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German Pages [571] Year 1801
Table of contents :
Front Cover
Erster rster Abschnitt Befchreibung der Insel Corfu
Zweyter Abschnitt Römische und griechische Kirche
Dritter Abschnitt Heirathsgebräuche Leichenbes
Bierter Abschnitt Regierung Abel Gerechtig
Fünfter Abschnitt Kriegsmacht Seemacht
Sechster Abschnitt Kultur und Produkte des
Siebenter Abschnitt Veränderungen in den Sitten
Neunter Abschnitt Physischer und politischer
Zehnter Abschnitt Physischer und politischer Zustand
Eilfter Abschnitt Zustand von Vonika
Zwölfter Abschnitt Beschreibung der Insel
Dreyzehnter Abschnitt Physischer und politischer
Zustand der Insel Sante und der Strophaden
Funfzehnter Abschnitt Beschreibung der Stadt
Sechszehnter Abschnitt Lateinische und griechische
Siebzehnter Abschnitt Ackerbau, Producte,
Achtzehnter Abschnitt Blick auf den venetianischen
Neunzehnter Abschnitt Handel der Buchten
Ein und zwanzigster Abschnitt Regierung Sits
Beschreibung der ehemaligen
venetianischen Besihungen auf dem festen Lande
und an den Küsten von Griechenland.
Nach dem Französischen des
Herrn
Graffet
Saint Sauveur.
erausgegeben von
. m
C.
Mit
Sprenge T.
einer
Charte.
Neimar , im Verlage des Industrie 180 1.
Comptoirs,
10
Bibliothek
neuesten und
wichtigsten
Reisebeschreibungen
zur Erweiterung der Erdkunde
einem
nach systematischen
bearbeitet,
Plane
und in Verbindung mit
einigen
andern
Gelehrten gesammlet
und e
her aus g eg
ben
bon M.
C.
S prengel.
BIBLIOTHER BERN LESEGESELLSCHAFT
and .
Dr
Mit Charten und
Kupfern.
Weimar, im Verlage des Industrie - Comptoirs ,
I 8 Q I,
Stadtbibliothek
BERN
សិស្ស ចុះ
Vorrede.
Die Trimmer der ehemaligen griechischen Besitzungen, des jest erloschenen venetianischen Freyßlaats ,
oder die
Inseln und Festungen, welche ihm von seinen weiland glänzenden Eroberungen , auf und längst den Küsten von Albanien , Livadien , und Mosca übrig geblieben waren , gehörten größtentheils zu den unbekannten Låns dern unsers Welttheils. Unsere besten Erdbeschreiber haben freylich die Namen und Lage der wichtigsten verzeichnet , * aber ihre Eigenſchaften und Merkwürdigke'ten nur kurz berührt , weil sie bey dem Mangel ausführli, cher Landes- oder Ortsbeschreibungen nichts weiter anzu geben wußten. Auch was Herr la Bret im ersten Theil der Vorlesungen über die Statistik , worin er 1783 den damaligen Zustand von Venedig beſchrieb, über diese vont Mutterlande so sehr vernachlässigten Nebenländer sams melte , besteht zum Theil in der Geschichte der größern Inseln und einzelnen geographischen Angaben ,
weil er
über ihre Verfassung , Produkte, Bevölkerung ic, in den von ihm benutzten Quellen keine Aufschlüsse erlangen konnte, oder er dergleichen Notizen aus dem vorigen Jahrs hundert unsern Zeiten anzupaſſen Bedenken trug.
Man
darf in dieser Rücksicht unsern Verfasser nur mit dem Theil seiner eilften Vorlesung vergleichen , worin er die Distrikte aufzählt , welche die Türken im Passarowißer Frieden an Venedig abtraten, und man wird die Armuthfeiner Quellen bey den abgetretenen Festungen Batriato, Vonizza , Prevefa schwerlich verkennen. Der berühmte Krieg , den Venedig von 1645 bis 1669 vier und zwanzig Jahre zur Vertheidigung der Infel Candien mit den Türken führen mußte, und der zweyte Freytag Ende des vorigen Krieg , den eben dieser derts der christlichen Elgue gegen als Mitglied diesen gefährlichen Nachhe glücklicher endigte , verans laßte Schaaren von Europäern nach Griechenland zu zies
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Borred
hen , theils um Ruhm in den Gefechten mit den Unglaus bigen einzuernten, theils die Ueberbleibsel des Alterthums ungestörter beobachten zu können, Viele von diesen Reifenden haben nachher ihre Tagebücher in verschiedenen Sprachen dem Publikum mitgetheilt.
Weil sie aber auf
ihrem Wege nur einzelne venetianische Niederlassungen und Egyp . berührten , ten oder riechenland überhaupt nebst Kleinaſſen. chte , so Spon und Wheranzog, , wie Aufmerksamkeit ihre Beri entha so Egypten größere ihre und lten oder des Neapolitaners Piacenza * ) nur geringe Aufklärung über das ehemalige Gebiet der Venetianer in Griechenland. Daher war Vincent Coronelli (Siehe deffen Memorie hiftorio grafiche delli Regni della Morea , e luogi adjacenti, Venet. 1685. fol.
Man hat auch von
diesem Buche eine französische 1686 zu Amſterdam gedruckte Uebersetzung) von dem 1687 eine deutsche Uebers setzung in Nürnberg erschien , lange Zeit der Hauptfühe rer in diesen Gegenden . Aber da er in Venedig unter den Augen einer ångstlichen , lichtscheuen Regierung schrieb , durfte er die Mißgriffe in der Behandlung dieser Nebenländer , die Bedrückungen der Unterthanen , und die Beschränkungen ihres Handels nicht berühren noch weniger rügen. Auch hat sich der Zustand dieser Länder seit der Zeit, da er seine Nachrichten sammelte , so veråndert oder vielmehr verschlimmert, daß kaum ein Schat: ten von seiner Schilderung übrig geblieben ist. Georg Wheler bereisete 1675 und 1676 die Levante , lund ließ seine Reise 1682 in Folio englisch zu London drucken. Sie ist nachher häufig in franzöſiſcher , holländischer und andern Sprachen überseht worden. Vor mir liegt eine französische Uebersezzung. Amst. 1689. klein Octav. Seine Reisebemerkungen find häufig mit Jac. Spons Reise nach Dalmatien, Griechenland und der Levante zusammen er schienen. Beyde Werke sind zwar ähnlichen Inhalts , aber ganz von einander verschiedeu ; Spon war auch früher in diesen Gegenden als Wheler. Franz Piacenza starb 1686 als Profeffor der Gevaraphie in Modena. Nach seinem Tode kam von ihm in dieser Stadt heraus : L'Egeo redivivo o fia Chirographia dell' Arcipelago della Grecia, Mores Peloponnefo 1688. 4.
Borrede
III
Neuere Reisebeschreiber von Griechenland, welche dorthin vor der letzten franzöſiſchen Erobèrung von Corfu kamen , haben sich gleichfalls nicht ausführlich darüber eingelassen. Doch in spåtern Zeiten finden sich einige, welche diese zerstreuten Theile des venetianischen Gebiets zum Hauptgegenstand ihrer
Untersuchungen
wählten.
Von ihnen sind blos folgende zu meiner Kenntniß gekoms men. Zuerst Christoph Tentori, der im Jahr 1790 den Staat von Venedig nebst seinen Nebenländern , in zwölf Bånden unter dem Titel : Storia civile , politica , ecclefiaftica , corografica e topographica degli ftati della Republica di Venetia , beschrieb. Da ich aber dies Werk nicht gesehen, noch davon eine nur etwas ausführs liche Anzeige gefunden habe , so kann ich von dem Werth oder Inhalt dieses bånderreichen Werks nichts weiter hinzufügen. Nach ihnen haben die Gebrüder d' Arbois, die unter den franzöſiſchen Truppen an der Einnahme der andern venetianischen Besitzungen , außerhalb des adria= tischen Meerbusens Theil nahmen , diese schnellen Erobes rungen der unzertrennlichen Republik , in dem Memoire fur les trois Departements de Corcyre , d' Ithaque et de la Mer Egee Paris 1798. 8. beschrieben. Sie schils dern hiese jest wieder verlornen Provinzen in gedrungener Kürze nach ihrer Ausdehnung , Bevölkerung , und ihren wichtigsten Produkten. Da sie ihre Nachrichten an Ort und Stelle sammelten , und ihre Beschreibung die erste war, welche die Vortheile diefer Eroberungen für Franks reich darzustellen versuchte , so ward sie mit allgemeinem Beyfall aufgenommen. Indessen haben die Verfasser ihren Gegenstand keinesweges erschöpft, sondern nur einen raschgezeichneten Ueberblick deffelben geliefert , und war ihnen wohl aufhundert und vier Octavſeiten mehr zu leisten übrig, hen Schildeda fie diesen beschränkten Raum , noch mit cder ianis ts t e n e s Staa rung des wehrlosen Zustandes e v überhaupt, deffen ausgeleerter Arsenåle , und eine Reihe von Vorschlägen angefüllt haben, diese Eroberung zur
IV
Borre de.
Erweiterung des franzöſiſchen Handels, und Ausbreitung der neuerlangten Herrschaft in der Levante zu benutzen. Ausführlicher behandelt Herr Andreas Graffet Saint Sauveur denselben Gegenstand in seiner 1800 in Paris gedruckten Voyage hiftorique , litteraire et pittoresque dans les Isles et poffeffions cidevant venetiennes da Levant, drey Bånde, Octav, welche hier theils übersett , theils Auszugsweise verdeutscht sind. Herr Grasz set lebte von 1781 bis 1796 als französischer Conful in Corfu , Zante und den übrigen Besitzungen , der Venez tianer. Sein Amt und langer Aufenthalt an Ort und Stelle sette ihn in den Stand , alle statistische Merkwürs digkeiten dieser Lånder zu erfahren, ihre Verfassung zu beobachten, und die Ursachen ihres Verfalls zu entdecken. Daher wird man in seiner Beschreibung schwerlich etwas vermissen , was zur genauern Kenntniß derselben dient, und er übertrifft alle seine Vorgånger an Ausführlichkeit. Aber eben diese scheint seiner Beschreibung eher nachtheilig als vortheilhaft geworden zu seyn, weil er bey geringfü gigen unbedeutenden Gegenständen zu lange verweilt, oder Begebenheiten einmischt , welche nur geringen Bezug auf venetianische Nebenländer haben , wie die Nachrichten von mehreren griechischen Seeränbern , welche dem les vantischen Seehandel , während der letzten russisch- tura kischen Kriege so schädlich wurden. Er hat sich über dem zu sehr in die Geschichte dieser Länder verloren , und nicht bloß ihre ältesten Schicksale , sondern auch die håufigen Abwechselungen ihrer Oberherrn in mittlern und neuern Zeiten , und die deswegen geführten Kriege nebst ihren nachtheiligen Folgen für die Einwohner behandelt. Er hat zwar bey dieser Arbeit die besten wenig bekannten. Spec i benutzt , wie ber, Corfu den Quirini und Marmora, und bey Zante den Remondini , der Bia schof dieſer Insel war , und ihre Geschichte 1756 in Ves nedig drucken ließ.
Allein, diese Führer leiteten ihn enta
weder von dem rechten Wege ab, oder er benußte ihre Uns
Borrede. tersuchungen ohne Prüfung und Auswahl..
Zeiten und
handelnde Personen sind unter einander geworfen , und höchst felten wird der Zeitraum angegeben , in welchem diese oder jene Begebenheiten vorfielen. Daher enthalten die historischen Abschnitte des Originals, welche über Corfu beynahe den ganzen ersten Band, und über Zante und Cephalonien zum Theil den dritten anfüllen , so geringes Interesse für die meisten Leser , und noch weniger Betehs rung. Von den ältesten Begebenheiten ist darin nur das allgemein bekanntefie wiederholt , und die hier abgebildes ten und beschriebenen Münzen sind långstens durch die Bemühungen gelehrterer Münzkenner erläutert worden. Die neuere Geschichte der angeführten Inseln,' vorzüglich von Corfu, ist zu sehr mit den Verwirrungen des griechiz fchen Kaiserthums , und den Revolutionen einzelner italienischer Staaten verflochten,
diese Vorfälle sind hier
entweder zu kurz berührt , oder in andern Fällen zu auss führlich ausgesponnen , daß man oft die Geschichte des Königreichs Neapel , anstatt der Insel Corfu zu lesen, glaubt, hier war es hinlänglich, bloß die Personen auszuhes ben , die als Eroberer , Beherrscher oder Prätendenten auf die venetianischen Besitzungen wirkten.
Ihr Einfluß
auf den Flor oder Verfall ihrer Erbslaaten håtte von den Verdiensten um ihre Eroberungen geschieden werden müßsen. Um also die Geschichte auch nur der größern Inseln einigermaßen anscheinlich zu machen , würden chronologis sche Berichtigungen , Zusätze mancherley Art , und Ums arbeitung ganzer Abschnitte nöthig gewesen seyn, die man hier um so weniger erwarten durfte, da hier nicht die abz wechselnden Schicksale jener Länder , sondern ihr neueſter Zustand dargestellt werden sollte. Es sind daher alle Abschnitte , welche die Geschichte des wichtigsten Theils der venetianischen Besitzungen enthalten, in der Ueber. fehung weggeblieben. In den übrigen habe ich den Verf. selbst reden laſſen, außer wenn er sich in Digressionen verlor , die ihn ganz
VI
Borrede.
von seinem Gegenstande abführten , oder zu schnell ein Gegenmittel gegen die Gebrechen der ehemaligen Verfas= fung oder auffallende Ungerechtigkeiten zur Hand hatte, oder sich wortreiche Discussionen in wenige Zeilen zusam menziehen ließen. Manche hier erzählte Thatsachen möchte. der Herausgeber nicht geradezu unterschreiben , aber da er außer Stande war dergleichen unwahrscheinlichkeiten zu berichtigen oder zu widerlegen , somag der Verf. für ihre Richtigkeit búrgen. Einen Verstoß dieser Art , welcher unten S. 135 aufmerksamen Lesern nicht unbemerkt bleiz ben wird , können wir jedoch nicht unangezeigt lassen. Dort sagt Herr Graffet , die Dehlerporte der Insel Paro könne man auf 276,676 Franken anschlagen, welche die Einwohner mit sechszehn Procent verzollen müßten. Diesen Zoll berechnet er mir zu 1754 Livres, da er doch seiner eigenen Angabe nach 44,278 Livres bes tragen muß. Das Original ist mit neun und zwanzig Kupfere tafeln versehen , welche griechische Mützen, Alterthümer, Ansichten einzelner Städte und Klöster auf den venetia nischen Besitzungen , die Trachten der Einwohner nebst Abbildungen einiger Hafen und Rheden enthalten. Der en Gries n e Verf. hat noch eine Karte der westlichen Küste von b n hm hrie vo i besc Ges chenland hinzugefügt , umedie genden zu übersehen. Sie unterscheidet sich auf keine Weise von den gewöhnlichen Karten dieser Lånder , und ist im Ganzen zu klein gerathen , so daß man nicht einmal darauf alle in der Beschreibung angeführten Orte findet. wird zum Beyspiel dort , die am Meerbusen von Man ns n ebe Dorfschaften Cattaro Perasto , Risano , und li belegenen hen erg e v . suc G Sie verbiente daher die Ehre des Nachstichs nicht. Dagegen hat die Verlagse, handlung eine andere besorgt , wobey bey r m Mangel an genauen arren , von Griechenland und den benachbar ten türkischen Provinzen , vorzüglich la Rochettes Karte. zum Grunde liegt.
