bestätigen. Im Ergebnis lässt sich daher festhalten, dass sich der Gedanke des OECDBesteuerungsprinzips der Neutralität somit inhaltlich in Österreich innerhalb des Gleichheitssatzes des B-VG wiederfindet.

II. Rechtsformneutralität der Besteuerung in Österreich 1. Die Umsatzsteuer als rechtsformneutrale Abgabe Die Rechtsformneutralität beinhaltet die Forderung der gleichen Besteuerung aller Formen des unternehmerischen Tätigwerdens.141 Rechtsformen wie Kapitalgesellschaften, Personengesellschaften oder Einzelunternehmen sollen also weder begünstigt noch benachteiligt werden.142 Die Umsatzsteuer ist von ihrem Wesen143 her darauf ausgelegt, nicht den Unternehmer zu belasten, sondern auf den Letztverbraucher übergewälzt zu werden.144 Da die Umsatzsteuer die Belastung des Konsumenten im Visier hat, darf es für diese Steuer nach Heinrich schon von vornherein nicht auf die Rechtsformen der leistenden Unternehmer ankommen.145 Auch nach Lindinger ist diese „Rechtsformindifferenz“ bereits „seit je her“ dem Charakter der Umsatzsteuer als „einer allgemeinen Steuer auf die Einkommensverwendung“ immanent.146 Denn sobald eine umsatzsteuerliche Begünstigung auf die rechtliche Form der Betätigung des leistenden Unternehmers abstellt, führt dies zu Störungen des Wettbewerbs, wenn es andere Unternehmer gibt, welche dieselben Leistungen erbringen.147 Das Konzept der Umsatzsteuer ist daher rechtsformneutral.148 Die Umsatzsteuer ist auch in Österreich – im grundsätzlichen Einklang mit den unionsrechtlichen Vorgaben149 – rechtsformneutral ausgestaltet.150 Der Unternehmerbegriff des UStG stellt somit nicht auf eine bestimmte Rechtsform oder die zivilrechtliche Rechts- bzw. Geschäftsfähigkeit ab.151 Aus umsatzsteuerlicher Sicht besteht daher auch – im Gegensatz zu den nachfolgend behandelten Ertragsteuern – 141

Lang, StuW 1990, 115. Lang, StuW 1990, 115. 143 Vgl. zum Wesen der Umsatzsteuer auch Kapitel 13 A. 144 Vgl. etwa Heinrich, in: FS Ruppe 224. 145 Vgl. etwa Heinrich, in: FS Ruppe 224. 146 Lindinger, Vereine und Stiftungen, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), Der Unternehmerbegriff des UStG (2017) 168. 147 Vgl. etwa Heinrich, in: FS Ruppe 224. 148 Heinrich, in: FS Ruppe 224. 149 Vgl. dazu schon Kapitel 12 C. 150 Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 319; Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 217 ff.; Lindinger, in: Achatz/Tumpel 168; Heinrich, in: FS Ruppe 224. 151 Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 319; Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 217 ff. 142

D. Besteuerungsneutralität in Österreich

287

zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften kein Unterschied.152 Für die Unternehmereigenschaft des UStG kommt es vielmehr allein darauf an, dass im Wirtschaftsleben nach außen als Unternehmer aufgetreten wird und die Voraussetzungen des § 2 UStG erfüllt werden.153 Unternehmer kann jedes „Gebilde“ sein, das die Voraussetzungen des UStG erfüllt, völlig unabhängig von seiner Rechtsform.154 Das Konzept der österreichischen Umsatzsteuer behandelt daher grundsätzlich alle Rechtsformen gleich, seien sie Einzelunternehmer, Personengesellschaften oder Kapitalgesellschaften. Die Rechtsformneutralität der Besteuerung kann daher in dieser Hinsicht aufgrund des Wesens der Umsatzsteuer als gegeben angesehen werden.155 In diesem Sinne ist auch der rechtsformneutrale Aspekt des OECD-Besteuerungsprinzips der Neutralität bereits dem Wesen der Umsatzsteuer immanent. Somit beschäftigen sich auch die nachfolgenden Ausführungen zur Rechtsformneutralität mit den Ertragsteuern und klammern die Umsatzsteuer aus. Dies bedeutet nicht, dass es beim umsatzsteuerlichen Unternehmerbegriff nicht auch zahlreiche Zweifelsfragen in Bezug auf unterschiedliche Formen des unternehmerischen Tätigwerdens gibt. Eine genauere Behandlung mit dem komplexen Thema des Unternehmerbegriffs des UStG würde den Rahmen dieser Arbeit jedoch sprengen, weshalb ein Verweis auf die einschlägige Literatur genügen muss.156 2. Rechtsformneutralität und Ertragsteuern a) Dualismus der Unternehmensbesteuerung Die Rechtsformneutralität der Ertragsteuern wird vor allem vor dem Hintergrund der unterschiedlichen rechtlichen Behandlung von Personen- und Kapitalgesellschaften diskutiert. In diesem Zusammenhang ist die Besteuerung von Unternehmensgewinnen seit langer Zeit ein allgegenwärtiges Thema für Steuerreformdiskussionen der Ertragsteuern in Österreich.157

152

Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 300. Baumann/Spindler-Simader, in: Hausmaninger/Gratzl/Justich (Hrsg.), Aktiengesellschaft: Handbuch2 (2016) Rz. 116. 154 Lindinger, in: Achatz/Tumpel 168. 155 Vgl. etwa Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 319; Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 300; Heinrich, in: FS Ruppe 224, 226. 156 Vgl. etwa das Werk Achatz/Tumpel (Hrsg.), Der Unternehmerbegriff des UStG (2017); vgl. auch Ruppe/Achatz, UStG5 § 2 Rz. 1 ff. 157 Vgl. dazu etwa Ruppe, Die steuerliche Doppelbelastung der Körperschaftsteuergewinne 21, passim; Heinrich, in: FS Ruppe 205 ff.; Doralt, Ungleichbehandlung der Rechtsformen: Ist die Steuerreform verfassungswidrig? – GmbH im Vorteil, Die Presse 2004/ 47/02; Peyerl, Die Verlagerung von Einkünften (2015) 491 und die dortige Fn. 1936; vgl. auch Mayr/Bodis/ Lachmayer, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 904 ff. m. w. N. 153

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Kap. 12: Das Besteuerungsprinzip der Neutralität

In Österreich herrscht ein sogenannter Dualismus der Unternehmensbesteuerung.158 Dies bedeutet, dass Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften nach verschiedenen Regeln besteuert werden.159 Gewinne von Personengesellschaften werden in Österreich seit Ende des 19. Jahrhunderts nicht auf Ebene der Gesellschaft selbst besteuert, sondern den Gesellschaftern anteilig zugerechnet und erst auf deren Ebene der progressiven Einkommensteuer unterworfen; diese Form der Besteuerung wird Durchgriffs- oder Transparenzprinzip genannt.160 Demgegenüber werden Kapitalgesellschaften grundsätzlich nach dem Trennungsprinzip besteuert: Die Körperschaft gilt als ein eigenes Steuersubjekt und die von der Gesellschaft erzielten Gewinne werden zuerst auf ihrer Ebene mit einem proportionalen Tarif von 25 % besteuert und unterfallen bei einer Ausschüttung an die Gesellschafter ein zweites Mal ebenfalls einer fixen Steuer im Ausmaß von 27,5 %.161 Bei Gewinnen von Kapitalgesellschaften besteht somit nach Meinung von Teilen des Schrifttums eine steuerliche „Doppelbelastung“: einerseits werden die Gewinne der Gesellschaft mit Körperschaftsteuer belastet, andererseits fällt Einkommensteuer an, wenn die Gewinne an natürliche Personen ausgeschüttet werden.162 Gegen diese Auffassung kann jedoch eingewendet werden, dass die „Doppelbelastung“ durch die niedrigen fixen Steuersätze auf Gewinne aus Kapitalgesellschaften und Einkünfte aus der Ausschüttung zumindest teilweise ausgeglichen wird.163 Zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften bestehen in Österreich eine Reihe von steuerrechtlichen Differenzierungen bei der Bemessungsgrundlage, etwa bei der Behandlung von Vertragsbeziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter sowie beim Steuertarif bezüglich der unterschiedlichen Behandlung von nicht entnommenen Gewinnen und hinsichtlich proportionaler bzw. progressiver Besteuerung.164 Insbesondere aufgrund dieser Unterschiede wird die Rechtsformneutralität der Besteuerung in der Literatur als nicht vollständig erfüllt angesehen.165

158 Mayr/Blasina/Schwarzinger/Schlager/Titz, SWK Spezial 2014, Körperschaftsteuer 2014/2015 11. 159 Mayr et. al., SWK Spezial 2014, Körperschaftsteuer 2014/2015 11 ff. 160 Vgl. etwa Heinrich, in: FS Ruppe 206 m. w. N. 161 Vgl. etwa Heinrich, in: FS Ruppe 206. 162 Vgl. etwa Ruppe, Die steuerliche Doppelbelastung der Körperschaftsteuergewinne 21, passim; Mayr/Bodis/Lachmayer, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 904 ff. m. w. N.; Heinrich, in: FS Ruppe 206. 163 Vgl. etwa Tumpel, Steuern kompakt 2020 (2020) 118. 164 Kanduth-Kristen, Rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung 20. 165 Peyerl, Die Verlagerung von Einkünfte 491 und die dortige Fn. 1936; Bachl, Die Kapitalgesellschaftsfiktion bei der Bewertung von Einzelunternehmen und Personengesellschaften, SWK 2015, 1507 (1511); Mayr/Bodis/Lachmayer, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 904 ff. m. w. N.; Heinrich, in: FS Ruppe 210; Kanduth-Kristen, Rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung 20.

D. Besteuerungsneutralität in Österreich

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b) Rezeption in Schrifttum und Judikatur Wie schon bei der Wettbewerbsneutralität, findet sich auch für die Rechtsformneutralität, also der Forderung nach grundsätzlich gleicher Besteuerung aller Unternehmensformen,166 keine ausdrückliche Rechtsgrundlage in der österreichischen Rechtsordnung.167 Zudem ist in Österreich die Literatur zur rechtlichen Begründung und dem rechtstheoretischen Unterbau der steuerlichen Rechtsformneutralität überschaubar. Darüber hinaus ist im österreichischen Schrifttum strittig, ob die rechtsformneutrale Besteuerung ein verfassungsrechtliches Erfordernis darstellt.168 Zu dieser Thematik haben sich insbesondere Kanduth-Kristen, Heinrich, und Doralt detailliert geäußert. Nachfolgend wird der Meinungsstand zur rechtswissenschaftlichen Ableitung und Begründung der Rechtsformneutralität der Besteuerung in Österreich in seinen Kernpunkten umrissen. Kanduth-Kristen erläutert, dass aus rechtswissenschaftlicher Sicht die Forderung nach Rechtsformneutralität aus einer Auslegung des Gleichheitssatzes stammt, wonach die Besteuerung im Einklang mit dem Postulat der Wettbewerbsneutralität zu erfolgen hat.169 In diesem Sinne stellt die Wettbewerbsneutralität der Besteuerung „ein zentrales Argument für die rechtsformneutrale Ausgestaltung der Unternehmensbesteuerung“ dar.170 Damit handelt es sich nach Kanduth-Kristen bei der Rechtsformneutralität um eine spezielle Ausprägung der wettbewerbsneutralen Besteuerung, deren Rechtsgrundlage im Gleichheitssatz fußt.171 Kanduth-Kristen führt an, dass der „Grundsatz“ der Rechtformneutralität sachgerechten Differenzierungen nicht im Weg steht, sobald die einzelnen Rechtsformen unterschiedliche wirtschaftliche Fakten schaffen.172 Auch Ruppe hielt schon 1967 in ähnlicher Weise fest, dass steuerrechtliche Differenzierungen nach den verschiedenen Rechtsformen hinsichtlich Gewinnermittlung und Tarifgestaltung unbedenklich sind, „soweit sie Unterschieden in der Steuerfähigkeit“ entsprechen.173 Doralt hat sich zur Rechtsformneutralität der Besteuerung anlässlich der Steuerreform 2004/2005 durch das Steuerreformgesetz 2005174 geäußert.175 Im Zuge dieser Reform wurde unter anderem der Körperschaftsteuertarif von 34 Prozent auf 25 Prozent gesenkt. Doralt bemängelte, dass aufgrund der Steuerreform nun Einzelunternehmer und Gesellschafter einer Personengesellschaft einer rund 15 Prozent 166

Lang, StuW 1990, 115. Vgl. dazu Heinrich, in: FS Ruppe 205 ff. 168 Peyerl, Die Verlagerung von Einkünften 491 und die dortige Fn. 1936 m. w. N. 169 Kanduth-Kristen, Rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung 17 m. w. N. 170 Kanduth-Kristen, Rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung 17. 171 Kanduth-Kristen, Rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung 17. 172 Kanduth-Kristen, Rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung 18 m. w. N. 173 Ruppe, Die steuerliche Doppelbelastung der Körperschaftsteuergewinne 24. 174 Steuerreformgesetz 2005, BGBl 57/2004. 175 Doralt, Die Presse 2004/ 47/02. 167

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Kap. 12: Das Besteuerungsprinzip der Neutralität

höheren Steuerbelastung unterlagen als Kapitalgesellschaften. Doralt sah im niedrigen Körperschaftsteuersatz im Vergleich mit dem Einkommensteuertarif von bis zu 50 Prozent eine verfassungsrechtliche Problematik. So sei fraglich, ob es der Freiheit der Erwerbsausübung entspricht, wenn der „Steuergesetzgeber die handelsrechtliche Freiheit der Rechtsform eines Unternehmers unter steuerliche Sanktion stellt“. Im Kern zielt Doralts Argumentation darauf ab, dass es eine sachliche Rechtfertigung braucht, um Kapitalgesellschaften rund 15 Prozent weniger zu besteuern als Einzelunternehmer, welche freie Berufe wie Rechtsanwalt, Arzt oder Schriftsteller ausüben; besteht dafür keine Rechtfertigung, würde nach dieser Sichtweise wohl die „privilegierte“ Besteuerung von Kapitalgesellschaften dem Gleichheitssatz widersprechen und damit verfassungswidrig sein. Entscheidend ist laut Doralt, dass die Kapitalgesellschaft als Unternehmensform an sich steuerlich eine bevorzugte Behandlung erfährt, woran auch die Kapitalertragsteuer von damals 25 Prozent nichts ändert. Insgesamt stufte Doralt deshalb die Herabsetzung der Körperschaftsteuer, welche „ausschließlich am Ausland“ orientiert sei und die „ohne Bedachtnahme auf die große Zahl jener, die in voller Höhe der Einkommensteuer unterliegen“, eingeführt wurde, als verfassungsrechtlich „höchst bedenklich“ ein. Auch Heinrich hat sich mit der Frage beschäftigt, ob es zwingende verfassungsrechtliche Vorgaben für eine rechtsformneutrale Besteuerung gibt.176 Laut Heinrich müsste sich ein Anspruch auf Rechtsformneutralität primär auf den Gleichheitssatz berufen. Dabei wird festgehalten, dass ein auf dem Gleichheitssatz fußender Anspruch von Normunterworfenen auf eine rechtsformneutrale Besteuerung nicht absolut sein kann. Sehr wohl ergibt sich jedoch aus dem Gleichheitssatz ein relativer177 Anspruch auf Rechtsformneutralität.178 Fraglich ist dabei, ob die Rechtsform von unternehmerischen Tätigkeiten für sich allein eine Rechtfertigung für eine unterschiedliche Behandlung bei der Besteuerung darstellt.179 Heinrich erläutert, dass die Rechtsform grundsätzlich ein Anknüpfungspunkt für steuerrechtliche Belastungsentscheidungen sein kann, aber nur dann, wenn die rechtliche Form der Unternehmenstätigkeit auch mit unterschiedlichen juristisch-ökonomischen Sachverhalten korrespondiert.180 In weiterer Folge referiert Heinrich eine Reihe von Erkenntnissen,181 in denen sich der VfGH mit der rechtsformneutralen Besteuerung zu beschäftigen hatte.182 Dabei zeigt sich, dass der Gerichtshof die Unterschiede bei der Besteuerung stets vor dem Hintergrund des Gleichheitssatzes prüft und in der Regel eine sachliche Rechtfer-

176

Heinrich, Die Steuerneutralität von Beteiligungen 235; Heinrich, in: FS Ruppe 205 ff. Hervorhebung durch den Verfasser. 178 Heinrich, Die Steuerneutralität von Beteiligungen 236. 179 Heinrich, in: FS Ruppe 211. 180 Heinrich, Die Steuerneutralität von Beteiligungen 236. 181 Vgl. etwa VfSlg 9516/1982; 6709/1972; 11.707/1988. 182 Vgl. etwa Heinrich, in: FS Ruppe 212 ff. 177

D. Besteuerungsneutralität in Österreich

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tigung für steuerliche Differenzierungen zwischen den Rechtsformen findet.183 So strich der VfGH etwa in einem Erkenntnis184 vom 29. 9. 1982, welches unter Kapitel 12 D. III. 2. b) noch genauer behandelt werden wird, das unterschiedliche Wesen von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften hervor und rechtfertigte damit die Zulässigkeit einer steuerlichen Ungleichbehandlung. Der VfGH begründet demnach eine nachteilige Besteuerung durch Unterschiede im Bereich des Tatsächlichen, welche sich aus der Rechtsform der unternehmerischen Tätigkeit ergeben.185 Für Heinrich bedeutet die VfGH-Judikatur folgendes: Dem Steuergesetzgeber ist es erlaubt, für Kapitalgesellschaften unterschiedliche Besteuerungsfolgen vorzunehmen, wenn konkrete Unterschiede im Tatsächlichen vorliegen – dies wird beispielsweise auch bei personalistisch ausgestalteten Kapitalgesellschaften im Vergleich zu kapitalistisch ausgestalteten Kapitalgesellschaften der Fall sein. Somit erscheinen für Heinrich tendenziell sogar noch mehr steuerliche Differenzierungen, als derzeit im Recht vorgesehen, möglich.186 Die grundsätzlich durch den Gleichheitssatz gewährte Rechtsformneutralität wird demnach regelmäßig durch sachliche Gründe eingeschränkt und relativiert. So erläutert Heinrich auch zusammenfassend, dass „die den verschiedenen zivilrechtlichen Rechtsformen entspringenden Unterschiede im Tatsächlichen“ eine differenzierende Besteuerung vor dem Hintergrund des Gleichheitssatzes rechtfertigen können.187 Heinrich schließt daraus: „Die Forderung nach einer rechtsformneutralen Besteuerung in Österreich ist daher als eine politische Forderung“ zu qualifizieren.188 In Hinblick auf seine einführend getroffene Feststellung, dass der Gleichheitssatz einen relativen189 Anspruch auf Rechtsformneutralität sicherstellt, ist der vorige Satz wohl so zu verstehen, dass der Anspruch nach absoluter190 Rechtsformneutralität in die Sphäre des Politischen gehört. Auf Basis der eben dargestellten Überlegungen hat sich Heinrich auch Gedanken darüber gemacht, ob die rechtsformneutrale Besteuerung in Österreich als ein Ordnungssystem im Sinne der „Ordnungssystem-Judikatur“ des VfGH verstanden werden kann.191 Das Konzept der „Ordnungssystem-Judikatur“ wurde unter Kapitel 7 B. II. 4. bereits erläutert, weshalb an dieser Stelle darauf verwiesen wird. In aller Kürze bedeutet diese Judikaturlinie, dass der einfache Gesetzgeber ein mit dem Gleichheitssatz übereinstimmendes System schaffen darf, in weiterer Folge aber Abweichungen von diesem System jeweils eine sachliche Rechtfertigung brau-

183

Heinrich, in: FS Ruppe 212; VfSlg 9516/1982; 6709/1972; 11.707/1988. VfSlg 9516/1982. 185 Heinrich, Die Steuerneutralität von Beteiligungen 237. 186 Heinrich, Die Steuerneutralität von Beteiligungen 240; Heinrich, in: FS Ruppe 219. 187 Heinrich, Die Steuerneutralität von Beteiligungen 241. 188 Heinrich, Die Steuerneutralität von Beteiligungen 241. 189 Hervorhebung durch den Verfasser. 190 Hervorhebung durch den Verfasser. 191 Heinrich, in: FS Ruppe 216. 184

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Kap. 12: Das Besteuerungsprinzip der Neutralität

chen.192 Nach Heinrichs Sicht hat sich der österreichische Steuergesetzgeber nun in einer Reihe von Bestimmungen dem Postulat der rechtsformneutralen Besteuerung verschrieben.193 Dies ist laut Heinrich insbesondere in § 10 Abs. 1 KStG, welcher eine Mehrfachbelastung von Körperschaftsgewinnen im Konzern verhindern soll sowie in § 11a EStG,194 welcher die begünstigte Besteuerung für nicht entnommene Gewinne im Einkommensteuergesetz geregelt hat, ersichtlich.195 Heinrich wirft nun die Frage auf, ob sich durch die von ihm verortete „Häufung von Normen, die eine rechtsformneutrale Besteuerung zum Ziel haben“, schon ein entsprechendes Ordnungssystem herausgebildet hat.196 Er merkt aber sogleich an, dass es nur schwer festzustellen ist, ab welchem Zeitpunkt ein bestimmtes Ordnungssystem tatsächlich entsteht.197 Ob es sich bei der Rechtsformneutralität der Besteuerung tatsächlich bereits um ein den Gesetzgeber bindendes Ordnungssystem handelt, lässt Heinrich jedoch offen.198 Zusammenfassend ist festzuhalten: Sämtliche Autoren, die sich detaillierter mit der rechtlichen Ableitung der rechtsformneutralen Besteuerung beschäftigen, berufen sich dabei stark auf den Gleichheitssatz. Diesem Umstand wird im nächsten Abschnitt genauer nachgegangen. c) Rechtsformneutralität, Wettbewerbsneutralität und Gleichheitssatz Wie schon unter Kapitel 12 B. I. erörtert, sind die Wettbewerbsneutralität und Rechtsformneutralität konzeptionell und ideengeschichtlich eng miteinander verknüpft.199 Daher wird die Rechtsformneutralität nach weit verbreiteter Auffassung als ein Teilbereich der Wettbewerbsneutralität angesehen.200 So wird in der Regel auch davon ausgegangen, dass der Gedanke der Rechtsformneutralität der Wettbewerbsneutralität innewohnt.201 Da wie unter Kapitel 12 D. I. 4. erörtert der Gleich192

Heinrich, in: FS Ruppe 217 m. w. N. Heinrich, in: FS Ruppe 217. 194 Die Inanspruchnahme des § 11a EStG war letztmalig für die Veranlagung 2009 möglich, mittlerweile gibt es stattdessen den Gewinnfreibetrag des § 10 EStG (§ 124b Z. 154 EStG). 195 Heinrich, in: FS Ruppe 217. 196 Heinrich, in: FS Ruppe 217. 197 Heinrich, in: FS Ruppe 218. 198 Heinrich, in: FS Ruppe 217, 225. 199 Lang, StuW 1990, 111, 115 f.; Elschen/Hüchtebrock, FA 1983, 257; Kanduth-Kristen, Rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung 15 ff. 200 Hey, in: Ebling 157 m. w. N.; Kraus, Körperschaftsteuerliche Integration von Personenunternehmen (2008) 84; vgl. dazu schon Kapitel 12 B. II. und die dortigen Nachweise. 201 Vgl. etwa Kanduth-Kristen, Rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung 15 ff. m. w. N.; Elschen/Hüchtebrock, FA 1983, 257; Hey, in: Ebling 157 f.; Rau, Verfassungsdirigierte Prinzipien für das Unternehmenssteuerrecht 169 m. w. N.; Kraus, Körperschaftsteuerliche Integration von Personenunternehmen 84; Weinelt, Das deutsche Körperschaftsteuersys193

D. Besteuerungsneutralität in Österreich

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heitssatz die Rechtsgrundlage der Wettbewerbsneutralität darstellt und die Wettbewerbsneutralität die Rechtsformneutralität als einen Teilaspekt beinhaltet, findet somit auch die Rechtsformneutralität ihre Verankerung im Gleichheitssatz202 der österreichischen Verfassung. Dieses Ergebnis deckt sich auch mit dem im vorigen Abschnitt erörterten österreichischen Schrifttum zur Rechtsformneutralität. So hält auch Kanduth-Kristen fest, dass die Rechtsformneutralität ihre Rechtsgrundlage im Gleichheitssatz findet.203 Nach Kanduth-Kristen handelt es sich demnach bei der Rechtsformneutralität um eine spezielle Ausprägung der wettbewerbsneutralen Besteuerung, deren Ursprung im Gleichheitssatz liegt.204 Auch Ruppes Aussagen deuten darauf hin, dass er die Rechtsformneutralität als eine gleichheitsrechtliche Problematik sieht.205 Ein definitives Gebot der Rechtsformneutralität statuiert der Gleichheitssatz jedoch nicht.206 Vielmehr gewährleistet der Gleichheitssatz nach Heinrich einen relativen207 Anspruch auf Rechtsformneutralität der Besteuerung.208 Der Anspruch ist „nur“ relativ und nicht absolut, da eine differenzierte Besteuerung zwischen Rechtsformen gleichheitsrechtlich durch unterschiedliche juristisch-ökonomische Sachverhalte gerechtfertigt werden kann.209 Mit dieser Feststellung deutet Heinrich bereits auf die rechtstheoretische Natur der Rechtsformneutralität hin, welche unter Kapitel 12 D. III. 2. untersucht wird. Zusammenfassend ist für diesen Abschnitt festzuhalten, dass die Rechtsformneutralität der Besteuerung als Teilaspekt der Wettbewerbsneutralität im Gleichheitssatz des B-VG ihre Rechtsgrundlage findet. Es handelt sich jedoch immer nur um einen relativen Anspruch auf Rechtsformneutralität, der im Sinne des Gleichheitssatzes durch Unterschiede im Tatsächlichen durchbrochen werden kann.

tem im Spannungsfeld zwischen nationaler Steuerordnung und europäischem Steuerwettbewerb (2007) 33. 202 Die unter Kapitel 12 D. I. 4. getätigten Ausführungen zum Gleichheitssatz als Blankett gelten sinngemäß auch in diesem Zusammenhang. 203 Kanduth-Kristen, Rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung 17 m. w. N. 204 Kanduth-Kristen, Rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung 17; in diesem Sinne auch Heinrich, Die Steuerneutralität von Beteiligungen 236. 205 Ruppe, Die steuerliche Doppelbelastung der Körperschaftsteuergewinne 156. 206 Ohlendorf, Grundrechte als Maßstab des Steuerrechts in der Europäischen Union (2015) 204 f. 207 Hervorhebung durch den Verfasser. 208 Heinrich, Die Steuerneutralität von Beteiligungen 236. 209 Heinrich, Die Steuerneutralität von Beteiligungen 236.

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Kap. 12: Das Besteuerungsprinzip der Neutralität

III. Rechtstheoretische Analyse der Neutralität der Besteuerung 1. Wettbewerbsneutralität a) Die Wettbewerbsneutralität als Rechtsprinzip? In diesem Abschnitt wird überprüft, welche rechtstheoretische Natur die unter Kapitel 12 D. I. erläuterte Wettbewerbsneutralität der Besteuerung innerhalb der österreichischen Rechtsordnung hat. Wie unter Kapitel 12 D. I. 4. erörtert, ist der Aspekt der Wettbewerbsneutralität der Besteuerung ein Bestandteil des im positiven Verfassungsrecht geregelten Gleichheitssatzes. Die Rechtsgeltung210 der Wettbewerbsneutralität ergibt sich somit aus deren Zugehörigkeit zum positiven Recht – die Forderung der Wettbewerbsneutralität ist somit Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung. Grundrechte wie der Gleichheitssatz können, wie schon erörtert, eine Vielzahl von Anordnungen beinhalten, die teilweise Rechtsregeln oder Rechtsprinzipien darstellen.211 Daher ist zu klären, welche Normenstruktur die Wettbewerbsneutralität der Besteuerung innehat. Erste Anhaltspunkte darauf ergeben sich bereits aus den bisherigen Äußerungen und aus dem Wesen der Wettbewerbsneutralität selbst. So würde die Neutralität der Besteuerung, wenn sie als definitives Gebot gelten würde, eine pauschale Kopfsteuer verlangen, denn nur eine derartige Steuer wird als wirklich wettbewerbsneutral angesehen.212 In heutigen Steuerstaaten wie Österreich werden Kopfsteuern jedoch aufgrund von Gerechtigkeitsüberlegungen in der Regel abgelehnt.213 Demnach ist jedes Steuersystem, welches nicht nur aus Kopfsteuern besteht, schon notwendigerweise zu einem gewissen Grad wettbewerbsbeeinflussend.214 Daher existiert absolute Wettbewerbsneutralität der Besteuerung in modernen Steuersystemen nicht, sondern ist stets nur zu einem bestimmten Grad er-

210

Vgl. zur Rechtsgeltung Heinold, Die Prinzipientheorie bei Ronald Dworkin und Robert Alexy 248 m. w. N. 211 Vgl. dazu etwa Kapitel 4 B. III.; vgl. auch Leisner, Kontinuität als Verfassungsprinzip 199 ff., 407, 641 ff., 651 ff. 212 Neumark, Grundsätze 270; Musgrave/Musgrave/Kullmer, Die öffentlichen Finanzen in Theorie und Praxis5 II 92; Schön, in: Mellinghoff/Morgenthaler/Puhl 156 m. w. N.; Heinrich, Die Steuerneutralität von Beteiligungen 233; vgl. dazu auch Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht2 Rz. 9.28 m. w. N.; Ohlendorf, Grundrechte als Maßstab des Steuerrechts in der Europäischen Union 38. 213 Schön, in: Mellinghoff/Morgenthaler/Puhl 156 ff.; Heinrich, Die Steuerneutralität von Beteiligungen 233. 214 Neumark, Grundsätze 270; Schön, in: Mellinghoff/Morgenthaler/Puhl 156; vgl. auch Schlussanträge von GA Jääskinen, 7. 4. 2011, C-106/09 P und C-107/09 P, Kommission und Spanien/Gibraltar und Vereinigtes Königreich, Rz. 144 sowie die Nachweise unter der dortigen Anmerkung 79.

D. Besteuerungsneutralität in Österreich

295

füllt.215 Dass aber ein gewisses Ausmaß von Wettbewerbsneutralität durch den Gleichheitssatz sichergestellt wird, ergibt sich deutlich aus der bisher erläuterten Judikatur und Literatur. So verfolgt auch der VfGH in seiner Judikatur den Gedanken der Steuerneutralität und spricht bisweilen explizit vom „Grundsatz der Wettbewerbsneutralität“.216 Zudem sprach Heinrich auch aus, dass ein Teilbereich der Wettbewerbsneutralität, die Rechtsformneutralität, nicht absolut, sondern nur relativ unter Berücksichtigung anderer Gesichtspunkte zu erfüllen ist. Somit gibt es schon Hinweise auf den abwägungsfähigen und graduell erfüllbaren Rechtsprinzipiencharakter der Wettbewerbsneutralität der Besteuerung. Bei der Untersuchung des nachfolgenden Judikaturbeispiels wird sich dies noch bestätigen. b) VfSlg 12.326/1990 – zulässige Wettbewerbsverzerrungen im DBA-Recht In VfSlg 12.326/1990 hatte sich der VfGH mit der Frage zu beschäftigen, ob es dem Gleichheitssatz widerspricht, dass das Diskriminierungsverbot des DBA Österreich-Portugal lediglich bei Unternehmensgewinnen anwendbar ist und damit beschränkt Steuerpflichtigen ein Verlustabzug für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft versagt wird.217 Das Höchstgericht bejahte die Verfassungskonformität und begründete dies mit folgenden Ausführungen: „Wenn sich der Gesetzgeber entschließt, im Zuge des Abschlusses von Doppelbesteuerungsabkommen diese Ungleichbehandlung in bestimmten Bereichen einzuschränken, so liegt es in seinem rechtspolitischen Ermessen, die Gleichbehandlung nur in Fällen zu gewähren, für die sich ein internationaler Standard herausgebildet hat, sodaß sie von besonderer Bedeutung erscheinen und sich in bilateralen Verhandlungen auch durchsetzen lassen. Die internationale Vertragspraxis auf dem Gebiet der Doppelbesteuerungsabkommen hat nun aber eine Gleichbehandlung im Bereich der einzelnen Einkunftsarten bisher nur218 auf dem Gebiet der gewerblichen Betriebsstättengewinne für erforderlich gehalten; dies möglicherweise deshalb, weil hier der Wettbewerb zwischen inländischen und ausländischen Unternehmen am ehesten in Erscheinung tritt und eine Ungleichbehandlung zu schwer erträglichen Wettbewerbsverzerrungen führt. Wenn der Gesetzgeber davon ausgeht, daß wirtschaftspolitisch bedenkliche oder international unhaltbare Verzerrungen bei anderen Einkunftsarten […] [noch] nicht oder doch nur als Randerscheinung auftreten, ist das nicht unsachlich.“ 215

Neumark, Grundsätze 270; Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht2 Rz. 9.28; Ohlendorf, Grundrechte als Maßstab des Steuerrechts in der Europäischen Union 38. 216 VfSlg 10.405/1985. 217 Vgl. dazu Aigner, Der Gleichheitsgrundsatz und die abkommensrechtliche Verteilung der Besteuerungsrechte zwischen Ansässigkeitsstaat und Quellenstaat, in: Gassner/Michael Lang/Schuch/Staringer (Hrsg.), Die Verteilung der Besteuerungsrechte zwischen Ansässigkeits- und Quellenstaat im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen (2005) 174 f.; Aigner/ Kofler/Tumpel, Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Art. 14 des österreichischliechtensteinischen Doppelbesteuerungsabkommens, SPRW 2014, 1 (21 f.). 218 Hervorhebung durch den Verfasser.

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Kap. 12: Das Besteuerungsprinzip der Neutralität

Der Wettbewerbsneutralität der Besteuerung würde im Sachverhalt von VfSlg 12.326/1990 Rechnung getragen werden, wenn das Diskriminierungsverbot des einschlägigen DBA auch für Einkünfte aus unbeweglichen Vermögen gelten würde; dann wäre auch ein Verlustabzug für beschränkt steuerpflichtige Bezieher von Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft möglich gewesen. Ohne Verlustabzug werden nämlich beschränkt Steuerpflichtige beim Beziehen von Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft im Vergleich zu anderen Einkunftsarten steuerlich benachteiligt und damit deren Wettbewerbssituation zumindest potentiell verschlechtert. Der VfGH fand jedoch sachliche Argumente, durch welche die Realisierung der Wettbewerbsneutralität in diesem Fall eingeschränkt werden konnte.219 So erläutert das Höchstgericht in einem ersten Schritt, dass es für den Gesetzgeber beim Abschluss von DBA zulässig ist, Gleichbehandlungen nur in den Fällen vorzusehen, die sich in Verhandlungen durchsetzen lassen und für die bereits ein internationaler Standard existiert. Diese Überlegungen führen den VfGH zu einem weiteren Argument zugunsten der in Frage stehenden Ungleichbehandlung: Der Gerichtshof führt nun nämlich ins Treffen, dass die Staaten bzw. die internationale Vertragspraxis bisher in einer Ungleichbehandlung von Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft noch keine unerträglichen Wettbewerbsverzerrungen gesehen haben – ausschließlich bei gewerblichen Betriebsstättengewinnen ist dies der Fall. Aufgrund dessen ist somit auch eine derartige Gestaltung eines DBA durch den österreichischen Gesetzgeber als gleichheitskonform anzusehen. Im Schrifttum wurde darüber debattiert, welchen konkreten Rechtfertigungsgrund der VfGH im Ergebnis herangezogen hat.220 Aigner/Kofler/Tumpel streichen heraus, dass für den VfGH für die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung die („noch“) geringe Intensität der Wettbewerbsverzerrungen entscheidend ist und nicht der internationale Standard.221 Denn wenn die internationale Überzeugung die Rechtfertigung wäre, dann würde die bloße Existenz einer Regelung auch gleichzeitig ihre Rechtfertigung darstellen, was, wie im Schrifttum kritisiert wurde, einen „Zirkelschluss“ bedeuten würde.222 Nach Aigner/Kofler/Tumpel ist somit allein maßgeblich, dass die Wettbewerbsverzerrung noch von geringer Intensität ist.223 Unabhängig davon, ob man davon ausgeht, dass der VfGH als Argument die internationale Praxis (Variante 1) oder allein das geringe Ausmaß der Wettbewerbsverzerrung (Variante 2) heranzieht, so zeigt sich in beiden Varianten doch die Prinzipiennatur der Wettbewerbsneutralität der Besteuerung. Denn konkret in VfSlg 12.326/1990 tritt das Rechtsprinzip der Wettbewerbsneutralität im Rahmen einer Abwägung mit den vom Gerichtshof ins Treffen gebrachten Gründen in jedem Fall zurück. In Variante 1 wird deutlich, dass die Wettbewerbsneutralität von DBA219

Aigner, in: Gassner et. al. 174 f.; Aigner/Kofler/Tumpel, SPRW 2014, 21 f. m. w. N. Vgl. die Darstellung in Aigner/Kofler/Tumpel, SPRW 2014, 21 f. m. w. N. 221 Aigner/Kofler/Tumpel, SPRW 2014, 22. 222 Aigner/Kofler/Tumpel, SPRW 2014, 22. 223 Aigner/Kofler/Tumpel, SPRW 2014, 22.

220

D. Besteuerungsneutralität in Österreich

297

Normen durch gegenläufige Gründe bzw. durch gewichtige Gesichtspunkte wie internationale Standards, gelebte Vertragspraxis und Durchsetzbarkeit in Verhandlungen übertrumpft wird. Die „dimension of weight“ der Wettbewerbsneutralität ist deutlich zu erkennen, da sie in diesem Fall weniger schwerwiegend ist, als die anderen Gründe. In Variante 2 wird die Wettbewerbsverzerrung der in Frage stehenden DBA-Norm als von derart geringem Ausmaß angesehen, dass es gerade deshalb zulässig ist, das Prinzip der Wettbewerbsneutralität zu einem gewissen Grad einzuschränken. Demnach zeigt sich, dass die Wettbewerbsneutralität der Besteuerung in bestimmten Graden bzw. Abstufungen erfüllt werden kann – es ist demnach möglich, die Wettbewerbsneutralität mehr oder weniger zu verwirklichen.224 In diesem Sinne hält auch Aigner fest, dass wenn im vorliegenden Fall die „Ungleichbehandlung gravierende Wettbewerbsverzerrungen“ nach sich gezogen hätte – und damit die Wettbewerbsneutralität noch mehrere Grade weniger erfüllt gewesen wäre – die Entscheidung des Höchstgerichts „erkennbar anders“ ausgefallen wäre.225 Daraus ergibt sich, dass die Wettbewerbsneutralität nicht absolut und definitiv gilt, sondern gemäß der Natur eines Rechtsprinzips relatives Gewicht hat und in verschiedenen Abstufungen erfüllbar ist.226 c) Fazit In diesem Abschnitt wurde anhand eines Judikaturbeispiels und der einschlägigen Literatur gezeigt, dass die Wettbewerbsneutralität der Besteuerung die zentralen Voraussetzungen eines Rechtsprinzips erfüllt. Die Wettbewerbsneutralität der Besteuerung gilt somit nicht definitiv wie eine Rechtsregel, sondern stellt ein abwägungsfähiges, graduell erfüllbares Rechtsprinzip dar.227 2. Rechtsformneutralität a) Die Rechtsformneutralität als Rechtsprinzip? Die Rechtsformneutralität der Besteuerung stellt einen Teilaspekt der Wettbewerbsneutralität dar und ist daher ebenfalls im Gleichheitssatz verankert. Somit kann bezüglich der Prinzipieneigenschaft der Rechtsformneutralität auch mutatis mutandis auf die Ausführungen unter Kapitel 12 D. III. 1. a) verwiesen werden. Die Einordnung der Rechtsformneutralität unter die „Ordnungssystem-Judikatur“ ist abzulehnen, da in der Literatur zugestanden wird, dass es nur schwer festzustellen ist,

224

Aigner, in: Gassner et. al. 174 f. Aigner, in: Gassner et. al. 174 f. 226 Heinrich, Die Steuerneutralität von Beteiligungen 235. 227 Heinrich, Die Steuerneutralität von Beteiligungen 235. 225

298

Kap. 12: Das Besteuerungsprinzip der Neutralität

wann ein derartiges System entstanden ist und dieser Umstand für die Rechtsformneutralität der Besteuerung nicht aufgeklärt werden kann.228 Heinrich ist zu folgen, wenn dieser ausdrücklich festhält, dass der Gleichheitssatz nur eine relative Realisierung der Rechtsformneutralität vorschreibt, sofern also nicht juristisch-ökonomische Sachverhalte für eine differenzierte steuerliche Behandlung von Rechtsformen sprechen.229 In welchem Ausmaß dieses Prinzip jedoch tatsächlich erfüllt wird, zeigt sich daher erst nach einer Abwägung mit gegenläufigen Gründen. Mit anderen Worten gilt die Rechtsformneutralität der Besteuerung nur unter dem Vorbehalt, dass nicht gewichtigere Gründe für eine differenzierte Besteuerung sprechen und hat dadurch die Prima-facie-Wirkung eines Rechtsprinzips.230 Demnach kann von einem Prinzipiencharakter der Rechtsformneutralität ausgegangen werden. Im Folgenden wird diese Prinzipieneigenschaft der Rechtsformneutralität anhand eines Judikaturbeispiels verdeutlicht. b) VfSlg 9516/1982 – unzulässige Differenzierung zwischen Kapitalgesellschaften und Genossenschaften In VfSlg 9516/1982 behandelte der VfGH die Frage, inwiefern der Gesetzgeber zwischen Kapitalgesellschaften und Genossenschaften Differenzierungen bei der Körperschaftsbesteuerung vorsehen darf.231 Das Höchstgericht konnte dabei bedeutende Unterschiede zwischen diesen zwei Rechtsformen ausmachen, welche nachfolgend zum besseren Verständnis wörtlich wiedergegeben werden: „Diese kommen in der unterschiedlichen rechtlichen Konstruktion ebenso zum Ausdruck wie darin, daß bei der Geschäftstätigkeit der Genossenschaften das personale Moment in stärkerem Maße im Vordergrund steht als bei Kapitalgesellschaften. Es entspricht der historischen Genossenschaftsidee, die auf dem Füreinander physischer Personen beruht (VfSlg. 6709/1972), daß sich typischerweise physische Personen zu einer Genossenschaft zusammenschließen und daß Genossenschaften nach wie vor ,im wesentlichen der Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder dienen‘ (§ 1 GenG i. d. F. BGl. 81/1974). Es kann daher dem Gesetzgeber nicht entgegengetreten werden, wenn er Genossenschaften und sonstige Kapitalgesellschaften unterschiedlich behandelt, sofern die von ihm vorgenommenen Differenzierungen sachlich begründbar sind. Die unterschiedliche körperschaftsteuerliche Behandlung der ausgeschütteten Erträge von Genossenschaften und Kapitalgesellschaften ist nach Ansicht des VfGH sachlich begründbar. Wenn der Gesetzgeber etwa angesichts der Tatsache, daß die Zeichnung von Genossenschaftsanteilen nicht typischerweise für sich eine in Ertragsabsicht erfolgende 228

Heinrich, in: FS Ruppe 218. Heinrich, Die Steuerneutralität von Beteiligungen 236. 230 Alexy, Theorie der Grundrechte 88; vgl. auch Unger, Das Verfassungsprinzip der Demokratie 97 ff. 231 Vgl. zu diesem Erkenntnis auch Heinrich, in: FS Ruppe 212 ff. 229

D. Besteuerungsneutralität in Österreich

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Kapitaldisposition darstellt wie die Übernahme von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft oder angesichts der Tatsache, daß erwirtschaftete Gewinne bei Genossenschaften typischerweise nicht die Funktion haben, unmittelbar in Einkünfte der Genossenschafter übergeführt zu werden, die Gewinnausschüttung bei Genossenschaften körperschaftsteuerlich im Vergleich zur Gewinnausschüttung bei Kapitalgesellschaften diskriminiert, kann ihm eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nicht vorgeworfen werden“. In diesem Erkenntnis wog der VfGH vor dem Hintergrund des Gleichheitssatzes somit die Erfüllung der Rechtsformneutralität, also die gleichartige Besteuerung von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften, mit anderen Gesichtspunkten ab. Im Sinne eines Rechtsprinzips gebietet die Rechtsformneutralität, Rechtsformen steuerrechtlich gleich zu behandeln, sofern nicht gegenläufige Gründe mit mehr Gewicht bestehen. Eine Ungleichbehandlung ist daher zulässig, wenn diese durch sachliche Argumente gerechtfertigt werden kann.232 Als der rechtsformneutralen Besteuerung entgegenstehend führte der Gerichtshof eine Reihe von Gründen an, welche die unterschiedliche juristische Konstruktion der zwei Gesellschaftsformen betrafen. Eigenheiten der Genossenschaft sind etwa das personale Moment, das Füreinander von physischen Personen, die Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder, den Charakter der Zeichnung von Genossenschaftsanteilen sowie die Verwendung des Gewinns der Genossenschaft. All diese Unterschiede überwogen für den VfGH die Erfüllung der Rechtsformneutralität der Besteuerung. Damit war es für den Gesetzgeber auch gerechtfertigt, die Rechtsform der Genossenschaft anders als die der Kapitalgesellschaft zu besteuern. So zeigt sich, dass das Prinzip der Rechtsformneutralität übertrumpft werden kann, wenn dies durch andere sachliche Gründe gerechtfertigt wird. Ganz nach der Natur eines Rechtsprinzips tritt die Rechtsformneutralität also in diesem Sachverhalt zurück; dies bedeutet jedoch nicht, dass dieses Prinzip generell ungültig wird, wie es grundsätzlich bei einer Rechtsregel233 der Fall wäre.234 Die im Gleichheitssatz verankerte Rechtsformneutralität fordert daher weiter Prima-facie, also relativ und unter Vorbehalt, eine rechtsformneutrale Besteuerung – inwieweit dies jedoch tatsächlich zur Anwendung gelangt, klärt sich erst im Rahmen einer Abwägung.235 Demnach hat auch die Rechtsformneutralität als Teilbereich der Wettbewerbsneutralität einen Prinzipiencharakter.

232

Alexy, Theorie der Grundrechte 75 ff., 87 f.; vgl. zu Rechtsprinzipien schon Kapitel 5 A. Dworkin, Taking Rights Seriously 24; Alexy, Theorie der Grundrechte 77. 234 Alexy, Theorie der Grundrechte 79. 235 Heinrich, Die Steuerneutralität von Beteiligungen 236; Alexy, Theorie der Grundrechte 75 ff., 87 f.; Unger, Das Verfassungsprinzip der Demokratie 97 ff. 233

300

Kap. 12: Das Besteuerungsprinzip der Neutralität

c) Fazit Anhand von Beispielen in Literatur und Judikatur wurde gezeigt, dass auch die Rechtsformneutralität eine Facette des Rechtsprinzips der rechtlichen Gleichheit darstellt.