Inhaltsverzeichniß.
Erster rster Abschnitt. Befchreibung der Insel Corfu. Lage. Grösse. Kanal. Kleine Inseln. Klippen. Ankerplate. Winde. Klima. Flüsse. Marmorbruch. Steinkohlen und Schwefelmine. Mineralisches Waſſer. Erdbeben. Produkte. Fische. Vogel. Thierbevol Seite 3 ferung. Zweyter Abschnitt. Römische und griechischeKirche. 13 Dritter Abschnitt. Heirathsgebräuche. Leichenbes gångnisse der Einwohner. 33 Bierter Abschnitt. Regierung. Abel. Gerechtig 44 feitspflege. Fünfter Abschnitt. Kriegsmacht. Seemacht. 72 Sechster Abschnitt. Kultur und Produkte des Bos 103 dens. Industrie. Schifffahrt und Handlung. Siebenter Abschnitt. Veränderungen in den Sitten. 113 Lurus. Achter Abschnitt. Gesellschaften. Caffinos. Theater. Karneval. Andere Festlichkeiten. Chiojira oder Pfers 110 derennen. Neunter Abschnitt. Physischer und politischer Zuz stand der Insel Paro und der Vestungen Bucintro und Parga. Zehnter Abschnitt. Physischer und politischer Zustand von Prevesa. Eilfter Abschnitt. Zustand von Vonika. Zwölfter Abschnitt. Beschreibung der Insel San Maura. Dreyzehnter Abschnitt. Physischer und politischer Zustand der Inseln Thiaqui und Cephalonien. Wierzehnter Abschnitt. Physischer und politischer Zustand der Insel Sante und der Strophaden.
128
145 160
169 181 202
VITE
Inhaltsverzeichniß.
Funfzehnter Abschnitt. Beschreibung der Stadt Zante. Mahleriſche Lage dieſer Stadt. Die Vestung. Der Pallast des Proveditor. Griechische und lateinische Klöster. Bevölkerung. Griechische Kirchen. St. Mars kusplah. Lateinische Kathedralkirche. Bischöflicher Pallast. Hauptwache. Wohnung des Commendanten. Addreßhaus. Bauhof. Gesundheitsbureau. Zollhaus. Leuchthurm St. Niklas . Damm. Fontego oder das öffentliche Kornmagazin. Der Markt. Hauptstraße. Kirchen. Begräbniß eines ruſſiſchen Generals. Lazareth. Arsenal. Soldatenhospital. Gottesacker der Englander. Bevölkerung der Stadt und der Insel. Judenviertel. Seite 217 Garnison. Sechszehnter Abschnitt. Lateinische und griechische க 231 Religion Regierung , Sitten und Kleidung. Siebzehnter Abschnitt. Ackerbau , Producte , Ins dustrie, Handel , Schifffarth. 237 Achtzehnter Abschnitt. Blick auf den venetianischen 243 Handel mit Frankreich. Neunzehnter Abschnitt. Handel der Buchten von Catharo , und der Städte Perasto , Nisano, und 253 Castelnovo. 3wanzigster Abschnitt. Physischer und politischer 256 Zustand der Insel Cerigo und der Klippe Cerigotte. Ein und zwanzigster Abschnitt. Regierung. Sits ten. Gebräuche. Industrie. Handelsverhältnisse der 264 Einwohner von Cerigo.
Beschreibung der
ehemaligen venetianischen Inseln
an der westlichen Küste von Griechenland.
Nach dem Französischen des Herrn Graffet de Saint Sauveur.
M
Erster
Abschnitt,
Beschreibung der Insel Corfu.
Lage.
Größe. Kanal. Kleine Inseln. Klippen. Ankerplåte.
Winde. Klima. Flüsse. Marmorbruch. Steinkohlen und Schwefelmine. Mineralisches Waffer. Erdbeben. Produkte. Fische.
Vögel.
Thiere.
Bevölkerung..
Die Insel Corfu liegt im Eingange des adriatischen Meeres gegen die westliche Küste von Epirus ,
von der
fie durch einen Kanal getrennt wird , der ungefähr zwey französische Meilen breit , sehr schön , sicher , und von Norden nach Süden , oder umgekehrt , zu beschiffen ist. Die Insel bildet beynah ein Dreyeck , und ihr Umfang beträgt ungefähr sechzig französische Meilen.
Der11 Långe nach vom südöstlichen Vorgebirge Blanc bis zum nordwestlichen Sidero ,
erstreckt sie sich unges
fähr zwanzig Meilen ; und in ihrer größten Breite, vom dftlichen Cap Palacrum bis zum westlichen Cap Barbaro kann sie zehen Meilen haben, A
Erster Abschnitt. Der Kanal' von Corfu liegt beynah wie die Insel, südöstlich und nordwestlich). Ehe man in den Kanal eintritt , erblickt man bald zwischen der kleinern Erdzunge und dem Cap Otrante, Die kleine Jufel Fano.
Zwischen Corfu und Fano befin
det sich die kleine Jusel Merlere.
Hafen von Corfu .
Wenn man in den Kanal
eingefahren ist , so erblickt man bald das Schloß am Meer , und die alte Festung.
Bey dem Vorgebirge der
Klippe Vido wendet man das Schiff nach den Mauern der Stadt zu . Man kann dann überall gut ankern ; eben so auch unter den Mauern der neuen Festung. Bey W.
N. W. Wind segelt man zwischen der
Klippe Calviero und dem Lazzaretto.
Das Meerschloß
und die alte Festung weisen den Weg zum Ankergrund .
Die Stadt Corfu ist von Venedig zweyhundert Meilen, und vom Cap d'Otrante ungefähr dreyßig ents fernt.
Die Insel Corfu liegt im 37° 48" Breite, und
39° 40" Långe. In dem W. N. W. Theil der Insel liegt der Hafen Gouin.
Er bildet ein Becken, dessen enger Eingang
sich sehr gut vertheidigen ließe , wenn man auf die beys den vorspringenden Spitzen Batterien anlegte.
Die
Berge und Hügel , die ihn umgeben , decken ihn gegen alle Winde. Dieser Hafen, in dem sich einige Magazine mit Lakelwerk und andern Schiffsbaumaterialien , und ein Schuppen befindet , worin Masten liegen , und die Zimmerleute arbeiten, diente bisher zum Ausbesseru kleiner Schiffe.
Wenige Häfen sind zur Anlegung eines
großen Werfts so günstig gelegen,
Gouin . als als Gouin,
Aus
Beschreibung der Insel Corfu.
5
den nahen Wäldern von Albanien kann man das erfors derliche Bauholz im Ueberfluß bekommen, und zwar ohne beträchtliche Kosten.
Aus Furcht,
ihrem Arsenal zu
schaden , ließen die Venetianer den , Vortheil , den der Hafen Gouin darbot , unbenußt, und gebrauchten diefen Ort bloß zum Ausbessern der Schiffe , die sie mit großen Unkosten in ihrer Hauptstadt erbauen mußten. Der Eingang des Hafens von Gonin wird nach und nach durch den Sand verschlämmt, den das Meer und die Winde daselbst hinführen.
Mit einer oder zwey solcher
Maschinen , deren man sich zur Reinigung der Kanále bedient, könnte man diesem Ucbel leicht vorbeugen, In dem mitternachtlichen Theile der Insel wat vor Zeiten der Hafen der alten Stadt Chrifopolis gelegen. Dieser ist heut zu Tage nichts weiter als ein sehr fiſch, reicher Teich , und führt jetzt den Namen seines Bes fibers, Calichiopulo.
Man sieht kaum noch einige
Spuren dieser Stadt , deren Namen schon ihre ehemalige Pracht verkündet. große Revolutionen ,
Ihr Hafen ist entweder durch oder nach und nach verschlämmt
worden ; er würde gegenwärtig für die Marine von gros Ber Wichtigkeit seyn. Die herrschenden Winde find im Herbste und Wins ter, der D. , D. S. D. , der S.und der S. O. Wind ; im Frühling und Sommer der N. , der N. N. . , der N. . und der O. N. O. Wind. Diese Winde find zuweilen sehr beständig ; ihre erste Heftigkeit dauert aber gewöhnlich nur drey Tage.
Die Lage mehrerer Ankers
plåge sichert sie gegen die westlichen Winde,
6
Erster Abschnitt. Das Klima ist mild , aber sehr veränderlich ; so
daß oft auf einen hohen Grad der Hize empfindliche. Kälte folgt.
Dieser Wechsel rührt von der Veränderlich-
keit der Winde her.
Die Nord- und Ostwinde bringen
Kålte ; da die lehtern über den Schnee der Berggipfel von Epirus streichen ; der Südwind hingegen wird von einer niederdrückenden Hiße, oder von Nebeln und Regen begleitet , die der Geſundheit sehr nachtheilig sind.
Der
Inselbewohner verwahrt sich gegen den schädlichen Einfluß dieser Witterung durch dicke Bekleidung , die ihn in einer gelinden , aber anhaltenden Tranſpiration erhält. Diese Ausdünstung wird ihm aber sehr nachtheilig, wenn Hie Nordwinde schnell in die Stelle des Südwindes trea ten , und die Kålte die offnen Schweißlöcher angreift, Um sich gegen Verkältung , Schnupfen und dergleichen Krankheiten , die hier sehr gewöhnlich sind , zu verwah ren , muß man bey dem ersten Zeichen dieser Verände rung noch mehrere Kleidungsstücke anlegen, Der beträchtlichste Fluß der Insel ist der Mensogni. Er nimmt seinen Lauf nahe an dem Vorgebirge Gara dichi , von D. S. D. , und fließt gegen N. N. W. inş Meer. Südlich , im Innern des Landes, entspringt noch der kleine Fluß Potamo , sein Wasser ergießt sich nörd lich ins Meer.
An seinem Ausflusse liegt ein kleiner.
Flecken gleiches Namens.
Behde Wasser
verdienen
kaum den Namen der Flüsse , da sie nicht einmal Kahne tragen können.
Sie nuhen nur dadurch , daß sie einige
Mühlen treiben, und die benachbarten Felder bewässern,
Beschreibung der Insel Corfu.
die wegen Mangel am Regen sonst sehr von der Dürre Leiden würden.
Man könnte sie aber schiffbar machen, i.
und so der Kultur des Landes durch einen leichtern Trans port aufhelfen . Nördlich,
beynah zwey Meilen tief ins Land
hinein , erstreckt sich ein Bruch von grauem Marmor. Die Landbefizer , auf deren Grund und Boden ersich bes findet , vernachläffigten ihn lange Zeit,
Endlich fiel es
jemand ein , ihn bearbeiten zu lassen; aber kaum hatte er eine gewisse Quantität nach Neapel eingeführt , als fich der Senat dieses Bruches bemächtigte ; um nur ans dern keinen Vortheil zu gewähren , denn seit dieser Zeit liegt er wieder unbenutt .
In den Zimmern eines ves
netianischen Nobili habe ich verschiedene gut bearbeitete Srücke dieses Marmors gesehen, Im Jahr 1765 stieß man bey Ausbesserung der Festungswerke ,
am Fuße einer Bastion , in geringer
Liefe , auf eine Ader von Steinkohlen , die ganz den Englischen glichen.
Sie brannten lange ,
ehe fie zut
Asche würben , und gaben beym Brennen einen starken Geruch nach Erdpech.
Funfzig Schritte davon entdeckte
man 1780 beym Graben einer Cisterne dieselbe Steins kohlenadern .
Dennoch fiel die venetianische Regierung
nicht darauf, diefe Grube zum Vortheil des Landes zu benutzen. Westlich liegt im Innern der Insel ein Gebirge, zum Theil aus weißen Gestein bestehend , der wie Gyps aussieht , und viel Schwefel enthält.
Die Schäfer der
Gegend sind die einzigen , die daraus Nußen ziehn ; ins
Erster
8
Abschnitt .
dem sie sich seiner zum schnellen Anmachen des Feuers bedienen.sening rela Dort befindet sich auch in der Mitte einer Ebene eine reiche mineralische Quelle , deren Wasser die benachbarten Bewohner zum Abführen gebrauchen.
Die wie-
derholten Versuche der Aerzte haben die Wirksamkeit desselben außer allen Zweifel geseht ; es wirkt aber nur dann am schnellsten und sichersten , wenn man es an Ort und Stelle gebraucht, so wie es frisch emporquillt. Die Insel Corfu ist dem Erdbeben sehr unterwors fen : ihre Erschütterungen sind aber nicht heftig , und richten selten Schaden an.
Die Steinkohlen- und
Schwefelminen scheinen auf einen unterirdischen Feuera behälter hinzuweisen .
Man hat übrigens bemerkt,
daß die Erschütterungen fast immer denselben Gang neh men ; uämlich von N. W. nach S. D. Die Produkte der Insel für die physischen Bedürfnisse der Einwohner fallen nicht so reichlich aus , wie Das Korn und übrige Getreide fie es wohl könnten. reicht nur auf drey , höchstens vier Monate hin.