E. Ergebnis Das OECD-Besteuerungsprinzip beinhaltet die Wettbewerbs- und Rechtsformneutralität der Besteuerung. Diese beiden finanzwissenschaftlichen Postulate sind ideengeschichtlich und konzeptionell eng miteinander verknüpft, sodass die Rechtsformneutralität auch als ein Teilbereich der Wettbewerbsneutralität angesehen wird. Beide Neutralitätsaspekte finden in Österreich ihre Verankerung im Gleichheitssatz und haben die rechtstheoretische Natur von Rechtsprinzipien.

Kapitel 13

Das Besteuerungsprinzip der Effizienz in Bezug auf die Abfuhr der Umsatzsteuer A. Vorbemerkung und klarstellende Erläuterungen zum Wesen der Umsatzsteuer Bislang wurden in dieser Arbeit bereits mehrere Aspekte des OECD-Besteuerungsprinzips der Effizienz erörtert.1 Der in diesem Abschnitt zu erläuternde Teilbereich betrifft die Effizienz der Steuererhebung für den Unternehmer bei der Abfuhr der Umsatzsteuer. Dabei geht es also um die Geringhaltung jener Kosten, die dem Unternehmer etwa im Zuge der Erfüllung von Aufzeichnungspflichten, der Anfertigung von Umsatzsteuererklärungen sowie der Sammlung und Verwaltung von Belegen anfallen.2 Wichtige Vorgaben für die Effizienz des umsatzsteuerpflichtigen Unternehmers finden sich dabei vor allem auf unionsrechtlicher Ebene. Daher wird dieser Teilbereich der Effizienz auch erst an dieser Stelle der Arbeit untersucht, nachdem im vorigen Kapitel 12 C. II. bereits die Grundzüge des Binnenmarktes dargestellt wurden. Nach Erläuterung der unionsrechtlichen Effizienzvorgaben wird auch erörtert, inwiefern sich diese Gedanken auch im österreichischen Recht lokalisieren lassen. Zunächst sind für die nachfolgende Untersuchung jedoch einige klarstellende Erläuterungen zum Wesen der Umsatzsteuer notwendig, da in den anschließenden Ausführungen insbesondere der Vorsteuerabzug eine Rolle spielen wird.3 Die Umsatzsteuer ist eine indirekte Steuer auf alle entgeltlichen Leistungen von Unternehmern und soll den privaten Konsum belasten. Das bedeutet, der Steuerträger (Letztverbraucher) und Steuerschuldner (leistender Unternehmer) sind verschiedene Personen. Der Unternehmer führt die Umsatzsteuer von dem für seine Leistung bezogenen Entgelt an den Fiskus ab. Wenn der Leistungsempfänger kein Letztverbraucher ist, sondern die empfangene Leistung seinerseits gegen Entgelt weiterverkauft, dann erstattet der Staat die auf die empfangene Leistung angefallene Umsatzsteuer als Vorsteuer. Der sogenannte Vorsteuerabzug bewirkt also eine 1

Vgl. dazu schon Kapitel 7 C. und Kapitel 8. Vgl. dazu schon Kapitel 7 C. I. 2. 3 Diese Ausführungen basieren auf Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 310 f.; EhrkeRabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 206. 2

302

Kap. 13: Das Besteuerungsprinzip der Effizienz

Rückerstattung der Umsatzsteuer an den Unternehmer, solange Lieferungen nur innerhalb der Unternehmerkette und nicht an den Letztverbraucher stattfinden. Auf diesem System beruht die unionsrechtlich harmonisierte Umsatzsteuer. Damit ein Unternehmer sich durch den Vorsteuerabzug entlasten kann oder Umsatzsteuerbefreiungen wahrnehmen kann, gibt es jedoch verschiedene Voraussetzungen, die in den folgenden Abschnitten noch zu erörtern sind.

B. Unionsrechtliche Vorgaben für die Effizienz der Steuererhebung der Mehrwertsteuer I. Die Ablehnung des Formalismus als Quelle einer effizienten Steuererhebung 1. Der EuGH-Grundsatz der Ablehnung des Formalismus Die Mehrwertsteuersystemrichtlinie kennt den Begriff des Unternehmers nicht und spricht stattdessen vom „Steuerpflichtigen“.4 Dieser Terminus ist als ein spezifischer Begriff des Unionsrechts zu verstehen und daher auch „autonom und einheitlich“ auszulegen.5 Der Begriff des Steuerpflichtigen ist sehr weit und stellt dabei auf die selbständige Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ab.6 Vereinfacht gesagt meint dieser Begriff des Steuerpflichtigen nicht den Letztverbraucher als Steuerträger, sondern den wirtschaftlich tätigen Unternehmer als Steuerschuldner.7 Steuerpflichtige können in diesem Sinne daher etwa eine juristische Person, eine natürliche Person als Einzelunternehmer oder auch Freiberufler sein.8 Die MwStSystRL gewährt dem Steuerpflichtigen bzw. dem Unternehmer eine Reihe von Rechten wie etwa den Vorsteuerabzug aus Leistungen oder die Steuer-

4

Art. 9 MwStSystRL; Baur-Rückert, Die Einheitlichkeit des Umsatzes im Mehrwertsteuerrecht (2018) 123; Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 165. 5 EuGH 17. 9. 2014, C-7/13, Skandia America, Rz. 23. 6 Ruppe/Achatz, UStG5 § 2 Rz. 8 m. w. N.; Baur-Rückert, Die Einheitlichkeit des Umsatzes im Mehrwertsteuerrecht 123. 7 Vgl. etwa Baur-Rückert, Die Einheitlichkeit des Umsatzes im Mehrwertsteuerrecht 123; Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 165 m. w. N.; vgl. dazu auch instruktiv ec.europa.eu, Steuerpflichtige im Sinne der Mehrwertsteuervorschriften der EU, https://ec.europa.eu/taxation_customs/business/vat/eu-vat-rules-topic/taxable-personsunder-eu-vat-rules_de (abgerufen am 6. 3. 2023). 8 Vgl. etwa Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 312 f., 315 ff.; Ehrke-Rabel, in: Doralt/ Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 216 ff.; ec.europa.eu, Steuerpflichtige im Sinne der Mehrwertsteuervorschriften der EU, https://ec.europa.eu/taxation_customs/business/vat/eu-vat-rulestopic/taxable-persons-under-eu-vat-rules_de (abgerufen am 6. 3. 2023).

B. Unionsrechtliche Vorgaben für die Effizienz der Steuererhebung der MwSt.

303

freiheit von bestimmten Lieferungen.9 Die Gewährung dieser Rechte des Steuerpflichtigen hängt von formellen und materiellen Voraussetzungen ab.10 Materielle Anforderungen regeln das Recht an sich und betreffen somit dessen eigentliche Grundlage und Umfang.11 Diese materiellen Erfordernisse sind im Gegensatz zu formellen Voraussetzungen oft abschließend und explizit in der MwStSystRL positiviert.12 So besagt etwa Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL, dass eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung13 nur dann vorliegen kann, wenn eine grenzüberschreitende Warenlieferung innerhalb des Gemeinschaftsgebietes zwischen zwei Unternehmern besteht. Materielle Anforderungen von Rechten nehmen im gemeinschaftlichen Mehrwertsteuersystem einen hohen Stellenwert ein, da sie der Realisierung grundlegender umsatzsteuerlicher Rechtsinstitute wie dem „Bestimmungslandprinzip“ dienen.14 Formelle Voraussetzungen regeln dagegen nicht das Recht an sich, sondern „die Modalitäten und die Kontrolle seiner Ausübung“.15 So schreiben diese Formerfordernisse etwa die Pflicht zur Rechnungsausstellung oder das Führen von Aufzeichnungen vor und schaffen damit die administrativen Rahmenbedingungen für das jeweilige eigentliche Recht.16 Im Vergleich zu materiellen Voraussetzungen eines Rechts der MwStSystRL kommt den formalen Voraussetzungen nur eine nachgelagerte Bedeutung zu.17 Dieser Umstand spiegelt sich in der Judikatur des EuGH vor allem im sogenannten „Grundsatz der Ablehnung von Formalismus“ wider.18 Im Wesentlichen besagt diese Rechtsprechungslinie, dass ein in Anspruch genommenes Recht nicht aufgrund eines Formmangels verwehrt werden kann, sofern nachgewiesen wird, dass die materiellen Voraussetzungen dieses Rechts bestehen.19 9 Schinnerl, Wie formal ist die Umsatzsteuer?, ÖStZ 2017, 336 (339); Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 87 f. 10 Vgl. zu diesem Themenkreis im Detail Schinnerl, ÖStZ 2017, 336 ff.; Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 87 ff. 11 EuGH 28. 7. 2016, C-332/15, Giuseppe Astone, Rz. 47; Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 88; Schinnerl, ÖStZ 2017, 338. 12 Vgl. zur innergemeinschaftlichen Lieferung EuGH 9. 2. 2017, C-21/16, Euro Tyre, Rz. 29; vgl. auch Art. 168a MwStSystRL zum Vorsteuerabzug; vgl. Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 89 ff. 13 Vgl. dazu Kapitel 13 B. I. 5. 14 Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 88 f.; Schinnerl, ÖStZ 2017, 338. 15 EuGH 28. 7. 2016, C-332/15, Giuseppe Astone, Rz. 47 m. w. N. 16 Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 94. 17 Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 94 f. 18 Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 99; Schlussanträge von GA Saugmandsgaard Øe, 6. 4. 2016, C-24/15, Plöckl, Rz. 83 ff. 19 Vgl. etwa EuGH 1. 4. 2004, C-90/02, Bockenmühl, Rz. 49; 21. 4. 2005, C-25/03, HE, Rz. 83; 27. 9. 2007, C-146/05, Collée, Rz. 31; Schlussanträge von GA Saugmandsgaard Øe, 6. 4. 2016, C-24/15, Plöckl, Rz. 83 ff. m. w. N.; Schinnerl, ÖStZ 2017, 339; Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 99 ff.

304

Kap. 13: Das Besteuerungsprinzip der Effizienz

Im Wesentlichen begründet der EuGH seine Ablehnung des Formalismus auf den unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz,20 die Neutralität der Umsatzbesteuerung21 und „den objektiven Charakter der im Mehrwertsteuerrecht definierten Begriffe“22.23 Obwohl diese Judikatur ihre Wurzeln im Mehrwertsteuerrecht hat, breitet sich diese Denkrichtung auf unionsrechtlicher Ebene in jüngerer Zeit auch auf andere Bereiche wie die direkten Steuern oder die Verbrauchsteuern aus.24 In der nachfolgenden Darstellung wird gezeigt, dass dieser Grundsatz der Ablehnung von Formalismus eine Quelle für eine effiziente und damit kostensparende Steuererhebung für den die Umsatzsteuer abführenden Unternehmer darstellt. Dabei wird zuerst das Wesen und die steuerrechtliche Relevanz des unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dargestellt. Die zweite Säule, auf welcher der unionsrechtliche Grundsatz der Ablehnung von Formalismus beruht, stellt die Neutralität der Besteuerung dar. Das Wesen der umsatzsteuerlichen Neutralität auf EU-Ebene wurde schon unter Kapitel 12 C. erörtert, womit auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden kann. In weiterer Folge wird anhand der Beispiele der Rechnungsausstellung und der innergemeinschaftlichen Lieferung erläutert, dass der Grundsatz der Ablehnung des Formalismus auch den Gedanken der Beschränkung der administrativen Kosten der Unternehmer beinhaltet und somit ein inhaltliches Pendant zum OECD-Besteuerungsprinzip der Effizienz darstellt. 2. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und seine umsatzsteuerrechtliche Bedeutung Die Verhältnismäßigkeit wurde durch den EuGH als ein allgemeiner Rechtsgrundsatz des Unionsrechts identifiziert.25 Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist 20 EuGH 21. 11. 2018, C-664/17, Va˘ dan, Rz. 42; 21. 4. 2005, C-25/03, HE, Rz. 82; vgl. auch 17. 10. 2019, C-653/18, Unitel sp. z o.o, Rz. 31. 21 EuGH 27. 9. 2007, C-146/05, Collée, Rz. 31; 6. 4. 2016, C-24/15, Plöckl, Rz. 39, 53; vgl. auch EuGH 15. 9. 2016, C-516, Barlis, Rz. 47; 9. 2. 2017, C-21/16, Euro Tyre, Rz. 36. 22 Damit sind die bereits weiter oben behandelten materiellen Anforderungen für die Gewährung von umsatzsteuerlichen Rechten angesprochen, vgl. dazu Schlussanträge von GA Saugmandsgaard Øe, 6. 4. 2016, C-24/15, Plöckl, Rz. 83 ff.; 27. 9. 2007, C-146/05, Collée, Rz. 29 ff.; Schlussanträge von GA Bot, 19. 4. 2018, C-580/16, Bühler, Rz. 91 m. w. N. 23 Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 2, 95 f., 98 ff.; vgl. auch die Ausführungen und Nachweise unter Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 437a; vgl. auch Gaedke, in: Melhardt/Tumpel (Hrsg.), Umsatzsteuergesetz3 Kommentar (2021) § 18 Rz. 9. 24 Vgl. etwa EuGH 26. 5. 2016, C-300/15, Kohll und Kohll-Schlesser; vgl. dazu im Detail die Darstellung in Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 142 ff. 25 Vgl. statt vieler EuGH 3. 12. 2019, C-482/17, Tschechische Republik/Parlament und Rat, Rz. 76 m. w. N.; Frenz, Handbuch Europarecht, Band IV (2009) Rz. 554 ff. m. w. N.; Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht 12 (2020) 198 ff.; vgl. dazu auch aus umsatzsteuerlicher Perspektive Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht

B. Unionsrechtliche Vorgaben für die Effizienz der Steuererhebung der MwSt.

305

im positiven Europarecht in Art. 5 Abs. 4 EUV und zudem noch in Art. 52 Abs. 1 S. 2 GRC normiert.26 Die Verhältnismäßigkeit gebietet, dass „Maßnahmen der Union inhaltlich wie formal nicht über das zur Erreichung der Ziele der Verträge erforderliche Maß“ hinausgehen.27 Allgemein gesprochen reguliert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz daher die Intensität und Form der Handlungsweisen der Europäischen Union.28 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bindet dabei sowohl das Handeln der Europäischen Union und ihrer Organe als auch die Mitgliedstaaten bei der Durchführung der ihnen durch Unionsrecht übertragenen Befugnisse.29 Die unionsrechtliche Verhältnismäßigkeit beinhaltet drei Aspekte, die Eignung, die Erforderlichkeit und die Angemessenheit bzw. die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn, welche nachfolgend genauer erläutert werden.30 Der erste Teilschritt der Verhältnismäßigkeitsprüfung des EuGH ist die Eignung einer Maßnahme zur Erreichung eines bestimmten legitimen Zieles.31 Dabei wird nicht geprüft, ob es sich um die bestmögliche Maßnahme handelt, sondern entscheidend ist, ob die jeweilige Handlung offensichtlich ungeeignet ist oder nicht.32 In den Worten des EuGH ist eine Maßnahme der Mitgliedstaaten dann geeignet, wenn sie dem Anliegen gerecht wird, ein Ziel „in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen“.33 Die Erforderlichkeit zielt als zweiter Teilaspekt der Verhältnismäßigkeit auf die Frage ab, ob sich mit einer Maßnahme das jeweilige Ziel auch sachdienlich umsetzen lässt.34 In diesem Sinne ist bei mehreren geeigneten Handlungsalternativen jene Maßnahme auszu-

221 ff. m. w. N.; Berger/Toifl/Wakounig, MwStSystRL2 25 ff.; vgl. dazu im Detail Schima, in: Jaeger/Stöger (Hrsg.), EUV/AEUV Art. 5 EUV Rz. 70 (Stand 1. 10. 2018, rdb.at); Tumpel, Mehrwertsteuer im innergemeinschaftlichen Warenverkehr 109 m. w. N. 26 Vgl. dazu Schima, in: Jaeger/Stöger, EUV/AEUV Art. 5 Rz. 70 (Stand 1. 10. 2018, rdb.at); Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht 12 198 ff.; Schmidt, Die Grundsätze im Sinne der EU-Grundrechtecharta (2010) 64; Frenz, Europarecht 2 (2016) Rz. 43, 250 ff.; Streinz, Europarecht (2019) Rz. 177; Schweitzer/Hummer/Obwexer, Europarecht (2007) Rz. 1270 ff. 27 Vgl. dazu Schima, in: Jaeger/Stöger, EUV/AEUV Art. 5 Rz. 70 (Stand 1. 10. 2018, rdb.at). 28 Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht12 Rz. 177. 29 Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht12 Rz. 177 m. w. N.; Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 221 f. m. w. N. 30 Vgl. dazu im Detail Martens, Methodenlehre des Unionsrechts (2013) 523 ff.; Berger/ Toifl/Wakounig, MwStSystRL2 25 ff.; Tumpel, Mehrwertsteuer im innergemeinschaftlichen Warenverkehr 37 ff. m. w. N., 109 m. w. N.; Schweitzer/Hummer/Obwexer, Europarecht Rz. 1270 ff.; Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht 12 Rz. 199; Schima, in: Jaeger/ Stöger, EUV/AEUV Art. 5 Rz. 71 (Stand 1. 10. 2018, rdb.at); vgl. auch EuGH 11. 7. 1989, 265/87, Schräder, Rz. 21; vgl. dazu auch die Darstellung von Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 222. 31 Berger/Toifl/Wakounig, MwStSystRL2 25 ff. 32 Berger/Toifl/Wakounig, MwStSystRL2 25 m. w. N. 33 EuGH 21. 12. 2011, C-28/09, Kommission/Österreich, Rz. 126 m. w. N. 34 Berger/Toifl/Wakounig, MwStSystRL2 25.

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Kap. 13: Das Besteuerungsprinzip der Effizienz

wählen, welche am wenigsten belastend ist.35 Der dritte und letzte Teilschritt betrifft die Angemessenheit bzw. die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn einer Maßnahme.36 Demnach müssen die Belastungen, welche aus einer Maßnahme resultieren, „in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen“.37 Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit verwendet der EuGH nicht immer alle drei Teilschritte, sondern beschränkt sich regelmäßig auf die Eignung und Erforderlichkeit.38 Der unionsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hat für die harmonisierte Mehrwertsteuer zentrale Bedeutung.39 Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist von den Mitgliedstaaten bei der Ausübung aller Befugnisse, welche ihnen die Mehrwertsteuersystemrichtlinie einräumt, zu beachten.40 Das bedeutet, die Mitgliedstaaten dürfen sich zur Realisierung ihrer politischen Ziele nur solcher Mittel bedienen, welche das harmonisierte Mehrwertsteuersystem so wenig wie möglich beeinträchtigen.41 Daher dürfen Maßnahmen der Mitgliedstaaten, die etwa darauf abzielen, die staatlichen Finanzen zu schützen, vor allem nicht die „Grundprinzipien“ des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts verletzen.42 Nach Berger/Toifl/ Wakounig versteht der EuGH unter diesen „Grundprinzipien“ des Mehrwertsteuersystems etwa das Recht auf den Vorsteuerabzug43 und das Ziel,44 Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und Missbräuche zu verhindern.45 35

EuGH 20. 5. 2010, C-365/08, Agrana Zucker, Rz. 29; 21. 7. 2011, C-150/10, BeneoOrafti, Rz. 75; Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht 12 199 m. w. N.; Berger/Toifl/ Wakounig, MwStSystRL2 40 m. w. N. 36 Schweitzer/Hummer/Obwexer, Europarecht Rz. 1274 m. w. N.; Berger/Toifl/Wakounig, MwStSystRL2 26. 37 EuGH 11. 7. 1989, 265/87, Schräder, Rz. 21; vgl. auch EuGH 7. 9. 2006, C-310/04, Spanien/Rat, Rz. 97; 11. 6. 2009, C-33/08, Agrana Zucker, Rz. 31; Schweitzer/Hummer/ Obwexer, Europarecht Rz. 1274; Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 222. 38 Martens, Methodenlehre des Unionsrechts 525 f.; Berger/Toifl/Wakounig, MwStSystRL2 25 m. w. N.; Schmidt, Die Grundsätze im Sinne der EU-Grundrechtecharta 64 m. w. N.; vgl. zur Frage eines dreiteiligen Aufbaues der Verhältnismäßigkeitsprüfung die Schlussanträge von GA Trstenjak, 8. 3. 2011, C-10/10, Kommission/Österreich, Rz. 67 m. w. N. und Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 222 und die dortige Fn. 921. 39 Die Darstellung dieses Themenkreises basiert auf Berger/Toifl/Wakounig, MwStSystRL2 25 ff. m. w. N. sowie auf Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 221 ff. m. w. N. 40 EuGH 26. 4. 2017, C-564/15, Farkas, Rz. 59 m. w. N.; 7. 12. 2000, de Andrade, C-213/99 Rz. 20; 6. 2. 2014, Fatorie, Rz. 50; Berger/Toifl/Wakounig, MwStSystRL2 26. 41 EuGH 18. 10. 2012, C-525/11, Mednis, Rz. 32; 10.7 2008, C-25/07, Sosnowska, Rz. 23 m. w. N.; 12. 7. 2012, EMS-Bulgaria Transport, C-284/11, Rz. 69. 42 EuGH 18. 12. 1997, C-286/94, Molenheide u. a., Rz. 47; 26. 3. 2015, C-499/13, Macikowski, Rz. 48 m. w. N.; Berger/Toifl/Wakounig, MwStSystRL2 26. 43 EuGH 28. 7. 2016, C-332/15, Astone, Rz. 43; 6. 12. 2012, C-285/11, Bonik, Rz. 25 m. w. N.; 13. 2.2014, C-18/13, Marks Pen, Rz. 23. 44 EuGH 14. 6. 2017, C-26/16, Santogal, Rz. 50 m. w. N. 45 Berger/Toifl/Wakounig, MwStSystRL2 26.

B. Unionsrechtliche Vorgaben für die Effizienz der Steuererhebung der MwSt.

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Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hat auch große Bedeutung für administrative Pflichten, welche dem Steuerpflichtigen durch die Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit der Mehrwertsteuer auferlegt werden dürfen.46 Es ist ständige Rechtsprechung des EuGH, dass im unionsrechtlichen Mehrwertsteuerrecht der steuerpflichtige Unternehmer als ein Steuereinnehmer für den Staat agiert.47 In Ausübung dieser Pflicht kann dem Unternehmer insbesondere bei der Erfüllung des Ziels der Vermeidung von Steuerhinterziehungen ein bisweilen hoher Verwaltungsaufwand auferlegt werden.48 Die Herstellung und Handhabung von solchen umsatzsteuerlichen Formalerfordernissen wie Rechnungen oder Buch- und Beförderungsnachweisen betrifft die Sphäre des Unternehmers und verursacht daher auch primär bei diesem einen administrativen Aufwand.49 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verhindert dabei, dass Unternehmer überbordend mit jenen Pflichten belastet werden, welche sie in ihrer Rolle als „Steuereintreiber“ ausführen müssen.50 Im Ergebnis begrenzt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz somit das Ausmaß der Belastungen, die einem Unternehmer im Rahmen seiner Steuerabfuhrpflichten auferlegt werden dürfen. Besonders sichtbar wird dieser Umstand bei der EuGHJudikatur zu Rechnungen und zu Nachweispflichten bei innergemeinschaftlichen Lieferungen. Diese Judikatur wird in Kapitel 13 B. I. 4. und 5. genauer erläutert. 3. Neutralitätsgrundsatz Der Neutralitätsgrundsatz bildet neben der Verhältnismäßigkeit die zweite Säule auf der die Rechtsprechungslinie der Ablehnung des Formalismus ruht.51 Da das Wesen dieses unionsrechtlichen Grundsatzes schon unter Kapitel 12 C. detailliert dargestellt wurde, kann an dieser Stelle auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden.

46 Vgl. etwa Gunacker-Slawitsch, Die „fahrlässige“ Beteiligung an einem Mehrwertsteuerbetrug, RdW 2018, 127 (131); vgl. im Detail auch Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 221 ff. m. w. N. 47 Vgl. etwa Schlussanträge von GA Kokott, C-246/16, Di Maura, Rz. 21; EuGH 20. 10. 1993, C-10/92, Baloccchi, Rz. 25; 21. 2. 2008, C-271/06, Netto Supermarkt, Rz. 21. 48 EuGH 21. 2. 2008, C-271/06, Netto Supermarkt, Rz. 22; 19. 12. 2013, C-563/12, BDV Hungary, Rz. 33 f.; 6. 9. 2012, C-273/11, Mecsek-Gabona, Rz. 47 f.; Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 223. 49 Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 79 f. 50 Vgl. etwa Gunacker-Slawitsch, RdW 2018, 130 f. 51 Vgl. etwa EuGH 21.18. 2018, C-664/16, Va˘ dan, Rz. 42; 9. 2. 2017, C-21/16, Euro Tyre, Rz. 36; vgl. auch Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 16 f., 95 f., 98 ff.

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Kap. 13: Das Besteuerungsprinzip der Effizienz

4. Ablehnung des Formalismus in Bezug auf die Rechnungen für den Vorsteuerabzug Die Bedeutung der Rechnung im Rahmen des unionsrechtlichen Mehrwertsteuersystems ist im Zusammenhang mit dem Recht auf Vorsteuerabzug zu betrachten.52 Allgemein gesprochen muss im Sinne der MwStSytRL ein Unternehmer, wenn er steuerbare Umsätze an andere Unternehmer ausführt, eine Rechnung an den Leistungsempfänger ausstellen.53 Der Leistungsempfänger benötigt für die Inanspruchnahme des Vorsteuerabzuges grundsätzlich eine Rechnung, welche die Angaben des Art. 226 MwStSystRL beinhaltet.54 Entscheidend für die Geltendmachung des Vorsteuerabzuges ist aber nach ständiger Rechtsprechung des EuGH das Vorliegen von folgenden materiellen55 Voraussetzungen: Leistungserbringer und -empfänger müssen Steuerpflichtige im Sinne der MwStSystRL sein und die erbrachte Leistung muss für besteuerte Umsätze des Empfängers verwendet werden.56 Die Hauptfunktion der Rechnung ist daher die Dokumentation der „essentialia negotii“ des steuerbaren Umsatzes: Es muss ersichtlich sein, wer die Vertragspartner sind und welchen Leistungsaustausch diese vereinbart haben.57 Neben dieser Dokumentationsfunktion dient die Rechnung noch als ein buchhalterischer Beleg, ein Beweismittel im Abgabenverfahren und spielt eine Rolle als ein Kontrollinstrument für den Vorsteuerabzug.58 Wie schon erläutert, lehnt der EuGH einen Formalismus in Bezug auf die Anforderungen an die Rechnung ab.59 So verstößt es laut dem EuGH gegen den Verhältnismäßigkeits- und Neutralitätsgrundsatz, den Vorsteuerabzug von vornherein zu

52 Vgl. zur Ausstellung der Rechnung Berger/Toifl/Wakounig, MwStSystRL2 Art. 178 Rz. 186 ff., Art. 220 Rz. 87 ff.; Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 437 ff. 53 Vgl. zu den unionsrechtlichen Grundlagen der Rechnung Art. 218 bis 236 MwStRL; vgl. zur Rechnung und Vorsteuerabzug im Detail Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 437 ff.; Schinnerl, ÖStZ 2017, 341; Schinnerl, Die Bedeutung der Rechnung im Umsatzsteuerrecht – bedarf es für den Vorsteuerabzug überhaupt noch einer Rechnung?, taxlex 2017, 9 (9 ff.); Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 162 ff. 54 Art. 178 lit. a MwStSystRL. 55 Vgl. zum Unterschied zwischen materiellen und formellen Anforderungen EuGH 28. 7. 2016, C-332/15, Giuseppe Astone, Rz. 47 m. w. N.; vgl. dazu auch schon Kapitel 13 B. I. 1. 56 Art. 168 lit. a MwStSystRL; Schinnerl, taxlex 2017, 10; EuGH 21. 10. 2010, C-385/09, Nidera Handelscompagnie, Rz. 44; 6. 9. 2012, C-324/11, Tóth, Rz. 26; 6. 12. 2012, C-285/11, Bonik, Rz. 29; 22. 10. 2015, C-277/14, PPUH Stehcemp, Rz. 28; 15. 9. 2016, C-516/14, Barlis 06 – Investimentos Imobiliários e Turísticos, Rz. 40; 15. 9. 2016, C-518/14, Senatex, Rz. 28; vgl. dazu auch Grenz-Verlag, Versagung des Vorsteuerabzugs wegen Gesetzesvermutung der vorgeschobenen Identität?, FJ 2016, 141 (141 ff.). 57 Schinnerl, ÖStZ 2017, 341 m. w. N.; Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 169 f. 58 Vgl. im Detail Schinnerl, ÖStZ 2017, 341 m. w. N. 59 Vgl. dazu schon Kapitel 13 B. I. 1. und die dort angeführte Judikatur.

B. Unionsrechtliche Vorgaben für die Effizienz der Steuererhebung der MwSt.

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versagen, wenn eine Rechnung nicht alle Formalangaben korrekt erfüllt.60 Für den EuGH kommt es nämlich zur Geltendmachung des Vorsteuerabzugs auf das Bestehen der materiellen61 Voraussetzungen an und nicht auf die formalen Kriterien der Rechnungsausstellung.62 Demnach ist es möglich, einen Vorsteuerabzug auch dann zu gewähren, wenn bestimmte Formalanforderungen der Rechnung nicht erfüllt sind, aber die materiellen Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug vom Steuerpflichtigen trotzdem nachgewiesen werden können.63 Somit kann der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer versuchen, bei Fehlen einer Rechnung oder Rechnungsmängeln das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug auch mit anderen objektiven Nachweisen zu belegen.64 Im Ergebnis verlangt diese EuGH-Rechtsprechung somit für den Unternehmer die grundsätzliche Möglichkeit, alternative Nachweise für den Vorsteuerabzug zu erbringen, da andernfalls „die steuerliche Neutralität seiner Umsätze verwehrt“ und auch gegen die Verhältnismäßigkeit verstoßen werden würde.65 In dieser von Verhältnismäßigkeits- und Neutralitätsüberlegungen66 getragenen Rechtsprechung des EuGH wird auch das Bestreben sichtbar, den Unternehmer administrativ zu entlasten. So eröffnet die Möglichkeit, die Berechtigung zum Vorsteuerabzug auf alternativen Wegen als mit einer Rechnung zu erbringen, für den Unternehmer eine Option, nach der er nach betriebswirtschaftlichen Effizienzparametern67 den Weg der geringsten administrativen Belastung wählen kann. Wenn etwa ein Rechnungsmangel besteht, kann sich der Unternehmer dazu entscheiden, die Rechnung entweder zu berichtigen oder versuchen, den Nachweis zum Vorsteuerabzug auf andere Weise mittels Lieferscheinen, Kontoauszügen, Packzetteln oder ähnlichen Unterlagen zu erbringen.68 Rechnungsberichtigungen können ins60 Vgl. dazu etwa EuGH 15. 9. 2016, C-516/14, Barlis, Rz. 42 m. w. N., Rz. 43; 21. 18. 2018, C-664/16, Va˘ dan, Rz. 42; 21. 4. 2005, C-25/03, HE, Rz. 82; vgl. auch 26. 4. 2017, C-564/ 15, Tibor Farkas, Rz. 57 ff.; Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 437a m. w. N. 61 Die Steuerpflichtigeneigenschaft von Leistendem und Empfänger sowie Verwenden der Leistung für besteuerte Umsätze; vgl. Art. 168 lit. a MwStSystRL; vgl. dazu schon Fn. 55. 62 EuGH 15. 9. 2016, C-516/14, Barlis, Rz. 43 ff.; 1. 3. 2012, C-280/10, Polski Trawertyn, Rz. 48; 21. 11. 2018, C-664/16, Va˘ dan, Rz. 44; vgl. dazu im Detail Schinnerl, Die Bedeutung der Rechnung für den Vorsteuerabzug – Eine Rechtsprechungsanalyse, ÖStZ 2014, 9 (11 ff. m. w. N.). 63 Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 437a m. w. N.; vgl. schon Fn. 56. 64 EuGH 21. 11. 2018, C-664/16, Va˘ dan, Rz. 44; 15. 9. 2016, C-516/14, Barlis, Rz. 44 f.; Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 179 f., 283. 65 EuGH 21. 11. 2018, C-664/16, Va˘ dan, Rz. 42. 66 Vgl. statt vieler EuGH 21. 18. 2018, C-664/16, Va˘ dan, Rz. 42; vgl. dazu auch schon Kapitel 13 B. I. 1. und die dort zitierte Judikatur. 67 In den Wirtschaftswissenschaften versteht man unter Effizienz allgemein das Verhältnis zwischen Mitteleinsatz und Erfolg, vgl. dazu schon Kapitel 7 C. II. 68 Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 214, 180, 181, 182, 183, 201; EuGH 21. 11. 2018, C-664/16, Va˘ dan, Rz. 42; 15. 9. 2016, C-516/14, Barlis, Rz. 44 f.; vgl. auch Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 437a m. w. N.

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Kap. 13: Das Besteuerungsprinzip der Effizienz

besondere dann schwierig und aufwändig für den Rechnungsempfänger sein, wenn zwischen der ursprünglichen Ausstellung der fehlerhaften Rechnung und einer gewünschten Berichtigung eine große Zeitspanne verstrichen ist.69 So kann der Rechnungsaussteller, der grundsätzlich allein das Recht zur Berichtigung70 innehat, in der verstrichenen Zeit unauffindbar, insolvent oder aus verschiedensten Gründen nur mit großem Aufwand erreichbar sein.71 In derartigen Fällen obliegt es dem Rechnungsempfänger zu eruieren, ob entweder eine Berichtigung oder ein Nachweis mit anderen Mitteln ein effizienteres und damit kostensparenderes Vorgehen für seine unternehmerische Tätigkeit darstellt. Das Steuerrecht geht überwiegend (noch) vom Menschenbild des homo oeconomicus aus und sieht den Unternehmer bzw. Steuerpflichtigen daher als einen wirtschaftlich denkenden rationalen Entscheider an, der stets auf seine Nutzenmaximierung ausgerichtet ist.72 Demnach wird sich der Unternehmer im Sinne einer betriebswirtschaftlichen Effizienz wohl meist für jene Alternative entscheiden, welche den ökonomisch geringsten Aufwand zeitigt und gleichzeitig die größte Chance bietet, den Vorsteuerabzug gewährt zu bekommen. Die Rechtsprechung des EuGH eröffnet einem Unternehmer somit hierbei prinzipiell die Möglichkeit, die Befolgungskosten bzw. administrativen Kosten der Umsatzsteuer zur Erlangung des Vorsteuerabzuges so niedrig wie möglich zu halten. Dieselben Überlegungen müssen sinngemäß auch für Sachverhalte gelten, in denen der leistungsempfangende Unternehmer überhaupt keine Rechnung ausgestellt bekommt – der Unternehmer kann nach seinen eigenen Effizienzkriterien jenen „objektiven Nachweis“ wählen, welcher die Bewilligung des Vorsteuerabzuges am vielversprechendsten macht.73 Es ist jedoch zu erwähnen, dass die Gewährung eines Vorsteuerabzuges trotz gänzlichen Fehlens einer Rechnung als Ausnahmefall zu qualifizieren ist.74 Die eben erörterte, auf dem Verhältnismäßigkeits- und Neutralitätsgrundsatz basierende Rechtsprechung des EuGH zur Rechnung beinhaltet somit die Facette, den Unternehmer zu ermächtigen, selbst den Weg der geringsten administrativen Belastung zu wählen und in diesem Zusammenhang die Befolgungskosten der Umsatzsteuer möglichst gering zu halten.

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Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 182. Vgl. zur Berichtigung etwa EuGH 8. 5. 2013, C-271/12, Petroma, Rz. 34; vgl. auch UStR 2000 Rz. 1738; Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 446 ff. 71 Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 182. 72 Wagner, Der homo oeconomicus als Menschenbild des Steuerrechts, DStR 2014, 1133 (1133 ff.); Ehrke-Rabel/Gunacker-Slawitsch, Die Bedeutung von Governance für das Steuerrecht, ALJ 2014, 99 (106 und die dortige Fn. 36). 73 Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 180. 74 Vgl. im Detail Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 177 ff., 180. 70

B. Unionsrechtliche Vorgaben für die Effizienz der Steuererhebung der MwSt.

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5. Ablehnung des Formalismus bei Nachweis der innergemeinschaftlichen Lieferung Unter einer innergemeinschaftlichen Lieferung wird im unionsrechtlichen Mehrwertsteuersystem im Wesentlichen die entgeltliche grenzüberschreitende Lieferung eines Gegenstandes zwischen zwei Unternehmern innerhalb der Europäischen Union verstanden.75 Materielle Voraussetzung einer innergemeinschaftlichen Lieferung ist, dass Gegenstände physisch an einen Ort außerhalb des Lieferstaates gelangen.76 So kann nach ständiger Rechtsprechung des EuGH der liefernde Unternehmer die Steuerbefreiung erst dann in Anspruch nehmen, wenn dieser nachgewiesen hat, dass der Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat verbracht wurde und damit den Lieferstaat tatsächlich örtlich verlassen hat.77 Für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung bestehen auch formale Nachweisverpflichtungen,78 deren konkrete Ausgestaltung großteils den Mitgliedstaaten obliegt.79 In Österreich werden diese Formalverpflichtungen durch den Buchnachweis, den Beförderungsnachweis und eine Zusammenfassende Meldung (ZM) erfüllt.80 Im Jahr 2020 wurde mittels einer EU-Durchführungsverordnung festgelegt, dass für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung grundsätzlich die korrekte Angabe der UIDNummer des Erwerbers im Rahmen einer ZM notwendig ist und darüber hinaus detaillierte Vorgaben für den Beförderungsnachweis normiert.81 Nach Schinnerl ist 75

Vgl. etwa Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 344 f., 378 f.; Art. 138 f. MwstSystRL. Vgl. dazu auch Tumpel, Verschärfung der Voraussetzungen für die Befreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen, SWK 2017, 1396 (1369 m. w. N.); Art. 138 MwStSystRL. 77 Vgl. dazu etwa EuGH 9. 10. 2014, C-492/13, Traum, Rz. 24; 27. 9. 2007, C-409/04, Teleos u. a., Rz. 42; vgl. auch EuGH 6. 9. 2012, C-273/11, Mecsek-Gabona, Rz. 36 m. w. N.; die Darstellung dieses Themenkreises basiert auf Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 216 ff. m. w. N. 78 Dabei darf die Steuerbefreiung jedoch nicht allein von der Formalverpflichtung abhängig gemacht werden, Berger/Toifl/Wakounig, MwStSystRL2 Art. 138 Rz. 88. 79 Die Darstellung dieses Themenkreises basiert auf Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 216 ff. m. w. N.; vgl. dazu etwa EuGH, 27. 9. 2007, C-146/05, Collée, Rz. 24 f.; 9. 10. 2014, C-492/13, Traum, Rz. 24; 27. 9. 2007, C-409/04, Teleos u. a., Rz. 42; vgl. auch EuGH 6. 9. 2012, C-273/11, Mecsek-Gabona, Rz. 36 m. w. N.; Berger/Toifl/ Wakounig, MwStSystRL2, Art. 138 Rz. 183 ff., 195 f.; vgl. auch Berger/Toifl/Wakounig, MwStSystRL2, Art. 138 Rz. 188. 80 Art. 131, Art. 273 Abs. 1 MwSystRL; Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 217 m. w. N.; Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 361, 563 ff., 568 f.; Huber/Lacha, Die EU Quick Fixes-Neuerungen im Mehrwertsteuersystem, VWT 2019, 180 (180 ff.); Pichler/Schmoigl, „Quick Fixes“ – wichtige umsatzsteuerliche Neuregelungen für die Praxis ab 2020, taxlex 2019, 205 (205 ff.); vgl. auch Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 94 ff.; Tumpel, SWK 2017, 1369 m. w. N. 81 Ehrke-Rabel, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 363; Huber/Lacha, VWT 2019, 182 ff.; Pichler/Schmoigl, taxlex 2019, 205; vgl. zu den Auswirkungen dieser Änderung auch Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 95 f. 76

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Kap. 13: Das Besteuerungsprinzip der Effizienz

aufgrund des Zwecks der ZM und UID-Nummer jedoch davon auszugehen, dass dies nichts am formellen Charakter dieser Voraussetzungen für das Recht auf Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung ändert.82 Abgesehen von den unionsrechtlichen Vorgaben der Durchführungsverordnung, obliegt die Ausgestaltung der übrigen Rahmenbedingungen der Formalnachweise den Mitgliedstaaten.83 Im Zusammenhang mit der innergemeinschaftlichen Lieferung kann sich der Grundsatz der Ablehnung des Formalismus in zwei Bereichen kostensparend für die Befolgungskosten der Steuerpflichtigen auswirken: zum einen generell bei der allgemeinen rechtlichen Normierung von Nachweispflichten durch die Mitgliedstaaten und zweitens – wie schon bei der Rechnung – auf die alternative Erbringung von Nachweisen. Der EuGH hat in seiner ständigen Rechtsprechung schon mehrmals explizit festgehalten, dass die nationalen Regelungen, mit denen die Nachweispflichten für die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung normiert werden, generell dem Verhältnismäßigkeits- und Neutralitätsgrundsatz entsprechen müssen.84 Demnach dürfen die Anforderungen der Mitgliedstaaten zur Nachweiserbringung auch nicht über das hinausgehen, was notwendig ist, um die in der MwStSystRL genannten Ziele zu erreichen – dabei handelt es sich insbesondere85 um die Verhinderung von Steuerhinterziehungen.86 Vor dem Hintergrund dieses Ziels können an den liefernden Unternehmer zwar hohe Ansprüche angelegt werden, diese dürfen jedoch nicht grundsätzlich die Geltendmachung der Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung an sich gefährden oder übermäßig erschweren.87 In 82 Vgl. im Detail Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 95 f., 279. 83 So bleibt auch die bisherige österreichische VO 401/1996 in Kraft und somit wird auch der Buchnachweis weiter nach § 5 ff. dieser VO erbracht, vgl. dazu Huber/Lacha, VWT 2019, 183; vgl. auch UStR Rz. 2581. 84 EuGH 14. 3. 2013, C-527/11, Ablessio, Rz. 30, 34 f.; 27. 9. 2007, C-146/05, Collée, Rz. 26; 6. 9. 2012, C-273/11, Mecsek-Gabona, Rz. 36 m. w. N.; 9. 10. 2014, C-492/13; Traum, Rz. 27 m. w. N.; 9. 2. 2017, C-21/16, Euro Tyre, Rz. 36; vgl. auch die Schlussanträge von GA Mengozzi, 22. 3. 2018, C-108/17, Enteco Baltic, Rz. 117 ff. 85 Art. 131 MwStSystRL i. V. m. Art. 138 MwStSystRL; vgl. auch Art. 273 Abs. 1 MwStSystRL 86 Vgl. etwa EuGH 9. 2. 2017, C-21/16, Euro Tyre, Rz. 33 m. w. N.; 27. 9. 2007, C-409/04, Teleos u. a., Rz. 46 m. w. N.; vgl. auch EuGH 21. 2. 2006, Halifax plc u. a., C-255/02, Rz. 92 m. w. N.; Sopp, Umsatzbesteuerung beim Handel in der EU (2010) 184 m. w. N., 186, 287 f. m. w. N.; Gaedke, in: Melhardt/Tumpel, UStG3 § 18 Rz. 8 m. w. N.; Kettisch, Reihengeschäfte in der Umsatzsteuer (2017) 32; Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 223. 87 EuGH 19. 9. 2000, C-454/98, Schmeink & Cofreth und Manfred Strobel, Rz. 59; 3. 3. 2004, C-395/02, Transport Service NV, Rz. 29 m. w. N.; 21.2 2006, C-255/02, Halifax u. a., Rz. 92; 27. 9. 2007, C-146/05, Collée, Rz. 26; diese Urteile ergingen zu Art. 22 Abs. 6 der sechsten RL 77/388/EWG zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern, vgl. dazu aktuell Art. 273 Abs. 1 MwStSystRL; vgl. auch EuGH 27. 9. 2007, C-409/04, Teleos u. a., Rz. 46 und 58 sowie 21.2. 2008, C-271/06, Netto Super-

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diesem Sinne sind Formalverpflichtungen unzulässig, welche der Unternehmer nur mit einem unverhältnismäßig hohen administrativen Aufwand erfüllen kann.88 Es muss daher für einen sorgfältigen Lieferanten möglich sein, diese Nachweispflichten in einer zumutbaren und verhältnismäßigen Art und Weise zu erbringen.89 Bieber merkt jedoch an, dass der EuGH nicht detailliert definiert, ab wann der Aufwand für eine Nachweispflicht noch zumutbar ist und wann nicht.90 Im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geht Schinnerl davon aus, dass die Nachweise für den liefernden Unternehmer einfach zu beschaffen sein müssen und sich dabei „nicht störend auf den laufenden Geschäftsbetrieb“ auswirken dürfen.91 Demnach wäre es etwa unverhältnismäßig, wenn ein Nachweis über eine Lieferung nur aufgrund der Mitwirkung des Erwerbers gültig erbracht werden kann.92 Generell wird für die Frage, ob eine Nachweispflicht für einen Unternehmer noch zumutbar bzw. verhältnismäßig ist, ein strenger Maßstab anzulegen sein.93 Denn der EuGH lässt in seiner Rechtsprechung erkennen, dass die Mitgliedstaaten nur solche Maßnahmen erlassen dürfen, welche für eine ordnungsgemäße Steuererhebung „unbedingt erforderlich“ sind.94 Um zu ergründen, wann etwas „unbedingt erforderlich“ ist, wird im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine Abwägung zwischen den durch die Nachweispflichten angestrebten Zielen und die dadurch beim Unternehmer ausgelösten Belastungen vorzunehmen sein. Der zweite Bereich betrifft die Erbringung alternativer Nachweise der materiellen Voraussetzungen für das Bestehen des Rechts auf eine Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung. In diesem Zusammenhang hielt der EuGH ausdrücklich fest, dass es sich bei der UID-Nummer und einer sogenannten MIASRegistrierung lediglich um formelle Voraussetzungen handelt, deren Fehlen das Recht auf Steuerbefreiung nicht in Frage stellen kann, sofern die materiellen Vormarkt, Rz. 22; Sopp, Umsatzbesteuerung beim Handel in der EU 287 m. w. N.; Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 223. 88 In dieselbe Kerbe schlägt auch der unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz, welcher es verbietet, die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren, vgl. dazu EuGH 26. 4. 2017, C-564/15, Farkas, Rz. 50 m. w. N.; 19. 7. 2012, C-591/10, Littlewoods Retail, Rz. 28 m. w. N.; Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 223; Berger/Toifl/Wakounig, MwStSystRL2 29 m. w. N. 89 Vgl. dazu die auf die innergemeinschaftliche Lieferung übertragbaren Gedanken zur Ausfuhrlieferung von Bieber, Die umsatzsteuerliche Rechtsprechung des EuGH zur Ausfuhrlieferung, in: Summersberger (Hrsg.), Die Ausfuhr im Abgaben-, Finanzstraf- und Außenwirtschaftsrecht (2017) 99 unter Verweis auf 21. 2. 2008, C-271/06, Netto Supermarkt, Rz. 26. 90 Vgl. im Detail Bieber, in: Summersberger 100. 91 Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 224. 92 Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 224 m. w. N. unter Verweis auf die Gelangensbestätigung in der Bundesrepublik Deutschland. 93 Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 226. 94 EuGH 27. 9. 2012, C-587/10, VSTR, Rz. 52.