Der Wein langt auch nur zu ihrem Verbrauche auf einige Monate ; Fommen.
den übrigen lassen sie aus Dalmatien
Olivendhl ist das Hauptprodukt.
In gewöhnlichen
Jahren werden davon 250,000 Krüge gewonnen. Außer der eigenen Consumtion bleibt den Landbewohnern noch so viel übrig , daß sie damit zum Theil die fremden Les bensmittel bezahlen, die nöthigen Kleider anſchaffen, auch etwas zurücklegen. können.
Dieser Artikel könnte noch
Erfter Abschnitt.
9
mehr erweitert und vergrößert werden , wenn eine durch Handelsfreyheit belebte, thåtigere Industrie den Opes rationen der Natur beſſer zu Hülſe kåme. Die Salinen sind auch nicht unbeträchtlich ; denn außer dem , daß sie die Insel hinlänglich mit Salz vers sehen , gehen auch jedes Jahr mehrere Ladungen nach Venedig. An Waldung ist die Insel ganz arm .
Die Feu
rung und das Bauholz zu den Häusern und Ausbessern der Schiffe kommt aus Albanien.
Die Planken und
Bretter zur Schiffsverkleidung werden ihnen von Bea nedig zugeschickt. Bäume ,
Man sieht auf der Zusel weiter feine
als Olivenbüsche.
Es hält sich daher hier
auch kein wildes Thier und gewöhnlich nur sehr wenig Vögelwildpret auf. Raubvögel sind sehr selten ; höchstens trifft man einige Falken und Geyer an. Tauben , Wachteln , Schnepfen , Krammetsvdgel und dergleichen , giebt es natürlich auch nur wenige, weil sie wenig Getreide finden. nur dann die Infel , treibt.
Diese Vögel besuchen
wenn die Kålte sie aus Epirus
Wasserschnepfen, Papageyen Taucher, wilde Enten und Waſſerhühner , halten sich wegen der vielen Morås fte in Menge hier auf. Fische sind im Ueberfluß da.
Ihren Fang überlass
fen aber die faulen Corfuer den Neapolitanern , die von Otranto kommen.
Gegen das Cap Sidero und das Cap
Το
Beschreibung der Insel Corfu.
Blanc fischten sie auch Korallen, aber nur in unbeträchtlicher Menge. In dem See Calichiopulo fängt man einen Fisch, den die Griechen Chiefali nennen , wahrscheinlich wegen der Größe seines Kopfs : der von vortrefflichem Geschmack ist.
Sein Rogen wird mit den Eyern eines andern Fiz
sches, den man aus den See Bacintro bekommt , zus fammengemengt, und daraus ein sehr gesuchter Caviar bereitet.
Man salzt sie ein , räuchert sie und bewahrt
fie in Oehl.
Sie erhalten sich lange gut , wenn man sie
nur gegen Feuchtigkeit sichert. Die ganze Insel ist mit Bergen und Hügeln bedeckt, zwischen welchen man einige nicht sehr große Thäler ans trifft.
Wiesen mangeln gänzlich ,
daher können keine
Kühe und Ochsen , sondern nur einige Ziegenheerden ges * halten werden ; deren Milch und Kåse etwa auf zwey Monate langt.
Das Schlachtvieh ,
als die Ninder,
Hammel, und selbst das Federvich bekommen sie , nebst Getreide, aus der Türkey. Der Gartenbau wird sehr schlecht betrieben : daher ble durch den Homer so berühmten Gärten des Alcinous nur noch in der Erinnerung existiren. Die Schuld hiervon Hegt wahrscheinlich mehr in der Faulheit der Menschen, als im Boden.
Eine Hauptursache ist auch der Mangel
an Quellen und die daraus entstehende Schwierigkeit der Bewässerung ,
Die Cisternen trocknen oft ganz aus.
Eben deshalb hat auch das Gemüse, ob es gleich reichlich 1 pächst , sehr wenig Saft. Dies ist auch der Fall mit Den Baumfrüchten ; die Orangen und Citronen ausges
11
Erster , Abschnitt,
nommen , die man aber durch das zeitige Übbrechen für die Gesundheit schädlich macht.
Die Insel wird in vier kleine Provinzen getheilt, welche die Infulaner Balies nennen.
Die erste gegen
Morgen ist Leschimo ; die zweyte, die gegen Abend liegt, heißt Agiru ; die dritte , die sich in der Mitte der Insel befindet , ist Mezzo ; und die vierte gegen Mitternacht, Bros. Die Provinz Lesthimo war senst durch die alte Stadt Gardichi , dem Sit eines Bischofs nierkwürdig . Sie lag ungefähr zwey Meilen weit vom Meerufer ; heut zu Tage ist sie nur ein kleiner Flecken, wo man noch die Spuren eines alten Forts findet.
Dieser Theil der Ins
sel hat ungefähr zwanzig Dörfer und acht bis ueunhundert Seelen. Das gegen Abend liegende Agiru , ist das fruchts barste Eebiet.
Es befinden sich in ihm wohl funfzehn
Dörfer und acht tausend Seelen. Auf der Stelle , wo g gegenwärti ein Kloster griechischer Mönche steht , lag sonst eiene Stadt, die durch die Sarazenen zerstört wurde. f Au ihr ihre Ruinen ließ der Kayser Alerius Comnenus
das kleine Fort des heiligen Engels bauen ;
1403 vera
suchten die Genuesen bey ihrer Landung es einzunehmen, aber umsonst.
Zur Zeit der venetianischen Regierung
stand dieser Posten unter dem Commando eines vorneha men Insulaners , der vom Rath der Edeln ernannt wurde. Er residirte daselbst ein Jahr , und dann wurde wieder ein anderer in seine Stelle gesetzt, Die Provinz Mezzo ist die größte ; sie schließt die Stadt Corfu und einige dreyßig Dörfer in sich.
Jere
12
Beschreibung der Insel Corfu.
Bevölkerung soll über fünf und zwanzigtausend Seelen
steigen. Oros soll einige zwanzig Dörfer , und sechs bis fiebentausend Menschen haben.
In diesem Laudstriche
befand sich die berüchtigte Caffiopea.
Cicero sagt in
einem Briefe , daß er von dem Hafen Corupe abgereift, und nach zurückgelegten hundert und zwanzig Stadien, den andern Tag bey Cassiopea angekommen sey.
Dies
stimmt sehr genau mit der Lage von Cassopo überein.. Unter der
venetianischen Regierung
konnte die
ganze Bevölkerung der Insel, mit Land und Seetruppen, sechzigtausend Seelen betragen.
13
Zweyter
Religion.
Abschnitt.
Römische Kirche.
s herrschte die römische und griechische Religion auf dieser Insel.
Zur erstern bekannten sich , die Regierung,
die Land- und Seetruppen , und eine kleine Zahl Auslånder, die in Corfu ihren Wohnsiz aufgeschlagen hatten : zur andern die eingebohrnen Jusulaner. Die Kirche von Corfu war seit den ersten Jahrhuns derten des Christenthums der Sitz eines Bischofs ; der Pabst Gregor III. erhob ihn im Jahr 1600 zum Erzs bischof.
Der neue Erzbischof wurde vom Senat vor-
geschlagen, und vom Pabste bestätigt.
Seine Einnahme
betrug nach unserm Gelde 11 bis 12000 Livres. Kapitel bestand aus zehn Domherrn.
Das
Ihre Kanonikate
konnten acht bis neunhundert Franken werth seyn.
Diese,
Gelder wurden aus der Kasse der Republik gezogen, worin der Ertrag der Insel und die Gelder flossen , die jährlich von Venedig zur Bestreitung der noch übrigen Kosten des Civils, des Militairs und der Marine geschickt wurden.
Jeder Domherr bekam noch überdies monatlich
ungefähr hundert Pfund Zwieback. Der Weihbischof, der von dem Kapitel erwählt als for wurde, genoß nicht mehrere Einkünfte, übris gen Kollegen,
14
Zweyter Abschnitt. Die Kathedralkirche war zu gleicher Zeit die Pfarre
kirche.
Einer von den Domherren , den der Erzbischof
ernannte, verfah den Dienst des Pfarrers.
Die geles
gentliche Einnahme dieses Amts war eine Vermehrung feines Kanonikats .
Der Erzbischof besaß mehrere Häus
fer, die zu Wohnungen für die Pfarrherren bestimmt was ren ; da diese aber als Eingebohrne der Insel unter den Ihrigen lebten , so wurden sie vermiethet , und die Miethe zur Unterhaltung der Kirche verwandt. Der Erzbischof hatte seinen Sekretair und einea Kanzler , der gewöhnlich ein Notarius war , die die bis schöfliche Jurisdiction verſahen. Jedes Jahr ernannte das Kapitel drey Syndici, oder Prokuratoren der Kathedralkirche , welche die Verwaltung der kleinen Einkünfte verschiedener Brüderschaf= ten über sich nehmen mußten , deren Oberhäupter sie zu gleicher Zeit waren.
Diese Syndici wurden aus dem
Adel genommen, und die griechische Religion schloß sie man s nicht von diesem Dienste aus ; sie folgten einer dem ans dern ; während ihrer jährlichen Verrichtungen. Ihren
Dienst beynt römischen Gottesdienst
Che fie antraten,
pflegten sie gewöhnlich zuvor , zu Beruhigung ihres Ges wissens, einer griechischen Messe beyzuwohnen. Ihr Kirchenstuhl war mit ihren Wappen geziert, und mit einem carmoifinrothen Tuch bedeckt , worauf ein Kruzifirzwische zwey Wachskerzen stand. Sie empfien gen die gewöhnlichen Ehrenbezeugungen :
man berdua
cherte sie, und gab ihnen das Evangelium zum Küſſen,
15
Beschreibung der Insel Corfu. Der zum Erzbischof erwählte Prälat ,
hielt bey
feiner Ankunft einen öffentlichen Einzug , wobey er von der Regierung und dem Militair empfangen wurde.
Nachher begab er sich im bischöflichen Staate, von dem Klerus , dem Hofstaate , dem Generalprovedis tor, den vornehmsten Land- und See
Officieren , den
Syndici und den Vornehmen der Stadt begleitet, auf einen offnen Platz , wo ein Thron mit einem Baldachin für ihn errichtet war.
Hier verrichtete er sein Geber
und theilte den bischöflichen Seegen aus.
Von hier
gieng der Zug in derselben Ordnung, unter dem Beyfalls geschren des Volks , und unter dem Lårm der Kanonen und Glocken, in die Kathedralkirche.
Nachdem der Erzs
bischof hier wieder sein Gebet verrichtet hatte , wurde er in den erzbischöflichen Pallast eingeführt , dessen Pfors ten mit Blumen
und Laubguirlanden geziert waren,
Ward ein Eingebohrner der Insel zum Erzbischof era wählt, so erwies man ihm noch mehrere Ehrenbezeuguns gen ; indem man ihm auf der Esplanade Triumphbögen von Myrthen und Blumen errichtete, und seinen Weg mit Blumen bestreute. Wenn der Erzbischof in seinem Staate und mit feinem Gefolge bey einer Wache vorbey kam, so mußten ihm die militairischen Ehrenbezeugungen gemacht werden. Nach
einem Befehl
des Senats
von Venedig,
mußte der General mit seinem Gefolge, das auch wohl fein Hof genannt wurde, Gottesdienst mit beywohnen.
an den Hauptfesttagen dem Der Erzbischof begab sich
in seinen Feyerkleidern an der Spitze des Klerus zur Kirchthüre : zu gleicher Zeit traf auch der General in ſeis
16
t Zweyter Abschnit .
Beide traten nun zue
nem größten Staate daselbst ein.
sammen , der Erzbischof aber zur Rechten, in die Kirche. Dem bischöflichen Thron gegenüber , war zur Linken im Chor der Sitz des Generals errichtet.
Beym Heraus-
gehn wurde dasselbe Ceremoniel beobachtet ;
der General
behauptete alsdann aber die rechte Hand.
Außer der Kathedralkirche gab es noch zwey andere Kirchen in Core. die eine war der heiligen Jungfrau, die andre, die sonst die Metropolitankirche gewesen war, dem heiligen Arsen gewidmet ;
in der alten Festung
befand sich auch noch eine Kapelle.
In der Stadt waren drey Klöster vom Orden des heiligen Franziskus , deren Mönche ganz allein von den Rathspersonen in Venedig abhingen, denen das geistliche Departement übergeben war.
Dem Erzbischof brauch-
ten sie bloß den gehörigen Respekt zu beweisen.
Jedes
Kloster genoß eine gewisse Einnahme , die der Senat ihm angewiesen hatte; und das übrige erbettelten sie sich, mit dem ihnen eigenen Eifer.
Aus diesen Klöstern nahm
man die Feldprediger für die Marine.
Zu diesem Posten .
drångten sie sich sehr , weil er, vermittelst der Waaren, die ihnen von den Kaufleuten zum Verhandeln mit gege= ben wurden , eine gute Nebenrevenue abwarf.
Sie was
ren zug zu gleicher Zeit auch die Beichtvåter des Schiffvolfe.
Die Ceremonien der lateinischen Kirche waren ganz dieselben , wie in der übrigen Christenheit.
27 .
Beschreibung der Insel Corfu.
Griechische
Kirche.
Die griechische Kirche zu Corfu hatte zu ihrem Oberhaupt einen Protopapa ,
der von dem gesammtent
Klerus und der Noblesse gewählt wurde.
Diese Stelle
bekam nur immer ein Geistlicher, der aus einer adlichen Familie abstammte.
Auf das Verdienst des Bewerbers
ward keine Rücksicht genommen , sondern nur auf seinen Credit und seine Frengebigkeit.
Vor der Wahl gieng er,
von seinen Anverwandten und Freunden begleitet, zu den Vornehmen und zu den Popen , um ihre Stimmen zu ers betteln , die sich über die tiefen Bücklinge freuten , die fie bey diesen Gelegenheiten öffentlich empfiengen. Feyerlichkeit der Wahl geschah in den Saal ,
Die
wo die
Noblesse ihre Zusammenkünfte hielt, und der in der Mitte der großen Esplanade erbaut ist.
In seinem Innern be-
fanden sich ringsherum Bänke, und im Hintergrunde e ein kleine hölzerne Balustrade , die eine mit einem Tepund die Site des GeneralproveHäupter der Regierung verschlöß. übrigen der und bitors, pich bedeckte Tafel,
Die venetianischen Nobili , die zu ihrem Hofstaat gehdrs und ihre Adjutanten standen ihnen zur Seite. Dies ses waren die einzigen Personen , die mit Waffen in den Versammlungen erscheinen durften.
Der Adel und die
Popen saßen auf den äußern Bänken. Ein Faute (Stadt oder Rathsdiener ) , der in einen weiten Rock vom groben blauen Tuch gekleidet war , und eine eben folche Mütze aufhatte ,
auf deren filbernen. Platte die
Wappen der Stadt standen , nannte mehrmals mit lauter Stimme den Namen eines der Mitbewerber, Die Candidaten ftanden mit entblößten Häuptern ganz des B Grassets Reisen.
18
Zweyter Abschnitt.
müthig an der Thüre , und suchten durch oft wiederholte tiefe Bücklinge ihre Mitbürger zu günstigen Stimmen zu bewegen.
Zwey andre Fauten theilten nachher aus eis
nem Korbe, den sie von der Tafel genommen hatten, die kleinen Stimmkugeln unter den Adlichen und Popen aus: der General allein bekam zwey.
Ein vierter Fante
sammelte nachher die Kugeln in einer Büchse , die nur eine äußre Oeffnung , innerlich aber zwey Abtheilungen hatte, so daß man es nicht sehen konnte , in welche die Kugel
geworfen wurde.
Beym Sammeln rufte der
Fante immerfort den Namen des Candidaten aus , über den gestimmt wurde , und dieser hörte nicht auf, sich in einem fort tief zu verneigen. Der General zählte nach dem Sammeln die Stimmen für und we
Er rufte darauf den Erwählten,
der nicht lange auf sich warten ließ.
Unter dem lauten
Geschrey des Beyfalls und der Glückwünsche bedankte fich der Candidat bey dem General , deſſen Stimme den Ausschlag gab.
Dieser erwiederte seinen Dank mit einer
kleinen Verbeugung und einem Tone ,
der seine Ober-
herrschaft über ihm zu erkennen gab.
Unterdessen war
das Volk zu dem Throne herbey geströmt.
Die Fantes.
machten ihm die Wahl bekannt , warfen ihre Mützen emz por, und begleiteten mit durchdringendem Pfeifengetdse das Jubelgeschrey der Umſtehenden. Man bekleidete: hierauf den neuen Protopapa , (Erzpopen ) mit seinem feyerlichen Habit.
Es bestand aus einem langen Man-
tel von rothem Sammet, einem Unterrock mit engen Aere meln, einer Binde und einer Müge von demselben Zeuge, und einem großen Hute, der mit demselben Sammte aus
Beschreibung der Insel Corfu.
19
geschlagen , und mit zwey ungeheuren ſeidenen Troddeln verziert war.
Der Hirtenstab war aus mehrern Stücken
Elfenbein zusammengesetzt , großen Knopfe.
und endigte sich in einem
Sobald er eingekleidet war, setzte er
fich auf einen Großvaterstuhl, den ihm der General zus schickte. Für diese Ehre mußte er ſechzehn franzöſiſchę Livres bezahlen. Die Ursache dieses Tributs hab ich nicht erfahren können.
Vier nervigte Fantes erhoben
nun mit Entzücken das Kirchenhaupt auf ihre Schultern, auf denen er wegen den vielen Anstößen nicht eben ganz ficher saß.
Er wurde nun sogleich von einem Haufen
Volk umringt , deſſen Zudrängen ihn zu berühren oft die Segnungen unterbrach, die er reichlich austheilte. ter Kanonenschüssen
und dem Geläute
Un-
aller Glocken
wurde er auf diese Weise in die griechische Kathedralkirche getragen , wo eine lange Litaney gesungen oder vielmehr geschrien wurde.
Man brachte ihn nachher auf dem
Großvaterstuhl in seine Behausung , wo er mit mehrerer Ruhe die Glückwünsche seiner Verwandten und Freunde empfieng.
Der Zumult bey diesem Zuge war so groß,
daß die ihn begleitenden Truppen nicht im Stande waren, den General ganz gegen die convulsivischen Anfälle des freudigen und eifrigen Volkes zu schüßen : sein herzogs licher Mantel und seine lange Perücke kamen ihm dabey sehr schlecht zu statten. Die Nengierde trieb mich an , den Protopapa, den ich kannte, in fein Haus zu begleiten.
Hier fand ich
eine große Tafel mit einer Menge von Erfrischungen bes reitet , woraus ich vermuthete,
der Candidat müßte
schon vorher von der Gewißheit seiner Wahl versichert
B 2
20
Zweyter Abschnitt.
feyn.
Mein Nachbar bestätigte meinen Zweifel über die
Unparteylichkeit der Stimmenſammlung , indem er mir sagte, daß sie mehr oder weniger theuer von , den Candis baten erkauft würden. Der Adel und die Geistlichkeit saßen bey diesem twohl Schnaufe unter einander , und ließen es sich schmecken.
Es war lustig und ärgerlich anzusehen , mit
welcher Gierde sie alle, selbst die, die sonst einen Anstrich Die von Bildung zeigten , über das Essen herfielen. Geistlichen wurden durch ihre langen und weiten Kleider zwar etwas in der Schnelligkeit des Zulangens gehindert, dafür konnten sie aber desto mehr Früchte und Gebackenes einſacken, als die andern.
Als diese Gesellschaft sich ges
fåttigt und ihre Taschen vollgefüllt hatte, so ließ man noch einige angesehene Personen hinzu.
aus andern Stånden
Alle wunderten ſich ſehr , wie ich in einem so
interessanten Augenblicke so kaltblütig bleiben konnte. Nachher theilte man unter das Volk, das unter den. Fenstern zu jubeln und zu schreien fortfuhr, einiges Brot und geringe Geldmünzen aus.
Dieses sind die Ces
remonien , die bey jeder neuen Wahl eines Protopapa statt fanden,
Der Protopapa vor Corfu genoß vor denen auf den andern Inseln den Vorzug , daß er den Titel des Großen führte. Er stand unmittelbar unter dem Patriarchen von Constantinopel,
und hatte bischöfliche Gewalt.
Er
verrichtete alle Funktionen der Bischöfe , und besaß, wie fie das auszeichnende Vorrecht des Bischofs, den Hirtens ſtab beym Gehen auf die Erde ſtåmmen zu dürfen,
Beschreibung der Insel, Corfu. Der Besitz dieses Poftens dauerte nur fünf Jahre. Nach Verlauf dieser Zeit trat er wieder in die Klaffe der Ein etwas höherer Grad gewöhnlichen Popen zurück. von Ansehn, und das Recht , einen karmosinrothen Gürtel tragen zu dürfen , war alles , was nach den Ges sehen von dieser ehemaligen Würde übrig blieb. Seine Einkünfte waren zufällig , und nur sein Las lent , sie bey
günstigen Gelegenheiten zu vergrößern,
konnte ihm allein die Ausgaben ersetzen , die seine Ers nennung kostete. Die Kathedralkirche hatte auch ihre Domherren, wie die lateinische; sie geuofſen, aber keine firen Pråbenden. Die Ehre, sich an der Spize des Klerus zu befinden, war der einzige Vortheil ihres Kanonikats.
Ihre Auss
zeichnung war ein violetter Gürtel , und ein dergleichen Cordon mit einer kleinen seidenen Troddel um ihren Hut. Die Heirathen , Taufen und Beerdigungen , warfen ihs nen auch einige Einkünfte ab ; gewöhnlich erhielt bey dere gleichen Fällen der Protopapa eilf, und jeder Domherr drey Livres und eine Wachskerze. Der allereinträglichste Artikel , und zu gleicher Zeit auch das kräftigste Mittel, um das Volk in dummer Leichtgläubigkeit zu erhalten , kationen.
waren die Erkommunis
Unter dem geringsten Vorwande konnte ein
Grieche seinen Nachbar erkommuniciren lassen ;
dieser
konnte aber eben so leicht ein Gleiches gegen jenen bes wirken ; wodurch die Erkommunikation , die sein Feind über ihn hatte aussprechen laſſen ,
aufgehoben wurde.
Ein und derselbe Priester diente mit gleichem Eifer beyden Parteyen.
Diese Blige der griechischen Kirche kamen
22
Zweyter Abschnitt.
den Schwachköpfen , die davon Gebrauch machten , sehr theuer zu stehen.
Diese Ceremonie ward öffentlich auf der Straße dessen vorgenommen ,
der erkommunizirt werden follte.
War man reich genug , um die größern Kosten bestreiten zu können , ſo ließ man lieber den Protopapa selbst an der Spitze des Klerus das Anathema aussprechen , weil man es denn für wirksamer hielt.
Er fand sich an dem
angezeigten Ort in einem Trauerhabit ein, und hielt eine beynah ganz schwarze Kerze in seiner Hand.
Vor ihm
her wurde ein großes Kruzifir und eine schwarze Fahne getragen ; auch sein Gefolge war ebenfalls in Trauer ge= fleidet.
Der Protopapa begleitete die Verfluchungen , die er aussprach , mit Gestikulationen , die mir völlig fonvulfivisch schienen , und beym Weggehen schüttelte er den Staub von seinem Talare ab.
Von diesem Augenblicke
an war der Erkommunizirte von allen Kirchen , und von der Theilnahme an den Gebeten der Gläubigen ausges schlossen , und er konnte nicht anders, als durch eine Gegenerkommunikation wieder in seine Rechte eingesetzt werden.
War er nicht im Stande , die dazu erforderlichen
Unkosten aufzutreiben , so war es oft der Fall , daß der Exkommunizirte seine Rache aufs höchſte trieb , und endlich seinen Feind ermordete.
Das Volk zitterte vor res
ligidsem Schauer und Angst bey diesen Erkommunikatio nen , und war fest überzeugt , daß in dem Augenblick, wenn das Anathema ausgesprochen werde , die Erde er: bebe.
Ich sah Personen, die vor Schrecken laut schrieen,
Beschreibung der Insel Corfu.
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und fich so geberdeten, als wenn sich wirklich die Erbe unter ihnen erschütterte. Nicht allein die Priester wandten dies Ansehn , das ihnen die herrschende Unwissenheit und die abgeschmackten Vorurtheile über das Volk gaben , bey jeder Gelegenheit zu ihrem Vortheile an ; sondern auch die Regierung suchte es zu ihrem Nußen zu gebrauchen.
Ich war Zeuge, daß
man diese Bannflüche gegen ganze Dorfschaften in solchen Fällen schleuderte , wo man sich fürchtete, die Gewalt der Waffen vergeblich zu brauchen. Dieses Mittel fonderte diese Dorfschaften gänzlich von allen andern Eins wohnern ab, und die unglücklichen Exkommunizirten was ren froh, wenn sie nach geleisteter Beobachtung der Bea fehle, wegen deren Widersetzung fie aus dem Schooße der Kirche ausgestoßen waren , durch die Bezahlung einer Contribution darin von neuem wieder aufgenommen wurs den.
Das Mittel der Gegenerkommunikationen fand,
wie es sich von selbst versteht , gegen die Regierung nicht flatt. Der Protopapa hatte einen Diakonus und einen Subdiakonus unter seinen Befehlen ,
die er sowohl zu…….
seinen häuslichen Diensten , als auch zu Kirchenverrichtungen gebrauchte.
Seine Wohnung allein wurde auf
Kosten der Stadt unterhalten. Die Kathedralkirche hatte ihre Syndici oder Pros kuratoren , deren Verrichtungen und Tracht eben dieselben waren, wie bey der lateinischen Kirche.
Die Anzahl der griechischen Kirchen war sehr bes › trächtlich.
Für eine jede wurde der Priester jährlich in
einer Versammlung der Pfarrkinder ernannt.
Er befam
Bweyter Abschnitt.
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keinen festen Gehalt.
Viele von den Kirchen, besonders
die , auf dem Laude, waren von Privatpersonen erbauet, die als Eigenthümer , den Popen für sich allein bestimms ten den sie haben wollten.
Sein Loos war von dem seiz
ner Collegen in nichts weiter verschieden , als daß er seis nen Dienst gewöhnlich auf Lebenszeit behielt." Die reichste dieser Kirchen war die , worin ſich die Reliquien des heiligen Spiridions fanden , für den die Fateiner, wie die Griechen, eine besondere Ehrfurcht zeig= ten .
Die Abkömmlinge der Familie , die diese geehrten
Ueberreste besaß, genießen noch gegenwärtig ein scheinba= res Eigenthumsrecht über sie.
Sie hatten das Recht,
den sie bedienenden Popen zu ernennen . Dieses Amt wurde als eins der besten immer einem aus der Familie übertragen ; der überdies die Aufsicht über die Verwaltung der Kircheneinfünfte hatte.
Ihm war ein Kapitel von
zehn Pråbendarien zugeordnet, die gleiche Auszeichnuma gen mit denen der Kathedralkirche genoffen.
Drey Syna
dici hatten die Verwaltung über die der Kirche zugehda gen Fouds. Das Fest des heiligen Spiridions wurde mit dent größten Pompe gefevert.
Acht Tage vorher wurden die
Pforten, Fenster und der Thurm der Kirche mit Myra then und Lorbeerreisern geziert.
Auf der am Thurme
befindlichen eisernen Ballustrade. feste man an den vier Ecken mit langen Stangen vier Flaggen auf, unter denen sich jedesmal die des heiligen Markus , die Russische und die Englische befand ; zur vierten wählte man abwechselnd, die Dänische, Schwedische oder Holländische : niemals aber die Türkische oder Französische.
Diese acht Lage
25
Beschreibung der Inset Corfu.
hindurch wurden die Glocken unaufhörlich fort geläutet. Den Abend vor dem Feste wurde unter dem Glockenges läute aller Kirchen und unter Kanonendonner, der Kasten, worin der ganze Leichnam des Heiligen sehr wohl aufbes wahrt war, der Verehrung des Volkes ausgesetzt.
Der
Kasten war von Ebenholz und mit sehr gut gearbeiteten und vergoldeten Silberblechen bedeckt , und mit vielen kostbaren Steinen reichlich beseßt.
Durch den gläsernen
Deckel sah man den Heiligen im bischöflichen Gewande darin liegen.