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Kap. 13: Das Besteuerungsprinzip der Effizienz

aussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung erfüllt sind.95 In einem anderen Urteil hielt der EuGH fest, dass der Nachweis von materiellen Voraussetzungen der Steuerbefreiung „nicht in jedem Fall ausschließlich von der Mitteilung der Umsatzsteueridentifikationsnummer abhängen“ muss.96 Diese Gedanken fügen sich kongruent in den Grundsatz der Ablehnung des Formalismus des EuGH und bedeuten, dass auch die materiellen Voraussetzungen der Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung durch alternative Nachweise erbracht werden können.97 Die unter Kapitel 13 B. I. 4. getätigten Ausführungen zu Alternativnachweisen bei der Rechnung gelten daher auch hier sinngemäß. 6. Fazit Der Grundsatz der Ablehnung des Formalismus des EuGH, welcher von Verhältnismäßigkeits- und Neutralitätsgedanken geprägt ist, schafft potentiell die Möglichkeit einer Senkung der Administrativkosten für Unternehmer.

II. Rechtstheoretische Analyse des EuGH-Grundsatzes der Ablehnung des Formalismus 1. Prinzipientheorie auf Ebene des Europarechts Die Prinzipientheorie im Sinne von Alexy und Dworkin lässt sich nicht nur auf der Ebene des nationalen Rechts ergiebig anwenden.98 So besteht mittlerweile reichhaltige Literatur, welche es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Erkenntnisse und Strukturen der Prinzipienlehre auch auf das Europarecht zu übertragen.99 Dabei laden etwa die Grundrechte der EU durch ihren Abwägungscharakter, der durch den EuGH

95 EuGH 9. 2. 2017, C-21/6, Euro Tyre, Rz. 29, 32, 35; Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 125 f. 96 EuGH 20. 10. 2016, C-24/15, Plöckl, Rz. 41. 97 Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 125 f.; EuGH 9. 2. 2017, C-21/6, Euro Tyre, Rz. 35 f.; 20. 10. 2016, C-24/15, Plöckl, Rz. 38 f.; vgl. dazu auch Gaedke, in: Melhardt/Tumpel, UStG3 § 18 Rz. 9 ff. m. w. N. 98 Vgl. etwa Schmidt, Die Grundsätze im Sinne der EU-Grundrechtecharta 63 ff.; Henninger, Menschenrechte und Frieden als Rechtsprinzipien des Völkerrechts 229 ff.; Starke, EU-Grundrechte und Vertragsrecht (2016) 227 ff.; Schroeder, Das Gemeinschaftsrechtssystem 262; Koch, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (2003) 494 f. 99 Vgl. etwa Schmidt, Die Grundsätze im Sinne der EU-Grundrechtecharta 63 ff.; Henninger, Menschenrechte und Frieden als Rechtsprinzipien des Völkerrechts 229 ff.; Starke, EU-Grundrechte und Vertragsrecht 227 ff.; Schroeder, Das Gemeinschaftsrechtssystem 262; Koch, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften 494 f.

B. Unionsrechtliche Vorgaben für die Effizienz der Steuererhebung der MwSt.

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in seiner ständigen Rechtsprechung100 betont wird, dazu ein, diese als Rechtsprinzipien im Sinne von Dworkin und Alexy zu verstehen.101 Der EuGH betont bei der Kollision von EU-Grundrechten regelmäßig ausdrücklich, dass in diesem Falle ein „angemessenes Gleichgewicht“ herzustellen ist und gegenläufige Gesichtspunkte miteinander „abzuwägen“ sind.102 Zudem werden auch in anderen Bereichen des EUPrimärrechts wie den Zielen des Unionsrechts oder auch in den Richtlinien Ähnlichkeiten mit der Prinzipientheorie gesehen.103 Festzuhalten ist, dass sich die Prinzipientheorie auf der unionsrechtlichen Ebene zwar noch nicht einer gleichen Anerkennung wie auf der Stufe des nationalen Rechts erfreut.104 Dennoch kann man erkennen, dass eine europäische Prinzipienlehre dabei ist, sich zu etablieren.105 Nachfolgend wird daher geklärt werden, wie der EuGH-Grundsatz der Ablehnung des Formalismus innerhalb der Strukturen der Prinzipientheorie erklärt werden kann. 2. Das rechtstheoretische Wesen von Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, Steuerneutralität und objektiven Begriffen der MwStSystRL Wie schon in Kapitel 13 B. I. erläutert, werden als Ursprung des Grundsatzes der Ablehnung des Formalismus der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, die Steuerneutralität und die objektiven Begriffe der MwStSystRL angesehen. Um das rechtstheoretische Wesen dieses EuGH-Grundsatzes vollständig zu erfassen, ist es in einem ersten Schritt notwendig, die rechtstheoretische Natur seiner drei Bestandteile zu erläutern. Der Neutralitätsgrundsatz der Umsatzsteuer wurde schon in Kapitel 12 C. genauer analysiert. Dabei wurde festgestellt, dass die Neutralität der Umsatzsteuer nach ständiger Rechtsprechung des EuGH einen Auslegungsgrundsatz für die MwStSystRL darstellt. Als zweites ist der objektive Charakter der Begriffe der MwStSystRL zu erläutern.106 Gemeint sind damit etwa die in der MwStSystRL ausdrücklich positivierten materiellen Erfordernisse für einen Vorsteuerabzug (Art. 168 lit. a) oder eine steu100 Vgl. etwa EuGH 22. 1. 2013, C-283/11, Sky Österreich, Rz. 59 f.; 17. 10. 2013, C-101/ 12, Schaible, Rz. 60. 101 Schmidt, Die Grundsätze im Sinne der EU-Grundrechtecharta 63 ff., 65; Starke, EUGrundrechte und Vertragsrecht 227 ff., 231. 102 EuGH 22. 1. 2013, C-283/11, Sky Österreich, Rz. 59 f.; 17. 10. 2013, C-101/12, Schaible, Rz. 60; Starke, EU-Grundrechte und Vertragsrecht 232 f. m. w. N. 103 Vgl. dazu instruktiv Henninger, Menschenrechte und Frieden als Rechtsprinzipien des Völkerrechts 229 f.; vgl. auch Schlussanträge von GA Trstenjak, 7. 7. 2011, C-214/10, KHS/ Schulte, Rz. 84 und die dortigen Nachweise. 104 Henninger, Menschenrechte und Frieden als Rechtsprinzipien des Völkerrechts 228. 105 Henninger, Menschenrechte und Frieden als Rechtsprinzipien des Völkerrechts 230. 106 Vgl. dazu etwa die Schlussanträge von GA Bot, C-580/16, Bühler, Rz. 91 m. w. N.; vgl. auch schon Kapitel 13 B. I. 1. und die dortigen Nachweise.

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Kap. 13: Das Besteuerungsprinzip der Effizienz

erbefreite innergemeinschaftliche Lieferung (Art. 138). Bei diesen Normen handelt es sich eindeutig um positivrechtliche Rechtsregeln, da diese nur entweder erfüllt oder nicht erfüllt werden können. So fordert etwa Art. 168 lit. a für das Recht auf Vorsteuerabzug, dass sowohl Leistungserbringer als auch Leistungsempfänger Steuerpflichtige sind und die erbrachte Leistung für besteuerte Umsätze des Empfängers verwendet werden muss.107 Diese Tatbestandsmerkmale haben eine Allesoder-nichts-Natur, denn sie können nur erfüllt oder nicht erfüllt werden und führen zu einer klaren Rechtsfolge. Somit haben die im Zusammenhang mit dem Grundsatz der Ablehnung des Formalismus gemeinten objektiven Begriffe der MwStSystRL die rechtstheoretische Natur von Rechtsregeln. Nun wird die rechtstheoretische Natur des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geklärt. Wie schon unter Kapitel 13 B. I. 2. erwähnt, ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Art. 5 Abs. 4 EUV und zudem noch in Art. 52 Abs. 1 S. 2 GRC im positiven Europarecht normiert.108 Darüber hinaus gilt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz noch als ein allgemeiner Rechtsgrundsatz des Unionsrechts.109 Der EuGH hat den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Unionsrechts auch einen „Verfassungsrang“ zugesprochen.110 Für die Mitgliedstaaten ergibt sich die Rechtsgeltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in diesem Sinne also aus dem Primärrecht bzw. aus dem ihm von EuGH zugesprochenen „Verfassungsrang“.111 Im Schrifttum wird der europarechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Sinne von Alexy interpretiert. Nach Alexy hat dieser Grundsatz selbst nicht die Natur eines

107 Vgl. etwa Art. 168 lit. a MwStSystRL; EuGH 21. 10. 2010, C-385/09, Nidera Handelscompagnie, Rz. 44; 6. 9. 2012, C-324/11, Tóth, Rz. 26; 6. 12. 2012, C-285/11, Bonik, Rz. 29; 22. 10. 2015, C-277/14, PPUH Stehcemp, Rz. 28; 15. 9. 2016, C-516/14, Barlis, Rz. 40; 15. 9. 2016, C-518/14, Senatex, Rz. 28; Schinnerl, taxlex 2017, 10 und die dortige Fn. 9; vgl. dazu auch Grenz-Verlag, FJ 2016, 143 m. w. N. 108 Vgl. etwa Schima, in: Jaeger/Stöger, EUV/AEUV Art. 5 Rz. 70 (Stand 1. 10. 2018, rdb.at); Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht 12 Rz. 198 ff.; Schmidt, Die Grundsätze im Sinne der EU-Grundrechtecharta 64; Frenz, Europarecht 2 (2016) Rz. 43, 250 ff.; vgl. auch die übrigen Nachweise unter Kapitel 13 B. I. 2. 109 Vgl. statt vieler EuGH 8. 6. 2010, C-58/08, Vodafone u. a., Rz. 51 ff.; 3. 12. 2019, C-482/ 17, Tschechische Republik/Parlament und Rat, Rz. 76 m. w. N.; vgl. auch schon Kapitel 13 B. I. 2.; Frenz, Handbuch Europarecht IV Rz. 554 ff. m. w. N.; Haratsch/Koenig/ Pechstein, Europarecht 12 198 ff.; vgl. dazu auch aus umsatzsteuerlicher Perspektive Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 221 ff. m. w. N.; Berger/Toifl/Wakounig, MwStSystRL2 25; vgl. dazu im Detail Schima, in: Jaeger/Stöger, EUV/AEUV Art. 5 Rz. 70 (Stand 1. 10. 2018, rdb.at); Tumpel, Mehrwertsteuer im innergemeinschaftlichen Warenverkehr 109 m. w. N. 110 EuGH 15. 10. 2009, C-101/08, Audiolux, Rz. 63; Martens, Methodenlehre des Unionsrechts 155 m. w. N.; Stotz, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre (2015) § 22 Rz. 24; vgl. auch Fenner, Ein neuer wettbewerbsorientierter Ansatz in den wirtschaftsfördernden Politiken der EU (2017) 503 m. w. N. 111 Martens, Methodenlehre des Unionsrechts 155, 522 mWN; EuGH 15. 10. 2009, C-101/ 08, Audiolux, Rz. 63.

B. Unionsrechtliche Vorgaben für die Effizienz der Steuererhebung der MwSt.

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Rechtsprinzips.112 Die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsmaßstabes an sich bzw. seiner drei Teilschritte der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit wird somit nach Alexy nicht gegen andere Gesichtspunkte abgewogen. Eine Abwägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes selbst hätte nämlich zur Folge, dass dieser Grundsatz in einem Fall den Vorrang hätte bzw. anzuwenden wäre und in einem anderen Sachverhalt von einem gegenläufigen Gesichtspunkt vollends übertrumpft werden könnte und somit nicht anwendbar wäre. Dies würde dem Wesen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als generelle Schranke für das Handeln der Union und der Mitgliedstaaten widersprechen.113 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des Unionsrechtes ist demnach als solches nicht114 in Abwägung zu stellen und stellt daher auch kein Rechtsprinzip dar.115 Vielmehr gleicht die Normenstruktur dieses Grundsatzes der einer Rechtsregel.116 Es wird nämlich generell gefordert, dass Maßnahmen der Mitgliedstaaten und der Union verhältnismäßig sind, also die drei Teilgrundsätze der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit erfüllt sind. Sind diese Vorgaben nicht erfüllt, ist eine Maßnahme unionsrechtswidrig – demnach liegt hier die Alles-oder-Nichts-Natur einer Rechtsregel vor.117 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz selbst ist also kein Rechtsprinzip, sondern erfüllt die Funktion einer Schranke für unionsrechtliches bzw. mitgliedstaatliches Handeln und ist damit eine Rechtsregel. 3. Die Ablehnung des Formalismus als Zusammenspiel von Verhältnismäßigkeit, Neutralität und objektiven Begriffen der MwStSystRL Der EuGH-Grundsatz der Ablehnung des Formalismus setzt sich aus rechtstheoretischer Sicht zusammen aus dem Auslegungsgrundsatz der Steuerneutralität, den Rechtsregeln der objektiven Begriffe der MwStSystRL und der Rechtsregel des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Nachdem die rechtstheoretische Natur der drei einzelnen Bestandteile dieses Grundsatzes erläutert wurde, ist nun zu klären, welche Natur dieser Grundsatz in seiner Gesamtheit hat. Wie schon unter Kapitel 13 B. I. 1. erläutert, besagt der Grundsatz der Ablehnung des Formalismus im Wesentlichen, dass ein Recht, welches die MwStSystRL 112

Vgl. im Detail Alexy, Theorie der Grundrechte 100 und die dortige Fn. 84. Vgl. dazu schon Kapitel 13 B. I. 2. 114 Hervorhebung durch den Verfasser. 115 Nach Alexy ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ein Instrument, um Prinzipien zu relativieren, vgl. dazu Alexy, Theorie der Grundrechte 100 und die dortige Fn. 84; vgl. auch Schmidt, Die Grundsätze im Sinne der EU-Grundrechtecharta 65. 116 Alexy, Theorie der Grundrechte 100 und die dortige Fn. 84; vgl. auch Schmidt, Die Grundsätze im Sinne der EU-Grundrechtecharta 65. 117 Vgl. im Detail Schmidt, Die Grundsätze im Sinne der EU-Grundrechtecharta 65; Starke, EU-Grundrechte und Vertragsrecht 232; Alexy, Theorie der Grundrechte 100 und die dortige Fn. 84. 113

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Kap. 13: Das Besteuerungsprinzip der Effizienz

gewährt, nicht aufgrund von formalen Mängeln verwehrt werden darf, wenn nachgewiesen werden kann, dass die materiellen Voraussetzungen dieses Rechts vorliegen. Schinnerl liegt richtig, wenn er diesen Grundsatz als eine „Regel“ bezeichnet.118 Aus rechtstheoretischer Perspektive handelt es sich hierbei nämlich klar um eine Rechtsregel im Sinne der Prinzipientheorie: Wenn die materiellen Voraussetzungen eines Rechts nachgewiesen werden können, dann muss dieses Recht auch gewährt werden. Dieser Grundsatz der Ablehnung des Formalismus kann daher nur entweder erfüllt oder nicht erfüllt werden und nicht mehr oder weniger verwirklicht werden. Entweder können die materiellen Voraussetzungen nachgewiesen werden oder nicht. Diese Rechtsregel kommt nur bei zwei Ausnahmefällen nicht zur Anwendung: entweder der Nachweis der materiellen Voraussetzungen ist unmöglich oder es liegt eine vorsätzliche Beteiligung an einer Steuerhinterziehung vor.119 Der Grundsatz der Ablehnung des Formalismus gleicht also in seiner Wirkung einer Rechtsregel. Der „Grundsatz der Ablehnung von Formalismus“ hat keine explizite positive Rechtsgrundlage im Unionsrecht.120 Vielmehr ist dieser Grundsatz das Ergebnis der Judikatur des EuGH zu Formalverpflichtungen in der Umsatzsteuer und des Zusammenspielens von Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, Neutralitätsprinzip und objektiven Begriffen der Mehrwertsteuerrichtlinie. Diese drei Teilbereiche verfestigen sich durch die ständige Rechtsprechung des EuGH zum „Grundsatz der Ablehnung von Formalismus“, welcher in seiner Wirkung einer Rechtsregel gleicht. Dieser „Grundsatz“ findet seine Verankerung auch im positiven Unionsrecht in Gestalt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und den jeweiligen objektiven Begriffen der Mehrwertsteuerrichtlinie wie etwa die Vorsteuerabzugsanforderungen oder die Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung. Daraus ergibt sich folgendes Ergebnis: Der „Grundsatz der Ablehnung von Formalismus“ ist eine Rechtsprechungslinie des EuGH mit der Wirkung einer Rechtsregel. Diese Rechtsprechungslinie beruht auf der richterlichen Anwendung der positivrechtlich verankerten Rechtsregeln des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und den Begriffen der Mehrwertsteuerrichtlinie sowie dem Auslegungsgrundsatz der Steuerneutralität. Im Wesentlichen besagt diese Rechtsprechungslinie, dass ein in Anspruch genommenes Recht nicht aufgrund eines Formmangels verwehrt werden kann, sofern nachgewiesen wird, dass die materiellen Voraussetzungen dieses Rechts bestehen.121

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Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 100. Vgl. im Detail Schinnerl, ÖStZ 2017, 341 f. m. w. N. 120 Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 100. 121 Vgl. dazu schon Kapitel 13 B. I. und die dortigen Nachweise.

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C. Grundsatz der Ablehnung des Formalismus im österr. Recht

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C. Der unionsrechtliche Grundsatz der Ablehnung des Formalismus im österreichischen Recht? Der unionsrechtliche Grundsatz der Ablehnung des Formalismus findet sich auch in der höchstrichterlichen Judikatur in Österreich. Diesen Umstand hat jüngst Schinnerl ausführlich dargestellt.122 Als wegweisend gilt dabei ein Erkenntnis des VfGH123 aus dem Jahr 2003, welches soweit erkennbar auch die einzige relevante Entscheidung des VfGHs zu dieser Thematik ist.124 In diesem Sachverhalt wurde die Steuerbefreiung von der belangten Behörde für eine Ausfuhrlieferung aufgrund des fehlenden formalen Buchnachweises versagt, obwohl die materiellen Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung zweifellos vorlagen. Für den VfGH war das Vorgehen der Behörde „überschießend“ und stellte einen Verstoß „gegen das dem Gleichheitssatz innewohnende Verhältnismäßigkeitsgebot“ dar. Das Versagen von umsatzsteuerlichen Befreiungen oder Begünstigungen allein aufgrund von formalen Mängeln verstößt somit im Ergebnis gegen den Gleichheitssatz. Diese Sichtweise des VfGH wurde, wie Schinnerl erörtert, im Jahr 2007 zuerst unionsrechtlich durch die Rechtssache Collée125 bestätigt und dann in weiterer Folge auch in der ständigen Rechtsprechung des VwGHs126 aufgenommen.127 Somit wird auch in der höchstrichterlichen Judikatur in Österreich der Ablehnung des Formalismus Rechnung getragen, wonach etwa der Buchnachweis oder der Nachweis der Beförderung nicht als materielle, sondern lediglich als formale Anforderungen für eine Umsatzsteuerbefreiung anzusehen sind.128 Entscheidend ist also auch für das innerstaatliche österreichische Recht, dass die materiellen Voraussetzungen einer Steuerbefreiung nachgewiesen werden können. Im Ergebnis kommt Schinnerl daher zu dem Schluss, dass der unionsrechtliche Grundsatz der Ablehnung des Formalismus in Österreich umgesetzt wird.129 Nach den Angaben des VfGH aus jenem, für Österreich wegweisenden, Erkenntnis, ergibt sich die Ablehnung des Formalismus aus dem „Verhältnismäßigkeitsgebot“, welches dem Gleichheitssatz innewohnt.130 Demnach ist der unionsrechtliche Grundsatz der Ablehnung des Formalismus in Österreich im Gleichheitssatz verankert. Rechtstheoretisch stellt das Verhältnismäßigkeitsgebot, wie 122 Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 243, 250 m. w. N. 123 VfSlg 17.096/2003. 124 Gaedke, in: Melhardt/Tumpel, UStG3 § 18 Rz. 11 m. w. N. 125 EuGH 27. 9. 2007, C-146/05, Collée, Rz. 29 ff. 126 Vgl. etwa VwGH 27. 11. 2014, 2012/15/0192. 127 Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 250. 128 Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 250. 129 Schinnerl, Die Bedeutung der Form im europäischen Umsatzsteuerrecht 250. 130 VfSlg 17.096/2003.

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Kap. 13: Das Besteuerungsprinzip der Effizienz

schon erörtert, eine Rechtsregel dar.131 Das OECD-Besteuerungsprinzip der Effizienz der Steuerabfuhr findet sich daher in Österreich in Bezug auf die Umsatzsteuer im Gleichheitssatz wieder.

D. Ergebnis Der Aspekt der effizienten Abfuhr der Umsatzsteuer des OECD-Besteuerungsprinzips der Effizienz findet sich unionsrechtlich im Grundsatz der Ablehnung des Formalismus wieder. Dieser Grundsatz ergibt sich aus einer Rechtsprechungslinie des EuGH, welche insbesondere auf Verhältnismäßigkeits- und Neutralitätsüberlegungen beruht. Rechtstheoretisch hat der Grundsatz der Ablehnung des Formalismus die Wirkung einer Rechtsregel, welche eine Schranke für staatliches Handeln setzt und dem Unternehmer Handlungsmöglichkeiten eröffnet, seine Kosten gering zu halten. Der Grundsatz der Ablehnung des Formalismus findet sich auch im österreichischen Recht wieder. Laut VfGH ergibt sich dieser aus dem „Verhältnismäßigkeitsgebot“, welches dem Gleichheitssatz innewohnt. Der Aspekt der effizienten Abfuhr der Umsatzsteuer des OECD-Besteuerungsprinzips hat daher auch in Österreich seinen Niederschlag gefunden.

131

Vgl. dazu schon Kapitel 13 B. II. 2.

Kapitel 14

Das Besteuerungsprinzip der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit A. Das OECD-Besteuerungsprinzip der Verteilungsgerechtigkeit zwischen Nationen Die OECD behandelt das Besteuerungsprinzip der Gerechtigkeit nicht nur in Bezug auf den nationalen1 Bereich, sondern spricht auch ausdrücklich eine „Verteilungsgerechtigkeit zwischen verschiedenen Nationen“ an. Das OECD-Besteuerungsprinzip der zwischenstaatlichen „Verteilungsgerechtigkeit“ lautet: „Als theoretisches Konzept bezieht sich die Gerechtigkeit zwischen den Nationen auf die Aufteilung der nationalen Gewinne und Verluste im internationalen Kontext und zielt darauf ab, sicherzustellen, dass jedes Land einen gerechten Anteil am Steueraufkommen aus grenzüberschreitenden Geschäftsvorfällen erhält (OECD, 2001). Das steuerpolitische Prinzip der Gerechtigkeit zwischen den Nationen ist ein wichtiger Punkt in der Debatte über die Aufteilung der Besteuerungsrechte zwischen Quellenstaaten und Ansässigkeitsstaaten.“2 Darüber hinaus wird noch auf frühere Veröffentlichungen der OECD verwiesen, in denen festgehalten wurde, dass bei der Besteuerung von grenzüberschreitenden Wirtschaftstätigkeiten „die fiskalische Souveränität der Länder gewahrt bleibt [und] eine gerechte Aufteilung der Steuerbasis […] zwischen den Ländern erzielt wird“.3 Bringt man die Aussagen der OECD auf den Punkt, zielt das OECD-Besteuerungsprinzip der Verteilungsgerechtigkeit zwischen Nationen darauf ab, dass jedes Land einen gerechten Anteil am Steueraufkommen aus grenzüberschreitenden Geschäftsvorfällen erhält. Im Folgenden wird diese Thematik auch unter „internation equity“ bezeichnet werden.4 Diese Vorgabe stellt laut OECD den Kern dieses Prinzips dar.

1

Vgl. Kapitel 7. OECD, Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft 34. 3 OECD, Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft 34 unter Verweis auf OECD, Taxation and Electronic Commerce-Implementing the Ottawa Framework Conditions (2001) 228. 4 In dieser Form bezeichnet auch die OECD dieses Prinzip in der englischen Sprachausgabe des Aktionspunktes 1. 2

322 Kap. 14: Das Besteuerungsprinzip d. zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit

In den nachfolgenden Abschnitten wird gezeigt, dass dieses Prinzip seinen Ursprung in neueren Entwicklungen der Finanzwissenschaft hat und von der Steuerrechtswissenschaft für das internationale Steuerrecht übernommen wurde. Zur inhaltlichen Konkretisierung dieses Prinzips bestehen unterschiedliche Ansätze, weshalb es notwendig sein wird, zu definieren, welchen dieser Wege die OECD verfolgt. Zuerst werden jedoch nachfolgend die Grundprobleme der Besteuerung von grenzüberschreitenden Sachverhalten erläutert, welche die Gerechtigkeitsüberlegungen der OECD im zwischenstaatlichen Kontext überhaupt erst notwendig machen.

B. Grundprobleme der grenzüberschreitenden Besteuerung I. Vorbemerkung Die Bedeutung von grenzüberschreitenden Wirtschaftstätigkeiten nimmt in Zeiten der voranschreitenden Globalisierung und Digitalisierung kontinuierlich zu.5 Viele Unternehmen beschränken ihre Geschäftstätigkeiten also nicht mehr nur auf einen Staat, sondern sind gleichzeitig auf verschiedene Weise in mehreren Nationen wirtschaftlich tätig.6 Somit stellt sich auch die Frage, wie diese grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Vorgänge steuerlich zu beurteilen sind. In der nachfolgenden Darstellung sind besonders zwei Themenkreise des internationalen Steuerrechts von Belang: Doppelbesteuerungsabkommen bzw. Doppelbesteuerung und der sogenannte Steuerwettbewerb. Der Fokus wird dabei auf die internationale Ertragsbesteuerung gelegt. Ausgehend von diesen beiden Themenkreisen wird in den ersten Abschnitten dieses Kapitels ein Überblick über das Wesen und die zentralen Problemfelder des internationalen Steuerrechts gegeben. Erst aus diesen Problemfeldern ergibt sich im Ergebnis die Notwendigkeit von eigenen Gerechtigkeitsmaßstäben für internationale Steuerfragen, welche im Anschluss behandelt werden.

5 Vgl. etwa Ehrke-Rabel, in: Sturn/Klüh 141 ff.; Drüen, in: Hey 1 ff.; vgl. auch ausführlich das Werk Kirchmayr/Mayr/Hirschler/Ehrke-Rabel/Kofler (Hrsg.), Digitalisierung im Konzernsteuerrecht (2018); vgl. auch OECD, Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft 11 ff., passim. 6 OECD, Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft 99 f., 108, 148.

B. Grundprobleme der grenzüberschreitenden Besteuerung

323

II. Doppelbesteuerungsabkommen, Steuerwettbewerb und zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit 1. Staatliche Steuersouveränität und Doppelbesteuerung Aufgrund seiner fiskalen Souveränität darf grundsätzlich7 ein jeder Staat auf inländische Sachverhalte nach eigenem Gutdünken Steuern erheben.8 Diese Steuersouveränität wird dabei wegen der demokratiepolitischen Dimension und der zentralen Rolle, welche die Verfügung über die Steuerpolitik für die Funktionsfähigkeit eines Staates darstellt, als ein Kern des klassischen Souveränitätsgedankens angesehen.9 Dagegen dürfen Staaten laut allgemeinem Völkerrecht ausländische Vorgänge, zu denen sie keine persönliche oder sachliche Beziehung haben, grundsätzlich nicht besteuern.10 Vielmehr bedarf es für eine Steueranknüpfung an Auslandssachverhalte eines „genuine link“, also einer ausreichend engen Beziehung zwischen dem besteuernden Staat und dem ausländischen Wirtschaftsvorgang bzw. Vermögenswert.11 Bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer verwirklichen die meisten Staaten diese Nahebeziehung zum Inland steuerrechtlich mit dem sogenannten Wohnsitzoder Ansässigkeitsprinzip, indem die Steueranknüpfung anhand subjektiver Faktoren, also dem Wohnsitz bzw. dem Sitz oder Ort der Geschäftsleitung im Inland, vorgenommen wird.12 Erfüllt eine natürliche oder juristische Person die Steueranknüpfung anhand des Wohnsitz- bzw. Ansässigkeitsprinzips, so erhebt der Sitzstaat in der Regel einen Besteuerungsanspruch auf das gesamte Welteinkommen, also auch auf Einkommen der natürlichen oder juristischen Person, welches außerhalb des Sitzstaates in einem anderen Staat, dem sogenannten Quellenstaat, erwirtschaftet 7 Diese innerstaatliche Besteuerungshoheit von Staaten wird innerhalb der EU jedoch von unionsrechtlichen Harmonisierungsmaßnahmen und den Grundfreiheiten beschränkt, vgl. dazu etwa Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 277. 8 Vgl. im Detail Lehner, in: Vogel/Lehner (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen6 Kommentar (2015) Grundlagen Rz. 11 f. m. w. N.; Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 275; Bentil, Situating the International Tax System within Public International Law, Georgetown Journal of International Law 2018, 1220 (1244 f. m. w. N.); Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 277. 9 Vgl. zu dieser Thematik Allison, Sovereignty, Taxation and Social Contract, Minnesota Journal of International Law 2009, 99 (104 m. w. N.); Ring, Democracy, Sovereignty and Tax Competition: The Role of Tax Sovereignty in Shaping Tax Cooperation, Boston College Law School Research Paper 171 (2009), verfügbar unter https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?ab stract_id=1334212 (abgerufen am 6. 3. 2023); Ring, What’s at Stake in the Sovereignty Debate? International Tax and the Nation-State, Boston College Law School, Research Paper 153 (2008), verfügbar unter https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1120463 (abgerufen am 6. 3. 2023). Dieser Themenkreis kann jedoch aufgrund seiner Komplexität in dieser Arbeit nicht weiter vertieft werden. 10 Kirchmayr/Hohenwarter, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht I12 Rz. 1303. 11 Kirchmayr/Hohenwarter, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht I12 Rz. 1303. 12 Kirchmayr/Hohenwarter, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht I12 1304 f.; Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 292 ff.

324 Kap. 14: Das Besteuerungsprinzip d. zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit

wurde.13 Da der Quellenstaat aufgrund seiner Besteuerungshoheit innerhalb seines Territoriums auch einen Anspruch auf die Besteuerung von Einkünften von – aus der Sicht des Quellenstaates – ausländischen natürlichen oder juristischen Personen stellen wird, besteht die Gefahr, dass ein und derselbe wirtschaftliche Vorgang gleichzeitig von zwei Staaten besteuert wird.14 Diese Problematik soll durch das folgende simple Beispiel veranschaulicht werden. Wenn ein in Österreich ansässiger Steuerpflichtiger in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte erzielt, so erhebt grundsätzlich Österreich den Besteuerungsanspruch auf das Welteinkommen und somit auch auf diese im Ausland erwirtschafteten Einkünfte. Aufgrund seiner fiskalen Souveränität wird aber auch Deutschland einen Besteuerungsanspruch auf diese, innerhalb seines Territoriums erzielten Einkünfte, erheben. Den erwirtschafteten Einkünften droht somit eine Besteuerung sowohl durch den Ansässigkeitsstaat Österreich als auch durch den Quellenstaat Deutschland. Es kommt hierbei somit zu einer Überschneidung der Besteuerungsansprüche von zwei Staaten, welche zu einer sogenannten Doppelbesteuerung eines wirtschaftlichen Vorganges führen kann.15 Eine Doppelbesteuerung16 wird aus verschiedenen Gründen17 als ökonomisch negativ und wettbewerbshemmend für den internationalen Handel angesehen. Zur Vermeidung von Doppelbesteuerung gibt es mehrere Möglichkeiten.18 So können Staaten zur Verhinderung von Doppelbesteuerung multi- oder bilaterale Vorgehensweisen wählen.19 Für die folgende Untersuchung sind primär die bilateralen Ansätze interessant, die sogenannten Doppelbesteuerungsabkommen (DBA). Doppelbesteuerungsabkommen sind in der Regel20 bilaterale völkerrechtliche Verträge, welche die Besteuerungsrechte der betroffenen Staaten voneinander ab13 Kirchmayr/Hohenwarter, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 1304 f.; Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 293. 14 Kirchmayr/Hohenwarter, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 1306; Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 293. 15 Kirchmayr/Hohenwarter, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 1306; vgl. auch Schaumburg, in: Schaumburg, Internationales Steuerrecht4 Rz. 15.1 ff. 16 Zu den verschiedenen Arten der Doppelbesteuerung vgl. Lehner, in: Vogel/Lehner, DBA6 Grundlagen Rz. 6 ff. 17 Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 293; Kirchmayr/Hohenwarter, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 1306; Schaumburg, in: Schaumburg, Internationales Steuerrecht4 Rz. 15.1 ff. 18 Vgl. etwa Schaumburg, in: Schaumburg, Internationales Steuerrecht4 Rz. 17.1 ff.; EhrkeRabel, elements Steuerrecht4 292. 19 Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 292. 20 Multilaterale Abkommen sind möglich, aber selten aufgrund von unterschiedlichen steuerpolitischen Interessen der Länder. Ein Beispiel für ein multilaterales Abkommen stellt jedoch das multilaterale Instrument zur Implementierung der BEPS-Maßnahmen dar, vgl. Kirchmayr/ Hohenwarter, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 1311, 1325; vgl. auch oecd.org, Multilateral Convention to Implement Tax Treaty Related Measures to Prevent BEPS, https://www.oecd.org/

B. Grundprobleme der grenzüberschreitenden Besteuerung

325

grenzen, sodass eine Doppelbesteuerung vermieden oder abgeschwächt wird.21 DBAs vermeiden eine Doppelbesteuerung auf zwei22 Arten: einerseits wird für bestimmte, im DBA explizit genannte Einkünfte, von vornherein einem der beiden Staaten das Besteuerungsrecht zugeteilt. Andererseits kann das DBA beiden Staaten das Besteuerungsrecht gewähren, woraufhin einer der beiden Staaten für die im Ausland entrichtete Steuer entweder eine Anrechnung oder eine Steuerbefreiung vorsehen muss. Bei Fragen bezüglich einer grenzüberschreitenden Doppelbesteuerung geht es im Kern darum, welcher Staat wieviel an Steuersubstrat aus der internationalen Tätigkeit abschöpfen kann.23 Die Verteilung dieses internationalen Steuergutes darf dabei nicht willkürlich durchgeführt werden, sondern hat im Sinne von Tipke „nach sachgerechten, konsequent durchgeführten“ Normen zu erfolgen.24 DBAs werden daher im Schrifttum mittlerweile auch als ein zentrales Mittel für die Gewährleistung der sogenannten „inter-nation equity“ verstanden, da durch sie eine gerechte Zuteilung des Steueraufkommens zwischen den Staaten bewirkt werden soll.25 Dieses Gerechtigkeitsideal wird noch unter Kapitel 14 B. II. 3. detailliert behandelt werden. 2. Internationaler Steuerwettbewerb Der zweite hier zu erläuternde Problemkreis betrifft den sogenannten Steuerwettbewerb zwischen Staaten.26 Die erste Schwierigkeit besteht darin, eine allgemeingültige Definition für den Begriff des Steuerwettbewerbs zu finden, da sich in Schrifttum und Praxis viele unterschiedliche Begriffserklärungen dieses Terminus tax/treaties/multilateral-convention-to-implement-tax-treaty-related-measures-to-prevent-beps. htm (abgerufen am 6. 3. 2023). 21 Kirchmayr/Hohenwarter, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 1311; Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 292 f. 22 Vgl. etwa Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht4 293; vgl. auch Kirchmayr/Hohenwarter, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 1307. 23 Vgl. etwa Lehner, in: Vogel/Lehner, DBA6 Grundlagen Rz. 23; Schaumburg/Häck, in: Schaumburg, Internationales Steuerrecht4 Rz. 19.33. 24 Tipke, Steuergerechtigkeit 120. 25 Schaumburg/Häck, in: Schaumburg, Internationales Steuerrecht4 Rz. 19.33 m. w. N., 19.36; Schönfeld/Häck, in: Schönfeld/Ditz (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen2 Kommentar (2019) Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen Rz. 11; Tipke, Steuergerechtigkeit 120; Kofler, in: Aigner/Kofler/Tumpel, Doppelbesteuerungsabkommen2 Kommentar (2019) Funktion von Doppelbesteuerungsabkommen Rz. 7; Lehner, in: Vogel/Lehner, DBA6 Grundlagen Rz. 23. 26 Dieser Abschnitt beruht in Teilen auf einer Seminararbeit des Verfassers mit dem Titel „Internationaler Steuerwettbewerb als Naturzustand und die OECD als Leviathan im Sinne von Hobbes?“, welche im Februar 2018 an der Karl-Franzens-Universität Graz eingereicht wurde; vgl. zur Thematik des internationalen Steuerwettbewerbs allgemein die Darstellung von Schaumburg, in: Schaumburg, Internationales Steuerrecht4 Rz. 5.1 ff.; Hey, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht24 § 7 Rz. 7.71 ff.

326 Kap. 14: Das Besteuerungsprinzip d. zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit

finden.27 Eine breite und für die Zwecke dieser Untersuchung passende Definition für Steuerwettbewerb liefert Ring und wird wegen ihrer Eingängigkeit wörtlich wiedergegeben: „In its broadest conception the phrase captures a country’s use of any feature of its tax system to ,enhance‘ its competitive advantage in the marketplace for capital, investment, and/or nominal business presence. The tax features readily susceptible to enlistment in this mission include tax rates, tax base, administrative system, transparency, disclosure, information sharing, and special credits, exemptions and deduction.“28 Steuerwettbewerb ist daher vereinfacht gesagt ein Wettbewerb zwischen Staaten um Kapital und Steuersubstrat mit den Mitteln der Besteuerung.29 Dies bedeutet, dass Staaten mit steuerpolitischen bzw. steuerrechtlichen Maßnahmen Unternehmen ins Inland lenken wollen, um dadurch das inländische Steueraufkommen zu erhöhen und den inländischen Wirtschaftsstandort für ausländische Investoren und Unternehmen im Vergleich zu anderen Staaten attraktiver zu gestalten.30 Ein simples Beispiel für Steuerwettbewerb stellt ein Staat dar, der seine Steuersätze im Vergleich zu anderen Ländern generell so niedrig gestaltet, dass die Besteuerung zu einem relevanten Standortfaktor für Unternehmen wird.31 Der internationale Steuerwettbewerb ist ohne grenzüberschreitende internationale Wirtschaftstätigkeiten nicht denkbar.32 Im Zuge der immer weiter voranschreitenden Globalisierung der Wirtschaft und der Konkurrenz um mobile Produktionsfaktoren hat sich der Steuerwettbewerb zwischen den Staaten auch immer weiter verschärft.33 Steuerwettbewerb ist eine Folge aus der fiskalischen Souveränität34 der Staaten, da grundsätzlich eine jede Nation das Recht hat, ihr Steuersystem nach eigenem Ermessen frei auszugestalten, auch wenn dadurch die Steuerinteressen anderer Staaten beeinträchtigt werden.35 Im Schrifttum hat sich jedoch mittlerweile die Überzeugung durchgesetzt, dass Steuerwettbewerb zu negativen Auswirkungen für die Weltwirtschaft und insbesondere zu Wettbewerbsverzerrungen führen kann.36 Aus diesem Grund sind insbesondere die OECD und die EU darum bemüht, dem 27

Gerken/Märkt/Schick, Internationaler Steuerwettbewerb (2000) 3 ff. Ring, Democracy, Sovereignty and Tax Competition 6 f. 29 Gerken/Märkt/Schick, Internationaler Steuerwettbewerb 5, passim. 30 Gerken/Märkt/Schick, Internationaler Steuerwettbewerb 5, passim; Schaumburg, in: Schaumburg, Internationales Steuerrecht4 Rz. 5.1 ff. 31 Ring, Democracy, Sovereignty and Tax Competition 6 f.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 7 Rz. 7.72. 32 Vgl. im Detail Gerken/Märkt/Schick, Internationaler Steuerwettbewerb 50 ff. 33 Vgl. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 7 Rz. 7.71. 34 Vgl. schon Kapitel 14 B. II. 1. 35 Vgl. im Detail Schaumburg, in: Schaumburg, Internationales Steuerrecht4 Rz. 5.5 f.; Ring, Democracy, Sovereignty and Tax Competition 28 ff. 36 Vgl. im Detail Schön, Der „Wettbewerb“ der europäischen Steuerordnungen als Rechtsproblem, in: Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung (2000) 200 ff. (Veröffentlichung der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft). 28

B. Grundprobleme der grenzüberschreitenden Besteuerung

327

Steuerwettbewerb von Staaten gewisse Rahmenbedingungen aufzuerlegen.37 Ziel dieser Bestrebungen ist es vor allem, einen „unfairen“ bzw. „schädlichen“ Steuerwettbewerb zwischen Staaten zu verhindern. Als verpönte Maßnahmen eines „unfairen“ Steuerwettbewerbs werden etwa Steuervergünstigen angesehen, welche gezielt und ausschließlich nur ausländischen Unternehmen zukommen, um zu bewirken, dass deren Steuerbemessungsgrundlagen ins Inland verlagert werden.38 In diesen Fällen würde der Sitzstaat des grenzüberschreitend tätigen Unternehmens keinen oder nur eingeschränkten Zugriff auf die Steuerbasis des Unternehmens haben, obwohl das Unternehmen von den öffentlichen Gütern seines Sitzstaates profitiert.39 Das Unternehmen würde somit zu einem sogenannten „free rider“ des Sitzstaates werden.40 Das folgende kurze Beispiel41 soll diesen Umstand genauer veranschaulichen: Ein Unternehmen mit Sitz in Staat A gründet in Staat B eine Betriebsstätte. Im einschlägigen DBA wird das Besteuerungsrecht für die Einkünfte aus der Betriebsstätte dem Quellenstaat (Staat B) zugesprochen, wohingegen der Ansässigkeitsstaat (Staat A) die Einkünfte von der Besteuerung freistellt. Der Quellenstaat besteuert gewerbliche Tätigkeiten innerhalb seines Territoriums üblicherweise mit einem Steuersatz von 30 %. Um Auslandsinvestitionen auf seinem Staatsgebiet attraktiver zu gestalten, wird für bestimmte gewerbliche Tätigkeiten von ausländischen Unternehmen in Staat B nur eine Steuer von 10 % erhoben. Für im Staat B ansässige Unternehmen gilt diese Begünstigung jedoch nicht. Dadurch, dass die Steuerbegünstigung in Staat B nicht für inländische Unternehmen gelten, wird das Steueraufkommen dieses Staates nicht gemindert.42 Vielmehr zielt die Steuerbegünstigung ausschließlich darauf ab, möglichst viele ausländische Unternehmen ins Land zu locken. Dadurch werden den Ansässigkeitsstaaten dieser Unternehmen die steuerlichen Bemessungsgrundlagen entzogen und vermindern für sie damit das Steueraufkommen, obwohl die Unternehmen von den öffentlichen Staatsleistungen des Ansässigkeitsstaates profitieren.43 Auch vor dem Hintergrund des internationalen Steuerwettbewerbs stellt sich also letztlich wieder die Frage, welcher Staat wieviel Steuersubstrat aus einer grenzüberschreitenden Wirtschaftstätigkeit abschöpfen darf.

37

Schaumburg, in: Schaumburg, Internationales Steuerrecht4 Rz. 5.18 ff., 5.26 ff. m. w. N.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 7 Rz. 7.75 m. w. N.; Gerken/Märkt/Schick, Internationaler Steuerwettbewerb 195 ff. 38 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 7 Rz. 7.74; Schön, in: Pelka 201 f. 39 Schön, in: Pelka 201. 40 Schön, in: Pelka 201. 41 Das Beispiel orientiert sich an Scheffler, Internationale betriebswirtschaftliche Steuerlehre3 (2011) 97. 42 Scheffler, Internationale betriebswirtschaftliche Steuerlehre 97 f. 43 Scheffler, Internationale betriebswirtschaftliche Steuerlehre 97 f.