Dieser Ceremonie wohnte das ganze Gous
vernement bey.
Ein Commando von 60 Soldaten hatte
die drey darauf folgenden Lage und Nächte vollauf zu thun, um das Volk in Ordnung zu erhalten, das mit mehrerm Zumulte als Andacht herbeyströmte , um den Schutz des Heiligen zu erflehen.
Nachher erfolgte eine.
Prozession , zu der die Popen von allen andern Inseln und selbst von Morea in Haufen herbeyeilten.
Der Ka-
ften wurde auf einer Trage von sechs Popen in priesterlicher Kleidung getragen ; den darüber erhobenen Himmel hielten abwechselnd der General , der Proveditor der Fes stung, der Bailo oder Stadtvoigt und die Syndici der Stadt.
Vorher giengen die Hautboisten des Generals,
welche wie seine übrige Bedienten die Staatslivree angezo gen hatten.
Die Truppen flanden unter den Waffen,
und ein Theil derselben begleitete den Zug.
Er begab
sich zuerst zu der alten Festung , deren verschiedene Bats terien ihn mit ein und zwanzig Kanonenſchüſſen begrüßs ten ; von da gieng er rings um die Esplanade ; und als er zu dem gegen die See zu gelegenen Wällen der Stadt ankam, falutirten ihn alle Kriegsschiffe mit einer Ara
26
Zweyter Abschnitt.
tillerie und Musquetenſalve : und die Galeeren und Galioten folgten ihm långst den Wällen am Ufer nach. Feuern hörte während dieser Zeit gar nicht auf.
Das In den
Straßen, wodurch die Prozession zog, waren die Fenster der Häuser mit verschiedentlich bunten Teppichen geziert . Sie dauerte übrigens sehr lange , da man sehr langsam marschierte, und der Zug auch oft durch Kranke aufgehalten wurde, die man zu ihrer Heilung unter den Kas sten des Heiligen stellte.
Sie fielen öfters in schreckliche
Berzuckungen ; welche die verschlagenen Popen gut zu benußen wußten , um dabey die Leichtgläubigkeit der Religiösen in Contribution zu sehen.
Während die Re-
liquien des Heiligen ausgesetzt waren, war auch die ganze Kirche voll Kranke , die daselbst geduldig die versprochene Befferung erwarteten.
Während dieser Zeit hatten die Popen viel zu thun, um dem devoten Publiko Genüge zu leisten, welches sich Evangeliumsbücher , Kerzen, Tücher, Bånder und ders gleichen , durch sie mit dem heiligen Körper in Berühauch gut bezahlt rung bringen ließen, wofür sie aber wurden. Diese Reliquien wurden auch mit dem größten Vertraun auf Hülfe bey großen allgemeinen Unglücksfällen öffentlich ausgefeßt. Die Kirche besißt einige Landgüter ,
die ihr von
Privatpersonen geschenkt sind ; und noch immer erhielt sie sowohl von den Einwohnern ,
als auch von religiösen
Fremden und von den Kaufleuten ansehnlich Geschenke, die sich hiedurch des Beystandes des heiligen Spiri
Beschreibung der Insel Corfu .
27
dions zu ihren Unternehmungen und Reiſen zu verschaf fen fuchten. Unter den Schätzen der Kirche bemerkte ich viele goldene Lampen ; von denen die größte ein Geschenk des Sultan Solimanns war, das er ihr 1537 bey seinem Rückzuge machte , nachdem er Corfu vergeblich belagert hatte.
Die Insulaner sagen ; er habe sie mit Zaubermits
teln voll gefüllt , um dadurch die Schäße , die er nicht erobern können , in Asche zu verwandeln .
Dergleichen
thörichte Märchen erweckt bey den abergläubischen Gries chen der unbeschreibliche Haß , den sie gegen die Türken haben : und man findet selbst gebildete Leute, die fie für wahr halten.
Die Reliquien des heiligen Arsenius , der der erste Bischof auf der Insel war, wurden von den Lateis nern und Griechen ebenfalls sehr verehrt.
An seinem
Namenstage verrichteten die Geistlichen von beyden Rez ligionsparteyen den Gottesdienst gemeinschaftlich, in der ihm zu Ehren in der alten Festung erbauten Kirche. Die Menge der verschieden farbigen Wachskerzen , gewährte dem Auge ein schönes Schauspiel ; desto mehr litten aber die Ohren durch den vermengten mißtönenden Gesang des lateinischen und griechischen Klerus. In der Nacht vom grünen Donnerstage bis zum Charfreytage, hålt der Klerus einer jeden Kirche und Kapelle sein heiliges Grab und seine Prozession ; wobey der heilige Leichnam mit vielen brennenden Kerzen und mit dem möglichsten Pompe herumgetragen wird.
Alle diese
Prozessionen kommen nachher auf der großen Esplanade zuſammen , und verwandeln die Nacht in einen schönen
28
Zweyter Abschnitt. Die Kirchen wetteifern , sich an Erleuchtung und
Tag.
Pracht einander zu übertreffen.
Alle Kirchen sind offen ;
alle Straßen und öffentliche Plätze voll Menschen , die von einem heiligen Grabe und einer Prozession zur andern gehen.
Die Damen , die sonst nur in einer vergitterten
Loge in der Kirche sich aufhalten, haben diese Nacht alle mögliche Freyheit.
Man benutzt sie auch ; führt långst
entworfene Plåne aus , macht neue Bekanntschaften, und erneuert die alten.
Diese religiösen Nachtwandelungen
endigen sich mit Schmausereien , von denen man nicht immer ganz friedlich nach Hause geht.
Den Tag darauf
erzählt man sich allerhand Neuigkeiten und Histörchen.
Aus einem besondern Aberglauben lassen sich viele in dieser Nacht ein Hemde verfertigen , daß eine ungleiche Zahl von jungen Mädchen, die alle Marie hießen, von Mitternacht an bis vor Tages Anbruch, zuschneiden, nåhen , waschen und völlig fertig plåtten müſſen.
Ein
folches Hemde soll die unschätzbare Kraft besigen , den, der es trägt, unverwundbar zu machen. In den ersten Tagen des Aprils trug man eine Fahne herum, auf die der erstandene Lazarus dargestellt war.
Sie war mit den lächerlichsten Verzierungen, mit
falschen Perlschnüren , Schnupftüchern , Båndern, fleis nen Spiegeln , Bildern , Spielsachen und Puppen bes hangen.
Ihr Tråger war nicht weniger bizarr angezo:
gen, und hatte über seinen Kleidern einen rothen Weiber rock an, der mit Bandschleifen befestigt war, terbrach oft seinen Gang ,
Er uns
und führte einen muntern
Tanz auf, wobey er die Fahne schwang .
Er sang auch
einige griechische Lieder , die von der Auferstehung des
29
Beschreibung der Insel Corfu. Lazarus handelten. die
Bärenführer
Eine eben solche Dudelpfeiffe, wie haben,
begleitete
nebst
einer gros
Ben Trommel diesen Gesang ;, dessen Refrain die Umste henden wiederholten ,
die zuweilen auch mit tanzten.
Besonders geschah dieser Gesang und Tanz vor den Thu: ren der Reichen; die dafür etwas Geld aus den Fenstern warfen ; worin sich nachher der Fahnenträger und die Musikanten theilten.
Wer die Fahne tüffen wollte,
mußte auch etwas bezahlen , und nach vollendetem Zuge wurden die aufgehangenen Kleinigkeiten , Spielwerke und Zierrathen an die Devoten verkauft, die damit ihre Betts stellen schmückten . Am ersten Tage des Mays trugen eine Menge Lands Leute , die mit Flinten , Pistolen und Meffern bewaffnet waren, einen mit Vorsicht entwurzelten Oliven Orangenbaum in der Stadt herum.
oder
Die Dudelpfeiffe
und die Trommel gingen vor dem Zuge her, und spickten verschiedene Tänze , die von einer ausgesuchten Zahl junger. Leute aufgeführt wurden.
Man begab sich nachher vor
das Haus des ältesten Syndicus der Stadt , und pflanzte in seiner Gegenwart den Baum ; worauf er diese Gesellschaft mit einem Mahle bewirthen mußte. Die Kirchweihe war besonders auf dem Lande, ein großes Feft.
Die Popen schmückten dann schon einige
Tage vorher mit ihren Eingepfarrten die Kirche innerlich und äußerlich mit Blumenguirlanden und Reisern aus. Rings um die Kirche herum ward von grünen Bäumen, Teppichen, und Seegeltüchern ein bedeckter Gang aufge führt , zu dessen Verzierung nicht allein Blumen , sondern die dazu sehr gern hergegebnen Bilder des ganzen Dorfes
Zweyter Abschnitt.
30
angewandt wurden.
Man konnte nichts bizarreres sehen
als diese Gallerie; heilige und profane Bilder waren bunt unter einander vermischt.
Neben einer weinenden Mag-
dalene , oder einer heiligen Jungfrau , buhlte eine Lais mit ihren Reizen : hier sah das Auge das schöne Bild des Friedens , dicht neben an ein gråsliches Schlachtgetummel; dort fiel der Blick von dem erhabnen Portrait eines Königs , oder einer Königin , auf eine luftige Wirthshausszene.
In dieser Art Saal tanzten die jungen Leute
zur Dudelpfeiffe und Trommel ;
und spielten das ben
diesen Festen übliche Penté mé mia , oder Fünf und Eins. Es ist dies eine Tafel , worauf eine Stange errichtet ist, von der eine Kugel herabgeworfen wird , die auf die mit der Zahl 5 bezeichnete Knote fallen muß , die unterhalb angebracht sind , wenn man gewinnen soll.
Rings herum saßen Fleischer , die ihre Waaren und angezapften Weinfässer vor sich hatten , und zugleicher Man schmauste
Zeit Gast- und Schenkwirthe waren. auf öffentlicher Straße.
Die Mahlzeit bestand aus gan=
zen Schöpfen die man eben erst tödtete , und dann ſogleich braten ließ.
Die Gåste setzten sich auf die Erde
und verzehrten unter den umliegenden Eingeweiden ihre Portionen.
Eine starke Patrouille hatte viel zu thun
um die öffentliche Ruhe zu erhalten , die häufig durch Schlägereyen unterbrochen ward , die um desto gefähr licher waren , da die Griechen dieser Insel beståndig bes waffnet gingen. Die Popen waren während dieſem Feste auch immer sehr mit den Gebeten beschäftigt, die ein jeder aus dem Volk sich von ihnen hersagen ließ ; doch über-
31
Beschreibung der Insel Corfu.
nahmen sie gern diese Mühe , da sie dafür gut bezahlt wurden.
Es fehlt auch auf dieser Insel nicht an griechischen Mönchs- und Nonnenkidstern.
Diese genießen gewisse
feste Einkünfte ; deren Verwaltung nebst der Besorgung der äußern Angelegenheiten drey Administratoren übers geben ist , welche die Brüder oder Schwesterschaft jähre lich von neuem ernennt. Diese Klöster sind eine wahre Last für den Staat; nur einige Nonnenconvente nehmen Pens fionaire auf, die& darin bleiben , bis ihre Eltern auf ihre Verheirathung denken.
Ihre ganze Erziehung besteht
darin , daß sie im Stricken und Filetmachen unterrichtet werden ; selten lernen einige nåhen , und noch seltener schreiben und lesen. · Die Mädchen , die diese Kenntniffe aus dem Kloster bringen , flaunt.
werden als Wunder ange=
Wie es im Innern dieſer Häuser zugeht ,
kann
ich nicht sagen ; da dies Erwähnte alles ist , was ich mit der größten Mühe von ihnen habe erfahren können. Die Unwissenheit der Popen übertrifft alle Vorstele lung , die man sich von ihr machen kann.
Die höchstens
ihre Sprache zu lesen und zu schreiben verstehen , gelten für Gelehrte.
Ich habe viele gekannt , die von diesen
Kenntnissen gar nichts wußten, die nicht im Stande was ren, eine andere Messe und andere Gebete zu verrichten, als die fie auswendig gelernt hatten, und die ohne Rücksicht der Schicklichkeit bey jeder Gelegenheit von ihnen N.. bergesagt wurden. So traf es sich oft , daß der Pope, wenn er um Regen bitten sollte , und ein solches Gebet nicht gelernt hatte, um heiteres Wetter betete. Una geachtet dieser Verwechselung bekam der Unwiſſende eben
32
Zweyter Abschnitt.
so gut seine Bezahlung dafür , als der besser Unters richtete,
Die griechische Kirche zu Corfu hat indeß auch Månner geliefert, die sich durch ihre Kenntnisse ausges zeichnet haben.
Man fand auch noch eine kleine Anzahl
geschickter Geistlichen , die meist solchen reichen Familien angehörten, die im Stande gewesen waren , sie nach Stalien gehen zu laſſen , um sich da die Kenntnisse zu ers werben, wozu in ihrem Vaterlande gar keine Geles genheit war.
Der größte Theil der griechischen Geistlichen mahlte eine Art Bilder, deren Verkauf ein Erwerbsmittel für fie war.
Das Gemählde wurde auf ein stark mit spas
nisch Weiß belegtes Holztåfelchen aufgetragen: die Far ben dazu wurden mit Eyweiß angemacht.
Der Gegens
ſtand war immer ein Heiliger ; eine Madonna, der heilige Schatten brachte man gar Spiridion und so weiter. nicht an , und das Colorit war immer dasselbe.
Alles
was Fleisch seyn sollte, wurde schwarz gemahlt , und der. Grund gewöhnlich vergoldet. kauften ,
Ehe sie diese Bilder vers
wurden sie eingefegnet.
Ihr Abgang war
ziemlich beträchtlich , da alle Griechen , Weiber, etwas darin suchten,
besonders die
über ihrem Bette eine
große Anzahl solcher Bilder aufzuhängen, vor denen fie Tag und Nacht eine Lampe brennend erhalten.
chen
griechiſ Die verschiedenen Ceremonien leder.
Kirche werde ich nicht beschreiben , da man sich darüber
Beschreibung der Insel Corfu.
33
in andern Berken hinlänglich unterrichten kann.
Nur besondere Gebräuche , die über den Charakter des Volks und die Natur seiner Regierung Licht verbreiten, sind die Gegenstände , deren Beschreibung ich liefern will,
Dritter
Abschnitt
Heirathen.