328 Kap. 14: Das Besteuerungsprinzip d. zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit

Der internationale Steuerwettbewerb tangiert also wie der Themenkreis der Doppelbesteuerung im Kern ebenfalls die Frage nach der sachgerechten Aufteilung des Steueraufkommens zwischen Ansässigkeits- und Quellenstaat.44 Ein unfairer Steuerwettbewerb kann dabei insbesondere aufgrund der Free-Rider-Problematik im Sinne von Schaumburg zu „Verwerfungen im zwischenstaatlichen Steueraufkommen“ führen.45 Daher hat sich in der Literatur die Auffassung durchgesetzt, dass der internationale Steuerwettbewerb auch ein Gerechtigkeitsthema ist.46 Sowohl bei dem unter Kapitel 14 B. II. 1. erörterten Themenbereich der Doppelbesteuerung als auch beim internationalen Steuerwettbewerb stellen sich somit Gerechtigkeitsfragen. Der folgende Abschnitt widmet sich daher detailliert einem zentralen, auf das internationale Steuerrecht ausgerichteten, Gerechtigkeitsstandard. 3. Zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit („inter-nation equity“) Anhand der Darstellung der Doppelbesteuerung und dem internationalen Steuerwettbewerb wurde die klassische Problematik des internationalen Steuerrechts sichtbar: Bei Wirtschaftstätigkeiten mit Auslandsbezug sind stets mindestens zwei Staaten an den Steuerrechtsverhältnissen involviert und möchten jeweils kraft ihrer Steuersouveränität Besteuerungsansprüche geltend machen sowie das aus der zwischenstaatlichen Tätigkeit generierte Steuersubstrat abschöpfen.47 Es stellt sich somit zwangsläufig die Kernfrage, wie diese konkurrierenden Ansprüche der Staaten abgegrenzt werden sollen und das Steueraufkommen zu verteilen ist.48 Es bedarf daher eines speziellen Maßstabes, welcher die Frage beantwortet, unter welchen Umständen eine Besteuerung von grenzüberschreitenden Sachverhalten gerecht 44

Vgl. im Detail Gerken/Märkt/Schick, Internationaler Steuerwettbewerb 67 ff., 92 ff., 134 ff.; vgl. auch Scheffler, Internationale betriebswirtschaftliche Steuerlehre 97 f.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 7 Rz. 7.73 f. 45 Schaumburg, in: Schaumburg, Internationales Steuerrecht4 Rz. 5.10; Schön, in: Pelka 201. 46 Schaumburg, in: Schaumburg, Internationales Steuerrecht4 Rz. 5.10; Valta, Das Internationale Steuerrecht 45; Schön, in: Pelka 201; Yonah, Globalization, Tax Competition, and the Fiscal Crisis of the Welfare State, Harvard Law Review 2000, 1573 (1648 ff.); Li, Improving Inter-Nation Equity through Territorial Taxation and Tax Sparing, All Papers, Paper 252 (2009) 7 f., verfügbar unter https://digitalcommons.osgoode.yorku.ca/all_papers/252/ (abgerufen am 6. 3. 2023); Burgers/Valderrama, Intertax 2017, 769 m. w. N.; Rosenzweig, Defining a Countrys „Fair Share of Taxes“, Florida State University Law Review 2015, 373 (373 ff.); Ring, Democracy, Sovereignty and Tax Competition 28 ff.; Infanti, Internation Equity and Human Development, in: Brauner/Stewart (Hrsg.), Tax, Law and Development (2013) 215 m. w. N. 47 Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung (1991) 106; Gsödl, Entstrickungstatbestände des Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes (2010) 17. 48 Kofler, in: Aigner/Kofler/Tumpel, DBA2 Funktion von Doppelbesteuerungsabkommen Rz. 1; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 7 Rz. 7.74.

B. Grundprobleme der grenzüberschreitenden Besteuerung

329

ist.49 Die OECD greift diese Thematik in ihrem „Prinzip der Gerechtigkeit zwischen den Nationen“ auf und bedient sich dabei wie nachfolgend gezeigt werden wird abermals eines originär finanzwissenschaftlichen Konzepts. Die Problematik der gerechten Aufteilung von staatlichen Besteuerungsansprüchen wurde erstmals von der Finanzwissenschaftlerin Peggy Musgrave in den 1960er Jahren im Detail bearbeitet.50 Nach Musgrave können Sachverhalte mit grenzüberschreitender Besteuerung nicht allein unter rein innerstaatlichen Gerechtigkeitsaspekten betrachtet werden.51 Vielmehr bedarf es aufgrund der gegenseitigen Abhängigkeiten grenzüberschreitender Besteuerungszugriffe und der daraus folgenden Möglichkeit des Einwirkens auf das Steueraufkommen anderer Staaten, einer „inter-nation equity“, also einer zwischenstaatlichen Gerechtigkeit.52 Dieser Gerechtigkeitsmaßstab richtet den Blick nicht auf das Verhältnis zwischen Staat und Bürger, sondern bezieht sich auf das Verhältnis zwischen souveränen Staaten zueinander.53 Die „inter-nation equity“ fragt demnach aus der Perspektive der betroffenen Staaten, unter welchen Umständen die Besteuerung eines grenzüberschreitenden Sachverhaltes gerechtfertigt ist.54 Im Fokus steht dabei nicht ein einzelnes Steuerrechtsverhältnis, sondern die Besteuerung von internationalen Sachverhalten durch Staaten in ihrer Gesamtheit.55 Das Wesen der „inter-nation equity“ ist die Forderung nach einer gerechten Aufteilung des Steueraufkommens zwischen dem Wohnsitzstaat und dem Quellenstaat.56 In der Finanz- und Steuerrechtswissenschaft hat sich die Ansicht verfestigt, dass die zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit generell ein zentraler Maßstab der Besteuerung von grenzüberschreitenden Wirtschaftstätigkeiten sein soll.57 So wird auch, wie unter Kapitel 14 B. II. 1. und 2. bereits erörtert, in der Literatur verlangt,

49

Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung 106. Lehner, in: Vogel/Lehner, DBA6 Grundlagen Rz. 23; Li, Improving Inter-Nation Equity through Territorial Taxation and Tax Sparing 4 ff.; Musgrave/Musgrave, Inter-nation equity, in: Bird/Head (Hrsg.), Modern Fiscal Issues (1972) 63 ff.; vgl. dazu auch Jakimovski, Formelhafte Gewinnaufteilung und zwischenstaatliche Gerechtigkeit (2012) 151 ff. 51 Vgl. grundlegend Musgrave/Musgrave, in: Bird/Head 63 ff. 52 Musgrave/Musgrave, in: Bird/Head 67 ff.; Liebing, Beschränkte Einkommensteuerpflicht 121 und die dortige Fn. 772. 53 Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung 106. 54 Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung 106. 55 Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung 107. 56 Vogel, in: FS Klein 372 m. w. N.; Lehner, in: Vogel/Lehner, DBA6 Grundlagen Rz. 23; Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung 109. 57 Vgl. dazu etwa Musgrave/Musgrave/Kullmer, Die öffentlichen Finanzen in Theorie und Praxis4, Band II (1992) 201; Tipke, Steuergerechtigkeit 120; Valta, Das Internationale Steuerrecht 45 ff., 178 ff.; Lehner, in: Vogel/Lehner, DBA6 Grundlagen Rz. 23; Liebing, Beschränkte Einkommensteuerpflicht 121; Gsödl, Entstrickungstatbestände des Einkommenund Körperschaftsteuergesetzes 17 ff. m. w. N.; Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung 105 ff. m. w. N. 50

330 Kap. 14: Das Besteuerungsprinzip d. zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit

dass sich sowohl die Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung58 als auch die Entwicklung der Rahmenbedingungen für den internationalen Steuerwettbewerb59 an der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit zu orientieren haben, um eine faire Aufteilung des „weltweiten Steuerkuchens“60 zu erreichen.61 Speziell die völkerrechtlichen Doppelbesteuerungsabkommen werden in der steuerrechtlichen Literatur mittlerweile explizit als ein Instrument zur Gewährleistung von Verteilungsgerechtigkeit verstanden.62 Die Notwendigkeit einer „inter-nation equity“ bei der grenzüberschreitenden Besteuerung an sich ist daher in der Literatur allgemein anerkannt. Auf welche Weise die „inter-nation equity“ konkret verwirklicht werden soll, darüber besteht im Schrifttum jedoch kein Konsens.63 In der Literatur werden grob drei große Strömungen zur Verwirklichung einer zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit identifiziert. Dabei handelt es sich um einen Vergleich von gesamtwirtschaftlichen Vorteilen sowie einen opfer- und um einen äquivalenztheoretischen Ansatz. Diese drei Denkrichtungen werden im Folgenden überblicksartig in geraffter Form erläutert.64 Musgrave/Musgrave stellen zur Realisierung einer gerechten zwischenstaatlichen Besteuerung nicht nur auf die Aufteilung des Steueraufkommens ab, sondern plädieren auch für einen Vergleich von gesamtwirtschaftlichen Vorteilen.65 Dabei soll 58

Schaumburg/Häck, in: Schaumburg, Internationales Steuerrecht4 Rz. 19.33 m. w. N., 19.36; Beck, Qualifikationskonflikte im internationalen Steuerrecht (2017) 27 f. m. w. N.; Lehner, in: Vogel/Lehner, DBA6 Grundlagen Rz. 23 m. w. N.; Buchholz, Grenzüberschreitendes Kreditgeschäft durch Bankbetriebsstätten (2014) 9; Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im internationalen Steuerrecht, in: FS Tipke (1995) 127 f. und die dortige Fn. 25; Kofler, in: Aigner/Kofler/Tumpel, DBA2 Funktion von Doppelbesteuerungsabkommen Rz. 7. 59 Schaumburg, in: Schaumburg, Internationales Steuerrecht4 Rz. 5.10; Schön, in: Pelka 201; Yonah, Harvard Law Review 2000, 1648 ff.; Li, Improving Inter-Nation Equity 7 f.; Burgers/Valderrama, Intertax 2017, 769 m. w. N.; Rosenzweig, Florida State University Law Review 2015, 373 ff.; Ring, Democracy, Sovereignty and Tax Competition 28 ff.; Infanti, in: Brauner/Stewart 215 m. w. N. 60 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 7 Rz. 7.74. 61 Valta, Das Internationale Steuerrecht 45 ff., 177 ff., 352; Schaumburg, in: Schaumburg, Internationales Steuerrecht4 Rz. 5.11. 62 Schaumburg/Häck, in: Schaumburg, Internationales Steuerrecht4 Rz. 19.33 m. w. N., 19.36; Tipke, Steuergerechtigkeit 120. 63 Liebing, Beschränkte Einkommensteuerpflicht 121; Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung 106 f. m. w. N.; Lehner, in: Vogel/Lehner, DBA6 Grundlagen Rz. 23. 64 Die folgenden Ausführungen basieren auf den instruktiven Darstellungen von Liebing, Beschränkte Einkommensteuerpflicht 121 m. w. N.; Gsödl, Entstrickungstatbestände des Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes 17 ff. m. w. N.; Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung 105 ff. m. w. N. 65 Die Ausführungen zu diesem Ansatz basieren grundlegend auf Musgrave/Musgrave, in: Bird/Head 63 ff. sowie auf der Rezeption dieses Ansatzes in Liebing, Beschränkte Einkommensteuerpflicht 125; Gsödl, Entstrickungstatbestände des Einkommen- und Körperschaft-

B. Grundprobleme der grenzüberschreitenden Besteuerung

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zwischen den Staaten ein Ausgleich aller volkswirtschaftlicher Wirkungen eines grenzüberschreitenden Vorganges, Musgrave/Musgrave sprechen von „national gain“ und „national loss“, erreicht werden. Nach Musgrave/Musgrave entsteht nämlich durch den grenzüberschreitenden Einsatz von Produktionsfaktoren in Summe jeweils ein Nettovorteil für die Volkswirtschaften der involvierten Staaten. Zentral für das Konzept von Musgrave/Musgrave ist, dass diese volkswirtschaftlichen Vorteile der betroffenen Staaten – und nicht lediglich die Anteile des Steueraufkommens – in einem gerechten Verhältnis zu einander stehen müssen.66 Der Vorteil einer grenzüberschreitenden Investition kann jedoch für die betroffenen Volkswirtschaften aus verschiedenen Gründen, etwa einem besonders großen Ressourcenreichtum eines Staates, jeweils unterschiedlich hoch sein. Kommt es zwischen den Staaten zu einem Missverhältnis der Vorteile, so soll der benachteiligte Staat zur Erhebung einer Steuer berechtigt sein, um den zu großen Vorteil des anderen Staates abschöpfen zu können. So würde es nach Musgrave/Musgrave beispielsweise bei einer Besteuerung eines grenzüberschreitenden Sachverhaltes durch einen volkswirtschaftlich benachteiligten Quellenstaat für den Ansässigkeitsstaat zu einer Minderung seines zu großen volkswirtschaftlichen Vermögens kommen („national loss“).67 Denn ohne die Besteuerung im Quellenstaat wären die mit dem internationalen Steuersachverhalt zusammenhängenden Einkünfte vollständig der Volkswirtschaft des Ansässigkeitsstaates zugute gekommen und hätten seinen gesamtwirtschaftlichen Vorteil noch vermehrt („national gain“).68 Als Probleme von Musgrave/Musgraves Ansatz werden insbesondere die schwierige Messbarkeit der gesamtwirtschaftlichen Vor- und Nachteile identifiziert, vor allem in Bezug auf mittelbare bzw. immaterielle Effekte wie Know-How-Transfers.69 Das zweite Konzept einer zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit ist als „opfertheoretischer Ansatz“ bekannt und wird mit Leistungsfähigkeitsüberlegungen70 verknüpft.71 Dieser Denkrichtung wird in der Debatte um die „intern-nation equity“ zwar nur eine untergeordnete Bedeutung attestiert, dennoch sollen auch die

steuergesetzes 19 f.; Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung 109 f.; Vogel, Worldwide vs. Source Taxation of Income – A Review and Re-evaluation of Arguments (Part III), Intertax 1988, 393 (398); vgl. dazu auch die detaillierte Rezeption von Jakimovski, Formelhafte Gewinnaufteilung und zwischenstaatliche Gerechtigkeit 167 ff. 66 Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung 110. 67 Liebing, Beschränkte Einkommensteuerpflicht 125 m. w. N. 68 Liebing, Beschränkte Einkommensteuerpflicht 125 m. w. N. 69 Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung 110. 70 Die Bedeutung des Leistungsfähigkeitsprinzips für das internationale Steuerrecht wird in der Literatur unterschiedlich gedeutet, vgl. dazu Schaumburg, in: FS Tipke 125 ff. 71 Vgl. dazu im Detail Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung 107 f. m. w. N.; Musgrave/Musgrave, in: Bird/Head 74 f.; Liebing, Beschränkte Einkommensteuerpflicht 122; Gsödl, Entstrickungstatbestände des Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes 18.

332 Kap. 14: Das Besteuerungsprinzip d. zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit

Grundgedanken dieser Idee hier dargestellt werden.72 Hierbei wird von einer fiktiven Staatengemeinschaft ausgegangen, welche aus mehr oder weniger leistungs- bzw. opferfähigen einzelnen Staaten besteht. Um innerhalb dieser Staatengemeinschaft eine gerechte Besteuerung zu gewährleisten, muss die jeweilige Leistungs- bzw. Opferfähigkeit der einzelnen Staaten ermittelt werden, anhand derer in weiterer Folge das Steueraufkommen verteilt wird. Dabei führt jedoch eine höhere Leistungsfähigkeit nicht zu einem größeren Anteil am Steueraufkommen. Vielmehr erfolgt die Aufteilung des Steueraufkommens nach einer umgekehrten Relation: Je weniger leistungsfähig ein Staat ist, desto größer ist sein Anteil am Steueraufkommen. Im Ergebnis sollen also Staaten mit großem volkswirtschaftlichem Vermögen weniger an der internationalen Steuerbasis teilhaben, als wirtschaftlich schwache Länder. Als problematisch wird bei diesem Ansatz die genaue Bestimmung der Leistungsfähigkeit eines Staates angesehen, da bei einer derartigen Bewertung zahlreiche schwer quantifizierbare Kriterien berücksichtigt werden müssen.73 Laut Gsödl wäre der opfertheoretische Ansatz auch politisch kaum umsetzbar.74 Der dritte Ansatz zur Verwirklichung einer zwischenstaatlichen Gerechtigkeit ist die äquivalenztheoretische75 Denkrichtung.76 Hierbei wird die Steuererhebung als eine Art Gegenleistung für die vom Staat bereitgestellten öffentlichen Güter wie Sicherheit, Infrastruktur oder Bildung verstanden. Für die Gewährleistung einer gerechten Besteuerung wird also darauf abgestellt, welcher Staat wieviel zur Entstehung von grenzüberschreitenden Einkünften oder Vermögen beigetragen hat. Die Aufteilung des Steueraufkommens unter den Staaten richtet sich nach Art und Umfang der erbrachten öffentlichen Güter.77 Einem Staat, der öffentliche Leistungen in großem Ausmaß bereitstellt, soll im Sinne des Äquivalenzgedankens demnach ein größerer Teil des internationalen „Steuerkuchens“ zustehen. Nach weit verbreiteter Auffassung entspricht dem Äquivalenzgedanken eine Besteuerung im Quellenstaat, da jener Staat, welcher der Entstehungsort der Einkünfte ist, mit seinen öffentlichen 72

Gsödl, Entstrickungstatbestände des Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes 18. Liebing, Beschränkte Einkommensteuerpflicht 122 m. w. N. 74 Gsödl, Entstrickungstatbestände des Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes 18. 75 Auch Nutzenprinzip genannt, vgl. etwa Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat 173 ff. 76 Vgl. dazu im Detail Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.45 m. w. N.; Schön, One Answer to Why and How to Tax the Digitalized Economy, Max Planck Institute for Tax Law and Public Finance Working Paper 2019 – 10 (2019) 4 f.; Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung 108 f. m. w. N.; Liebing, Beschränkte Einkommensteuerpflicht 123; Gsödl, Entstrickungstatbestände des Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes 20; Valta, Das Internationale Steuerrecht 47 ff., 74 f.; Straßburger, § 21 Steuergerechtigkeit im internationalen Rahmen, in: Paul Kirchhof/Kube/Mußgnug/Reimer (Hrsg.), Geprägte Freiheit in Forschung und Lehre (2016) 161 f. m. w. N.; Schönfeld/Häck, in: Schönfeld/Ditz, DBA2 Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen Rz. 11 m. w. N.; für eine allgemeine Darstellung und kritische Betrachtung vgl. auch Schön, International Tax Coordination for a Second-Best World (Part I), World Tax Journal 2009, 67 (75 ff. m. w. N.). 77 Gsödl, Entstrickungstatbestände des Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes 20. 73

B. Grundprobleme der grenzüberschreitenden Besteuerung

333

Gütern die Grundlage zur „Erwirtschaftung der Steuerquelle“ schafft.78 Im steuerrechtlichen und finanzwissenschaftlichen Schrifttum wird daher die Ansicht vertreten, dass die gängigen internationalen Besteuerungskonzepte, welche auf dem Quellen- und Wohnsitzstaatsprinzip basieren, stark vom Äquivalenzgedanken geprägt sind.79 In der Literatur wird auch die Besteuerung am Ort der Wertschöpfung als ein Ausfluss bzw. eine „verfeinerte“ Version des Äquivalenzgedankens angesehen.80 Nach diesem Besteuerungskonzept kommt jenem Staat ein Besteuerungsanspruch zu, in dem ein Unternehmen einen wirtschaftlichen Wert erschafft, da davon ausgegangen wird, dass dieser Staat durch die Bereitstellung öffentlicher Leistungen einen zentralen Beitrag zur unternehmerischen Produktivität erbringt.81 Der äquivalenztheoretische Ansatz macht es in der Regel notwendig, abzugrenzen, welche öffentliche Leistungen welchem Staat zuzuordnen sind und wie groß der Einfluss des öffentlichen Gutes auf die Erwirtschaftung von Einkommen und Vermögen ist.82 So wurde an diesem Denkmodell auch insbesondere die Schwierigkeit der präzisen 78 Vgl. im Detail Klamet, Digitale Wirtschaft und zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit (2019) 15 f. m. w. N., 17; Schön, One Answer to Why and How to Tax the Digitalized Economy 4 f. m. w. N.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.45; Hey, Vom Nutzen des Nutzenprinzips für die Gestaltung der Steuerrechtsordnung, in: FS Joachim Lang (2010) 133 ff., 159; Avi-Yonah/Xu, Evaluating BEPS: A Reconsideration of the Benefits Principle and Proposal for UN Oversight, Harvard Business Law Review 2016, 185 (188 ff.); Hansjürgens, Das Äquivalenzprinzip als zentraler Maßstab für fairen Steuerwettbewerb – Anmerkungen aus finanzwissenschaftlicher Sicht, in: Müller/Fromm/Hansjürgens (Hrsg.), Regeln für den europäischen Steuerwettbewerb: Steuern und soziale Sicherungssysteme (2001) 81 ff. m. w. N.; vgl. auch Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat – Ein faires und effizientes Steuersystem in der Europäischen Union für den digitalen Binnenmarkt, COM 547 final (2017) 2. 79 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.45 m. w. N.; Gsödl, Entstrickungstatbestände des Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes, 21 m. w. N.; Schön, One Answer to Why and How to Tax the Digitalized Economy 4 m. w. N.; Brümmerhoff/Büttner, Finanzwissenschaft12 (2018) 20.3.1; Musgrave/Musgrave/Kullmer, Die öffentlichen Finanzen in Theorie und Praxis4, Band III 201. 80 Schön, One Answer to Why and How to Tax the Digitalized Economy 5 f. m. w. N.; Klamet, Digitale Wirtschaft und zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit 15 f. m. w. N.; Devereux/Vella, Value Creation as the Fundamental Principle of the International Corporate Tax System, European Tax Policy Forum – Policy Paper (2018) 6 m. w. N.; Morse, Value Creation: A Standard in Search of a Process, Bulletin for International Taxation 2018, 196 (196 ff.); Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.45 m. w. N.; Hey, „Taxation where Value is Created“ and the OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Initiative, Bulletin for International Taxation 2018, 203 (205); vgl. auch Avi-Yonah/Xu, Harvard Business Law Review 2016, 207 ff. 81 Schön, One Answer to Why and How to Tax the Digital Economy 5 f. m. w. N.; Li/Bao/ Li, Value Creation: A Constant Principle in a Changing World of International Taxation, Canadian Tax Journal 2019, 1107 (1108 ff.); vgl. dazu auch kritisch Christians, Taxing According to Value Creation, Tax Notes International 2018, 1379 (1379 ff.); vgl. auch Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat – Ein faires und effizientes Steuersystem in der Europäischen Union für den digitalen Binnenmarkt, COM 547 final 2. 82 Liebing, Beschränkte Einkommensteuerpflicht 124.

334 Kap. 14: Das Besteuerungsprinzip d. zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit

Quantifizierung von Staatsleistungen bemängelt.83 Im steuerrechtlichen Schrifttum wird zur Erreichung einer zwischenstaatlichen Gerechtigkeit zum Teil auch von einer „Globaläquivalenz“ ausgegangen, welche die Besteuerung als „Globalgegenleistung“ für vom Staat erbrachte „Gesamtstaatsleistungen“ versteht.84 Die eben vorgestellten Konzepte sind nicht als abschließend zu verstehen, sondern stellen lediglich drei archetypische Interpretationen der „inter-nation equity“ dar. Die Diskussion, mit welcher Methode die zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit am besten verwirklicht werden soll, ist im finanz-85 und steuerrechtswissenschaftlichen86 Schrifttum anhaltend.87 In der Steuerrechtswissenschaft lässt sich eine Tendenz hin zum Äquivalenzgedanken erkennen.88 4. Zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit aus Sicht der OECD – gesamtwirtschaftlicher oder äquivalenzbasierter Ansatz? Nach den obigen Ausführungen stellt sich nun die Frage, welchem der drei Ansätze das OECD-Verständnis von zwischenstaatlicher Verteilungsgerechtigkeit zuzuordnen ist. Laut der OECD bezieht sich die zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit auf „die Aufteilung der nationalen Gewinne und Verluste im internationalen Kontext und zielt darauf ab, sicherzustellen, dass jedes Land einen gerechten Anteil am Steueraufkommen aus grenzüberschreitenden Geschäftsvorfällen erhält.“89 Da die OECD bei ihrer Definition von Verteilungsgerechtigkeit wörtlich von „nationalen Gewinnen und Verlusten“ spricht, könnte man dazu neigen, dies im Sinne eines gesamtwirtschaftlichen Verteilungsgerechtigkeitsansatzes von Musgrave/Musgrave zu interpretieren. Gegen diese Sichtweise sprechen jedoch gute Gründe.

83 Liebing, Beschränkte Einkommensteuerpflicht 123; vgl. auch Schön, World Tax Journal 2009, 75 ff. 84 Vgl. dazu im Detail Valta, Das Internationale Steuerrecht 24 m. w. N., 46 ff., 74 f.; Straßburger, in: Kirchhof et. al. 161 f. m. w. N. 85 Fuest, Unternehmen am Ort der Wertschöpfung besteuern – Eine neue Leitidee für die internationale Besteuerung?, Ifo Schnelldienst 2020, 6. 86 Valta, Das Internationale Steuerrecht 24, 46 ff., 74 f.; Straßburger, in: Kirchhof et. al. 161 f. m. w. N.; Schaumburg, in: FS Tipke 125 ff.; etwa Rosenzweig, Florida State University Law Review 2015, 373 ff. 87 Vgl. für einen Überblick Lehner, in: Vogel/Lehner, DBA6 Grundlagen Rz. 23 m. w. N.; Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht22 1445 m. w. N. 88 Klamet, Digitale Wirtschaft und zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit 15 m. w. N., 16 f. m. w. N.; Schön, One Answer to Why and How to Tax the Digital Economy 4 f.; Schönfeld/Häck, in: Schönfeld/Ditz, DBA2 Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen Rz. 11 m. w. N.; Valta, Das Internationale Steuerrecht 23 ff.; Straßburger, in: Kirchhof et. al. 161 f. m. w. N.; Gsödl, Entstrickungstatbestände des Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes 21; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.45 m. w. N. 89 OECD, Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft 34.

B. Grundprobleme der grenzüberschreitenden Besteuerung

335

So soll das Prinzip der Verteilungsgerechtigkeit laut der OECD bewirken, „dass jedes Land einen gerechten Anteil am Steueraufkommen“90 erhält. Als Fokus der Verteilungsgerechtigkeit wird daher ausdrücklich das Steueraufkommen identifiziert, wohingegen die OECD einen Ausgleich von allen volkswirtschaftlichen Wirkungen grenzüberschreitender Vorgänge im Sinne von Musgrave/Musgrave in ihrer Definition nicht erwähnt. Vielmehr stellt die OECD in einem Nachsatz klar, dass der Fokus dieses Prinzips auf der Ebene des Steuerrechts liegt. So wird festgehalten, dass die Verteilungsgerechtigkeit ein zentraler „Punkt in der Debatte über die Aufteilung der Besteuerungsrechte zwischen Quellenstaaten und Ansässigkeitsstaaten“ ist. Ein Hinweis auf den Ausgleich aller gesamtwirtschaftlicher Wirkungen nach Musgrave/Musgrave ist außer der Verwendung der Worte „national[e] Gewinne und Verluste“ nicht auszumachen. Darüber hinaus stehen die Besteuerungsprinzipien der OECD nicht isoliert und für sich allein, sondern müssen im Gesamtzusammenhang des BEPS-Projektes, in dessen Rahmen sie entwickelt und publiziert wurden, betrachtet werden. Die Reformbestrebungen der OECD im Rahmen der BEPS-Initiative zielen insbesondere darauf ab, grenzüberschreitend erwirtschaftete Gewinne am Ort der Wertschöpfung zu besteuern und dadurch im internationalen Kontext mehr Steuergerechtigkeit zu erreichen.91 Dieses Besteuerungskonzept findet sich in prominenten BEPS-Publikationen92 der OECD wieder.93 So erscheint das Ziel, grenzüberschreitende Tätigkeiten am Ort der Wertschöpfung zu besteuern, auch im Vorwort eines jeden einzelnen der 15 BEPS-Aktionspunkte94.95 Die Besteuerung am Ort der Wertschöpfung 90

Hervorhebung durch den Verfasser. Vgl. etwa OECD, Steuerliche Herausforderungen der Digitalisierung – Zwischenbericht 2018 (2018) Rz. 396 f., 408; OECD, BEPS-Projekt Erläuterung – Abschlussberichte 2015 Rz. 1, 3, 7, 14, 22; OECD, Neutralisierung der Effekte hybrider Gestaltungen – Aktionspunkt 2 (2017) Zusammenfassung S. 11 Rz. 2; OECD, Begrenzung der Gewinnverkürzung durch Zins- und wirtschaftlich vergleichbare Aufwendungen – Aktionspunkt 4 (2016) Rz. 7; Möhlenbrock, BEPS-Umsetzungsmaßnahmen in Deutschland, in: Kirchmayer/Mayr/Hirschler/ Kofler (Hrsg.), Anti-BEPS-Richtlinie: Konzernsteuerrecht im Umbruch?, (2017) 28, 30; Steiner, Der Aktionsplan zum BEPS-Report der OECD – Paradigmenwechsel für Steuerplaner?, taxlex 2013, 395 (396 f. m. w. N.); Steiner, Konzernverrechnungspreise im Lichte des „BEPS-Report“ der OECD, RWZ 2013, 121 (121); Schön, Internationale Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft, IStR 2019, 647, (649); vgl. auch Heinrich, Die Judikatur des BFG im Lichte der Steuergerechtigkeit, BFG Journal 2020, 9 (9 ff.). 92 Vgl. etwa OECD, BEPS-Projekt Erläuterung – Abschlussberichte Rz. 1 f., 22; oecd.org, What is BEPS? – What are we doing to solve it?, https://www.oecd.org/tax/beps/about/#missi on-impact (abgerufen am 6. 3. 2023); vgl. auch OECD, Adressing Base Erosion and Profit Shifting (2013) 35. 93 Klamet, Digitale Wirtschaft und zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit 15. 94 Vgl. etwa OECD, Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft 3; OECD, Verhinderung der Gewährung von Abkommensvergünstigungen in unangemessenen Fällen – Aktionspunkt 6 (2018) 3; OECD, Verbesserung der Effizienz von Streitbeilegungsmechanismen – Aktionspunkt 14 (2018) 3. 95 Vgl. auch Li/Bao/Li, Canadian Tax Journal 2019, 1108 f. m. w. N. 91

336 Kap. 14: Das Besteuerungsprinzip d. zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit

gilt daher als ein „guiding principle“ bzw. als ein Metaziel96 der BEPS-Initiative.97 Es wurde schon erläutert, dass die Besteuerung am Ort der Wertschöpfung als ein Ausfluss bzw. eine „verfeinerte“ Version98 des internationalen Gerechtigkeitsmaßstabes der Äquivalenz verstanden werden kann.99 Interpretiert man also die OECDDefinition der Verteilungsgerechtigkeit im Kontext des BEPS-Projektes, kommt man zu dem Schluss, dass sich die OECD für ihr Verständnis einer „inter-nation equity“ zumindest implizit von einem Äquivalenzgedanken leiten lässt.100 Es lässt sich daher vor dem Hintergrund des BEPS-Projektes zusammenfassend festhalten, dass die OECD von einem äquivalenzorientierten Ansatz der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit ausgeht. 5. Zwischenfazit und weitere Vorgehensweise Die zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit, so wie sie die OECD in ihrem Besteuerungsprinzip versteht, ist ein in der Finanz- und Steuerrechtswissenschaft anerkannter Maßstab der Gerechtigkeit der grenzüberschreitenden Besteuerung. Die „inter-nation equity“ spielt beim internationalen Steuerrecht sowohl eine Rolle bei der Problematik der Doppelbesteuerung als auch vor dem Hintergrund des internationalen Steuerwettbewerbs, da es im Kern um die Abgrenzung von Besteuerungsansprüchen bzw. Steueraufkommen zwischen Ansässigkeits- und Quellenstaat geht. Über die konkrete Methode, wie „inter-nation equity“ am besten zu erreichen ist, besteht eine anhaltende Diskussion. Die OECD selbst versteht unter der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit einen äquivalenzorientierten Ansatz. Nachdem geklärt ist, was die OECD mit ihrem Besteuerungsprinzip der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit konkret meint, ist nun zu ergründen, ob dieses Postulat Eingang in unterschiedliche Rechtsordnungen gefunden hat. Den Beginn dieser Untersuchung stellt das Völkerrecht dar.

96

Vgl. dazu schon Kapitel 4 C. II. 1.; vgl. auch oecd.org, What is BEPS? – What are we doing to solve it?, https://www.oecd.org/tax/beps/about/#mission-impact. 97 Li/Bao/Li, Canadian Tax Journal 2019, 1108 ff.; Schön, One Answer to Why and How to Tax the Digitalized Economy 5 f. 98 Schön, One Answer to Why and How to Tax the Digitalized Economy 5 ff. 99 Vgl. Kapitel 14 B. II. 3. 100 Schön, One Answer to Why and How to Tax the Digitalized Economy 6 und die dortige Fn. 35; Valta, Das Internationale Steuerrecht 23 ff., 351 ff.; Valta, Base Erosion and Profit Shifting: Update zu den OECD-Berichten zur digitalisierten Wirtschaft (Nr. 1), hybriden Gestaltungen (Nr. 2) und Missbrauch des Abkommensrechts (Nr. 6), ISR 2014, 391 (391 ff.); OECD, Public Consultation Document – Adressing the Tax Challenges of the Digitalization of the Economy (2019) Rz. 5, 11, 15, 58, 63; vgl. auch OECD, Adressing Base Erosion and Profit Shifting 35; Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat – Ein faires und effizientes Steuersystem in der Europäischen Union für den digitalen Binnenmarkt, COM 547 final 3.

C. Die Zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit der OECD im Völkerrecht

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C. Die Zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit der OECD im Völkerrecht I. Einleitende Ausführungen zum Wesen des Völkerrechts Das Völkerrecht unterscheidet sich vom innerstaatlichen Recht durch eine Reihe von Besonderheiten. Das Völkerrecht regelt die Rechtsbeziehungen von Staaten bzw. Hoheitsträgern und anderen anerkannten Völkerrechtssubjekten zueinander.101 Dabei handelt es sich traditionell um Koordinationsrecht, durch welches die Staaten ihr Verhalten und ihre Zuständigkeiten miteinander abstimmen.102 Das Völkerrecht wird dabei grundsätzlich nicht von einer zentralen Stelle erzeugt, sondern die Völkerrechtssubjekte sind oftmals gleichzeitig Rechtserzeuger und Rechtsunterworfener.103 Ein entscheidender Unterschied zu den nationalen Rechtsordnungen liegt auch darin, dass ein großer Teil des Völkerrechts noch unkodifiziert ist, also nicht in internationale Verträge Eingang gefunden hat.104 Somit spielen ungeschriebene Rechtsquellen eine große Rolle.105 Zu den primären Rechtsquellen des Völkerrechts zählen laut Art. 38 IGH-Statut106 die völkerrechtlichen Verträge, das Gewohnheitsrecht und die allgemein anerkannten Rechtsgrundsätze.107 Zu nennen sind in diesem Zusammenhang auch unverbindliche Äußerungen von internationalen Organisationen mittels Beschlüssen, Resolutionen oder Deklarationen, die „soft law“ darstellen. „Soft law“ stellt zwar keine eigene Völkerrechtsquelle dar, soll aber dennoch auf das Verhalten von Staaten einwirken.108 Im Gegensatz zu nationalen Rechtsordnungen fehlt im Völkerrecht auch eine obligatorische Gerichtsbarkeit.109 Im Kontext des Völkerrechts braucht die Zuständigkeit der internationalen Rechtsprechungsorgane die Einwilligung der Völkerrechtssubjekte.110 Schließlich existiert im Völkerrecht auch keine zentrale Institution zur Rechtsdurchsetzung, sondern auch diese Agenda obliegt den Völker101 Hobe, Einführung in das Völkerrecht11 (2020) 1 ff.; von Arnauld, Völkerrecht4 (2019) § 1 Rz. 1. 102 Wolfrum, Entwicklungen des Völkerrechts von einem Koordinations- zu einem Kooperationsrecht, in: Müller-Graff/Roth (Hrsg.), Recht und Rechtswissenschaft (2000) 421; Lorenzmeier/Rohde, Völkerrecht (2003) 27 ff. 103 Lorenzmeier/Rohde, Völkerrecht 27; Neuhold/Hummer/Schreuner, Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, Band I (2004) Rz. 52. 104 Hobe, Einführung in das Völkerrecht11 3. 105 von Arnauld, Völkerrecht4 § 1 Rz. 5 ff. 106 Statut des internationalen Gerichtshofes, BGBl 120/1956 i. d. F. BGBl 70/1960. 107 Hobe, Einführung in das Völkerrecht11 139 ff. 108 Vgl. etwa Hobe, Einführung in das Völkerrecht11 183 ff. 109 von Arnauld, Völkerrecht4 § 1 Rz. 43. 110 Neuhold/Hummer/Schreuner, Handbuch des Völkerrechts4 I Rz. 55.

338 Kap. 14: Das Besteuerungsprinzip d. zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit

rechtssubjekten selbst.111 Im Völkerrecht gibt es im Gegensatz zur nationalen Rechtsordnung daher keine mit dem nationalen Recht vergleichbaren Rechtsetzungs-, Rechtsprechungs- oder Rechtdurchsetzungsorgane.112 Eine weitere Besonderheit des Völkerrechts ist die enge Verschränkung von Recht und internationaler Politik.113 Denn aufgrund mangelnder obligatorischer Durchsetzungsmöglichkeiten hängt die Entwicklung und Umsetzung von Völkerrecht massiv von den realpolitischen Gegebenheiten und dem internationalen Machtgefüge ab.114 Theoretisch unterliegen alle Staaten als Rechtssubjekte in gleicher Hinsicht den Völkerrechtsnormen und stehen sich einander gleichberechtigt gegenüber. Die Realität sieht freilich anders aus, da Staaten wie die USA oder China auf dem internationalen Parkett ein viel größeres politisches Gewicht als etwa Österreich haben.115

II. Zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Völkerrechts 1. Vorbemerkung Nachfolgend wird gezeigt, dass aufgrund der in den letzten Jahren intensivierten steuerpolitischen Bestrebungen auf internationaler Ebene sowie wegen des weltweiten DBA-Netzes von einem allgemeinem Rechtsgrundsatz der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit im Sinne der OECD ausgegangen werden kann. Im anschließenden Kapitel 14 C. IV. 2. wird sich auch zeigen, weshalb der allgemeine Rechtsgrundsatz das passendste Medium für eine rechtstheoretische Analyse auf Ebene des Völkerrechts bietet. 2. Allgemeine Rechtsgrundsätze nach Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut als Rechtsquellen des Völkerrechts a) Vorbemerkung Nach Art. 38 Abs. 1 lit. c des IGH-Statuts zählen zu den Rechtsquellen des Völkerrechts auch „die von den zivilisierten Staaten anerkannten allgemeinen 111

Neuhold/Hummer/Schreuner, Handbuch des Völkerrechts4 I Rz. 56. Vgl. etwa Neuhold/Hummer/Schreuner, Handbuch des Völkerrechts4 I Rz. 7; Lorenzmeier/Rohde, Völkerrecht (2003) 27 ff. 113 Vgl. dazu instruktiv Beham/Fink/Janik, Völkerrecht verstehen2 (2019) 27 f.; vgl. auch Hobe, Einführung in das Völkerrecht11 4 ff. 114 Beham/Fink/Janik, Völkerrecht verstehen2 21; vgl. auch Hobe, Einführung in das Völkerrecht11 6 ff. 115 Beham/Fink/Janik, Völkerrecht verstehen2 21; vgl. auch Hobe, Einführung in das Völkerrecht11 44. 112

C. Die Zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit der OECD im Völkerrecht

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Rechtsgrundsätze“.116 Vereinfacht gesprochen handelt es sich dabei um ungeschriebene völkerrechtliche Normen, über deren Inhalt ein Konsens einer großen Anzahl von Staaten besteht. Konkret können allgemeine Grundsätze des Völkerrechts entstehen, wenn sich aus nationalen Normen oder internationalen Beziehungen verallgemeinerungsfähige gemeinsame Grundsätze ableiten lassen und diese von einer ausreichenden Anzahl an Staaten anerkannt werden.117 Diese Voraussetzungen werden im Folgenden näher erläutert, wobei besonderes Augenmerk auf die Gewinnung von Rechtsgrundsätzen auf der internationalen Ebene gerichtet wird.118 b) Anerkennungsmethoden und Konkretisierungsgrad Völkerrechtliche Rechtsgrundsätze lassen sich sowohl in foro domestico (also aus innerstaatlichem Recht) als auch in foro internationalis (auf der internationalen Ebene) gewinnen.119 Den Anknüpfungspunkt für einen Nachweis eines Rechtsgrundsatzes in foro domestico stellen die Normen der nationalen Rechtsordnungen dar.120 Die Suche nach Gemeinsamkeiten, aus denen potentiell völkerrechtliche Rechtsgrundsätze entstehen können, hat im Recht der einzelnen Staaten mittels eines Rechtsvergleiches zu erfolgen.121 In foro internationalis ist für einen Nachweis von allgemeinen Rechtsgrundsätzen insbesondere auf das bestehende Völkervertrags- und Völkergewohnheitsrecht ab-

116 Die österreichische Formulierung in BGBl 120/1956 i. d. F. BGBl 70/1960 spricht von „zivilisierten Staaten“, während in Deutschland das Wort „Kulturvölker“ verwendet wird, vgl. dazu Kropholler, Internationales Einheitsrecht (1975) 152 und die dortige Fn. 3; vgl. auch allgemein Ipsen, Völkerrecht7 (2018) § 20 Rz. 1 ff.; Neuhold/Hummer/Schreuner, Handbuch des Völkerrechts4 I Rz. 427 ff.; Henninger, Menschenrechte und Frieden als Rechtsprinzipien des Völkerrechts 187 f. 117 Weiss, Allgemeine Rechtsgrundsätze des Völkerrechts, AVR 2001, 394 (397 ff.); Paschen, Steuerumgehung im nationalen und internationalen Steuerrecht (2001) 136 f. m. w. N.; Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel (2018) 250 ff., 256 ff.; Ipsen, Völkerrecht7 § 20 Rz. 1. 118 Die nachfolgende Darstellung zum Wesen der allgemeinen Rechtsgrundsätze orientiert sich an Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 250 ff. 119 Vgl. dazu ausführlich Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 250 ff., 256 ff., 265 f. m. w. N.; Bentil, Georgetown Journal of International Law 2018, 1239 m. w. N.; Weiss, AVR 2001, 397 ff.; Hobe, Einführung in das Völkerrecht11 171 ff.; vgl. auch Ipsen, Völkerrecht7 § 20 Rz. 2; die Gewinnung der Rechtsgrundsätze auf internationaler Ebene wurde insbesondere von der älteren völkerrechtlichen Literatur kritisch gesehen, vgl. dazu die Nachweise unter Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 257 und die dortige Fn. 118. 120 Neuhold/Hummer/Schreuner, Handbuch des Völkerrechts4 I Rz. 442; Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 250 f. 121 Vgl. im Detail Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 251 ff.; Neuhold/Hummer/ Schreuner, Handbuch des Völkerrechts4 I Rz. 442; vgl. auch Paschen, Steuerumgehung im nationalen und internationalen Steuerrecht 139 f.

340 Kap. 14: Das Besteuerungsprinzip d. zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit

zustellen.122 Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz wird sich dann nachweisen lassen, wenn eine Vielzahl von Normen des geltenden Vertrags- oder Gewohnheitsrechts auf gemeinsamen Grundgedanken beruhen.123 Die Rechtsgeltung des Völkervertragsund Völkergewohnheitsrechts impliziert nämlich auch einen staatlichen Konsens über die diesen Rechtsquellen zugrundeliegenden Grundwertungen.124 Damit solche, dem geltenden Völkerrecht innewohnenden, Werte zu Rechtsgrundsätzen werden, braucht es somit keine ausdrücklichen Zustimmungsakte („no overt act of states consenting to the principle is required“) durch die Staaten.125 Denn schon die Existenz der vertrags- oder gewohnheitsrechtlichen Normen drückt eine formalisierte Anerkennung der Staatengemeinschaft über die diesen Normen immanenten Werte aus.126 Es ist daher möglich, dass Grundgedanken, die im bestehenden Völkerrecht enthalten sind, eigenständige Rechtsgrundsätze bilden.127 Kurz gefasst können allgemeine Rechtsgrundsätze durch „Generalisierung und Ableitung“ aus dem bestehenden Völkervertragsrecht gewonnen werden.128 Auf internationaler Ebene lassen sich allgemeine Rechtsgrundsätze jedoch nicht nur aus dem geltenden Völkerrecht gewinnen. Vielmehr können auch nicht rechtsverbindliche Äußerungen von Staaten als Indizien für das Bestehen von Rechtsgrundsätzen genutzt werden.129 Der Art. 38 Abs. 1 lit. c des IGH verlangt nämlich für die Anerkennung von Rechtsgrundsätzen keine bestimmte Form und hat daher auch nicht die Anerkennung durch130 Recht zur Voraussetzung.131 Wenn Staaten sich darauf einigen, dass ein bestimmter Wert sich zu einem völkerrechtlichen Rechtsgrundsatz manifestiert hat, so ist die Form, mit der sie diese Überzeugung kundtun, irrelevant.132 Grundsätzlich kommt für eine derartige Art der Anerkennung eines 122 Bentil, Georgetown Journal of International Law 2018, 1239 und die dortige Fn. 114; Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 262. 123 Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 262. 124 Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 262, 264; Bentil, Georgetown Journal of International Law 2018, 1241 f. 125 Bentil, Georgetown Journal of International Law 2018, 1242. 126 Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 262, 264 f.; Bentil, Georgetown Journal of International Law 2018, 1241 f. 127 Vgl. dazu instruktiv Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 262 ff. m. w. N. 128 Kadelbach/Kleinlein, Überstaatliches Verfassungsrecht, AVR 2006, 235 (259 f.); vgl. auch Weiss, AVR 2001, 401, 409 f.; Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 262 f. m. w. N. 129 Vgl. etwa Weiss, AVR 2001, 400 f. m. w. N., 409 f.; Petersen, Der Wandel des ungeschriebenen Völkerrechts im Zuge der Konstitutionalisierung, AVR 2008, 502 (507, 511 f.); Bernhardt, Ungeschriebenes Völkerrecht, ZaöRV 1976, 50 (54); Bassiouni, A Functional Approach to General Principles of International Law, Michigan Journal of International Law, 1990, 768 (796); vgl. dazu auch die detaillierten Ausführungen und zahlreichen Literaturnachweise unter Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 265 und die dortige Fn. 142. 130 Hervorhebung durch den Verfasser. 131 Vgl. im Detail Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 265. 132 Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 265 f.