Wenn ich hier die fremden Gebräuche beschreibe, die ich bey denHeyrathen und andern feyerlichen Verhandlungen beobachtet habe, so muß ich erinnern, daß fie nur auf dem Lande statt finden , wo man noch nicht , wie in der Hauptstadt zum Theil , italianische Sitten und Sprache angenommen hatte.
Die ehelichen Verbindungen , die
das Glück einer ganzen Familie entscheiden , wurden in diesem Lande gewöhnlich von den Eltern verhandelt und geschlossen.
Waren die Våter mit einander einig , so
zahlte der Vater des Mädchen , dem Vater des jungen Mannes die Summe der Mitgift.
Einige Tage darauf
stattete dieser in Begleitung feiner Eltern bey seiner Geliebten den ersten Besuch ab , die umringt von den Ihrigen >
ganz fittsam und jungfräulich seine Huldigungen aufs nahm.Er beſchenkte sie mit einem Ringe und umarmte fie.
Die Verbindung ward nun als unwiderruflich bes Grassets Reifen.
&
Dritter Abschnitt.
348 kannt gemacht. andere
Auf diesen Besuch folgten noch zwey
mit demselben Ceremoniel und mit neuen Ges
schenken. Beyde Verlobte hatten Anverwandte oder Zeus gen um sich , die jedesmal dem Beſuche beywohnten, und den geschlossenen Contrakt unterzeichneten.
Ihre An-
Diese Assistenten waren vers
zahl war nicht bestimmt.
bunden , den Verheiratheten ein Geschenk zu machey, woa durch zwischen den erstern und letztern eine Art bürgerlicher Verwandtschaft gestiftet wurde, deswegen suchte man sich reiche Personen dazu aus , deren Credit eine Hülfsquelle zum Fortkommen darbot. Die kirchliche Ceremonie gieng im Hauſe der Braut vor sich.
Man machte dazu einen Tisch in der bestens
meublirten Stube zurecht..
In der Mitte ward ein
Evangelienbuch zwischen zwey Kerzen gelegt , und auf der einen Seite ein Pråsentirteller mit einem Glaſe, einer kleinen Weinflasche und mit einem Stückchen Brot ges stellt ;
auf der andern Seite gleichfalls ein Pråſemirs
teller mit zwey wollenen Kränzen , die mit rosenfarbigen Båndern durchflochten waren.
Die Eltern ,
Anver-
wandte und Freunde beyder Verlobten standen längs den Wänden der Stube , die Braut in der Mitte, zwischen ihrer Mutter und dem nächsten Anverwandten.
Die
verheiratheten Frauenspersonen standen auf beyden Seis ten , nach dem Grade der Verwandtschaft.
Die Måd-
chen befanden sich in einer andern Stube.
Sobald der
Pope augekommen war , warf er sich in Anwesenheit der Gesellschaft in seine priesterliche Tracht, und stellte sich vor den Tisch.
Er gab alsdann den Verlobten und den
Anverwandten Kerzen,
die er eben eingeſegnet hatte,
Beschreibung der Insel Corfu.
35
Hierauf nahm der Bräutigam die Braut bey der Hand, und , trat mit ihr hinter den Popen ,
und alle beyde
faßten den Zipfel seines langen Talares an ; die Anvers wandten folgten ihnen paarweise nach.
Jest ward die
kirchliche Trauung nach griechischem Ritual vorgenom Nach ihrer Beendigung flocht man die beyden
men.
Kerzen der jungen Eheleute zu einem Kranze zusammen, so daß ihre beyden Enden einen Griff bildeten , der mit rosenfarbenen Båndern gebunden und umwunden wurde. Dieser Kranz wurde oben über das hochzeitliche Lager bez Die Vereinigung der beyden Kerzen war ein
festigt.
Symbol des guten Verständniſſes ,
das zwischen den
Verehelichten immer herrschen sollte.
Der Pope ents
fernte sich hierauf, nachdem er die Gaben der Freyge= bigkeit von den Getrauten und ihren Anverwandten ems pfangen hatte. Zufolge eines alten heiligen Gebrauchs, weinte die Braut in dem Augenblicke , der ihren Zustand ånderte.
Die Mutter und die Anverwandten beantwors
teten ihre Thränen ebenfalls mit Weinen , Lobeserhebuna gen und Ermahnungen.
Unterdessen erscholl das ganze
Dorf von Büchsen und Pistolenschüssen , und vom Jua belgeschrey seiner Einwohner.
Die Verheirathete . brach
nun, von ihrer Mutter und der nächsten Anverwandtin gez führt, auf, um sich in das Haus ihres Gemahls zu bes geben, der schon zu ihrem Empfange vorangegangen war.
Vor der jungen Frau, die von einem großen Zuge
Landleute beyderley Geschlechts begleitet wurde,
gieng
ein Pfeifer und Trommelschläger , die Tänze spielten, welche von zwey jungen Leuten , die sich bey den Zipfeln eines Schnupftuchs angefaßt hatten, aufgeführt wurden, € 2
ter
Drit
36
t
hnit
Absc
.
Bey der Ankunft in ihrer neuen Behausung empfleng fie ihr Gemahl an der Spitze seiner ganzen Familie.
Hier
erneuerten sie in Thränen Complimente nnd Ermahnuns gen.
Nachdem man die gewöhnlichen Erfrischungen eine
genommen hatte , gieng man in die Kammer , wo das hochzeitliche Bett mit der möglichsten Sorgfalt aufges stellt war.
Jeder betrachtete und untersuchte es aufs
genaueste ;
einige erschöpften sich mit Segnungen und
Glückwünschen, andere, die die schönen Geister spielten, erlaubten sich die plattesten Plaisanterien .
Endlich gieng
man aus einander , und überließ den jungen Eheleuten die Ruhe , die sie gewiß nöthig hatten und wünschten. War die eheliche Pflicht vollzogen , so. kündigte der Gemahl seinen Triumph mit einem Pistolenschuß an, und der Tambour verkündigte gleich dieses Glück und den Sieg dem ganzen Dorfe.
Viele Gruppen von jungen
Leuten brachten nun die Nacht mit Tanzen vor dem Hause zu , wobey man mitunter Flinten und Pistolen abfeuerte; sie wurden übrigens reichlich mit Erfrischungen bewirthet. Den andern Morgen versammelten sich die Eltern und Anverwandten, um zu hören , wie die Sachen abs gelaufen waren.
Das Publikum ermangelte nicht, ſich Die folgenden Tage
allerhand darüber zu erzählen. empfieng und gab man Viſiten.
Das hochzeitliche Hemde
war ein kostbares Andenken , das die Verheirathete mit Sorgfalt zeitlebens aufbewahrte.
Den Morgen nach
der Hochzeit ward dieses Hemde auf einem Tische ausges breitet, und mit Backwerk, umsetzt.
Kuchen und Weinflaschen
Jeder besah es, um sich mit seinen Augen von
Beschreibung der Insel Corfu.
37
der Wahrheit des ehelichen Triumphes zu überzeugen, und nahm ſeinen Theil von der aufgetragenen Mahlzeit. Man tanzte nachher eine Stunde um den Tisch herum, und feuerte.von neuem Flinten ab.
Darauf wurde das
Hembe auf einer hohen Stange als ein Siegeszeichen beym Spiel der Pfeife und Trommel, umringt von jungen Tänzern, in dem ganzen Dorfe herum getragen. Man gab es endlich der Mutter zurück , die es in eine kleine Kiste legte, und es so der Tochter wieder überlieferte. In andern Dörfern wurde das Hemde einzig und allein den Verwandten beyder Familien gezeigt.
Diese Ceres
monie diente, um sich von der Jungfrauschaft der Neuvermählten zu überzeugen.
Es wäre das größte Unglüď
für ein Mädchen , wenn ihr Hemde keine Flecken zeigte. Sie wurde alsdann ihrer Familie sogleich wieder zurück gegeben , und hatte unter ihren Mitbürgern keine Achtung mehr zu erwarten.
Daß diese geforderten Zeichen
oft sehr betrüglich seyn können, davon konnte man keinen Griechen überzeugen. In andern Gegenden herrschte auch die Gewohnheit , daß bey dem ersten Zusammenkommen des Schwies gersohns und Schwiegervaters, der erste von lettem durch eine derbe Ohrfeige adoptirt wurde, die jener mit bescheis dener Ehrerbietung annahm . Je tiefer ein Volk in der Finsterniß der Unwiſſenheit begraben liegt , je grdber und abgeschmackter find auch die Geburten feines Aberglaubens. So glaubte man hier , daß wenn in dem Augens wo die beyd Verlobten das Ja aussprechen, · Gesellschaft drey Knoten in eine Schnur ein Feind in
Blicke
Dritter Abschnitt.
38
knüpfe , mit Anwendung einiger Worte, die ich nicht weiß ,
und sie dann ins Meer oder ins Feuer werfe,
daß dann der junge Ehemann gebunden und unfähig werde,
die eheliche Pflicht zu vollziehen.
Um diesen
Zauber zu zerstören , legte man ein Pistol , das mehrern Meuchelmördern gehört hatte, unter das Kopfkissen : ihm schrieb man die Kraft zu, daß es nicht allein die traurige Bindung ldsen, sondern die Vollziehung der ehelichen Pflicht beschleunigen1 könne. Leider waren solche Inftrumente gar nicht schwer und selten zu bekommen. Ein ander Mittel gegen diesen Zauber war dies , daß der Vater und die Mutter mit einem Fuße auf des Bräutigams Fuß treten mußten , in dem Augenblick , wenn er das Ja aussprach : jeder geschürzte Knoten mußte sodann ohne
Ein anderer Gegenzauber bestand. darin, daß man den Bräutigam vor der Trauung band ; Wirkung bleiben.
diese Bindung erhielt und löste sich nach Belieben ,
und
die Eltern hatten dann nicht nöthig , jenen erwähnten Punkt der Ceremonie abzuwarten.
Blieb das Herz der Getrauten unempfindlich gegen die Liebe ihres Mannes, so war doch nicht alle Hoffnung des Triumphes für ihn verloren.
Er bemühte sich dann,
ihr einige Haare abzuschneiden, ohne daß sie es gewahr wurde, und ſtahl ihr eine " Kleinigkeit , die sie noch als Mädchen besessen hatte ; diese beyden Stücke warf er mit einem lebendigen schwarzen Hahne unter dem Gemurmel einiger mir unbekannten Worte in einem brennenden Ofen, den er sogleich verschloß.
Sobald der Hahn vers
verzehrt wurde, glaubte man , daß die Kålte der Person,
39
Beschreibung der Insel Corfu.
bie dieses Opfer veranlaßt hatte, in die feurigste Liebe verwandelt werde. Zu den Laufen der Kinder nahm man auch wie bey ben Trauungen Gevattern , und zwar reiche Leute , die gutes Geschenk geben, und den Pathen unterſtüßen kounten.
Die Weiber glaubten , daß man durch bloßes Be-
trachten und Ansehn, ihren Kindern ein Unglück zufügen könne.
Solchen Blicken schrieben sie beynah alle Krank-
heiten zu , die in den Kinderjahren gewöhnlich sind. Um folchen Uebeln vorzubeugen ,
mußte man selbst beym
Kareffiren dem Kinde ins Gesicht speyen und sagen : Gott bewahr es vor Unglück ;
that man es nicht, so ers
mahnte die Mutter aufs dringendste dazu , indem sie fchrie
, spent es doch nur an ! " Leichenbeg å ng niff e.
Ichwerde auchhier, wie überall, nur die Gebräuche erzählen , wodurch sich die Einwohner dieser Inseln gang. besonders auszeichneten. Die Achtung und Fürsorge für die Todten find allen Zeiten und allen Religionen eigen.
Die Art , wie man
ihnen die letzte Verehrung beweist , war von jeher vers schieden , und richtet sich noch heut nach dem Eindrucke, den der Gedanke von der Vernichtung des Menschen auf die Nationen macht. Man kennt die Ceremos nien, die bey den alten Griechen üblich waren ; Empfindungen der Natur ,
die
Freundschaft und religiöser
Sinn lagen dabey zum Gründe.
Das , was den gries
chischen Ritus bey diesen Fällen ausmacht ,
werde ich
nicht beschreiben, weil man dies schon in andern Were ken findet.
Dritter Abschnitt.
40
Sobald einer starb , so fiengen seine Anverwandten sogleich an, an seiner Beerdigung zu arbeiten , ehe noch die natürliche Wärme des Körpers erloschen war.
Diefer Gebrauch hatte etwas Empörendes ; und ein Frember konnte leicht daraus schließen , daß die Insulaner zårtneigung eben nicht empfänglich seyn möchten. In ich zwen Stunden nach dem Tode war nicht allein das Leichens begångniß, sondern auch schon die Beerdigung vorüber.
Man nåbte den Leichnam in eine Art Hemde ganz ein, so daß bloß der Kopf und die Hände herausragten, und legte ihm dann die besten Kleider oder 1 seine Amtstracht an, wenn der Verstorbene in öffentlicher Bedienung gefunden hatte. So angezogen wurde er aufeine mit einem rothen Teppich bedeckte Bahre gelegt ; unter sein Haupt ein Kiffen , in ſeinen Hånden ein Cruzifix, und in dem besten Zimmer öffentlich ausgestellt , bis der Klerus anfam.
Von diesen Formalitäten konnte nur der Fall bes
freyen, wenn die Krankheit oder die Lodesart es erfors derten, daß der Leichnam in einen Sarg mußte verschlos sen werden.
War der Verstorbene von Adel , so wurde
fein gezogener Degen kreuzweis mit der Scheide über den Körper gelegt.
Vier Fantes der Obrigkeit trugen die
Bahre, und die drey Syndizi der Stadt und ein Adlicher hielten die vier Zipfel des Leichentuchs . War es ein Geistlicher , so saß er in seinem pries sterlichen Ornate auf einem Lehustuhl , und wurde von vier Popen getragen. War es eine unverheirathete Mannsperson oder ein Mädchen , so sette man auf den Kopf einen Blumens Franz mit einem rosenfarbenen Bande umwunden. Das
Beschreibung der Insel Corfu .
41
Geläute , die Anzahl der Lichter und des Gefolges hieng von den Kosten ab, die man darauf verwenden wollte. Unterbeffen hörte man im Haufe des Verstorbenen nichts als Klagetöne und Schluchzen ; besonders äußerten die Frauenzimmer
die
auffallendsten
Kennzeichen
des Schmerzens. Sie riffen sich die Haare aus , schlugen fich, und verwundeten ihr Gesicht.
Man rief den Verstors
benen bey seinem Namen ; man fragte ihn, warum er fein Haus, fein Weib und feine Kinder verlassen habe ? Hatte er Leiden gehabt , so zählte man umständlich die Beműhungen und Sorgen her , die man für ihn gehabt und übernommen hatte.
War es ein junger Mann, so sprach
man von der Heirath ,
die er würde gemacht haben :
von den glücklichen Folgen dieser Verbindung ; von den Kindern , die er würde erzeugt haben.
Alle diese Weh-
klagen ertönten in einer gewiffen Cadence , und in einem sehr traurigen singenden Lone.
Man gieng nachher zu
den Lobeserhebungen des Verstorbenen über : man ering nerte sich seiner guten Eigenschaften und Tugenden. , er war so sanft, so edel , so ein guter Vater , und doch hat er sterben müffen ! -
Man erzählte die merk
würdigsten Umstände feines Lebens : oder jene schöne That geholfen ?
Wozu hat dir diese
Was hat dir dein Sieg
über deine Feinde , jene Reise , diese glückliche Spekus lation genutzt ? —
Alte diese Fragen richteten sie an
den Todten, und forderten ihn mit lautem Geschrey zu ihrer Beantwortung auf. Diese Klage- und Trauertône schienen nachher von denen der Freud abgelöst dazu wers den.
Die Gesichter verwandelten sich in der That und
schienen zu lächeln ; der Gesang bekam auch eine muntre
Dritter Abschnitt. Wendung
und Melodie.
Die Grimassen waren aber
hierbey eben so häßlich und entstellend wie vorher. Nachbarschaft ermangelte
Die
nicht in das Wehklagen der
traurigen Familie einzustimmen.
Das Geschrey war so
stark, daß man håtte glauben sollen , sie wollten zu Ehren des Todten die Lebenden damit tödten.
Sobald als der
Leichnam von dem Klerus gehoben wurde, warf man große eiserne und thönerne Töpfe aus dem Hause auf die Straße und zerbrach irdne Vasen.
Man goß Wasser aus , als
eine Erfrischung für die Seele des Verstorbenen ; und besprengte hiermit reichlich die Personen , die die Tugenden der Verstorbenen , am besten beurtheilen konnten ; dies geschah aus jedem Hause, vor dem der Zug vorüber kam. Der Leichnam ward in der Mitte der Kirche wåhrend der gottesdienstlichen Verrichtungen niedergesetzt. Nachdem die Gebete geendigt waren , kamen die Verwandten und Freunde des Verstorbenen , und küßten ihn Den Mund , auf die Nase , auf Augen und Ohren. ht te Jeder flüster ihm etwas leise zu ; vielleic um ihm eine e n h e c g glückli Reise zu wünsch , oder einen Auftra in die n e b e g e u t r and Wel mitz . Man hielt es für eine große g n u t n i e h k c n Höflich und Auszei , wenn man einen Fremde hmen e n d e n d i n e u dazu einl , an diese Küff und Absch Theil t gige n ä r e l o m h e w c e h t n t s n u e t i b n z n ; e a A hä ma als ein g n u n t n h h e Zeich der Verac angese . Man hatte mich auch s aden l a r m e e s n r e i u h e z di E eingel , und nur mit Schwie e d s n t r a i n rigke und unter dem Vorw des zu große Schme e rbenen och inmal b u t s a h n r r ze , de mi nic erl , den Versto n e it e e mlichk zu sehen , befrent ich mich von dieſer Unanneh .
Den Todren , dessen Anzug den Popen überlassen wurde, begrub man nachher in der Kirche.
Nur die sehr
Beschreibung der Insel Corfu.
43
armen und geringen Leute beerdigte man auf dem daran stoßenden kleinen Kirchhof. Man errichtete den Todten keine Monumente ; ein Stein, auf dem ihre Nahmen und der Todestag gestochen wurden, überlieferte allein
den Nachkommen ihr Ans
denken. Die Trauer für einen Water
oder eine Mutter
dauerte ein Jahr, und war nach der Entfernung der Vers wandtschaft kürzer.
Sie bestand in einer schwarzen Klei-
dung, in einem schwarzen Hemde und in einer totalen Bernachläffigung des Anzugs.
Der gemeine Mann trug
bey diesen Gelegenheiten die schlechtesten Kleider , und behielt ein und daffelbe Hemde die ganze Trauerzeit hins durch an.
Diese Bezeugung des Schmerzens war eben so
ekelhaft , als schädlich für die Gesundheit. Alle drey Monate setzte man auf die Grabflåte geröstetes Korn, Brot , Kuchen , Wein und Oehl , und lud mit Erneuerung der Wehklagen den Verstorbenen zu diesen Speisen ein ; die Popen ließen sie sich dann statt feiner recht wohl schmecken. An das Wiederkommen der Todten glaubte man allgemein.
Jedes widerwärtige Ereigniß schrieb man
den Seelen der Verstorbenen zu, die Gebete verlangten. Die Popen suchten mit vielem Fleiße diesen Glauben zu erhalten , der ihnen so einträglich war , und den fie gut zu benutzen wußten.
Solche Irrthümer wird man gern
einem ganz unwissenden Volke verzeihn, wenn man sieht, daß ähnliche noch unter Menschen herrschten Aufklärung Anspruch machen wollen,
die auf
44
Vierter
Abschnitt.
Regierung .
Die Regierung der Insel Corfu , des Hauptortes der ehemaligen venetianischen Vesikungen in der Levante, war aus verschiedenen Mitgliedern zusammengesetzt , die vom Senat ernannt und aus dem venetianischen Adel gé= nommen wurden. Der Vornehmste hatte den Titel : Generalproveditor. Er gelangte .. diesem Posten, nachdem er die ersten Grade des militärischen Seedienstes durchgegangen war.
Zu-
weilen ertheilte der Senat diese Stelle auch einem Senator. Er hatte das Oberkommando über die Land- und Seemacht , über die Justiz , über die Finanzen und Polizey. Diesem General gab der Senat noch einen Secretair zur Hülfe , der das Detail beforgen und die Berichte über die innern
und
hatte.
Einen Theil ſeiner Geschäffte verrichtete der Dol-
äußern Staatsangelegenheiten abzustatten
metscher für die orientalischen Völker, der auch vom Senat ernannt wurde.
Alle Sachen , worin Türken mit vers
flochten waren , gehörten zu seinem Ressort. Der Senat erwählte auch einen Schatzmeister , dou dem Generalproveditor von der Verwaltung der Finanzen Rechnung ablegen mußte.
Aus seiner Kaffe wurden die
Staatsbeamten und die Seetruppen befoldet , und alle die verschiedenen Unkosten bestritter , deren Aufwand - die Regierung nöthig fand.
Er hatte auch die Aufsicht über
die Proviant- und Munitionsmagazine der Land- und
Beschreibung der Insel Corfu . Seemacht. Inseln.
45
Er ernannte Steuereinnehmer der andern
Diese Stellen waren sehr einträglich und daher !
auch sehr gesucht. Der Generalproveditor erwählte ſich einen Kanzler, der zur Instruction und Expedition der Prozesse beuimmt war.
Den Eid der Treue leistete dieser Staatsbediente
dem Senat. Diese Kanzler bilderen in Venedig ein Corps, in dem man nur vermittelst einer bestimmten Summe Sie avancirten .von der Geldes aufgenommen wurde. Kanzlerstelle eines Proveditors zur andern ; weiter ers streckte sich ihre Laufbahn nicht.
Ein anderer Staats-
beamte führte unter dem Titel des Dispacifta die Corres spondenz mit dem Senat , den Staatsinquisitoren.
dem Rath der Zehner und
Er arbeitete mit dem Secretair.
Ein jeder dieser Minister hatte sein Büreau für fich , und eine Menge Unterbedienten unter seinen Befehlen.
Der General ernannte einen Obersten der Provinz, dem die Inspektion über die Garnisonen der Inseln anvertraut war. Sonst waren ihm sier Adjutanten untergeordnet, von denen ein jeder seine besondern Verrichtungen hatte. Der erste, der aus dem Corps der Ingenieurs genommen wurde , hatte die Aufsicht über die Festungswerke , und legte dem Oberingenieur Rechnung ab. Der zmente war ein Artillerie : Offizier , der nicht
nur die Geschäffte seines Faches besorgte , sondern hauptsächlich die Ceremonien studieren mußte, die in gewissen Festtagen der Generalproveditor zu beobachten verbunden war.
Verstand er den Coder der Etiquette , dann galt
er für einen verdienstvollen Mann,
Er begleitete den
ter
Wier
46
t
hnit
Absc
.
General bey allen seinen öffentlichen Verrichtungen und leitete seinen Gang.
Ein anderer Offizier , war Cavales
rizzo , Stallmeister seiner Excellenz , und hatte zugleich die oberste Aufsicht über die Hausdienerschaft des Generals. Die beyden andern Adjutanten waren Offiziere der italiåniſchen oder sclavoniſchen Truppen ; sie beförderten die Befehle , die Ordre des Generals nach" den verschies Sie standen in der Antichambre und mels denen Posten. Sr. deten wie gemeine Bedienten die Personen an , -die 4 Exellenz sprechen wollten ; für diesen unangenehmen und wenig ehrenvollen Dienst entschädigten sie sich durch Er= pressungen, die sie sich von den Unglücklichen geben ließen, die um Gerechtigkeit flehten , oder Gesuche anzubringen hatten, Für die Besorgung der Marine , hatte der General auch einen Offizier um sich,
den er sich selbst wählte.
Die zweyte Person beym Gouvernement war der Befehlshaber der Festung.
Er hatte so wohl bürgerliche,
als militairische Verrichtungen. Als Capitain der Festung stand er nach dem General an der Spitze des ganzen Militårs , und hatte die besondre Aufsicht über verschiedene Posten und Festungsarbeiten ; die daben dirigirenden V Offiziere mußten ihm Rechnung ablegen. Die Insel Paro und Parga gehörten zu seinem Departement.
Die
Gouverneurs von beyden Inseln standen unter seinen Bes fehlen , wie wohl er nur den von Paro zu ernennen hatte. Als zweyter Proveditor besaß er die nächtliche Polizey; das, was während der Nacht vorfiel , wurde vor seinem Tribunal entschieden,
Ein Kanzler und ein Adjutant
47
Beschreibung der Insel Corfu.
hildeten , wie die Venetianer sagen ,
la Corte , feinen
Gerichtshof. Der Baile war Richter aller bürgerlichen Prozesse, und besorgte zugleich die Polizey des Tages.
Ihm was
ren zwey Råthe zur Seite gesetzt , die, wie er, venetianiz sche Nobili waren.
Unter ihm standen alle die Staats-
beamten , die vom Rath der Noblesse ernannt wurden ; als die Syndizi , die Gesundheitsproveditoren , die über die Straßen gefeßten Aufseher , u. s. w.
Er hatte auch
einen Kanzler und einen Adjutanten. Die neue Festung hatte einen
adlichen Venetianer
zum Commendanten, den der Senat erwählte ; er führte den Titel: Erster Capitain , oder Capitaingrande ; ein einziger Adjutant machte seinen Hof aus. Alle diese verschiedenen Beamte standen unter dem Generalproveditor.
Dieser bekleidete seinen Posten drey
Jahr , die andern nur zwey Jahr; sie kehrten dann auf ihre Koften nach Venedig zurück , um neue Aemter vom Senat zu erlangen,
Ihre Gehalte waren sehr måßig,
auch nur mit einigen kleinen Vorrechten verknüpft ; fie suchten sich aber auf andere Art zu entschädigen , bedachten in allem nur ihr Interesse ;
und
wie dies bey allen
Regierungen der Fall ist , bey denen so wie bey dieser als les für Geld erkauft werden kann. Ihre Wohnungen waren öffentliche ,
dem Staat
gehörige Gebäude. Der neue Generalproveditor wurde immer ein Jahr vor dem Abtritt feines Vorgängers ernannt.
Er konnte
so schon vorher alle Vorbereitungen und Maßregeln trefs : fen, um den möglich größten Nußen aus seinem Genes
Bierter Abschnitt.
48
ralat ziehen zu können.
Sonst reiste er von Venedig
nach seiner Provinz mit einer kleinen Eskadre von Schifs fen oder Galeeren ; aber seit einigen Jahren wurde ihm zu seiner Fahrt nur ein Schiff , selten eine Fregatte oder Schebecke bewilligt.
Wenn er in dem Hafen einfuhr,
wurde er von den Schiffen und Galeeren desselben salus tirt , und die ganze Garnison trat unter das Gewehr. Sobald er ans Land gestiegen war, mit seinem Gefolge ins Palais. wartete
ihn
begab
er sich.
Sein Vorgänger ers
daselbst mit dem größten Ceremoniel in
seinerStaatstracht ; diese bestand aus dem sogenannten herzoglichen Mantel , einem langen römischen Talar von rothem Sammte , gefüttert mit Goldstoff; aus einer uns geheuren Perücke, so wie
sie
unter
Ludewig XIV.
Mode waren , und einem Hute ; das Unterkleid , die Strümpfe und die Schuhe waren auch roth.
An seiner
Seite hatte er einen Degen mit einem gewaltig großen goldnen Knopf, und in seiner Hand den Commandostab. Gravitätisch gieng er seinem Nachfolger bis an die Treppe entgegen , beyde traten dann zu gleicher Zeit in den Audienzsaal, der alte General aber zur Rechten , und setzten sich in großen Lehnstühlen von rothem über und über mit Gold gestickten Sammte
vor eine Tafel,
auf der has
Evangelienbuch auf einem Kissen von Goldstoff lag. Die ganze Versammlung blieb stehen.
Der Kanzler des neuen
Generals las mit lauter Stimme das Dekret des Senats, das ihm das Gouvernement der Inseln übertrug. Nachn alsche dem dies verlesen war , übergab ihm des der Adjutant des Comporigen Generals den Stab , mandos. - Der Stab war bey den Venetianern das
Beschreibung der Inset Corfu. auszeichnende Symbol der Autorität.