C. Die Zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit der OECD im Völkerrecht

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Rechtsgrundsatzes jede Art der „nicht unmittelbar bindenden“133 staatlichen Willensäußerung in Frage.134 Dazu zählen insbesondere öffentliche Erklärungen von Staatenvertretern, Resolutionen von internationalen Organisationen, „soft law“ oder Präambeln in internationalen Verträgen.135 Zentral ist, dass diese Äußerungen der Staaten keine reinen „Lippenbekenntnisse“ sind, sondern darauf abzielen, letztlich rechtlich verbindlich zu werden bzw. sich im Recht wiederzufinden.136 Ob eine staatliche Äußerung eine derartige Rechtsüberzeugung darstellt, ist im Einzelfall zu prüfen – Indikatoren dafür können aus der Formulierung, dem Kontext und der Art und Weise der Äußerung geschlossen werden.137 So wird etwa eine detaillierte Begründung eines Wertes eher ein Indiz für einen Rechtsgrundsatz darstellen als die bloße Mitwirkung an einer Deklaration.138 Nach Rauber wird sich der Nachweis eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes leichter führen lassen, wenn dieser auf der Basis des geltenden Völkerrechts ruht. Denn eine staatliche Rechtsüberzeugung kann besser begründet werden, wenn dazu bereits ein im Konsens entstandenes völkerrechtliches Vertragswerk herangezogen werden kann.139 Nationales Recht, Völkerrecht und nicht unmittelbar verbindliche staatliche Willensäußerungen stellen im Sinne des Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut grundsätzlich gleichwertige Indizien dar und können „getrennt oder gemeinsam“ über das Bestehen von Rechtsgrundsätzen Aufschluss geben.140 Daher können auch völkerrechtliche Verträge in Kombination mit unverbindlichen staatlichen Willensäußerungen wie etwa internationalen Erklärungen oder Resolutionen eine Anerkennung eines Rechtsgrundsatzes bewirken.141 Abschließend ist unter diesem Abschnitt noch auf den Grad der Konkretisierung des gemeinsamen Wertes, welcher mit den oben beschriebenen Anerkennungsmethoden in einen allgemeinen Rechtsgrundsatz „umgewandelt“ werden soll, einzugehen. Der Entstehungsvorgang von allgemeinen Rechtsgrundsätzen beinhaltet die Verallgemeinerung von Rechtsnormen bzw. staatlichen Willensäußerungen, da aus diesen ein gemeinsamer Grundgedanke ermittelt werden muss.142 Bei der Suche nach 133

Petersen, AVR 2008, 512. Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 266 m. w. N.; vgl. auch Petersen, AVR 2008, 512, 520 f. 135 Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 266. 136 Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 270; Petersen, AVR 2008, 511 f.; Weiss, AVR 2001, 400 f. 137 Vgl. dazu im Detail Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 270. 138 Vgl. dazu im Detail Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 270. 139 Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 268. 140 Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 279. 141 Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 279. 142 Ipsen, Völkerrecht7 § 20 Rz. 4; Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 255; Paschen, Steuerumgehung im nationalen und internationalen Steuerrecht 137, 139 ff. 134

342 Kap. 14: Das Besteuerungsprinzip d. zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit

allgemeinen Rechtsgrundsätzen geht es daher nicht um Detailfragen, sondern um das Aufdecken von übereinstimmenden Werten.143 Somit ist der Inhalt der allgemeinen Rechtsgrundsätze von seiner Natur her „weniger festgelegt“,144 stark vergröbert und zeichnet sich durch einen generellen Gehalt aus.145 Allgemeine Rechtsgrundsätze beinhalten also inhaltlich weite Vorschriften, aus denen sich nur grobe Verhaltensanweisungen für die Völkerrechtssubjekte ableiten lassen.146 Dabei ist zu betonen, dass allgemeine Rechtsgrundsätze kein weniger verbindliches oder „minderwertiges“ Völkerrecht darstellen.147 Wie Völkervertrags- oder Völkergewohnheitsrecht stellen völkerrechtliche Grundsätze geltendes Recht dar, welche jedoch im Vergleich zu den anderen Rechtsquellen inhaltlich deutlich unbestimmter sind und daher größeren Spielraum zur Interpretation bieten.148 Aufgrund ihres weiten Charakters und besonderen Entstehungsprozesses dienen allgemeine Rechtsgrundsätze nach Weiss auch dazu, um Lücken des Völkergewohnheits- oder Vertragsrechts auszufüllen und gelten als Hilfsmittel zur Auslegung und Anwendung völkerrechtlicher Verträge sowie darüber hinaus auch als „Einfallstor für neue Entwicklungen“ im Völkerrecht.149 So wird im Sinne von Weiss die Entwicklung des Völkerrechts gerade erst durch die „Offenheit“ allgemeiner Rechtsgrundsätze ermöglicht, da dadurch neue Wertungen in das Völkerrecht hineintransportiert werden.150 c) Anerkennungssubjekte und Ausmaß der Anerkennung Nachdem weiter oben geklärt wurde, wie151 allgemeine Rechtsgrundsätze anerkannt werden können, geht dieser Abschnitt darauf ein, wer152 konkret diese Anerkennung durchführen muss. Der Wortlaut von Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut schreibt die Anerkennung von Rechtsgrundsätzen durch die „zivilisierten Staaten“ vor.153 Diese Formulierungen werden von der modernen Völkerrechtswissenschaft

143

Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 255, 262. Henninger, Menschenrechte und Frieden als Rechtsprinzipien des Völkerrechts 188. 145 Weiss, AVR 2001, 411 ff.; Hobe, Einführung in das Völkerrecht11 171 ff.; Ipsen, Völkerrecht7 § 20 Rz. 5; Bentil, Georgetown Journal of International Law 2018, 1241, 1245 ff. 146 Weiss, AVR 2001, 411. 147 Weiss, AVR 2001, 411. 148 Weiss, AVR 2001, 411 ff. 149 Weiss, AVR 2001, 411 ff.; vgl. auch Wengler, Völkerrecht (1964) 363 ff.; Henninger, Menschenrechte und Frieden als Rechtsprinzipien des Völkerrechts 188. 150 Weiss, AVR 2001, 411 ff. 151 Hervorhebung durch Verfasser. 152 Hervorhebung durch Verfasser. 153 Die österreichische Formulierung in BGBl 120/1956 i. d. F. BGBl 70/1960 spricht von „zivilisierten Staaten“, während in Deutschland das Wort „Kulturvölker“ verwendet wird, vgl. dazu Kropholler, Internationales Einheitsrecht 152 und die dortige Fn. 3. 144

C. Die Zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit der OECD im Völkerrecht

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als überholt angesehen.154 Daher wird in der heutigen Literatur grundsätzlich auf eine Anerkennung durch alle Staaten im Sinne des Völkerrechts155 abgestellt.156 Dabei wird jedoch keine einstimmige Anerkennung durch die einzelnen Staaten der Erde gefordert.157 Nach heute überwiegender Sichtweise ist es ausreichend, dass der Rechtgrundsatz in einer „repräsentativen Mehrheit der Staaten“ aus den großen Rechtskreisen dieser Welt anerkannt wird.158 Folgende Rechtskreise sind daher für einen Nachweis eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes jedenfalls zu berücksichtigen: der germanische, der angelsächsische, der lateinisch-romanische, der lateinamerikanische, der afrikanische, der indische, der ostasiatische und der islamisch-arabische.159 Das Schrifttum begründet eine solche Vorgehensweise auch mit pragmatischen Gründen, da der Nachweis der universellen Anerkennung eines Grundsatzes in jedem einzelnen Staat dieser Erde nur sehr schwer und mit großen Aufwand zu erbringen sein wird.160 d) Zwischenfazit Allgemeine Rechtsgrundsätze stellen nach Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut völkerrechtliche Rechtsquellen dar. Diese Rechtsquellen entstehen grundsätzlich durch einen Konsens der Staaten, wenn auf Basis von nationalem Recht oder auf internationaler Ebene Einigkeit über die Anerkennung von bestimmten Grundgedanken als Recht besteht. Darüber hinaus können auch staatliche Äußerungen, welche nicht verbindlich sind, Indizien für die Existenz eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes liefern. Dabei muss diesen Rechtsgrundsatz nicht jeder einzelne Staat dieser Welt anerkannt haben, sondern es genügt, wenn sich die Anerkennung auf eine repräsentative Anzahl von Staaten aus den wichtigsten Rechtsfamilien der Welt stützen kann.

154

Hobe, Einführung in das Völkerrecht11 171; Ipsen, Völkerrecht7 § 20 Rz. 3. Hervorhebung durch den Verfasser. 156 Neuhold/Hummer/Schreuner, Handbuch des Völkerrechts4 I Rz. 430; von Arnauld, Völkerrecht4 § 266; Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 266 und die dortige Fn. 146, 281; Paschen, Steuerumgehung im nationalen und internationalen Steuerrecht 136 f. m. w. N. 157 Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 281; Bentil, Georgetown Journal of International Law 2018, 1243. 158 Ipsen, Völkerrecht7 § 20 Rz. 3; Weiss, AVR 2001, 405 f.; Neuhold/Hummer/Schreuner, Handbuch des Völkerrechts4 I Rz. 442; Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 281; von Arnauld, Völkerrecht4 Rz. 266; Paschen, Steuerumgehung im nationalen und internationalen Steuerrecht 137. 159 Ipsen, Völkerrecht7 § 20 Rz. 3; von Arnauld, Völkerrecht4 Rz. 266; Paschen, Steuerumgehung im nationalen und internationalen Steuerrecht 137 m. w. N. 160 Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 281 f. 155

344 Kap. 14: Das Besteuerungsprinzip d. zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit

3. Ermittlung der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit als allgemeinen Rechtsgrundsatz a) Vorbemerkung Nachfolgend wird geprüft, ob der unter Kapitel 14 B. II. 3. erläuterte Gerechtigkeitsmaßstab der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit einen allgemeinen Rechtsgrundsatz nach Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut darstellt. Dabei wird zunächst geklärt, ob sich „dem Grunde nach“ ein Grundsatz der Verteilungsgerechtigkeit nachweisen lässt und erst danach wird auf die Verteilungsgerechtigkeit „der Höhe nach“ im Sinne der unterschiedlichen Wege, wie Verteilungsgerechtigkeit erreicht werden kann, eingegangen. Diese Untersuchung wird derartig aufgespalten, da es, wie schon unter Kapitel 14 B. II. 3. erörtert, mehrere Ansätze zur Realisierung der „inter-nation equity“ gibt. Daher erscheint es sinnvoll, in einem ersten Schritt zu klären, ob die Staaten der Meinung sind, dass es überhaupt ein Gerechtigkeitskonzept für die Aufteilung des internationalen Steuersubstrates braucht. Der Fokus der in Kapitel 14 C. II. 3. b) folgenden Untersuchung ist also zunächst allein auf die Frage gerichtet, ob die Staaten sich darüber einig sind, dass es an sich eine gerechte Aufteilung des Steueraufkommens im zwischenstaatlichen Bereich braucht, also ob eine Anerkennung der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit „dem Grunde nach“ besteht. Zentral ist hier demnach nur die Frage nach dem „ob“161 und nicht nach dem „wie“.162 Die Nachweisführung des Rechtsgrundsatzes fokussiert sich zuerst auf die zum Völkervertragsrecht gehörenden Doppelbesteuerungsabkommen. Anschließend wird auf nicht verbindliche staatliche Äußerungen eingegangen. b) Zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit „dem Grunde nach“ aa) Völkervertragsrecht Die Grundfunktion eines jeden Doppelbesteuerungsabkommens liegt darin, die Besteuerungsrechte von Staaten voneinander abzugrenzen und in weiterer Folge das Steueraufkommen mit verschiedenen Methoden zwischen Ansässigkeits- und Quellenstaat aufzuteilen.163 Es wurde bereits unter Kapitel 14 B. II. 1. erläutert, dass nach herrschender Auffassung Doppelbesteuerungsabkommen auch den zentralen Zweck haben, eine gerechte Aufteilung des Steuersubstrates unter den Staaten zu gewährleisten.164 Im Schrifttum gelten Doppelbesteuerungsabkommen daher als ein 161

Hervorhebung durch den Verfasser. Hervorhebung durch den Verfasser. 163 Vgl. statt vieler Schaumburg/Häck, in: Schaumburg, Internationales Steuerrecht4 Rz. 19.33; vgl. dazu schon Kapitel 14 B. II. 1. und die dortigen Nachweise. 164 Schaumburg/Häck, in: Schaumburg, Internationales Steuerrecht4 Rz. 19.33 m. w. N., 19.36; Schönfeld/Häck, in: Schönfeld/Ditz, DBA2 Systematik der Doppelbesteuerungsab162

C. Die Zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit der OECD im Völkerrecht

345

wichtiges Instrument zur Realisierung der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit.165 Wie erwähnt, gibt es über die genaue Ausprägung dieses Gerechtigkeitsmaßstabes unterschiedliche Ansichten, Einigkeit herrscht jedoch über dessen grundsätzliche Relevanz für das DBA-Recht.166 Folgt man dieser Auffassung, so ist die Gewährleistung einer „inter-nation equity“ dem Grunde nach ein notwendiges Strukturmerkmal und ein gemeinsamer Grundgedanke von völkerrechtlichen Doppelbesteuerungsabkommen an sich. Dieser Ansatz ist schlüssig und lässt sich generell durch die Logik des Entstehungsprozesses von Doppelbesteuerungsabkommen erklären. Vereinfacht gesagt, bewirken Doppelbesteuerungsabkommen im Ergebnis eine Aufteilung von Steuersubstrat zwischen den Staaten. Dabei ist die inhaltliche Ausgestaltung von Doppelbesteuerungsabkommen in der Regel das Resultat von bilateralen Verhandlungen.167 Die Staatenvertreter werden sich grundsätzlich168 nur dann über den Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens einigen können, wenn sie in den Verhandlungen jeweils für sich ein gewisses Ausmaß des Steueraufkommens sichern können, welches ihren jeweiligen Gerechtigkeitsvorstellungen entspricht.169 Das Ergebnis dieser Verhandlungen trägt somit den Grundgedanken einer gerechten Aufteilung des Steuersubstrates zwischen zwei Staaten in sich.170 Sobald aufgrund dieses Verhandlungsergebnisses das Doppelbesteuerungsabkommen gültig abgeschlossen wird, entsteht verbindliches Völkervertragsrecht, welches auf eben diesen Gerechtigkeitsvorstellungen bezüglich der Aufteilung der Steuern

kommen Rz. 11; Tipke, Steuergerechtigkeit 120; Kofler, in: Aigner/Kofler/Tumpel, DBA2 Funktion von Doppelbesteuerungsabkommen Rz. 7; Lehner, in: Vogel/Lehner, DBA6 Grundlagen Rz. 23; Valta, Das Internationale Steuerrecht 45; vgl. dazu schon Kapitel 14 B. II. 1. und die dortigen Nachweise. 165 Vgl. schon Kapitel 14 B. II. 1. und die dortigen Nachweise. 166 Vgl. schon Kapitel 14 B. II. 3. 167 Djanani/Brähler, Internationales Steuerrecht (2008) 76; Valta, Das Internationale Steuerrecht 357; Jirousek, Die österreichische Position beim Abschluss von DBA, in: Michael Lang/Schuch/Staringer (Hrsg.), Die österreichische DBA-Politik (2013) 17 ff. 168 Dabei muss jedoch wieder das unterschiedliche politische Gewicht von Staaten beachtet werden. Die hier getroffenen Grundüberlegungen bleiben dennoch insbesondere dann gültig, wenn man vom Menschenbild des rationalen Entscheiders eines homo oeconomicus ausgeht, vgl. etwa Wagner, DStR 2014, 1133 ff. 169 Vgl. dazu etwa Valtas Ausführungen zum Scheitern der Nachverhandlungen des DBA zwischen Deutschland und Brasilien in Valta, Das Internationale Steuerrecht 4 f. m. w. N.; vgl. auch Schönfeld/Häck, in: Schönfeld/Ditz, DBA2 Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen Rz. 11 m. w. N.; Jirousek, in: Lang/Schuch/Staringer 15 ff.; Kofler, in: Aigner/Kofler/ Tumpel, DBA2 Funktion von Doppelbesteuerungsabkommen Rz. 7; Tipke, Steuergerechtigkeit 120. 170 In diesem Sinne Schönfeld/Häck, in: Schönfeld/Ditz, DBA2 Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen Rz. 11 m. w. N.; Jirousek, in: Lang/Schuch/Staringer 15 ff.; Kofler, in: Aigner/Kofler/Tumpel, DBA2 Funktion von Doppelbesteuerungsabkommen Rz. 7; Tipke, Steuergerechtigkeit 120.

346 Kap. 14: Das Besteuerungsprinzip d. zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit

unter den Staaten beruht.171 Somit sind Doppelbesteuerungsabkommen auch wegen ihres verhandlungsbasierten Entstehungsprozesses vom Grundgedanken einer gerechten Verteilung des Steueraufkommens zwischen Staaten getragen.172 Da in diesem Abschnitt nur „dem Grunde nach“ der Nachweis für den Rechtsgrundsatz der „inter-nation equity“ gesucht wird, ist hier auch nicht relevant, welche konkreten Vorstellungen die jeweiligen Staaten über die Verteilungsgerechtigkeit haben. Entscheidend ist lediglich, dass die Staaten beim Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen grundsätzlich von der Notwendigkeit einer gerechten Aufteilung der Besteuerung ausgehen – dies kann nach den obigen Ausführungen bejaht werden. Wie diese Aufteilung konkret aussieht, ist eine Frage für Kapitel 14 C. II. 3. c). Somit sind Doppelbesteuerungsabkommen schon von ihrem Konzept her „dem Grunde nach“ von dem Gedanken der gerechten Verteilung der Besteuerung geprägt. Sobald Doppelbesteuerungsabkommen in Rechtsgeltung stehen, ist daher von einer impliziten Anerkennung dieses, dem völkerrechtlichen Vertrag innewohnenden, Grundgedankens durch die Staaten auszugehen. Damit aus diesem Wert ein allgemeiner Rechtsgrundsatz entstehen kann, muss dieser jedoch noch von einer repräsentativen Mehrheit der Staaten aus den Hauptrechtssystemen dieser Welt anerkannt sein. Laut Angaben der OECD existieren heute weltweit173 über 3.000 Doppelbesteuerungsabkommen.174 Braun/Zagler gehen dagegen von einer etwas geringeren Anzahl von 2.600 Abkommen aus, wovon 500 zwischen industrialisierten Ländern, etwa 800 zwischen sogenannten „Entwicklungsländern“ und schätzungsweise 1.300 zwischen industrialisierten Ländern und „Entwicklungsländern“ abgeschlossen wurden.175 Zwar hat nicht jeder Staat dieser Erde ein solches Abkommen unterfertigt, dennoch lässt sich feststellen, dass unter den in Kapitel 14 C. II. 2. c) genannten großen Rechtsfamilien eine große Vernetzung mittels Doppelbesteuerungsabkom171 In diesem Sinne Schönfeld/Häck, in: Schönfeld/Ditz, DBA2 Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen Rz. 11 m. w. N.; Jirousek, in: Lang/Schuch/Staringer 17 ff.; Kofler, in: Aigner/Kofler/Tumpel, DBA2 Funktion von Doppelbesteuerungsabkommen Rz. 7. 172 In diesem Sinne Valta, Das Internationale Steuerrecht 4 f. m. w. N.; Schönfeld/Häck, in: Schönfeld/Ditz, DBA2 Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen Rz. 11 m. w. N.; Jirousek, in: Lang/Schuch/Staringer 17 ff.; Kofler, in: Aigner/Kofler/Tumpel, DBA2 Funktion von Doppelbesteuerungsabkommen Rz. 7; vgl. auch schon Kapitel 14 B. II. 1. und die dortigen Nachweise. 173 In Subsahara-Afrika knapp 300, vgl. im Detail Hearson, Tax Treaties in Sub-Saharan Africa: A Critical Review, Tax Justice Network Working Paper (2015) 8. 174 Kofler, in: Aigner/Kofler/Tumpel, DBA2 Funktion von Doppelbesteuerungsabkommen Rz. 4 m. w. N.; vgl. auch IMF, Spillovers in International Corporate Taxation, IMF Policy Paper 2014, Rz. 34 ff.; Lehner, in: Vogel/Lehner, DBA6 Grundlagen Rz. 23; Valta, Das Internationale Steuerrecht 311 ff. 175 Vgl. etwa die Darstellungen von Braun/Zagler, An Economic Perspective on Double Tax Treaties with(in) Developing Countries, World Tax Journal 2014, 242 (242 ff.); vgl. auch Quak/Timmis, Double Taxation Agreements and Developing Countries, Institute for Development Studies (2018) 3 ff.

C. Die Zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit der OECD im Völkerrecht

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men besteht.176 Allein die Mitgliedstaaten der OECD, welche jedenfalls den germanischen, angelsächsischen, lateinisch-romanischen und den lateinamerikanischen Rechtskreis abdecken, haben zahlreiche Abkommen mit Staaten aus dem afrikanischen, indischen, ostasiatischen und islamisch-arabischen Bereich geschlossen.177 Im Schnitt haben die OECD-Mitglieder178 jeweils etwa 50 bis 80 Doppelbesteuerungsabkommen unterfertigt.179 Doch auch zahlreiche Nicht-Mitgliedstaaten der OECD, wie etwa China, verfügen oft über Netzwerke von bis zu 100 Doppelbesteuerungsabkommen.180 Zudem integrierten sich in den letzten zwei Dekaden immer mehr sogenannte „Entwicklungsländer“ in das internationale DBA-System.181 Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch das sogenannte multilaterale Instrument. Das multilaterale Instrument ist ein mehrseitiger völkerrechtlicher Vertrag und zentraler Bestandteil des BEPS-Projektes.182 Es ist darauf ausgelegt, die BEPS-Ziele einheitlich und schnell in geltendes Völkerrecht umzusetzen.183 Unter 176 Valta, Das Internationale Steuerrecht 312 m. w. N.; Quak/Timmis, Double Taxation Agreements and Developing Countries 4 ff. 177 Vgl. etwa die Darstellungen von Braun/Zagler, World Tax Journal 2014, 242 ff.; Quak/ Timmis, Double Taxation Agreements and Developing Countries 4 ff.; Michael Lang/Owens, The Role of Tax Treaties in Facilitating Development and Protecting the Tax Base, WU International Taxation Research Paper Series 2014 – 03 (2014) 17 ff.; Hearson, The European Unions Tax Treaties with Developing Countries, Report for the European United Left/Nordic Green Left (2018) 3 ff., 13 ff.; Baistrochi, The Use and Interpretation of Tax Treaties in the Emerging World: Theory and Implications, British Tax Review 2008, 352 (352 ff.); vgl. auch Valta, Das Internationale Steuerrecht 351 ff. m. w. N.; Daurer, Tax Treaties and Developing Countries, Intertax 2014, 695 (695 ff.). 178 Nach Braun/Fuentes hat Österreich (Stand 2014) allein mit Entwicklungsländern 36 Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen, vgl. Braun/Fuentes, A Legal and Economic Analysis of Austrias Double Tax Treaty Network with Developing Countries, WU International Taxation Research Paper Series (2014) 1 f., 35. 179 Lang/Owens, The Role of Tax Treaties in Facilitating Development and Protecting the Tax Base 17 ff. 180 Lang/Owens, The Role of Tax Treaties in Facilitating Development and Protecting the Tax Base 17. 181 Vgl. etwa die Darstellungen von Braun/Zagler, World Tax Journal 2014, 242 f. m. w. N.; Hearson, Tax Treaties in Sub-Saharan Africa: A Critical Review 8 ff.; Quak/Timmis, Double Taxation Agreements and Developing Countries 3 ff.; Daurer, Tax Treaties and Developing Countries, Intertax 2014, 695 ff.; vgl. dazu auch ausführlich act!onaid, The Impact of Tax Treaties on Revenue Collection: A Case Study of Developing and Least Developed Countries (2018). 182 Für einen Überblick vgl. Kirchmayr/Hohenwarter, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 1324 f. 183 Kirchmayr/Hohenwarter, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 1324 f.; vgl. im Detail Bendlinger, Die Relevanz des BEPS-Projekts für das internationale Steuerrecht, in: Bendlinger/Kofler/Michael Lang/Schmidjell-Dommes, SWI Spezial – Die österreichischen DBA nach BEPS (2018) 9 ff.; vgl. auch Bendlinger, Das Multilaterale Instrument – eine ernüchternde Bilanz, SWI 2020, 2 (2 ff.); OECD, Signatories and Parties to the Multilateral Convention to Implement Tax Treaty Related Measures to Prevent Base Erosion and Profit Shifting, verfügbar unter https://www.oecd.org/tax/beps/beps-mli-signatories-and-parties.pdf (ab-

348 Kap. 14: Das Besteuerungsprinzip d. zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit

den 100 Unterzeichnerstaaten des multilateralen Instruments finden sich auch sämtliche großen Rechtskreise der Welt wieder.184 Es besteht somit ein weltumspannendes Netz an Doppelbesteuerungsabkommen, denen Staaten aus allen großen Rechtssystemen dieser Erde angehören. Damit ist davon auszugehen, dass Doppelbesteuerungsabkommen in einer für die Anerkennung eines Rechtsgrundsatzes ausreichenden Anzahl an Staaten und Rechtskreisen verbreitet sind. Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass Doppelbesteuerungsabkommen von ihrem Wesen her „dem Grunde nach“ vom Grundgedanken der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit geprägt sind und dadurch die abschließenden Staaten implizit diesen Grundgedanken anerkennen. Durch die weltweite Verbreitung von Doppelbesteuerungsabkommen ist davon auszugehen, dass sich aus dem den Doppelbesteuerungsabkommen impliziten Gedanken der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit ein allgemeiner Rechtsgrundsatz im Sinne des Art. 38 IGHStatutes entwickelt hat. Wie im nachfolgenden Abschnitt gezeigt werden wird, lässt sich dieses Ergebnis auch auf nicht unmittelbar verbindliche staatliche Willensäußerungen stützen. bb) Nicht unmittelbar verbindliche staatliche Willensäußerungen In diesem Bereich wird gezeigt, dass es möglich ist, Argumente für eine staatliche Anerkennung eines Rechtsgrundsatzes der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit „dem Grunde nach“ auch jenseits des verbindlichen Völkervertragsrechts zu finden. Ausgangspunkt bildet dabei das BEPS-Projekt der OECD. Das BEPS-Projekt hat, wie schon unter Kapitel 4 C. II. 1. erörtert, zum Ziel, Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung vor dem Hintergrund grenzüberschreitender Wirtschaftstätigkeiten und des internationalen Steuerrechts zu vermeiden.185 Ein Fokus dieses Projektes war es insbesondere, mit möglichst vielen Staaten eine einheitliche Anpassung der Doppelbesteuerungsabkommen zu erreichen, um den Missbrauch dieser Abkommen hintanzuhalten und damit Steuerumgehungen zu vermeiden.186 Zu beachten ist, dass in diesem Bereich nur Argumente auf der Ebene von nicht verbindlichen staatlichen Willensäußerungen im Rahmen des BEPS-Projektes gesucht werden. Das multilaterale Instrument, welches einen völkerrechtlichen Vertrag darstellt, wird hier daher nicht unmittelbar als ein Indiz herangezogen.187 Das multilaterale Element kann jedoch auf dieser Ebene als ein Hinweis dafür verstanden werden, dass die Wertungen des BEPS-Projektes keine reinen „Lippenbekenntnisse“ gerufen am 6. 3. 2023); vgl. auch OECD, Ausarbeitung eines multilateralen Instruments zur Modifikation bilateraler Doppelbesteuerungsabkommen (2015) 20, 26. 184 Kirchmayr/Hohenwarter, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 1325; vgl. auch die übrigen Nachweise unter der vorigen Fn. 185 Kirchmayr/Hohenwarter, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 1325. 186 Vgl. etwa Bendlinger, in: Bendlinger et. al. 10 m. w. N. 187 Kirchmayr/Hohenwarter, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 1325.

C. Die Zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit der OECD im Völkerrecht

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sind, sondern auch zum Ziel haben, in verbindliches Völkerrecht umgesetzt zu werden. Im Rahmen des BEPS-Projektes wurden von der OECD zahlreiche Berichte und Handlungsempfehlungen an die Staaten veröffentlicht, welche unverbindliches „soft law“ darstellen, und „nur“ politisches Gewicht haben.188 In diesen Publikationen lässt die OECD an vielen Stellen erkennen, dass eine der Hauptmotivationen für die Durchführung des BEPS-Projekts in Gerechtigkeitsüberlegungen in Bezug auf die Besteuerung von grenzüberschreitenden Unternehmenstätigkeiten liegt.189 Auch schon in früheren Publikationen zur BEPS-Problematik betonte die OECD die Wichtigkeit der gerechten „Verteilung der Besteuerungsrechte“ bei Unternehmensgewinnen.190Zudem stellt auch der Ausgangspunkt dieses gesamten Kapitels 14 das in OECD-Aktionspunkt 1 postulierte Prinzip der „inter-nation equity“ dar.191 Es ist also davon auszugehen, dass ein primärer Kerngedanke dieses OECD-Projektes die Sicherstellung einer zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit „dem Grunde nach“ darstellt. Nun ist wohl anzunehmen, dass wenn Staaten sich an dem BEPS-Projekt beteiligen, mit dieser von der OECD in vielen öffentlichkeitswirksamen Stellungnahmen192 vertretenen Gerechtigkeitsvorstellung übereinstimmen und sich diese Einstellung zu Eigen machen wollen. Es würde für einen Staat nämlich wenig Sinn machen, einer internationalen Initiative beizutreten, mit deren Primärziel er nicht übereinstimmt. Zudem ist das BEPS-Projekt auch nicht als bloßes Gedankenspiel konzipiert worden, sondern ist auf die tatsächliche Umsetzung im Doppelbesteuerungsrecht der Teilnehmerländer angelegt.193 Somit ist davon auszugehen, dass die Staaten durch ihre grundsätzlich unverbindliche194 Teilnahme und Mitwirkung am BEPS-Projekt somit auch ihren Willen ausdrücken wollen, den oben erläuterten

188 Bendlinger, in: Bendlinger et. al. 7 m. w. N.; Schaumburg, in: Schaumburg, Internationales Steuerrecht4 Rz. 5.18 m. w. N.; zu den Publikationen der OECD vgl. die Nachweise unter der folgenden Fn. 189 Vgl. etwa OECD, Steuerliche Herausforderungen der Digitalisierung – Zwischenbericht 2018 Rz. 396, 408; OECD, Action Plan on Base Erosion and Profit Shifting (2013) 8, 9 ff., 13 ff.; OECD, BEPS Frequently Asked Questions 1, verfügbar unter https://www.oecd. org/ctp/BEPS-FAQsEnglish.pdf (abgerufen am 6. 3. 2023); OECD, BEPS-Projekt Erläuterung – Abschlussberichte Rz. 1, 3, 7, 11, 1214, 22; OECD, Neutralisierung der Effekte hybrider Gestaltungen – Aktionspunkt 2 (2017) S. 11, Rz. 2; OECD, Begrenzung der Gewinnverkürzung durch Zins- und wirtschaftlich vergleichbare Aufwendungen – Aktionspunkt 4 Rz. 7. 190 OECD, Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung – Situationsbeschreibung und Lösungsansätze (2014) 45. 191 Unter Kapitel 14 B. II. 4. wurde bereits bejaht, dass die OECD einen äquivalenzbasierten Ansatz zur Verwirklichung der Verteilungsgerechtigkeit befürwortet. 192 Vgl. schon Fn. 189. 193 Vgl. etwa Kirchmayr/Hohenwarter, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 1325. 194 Vgl. dazu Fn. 188.

350 Kap. 14: Das Besteuerungsprinzip d. zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit

Gedanken der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit „dem Grunde nach“ letztlich in Recht verwirklicht haben zu wollen.195 Angesprochen sind dabei jene Länder, welche Teil des „Inclusive Framework on BEPS“ sind und sich offiziell dazu bekannt haben, die BEPS-Maßnahmen in geltendes (Völker-)Recht umzusetzen.196 Die Inclusive-Framework-Gruppe setzt sich dabei aus 141 Staaten aus allen großen Rechtskreisen dieser Welt zusammen.197 Zumindest für jene BEPS-Teilnehmerstaaten, die sich zur Umsetzung der BEPSMaßnahmen bekannt haben, ist nicht von einem „Lippenbekenntnis“ auszugehen, sondern vielmehr von einer tatsächlichen Anerkennung des Gedankens der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit und dem Bestreben, diesen Wert auch tatsächlich rechtsverbindlich realisiert haben zu wollen.198 Da sich diese Staaten mittels der nicht unmittelbar rechtsverbindlichen199 Teilnahme am BEPS-Projekt offen und nachhaltig dazu bekannt haben, den Gedanken der Verteilungsgerech-

195

Vgl. im Detail Bendlinger, in: Bendlinger et. al. 7 ff. Vgl. im Detail Bendlinger, in: Bendlinger et. al. 7 ff.; vgl. auch bundesfinanzministerium.de, Fragen und Antworten zum BEPS-Projekt, https://www.bundesfinanzministerium.de/ Content/DE/FAQ/2017-06-02-faq-beps.html (abgerufen am 6. 3. 2023). 197 Vgl. dazu die Länderliste unter OECD, Members of the OECD/G20 Inclusive Framework on BEPS, verfügbar unter https://www.oecd.org/tax/beps/inclusive-framework-on-bepscomposition.pdf (abgerufen am 6. 3. 2023); zu den relevanten Rechtskreisen vgl. schon Kapitel 14 C. II. 2. c). 198 Vgl. zur BEPS-Umsetzung etwa Kirchmayr/Hohenwarter, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht I12 1324 f.; Bendlinger, in: Bendlinger et. al. 7 ff.; Bendlinger, SWI 2020, 2 ff.; oecd.org, Signatories and Parties to the MLI, verfügbar unter https://www.oecd.org/tax/beps/beps-mli-sig natories-and-parties.pdf (abgerufen am 6. 3. 2023). 199 Länder, die dem Inclusive Framework beitreten, müssen sich zwar zur Umsetzung der BEPS-Ziele bekennen, unmittelbare Rechtsverbindlichkeit ergibt sich daraus, soweit zu sehen, jedoch noch nicht. Politisch stützt sich das Inclusive Framework auf ein Mandat der G20 Finanzminister, vgl. G20 Communiqué, G20 Finance Ministers and Central Bank Governors Meeting 3, verfügbar unter http://www.g20.utoronto.ca/2015/150905-finance.pdf (abgerufen am 6. 3. 2023); vgl. auch Brosens/Bossuyt, Legitimacy in International Tax Law Making: Can the OECD Remain the Guardian of Open Tax Norms?, World Tax Jorunal 2020, unter dem dortigen Abschnitt 3.3.1; Christians/Schön/Shay, Foreword: International Tax Policy in a Disruptive Environment, Bulletin for International Taxation 2018, 191 (192); Kreienbaum/ Fehling, Das Inclusive Framework on BEPS – ein neuer Akteur in der internationalen Steuerpolitik, IStR 2017, 929 (929 f.); OECD, Background Brief – Inclusive Framework on BEPS (2017) 7, 11 f., passim; vgl. auch etwa OECD, Inclusive Framework on BEPS – A Global Answer to a Global Issue, March 2017, verfügbar unter https://www.un.org/esa/ffd/wp-content/ uploads/sites/3/2017/05/flyer-implementing-the-beps-package-building-an-inclusive-frame work.pdf (abgerufen am 6. 3. 2023); zu beachten ist, dass demgegenüber das multilaterale Instrument einen völkerrechtlichen Vertrag darstellt, dessen Unterzeichnung ihn auch verbindlich macht. Hier geht es jedoch nicht um das multilaterale Instrument, sondern lediglich um die Anerkennung aufgrund nicht verbindlicher staatlicher Willensakte im Umkreis des BEPS-Projektes; vgl. zum multilateralen Instrument allgemein Kirchmayr/Hohenwarter, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht I12 1324 f. 196

C. Die Zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit der OECD im Völkerrecht

351

tigkeit auch in geltendes Völkerrecht umzusetzen, ist die Anerkennung eines Rechtsgrundsatzes denkbar.200 Fraglich ist jedoch, ob diese Indizien allein201 schon bedeuten, dass die Entstehung eines völkerrechtlichen Rechtsgrundsatzes der Verteilungsgerechtigkeit begründet werden kann. Die Beantwortung dieser Frage kann jedoch offen bleiben, denn wie schon unter Kapitel 14 C. II. 2. b) erläutert, können die verschiedenen Indizien, welche für die Anerkennung eines Rechtsgrundsatzes sprechen, auch miteinander kombiniert werden. Dies wird im Rahmen eines Zwischenfazits im nächsten Abschnitt vorgenommen. cc) Zwischenfazit Für eine Anerkennung eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit sprechen sowohl Indizien des Völkervertragsrechts als auch nicht unmittelbar verbindliche staatliche Willensäußerungen. So wurde dargestellt, dass die Staaten aus allen Hauptrechtskreisen durch den Abschluss von rechtsverbindlichen Doppelbesteuerungsabkommen implizit auch den diesen völkerrechtlichen Verträgen innewohnenden Kerngedanken einer Verteilungsgerechtigkeit „dem Grunde nach“ anerkennen. Darüber hinaus ist anzunehmen, dass Teilnehmerstaaten des BEPS-Projekts der OECD, welches ebenfalls von der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit geprägt ist, sich diesen Wert zu Eigen machten und auch realisiert sehen wollen. Letztlich lässt sich in einer Zusammenschau von Argumenten aus dem Recht der Doppelbesteuerungsabkommen und aus nicht unmittelbar verbindlichen staatlichen Willensäußerungen nun schlüssig vertreten, dass die Staaten aus einer repräsentativen Mehrheit aller Rechtsfamilien einen völkerrechtlich allgemeinen Rechtsgrundsatz der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit „dem Grunde nach“ anerkannt haben.

200 Vgl. etwa Bernhardt, wonach die Geltung von „Grundprinzipien“ des Völkerrechts von „einem allgemeinen, mehr oder weniger eindeutigen Konsens der Staatengemeinschaft“ abhängt, Bernhardt, ZaöRV 1976, 54; vgl. auch Roth-Arriaza, wonach Völkerrechtsnormen auch dort entstehen können, wo „little or inconclusive state practice, yet a widespread sense that a legal rule is needed“ besteht, Roth-Arriaza, Impunity and Human Rights in International Law and Practice (1995) 47; vgl. auch Voigt, wonach allgemeine Völkerrechtsgrundsätze Normen sind, „that are recognized by a kind of common sense of nations“, Voigt, Sustainable Development as a Principle of International Law (2009) 156; vgl. auch Bassiouni, wonach „general principles“ aus einem „international consensus“ oder „public opinion“ begründet werden, Bassiouni, Michigan Journal of International Law, 1990, 768 (796); vgl. auch zu „soft law“ O’Boyle/Lafferty, General Principles and Constitutions as Sources of Human Rights Law, in: Shelton (Hrsg.), The Oxford Handbook on International Human Rights Law (2013) 207; vgl. auch Petersen, AVR 2008, 507, 511 f.; Weiss, AVR 2001, 400 f.; zur BEPS-Umsetzung vgl. schon die Nachweise unter Fn. 198. 201 Hervorhebung durch den Verfasser.

352 Kap. 14: Das Besteuerungsprinzip d. zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit

c) Zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit „der Höhe nach“ aa) Vorbemerkung Nachdem im vorigen Abschnitt geklärt wurde, dass „dem Grunde nach“ ein völkerrechtlicher Rechtsgrundsatz der Verteilungsgerechtigkeit besteht, wird hier erläutert, ob dies auch „der Höhe nach“ zutrifft. Geprüft wird konkret, ob die Staaten eine bestimmte Methode zur Realisierung der „inter-nation equity“ anerkannt haben. Dabei wird sichtbar werden, dass sich auch gute Indizien dafür finden, dass eine Anerkennung der Staaten nicht nur „dem Grunde“ nach darüber besteht, sondern auch über den Ansatz, wie die Gerechtigkeit tatsächlich zu realisieren ist. Ausgangspunkt der folgenden Untersuchung ist die Feststellung, dass ein allgemeiner Rechtsgrundsatz der Verteilungsgerechtigkeit „dem Grunde“ nach besteht. bb) Völkervertragsrecht und nicht unmittelbar verbindliche staatliche Willensäußerung Für die Ermittlung einer zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit „der Höhe nach“ braucht es zunächst weit verbreiteter und anerkannter Grundgedanken aus dem Völkervertragsrecht.202 Fündig wird man dabei wiederum im DBA-Recht. Unter Kapitel 14 B. II. 3. wurde bereits erörtert, dass der äquivalenzbasierte Ansatz vielerseits die bevorzugte Variante zur Verwirklichung der „inter-nation equity“ ist. Es wurde auch dargestellt, dass die OECD ebenfalls von einer von Äquivalenzgedanken geprägten zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit ausgeht. Ein Äquivalenzgedanke findet sich auch im DBA-Recht wieder. Zu den herrschenden Besteuerungskonzepten des internationalen Steuerrechts gehört nämlich insbesondere das Quellenstaatsprinzip, welches dem Entstehungsstaat von Einkünften ein Besteuerungsrecht zuspricht.203 Das Quellenstaatsprinzip ist damit auch fixer Bestandteil des internationalen Doppelbesteuerungsrechts.204 Dieses Quellenstaatsprinzip wird dabei von der Steuer- und Finanzwissenschaft als ein Ausdruck eines Äquivalenzgedankens gesehen.205 In diesem Sinne findet das 202

Vgl. dazu schon Kapitel 14 C. II. 2. b). Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.45; Schaumburg, in: FS Tipke 128 f.; Andel, Finanzwissenschaft3 488 ff. 204 Kirchmayr/Hohenwarter, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 1303 ff., 1311 ff., 1334, 1337; Lehner, in: Vogel/Lehner, DBA6 Grundlagen Rz. 7, 11 f.; Gsödl, Entstrickungstatbestände des Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes 21 m. w. N.; Schaumburg, in: Schaumburg, Internationales Steuerrecht4 Rz. 2.6; Schaumburg/Häck, in: Schaumburg, Internationales Steuerrecht4 Rz. 19.1 ff.; vgl. auch Wellisch, Finanzwissenschaft II: Theorie der Besteuerung 175 f. 205 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.45 m. w. N.; Schön, Unternehmensbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, Steuerberater Jahrbuch 2003/2004 (2004) 36; Schön, One Answer to Why and How to Tax the Digitalized Economy 4; Gsödl, Entstrickungstatbestände des Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes 21 m. w. N., 26; Schön203

C. Die Zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit der OECD im Völkerrecht

353

Äquivalenzprinzip in Gestalt des Quellenstaatsprinzips aufgrund des internationalen Netzwerkes von Doppelbesteuerungsabkommen auch weltweite Verbreitung.206 Der mit dem Quellenstaatsprinzip verkörperte Äquivalenzgedanke wird im Schrifttum zudem vielerseits als der bevorzugte Ansatz zur Erreichung der „inter-nation equity“ dargestellt.207 Folgt man dieser Auffassung, so stellt der durch das Quellenstaatsprinzip vermittelte Äquivalenzgedanke einen Maßstab für die Realisierung der „inter-nation equity“ dar, welcher in das weltweite DBA-Netz Einzug gehalten hat. Der Äquivalenzgedanke wird somit zum Maßstab der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit „der Höhe nach“. Durch den Äquivalenzgedanken wird der unter Kapitel 14 C. II. 3. b) „dem Grunde nach“ festgestellte Rechtsgrundsatz der Verteilungsgerechtigkeit mit einem konkreteren Inhalt ausgestattet. Das Äquivalenzprinzip schreibt somit vor, dass bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt im Sinne einer zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit dem Quellenstaat, aufgrund der Bereitstellung von öffentlichen Leistungen, grundsätzlich208 ein bestimmtes Ausmaß am Steuersubstrat zusteht. In der Praxis ist zwar noch zu klären, wie hoch dieses Ausmaß im konkreten Fall ist, jedoch ändert diese Fragestellung nichts daran, dass nun zumindest der Maßstab feststeht, an dem sich die zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit orientiert. Wird davon ausgegangen, dass das Äquivalenzprinzip, vermittelt durch das Quellenstaatsprinzip, als Maßstab einer „inter-nation equity“ ein fixer Bestandteil der Systematik von Doppelbesteuerungsabkommen ist, so ergeben sich für den Nachweis der Anerkennung als Rechtsgrundsatz im Wesentlichen die gleichen Überlegungen wie schon beim Anerkennungsnachweis der Verteilungsgerechtigkeit „dem Grunde nach“ unter Kapitel 14 C. II. 3. b). Sobald die Doppelbesteuerungsfeld/Häck, in: Schönfeld/Ditz, DBA2 Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen Rz. 11; Brümmerhoff/Büttner, Finanzwissenschaft12 20.3.1; Musgrave/Musgrave/Kullmer, Die öffentlichen Finanzen in Theorie und Praxis4 III 201; Heuer, Besteuerung der staatlichen Alterssicherung im grenzüberschreitenden Kontext (2009) 70 m. w. N.; Hansjürgens, in: Müller et. al. 81 ff. m. w. N.; Valta, Das Internationale Steuerrecht 196 ff.; Musgrave/Musgrave, in: Bird/Head 70; vgl. dazu auch Musgrave, The OECD Model Tax Treaty: Problems and Prospects, Columbia Journal of Worlds Business 1975, 29 (36 ff.); vgl. dazu auch schon Kapitel 14 B. II. 3. 206 Klamet, Digitale Wirtschaft und zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit 16 f. m. w. N.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.45; Gsödl, Entstrickungstatbestände des Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes 21, 26; vgl. auch Brümmerhoff/Büttner, Finanzwissenschaft12 20.3.1. 207 Schön spricht vom „mayority view“, Schön, One Answer to Why and How to Tax the Digitalized Economy 4 m. w. N.; vgl. auch Schaumburg, in: FS Tipke 129 f. m. w. N.; Musgrave/Musgrave, in: Bird/Head 70 f.; Vogel, Intertax 1988, 398 f.; Gsödl, Entstrickungstatbestände des Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes 21 m. w. N.; Klamet, Digitale Wirtschaft und zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit 15 m. w. N., 16 f. m. w. N.; vgl. auch Schönfeld/Häck, in: Schönfeld/Ditz, DBA2 Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen Rz. 11, sowie Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht24 § 3 Rz. 3.45 m. w. N. 208 Dabei handelt es sich jedoch nur um ein relatives und kein absolutes Postulat, was sich noch näher aus der rechtstheoretischen Analyse unter Kapitel 14 C. IV. 3. ergeben wird.

354 Kap. 14: Das Besteuerungsprinzip d. zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit

abkommen in Rechtsgeltung stehen, ist daher von einer impliziten staatlichen Anerkennung des Äquivalenzgedankens als Maßstab der Verteilung des grenzüberschreitend generierten Steueraufkommens auszugehen.209 Wegen der bereits erläuterten weltweiten Verbreitung von Doppelbesteuerungsabkommen und dem Quellenstaatsprinzip, besteht auch eine für die Anerkennung repräsentative Mehrheit der Staaten aus den verschiedenen Rechtssystemen. Damit kann aufbauend auf den Ausführungen des Kapitels 14 C. II. 2. begründet werden, dass ein allgemeiner Rechtsgrundsatz einer von Äquivalenzüberlegungen getragenen zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit im Sinne des Art. 38 lit. c IGH-Statut besteht. Zusätzliche Indizien für die Anerkennung dieses Rechtsgrundsatzes findet man – wie schon bei der Anerkennung „dem Grunde nach“ – wiederum in nicht unmittelbar verbindlichen staatlichen Willensäußerungen im Zusammenhang mit dem BEPSProjekt. Die Reformbestrebungen der OECD im Rahmen der BEPS-Initiative zielen darauf ab, grenzüberschreitend erwirtschaftete Gewinne am Ort der „Wertschöpfung“ zu besteuern.210 Dies wurde an anderer Stelle bereits erläutert.211 Es kam auch schon zur Darstellung, dass die Besteuerung am Ort der Wertschöpfung als ein Ausfluss bzw. eine „verfeinerte“ Version212 des Äquivalenzprinzips verstanden werden kann. Zudem wurde bereits in Kapitel 14 B. II. 4. detailliert erörtert, dass die OECD bei der Postulierung ihres Prinzips der Verteilungsgerechtigkeit von einem äquivalenzbasierten Ansatz ausgeht. Wenn man davon ausgeht, dass die an dem BEPS-Projekt teilnehmenden Staaten sich dem „Leitstern“ einer Besteuerung am Ort der Wertschöpfung verschreiben, so haben diese Nationen damit auch implizit einen Äquivalenzgedanken für die Besteuerung im internationalen Kontext anerkannt. Daraus folgt, dass die an der BEPSInitiative teilnehmenden Staaten einen Äquivalenzmaßstab für die Verteilung des internationalen Steuersubstrates anerkannt und sich zu Eigen gemacht haben. Die Ausführungen zur Anerkennung „dem Grunde nach“ des Kapitel 14 C. II. 3. b) bb) lassen sich hierbei sinngemäß übertragen. Im Ergebnis liefert die Vielzahl an Teilnehmerstaaten am BEPS-Projekt zusätzliche denkbare Argumente für die Anerkennung eines äquivalenzbasierten Rechtsgrundsatzes der Verteilungsgerechtigkeit. cc) Zwischenfazit Aus einer Kombination von Indizien aus dem Völkervertragsrecht und aus anderen staatlichen Willensäußerungen lassen sich Argumente für eine Anerkennung 209

Vgl. dazu schon Kapitel 14 C. II. 2. b). Vgl. statt vieler oecd.org, BEPS – What are we doing to solve it?, http://www.oecd.org/ tax/beps/about/#mission-impact; vgl. auch die Verweise unter der nachfolgenden Fn. 211 Vgl. dazu Kapitel 14 B. II. 3., 4. sowie C. II. 1. und die dortigen Nachweise. 212 Schön, One Answer to Why and How to Tax the Digitalized Economy 5 ff. 210

C. Die Zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit der OECD im Völkerrecht

355

eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes der Verteilungsgerechtigkeit finden, welcher sich „der Höhe nach“ am Äquivalenzgedanken orientiert. Dadurch ist zwar nicht geklärt, wie stark bzw. in welchem Ausmaß dieser Äquivalenzgedanke aus Sicht der Staaten ausgeprägt sein muss, es kann aber nun festgestellt werden, dass der Äquivalenzgedanke an sich als ein Maßstab der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit anerkannt ist. Das nachfolgende Zwischenergebnis fasst die zentralen Erkenntnisse der völkerrechtlichen Prüfung der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit zusammen.

III. Zwischenergebnis und weitere Vorgehensweise In den vorigen Abschnitten wurde stufenweise gezeigt, dass sich im Völkerrecht sowohl die zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit „dem Grunde nach“ als auch die konkrete Methode ihrer Verwirklichung als allgemeiner Rechtgrundsatz nachweisen lassen. Im Ergebnis besteht damit vor dem Hintergrund des internationalen Steuerrechts und DBA-Netzwerks ein völkerrechtlicher allgemeiner Rechtsgrundsatz einer äquivalenzbasierten zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit für das grenzüberschreitende Steueraufkommen. Damit gehört dieser Gerechtigkeitsmaßstab zu den wenigen völkerrechtlichen Rechtsgrundsätzen, die sich im Bereich des internationalen Steuerrechts nachweisen lassen.213 Der hier festgestellte allgemeine Rechtsgrundsatz des Völkerrechts könnte folgendermaßen umschrieben werden: die Besteuerung von grenzüberschreitenden Sachverhalten hat nach dem Grundsatz einer gerechten Verteilung des Steuersubstrates zwischen den betroffenen Staaten zu erfolgen, wobei sich die Methode der Aufteilung konkret am Äquivalenzgedanken orientiert. Wie stark der Äquivalenzgedanke in den jeweiligen DBA ausgeprägt sein muss, ist dadurch allerdings noch nicht geklärt. Festgestellt wurde aber, dass es für das internationale Steuerrecht einen völkerrechtlichen Gerechtigkeitsmaßstab gibt und dieser vom Äquivalenzgedanken geprägt ist. Zudem wird nachfolgend noch gezeigt werden, dass dieser Rechtsgrundsatz immer nur relativ zu verstehen ist. Es handelt sich bei der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der sich speziell aus internationalen Beziehungen und der gegenwärtigen Struktur der Staatengemeinschaft entwickelt hat.214 Daher reiht sich die äquivalenzbasierte zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit der Besteuerung ein in den Reigen der speziell aus internationalen Beziehungen entwickelten Rechtsgrundsätze; dazu gehören etwa auch die souveräne Gleichheit der

213 214

Bentil, Georgetown Journal of International Law 2018, 1244 ff. Weiss, AVR 2001, 399.

356 Kap. 14: Das Besteuerungsprinzip d. zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit

Staaten oder die Staatenimmunität.215 Solche Rechtsgrundsätze spielen nach Weiss eine zentrale Rolle für das Funktionieren von internationalen Beziehungen.216 Dass der allgemeine Rechtsgrundsatz der äquivalenzbasierten zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit im internationalen Steuerrecht nicht absolut im Sinne einer Rechtsregel gilt, sondern aus Sicht der Rechtstheorie ein Rechtsprinzip darstellt, wird im folgenden Abschnitt erläutert.

IV. Die zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit als Rechtsprinzip? 1. Die Prinzipientheorie im Völkerrecht Trotz gravierender Unterschiede zu den nationalen Rechtsordnungen gibt es – ähnlich wie für das Europarecht – in letzter Zeit vermehrt Bestrebungen, das Völkerrecht für die Prinzipientheorie fruchtbar zu machen.217 Denn sowohl nationales Recht als auch das Völkerrecht beruhen in ihrem Kern auf Rechtsnormen, die einander in Wesen und ihrer Funktionsweise gleichen.218 In diesem Sinne wurde auch festgestellt, dass – ähnlich wie im innerstaatlichen Recht219 – zentrale Grundfragen des Völkerrechts nur durch prinzipiengeleitete Abwägungsentscheidungen gelöst werden können.220 Daher wurde die zur Prinzipientheorie gehörende Unterscheidung von Regeln und Prinzipien speziell im Umweltvölkerrecht221 positiv rezipiert und auch vielfach übernommen.222 So können im Umweltvölkerrecht etwa die „nachhaltige Entwicklung“ und die „Bekämpfung von Armut“ als Rechtsprinzipien qualifiziert werden, da diese den Umweltakteuren ein „ideales Sollen“ im Sinne eines Optimierungsgebotes vorgeben.223 In der Literatur werden auch ein „menschenrechtlich verstandenes Demokratieprinzip“ und die „Achtung der Rule of Law“ 215

Weiss, AVR 2001, 399. Weiss, AVR 2001, 399. 217 Vgl. dazu die instruktive Darstellung von Henninger, Menschenrechte und Frieden als Rechtsprinzipien des Völkerrechts 221 m. w. N., 230 ff.; Niels, Der Wandel des ungeschriebenen Völkerrechts im Zuge der Konstitutionalisierung, AVR 2008, 502 (508 ff. m. w. N.). 218 Beyerlin, „Prinzipien“ im Umweltvölkerrecht – ein pathologisches Problem?, in: FS Steinberger (2002) 53 f.; Göttsche, Die Anwendung von Rechtsprinzipien in der Spruchpraxis der WTO-Rechtsmittelinstanz (2005) 115. 219 Uepermann, Internationales Verfassungsrecht, JZ 2001, 565 (565 ff.). 220 Vgl. im Detail Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 225 ff., 492 ff., 655 ff.; Emmerich-Fritsche, Vom Völkerrecht zum Weltrecht (2007) 706 m. w. N.; Göttsche, Die Anwendung von Rechtsprinzipien in der Spruchpraxis der WTO-Rechtsmittelinstanz 119 ff. 221 Das Umweltvölkerrecht gilt als Geburtsort des völkerrechtlichen Prinzipienbegriffs, vgl. dazu Henninger, Menschenrechte und Frieden als Rechtsprinzipien des Völkerrechts 231 m. w. N. 222 Beyerlin, in: FS Steinberger 51. 223 Vgl. im Detail Beyerlin, in: FS Steinberger 55 ff.; vgl. auch Kaltenborn, Entwicklungsvölkerrecht und Neugestaltung der internationalen Ordnung (1998) 122 ff. 216

C. Die Zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit der OECD im Völkerrecht

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als völkerrechtliche Rechtsprinzipien qualifiziert, welche von internationalen Gerichten in ihren Entscheidungen zu berücksichtigen sind.224 Wie im nationalen Recht verdeutlicht die Prinzipientheorie daher auch im Völkerrecht den Konflikt von gegenüberstehenden Gesichtspunkten und zeigt deren Kollisionsverhalten auf.225 Als Beispiel einer solchen Abwägung von völkerrechtlichen Rechtsprinzipien ist etwa die Frage der Zulässigkeit von humanitären Interventionen zu nennen, in deren Zusammenhang es zu einem Aufeinandertreffen von zwei zentralen völkerrechtlichen Prinzipien kommt, nämlich einerseits der Friedenserhaltung und andererseits dem Schutz der Menschenrechte.226 Diese völkerrechtliche Prinzipienkollision muss – wie bei der Anwendung der Prinzipientheorie im innerstaatlichen Bereich – auf dem Wege der Abwägung gelöst werden.227 Zu erwähnen ist jedoch, dass für Rechtsprinzipien im Völkerrecht die Justiziabilität im Vergleich zum nationalen Recht geringer ausfällt. Dies liegt jedoch nicht an der Prinzipientheorie an sich, sondern am derzeitigen Entwicklungsstand des Völkerrechts und der vergleichsweise minderen Bedeutung von internationalen Rechtssprechungsorganen wie dem IGH.228 Zur quellentheoretischen Herleitung der völkerrechtlichen Rechtsprinzipien gibt es unterschiedliche Auffassungen in der Literatur; als mögliche Ansätze werden die Herleitung aus völkerrechtlichen Verträgen,229 Gewohnheitsrecht230 oder allgemein anerkannten Rechtsgrundsätzen231 gesehen. Zusammenfassend gilt für die Prinzipientheorie auf völkerrechtlicher Ebene ein ähnlicher Schluss wie für die Prinzipientheorie auf der europarechtlichen Ebene: es lässt sich erkennen, dass die Prinzipientheorie beginnt, auch die internationale „Bühne“ zu erobern.232 2. Allgemeine Rechtsgrundsätze als völkerrechtliches Medium für rechtstheoretische Prinzipien Soweit zu sehen, hat sich im deutschsprachigen Raum zuletzt Rauber am detailliertesten mit der prinzipientheoretischen Verwertbarkeit der drei klassischen 224

Kadelbach/Kleinlein, AVR 2006, 263. Niels, AVR 2008, 509 ff. 226 Niels, AVR 2008, 509 ff.; Henninger, Menschenrechte und Frieden als Rechtsprinzipien des Völkerrechts 221 m. w. N., 234. 227 Niels, AVR 2008, 509 ff.; vgl. dazu auch Kadelbach/Kleinlein, AVR 2006, 263 f.; Kaltenborn, Entwicklungsvölkerrecht 125. 228 Vgl. dazu im Detail Henninger, Menschenrechte und Frieden als Rechtsprinzipien des Völkerrechts 245 ff. 229 Henninger, Menschenrechte und Frieden als Rechtsprinzipien des Völkerrechts 238. 230 Beyerlin, in: FS Steinberger 60. 231 Vgl. im Detail Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 249 ff.; Kadelbach/Kleinlein, AVR 2006, 263. 232 Henninger, Menschenrechte und Frieden als Rechtsprinzipien des Völkerrechts 236; vgl. auch Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 225. 225

358 Kap. 14: Das Besteuerungsprinzip d. zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit

Völkerrechtsquellen des Art. 38 lit. a, b und c des IGH-Statuts auseinandergesetzt.233 Dabei kam er zu dem Schluss, dass das Völkervertragsrecht, das Völkergewohnheitsrecht und die allgemeinen Rechtsgrundsätze den Rechtsprinzipien eine unterschiedlich gute Basis bieten können.234 So kann ein völkerrechtlicher Vertrag zwar sowohl Rechtsregeln als auch Prinzipien beinhalten. Damit das im Vertrag enthaltene Rechtsprinzip aber als Teil des allgemeinen Völkerrechts für alle Staaten in Rechtsgeltung steht, müsste der betreffende Völkerrechtsvertrag eine allseitige Ratifizierung durch die Staaten erfahren haben.235 Dies ist jedoch nur für wenige völkerrechtliche Verträge der Fall.236 Bei der prinzipientheoretischen Geeignetheit von Völkergewohnheitsrecht stellen sich nach Rauber dagegen Zweifel hinsichtlich der Struktur dieser Normen.237 Völkergewohnheitsrecht entsteht nämlich durch eine „general practice accepted as law“, also eine langandauernde Übung der Staaten, welche mit der Zeit als Recht akzeptiert wird; Gewohnheitsrecht ist daher „verhaltensbezogen“. Dies steht im Kontrast zur Natur von Rechtsprinzipien, da diese stets auf die Normierung von Idealen ausgerichtet sind und so auf einen Wert oder ein Rechtsgut bezogen sind und daher nicht konkretes Handeln als Basis haben.238 Problematisch ist dies laut Rauber insbesondere, weil sich allein aus dem Verhalten von Staaten nur schwer ein auf einen idealen Zustand abstellendes Rechtsprinzip nachweisen lässt.239 Diese Argumentation Raubers hat etwas für sich, da Rechtsprinzipien nach Alexy ein „ideales Sollen“ beschreiben.240 Allein aufgrund einer allgemeinen staatlichen Übung, von der Verbalakte241 grundsätzlich ausgeschlossen sind, auf einen abstrakten Idealzustand zu schließen, der im Sinne eines Optimierungsgebotes im Rahmen der rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten soweit wie möglich zu realisieren ist, erscheint schwierig. Für Rauber stellt aufgrund dieser Mängel von Völkervertrags- und Gewohnheitsrecht, der allgemeine Rechtsgrundsatz daher das passendste Medium für rechtstheoretische Prinzipien dar.242 Ob Raubers Analyse in jedem Detail gefolgt werden muss, kann offen bleiben. Nachfolgend wird aber gezeigt werden, dass der allgemeine Völkerrechtsgrundsatz der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit

233

Vgl. im Detail Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 244 f., 245 ff., 249 ff. Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 243. 235 Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 244. 236 Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 244 f. 237 Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 245 ff. 238 Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 245 f. 239 Vgl. im Detail Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 245 ff. 240 Alexy, Recht, Vernunft, Diskurs 202 ff.; vgl. auch Unger, Das Verfassungsprinzip der Demokratie 99. 241 Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 246. 242 Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel 249 ff., 283. 234

C. Die Zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit der OECD im Völkerrecht

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schlüssig als Völkerrechtsprinzip im Sinne der Prinzipientheorie erklärt werden kann. 3. Das Rechtprinzip der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit a) Vorbemerkung Damit der allgemeine Rechtsgrundsatz der zwischenstaatlichen äquivalenzbasierten Verteilungsgerechtigkeit als Rechtsprinzip qualifiziert werden kann, muss diese Norm243 abwägungsfähig und stufenweise erfüllbar sein.244 Die in dieser Arbeit regelmäßig vorgenommene rechtstheoretische Analyse anhand von Judikaturbeispielen fällt vor einem völkerrechtlichen Hintergrund nicht leicht. So wird in der Literatur angemerkt, dass es auf der völkerrechtlichen Ebene bislang nur wenig Sachverhalte vor internationalen Gerichtshöfen gibt, welche sich mit Besteuerungsproblematiken befassen.245 Dies zieht jedoch nicht die Prinzipientheorie in Zweifel, sondern liegt am Wesen des Völkerrechts.246 Nachfolgend wird sichtbar werden, dass sich das Wesen des allgemeinen Rechtsgrundsatzes der äquivalenzbasierten zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit dennoch ergründen lässt. b) Äquivalenzbasierte zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit als ideales Sollen Eine instruktive Beschreibung von völkerrechtlichen Rechtsprinzipien liefert Göttsche, der sich insbesondere auf die Werke von Beyerlin247 und Kaltenborn248 beruft.249 Demnach können Rechtsprinzipien auch auf völkerrechtlicher Ebene als Optimierungsgebote im Sinne von Alexy verstanden werden. Völkerrechtsprinzipien beschreiben daher einen bestimmten, auf einen internationalen Sachverhalt bezogenen, Zustand als ideales Sollen. Dieser Zustand ist von den Völkerrechtssubjekten im Rahmen ihrer tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten so weit wie möglich zu verwirklichen.250 Rechtsprinzipien des Völkerrechts fordern, wie im innerstaatlichen Recht, keine unbedingte Erfüllung, sondern sind mit gegenläufigen Prinzipien 243 Als allgemeiner Rechtsgrundsatz steht die zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit auch innerhalb des Völkerrechts in Rechtsgeltung, Weiss, AVR 2001, 411. 244 Henninger, Menschenrechte und Frieden als Rechtsprinzipien des Völkerrechts 239 ff. 245 Bentil, Georgetown Journal of International Law 2018, 1244 m. w. N. 246 Vgl. im Detail Henninger, Menschenrechte und Frieden als Rechtsprinzipien des Völkerrechts 245 ff. 247 Beyerlin, in: FS Steinberger 53 f. 248 Kaltenborn, Entwicklungsvölkerrecht 122 ff. 249 Göttsche, Die Anwendung von Rechtsprinzipien in der Spruchpraxis der WTORechtsmittelinstanz 115 f. 250 Göttsche, Die Anwendung von Rechtsprinzipien in der Spruchpraxis der WTORechtsmittelinstanz 116 f.; Kaltenborn, Entwicklungsvölkerrecht 122.

360 Kap. 14: Das Besteuerungsprinzip d. zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit

abzuwägen.251 Dabei erfüllen Rechtsprinzipien im Völkerrecht die Rolle von Leitlinien und Wertmaßstäben, welche das Staatshandeln zwar maßgeblich beeinflussen, aber anders als Rechtsregeln nicht in jedem Fall unmittelbare und konkrete völkerrechtliche Handlungspflichten mit sich bringen.252 Vielmehr können Rechtsprinzipien des Völkerrechts auch mittelbar auf das Staatsverhalten wirken, indem sie die Basis für die Entstehung von positiven Normen bilden, die auf die Realisierung und Umsetzung des Völkerrechtsprinzips gerichtet sind; zu denken ist bei dieser Untersuchung dabei vor allem an den Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens auf Grundlage der äquivalenzbasierten Verteilungsgerechtigkeit (siehe dazu sogleich).253 Als allgemeiner völkerrechtlicher Rechtsgrundsatz steht die äquivalenzbasierte Verteilungsgerechtigkeit generell zwischen den Staaten bei grenzüberschreitenden Steuersachverhalten in Rechtsgeltung.254 Daher stellt dieser Rechtsgrundsatz auch nicht allein auf das einzelne Steuerrechtsverhältnis ab, sondern hat generell die zwischenstaatliche Besteuerung unter Staaten im Blickwinkel. Dabei ist die äquivalenzbasierte zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit nicht als absolute Vorgabe zu sehen, die bei der Besteuerung eines jeden grenzüberschreitenden Sachverhaltes jeweils unbedingt erfüllt werden muss. Dieser Umstand zeigt sich deutlich bei der weltweiten DBA-Praxis, in der bei bestimmten Einkünften255 zum Teil oder auch zur Gänze dem Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht gewährt wird – in solchen Fällen wird daher die Quellenbesteuerung und damit auch der Äquivalenzgedanke eingeschränkt bzw. nur zu einem gewissen Grad erfüllt. Dass der äquivalenzbasierte Gerechtigkeitsgedanke bei der Besteuerung von verschiedenen Einkünften unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann, ändert aufgrund seines Wesens als Völkerrechtsnorm nichts an der grundsätzlichen Geltung dieses Gerechtigkeitsmaßstabes für die Staaten.256 Das Völkerrechtsprinzip der äquivalenzbasierten zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit ist für die Staaten als eine Leitlinie bzw. als ein „ideales Sollen“ im Sinne eines Optimierungsgebotes zu verstehen, welches bei der Aushandlung von Doppelbesteuerungsabkommen im Rahmen der rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten „so weit wie“ möglich zu realisieren ist. Dieses Völkerrechtsprinzip gilt bei der Ausgestaltung der Doppel251 Falterbaum, Auf dem Weg zu einer effektiveren internationalen Rechtsordnung, AVR 1995, 245 (264); Kaltenborn, Entwicklungsvölkerrecht 125. 252 Göttsche, Die Anwendung von Rechtsprinzipien in der Spruchpraxis der WTORechtsmittelinstanz 115 f.; Beyerlin, in: FS Steinberger 54 m. w. N. 253 Beyerlin, in: FS Steinberger 54 m. w. N. 254 Vgl. etwa Weiss, AVR 2001, 411 zur Verbindlichkeit von Rechtsgrundsätzen. 255 So wird nach dem DBA-Musterabkommen bei Einkünften aus Lizenzgebühren (Art. 12 OECD-MA) allein dem Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht zugesprochen und auch Veräußerungsgewinne aus bestimmten Vermögen dürfen laut Art. 13 OECD-MA nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden, vgl. dazu etwa Kirchmayr/Hohenwarter, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht8 II Rz. 1357, 1358. 256 Vgl. etwa Weiss, AVR 2001, 411.

C. Die Zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit der OECD im Völkerrecht

361

besteuerungsabkommen daher grundsätzlich für beide Staaten gleichermaßen, da erreicht werden soll, dass der Äquivalenzgedanke und damit auch die Besteuerung am Ort der Wertschöpfung zur Verwirklichung gelangt.257 Das Rechtsprinzip der äquivalenzbasierten Verteilungsgerechtigkeit bewirkt somit, dass auch die von diesem Gedanken getragene Besteuerung am Ort der Wertschöpfung einen zu realisierenden Idealzustand für die internationale Besteuerung und für Staatsverhandlungen über Doppelbesteuerungsabkommen darstellt. Diese Stoßrichtung des Rechtsprinzips deckt sich auch mit den umfangreichen BEPS-Initiativen der OECD.258 Aufgrund von rechtlichen und politischen Gegebenheiten wird es für die Staaten nicht in jedem Einzelfall möglich sein, eine volle Verwirklichung des Äquivalenzgedankens zu erzielen.259 Die äquivalenzbasierte Verteilungsgerechtigkeit tritt in manchen Fällen nämlich zurück bzw. wird nur teilweise realisiert, da gegenläufigen Prinzipien oder auch politischen Zielen („policies“) im Rahmen einer Abwägung mehr Gewicht zugesprochen wird. Bei der Aufteilung der Besteuerungszuordnungen von Doppelbesteuerungsabkommen können insbesondere wirtschafts- und entwicklungspolitische Erwägungen eine große Rolle spielen.260 In den ausverhandelten DBA-Normen zeigt sich am Ende, in welchem Ausmaß das Völkerrechtsprinzip der äquivalenzbasierte Verteilungsgerechtigkeit verwirklicht wurde. So schlägt etwa der Art. 10 des OECD-MA bei Einkünften aus Dividenden ein Besteuerungsrecht des Quellenstaats, also jenem Staat, in dem die ausschüttende Gesellschaft ihren Sitz hat, im Ausmaß von 15 % der Bruttodividende vor.261 Dieses Quellenbesteuerungsrecht ist Ausdruck der äquivalenzbasierten Verteilungsgerechtigkeit, da der Sitzstaat des Unternehmens mit seinen öffentlichen Gütern wie Sicherheit, Infrastruktur oder dem Rechtssystem zum Entstehen der Dividenden beiträgt.262 In Verhandlungen über die Ausgestaltung eines konkreten DBAs zwischen zwei Staaten kann diesem Quellenbesteuerungsrecht, und damit dem Äquivalenzgedanken, jedoch eine unterschiedlich hohe Gewichtung („dimension of weight“) zukommen. So könnten sich die Staaten aus politischen oder rechtlichen Erwägungen darauf einigen, dass dem Quellenstaat eine Bruttodividende von 30 %, 5 % oder gar 0 % zusteht; je nachdem wie das Verhandlungsergebnis aussieht, würde der Äquivalenzgedanke der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit unterschiedlich stark realisiert werden. Das jeweilige Ausmaß des Besteuerungsrechts ist das Ergebnis einer Abwägung des Äquivalenzgedankens mit anderen Gesichtspunkten. 257

Vgl. dazu Kapitel 14 B. II. 3. Vgl. etwa Kapitel 14 B. II. 3., 4. sowie C. II. 2. und die dortigen Nachweise. 259 Vgl. zu DBA-Verhandlungen Österreichs etwa Jirousek, in: Lang/Schuch/Staringer 17 ff.; vgl. auch Valta, Das Internationale Steuerrecht 334 f., 357 f. 260 Vgl. im Detail Valta, Das Internationale Steuerrecht 512 ff. 261 Kirchmayr/Hohenwarter, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht I12 1355; vgl. Art. 10 Abs. 2 lit. b OECD-MA. 262 Vgl. dazu schon allgemein Kapitel 14 B. II. 3. 258

362 Kap. 14: Das Besteuerungsprinzip d. zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit

Ein Beispiel für die graduelle Erfüllbarkeit der äquivalenzbasierten zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit liefert auch ein Vergleich zwischen dem OECDMusterabkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung und dem UN-Musterabkommen. Das OECD-Musterabkommen wurde primär aus der Perspektive von entwickelten Industriestaaten entworfen.263 Daher wird dieses Musterabkommen für die Anwendung auf die Wirtschaftsbeziehungen zwischen einem Industrieland und einem sogenannten „Entwicklungsland“ als nur wenig passend angesehen.264 Als Reaktion darauf wurde das UN-Musterabkommen geschaffen, das die „Verteilungsentscheidungen“ zu Gunsten vermehrter Besteuerungsrechte der „Entwicklungsländer“, welche üblicherweise Quellenstaaten darstellen, verschiebt.265 Im UNMusterabkommen wird daher der Äquivalenzgedanke durch vermehrte Besteuerung in den Quellenstaaten „noch mehr“ erfüllt, als im Vergleich zu dem OECD-Musterabkommen. Aus den vorangegangenen Ausführungen wird deutlich erkennbar, dass der Gerechtigkeitsmaßstab der äquivalenzbasierten Verteilungsgerechtigkeit die rechtstheoretische Natur eines abwägungsfähigen, graduell erfüllbaren Völkerrechtsprinzips innehat.

V. Ergebnis zur zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit im Völkerrecht Das Konzept des OECD-Besteuerungsprinzips der Verteilungsgerechtigkeit zwischen Nationen stammt aus der Finanzwissenschaft und ist heute sowohl in der Wirtschaftswissenschaft als auch in der Steuerrechtswissenschaft ein anerkannter Maßstab zur Aufteilung des internationalen Steuergutes zwischen den Staaten. Die OECD geht dabei davon aus, dass dieser Gerechtigkeitsmaßstab konkret mittels eines äquivalenzbasierten Ansatzes realisiert werden soll. Auf Ebene des Völkerrechts lässt sich dieses Besteuerungsprinzip als ein allgemeiner völkerrechtlicher Rechtsgrundsatz der äquivalenzbasierten zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit nachweisen. Aus rechtstheoretischer Sicht ist dieser allgemeine Rechtsgrundsatz ein Rechtsprinzip, das eine abwägungsfähige Leitlinie für staatliches Handeln darstellt.

263

Vgl. im Detail Valta, Das Internationale Steuerrecht 351 ff. m. w. N. Valta, Das Internationale Steuerrecht 337 ff., 353. 265 Valta, Das Internationale Steuerrecht 353 m. w. N. 264

D. Zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit auf Ebene des Europarechts

363

D. Zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit auf Ebene des Europarechts I. Vorbemerkung Nachdem im vorigen Abschnitt geklärt wurde, wie sich das OECD-Prinzip der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit auf völkerrechtlicher Ebene niederschlägt, ist nun zu ergründen, ob es für dieses OECD-Prinzip eine Entsprechung auf europarechtlicher Ebene gibt. Zu beachten ist, dass im Rahmen dieser Arbeit nicht auf sämtliche Gerechtigkeitsaspekte des Unionsrechts in Bezug auf eine grenzüberschreitende Besteuerung eingegangen werden kann. Eine solche Behandlung würde den Rahmen dieser Arbeit weit sprengen. So wird auch insbesondere das Thema von umsatzsteuerlichen Gerechtigkeitsaspekten des Unionsrechts bewusst ausgeblendet und stattdessen an dieser Stelle ein Verweis auf die einschlägige Literatur gegeben.266 Deshalb wird im Folgenden der Fokus auf jene Aspekte gelegt, welche sich eindeutig der von der OECD gemeinten zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit zuordnen lassen.

II. Das kongruente Verständnis der „inter-nation equity“ von EU und OECD Wie die OECD beschäftigt sich auch die Europäische Union schon seit Jahren mit der BEPS-Problematik im Binnenmarkt.267 Ein Höhepunkt der Anti-BEPS Maßnahmen der EU besteht bisher in der sogenannten Anti-Tax-Avoidance-Richtlinie, auch Anti-BEPS-Richtlinie genannt.268 Die EU greift bei ihren Anti-BEPS-Publikationen und Maßnahmen massiv auf die Vorarbeiten der OECD aus dem BEPSProjekt zurück.269 Dabei zeigt sich, dass die EU bei ihrer Anti-BEPS-Agenda und Anti-BEPS-Maßnahmen von den im Grunde selben Motiven geleitet wurde wie die OECD. So geht aus der Anti-Tax-Avoidance-Richtlinie und zahlreichen Mitteilungen der EU-Kommission explizit hervor, dass die Anti-BEPS-Agenda der EU von den Ge-

266

Vgl. etwa Kokott, Das Steuerrecht der europäischen Union § 3 Rz. 48 ff.; vgl. auch Schlussanträge von GA Kokott zu 4. 7. 2019, C-323/18, Tesco-Global, Rz. 96. 267 Vgl. im Detail Kofler, in: Kirchmayr et. al. 10 ff.; Fehling, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht Rz. 10.30 ff. 268 Kofler, in: Kirchmayr et. al. 10 ff.; Staringer, Die Anti-Tax-Avoidance-Richtlinie: Gesamtwürdigung aus steuerpolitischer Sicht, in: Michael Lang/Rust/Schuch/Staringer (Hrsg.), Die Anti-Tax-Avoidance-Richtline (2017) 2 ff.; Kirchmayr, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht I12 Rz. 12/1. 269 Staringer, in: Lang et. al. 5.

364 Kap. 14: Das Besteuerungsprinzip d. zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit

danken der „Fairness“ bzw. „Gerechtigkeit“ getragen ist.270 Im BEPS-Aktionsplan der EU-Kommission aus dem Jahr 2015 wird vor dem Hintergrund der Unternehmensbesteuerung auch von einer gerechten Aufteilung des Steueraufkommens unter den Ländern gesprochen.271 Fraglich ist nun jedoch, ob die EU mit den Begriffen der „Fairness“ bzw. „Gerechtigkeit“ ebenfalls eine äquivalenzbasierte zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit im Sinne der OECD versteht. Daher wird nachfolgend das Begriffsverständnis von „Fairness“ und „Gerechtigkeit“ der EU nacheinander geklärt. Einer Untersuchung des Fairness-Verständnisses der EU zu Fragen der internationalen Besteuerung haben sich im Jahr 2017 Burgers/Valderrama im Aufsatz „Fairness: A Dire International Tax Standard with No Meaning?“ gewidmet.272 Die Autorinnen analysierten dazu eine Reihe von offiziellen Stellungnahmen273 und Dokumenten, welche im Rahmen der Anti-BEPS-Agenda der EU veröffentlicht wurden.274 Dabei kamen Burgers/Valderrama zu dem Schluss, dass die EU den Begriff „Fairness“ vor allem in einem ökonomisch-finanzwissenschaftlichen Sinn versteht.275 Burgers/Valderrama arbeiteten weiters heraus, dass „Fairness“ der Besteuerung in den Finanzwissenschaften üblicherweise die Beachtung der horizontalen und vertikalen Gerechtigkeit im nationalen Kontext beinhaltet und auf der 270 RL (EU) 2016/1164 Erwägungsgrund 1 und 2; Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das europäische Parlament und den Rat – Eine faire und effiziente Unternehmensbesteuerung in der Europäischen Union – Fünf Aktionspunkte, COM 302 final (2015) 2 ff., 6 f., 8, passim; Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat – Ein faires und effizientes Steuersystem in der Europäischen Union für den digitalen Binnenmarkt, COM 547 final 2, 7 f., 9; Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das europäische Parlament und den Rat – Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Steuervermeidung: nächste Schritte auf dem Weg zu einer effektiven Besteuerung und einer größeren Steuertransparenz in der EU, COM 23 final (2016) 2; Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das europäische Parlament und den Rat über eine externe Strategie für effektive Besteuerung, COM 24 (2016) final, 2 f., 5 f., passim; vgl. auch ec.europa.eu, Kommission stellt Aktionsplan für eine fairere und effizientere Unternehmensbesteuerung in der EU vor, https://ec.europa.eu/commission/presscorner/de tail/de/IP_15_5188 (abgerufen am 6. 3. 2023); vgl. dazu auch Schön et. al., EU-Aktionsplan zur Unternehmensbesteuerung: Ein Weg zu größerer Fairness und Effizienz in der Steuerpolitik?, ifo Schnelldienst 2015, 3 ff. 271 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das europäische Parlament und den Rat – Eine faire und effiziente Unternehmensbesteuerung in der Europäischen Union – Fünf Aktionsschwerpunkte, COM 302 final 3, 2, 11. 272 Burgers/Valderrama, Intertax 2017, 269, 780 ff. 273 Darunter etwa Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das europäische Parlament und den Rat – Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Steuervermeidung: nächste Schritte auf dem Weg zu einer effektiven Besteuerung und einer größeren Steuertransparenz in der EU, COM 23 final und Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das europäische Parlament und den Rat über eine externe Strategie für effektive Besteuerung, COM 24 final. 274 Burgers/Valderrama, Intertax 2017, 780 f. m. w. N. 275 Burgers/Valderrama, Intertax 2017, 782, 768 f.

D. Zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit auf Ebene des Europarechts

365

internationalen Ebene die hier einschlägige zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit für die Aufteilung des Steuersubstrats bedeutet.276 Mit „Fairness“ meint die EU im Rahmen ihrer Anti-BEPS-Agenda im Sinne eines ökonomischen Verständnisses also die gerechte Verteilung des Steueraufkommens zwischen den Staaten. Dies deckt sich auch mit dem oben erwähnten BEPS-Aktionsplan der EU-Kommission, in dem explizit festgehalten wird, dass bei der grenzüberschreitenden Besteuerung von Unternehmensgewinnen „das Steueraufkommen gerecht auf die Länder aufzuteilen“ ist.277 In einem zweiten Schritt ist die Frage zu klären, was die EU konkret unter „Gerechtigkeit“ vor dem Kontext der grenzüberschreitenden Besteuerung versteht. Eine Antwort darauf liefert die EU-Kommission, welche 2017 in einer auf dem OECD-BEPS-Projekt aufbauenden Mitteilung ausdrücklich festgestellt hat, dass die Besteuerung am Ort der Wertschöpfung der zentrale Faktor für ein gerechtes Steuersystem und die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen darstellt.278 Um diese Ziele zu erreichen, ist die EU daher generell der Auffassung, dass grenzüberschreitende Wirtschaftstätigkeiten innerhalb des Binnenmarktes grundsätzlich am Ort der Wertschöpfung besteuert werden müssen.279 Auch die Anti-Tax-Avoidance-Richtlinie der EU stellt schon in ihrem ersten Erwägungsgrund ausdrücklich auf dieses Besteuerungskonzept ab.280 Die EU hat sich also in ihren Bestrebungen, Rahmenbedingungen für die grenzüberschreitende Besteuerung im Binnenmarkt zu schaffen, dem Gerechtigkeitsideal der Besteuerung von Unternehmensgewinnen am 276

Burgers/Valderrama, Intertax 2017, 782, 768 f. Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das europäische Parlament und den Rat – Eine faire und effiziente Unternehmensbesteuerung in der Europäischen Union – Fünf Aktionspunkte, COM 302 final 3, 2, 11. 278 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat – Ein faires und effizientes Steuersystem in der Europäischen Union für den digitalen Binnenmarkt, COM 547 final 2, 9. 279 Schön, One Answer to Why and How to Tax the Digitalized Economy 5 f. m. w. N.; Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission and das europäische Parlament und den Rat – Eine faire und effiziente Unternehmensbesteuerung in der Europäischen Union – Fünf Aktionspunkte, COM, 302 final 10 ff.; RL (EU) 2016/1164 Erwägungsgrund 1; Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat – Ein faires und effizientes Steuersystem in der Europäischen Union für den digitalen Binnenmarkt, COM 547 final 2, 7 f., 9; Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Festlegung von Vorschriften für die Unternehmensbesteuerung einer signifikanten digitalen Präsenz, COM 147 (2018) final 1 ff.; Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zum gemeinsamen System einer Digitalsteuer auf Erträge aus der Erbringung bestimmter digitaler Dienstleistungen, COM 148 (2018) final 2 ff.; ec.europa.eu, Faire Besteuerung der digitalen Wirtschaft, https://ec.europa.eu/taxation_cus toms/business/company-tax/fair-taxation-digital-economy_de#heading_1 (abgerufen am 6. 3. 2023); vgl. auch parlament.gv.at, Hintergrundpapier- Interparlamentarische Konferenz über Stabilität, wirtschaftspolitische Koordination und Steuerung in der EU, https://www.parla ment.gv.at/PERK/PE/EU2018/WIPOKONF/Hintergrundpapier3.shtml (abgerufen am 6. 3. 2023); vgl. dazu auch Schön et. al., ifo Schnelldienst 2015, 3 ff. 280 RL (EU) 2016/1164 Erwägungsgrund 1. 277

366 Kap. 14: Das Besteuerungsprinzip d. zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit

Ort der Wertschöpfung verschrieben.281 Da die EU die Besteuerung am Ort der Wertschöpfung propagiert, anerkennt sie auch implizit – im Einklang mit der OECD – den diesem Besteuerungsideal zugrunde liegenden Äquivalenzgedanken.282 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die von der EU verwendeten Begriffe der „Fairness“ und „Gerechtigkeit“ in einer Zusammenschau das Bild von einer äquivalenzbasierten zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit der grenzüberschreitenden Besteuerung ergeben. Damit haben sowohl OECD als auch EU vor diesem Hintergrund das gleiche Verständnis von „inter-nation equity“. Dieses Ergebnis ist auch steuerpolitisch schlüssig, da es widersinnig wäre, wenn OECD und EU jeweils für sich Anti-BEPS-Maßnahmen verfolgen würden, welche sich in ihren grundlegenden Wertungen zentral unterscheiden.

III. Die Anti-BEPS-Richtlinie (ATAD) als europarechtliches Instrument für mehr zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit Die EU legt seit 2012 mit verschiedenen Maßnahmen vermehrt den Fokus auf Fragen der Steuerhinterziehung, der aggressiven Steuerplanung und der generellen BEPS-Problematik bei der direkten Unternehmensbesteuerung.283 Einen Höhepunkt dieser EU-Bestrebungen stellte das im Jahr 2016 veröffentliche „Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Steuervermeidung“ dar, welches zahlreiche Verflechtungen mit dem BEPS-Projekt der OECD aufweist.284 Bestandteil dieses Maßnahmenpaketes war insbesondere die im vorigen Abschnitt schon erwähnte Anti-Tax-AvoidanceRichtlinie (Anti-Tax-Avoidance-Directive, ATAD), auch Anti-BEPS-Richtlinie genannt, welche einen Meilenstein für die Harmonisierungsbestrebung der EU im Bereich der direkten Unternehmensbesteuerung darstellt.285 Die ATAD beinhaltet fünf Anti-BEPS-Maßnahmen, die sich inhaltlich stark an den Handlungsempfehlungen der OECD in den BEPS-Aktionsplänen orientieren: eine Zinsschranke, die Einführung einer Hinzurechnungsbesteuerung für gewisse ausländische Unternehmen, Regelungen zu sogenannten „hybriden Gestaltungen“, eine „Wegzugsbesteuerung“ und eine generelle Anti-Missbrauchsbestimmung.286 Diese Maßnahmen 281 Vgl. dazu zusammenfassend Schön, One Answer to Why and How to Tax the Digitalized Economy 5 f. m. w. N.; vgl. auch Schön et. al., ifo Schnelldienst 2015, 3 ff., passim. 282 Vgl. dazu schon Kapitel 14 B. II. 4. 283 Vgl. im Detail Kofler, in: Kirchmayr et. al. 11 ff. 284 Kofler, in: Kirchmayr et. al. 11 ff.; Staringer, in: Lang et. al. 5. 285 Kirchmayr, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 12/1; vgl. auch Kirchmayr/Hohenwarter, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 1324 m. w. N.; Kofler, in: Kirchmayr et. al. 12. 286 Kofler, in: Kirchmayr et. al. 14 f.; Kirchmayr/Hohenwarter, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 1324 m. w. N.; zu den einzelnen Maßnahmen vgl. ausführlich die Werke Kirchmayr/Mayr/Hirschler/Kofler (Hrsg.), Anti-BEPS-Richtlinie: Konzernsteuerrecht im Umbruch? (2017) sowie Michael Lang/Rust/Schuch/Staringer (Hrsg.), Die Anti-Tax-AvoidanceRichtlinie (2017).

D. Zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit auf Ebene des Europarechts

367

der EU werden in der Literatur wegen des starken Zurückgreifens auf inhaltliche Vorarbeiten der OECD auch als „Trittbrettfahrt“ auf dem OECD-BEPS-Projekt bezeichnet.287 Diese EU-Vorgaben waren grundsätzlich bis Ende 2018 in nationales Recht umzusetzen.288 Über den Zweck der Anti-BEPS-Richtlinie geben deren Erwägungsgründe Auskunft. So wird schon in Erwägungsgrund 1 festgehalten, dass das zentrale Ziel der Richtlinie in der Sicherstellung der „Fairness“ der Gewinnbesteuerung von grenzüberschreitend tätigen Unternehmen liegt.289 Darüber hinaus wird auch schon im ersten Satz dieses Erwägungsgrundes betont, dass die Besteuerung am Ort der Wertschöpfung eine „Priorität“ des internationalen Steuerwesens darstellt. Wie schon im vorigen Abschnitt herausgearbeitet, versteht die EU im Kontext der BEPSProblematik unter „Fairness“ eine zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit. Betrachtet man nun diese finanzwissenschaftliche Sichtweise von Fairness in Kombination mit der postulierten Besteuerung am Ort der Wertschöpfung, so ergibt sich aus den Erwägungsgründen der Anti-BEPS-Richtlinie wiederum das Ziel, einer äquivalenzbasierten zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit. Zu beachten ist, dass Begründungserwägungen selbst keine Rechtsquellen des Europarechts darstellen.290 Aus den Erwägungsgründen ergibt sich aber die „policy“, das politische Ziel, von dem sich der EU-Gesetzgeber leiten hat lassen und die Wertungen, von denen die Richtlinie getragen ist.291 Aus den Erwägungsgründen der Richtlinie ergibt sich, dass das OECD-Besteuerungsprinzip der Verteilungsgerechtigkeit auf europarechtlicher Ebene in der Anti-BEPS-Richtlinie seine Umsetzung findet. Die Begründungserwägungen schreiben vor, dass die Richtlinie als solche eine Verteilungsgerechtigkeit gewährleisten soll. Daher ist die Anti-BEPS-Richtlinie in ihrer Gesamtheit als eine europarechtliche Verkörperung des auf OECD-Ebene entspringenden Gedankens der äquivalenzbasierten zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit anzusehen. Diese Richtlinie stellt daher ein Instrument des Europarechts dar, um eine auf dem Äquivalenzgedanken basierende gerechte Verteilung des Steueraufkommens zwischen den Staaten zu erreichen. Die Anti-BEPSRichtlinie verkörpert somit als solche, mitsamt allen Maßnahmen, welche die Mitgliedstaaten umzusetzen haben, die europarechtlichen Vorstellungen einer gerechten Aufteilung des Steuersubstrates von grenzüberschreitenden Sachverhalten. Dieses Ergebnis fügt sich schlüssig in die obigen Ausführungen zu den Motiven der EU bezüglich ihrer Anti-BEPS-Agenda.

287

Staringer, in: Lang et. al. 5; vgl. dazu auch die Erwägungsgründe 1 bis 3 der RL (EU) 2016/1164, wo ausdrücklich positiv auf die OECD Bezug genommen wird. 288 Kofler, in: Kirchmayr et. al. 15; Staringer, in: Lang et. al. 6. 289 RL (EU) 2016/1164 Erwägungsgrund 1, vgl. auch Erwägungsgrund 2; vgl. dazu auch Staringer, in: Lang et. al. 8 f. 290 Köndgen, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre3 § 6 Rz. 49. 291 Köndgen, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre3 § 6 Rz. 49 f.

368 Kap. 14: Das Besteuerungsprinzip d. zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit

IV. Zwischenfazit Aus den bisherigen Erläuterungen ergibt sich folgendes Zwischenfazit: Das Verständnis der EU von einer zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit ist mit dem der OECD kongruent. Das OECD-Prinzip der äquivalenzbasierten zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit findet sich auf europarechtlicher Ebene in der Anti-BEPS-Richtlinie wieder. Der nächste Schritt widmet sich noch einer rechtstheoretischen Analyse.

V. Rechtstheoretische Analyse Die europarechtliche Norm, in der sich das OECD-Prinzip der Verteilungsgerechtigkeit wiederfindet, stellt eine Richtlinie dar. Richtlinien richten sich an die Mitgliedstaaten der EU und sind für diese verbindlich, müssen aber zuerst in nationales Recht umgesetzt werden.292 Hinsichtlich ihres Ziels sind Richtlinien verbindlich, überlassen jedoch den Mitgliedstaaten die Wahl der Form und Mittel.293 Der EuGH fordert von den Mitgliedstaaten eine „unzweifelhaft verbindliche“ innerstaatliche Umsetzung.294 Mitgliedstaaten haben Richtlinien daher zur Gänze und rechtzeitig umzusetzen.295 Wie schon erwähnt, stellen die Begründungserwägungen der Richtlinie selbst keine Rechtsquellen dar, dienen jedoch als Auslegungshilfe. Diese Funktion ist auch bei einer rechtstheoretischen Analyse hilfreich. Aus den Erwägungsgründen geht an zahlreichen Stellen hervor, dass die Maßnahmen, welche die Richtlinie den Mitgliedstaaten zur Umsetzung anordnet, als „Mindeststandards“ zur Bekämpfung von BEPS innerhalb des Binnenmarktes zu verstehen sind.296 Zudem normiert die Richtlinie selbst in Artikel 3 ausdrücklich, dass sie ein „Mindestschutzniveau“ festlegt und den Staaten es freisteht, darüber hinausgehende Maßnahmen zu beschließen. Da EU-Richtlinien von den Mitgliedstaaten vollständig in nationales Recht umgesetzt werden müssen, handelt es sich bei diesen Anti-BEPS-Maßnahmen also um Mindestgrenzen, welche keinesfalls unterschritten werden dürfen. Dass das rechtstheoretische Wesen von Mindestgrenzen eine Rechtsregel darstellt, wurde in dieser Arbeit schon mehrfach untersucht, weshalb an dieser Stelle ein Verweis auf diese Ausführungen genügen soll.297 Zusam292

Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht 12 Rz. 400 ff. Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht8 (2018) § 9 Rz. 82; Haratsch/Koenig/ Pechstein, Europarecht 12 Rz. 400 ff. 294 EuGH 8. 10. 1996, C-178/94, Dillenkofer, Rz. 48; Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht 12 Rz. 401 ff. m. w. N. 295 Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht8 § 9 Rz. 95. 296 RL (EU) 2016/1164 Erwägungsgrund 2, 3, 6, 16; vgl. dazu auch Staringer, Die Umsetzung der ATAD in Österreich durch das Jahressteuergesetz 2018, SWI 2018, 574 (574 ff.). 297 Vgl. dazu etwa Kapitel 9 B. III.; vgl. auch Alexy, Theorie der Grundrechte 76 und die dortige Fn. 25. 293

E. Zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit

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menfassend ist festzuhalten, dass sich die Verteilungsgerechtigkeit europarechtlich in der Anti-BEPS-Richtlinie wiederfindet und diese die rechtstheoretische Natur einer Rechtsregel hat.

VI. Ergebnis Das Verständnis der EU von einer zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit ist mit dem der OECD kongruent. Das OECD-Prinzip der äquivalenzbasierten zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit findet sich auf europarechtlicher Ebene in der ATAD wieder. Diese Anti-BEPS-Richtlinie hat in ihrer Gesamtheit die rechtstheoretische Natur einer Rechtsregel, da sie Mindestgrenzen vorschreibt.

E. Zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit als Bestandteil des innerstaatlichen österreichischen Rechts? I. Vorbemerkung Es stellt sich nun die Frage, ob sich das Besteuerungsprinzip der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit auch im innerstaatlichen österreichischen Recht wiederfindet. Sowohl das Völkerrecht als auch das Unionsrecht können dabei ein „Vermittler“ sein, der dieses OECD-Besteuerungsprinzip in die österreichische Rechtsordnung hineintransportiert. Begonnen wird nachfolgend mit dem Völkerrecht.

II. Zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit als anerkannte Regel des Völkerrechts nach Art. 9 Abs. 1 B-VG Art. 9 Abs. 1 B-VG schreibt folgendes vor: „Die anerkannten Regeln des Völkerrechts gelten als Bestandteile des Bundesrechts.“ Nach herrschender Auffassung regelt diese Norm das Verhältnis von staatlichem Recht zum Völkerrecht.298 In diesem Sinne repräsentiert Art. 9 Abs. 1 B-VG dabei die „Offenheit der Bundesverfassung gegenüber dem Völkerrecht“. Die von dieser Verfassungsbestimmung erfassten völkerrechtlichen Normen sind einerseits das Völkergewohnheitsrecht und andererseits die allgemein anerkannten völkerrechtlichen Rechtsgrundsätze des

298 Öhlinger/Müller, in: Korinek et. al., Österreichisches Bundesverfassungsrecht B-VG (5. Lfg. 2002) Art. 9 Rz. 2; Adamovich et. al., Österreichisches Staatsrecht I: Grundlagen3 Rz. 16.013.

370 Kap. 14: Das Besteuerungsprinzip d. zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit

Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH Statut.299 Es wurde schon detailliert erörtert, dass die zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit in Steuerfragen einen solchen völkerrechtlichen Rechtsgrundsatz nach Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut darstellt und normenstrukturtheoretisch als ein Völkerrechtsprinzip zu qualifizieren ist. Somit ist die zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit daher nach Art. 9 Abs. 1 B-VG auch ein Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung. Aus diesem Umstand ergeben sich auch Schlüsse für das österreichische Staatsrechtswesen. So werden die von Art. 9 Abs. 1 B-VG erfassten anerkannten Regeln des Völkerrechts nach herrschender Auffassung inhaltlich unverändert in die österreichische Rechtsordnung übernommen.300 Demnach braucht die zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit keine spezielle Transformation in eine österreichische Rechtsquelle, um auch „im innerstaatlichen Bereich verbindlich zu sein und von staatlichen Organen angewendet zu werden“.301 Die zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit ist damit ein Bestandteil des österreichischen Bundesrechts. Die konkrete Rangordnung, welche die von Art. 9 Abs. 1 B-VG erfassten Völkerrechtsnormen im Stufenbau der innerstaatlichen Rechtsordnung einnehmen, ist jedoch seit jeher umstritten.302 In der Literatur werden dabei vom Vorrang gegenüber dem innerstaatlichen Recht über Gleichrangigkeit bis hin zu einer „Beweglichkeit des Ranges“ nach dem jeweiligen Inhalt der Völkerrechtsnorm sämtliche möglichen Varianten vertreten. Zu diesem umfangreichen verfassungs- und völkerrechtlichen Theoriestreit kann in dieser primär auf das Steuerrecht ausgerichteten Arbeit keine abschließende Antwort gegeben werden.303 Zentral ist jedoch, dass die von Art. 9 Abs. 1 B-VG erfassten Regeln des Völkerrechts jedenfalls ein Teil der österreichischen Rechtsordnung sind und damit auch verbindlich werden. So beinhaltet der Art. 9 Abs. 1 B-VG die grundsätzliche Anordnung an staatliche Organe, die von ihm erfassten Völkerrechtsnormen anzuwenden und einzuhalten.304 Der VfGH verneint jedoch in ständiger Rechtsprechung, dass sich daraus auch subjektive Rechte einzelner begründen lassen.305 Vielmehr liegt die praktische Bedeutung des Art. 9 Abs. 1 B-VG und der von dieser Norm erfassten zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit darin, die Beziehungen von Staaten zueinander zu regeln.306 299

Öhlinger/Müller, in: Korinek et. al., B-VG Art. 9 Rz. 2, 5 ff.; Adamovich et. al., Österreichisches Staatsrecht I: Grundlagen3 Rz. 16.013. 300 Öhlinger/Müller, in: Korinek et. al., B-VG Art. 9 Rz. 15; Adamovich et. al., Österreichisches Staatsrecht I: Grundlagen3 Rz. 16.013 f. 301 Öhlinger/Müller, in: Korinek et. al., B-VG Art. 9 Rz. 15. 302 Öhlinger/Müller, in: Korinek et. al., B-VG Art. 9 Rz. 22 ff.; Adamovich et. al., Österreichisches Staatsrecht I: Grundlagen3 Rz. 16.014 f. 303 Öhlinger/Müller, in: Korinek et. al., B-VG Art. 9 Rz. 28. 304 Öhlinger/Müller, in: Korinek et. al., B-VG Art. 9 Rz. 30. 305 Öhlinger/Müller, in: Korinek et. al., B-VG Art. 9 Rz. 33 m. w. N. 306 Öhlinger/Müller, in: Korinek et. al., B-VG Art. 9 Rz. 32 f.

E. Zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit

371

So schafft Art. 9 Abs. 1 B-VG mit der Aufnahme der „inter-nation equity“ in die österreichische Rechtsordnung eine konkrete Rechtsgrundlage für die „administrative Seite“ der österreichischen Außenpolitik in Besteuerungsangelegenheiten.307 Das internationale steuerpolitische Handeln von Regierung und ihr unterstellten Verwaltungsbehörden findet daher nicht im rechtsfreien Raum statt, sondern auf Basis der Rechtsnorm der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit. Dabei gilt die „inter-nation equity“ der Besteuerung jedoch niemals als absolute Maxime staatlichen Handelns, sondern ist gemäß ihrer Natur als Rechtsprinzip stets nur im Rahmen des rechtlich sowie tatsächlich Möglichen zu realisieren und daher gegenüber anderen Rechtsprinzipien bzw. politischen Zielen abzuwägen. Dieser Abwägungscharakter und die Prinzipiennatur der Verteilungsgerechtigkeit wird insbesondere bei den schon unter Kapitel 14 C. II. 3. b) aa) erwähnten zwischenstaatlichen Verhandlungen über den Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen deutlich. Außenpolitisches Handeln der Exekutive erfolgt selten auf Basis von Verordnungen oder Bescheiden und wird damit auch nicht oft der Gegenstand einer gerichtlichen Prüfung.308 So findet die Außenpolitik laut der Kommentarliteratur auch weitgehend im „gerichtsfreien Raum“ statt.309 Dennoch oder gerade deswegen bietet die durch Art. 9 Abs. 1 B-VG in die österreichische Rechtsordnung inkorporierte zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit in Steuerangelegenheiten einen nützlichen Maßstab für die Beurteilung der Gesetzmäßigkeit des Handelns von staatlichen Akteuren. Auch die Außenpolitik hat dadurch – zumindest in Fragen der Besteuerung – nicht willkürlich, sondern auf Grundlage des Rechts zu erfolgen. Somit wird sichtbar, dass das Konzept der österreichischen Verfassung davon ausgeht, dass die Staatsmacht sowohl im innen- als auch im außenpolitischen Bereich rechtlich gebunden ist.310

III. In Österreich umgesetzte unionsrechtliche Anti-BEPS-Maßnahmen In Kapitel 14 D. III. wurde festgestellt, dass sich das OECD-Prinzip der Verteilungsgerechtigkeit in der Anti-BEPS-Richtlinie der OECD wiederfindet. Da EURichtlinien von den Mitgliedstaaten umzusetzen sind, findet der Gedanke der äquivalenzbasierten Verteilungsgerechtigkeit, welcher dieser unionsrechtlichen Norm innewohnt, auch in den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten seinen Niederschlag. Daher wird im Folgenden in geraffter Form auf die Umsetzung der Anti-BEPS-Richtlinie in Österreich eingegangen. 307

Öhlinger/Müller, in: Korinek et. al., B-VG Art. 9 Rz. 31. Öhlinger/Müller, in: Korinek et. al., B-VG Art. 9 Rz. 5, Rz. 31 und die dortige Fn. 91. 309 Öhlinger/Müller, in: Korinek et. al., B-VG Art. 9 Rz. 5, Rz. 31 und die dortige Fn. 91. 310 Öhlinger/Müller, in: Korinek et. al., B-VG Art. 9 Rz. 31.

308

372 Kap. 14: Das Besteuerungsprinzip d. zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit

Die Anti-BEPS-Richtlinie der EU wurde in Österreich weitgehend311 mit dem Jahressteuergesetz 2018 umgesetzt.312 So wurde mit dem Jahressteuergesetz mit der Neufassung des § 10 bzw. 10a KStG eine Hinzurechnungsbesteuerung eingeführt und der § 22 BAO, welcher den Missbrauch im Abgabenrecht regelt, den Vorgaben der Richtlinie angepasst. Diese Normen sind daher als Verkörperungen einer äquivalenzbasierten Verteilungsgerechtigkeit in Österreich zu werten. Daher findet sich der Äquivalenzgedanke der OECD, vermittelt durch die Rechtsebene der EU, auch innerhalb der nationalen österreichischen Rechtsordnung wieder. Die einschlägigen Normen des § 10 bzw. 10a KStG und des § 22 BAO treffen definitive Anordnungen, die nur erfüllt oder nicht erfüllt werden können und sind daher als Rechtsregeln zu qualifizieren.313 Soweit zu sehen, gibt es bislang noch keine relevante höchstgerichtliche Judikatur, die sich mit diesen Neuregelungen auseinandersetzt.

IV. Zwischenfazit Das OECD-Besteuerungsprinzip der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit findet sich vermittelt durch die völkerrechtliche Ebene über Art. 9 Abs. 1 B-VG in Österreich wieder, wonach auch die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Völkerrechts ein Bestandteil des Bundesrechts sind. Das außenpolitische Handeln in Steuerangelegenheiten hat sich somit relativ an der Maxime der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit zu orientieren. Vermittelt durch das Unionsrecht findet sich der Gedanke der „inter-nation equity“ in den innerstaatlichen Umsetzungsmaßnahmen bezüglich der Anti-BEPS-Richtlinie wieder.

F. Ergebnis Das OECD-Besteuerungsprinzip der Verteilungsgerechtigkeit stellt einen äquivalenzbasierten, in der Finanzwissenschaft wurzelnden, Maßstab zur Aufteilung des 311 Ausnahme ist die „Exit Tax“, welche schon mit Abgabenänderungsgesetz 2015, BGBl I 163/2015 umgesetzt wurde und die Zinsschranke, wegen der Österreich von der Kommission aufgefordert wurde, diese richtlinienkonform umzusetzen, vgl. zur Zinsschranke Lehner/ Niedermair/Gadermayr, Vertragsverletzungsverfahren – EU TAX Update – Oktober 2019 bis Dezember 2019, taxlex-EU 2020, 62 (62); vgl. allgemein Staringer, SWI 2018, 583 ff. 312 Vgl. dazu im Detail Staringer, SWI 2018, 574 ff.; Steiner, Die Anti-BEPS-Richtlinie als „Regelungstsunami“, CFOaktuell 2018, 250 (250 ff.); Kirchmayr/Hohenwarter, in: Doralt/ Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 1324 m. w. N.; Kirchmayr/Bodis/Hammerl, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 389; Mayr/Bodis/Lachmayer, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 915, 1007 ff. 313 Vgl. etwa den Wortlaut von § 22 BAO: „Missbrauch liegt vor, wenn eine rechtliche Gestaltung […] im Hinblick auf die wirtschaftliche Zielsetzung unangemessen ist.“

F. Ergebnis

373

internationalen Steuersubstrates dar. Dieses Besteuerungsprinzip findet sich auf drei rechtlichen Ebenen wieder. Einerseits besteht ein allgemeiner völkerrechtlicher Rechtsgrundsatz der „inter-nation equity“, welcher rechtstheoretisch ein Rechtsprinzip darstellt. Andererseits besteht der Gedanke dieses OECD-Besteuerungsprinzips noch auf unionsrechtlicher Ebene in der Anti-BEPS-Richtlinie, welche rechtstheoretisch eine Rechtsregel darstellt. Zudem findet sich dieses Besteuerungsprinzip noch über Art. 9 Abs. 1 B-VG sowie über die innerstaatliche Umsetzung der Anti-BEPS-Richtlinie in Österreich wieder.

Kapitel 15

Die OECD-Besteuerungsprinzipien als Teil der österreichischen Rechtsordnung A. Vorbemerkung Vor der zusammenfassenden Schlussbetrachtung in Kapitel 16 werden nachfolgend noch die wichtigsten Ergebnisse der in den Kapiteln 7 bis 14 durchgeführten Untersuchung zu den OECD-Besteuerungsprinzipien dargestellt.

B. Gesammelte Darstellung der OECD-Besteuerungsprinzipien innerhalb der österreichischen Rechtsordnung 1.) Das OECD-Besteuerungsprinzip der Gerechtigkeit beinhaltet das aus der Finanzwissenschaft stammende Leistungsfähigkeitsprinzip. Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist in Österreich in Bezug auf seine Bedeutung für das Steuerrecht im rechtswissenschaftlichen Schrifttum schon seit Langem umstritten. Durch die Prinzipientheorie kann anhand von Judikaturbeispielen des VfGH nachgewiesen werden, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip ein Rechtsprinzip ist und auch dementsprechend vom Gerichtshof judiziert wird. Zudem wurde auch dargestellt, dass mehrere rechtstheoretische Ansätze die Rechtsgeltung des Leistungsfähigkeitsprinzips in Österreich erklären können. 2.) Das OECD-Besteuerungsprinzip der ökonomischen Effizienz beinhaltet drei Aspekte: a) Die Effizienz für den Staat bei der Steuererhebung: Dieser Teilbereich findet sich im verfassungsrechtlichen Effizienzprinzip wieder, wonach das gesamte Staatshandeln nach ökonomischen Effizienzkriterien ablaufen soll. Das verfassungsrechtliche Effizienzprinzip stellt dabei ein eigenständiges Rechtsprinzip dar, welches insbesondere in der Primärquelle des Art. 126b Abs. 5 B-VG verankert ist. Das verfassungsrechtliche Effizienzprinzip hat die Natur eines Rechtsprinzips und findet in der Judikatur des VfGH rege Verwendung. b) Die Effizienz des abzugspflichtigen Dritten: Dieser Effizienzaspekt findet seinen Niederschlag in einer Rechtsprechungslinie des VfGH zu den Grenzen der Mitwirkungspflichten Dritter im Rahmen der Steuererhebung der SPESt. Daraus

B. Gesammelte Darstellung der OECD-Besteuerungsprinzipien

375

ergeben sich konkrete Vorgaben, welche der Gesetzgeber bei der Überwälzung von Steuerabfuhrpflichten beachten muss. Im Sinne der Judikatur und Literatur ist diese Grenze im Gleichheitssatz verankert und stellt eine Rechtsregel dar. c) Die Effizienz für den Steuerpflichtigen selbst: Für die ökonomische Effizienz der Steuerabfuhr des Steuerpflichtigen selbst existieren in Rechtsordnung und Rechtsprechung keine vergleichbar deutlichen Vorgaben wie für die unter a) und b) behandelten Effizienzaspekte. So gibt es für die direkten Steuern auch keine diesbezüglich relevante VfGH-Judikatur. Hingegen lassen sich in diesem Bereich für die Umsatzsteuer auf unionsrechtlicher Ebene im „Grundsatz der Ablehnung von Formalismus“ des EuGH, welcher im Wesentlichen auf dem Verhältnismäßigkeits- und Neutralitätsgrundsatz beruht, Ansätze für die administrative Entlastung des steuerpflichtigen Unternehmers erkennen. Der Gedanke des Grundsatzes der Ablehnung des Formalismus wurde in VfSlg 17.096/2003 auch vom VfGH aufgegriffen, welcher sich dabei auf „das dem Gleichheitssatz innewohnende Verhältnismäßigkeitsgebot“ beruft. Der Grundsatz der Ablehnung des Formalismus hat letztlich die Wirkung einer Rechtsregel, da wie unter b) eine bestimmte Grenze für den zulässigen Aufwand eines Steuerpflichtigen gezogen wird. Es wäre folgerichtig, wenn dem Gleichheitssatz auch auf dem Bereich der direkten Steuer ein derartiger Effizienzaspekt in Bezug auf den Steuerpflichtigen innewohnt – diesbezügliche Judikatur existiert aber, wie schon erwähnt, noch nicht. 3.) Das OECD-Besteuerungsprinzip der Verständlichkeit und Verlässlichkeit beinhaltet die langjährige finanz- und steuerrechtswissenschaftliche Forderung nach einem unkomplizierten Steuerrecht. Seinen rechtlichen Niederschlag findet dieses Besteuerungsprinzip im „Gebot der Verständlichkeit von Normen“, welches Literatur und Judikatur im rechtsstaatlichen „Baugesetz“ der Bundesverfassung verorten. Aus Literatur und Judikatur ergibt sich auch, dass für den Maßstab der Verständlichkeit einer (Steuer-)Rechtsnorm auf einen mit der juristischen Fachsprache vertrauten Leser abzustellen ist und es auch zumutbar ist, sich bei Unklarheiten gegebenenfalls beraten zu lassen. Das Gebot der Verständlichkeit von Normen stellt rechtstheoretisch eine Rechtsregel dar, da es ein gewisses Mindestmaß an Verständlichkeit einer Rechtsnorm verlangt, welches nicht unterschritten werden darf. 4.) Das OECD-Besteuerungsprinzip der Praktikabilität und Wirksamkeit beinhaltet den finanzwissenschaftlichen Gedanken, dass Steuergesetze nicht allein auf dem theoretischen „Reißbrett“ funktionieren sollen, sondern auch in die Realität umgesetzt werden können. Die tatsächliche Durchsetzbarkeit von materiellen Rechtsnormen spielt insbesondere bei einem Massenphänomen wie den Steuern eine wichtige Rolle. Dieses OECD-Besteuerungsprinzip findet seinen Niederschlag einerseits in der Rechtsprechung des VfGH im Zusammenhang mit Trinkgeldern, aus welcher Teile des österreichischen des Schrifttums das gleichheitsrechtliche Verbot eines strukturellen Vollzugsdefizits ableiten. Zum anderen finden sich auch etliche Judikaturbeispiele des VfGH, in denen das Höchstgericht mittels der im Gleichheitssatz verankerten „Gleichmäßigkeit der Besteuerung“ auf die praktische Voll-

376

Kap. 15: Die OECD-Besteuerungsprinzipien als Teil der österr. Rechtsordnung

ziehbarkeit von Steuerrechtsnormen positiv einwirkt. In diesem Sinne beinhaltet der Gleichheitssatz die abwägungsfähige Forderung, dass der Gesetzgeber bei Ausgestaltung der Steuergesetze auch auf deren faktische Durchsetzbarkeit bedacht nehmen muss. Rechtstheoretisch handelt es sich bei dieser Forderung um ein Rechtsprinzip. 5.) Das OECD-Besteuerungsprinzip der Flexibilität beinhaltet zwei umfangreiche Elemente: a) Einerseits ist damit die finanzwissenschaftliche Forderung nach einem flexiblen Steuersystem gemeint, welches auch bei sich ändernden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen noch immer den Einnahmenbedarf des Staates decken kann. Der steuerrechtlich relevanteste Aspekt dieser Flexibilität stellt dabei die Progression der österreichischen Einkommensteuer dar. Der progressive Steuertarif steht im System der österreichischen Einkommensteuer in engem Zusammenhang mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip. Wie schon beim Leistungsfähigkeitsprinzip selbst, ist aber auch die konkrete Bedeutung des progressiven Tarifs in der Literatur umstritten. Aus der Rechtsprechung des VfGH ergibt sich jedoch, dass das Höchstgericht den progressiven Tarif als Bestandteil des Rechtsprinzips der Leistungsfähigkeit ansieht. b) Der zweite Aspekt dieses OECD-Besteuerungsprinzips spricht die Forderung nach einem technikneutralen Steuerrecht an. Das Steuerrecht an sich ist schon aufgrund seiner wirtschaftlichen Prägung grundsätzlich technikneutral, da Steuern den primären Zweck haben, möglichst viele ökonomische Vorgänge zu erfassen. Jene Steuern aber, welche primär einen Sozial- bzw. Lenkungszweck haben, sind jedoch regelmäßig technikspezifisch ausgestaltet, da es ihr Ziel ist, auf einen ganz bestimmten Lebensbereich hinzuwirken. Steuerrechtsnormen, welche bestimmen, ob ein Steuergesetz als solches eher technikneutral- oder spezifisch ist, stellen Rechtsregeln dar. 6.) Das OECD-Besteuerungsprinzip der Neutralität enthält die klassische finanzwissenschaftliche Forderung nach der Wettbewerbsneutralität der Besteuerung. Dieses Besteuerungsprinzip findet seinen Niederschlag einerseits im unionsrechtlichen Neutralitätsgrundsatz, welcher eine wichtige Voraussetzung für den Binnenmarkt darstellt und zudem zentral für die Funktionsweise der harmonisierten Mehrwertsteuer ist. Andererseits ist im innerstaatlichen österreichischen Recht der Neutralitätsgedanke im Sinne der Judikatur und Literatur innerhalb des Gleichheitssatzes zu verorten und stellt ein abwägungsfähiges Rechtsprinzip dar. 7.) Zuletzt beinhaltet das Besteuerungsprinzip der Gerechtigkeit noch die Forderung nach einer zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit. Dieser Gerechtigkeitsstandard wurde von der Finanzwissenschaft speziell für die Aufteilung des internationalen Steuergutes entwickelt und von der Steuerrechtswissenschaft übernommen. Dieser Gedanke der „inter-nation equity“ findet sich auf der völkerrechtlichen, der europarechtlichen und der innerstaatlichen Ebene wieder.

C. Besteuerungsprinzipien als Rechtsprinzipien mit kollektiven Zielsetzungen

377

a) Die zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit stellt einen allgemein anerkannten völkerrechtlichen Rechtsgrundsatz gemäß Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut dar. Die staatliche Anerkennung dieses Rechtsgrundsatzes lässt sich aufgrund zahlreicher Indizien im Völkervertragsrecht als auch durch nicht unmittelbar verbindliche staatliche Willensäußerungen gut nachweisen. Dieser völkerrechtliche Rechtsgrundsatz hat die rechtstheoretische Form eines abwägungsfähigen und graduell erfüllbaren Rechtsprinzips und stellt eine Leitlinie für die staatliche Steuerpolitik im internationalen Bereich dar. b) Der Gedanke der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit findet sich auf unionsrechtlicher Ebene deutlich in der Anti-BEPS-Richtlinie wieder. Diese Richtlinie stellt explizit eine Mindestgrenze dar, welche die EU-Mitgliedstaaten zu erfüllen haben. Demnach hat diese Richtlinie die Wirkung einer Rechtsregel. c) Die zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit findet sich einerseits vermittelt durch das Völkerrecht, andererseits über das Medium des Europarechts im innerstaatlichen Recht wieder. So sind gemäß Art. 9 Abs. 1 B-VG auch die allgemein anerkannten Rechtsgrundsätze des Völkerrechts „Bestandteile des Bundesrechts“. Demnach stellt der völkerrechtliche Rechtsgrundsatz der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit als Teil des B-VG eine relative Maxime für staatliches Handeln in der Außenpolitik dar. Nach dem Konzept des B-VG hat daher auch die Außenpolitik in Besteuerungsangelegenheiten nicht willkürlich, sondern auf Grundlage des Rechts zu erfolgen. Zudem müssen die Wertungen der „inter-nation equity“ auch aufgrund der unionsrechtlichen Anti-BEPS-Richtlinie ins innerstaatliche Recht umgesetzt werden. Die Normen, welche aufgrund dieser Unionsrechtsvorschrift in Österreich erlassen werden, sind daher auch ein Ausdruck der Verteilungsgerechtigkeit zwischen Nationen.

C. Besteuerungsprinzipien als Rechtsprinzipien mit kollektiven Zielsetzungen Im Zuge der Untersuchung der OECD-Besteuerungsprinzipien hat sich Alexys Ansatz zur Reichweite von Rechtsprinzipien bestätigt. Es zeigte sich nämlich klar, dass Rechtsprinzipien nicht allein subjektive Positionen, sondern auch kollektive Güter betreffen können. Sichtbar wird dies etwa beim OECD-Besteuerungsprinzip der Effizienz, welches sich im verfassungsrechtlichen Effizienzprinzip wiederfindet. Dieses Effizienzprinzip stellt ein Rechtsprinzip dar und hat das kollektive Gut eines ökonomischen Staatshandelns bzw. der Verwaltungsökonomie zum Ziel. Noch deutlicher wird die Möglichkeit von Rechtsprinzipien, auch kollektive Positionen zu beinhalten, am Beispiel des Rechtsprinzips der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit. Dieser Gerechtigkeitsstandard geht klar über einen individuellen Ansatz hinaus und hat das kollektive Wohl von mehreren Staaten im Blick.

378

Kap. 15: Die OECD-Besteuerungsprinzipien als Teil der österr. Rechtsordnung

Auch die Rechtsprinzipien der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, der Praktikabilität der Besteuerung und der Wettbewerbsneutralität haben klar auch die Förderung von kollektiven Gütern im Visier wie etwa die gerechte Verteilung der Steuerlast, ein funktionierendes Rechtswesen oder die Chancengleichheit am Markt. Darüber hinaus besteht jedoch auch für den Einzelnen unter Verweis auf die Verletzung seiner subjektiven Rechte grundsätzlich die Möglichkeit, sich mittels des Gleichheitssatzes auf solche Rechtsprinzipien zu berufen.1 Zusammenfassend ist daher Alexys Ansatz zuzustimmen, wonach Rechtsprinzipien sowohl subjektive Positionen als auch kollektive Güter beinhalten können.2 Dworkins Einschätzung, dass sich Rechtsprinzipien ausschließlich auf individuelle Positionen beziehen, ist somit abzulehnen.

D. Finanzwissenschaft, Steuerehrlichkeit und Demokratie – sechs zentrale Implikationen für das österreichische Steuerrecht Wie unter Kapitel 3 D. I. erörtert, braucht es innerhalb eines Steuerstaates materielle Besteuerungsprinzipien, welche verhindern, dass eine „schlechte“ Besteuerung um sich greift, welche letztlich der Demokratie schadet. Die Untersuchung der Kapitel 7 bis 14 hat klar ergeben, dass sich solche inhaltlichen Besteuerungsprinzipien in Österreich lokalisieren lassen – nahezu alle Aspekte der finanzwissenschaftlichen OECD-Besteuerungsprinzipien finden sich in der österreichischen Rechtsordnung wieder. Daraus ergeben sich nun folgende zentrale Implikationen: 1.) Durch die Untersuchung der OECD-Besteuerungsprinzipien wurde klargestellt, welche zentrale Bedeutung finanzwissenschaftliche Wertungen für das Steuerrecht an sich und für höchstgerichtliche Entscheidungen bei Steuerfragen haben. Dabei wurde auch erstmals dargestellt, inwiefern sich ein finanzwissenschaftlicher Prinzipienkatalog innerhalb der österreichischen Steuerrechtsordnung wiederfindet. Es wurde in zahlreichen Judikaturbeispielen belegt, dass der VfGH regelmäßig auf originär finanzwissenschaftliche Erkenntnisse Bezug nimmt und diese zur Entscheidungsfindung verwendet. Insbesondere die Blankettnorm des Gleichheitssatzes dient dabei zur Aufnahme von – dem Recht ursprünglich fremden – finanzwissenschaftlichen Wertungen und macht diese so juristisch verwertbar. Das Instrument der rechtstheoretischen Prinzipientheorie konnte dabei schlüssig die Funktionsweise dieser finanzwissenschaftlichen Elemente in der höchstgerichtli1

Vgl. dazu etwa die Judikaturbeispiele unter Kapitel 7 D. IV. Dies bedeutet jedoch nicht, dass allein Rechtsprinzipien kollektive Positionen beinhalten können. Denn auch beispielsweise das dem rechtsstaatlichen Baugesetz des B-VG innewohnende Gebot der Verständlichkeit von Rechtsnormen, welches eine Rechtsregel darstellt, kann als die Förderung eines kollektiven Gutes angesehen werden. Inwiefern die Abstufung der Reichweite von Rechtsregeln im Rahmen der Prinzipientheorie zweckmäßig ist, wird an dieser Stelle jedoch nicht weiter vertieft. Zentral für diese Arbeit ist die obige Feststellung, dass Dworkins These zur Reichweite von Prinzipien zu eng ist. 2

D. Finanzwissenschaft, Steuerehrlichkeit und Demokratie

379

chen Judikatur sichtbar machen und so auch die zentralen Abwägungsentscheidungen aufdecken, welche der VfGH bei steuerrechtlichen Sachverhalten zu lösen hat. Die untersuchten Besteuerungsprinzipien spielen daher in Österreich für das Verständnis der höchstrichterlichen Judikatur sowie der Grundwerte des Steuerrechts eine wichtige Rolle. Daraus folgt, dass das Rechtsdenken im Steuerrecht einen dualen Zugang fordert: einerseits die klassische rechtswissenschaftlich-dogmatische Perspektive, andererseits der finanzwissenschaftlich-ökonomische Blickwinkel mit spezieller Rücksicht auf aus der Finanzwissenschaft stammenden Gerechtigkeitsund Effizienzkonzepten wie dem Leistungsfähigkeitsprinzip, der Wettbewerbsneutralität oder der äquivalenzbasierten zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit. 2.) Wie unter Kapitel 4 C. III. erörtert, decken sich die untersuchten OECDBesteuerungsprinzipien inhaltlich auch mit den zentralen Einflussfaktoren der „tax compliance“. Da sich die OECD-Besteuerungsprinzipien nahezu3 vollständig im österreichischen Recht wiederfinden, wird dadurch also dem Gedanken der Förderung der Steuerehrlichkeit in großem Ausmaß Rechnung getragen. Es ist daher naheliegend anzunehmen, dass diese ins Recht „transformierten“ Besteuerungsprinzipien somit von ihrer Konzeption her positiv auf die „tax compliance“ in Österreich einwirken. Zu beachten ist jedoch, dass die Feststellung, dass es in Österreich rechtliche Normen gibt, welche sich von ihrer Ausrichtung her positiv auf die „tax compliance“ der Bürger auswirken müssten, keine empirische Untersuchung ersetzen kann. Inwiefern sich nämlich diese hier untersuchten Besteuerungsprinzipien bzw. die rechtlichen Normen, welche die Besteuerungsprinzipien widerspiegeln, in Österreich tatsächlich auf die Steuerehrlichkeit auswirken, wurde – soweit zu sehen – empirisch noch nicht erforscht. Aufgrund der unter Kapitel 3 B. II. detailliert rezipierten Ergebnisse der Verhaltensökonomie liegt dennoch der Schluss nahe, dass die Existenz von rechtlichen Normen, welche auf die zentralen Einflussfaktoren der „tax compliance“ hinwirken, die Steuerehrlichkeit der Bürger wohl zumindest fördert. So attestieren auch mehrere empirische Studien eine vergleichsweise positive Einstellung der österreichischen Bevölkerung gegenüber Steuern.4 Erneut ist jedoch zu betonen, dass damit nicht aufgeklärt ist, inwiefern diese Ergebnisse auch mit den hier untersuchten konkreten rechtlichen Normen, welche finanzwissenschaftliche Wertungen beinhalten, zusammenhängen. Hier besteht zukünftiger Forschungsbedarf für die empirischen Wissenschaften. 3.) Zudem wurden durch die Untersuchung der OECD-Besteuerungsprinzipien die steuerrechtlichen Stabilitätsvoraussetzungen eines modernen demokratischen Steuerstaates sichtbar gemacht. Bejaht man nämlich, dass eine „schlechte“ Besteuerung letztlich der Demokratie schadet, so bedarf es innerhalb eines Steuersystems materieller Besteuerungsprinzipien, welche inhaltliche Vorgaben für die 3

Der Gedanke der Effizienz für den Steuerpflichtigen selbst ist im Bereich der direkten Steuern jedoch nur schwach ausgeprägt, vgl. Kapitel 8 B. 4 Torgler/Schneider, Empirica 2005, 231; vgl. auch Alm/Torgler, Culture Differences and Tax Morale in United States and in Europe, Journal of Economic Psychology 2006, 224 (244).

380

Kap. 15: Die OECD-Besteuerungsprinzipien als Teil der österr. Rechtsordnung

Qualität der Besteuerung aufstellen, um so die Stabilität der Demokratie abzusichern. Durch das Instrument der Prinzipientheorie konnte klar nachgewiesen werden, an welcher Stelle und in welcher rechtlichen Form sich diese Besteuerungsprinzipien innerhalb der österreichischen Rechtsordnung wiederfinden. Damit konnte sichtbar gemacht werden, mit welchen rechtlichen Normen das Steuerrecht einen konkreten Beitrag zur Stärkung der Demokratie leistet. Die Prinzipientheorie ermöglicht somit einen Blick auf die steuerrechtlichen Bausteine einer stabilen Demokratie. Erneut muss erwähnt werden, dass diese Feststellungen keine empirische Forschung ersetzen sollen. Denn wie stark sich diese identifizierten Besteuerungsprinzipien nun tatsächlich auf das Vertrauen in die österreichische Demokratie auswirken, wurde – soweit zu sehen – empirisch noch nicht erforscht. Generell lässt sich jedoch festhalten, dass die grundlegende Zustimmung zur Demokratie als Staatsform in Österreich relativ hoch ist.5 Bejaht man den Gedanken, dass rechtliche Vorgaben für die Besteuerung einen stabilisierenden Einfluss auf die Demokratie haben können, so ist es naheliegend anzunehmen, dass die in dieser Arbeit erforschten Besteuerungsprinzipien in Österreich zumindest einen positiven Beitrag dazu leisten. 4.) Besteuerungsprinzipien dürfen jedoch auch nicht als ein Allheilmittel für die Steuerehrlichkeit und die Absicherung der Demokratie gesehen werden. Die „tax compliance“ und die Zustimmung zur Demokratie sind selbstredend auch von anderen als von steuerrechtlichen Faktoren beeinflusst – eine Behandlung dieser Aspekte hätte den Rahmen dieser Arbeit jedoch völlig gesprengt.6 Zudem sind Besteuerungsprinzipien gemäß ihrem finanzwissenschaftlichen und prinzipientheoretischen Wesen abwägbar und graduell erfüllbar. Darüber hinaus finden sich manche7 Besteuerungsprinzipien rechtlich auch innerhalb von Rechtsregeln wieder, welche absolute Mindestgrenzen aufstellen und keine Optimierungsgebote darstellen. Finanzwissenschaftliche Besteuerungsprinzipien können sich daher mehr oder weniger stark ausgeprägt innerhalb einer Rechtsordnung wiederfinden. Die Frage, wie stark sich ein bestimmtes Besteuerungsprinzip innerhalb einer Rechtsordnung wiederfindet, ist letztlich auch stark von den Policy-Entscheidungen des Gesetzgebers abhängig.8 So ist es etwa auch eine Entscheidung des österreichischen Gesetzgebers gewesen – im Gegensatz zu zahlreichen anderen Rechtsordnungen – das 5

Vgl. dazu im Detail SORA Institut, Multiple Krisen – Demokratie unter Druck, Demokratie Monitor 2022 Presseunterlagen (2022) 7; Zandonella, SORA Demokratie Monitor 2021 (2021) 3 ff., 16; vgl. auch Zandonella, SORA Demokratie Monitor 2019 (2019) 24 f.; orf.at, Studie: Hohe Zustimmung zur Demokratie, https://oesterreich.orf.at/stories/3025589/ (abgerufen am 6. 3. 2023). 6 Alm, What Motivates Tax Compliance?, Journal of Economic Surveys 2019, 353 (353 ff.); OECD, What Drives Tax Morale? March 2013, verfügbar unter https://www.oecd. org/ctp/tax-global/what-drives-tax-morale.pdf (abgerufen am 6. 3. 2023). 7 Wie etwa das Prinzip der Verständlichkeit, vgl. dazu Kapitel 9. 8 So sind auch die OECD-Besteuerungsprinzipien als solche als „policies“ zu qualifizieren, vgl. dazu Kapitel 6 A.

D. Finanzwissenschaft, Steuerehrlichkeit und Demokratie

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Leistungsfähigkeitsprinzip nicht ausdrücklich im Verfassungsrang zu normieren.9 Zudem ist auch die Effizienz für den Steuerpflichtigen selbst im Vergleich zur Effizienz des Staates bei der Steuerabfuhr nur schwach ausgeprägt. Das Ausmaß der Ausprägung der hier untersuchten Besteuerungsprinzipien genau zu quantifizieren, ist wiederum eine Aufgabe für die empirische Forschung. 5.) Fast alle der hier untersuchten Besteuerungsprinzipien lassen sich erst nach einem umfangreichen Studium der VfGH-Judikatur und Literatur „freilegen“ und brauchen eine prinzipientheoretische Analyse, um sie „sichtbar“ zu machen. Es stellt sich dabei die Frage, ob es zweckmäßig ist, dass die rechtswissenschaftlichen Ausformungen von Besteuerungsprinzipien erst mittels eines solchen aufwändigen Verfahrens überhaupt identifiziert werden können. Denn folgt man der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung, dann haben Besteuerungsprinzipien auch den Zweck, die „tax compliance“ zu erhöhen und damit die Demokratie zu stärken. Dabei ist fraglich, inwiefern die Besteuerungsprinzipien die Steuerehrlichkeit erhöhen können, wenn sie für die überwältigende Masse der Steuerpflichtigen „unsichtbar“ sind. Freilich finden zwar auch die weniger „sichtbaren“ Besteuerungsprinzipien ihre Berücksichtigung in der höchstgerichtlichen Judikatur.10 Ob es jedoch der Zugänglichkeit des Rechts und der Steuermoral zuträglich ist, wenn nur Rechtswissenschaftler und Verfassungsrichter von der Existenz dieser für das Steuerrecht grundlegenden Prinzipien wissen, darf bezweifelt werden.11 Die Steuerrechtswissenschaft sollte keine Geheimwissenschaft sein und gerade die fundamentalen Prinzipien, auf denen mehr oder weniger das ganze österreichische Steuerrecht beruht, sollten für den Steuerzahler zumindest mit vertretbarem Aufwand ermittelbar sein. Es würde daher auch nichts dagegen sprechen, diese Besteuerungsprinzipien als Begründungserwägungen in Steuergesetze aufzunehmen. Begründungserwägungen sind bereits seit langem fixer Bestandteil des EU-Rechts und geben Aufschluss über die Motive und Ziele des Gesetzgebers.12 Ausdrücklich formulierte Besteuerungsprinzipien würden Klarheit über das Ziel und den Sinn von Steuergesetzen schaffen sowie das Recht bzw. den staatlichen Steuerzugriff nachvollziehbarer gestalten.13 Damit ist zwar noch nicht die empirische Wirksamkeit der Besteuerungsprinzipien garantiert, die Prinzipien würden jedoch auch für den „normalen“ Steuerzahler greifbarer werden. 9 Vgl. etwa Kirchmayr, in: Doralt/Ruppe, Steuerrecht12 I Rz. 15 m. w. N.; vgl. auch schon Kapitel 7 B. II. 3. 10 Vgl. dazu das Kapitel 10 zur Praktikabilität der Besteuerung. 11 Vgl. dazu schon die Ausführungen zur Verständlichkeit der Besteuerung in Kapitel 9. 12 Vgl. dazu die folgende Fn. 13 Vgl. etwa den Bericht der beim Bundesministerium für Finanzen eingerichteten Steuerreformkommission über Möglichkeiten von vereinfachenden, strukturbereinigenden und belastungsausgleichenden steuerpolitischen Maßnahmen im Zuge der „Steuerreform 2000“, ÖStZ 1998,1 (33); vgl. auch Höger, Die Bedeutung von Zweckbestimmungen in der Gesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland (1976) 104 f., 114 ff.; Köndgen, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre3 § 6 Rz. 48 ff.; Sumper, SWK 2019, 1055.

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Kap. 15: Die OECD-Besteuerungsprinzipien als Teil der österr. Rechtsordnung

6.) Die in den Kapiteln 7 bis 14 gewonnen Erkenntnisse zu den rechtlichen Entsprechungen der finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien sind nicht als abschließend zu verstehen. Vielmehr sollen diese Ergebnisse das steuerrechtswissenschaftliche, rechtstheoretische und ideengeschichtliche Fundament für weitere Arbeiten bieten, welche sich den rechtlichen Ausformungen von Besteuerungsprinzipien widmen. Dabei erscheinen die hier gewonnenen Erkenntnisse auch als international anschlussfähig. Denn schon seit geraumer Zeit beschäftigen sich internationale Organisationen wie die OECD und die UNO (United Nations Organization) mit der Frage, inwieweit Steuern einen Beitrag zum Aufbau staatlicher Strukturen und zur Förderung der Demokratie in Ländern der sogenannten „Dritten Welt“ leisten können.14 Nach dem in dieser Arbeit aufgestellten Konzept gibt es gewisse steuerrechtliche Bausteine, welche die Steuerehrlichkeit und damit die Stabilität einer Demokratie stärken können. Die Frage, inwieweit dieses Schema auch auf Länder der sogenannten „Dritten Welt“ anzuwenden ist, bietet ein reichhaltiges Forschungsfeld für die Zukunft.

14 Owens, Tax and Development – Why Tax is Important for Development, Tax Justice Focus Volume 4 Issue 4, 1 ff.; Owens/Parry, Why Tax Matters for Development, OECD Observer, Volume 2009 Issue 2, 24 f.; OECD, Taxation, State Building and Aid, Factsheet – Update December 2009; OECD, Governance, Taxation and Accountability: Issue and Practice 3 ff.; Oxfam Research Report, Owning Development – Taxation to Fight Poverty (2011) 4 ff.; taxjustice.net, Aid, Tax & State Building, https://www.taxjustice.net/topics/aid-tax-and-statebuilding/; Ritter, Steuersysteme in Subsahara-Afrika 1.

Kapitel 16

Schlussbetrachtung In diesem Kapitel wird eine zusammenfassende Schlussbetrachtung vorgenommen. In Anbetracht des Umfanges dieser Arbeit sowie der Darstellungen des vorangegangenen Kapitels und der zahlreichen Zwischen- und Endfazits der Kapitel 2 bis 14 beschränken sich die nachfolgenden Ausführungen auf die wesentlichsten Aspekte dieser Untersuchung. Diese Arbeit machte es sich zur Aufgabe, das Verhältnis des Massenphänomens der Besteuerung und dem modernen demokratischen Staatswesen darzustellen. Als eines der ersten und wichtigsten Ergebnisse aus dem Gang dieser Untersuchung ist festzuhalten, dass die Rechtswissenschaft alleine die komplexen Zusammenhänge von Steuern, Demokratie und Rechtsstaat nicht darzustellen vermag. Vielmehr bedarf es einer interdisziplinären Herangehensweise, welche insbesondere die Erkenntnisse und Methoden der Finanz-, Politik- und Verhaltenswissenschaften berücksichtigt. Steuern sind Geburtshelfer und auch Produkt des modernen Staatswesens. So bilden Steuern, die liberale Demokratie und der materielle Rechtsstaat auch in Österreich eine Einheit und münden im modernen westlich geprägten Steuerstaat. Für das österreichische Staatswesen sind alle drei Elemente untrennbar miteinander verbunden: Steuern sichern die Funktionsfähigkeit des Staates und die Bereitstellung öffentlicher Güter, die Demokratie legitimiert den Steuerzugriff und das staatliche Handeln als solches, der materielle Rechtsstaat zügelt die Staatsmacht und schafft mittels der Grundrechte individuelle Freiheitssphären für den Bürger. Ohne eines dieser Elemente ist Österreich als moderner Steuerstaat nicht denkbar. Dabei stehen die staatliche Finanzierung durch Steuern und die Herrschaftsform der Demokratie in einer komplexen und speziellen Beziehung zueinander. Im demokratischen Steuerstaat haben Steuern neben ihrer fiskalischen Rolle nämlich auch die zentrale politische Funktion eines Partizipationsmediums und dienen als Verbindungselement zwischen Bürger und Staat. Dabei ist zu beachten, dass nicht jede Art von Besteuerung einen stabilisierenden Einfluss auf ein demokratisches System hat. Die Verhaltenswissenschaften haben aufgezeigt, dass wenn die Besteuerung gewisse inhaltliche Qualitätskriterien nicht erfüllt, der Bürger darauf mit einem Abwehrverhalten reagiert, welches sich in Steuerwiderstand ausdrückt. Vermehrter und nachhaltiger Steuerwiderstand kann wiederum die Demokratie unterminieren, da es zu einer Entfremdung des Bürgers vom Staat kommt und das Gemeinwohl einer Gesellschaft in Frage gestellt wird. Daher braucht es finanzwissenschaftliche Be-

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Kap. 16: Schlussbetrachtung

steuerungsprinzipien, die konkrete inhaltliche Vorgaben für die Qualität eines Steuersystems vorschreiben. Bejaht man nämlich die potentiell demokratiegefährdende Wirkung einer „schlechten“ Besteuerung, so bedarf es der klassischen finanzwissenschaftlichen Prinzipien einer „guten“ Besteuerung für die Ausgestaltung eines Steuersystems, um negative Folgen für die Demokratie zu vermeiden. In dieser Untersuchung erwiesen sich insbesondere aufgrund ihrer Aktualität und steuerpolitischen Relevanz die aus der Finanzwissenschaft „entlehnten“ OECD-Besteuerungsprinzipien als passende Untersuchungsobjekte. In der österreichischen Steuerrechtsordnung sind nahezu alle Aspekte der finanzwissenschaftlichen OECD-Besteuerungsprinzipien wiederzufinden. Es wurde dargestellt, dass die Rolle und Funktionsweise dieser Besteuerungsprinzipien für VfGH-Judikatur und Steuerrecht am besten anhand der rechtstheoretischen Prinzipientheorie erklärt werden kann. Aus der Untersuchung der OECD-Besteuerungsprinzipien ergeben sich eine Reihe zentraler Implikationen für das österreichische Steuerrecht und Staatswesen, welche schon detailliert im vorigen Kapitel dargestellt wurden. Es bestehen gute Gründe anzunehmen, dass diese OECD-Besteuerungsprinzipien und ihre rechtlichen Entsprechungen in der österreichischen Rechtsordnung einen nicht zu unterschätzenden Beitrag für die Stabilität der österreichischen Demokratie und die Förderung des Gemeinwohls der Gesellschaft spielen. Diese Arbeit begann mit dem Zitat die „Die Steuer ist ein Preis der Freiheit“. Dieser Satz enthält sehr viel Wahrheit – nach den obigen Ausführungen scheint aber eine geringfügige Anpassung notwendig und der Ausspruch sollte lauten: „Eine gute Besteuerung ist der Preis einer Demokratie“. In diesem Sinne wird die Besteuerung im modernen Steuerstaat Österreich somit zur Grundlage für Demokratie und Rechtsstaat.

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Quellenverzeichnis

419

VfGH 18. 6. 2001, B1437/00, VfSlg 16.196/2001, ARD 5232/19/2001 = SWK 2001, T 104 = SWK 2001, 850 = SWK 2001, R 94 = SWK 2001, 1040 = ecolex 2001, 712 = JUS Vf/2295 = ÖStZ 2001/738, 353 = ÖStZB 2002/49, 55 = FJ 2002, 183 VfGH 22. 6. 2001, G128/00, u. a., VfSlg 16.223/2001, JUS Vf/2312 = ARD 5239/22/2001 = ecolex 2001, 874 = RdW 2001/544, 513 = ÖStZB 2002/50, 58 VfGH 27. 6. 2001, B1285/00, VfSlg 16.226/2001, ARD 5233/25/2001 = SWK 2001, T 103 = SWK 2001, 849 = SWK 2001, R 100 = SWK 2001, 1116 = ÖStZB 2001/251, 359 = JUS Vf/ 2294 = JBl 2001, 781 = ÖStZ 2001/755, 385 = FJ 2002, 184 = EFSlg 96.192 VfGH 3. 12. 2001, B 1402/99, VfSlg 16.378/2001, JUS Vf/2389 = ÖStZB 2002/308, 384 = ARD 5346/18/2002 VfGH 28. 2. 2002, B1408/01, VfSlg 16.454/2002, JUS Vf/2438 = ÖStZB 2002/582, 739 = SWK 2002, R 40 = SWK 2002, 736 = ARD 5360/23/2002 VfGH 29. 11. 2002, G181/02, VfSlg 16.740/2002, JUS Vf/2622 = ZfVB 2003/1682/1708/1711/ 1742 VfGH 11.12. 2002, B941/02, VfSlg 16.760/2002, JUS Vf/2609 = FJ 2003, 173 = ARD 5398/ 13/2003 = ÖStZB 2003/513, 478 = NZ 2003/87, 334 = SWK 2003, R 69 = SWK 2003, 1071 VfGH 27. 2. 2003, G37/02, u. a., VfSlg.16.808/2003, JUS Vf/2649 = MR 2003, 74 = ecolex 2003, 628 = SWK 2003, 1036 = SWK 2003, R 68 = ZfVB 2004/1150/1162/1163/1196 VfGH 10. 10. 2003, G222/02, u. a., VfSlg 17.023/2003, ARD 5443/14/2003 = DRdA 2003/53, 566 = ecolex 2003, 958 = JUS Vf/2739 = ZAS-Judikatur 2004/8, 31 = ÖJZ VfGH 2004/3, 615 = SVSlg 49.350 = ZfVB 2004/1482 = SWK 2004, 850 = SWK 2004, R 38 VfGH 12. 12. 2003, B916/02, VfSlg 17.096/2003, ARD 5468/18/2004 = JUS Vf/2789 = ÖStZ 2004/92c, 37 = ÖStZB 2004/505, 547 = SWK 2004, S 79 = SWK 2004, 119 VfGH 5. 10. 2004, B623/03, u. a., VfSlg 17.315/2004, JUS Vf/3000 = ZfVB 2005/765/772/780/ 824/838 VfGH 15. 10. 2004, G49/04, u. a., VfSlg 17.342/2004, ARD 5554/7/2004 = ecolex 2005, 181 = JUS Vf/2990 = SWK 2005, S 18 = ÖStZB 2005/526, 636 VfGH 28. 6. 2007, B1895/06, VfSlg 18.183/2007, JUS Vf/3592 = ÖStZB 2008/192, 237 VfGH 7. 12. 2006, B242/06, VfSlg 18.031/2006, ARD 5751/8/2007 = JUS Vf/3491 = ÖStZ 2007/199, 92 = ecolex 2007, 297 = ÖStZB 2007/341, 445 = SWK 2007, R 59 = SWK 2007, 1333 VfGH 25. 9. 2008, G19/08, VfSlg 18.549/2008, ARD 5904/11/2008 = JUS Vf/3858 = ÖStZ 2008/972, 494 = RdW 2008/694, 756 = PVInfo 2008 H 11, 28 = ecolex 2009, 87 = ÖStZB 2009/434, 469 = SWK 2010, R 31 VfGH 17. 6. 2009, B53/08, VfSlg 18.783/2009, JUS Vf/4038 = ÖStZ 2009/829, 402 = SWK 2009, T 200 = RdW 2009/630, 619 = ARD 5984/13/2009 = taxlex-SRa 2009/119, 474 = ecolex 2010, 98 = ÖStZB 2010/224, 335 VfGH 8. 10. 2010, V54/10, u. a., VfSlg 19.213/2010, JUS Vf/4340 = bbl 2011/3, 22 = ZfVB 2011/509 = MietSlg 62.918 VfGH 16. 6. 2011, G18/11, VfSlg 19.412/2011, JUS Vf/4472 = ÖBA 2011/27, 599 = JBl 2011, 572 = ARD 6153/9/2011 = SWK 2011, T 135 = ÖStZ 2011/545, 315 = RdW 2011/399, 378

420

Quellenverzeichnis

= AFS 2011, 189 = ÖJZ 2011/107, 1035 = ecolex 2011, 1068 = SWK 2012, 135 = ÖStZB 2012/240, 466 VfGH 29. 2. 2012, B945/11, VfSlg 19.615/2012, Die Presse 2012/18/08 = RdW 2012/262, 254 = ÖStZ 2012/319, 215 = taxlex-SRa 2012/62, 237 = AFS 2012, 154 = ARD 6229/7/2012 = JUS Vf/4677 = ÖStZB 2013/250, 451 = SWK 2013, 1416 VfGH 3. 10. 2013, SV1/2013, VfSlg 19.809/2013, ÖJZ 2014/52, 328 = ZFR 2014/9, 20 = ZfVB 2014/759 VfGH 9. 12. 2014, G136/2014, u. a., VfSlg 19.933/2014, RdW 2015/82, 70 = JUS Vf/5175 = ÖStZ 2015/2, 4 = ecolex 2015, 435 = ÖJZ 2015/70, 527 = ÖBA 2015/42, 682 = ÖStZB 2016/39, 108 VfGH 18. 6. 2015, G28/2015, u. a., VfSlg 19.976/2015, ARD 6458/3/2015 = BFGjournal 2015, 253 = RdW 2015/468, 536 = SWK 2015, 987 = JUS Vf/5239 = ecolex 2015, 1018 = SWK 2015, 1516 = ÖStZB 2017/106, 147 VfGH 9. 3. 2016, G606/2015, u. a., VfSlg 20.065/2016, RdW 2016/175, 238 = ARD 6491/17/ 2016 = wbl 2016/118, 356 = JUS Vf/5321 = ÖStZ 2016/243, 167 = ecolex 2016, 440 = AFS 2016, 76 = ÖJZ 2016/111, 840 = RFG-SRa 2016/12, 94 = SWK 2016, 1554 = ÖStZB 2018/ 54, 143 VfGH 14. 10. 2016, G121/2016, VfSlg 20.096/2016, ARD 6527/10/2016 = ZAS-Judikatur 2017/15, 23 = RdW 2017/312, 448 = JUS Vf/5471 VfGH 29. 6. 2017, E875/2017, u. a., VfSlg 20.185/2017, wbl 2017/231, 723 = ZVG-Slg 2017/ 51, 335 = JUS Vf/5543 = ecolex 2017, 1120 = JUS Vf/5561 = ÖJZ 2017/153, 1103 = MietSlg 69.731 = ZTR 2017, 137 VfGH 12. 10. 2017, E2025/2016, MR 2017,262 = ÖStZ 2017/800, 550 = SWK 2017, 1341 = JUS Vf/5576 = SWK 2018, 378 = ÖStZB 2018/222, 476 VfGH 26. 6. 2020, E248/2019 u. a., ecolex 2020, 1026 = ZVG-Slg 2020/84, 439 = ZfG 2020, 110 = JUS Vf/6097 = SWK 2021, 455 = ÖStZB 2021/108, 254 = VfSlg 20391 VfGH 17. 6. 2021, G223/2020 – 8, ARD 6762/15/2021 = ecolex 2021/692, 1050 = ÖJZ 2022/ 25, 196 = JUS Vf/6266 = SWK 2022, 350

VwGH VwGH 11. 02. 1983, 82/14/0255 VwGH 19. 2.1991, 87/14/0136, ÖJZ VwGH F 1992/8 = ecolex 1991, 496 = VwSlg 6582 F VwGH 21. 2. 1991, 90/09/0171, ZfVB 1992/320 = ÖJZ VwGH A 1992/19 = VwSlg 13386 A VwGH 22. 3. 1994, 93/08/0176, ecolex 1995, 200 = ecolex 1995, 580 = ZfVB 1995/1431 = ÖJZ VwGH A 1994/220 = VwSlg 14020 A = SVSlg 42.099 = ARD 4563/16/94 VwGH 27. 5. 1999, 98/15/0100, FJ 1999, 204 = ÖStZ 1999, 427 = JUS F/1373 = ARD 5036/ 13/99 = SWK 1999, K 14 = ARD 5042/11/99 = ÖStZB 1999, 645 = NZ 1999, 367 = SWK 2000, R 43 = FinSlg 1999/31, 135 = MietSlg 51.851 = VwSlg 7407 F

Quellenverzeichnis

421

VwGH 15. 7. 1998, 93/13/0205, RdW 1998, 780 = JUS F/1275 = ARD 4963/18/98 = ÖStZB 1999, 272 = ÖStZ 1999, 19 = SWK 1999, R 52 VwGH 8. 10. 1998, 97/15/0073, SWK 1998, S 767 = ARD 4987/19/98 = ÖStZB 1999, 311 = ÖStZ 1999, 214 = SWK 1999, K 2 = JUS F/1338 = SWK 1999, R 81 VwGH 26. 5. 2004, 2000/14/0181, JUS F/2020 = SWK 2004, 959 = SWK 2004, K 19 = ARD 5517/19/2004 = ÖStZ 2004/891, 464 = ÖStZB 2005/46, 86 = SWK 2005, R 3 = SWK 2005, 87 = RFG-SRa 2005/5, 122 VwGH 24. 5. 2007, 2006/15/0031, RdW 2007/444, 432 = GesRZ 2007, 279 = ARD 5805/10/ 2007 = taxlex-SRa 2007/97, 497 = ÖStZB 2008/133, 167 VwGH 25. 06. 2007, 2006/14/0054, SWK 2008, R 1 = SWK 2008, 55 = JUS F/2278 = ÖStZB 2008/145, 181 = VwSlg 8244 F VwGH 18. 12. 2008, 2006/15/0053, ÖStZ 2009/157, 66 = ARD 5936/9/2009 = JUS F/2462 = ÖStZB 2009/201, 185 = SWK 2009, R 45 = ÖStZ 2009/872, 423 = VwSlg 8397 F VwGH 22. 3. 2010, 2010/15/0005, taxlex-SRa 2010/83, 316 = SWK 2010, K 18 = JUS F/2607 = immolex 2010/127, 328 = SWK 2010, R 69 = ÖStZ 2011/159, 91 = ÖStZB 2010/353, 544 = MietSlg 62.935 = VwSlg 8533 F VwGH 22. 12. 2011, 2010/15/0192, ÖStZ 2012/210, 120 = ÖStZ 2012/211, 120 = RdW 2012/ 136, 124 = ÖStZ 2012/368, 242 = SWK 2012, 824 = RFG-SRa 2012/16, 78 = RFG-SRa 2012/21, 117 = ARD 6221/11/2012 = ÖStZB 2013/73, 122 = VwSlg 8690 F VwGH 19. 9. 2013, 2013/15/0183, ÖStZ 2013/1064, 586 = RdW 2013/745, 771 = ARD 6368/ 6/2013 = JUS F/2954 = SWK 2014, 624 = ÖStZB 2014/279, 467 = VwSlg 8853 F VwGH 27. 11. 2014, 2012/15/0192, ÖStZB 2015/89, 225 = SWK 2015, 872

BvwG BvwG 2. 2. 2017, W109 2000179 – 1

UFS UFSF 27. 11. 2007, RV/0346-F/07 UFSF 7. 6. 2010, RV/0406-F/08 UFSF 26. 11. 2007, RV/0304-F/07 UFSL 4. 12. 2006, RV/1144-L/04

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EuGH EuGH 14. 2. 1985, 268/83, Rompelmann EuGH 11. 7. 1989, C-265/87, Schräder EuGH 8. 10. 1996, C-178/94, Dillenkofer u. a. EuGH 18. 12. 1997, C-286/94, Molenheide u. a. EuGH 7. 9.1999, C-216/97, Gregg EuGH 4. 12. 1999, C-186/89, Van Tiem EuGH 21. 3. 2000, C-110/98 bis C-147/98, Gabalfrisa u. a. EuGH 7. 12. 2000, C-213/99, de Andrade EuGH 19. 9. 2000, C-454/98, Schmeink & Cofreth und Strobel EuGH 29. 3. 2001, C-404/99, Kommission/Frankreich EuGH 23. 10. 2003, C-109/02, Kommission/Deutschland EuGH 3. 3. 2004, C-395/02, Transport Service NV EuGH 1. 4. 2004, C-90/02, Bockemühl EuGH 21. 4. 2005, C-25/03, HE EuGH 26. 5. 2005, C-498/03, Kingscrest EuGH 15.12 2005, C-63/04, Centralan Property EuGH 12. 1. 2006, C-246/04, Turn- und Sportunion Waldburg EuGH 21. 2. 2006, C-255/02, Halifax u. a. EuGH 26. 6. 2007, C-284/04, T-Mobile Austria EuGH 6. 7. 2006, C-439/04 und C-440/04, Alex Kittel und Recolta Recycling EuGH 7. 9. 2006, C-310/04, Spanien/Rat

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Quellenverzeichnis

EuGH 13. 4. 2014, C-366/12, Klinikum Dortmund EuGH 17. 9. 2014, C-7/13, Skandia America EuGH 9. 10. 2014, C-492/13, Traum EuGH 11. 12. 2014, C-590/13, Idexx Laboratories Italia EuGH 22. 10. 2015, C-277/14, PPUH Stehcemp EuGH 26. 3. 2015, C-499/13, Macikowski EuGH 2. 7. 2015, C-334/14, De Fruytier EuGH 9. 7. 2015, C-183/14, Radu Florin Salomie und Nicolae Vasile Oltean EuGH 7. 4. 2016, C-546/14, Degano Trasporti EuGH 26. 5. 2016, C-300/15, Kohll und Kohll-Schlesser EuGH 22. 6. 2016, C-267/15, Gemeente Woerden EuGH 28. 7. 2016, C-332/15, Astone EuGH 2. 6. 2016, C-263/15, Lajver EuGH 15. 9. 2016, C-516/14, Barlis EuGH 20.10. 2016, C-24/15, Plöckl EuGH 9. 2. 2017, C-21/16, Euro Tyre EuGH 9. 3. 2017, C-573/15, Oxycure Belgium EuGH 17. 3. 2017, C-40/15, Aspiro EuGH 26. 4. 2017, C-564/15, Farkas EuGH 14. 6. 2017, C-26/16, Santogal EuGH 21. 11. 2018, C-664/16, Va˘ dan EuGH 19. 12. 2018, C-51/18, Kommission/Österreich EuGH 17. 10. 2019, C-653/18, Unitel EuGH 3. 12. 2019, C-482/17, Tschechische Republik/Parlament und Rat

EuGH-Schlussanträge Schlussanträge von GA Kokott, 15.12. 2005, C-63/04, Centralan Property Schlussanträge von GA Trstenjak, 8. 3. 2011, C-10/10, Kommission/Österreich Schlussanträge von GA Jääskinen, 7. 4. 2011, C-106/09 P und C-107/09 P, Kommission und Spanien/Gibraltar und Vereinigtes Königreich Schlussanträge von GA Trstenjak, 7. 7. 2011, C-214/10, KHS/Schulte Schlussanträge von GA Saugmandsgaard Øe, 6. 4. 2016, C-24/15, Plöckl Schlussanträge von GA Kokott, 8. 6. 2017, C-246/16, Enzo Di Maura

Quellenverzeichnis

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Schlussanträge von GA Mengozzi, 22. 3. 2018, C-108/17, Enteco Baltic Schlussanträge von GA Bot, 19. 4. 2018, C-580/16, Bühler Schlussanträge von GA Kokott, 4. 7. 2019 C-323/18, Tesco-Global Áruházak

Rechts- und Rechtserkenntnisquellen Unionsrecht Erste Richtlinie 67/227/EWG des Rates vom 11. 4. 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer, ABl 1967/71, 1301 Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. 11. 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl L 2006/347, 1 Richtlinie 2016/1164 des Rates vom 12. 7. 2016 mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarktes, ABl L 2016/193, 1 Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.5. 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern, ABl L 1977/145, 1

Österreich Verordnungen und Richtlinien Verordnung des Bundesministers für Finanzen über den Nachweis der Beförderung oder Versendung und den Buchnachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen, BGBl 401/ 1996 i. d. F. BGBl II 172/2010 Umsatzsteuerrichtlinien 2000 vom 13. 7. 2005, GZ 09 4501/58-IV/9/00 i. d. F. GZ BMF010219/0270-IV/4/2019 vom 28. November 2019

Gesetzesmaterialien 114/E 25. GP, Entschließung des Nationalrates vom 12. November 2015 betreffend Österreichs Beitrag zu einem ambitionierten Ergebnis der Klimakonferenz COP 21 in Paris 132/ME XXVI. GP, Ministerialentwurf – Erläuterungen Ausschuss für Arbeit und Soziales, Bericht vom 27. 5. 2015 bezüglich der Pendlerverordnung (634 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP), verfügbar unter https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/I/I_00634/fnameorig_420089.html (abgerufen am 6. 3. 2023) Beiser, Stellungnahme, 1/SN-262/ME XXV. GP, verfügbar unter https://www.parlament.gv.at/ PAKT/VHG/XXV/SNME/SNME_07956/imfname_569562.pdf (abgerufen am 6. 3. 2023)

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Quellenverzeichnis

BMI, Anfragebeantwortung, 4059/AB XXI.GP, verfügbar unter https://www.parlament.gv.at/PAKT/ VHG/XXI/AB/AB_04059/fnameorig_599556.html (abgerufen am 6. 3. 2023) Bundesarbeitskammer, Stellungnahme, 24/SN-129/ME XXV. GP, verfügbar unter https://www. parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/SNME/SNME_03923/imfname_421778.pdf (abgerufen am 6. 3. 2023) Bundeskanzleramt, Bericht der Bundesregierung betreffend den Abbau von Benachteiligungen von Frauen (2007), verfügbar unter https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIII/III/III_ 00097/imfname_089555.pdf (abgerufen am 6. 3. 2023) ErlRV 1099 BlgNR 20. GP ErlRV 1237 BlgNR 28. GP ErlRV 190 BlgNR 26. GP ErlRV 582 BlgNR 18. GP ErlRV 65 BlgNR 26. GP ErlRV 87 BlgNR 21. GP ErlRV 981 BlgNR 24. GP Industriellenvereinigung, Stellungnahme, 96/SN-129/ME XXV. GP, verfügbar unter https:// www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/SNME/SNME_04035/imfname_422300.pdf (abgerufen am 6. 3. 2023) Institut für Finanzrecht Universität Wien, Stellungnahme, 5/SN-239/ME XXI. GP, verfügbar unter https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXI/SNME/SNME_04418/imfname_59273 6.pdf (abgerufen am 6. 3. 2023) Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, Stellungnahme, 32/SN-24/ME XXVI. GP, verfügbar unter https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/SNME/SNME_00755/imf name_689540.pdf (abgerufen am 6. 3. 2023) Kickl/Belakowitsch-Jenewein/Neubauer/Wurm, Anfrage vom 25. 5. 2015 bezüglich Pendlerverordnung und Pendlerrechner, 3855/J XXV. GP, verfügbar unter https://www.parlament.gv. at/PAKT/VHG/XXV/J/J_03855/fnameorig_386073.html (abgerufen am 6. 3. 2023) Kickl/Belakowitsch-Jenewein/Neubauer/Wurm, Entschließungsantrag vom 25. 2. 2015 bezüglich der Pendlerverordnung, 901/A(E) XXV. GP, verfügbar unter https://www.parlament.gv.at/ PAKT/VHG/XXV/A/A_00901/fnameorig_385543.html (abgerufen am 6. 3. 2023) Krainer und Genossinnen und Genossen, Anfrage vom 10. 4. 2017 bezüglich Steuervermeidung durch Firmenkonstrukte, 14117/J XXV.GP, verfügbar unter https://www.parlament.gv.at/ PAKT/VHG/XXV/J/J_14117/imfname_671160.pdf (abgerufen am 6. 3. 2023) Österreichischer Gewerbeverein, Stellungnahme, 41/SN-127/ME XVII. GP, verfügbar unter https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XVII/SNME/SNME_02511/imfname_541934.pdf (abgerufen am 6. 3. 2023) Rechnungshof, Bericht 2013/1, verfügbar unter https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/ XXIV/III/III_00401/imfname_296753.pdf (abgerufen am 6. 3. 2023) WKO-Bundessparte Bank und Versicherung, Stellungnahme, 3/SN-129/ME XXV. GP, verfügbar unter https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/SNME/SNME_03847/imfna me_421206.pdf (abgerufen am 6. 3. 2023)

Stichwortverzeichnis Abgabenbegriff 43 f. Abgabenbehörde vgl. Finanzverwaltung Abwägungsentscheidung 65, 82, 90, 95 f., 97, 140, 142 ff., 150, 163, 177, 194, 208, 229, 264 f., 296 ff., 313 f., 317, 356 f., 361, 379 Alexy, Robert – Gleichheitssatz 177 ff. – Optimierungsgebote 95 ff., 143 – Rechtsgeltung 162 f. – Reichweite von Rechtsprinzipien 110, 377 f. – Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 316 f. Äquivalenztheorie 332 ff., 352 ff., 359 ff., 366, 371 f. Arbeitslosenversicherung 216 Bankgeheimnis 203, 209 f. Bankgesetz 202 f. Base Erosion and Profit Shifting Projekt 87 ff. – Aktionspunkt 89 ff., 92, 241 f., 335 f. – Anti-BEPS-Maßnahmen der EU 363 ff., 366 f. – Auswahl der Besteuerungsprinzipien der OECD 91 ff. – Besteuerungsprinzipien der OECD 89 f. – Inclusive Framework 350 – in Österreich umgesetzte Maßnahmen 371 f. – Metaziel 88, 336 – multilaterales Instrument 347 f. – Willensäußerungen der Staaten 348 ff. Baugesetze vgl. Grundprinzipien des B-VG Begleitende Kontrolle 181 f. Begründungserwägungen 367 f., 381 Besteuerungsprinzip der Effizienz 125 ff. – Abwägung mit Leistungsfähigkeitsprinzip 144 ff. – Abwägung mit Pauschalierungen 149 f. – administrative Effizienz 126

– Effizienz als Kostenfaktor 127 – Effizienz für den abzugspflichtigen Dritten bei der Steuerabfuhr vgl. Besteuerungsprinzip der Effizienz für Dritte – Effizienz für den Staat bei der Steuererhebung 126 ff., 129 ff., 231 – Effizienz für den Steuerpflichtigen selbst 127, 129, 180 ff. – Effizienz und Steuergesetzgeber 133 ff. – Effizienz und Steuerverwaltung 135 ff. – finanzwissenschaftliche Wurzeln 125 ff. – Rechtstheorie 141 ff. – Rechtsgeltung 142 – verfassungsrechtliches Effizienzprinzip 129 ff., 133 ff., 135 ff. – Verwaltungsökonomie 136, 140, 145 f., 149 f., 231, 261, – Wohlfeilheit der Besteuerung 126 Besteuerungsprinzip der Effizienz für Dritte 169 ff., 182 – Grenzen für Mitwirkungspflicht 172 ff. – Lohn- und Kapitalertragsteuerabzug 170 f. – Rechtstheorie und Rechtsgrundlage 177 ff. – Sachlichkeitsgebot 175 f. – Ursprung und Zweck 169 f. Besteuerungsprinzip der Effizienz und die Umsatzsteuer 300 ff. – Ablehnung des Formalismus bei innergemeinschaftlichen Lieferungen 311 ff. – Ablehnung des Formalismus bei Rechnungen 308 ff. – Ablehnung des Formalismus in Österreich 319 f. – allgemeine unionsrechtliche Vorgaben 302 ff. – Neutralitätsgrundsatz 307, 312 f., 315 – Rechtstheorie 314 ff. – Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 304 ff., 312 f., 316 ff.

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Stichwortverzeichnis

Besteuerungsprinzipien der Finanzwissenschaft 77 f., 80 ff., 91, 108 ff. – Begriff und Wesen 80 ff. – Verhältnis zu Grundrechten 83 ff. – Verhältnis zu policies und Rechtsprinzipien 109 ff. Besteuerungsprinzip der Flexibilität 213 ff., vgl. auch Technologie – Flexibilität als finanzwissenschaftliche Vorgabe 214 ff. – progressive Einkommensteuer als automatischer Stabilisator 217 ff. – Progression der Einkommensteuer 217 – Progression und Steuerrechtswissenschaft 219 ff. – Rechtsgeltung der Progression 232 f. – Rechtsgrundlage der Progression 221 ff. – Rechtstheorie und Progression 226 ff. – Rezeption der Progression 223 ff. Besteuerungsprinzip der Gerechtigkeit 112 ff., 124, 168, vgl. auch Leistungsfähigkeitsprinzip und Gerechtigkeit – finanzwissenschaftliche Wurzeln 112 ff. – Leistungsfähigkeitsprinzip 116 ff. Besteuerungsprinzip der Neutralität 267 ff. – finanz- und betriebswirtschaftliche Wurzeln 268 ff. – Neutralität aus Sicht der Steuerrechtswissenschaft 270 ff. – Rechtsformneutralität 269, 271 ff., 279, 286 ff. – Rechtstheorie 294 ff., 297 f. – unionsrechtliche Vorgaben 274 ff. – Wettbewerbsneutralität 268, 271 ff., 274 ff., 280 ff., 289, 292 f., 295 ff. – Wettbewerbsneutralität als Konkretisierung des Gleichheitssatzes 285 ff. – unionsrechtlicher Grundsatz der Neutralität 277 ff. Besteuerungsprinzip der Praktikabilität 196 ff., 203, 206, 208 f., 211 f. – Finanz- und Steuerrechtswissenschaft 197 f. – Abgabenverwaltung 198 ff. – Gleichheit des Belastungserfolges 201 – Gleichmäßigkeit der Besteuerung 199 f., 204 ff., 207 f.

– Rechtstheorie und Rechtsgrundlage 207 ff. – Steuergesetzgeber 200 ff. Besteuerungsprinzip der Verständlichkeit 184 ff. – Ausdifferenzierung 189 ff. – Denksportjudikatur 188 f. – Finanz- und Steuerrechtswissenschaft 185 ff. – Rechtstheorie und Rechtsgrundlage 194 f. – Verständlichkeitsmaßstab 191 ff. Besteuerungsprinzip der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit 322 ff. – äquivalenztheoretischer Ansatz 332 ff., 352 ff., 359 ff. – Begriff 328 ff. – im Europarecht 363 ff. – im innerstaatlichen Recht 369 ff. – opfertheoretischer Ansatz 331 f. – Steuersouveränität und Doppelbesteuerung 323 ff. – Vergleich gesamtwirtschaftlicher Vorteile 330 – Verteilungsgerechtigkeit als ideales Sollen 359 ff. – Verteilungsgerechtigkeit als Rechtsgrundsatz des Völkerrechts 344 ff. – Verteilungsgerechtigkeit dem Grunde nach 344 ff. – Verteilungsgerechtigkeit der Höhe nach 352 ff. – Verteilungsgerechtigkeit laut OECD 334 ff. Betrachtungsweise, wirtschaftliche 247, 251, 256 Bitcoin 256 f. Blockchain 254 Budget 51 ff. Budgetdienst 218 Bundesfinanzgesetz 52 Bundeshaushaltsgesetz 52 Bundesregierung 45, 52 Coercive taxation 57

Stichwortverzeichnis Demokratie 23 ff., 35 ff., 41, 48 f., 53, 60, 64, 70 f., 72 f., 75, 78, 99, 240, 379 f. – Demokratisierung 55, 61 – demos 35 f. – elektorale 37 – legitimiert 52 f., 54, 62 f., 64, 70, 78, 102, 104 – liberale 24, 37 f., 41 f., 47 f., 51, 53 f., 70, 74, 383 – liberale Demokratie und materieller Rechtsstaat 40 ff. – rechtsstaatliche 46, 49, 99 – Repräsentation 36, 44, 49, 55 ff., 58, 60, 63, 70 – Steuerwiderstand 72 ff. Digitalisierung 28 Doppelbesteuerungsabkommen – Anzahl weltweit 346 f. – DBA Österreich-Portugal 295 – OECD-Mitglieder 347 – Verhandlungen 345 f., 361 – Verteilungsgerechtigkeit 345 ff. – Wesen 324 f. – Wettbewerbsneutralität 295 ff. Dummensteuereffekt 186 Durchsetzbarkeit 68, 75, 91, 200, 202, 204, vgl. auch Besteuerungsprinzip der Praktikabilität Dworkin, Ronald – policies 98 ff. – Rechtsprinzipien 94 ff. – Rechtsgeltung 154 ff. E-Books 257 Eigentum 33, 40, 86, 134, 245 – Eigentumsfreiheit 33, 50 f., 86 f., 245 – Privateigentum 46, 245 Einkommensschere 106, 150 f. Einkommensschock 217 f. Einkommensteuer 62, 117 ff., 122, 222, 139, 145, 159, 170, 217 ff., 223, 229, 246, 253 ff. Einkommensteueraufkommen 253 Einkunftsarten 253 Einkünfte aus – Gewerbebetrieb 254 – Kapitalvermögen 118, 147, 171, 202, 209, 222, 253

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– Land- und Forstwirtschaft 295 – nichtselbständiger Arbeit 228 ff. – selbständiger Arbeit 254 – Spekulationsgeschäften 254, 265 – Trinkgeldern 211 Entwicklungsländer 60, 346 f., 362 Erbschafts- und Schenkungssteuer 249 Erdrosselungssteuer 34, 51, 87 Erwerbsfreiheit 33, 46, 50 f., 86 f., 208, 245 Europäische Union 89, 274, 363 – Binnenmarkt 274 ff. – Grundfreiheiten 275 Fairness 364 ff. Familienbesteuerung 103, 226 Finanzsoziologie 25 Finanzverwaltung 31, 67, 69, 75, 136 f., 145, 169, 185, 197 ff., 200, 204, 211, 268 Finanzwissenschaft 63, 76 f., 81, 91 f., 114 fiscal social contract 70 Fiskalzweck 43, 247 ff., 251 – Fiskalzwecksteuern 249, 253 ff., 260 ff. Flugabgabe 258 f. Flughafen Wien, dritte Piste 100 ff. Formalismus, Grundsatz der Ablehnung des 302 ff. Freiheit 37, 39 f., 41 f. Gemeinwohl 72, 81, 83, 86, 98 f., 108 f., 139, 151, 240 Gerechtigkeit 34, 39, 66, 75, 82, 113, 154, 157 f., 166, 186, 221, 240 f., 270 f., 285, 294, vgl. auch Besteuerungsprinzip der Gerechtigkeit – horizontale 66, 112 ff., 240 – prozedurale 66 – retributive 67 – Steuergerechtigkeit 34, 50, 114 f., 116 – Steuergleichheit 34, 170, 227 – Verteilungsgerechtigkeit 66, 157 f., 325, 328 – Vertikale 66, 112 ff., 221, 240 Gleichbehandlungsgrundsatz, unionsrechtlicher 280 Gleichheit 37, 39 f., 41, 46, 271 Gleichheitssatz 47, 50, 84 ff., 103, 120 f., 123, 132, 134, 138 ff., 145 f., 165, 172 ff., 177 ff., 198 ff., 204 f., 207, 209, 212, 228 f.,

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Stichwortverzeichnis

231, 252, 281 ff., 285 ff., 289 ff., 294 ff., 299 f., 319 – als Blankett 84 ff., 138, 206, 285 – Sachlichkeitsgebot 85 f., 132, 134, 141, 175 ff., 182 Gleichmäßigkeit der Besteuerung vgl. Besteuerungsprinzip der Praktikabilität Goldstandard 24 Good governance 70 Grenznutzentheorie 220 f., 223, 226 f. Grunderwerbsteuer 134 Grundprinzipien des B-VG 44 ff., 47 f., 53 – demokratisches 44 f., 46 f., 53 – rechtsstaatliches 45 ff., 47 f., 53, 188 ff., 193 f. – liberales 47 f., 53 Grundrechte 24, 37 f., 41 f., 45 f., 47 f., 50, 53 f., 177 f., 190 – Verhältnis zu finanzwissenschaftlichen Besteuerungsprinzipien 83 ff. – Wesen 83 f. Haushalt vgl. Budget Hedqvist-Urteil 256 f. Heiratsguterkenntnis 103 Herrschaftsmonopole 30 Homo oeconomicus 310 Institutional support 155 ff., 161, 232 Klimaschutz 100 ff. Kommunalsteuer 283 f. Kompetenzverteilung 49, 102, 250 Konjunkturschwankungen 214 Legalitätsprinzip 45 f., 49, 137, 143 f., 199 Legitimation 42, 49, 51 73 Leistungsfähigkeitsprinzip 66, 72, 112, 120, 124, 129, 138 ff., 163 ff., 220 f., 223 ff., 246, 270 f. vgl. auch Besteuerungsprinzip der Gerechtigkeit und Gerechtigkeit – Abwägung mit Effizienzprinzip 144 ff. – Abwägung mit policies 150 – als Irrweg 122 ff. – als Ordnungsprinzip 120 ff. – Definition 113 ff. – im österreichischen Steuerrecht 116 ff. – objektives Nettoprinzip 120, 150, 159 ff.

– Progression 117, 119, 160 f., 216, 217 ff., vgl. auch Steuerprogression – Rechtsgeltung 153 ff., 167 f. – Rechtsgrundlage 119 f., 152 – Rechtstheorie 138 ff. – subjektives Nettoprinzip 117 f., 123, 159 – Unterprinzipien 117 ff., 123, 159, 223, 225 – Verwirklichung 138 ff. Lenkungsnormen 122, 140, 248 f., 250, 258 f., 261 Leviathantheorie 63 ff. Liberalismus 33, 268, 270, 285 – Liberal 39 f., 44, 47, 51, 83 Lissabon-Urteil 106 Lobbyismus 64, 186 Lohnsteuerabzug 171 Managergehälter 25, 103, 106, 150 ff. Marktwirtschaft 34, 86, 245, 268, 285 Mehrbedarfsrente 163 f. Mitbestimmungsrechte, politische 55, 58 f., 60 Monatsgehalt, dreizehntes, vierzehntes 228 ff., 231 f. Monopol 30 f. Moralphilosophie 153, 157 Motiviations-Transfer-Effekt 74 Nationalrat 45, 52, 101 f. No taxation without representation 24, 60, 70 Non-Fungible-Token 241, 254 Normenkontrolle 45, 64 OECD 56, 68, 87 ff., 91, 113, 116, 126 f., 184, 217 f., 241, 262, 326 OECD-Musterabkommen 362 Öffentliche Güter 29, 48, 58, 62, 66, 82, 244, 332 Opfertheorie 220 f., 226 f. Ordnungssystem 291 f., 297 Parlament 36, 44 ff., 49, 52, 59, 63, 70, 131, 161, 218 f. Pauschalsteuer 270 Prinzipien 65, 75 f., 85, 90, 107, 114, 122 f., 133, 141

Stichwortverzeichnis Prinzipientheorie 94 ff., 108, 144 – dimension of weight 95 – Geltungsgrund von Rechtsprinzipien 153 ff. – im Europarecht 314 f. – im Völkerrecht 356 ff. – Optimierungsgebot 95 f., 108, 143, 195, 358 – policies 98 ff., 102 ff., 108, 150, 231, 265, 361 – policies und Besteuerungsprinzipien 109 ff. – Rechtsprinzip 94 ff., 108, 141 ff., 147 ff., 150 ff., 195, 207 ff., 228, 230 ff., 266, 295 ff., 299 f., 360, 371 – Rechtsregel 94 ff., 108, 141, 143 f., 179 f., 182, 194 f., 207, 209 f., 264 f., 299, 316 f., 318 – Rechtspositivismus 97 – Reichweite von Rechtsprinzipien 98, 110 f. Privatsphäre 40, 51, 104, 118, 145, 170, 211 Privatwirtschaft 34, 244 ff., 284 Quellensteuerabzug 147, 169 ff., 181, 147 Quellenstaatsprinzip 352 f. Rechnungshof 53, 129, 131, 142 Rechtsdogmatik 24, 76 f., 379 Rechtsformneutralität – Umsatzsteuer 286 f. – Ertragsteuern 287 f. Rechtsgrundsatz, allgemeiner des Völkerrechts – als Rechtsquelle des Völkerrechts 338 f. – Anerkennungsmethode und Konkretisierungsgrad 339 ff. – Anerkennungssubjekte 342 f. – und Rechtsprinzipien 357 ff. Rechtskontinuität 85 Rechtskreis 92, 220, 343, 348, 350 Rechtspositivismus 97, 153 f., 162, 165 Rechtsprinzipien, Geltungsgrund von 153 ff. – nach Dworkin 154 ff. – nach Alexy 162 ff. – nach Bydlinski 165 ff.

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Rechtsstaat 33, 38 ff., 45 f., 47 f., 49 f., 51, 53 f., 74, 102, 186, 188 f. – formeller 39 – liberale Demokratie und materieller Rechtsstaat 40 ff. – materieller 39 f., 41 f., 46 f., 50, 54 – Polizeistaat 39 – Rule of law 38 Registrierkassen-Erkenntnis 205, 207 f. Rentier states 33, 60 Repräsentationsrechte 55, 60 Revenue bargaining vgl. tax bargaining Schaumweinsteuer 135 Schedulenbesteuerung 119, 139, 149, 223 Soft Law 337, 341, 349 Solidaritätsgedanken 224 Sozialversicherungsbeiträge 216, 218 Sozialzwecknormen 247 ff., 252, 259 ff. – Lenkungsnormen 248, 258 ff. – Umverteilungsnormen 248 Souveränität 36 – Gleichheit 355 f. – Steuersouveränität 321, 323 ff., 326 – VfGH als neuer Souverän 107 – Volkssouveränität 36, 42, 52 Spekulationsertragsteuer 172, 175 Spekulationssteuerurteil 201 state building 61 Staatseinnahmen 57, 215 Staatswesen – nicht-westliches 60 f. – westliches 24 f., 32, 40, 42, 51, 54 ff., 58, 60 f., 219, 383 Stände 55, 59 Stabilitätspakt 52 Stabilitätspolitik, finanzwissenschaftliche – aktive Flexibilität 214 f. – automatischer Stabilisator 216 f. – passive Flexibilität 215 ff. – progressiver Tarif als automatischer Stabilisator 217 ff. Stabilitätsvoraussetzungen 54, 76, 79, 91, 379 Steuern 24 f., 28 ff., 48 ff., 51, 54, 55 ff., 58, 60, 69, 71, 76, 134, 147, 218, 245 ff., 258 – demokratiepolitische Funktion 69 ff., 78, 166, 323

432 – – – –

Stichwortverzeichnis

Digitalsteuer 242, 262 f. direkte 275, 280, 285, 304 Energiesteuern 258 ff. Erhebungskosten 57, 126 ff., 134 f., 147 ff., 185, 211 – Geburtshelfer des modernen Staates 29, 32, 54, 383 – Gesetzmäßigkeit 49 f. – indirekte 275, 285, 300 – Legaldefinition 43 – Privatökonomie 244 ff. – Revolutionen 58 – schlechte Besteuerung 65 ff., 78 – Transportsteuern 258 ff. – Umweltsteuern 248 – unbeschränkt steuerpflichtig 62 – Verbrauchsteuern 259, 275, 304 – Vorgaben 75 ff. Steueraufkommen – Einkommensteuer 253 – Körperschaftsteuer 255 – Umsatzsteuer 255 f. Steuerbefolgungskosten 68, 75, 91, 127 f., 181 f. Steuerehrlichkeit 65 ff., 68, 69, 72, 74, 75, 91, 379 Steuergesetze 49, 53, 64 f., 67, 74, 141, 185 f., 200, 203 – Bestimmtheit von Steuergesetzen 204 f. Steuergesetzgeber 62, 66, 84, 135 ff., 198, 200, 204, 207, 242, 250 Steuerhinterziehung 67 f., 74 Steuermoral 65, 381 Steuerpolitik 65, 71, 82 f., 89 f., 133, 197, 323 Steuerprivilegien 64, 75 Steuerprogression – Bemessungsgrundlage 219 – progressiver Tarif 219 ff. – proportionaler Tarif 219 f., 224, 288 – regressiver Tarif 219, 224 f. Steuersystem 57, 68, 75 ff., 82, 87, 90, 115 f., 204, 214, 216, 246, 268, 294 – Einkommensteuersystem 159, 219, 223, 231 Steuerrecht 23 ff., 44, 51, 54, 76 f., 84, 86, 91, 135, 157, 186, 197, 204, 206 f., 209,

215, 225, 239 f., 242 f., 246 ff., 250 ff., 273, 280, 310, 370 Steuerrechtswissenschaft 26, 76 ff., 113 f., 181, 184 f., 197, 219, 270 f., 322, 329, 334, 376, 381 f. Steuerstaat 30 ff., 43, 49, 53 f., 62, 74, 76, 79, 91 f., 166, 244 ff., 378 – als Parasit 245 – Herausforderungen 62 ff. – Krise 30, 32 – nach Isensee 32 ff. – rechtsstaatlicher, liberaldemokratischer 51, 54, 61, 69, 125 Steuerwettbewerb 88, 261, 325 ff. – schädlicher 327 Steuerwiderstand 57 f., 65, 67, 72 ff., 78 – Demokratie 72 ff. Synthetik der Einkommensteuer 119, 123, 139, 149, 228 f., 231 Tax bargaining 30, 55, 57 f., 60, 71 Tax compliance vgl. Steuerehrlichkeit Technologie vgl. auch Besteuerungsprinzip der Flexibilität – Begriff 233 ff. – Medienneutralität 242 f. – Spannungsverhältnis zum Recht 235 ff. – Technologieneutralität als Regulativ im Recht 237 ff. – Technologiesprünge 239 – Technologieneutralität und Einkommensteuer 253 ff. – Technologieneutralität und Fiskalzweck 244, 251 ff. – Technologieneutralität und Körperschaftsteuer 255, 264 – Technologieneutralität und Rechtstheorie 264 f. – Technologieneutralität und Steuerrecht 239 ff., 251 ff. – Technologieneutralität und Umsatzsteuer 255 ff., 264 Technologiespezifische Steuern 252 – Transportsteuern und Energiesteuern 258 ff. – Werbeabgabe und Digitalsteuer 260 ff. Trinkgelder 25, 144 ff., 202 f., 210 ff. Trinkgelderkenntnis 202 f., 210 ff.

Stichwortverzeichnis Umsatzsteuer – Ablehnung des Formalismus 302 ff., 319 f. – innergemeinschaftliche Lieferung 303 f., 311 ff. – Mehrwertsteuersystemrichtlinie 256 f., 302, 306 – Rechnung 304, 307 ff., 310 – Rechnungsberichtigung 309 – Rechtsformneutralität 286 – Technologieneutralität 256 ff. – Vorsteuerabzug 278, 281, 308 ff. – Wesen 286 f., 301 f. – Wettbewerbsneutralität 281 ff. Umverteilungswirkung 62, 224, 240, 248 Verfassung 44 Verfassungsgerichtshof 104 ff. Verhaltenswissenschaft 65 Verhältnismäßigkeit 40, 50, 235 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, unionsrechtlicher 304, 309

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Verwaltungskosten 67, 125 f., 146 Vollzugsdefizit, strukturelles 200, 202, 206, 211 f. Völkerrecht – Wesen des 337 f. – Umweltvölkerrecht 356 Wechselbeziehung von Besteuerung und Demokratie 54, 55 ff., 78 – Gleichheitsgedanke 71 f., 75 Wertschöpfung 354, 361, 365 Werturteil 103 f. Wettbewerbsverzerrung vgl. Besteuerungsprinzip der Neutralität Wirtschaftswissenschaften 23, 76, 125, 129, 214, 247, 269 ff., 362 Zinsurteil 201 f., 209 f. Zivilrecht 246 f. Zusammenfassende Meldung 311