49
Nur Personen die
hohe Aemter bekleideten durften ihn tragen , und diese erg mangelten auch nicht von dieser Formalität Gebrauch zu machen. ~ Der Ex - General gieng sogleich in ein anderes h Zimmer , wo er den Ornat ablegte, den er nicht mehr tragen durfte; nämlich den rothen Mantel.
Die übrigen
Stücke behielt er an und konnte fie so lange tragen , bis er nach Venedig abreißte.
Bey dieser Ceremonie wurs
den, wie gewöhnlich bey jeder andern , Erfrischungen auf Unkosten des Ex- General aufgetragen.
Denselben Lag
zog er aus dem Palais in ein anderes Haus , wo er feine Abreise erwartete ; ihm allein bewilligte der Senat ein Schiffzu seiner Rückkehr. Einige Zeit nach seiner Ankunft, feyerte der neue Generalproveditor seinen öffentlichen Einzug ; wozu die Zubereitungen auf Unkosten der Stadt giengen. Ich will hier das Fest umständlich beschreiben , wels ches bey dem Antritt des legten Generalproveditor statt fand.
Es war Herr Widmann.
Im Julius 1794
fam er in Corfu Man hatte ihn mit der größten an. u an. Ungeduld erwartet ; da er im Dienst der M Marine sich.
einen so guten Ruf erworben hatte, daß B.man allges mein überzeugt war , er werde fern von den Räubereven feines Vorgängers , das Glück ſeiner Regierung in der Beförderung des Wohls der Insulaner suchen . In dieser, allgemeinen Erwartung übertrafen die Zubereitungen, die zu seinem Einzug gemacht wurden , alle vorigen Festlichs Feiten dieser Art, an Pracht. Graffets Reisen.
D
Vierter Abschnitt .
50
Einige Tage nach seiner Ankunft errichtete man einen Triumphbogen aus hölzernen Saulen , die wie Marmor gemahlt waren und von der alten Festung, durch die Wasserstraße , und der Länge nach queer über die Ese and itali griechisch Aufa Fassade standen lateiniſche, gieng. planade Inschriften zu Ehren des neuen Generals .
Vorn befanden sich vier Statuen , die die น Gerechtigkeit ; die Macht ; den Ueberfluß , und die Religion darstellten.
Der Saal des Raths diente zu einem
Concertsaal, wo das Orchester , größtentheils Liebhaber, Symphonien aufführte.
Die Hauptstraßen der Stadt
waren mit Stoffen von verschiedenen Farben ausgeziert, und mit einer Menge Gemåhlde geschmückt, die jeder begierig hergab.
Auf dem Gipfel der Häuser sah man
Fahnen und Schiffsflaggen wehen .
In kleinen Entfer
nungen von einander waren auf der Wasserstraße mehrere Orchester und Credenztische mit Erfrischungen hingestellt. In den Portalen mehrerer Häuser hatte man das Bildniß des Generals angebracht ; umkränzt mit Blumenguirlan= den und Lorbeerzweigen ; unter denselben las man Verse zu feinem Lobe. Lobe. Der zur Feierlichkeit bestimmte Tag Ta wurde benmMufconceding mit 21 Kanonenschüffen
verkündet , die von jeder Batterie der Festung und auf den Schiffen und Galeeren abgefeuert wurden.
Dieſe
festen zogen zugleich mit ihren Flaggen und Wimpeln in Parade auf.
Gegen 10 Uhr des Morgens begaben sich
die vornehmsten der Regierung , die Commendanten der Marine, mit allen venetianischen Edelleuten in Staatsuniform ; die vornehmsten Offiziere der Landtruppen an Der Spiße des Stabs der Garnison ; die Syndici der
51
Beschreibung der Insel Corfu.
Stadt und alle Staatsbeamten begleitet von einem zahl reichen Gefolge der Vornehmsten des Landes ins Palais, wo der General in Feierkleidern sie in der Mitte feines ganzen Hofstaats empfieng.
Nach einer kleinen Rede,
die der älteste Syndicus der Stadt hielt , fehte sich der Zug in Bewegung.
Vor dem General giengen seine Ad-
jutanten, ſein Oberster oder Major der Provinz , seine Minister, feine Kapelle und seine ganze Dienerschaft in Paradelivrée ; zur Seite und hinter ihm marschirren feine Garden und mehrere Compagnien Soldaten ; seine Wagen und die Kutschen anderer Großen folgten in der Linie mit langsamem Schritte nach.
Wie der General aus den
Thoren der Festung trat , falutirten alle Batterien mit
21
die von den Schiffen und Galeren
fogleich beantwortet wurden. Sobald er auf der Esplas sclavonischer Artillerie dreymaranischer , nade erschienTruppen , feuertenunddrey Regimenter italianischer,
und mach ten darauf verschiedene militärische Evolutionen.
So
kam der General umgeben von einem Haufen Volks unter den Triumpfbogen ; e trat nur auf Teppiche , die pon den Juden so wie er vorwärts schritt vor seinen Füßen ausgebreitet wurden.
Er begab sich nun in die Kirche
des Heil. Spiridions , wo ihn der Protopapa und der ganze griechische Klerus nachgieng.
Der Sarg des Heilis
gen war offen , und nach einem kurzen Gebete gieng er in derselben Ordnung in fein Palais zurück. Den ganzen Tag über tanzten viele Gruppen junger Leute auf der Esplanade, wo die Stadt Wein und Erfrischungen auss theilen ließ.
Auch wurden verschiedene Spiele gespielt;
von denen die Cocagne das fonderbarste ist , das nach der D 2
Bierter Abschnitt.
52
Zeit, als die venetianische Eskadre vor Malta gelegen hatte, oauf dieser Insel war eingeführt worden .
Es
werden auf einem kleinen aufgerichteten Schiffsmast ein lebendiger Hammel , Hühner , Schinken und andre Lebensmittel befestigt ; der Mast ist überall stark mit Seife bestrichen , und nun kommt es darauf an , daß man ohne irgend eine Hülfe an demselben hinaufflimmt , wenn man einen Preis davon tragen will .
Der Sieger der ihn
gewinnt , wird von seinem Gefolge mit einer Lorbeerkrone gekrönt und im Triumph nach Hause geführt , wo man von den Früchten seines Sieges sogleich ein Mahl-zubereitet . In der Nacht war die ganze Stadt , alle Schiffe und Galeeren erleuchtet.
Die letzten gewährten beson
ders ein schönes Schauspiel , da der ganze Rumpf, die Masten , Segelstangen und Haupttaue mit Lampen bes Bey den Mandvern die sie machten,
hangen waren.
zeigte sich immer eine neue ſchöne Anſicht. Zugleich ward ein sehr schönes Feuerwerk abgebrannt.
Das Theater
war mit Wachslichtern erleuchtets und ein Chor Musta fanten begannen ein Stück, das zu Ehren des Generals componirt war. ausgetheilt.
In allen Logen wurden Erfrischungen
Dieses Fest dauerte drey Tage , es sollte
eigentlich eine ganze Woche fortgesetzt werden , aber Herr Widmann bat aus Schonung für seinen Vorgänger, den man bey dieser Gelegenheit täglich durch die kränkendften Satyren zu årgern suchte, die Syndici der Stadt, es zu beendigen. Die Wache des Generals war zwey Compagnien italianischer und sclavonischer Truppen anvertraut ; die
Beschreibung der Insel Corfu. lehtern ,
53.
die aus Carabiniers bestanden begleiteten ihn
jedesmal , wenn er ausgieng ; und hatten die Auszeich nung , daß sie auf ihren Müßen ein silbernes Blech trus gen , worauf sein Wappen gestochen war.
Ueberdies hatte er noch zwölf Hellebardiers ; fie waren Soldaten die an den Ceremonientagen einen weiten rothen ( dalmatischen Lalar trugen, ་ der mit Seide und zwar nach den Wappenfarben des Generals gestickt war ; ihre Westen , Beinkleider und Strümpfe waren von ders selben Farbe ; und auf dem Kopf hatten sie einen mit Silber bordirten Hut.
Ihre Waffen waren lange Helles
barden , auf deren Eiſen das Wappen des Generals ge= Sie umgaben ihn bey allen öffentlichen
stochen war.
Verrichtungen und wurden von einem Capitain der itas lianischen Zufanterie commandirt. Ihr Anzug hieng sonst in dem ersten Saal des Pallastes , neben einer steinernen Figur , die vom Fuß bis auf den Kopf gerüstet war, und einen langen Degen in der Hand hielt.
Denn auffer den
Ceremonientage trugen diese Soldaten ihre gewöhnliche Kleidung , statt der Hellebarde hatten ſie dann eine kurze Pike auf deren Eisen auch das Wappen des Generals zu´ fehen war.
Sie verrichteten keine militärischen Dienſte,
ſondern mußten nur die Personen herbeyrufen , die vor dem Tribunal des Kanzlers und des Secretårs erscheinen follten.
Weigerten sich diese Personen Folge zu leisten ;
so mußten sie zum Beweise ihres ausgerichteten Befehls ein Pfand mitbringen.
Dieses lette sette sie oft unans
genehmen Behandlungen aus ; nach ihrem Bericht wurde ihnen dann aber auf Unkosten des Citirten eine Patrouille mitgegeben, mit der sie wieder in sein Haus, zurückkehrten.
Bierter Abschnitt.
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Die Lage , wo der General öffentlich erscheinen mußte , wurden des Morgens von zwey Tambours ans gekündigt , die durch die ganze Stadt liefen ; dies nannte. man Chiamar Corte , oder den Hof ausrufen.
Die vors
nehmsten Offiziere der Land- und Seetruppen an der Spike eines zahlreichen Gefolges von Beamten und die Syndici der Stadt mit vielen Adlichen begaben sich dann in ihrer Staatstracht nach dem Pallast des Generals, um ihn in die Kirche zu begleiten und ihn hernach wieder in sein Haus zurückzuführen. Die Wohnung des Generalproveditors wurde nach ſeinen Mitteln und Geschmack ausstaffirt.
Da die meis
sien nicht reich und wegen ihrer Posten doch zu einem großen Aufwand verbunden waren , fo borgten sie sich von den Juden in Venedig alles , was sie nöthig hatten ; sogar die Möbeln , die Livréen , das Silbergeschirr , und zugleich noch eine Summe Geld.
Sie mußten zum wes
nigsten drey Hautboisten haben ,
welche während ihrer
Mahlzeiten
abwechselnd das Horn und die Trompete
blasen mußten, vier Lievreebedientenfund zwey Laufer. Die Etikette erforderte es ,
daß
jedes Jahr fünfmal die Geistlichkeit ,
der
General
den venetianis
schen Adel , das Militår , den Landadel und die Bürs gerschaft, jede Klaſſe besonders, festlich bewirthen mußte. So glänzend diese Gastmähler auch waren , so kosteten fie ihm doch nichts , sondern waren für ihn vielmehr eins träglich.
Die Tafel wurde beständig aufs reichlichste
von den Infulanern selbst versorgt , die auf diese Art sich empfehlen wollten , und die Gåste genoffen diese Ehre auch nicht umsonst.
Es war Gebrauch , daß jeder eins
Beschreibung der Insel Corfu.
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geladene Insulaner beym Aufstehn von der Tafel auf eine geschickte Art unter seinem Teller eine Anweisung auf so und so viel Pfunde Dehl verbarg ; die bey der nächsten Ernte in Natura oder in Gelde zahlbar waren. Alle: diese Scheine wurden von einem Adjutanten sorgfältig gesammelt und dem General überbracht ; dieser ordnete fie nach ihrem Werthe , und darnach maß er die Höflich keitsbezeigungen ab , die er einem jeden beym Weggehn erwieß. Die Einkaffirung des versprochenen Dehls wurde einem Adlichen des Landes übertragen , den der General in Geldangelegenheiten zu seinem Agenten erwählte , und der daben auch seinen Nugen bedachte. Diese Oehlscheine waren nicht die einzige Abgabe wels che die bezahlen mußten, so zu diesen feyerlichen Gastmåhlern eingeladen wurden ; fie mußten überdies den Domestiken ein Neujahrsgeschenk geben.
Diese Sitte findet noch in
Italien statt und dient den Dienſiboten zu einer Entſchås digung für ihren geringen Lohn.
In Venedig ist ein fols
cher erniedrigender Gebrauch auch bey den Truppen eins geführt , wenn man am Neujahrstage bey dem General proveditor und den andern Vorstehern der Regierung seis nen Glückwunsch abstattet.
Die Pforten des Pallastes
waren dann mit Laubwerk und Papierguirlanden, geziert, auf denen die Wappen seiner Exellenz gemahlt waren ; und in kleinen Entfernungen von einander ſtanden bis in den Saal , wo der General die Visiten annahm , kleine Tische,
auf denen sich große Becken befanden, in die
die Vorübergehenden
ein Stück Geld werfen mußten.
Neben jedem Tische stand ein Corporal , oder Sergeant, der nicht unterließ sie darum zu ersuchen.
Den andern
r
Bierte
56
itt
Abschn
.
Lag liefen die Tambours , begleitet von zwey Soldaten die statt der Bajonette kleine Wimpel auf ihren Gewehren trugen , durch die ganze Stadt, und besuchten die Häuser der Beamten, wo sie sich diesen eingeführten Tribut reis jede Klaffe von Soldaten auf diese fammelte chen ließen. Wache , und Jede Weise Geschenke . Diese Sitte allein
reicht schon hin um sich einen Begriff von dem Verfall und der Verachtung zu machen , worin sich das Militár bey den Venetianern befand. Job Die Einführung der andern Glieder der Regierung wurde mit denselben Formalitäten wie die des Generals vollzogen ; nur genossen sie nicht die Ehre des öffentlichen Einzuges und das Recht der feyerlichen Gastmåhler. Der Proveditor der Festung trug einen schwarzen Lalar wie der General, dasselbe Kleid, die rothen Strumpfe und die große Perücke. Das Costům des Bailo und der Råthe war ganz daffelbe , nur mit dem Unterschiebe, daß sie blos ein schwarzes Kleid trugen.
a Der erste
Capitain oder Commendant der neuen Festung trug die Uniform der Marine.
Die beyden erstern waren verbuns
den, zwey Livreebedienten und einen Laufer zu halten ; die Råthe und der erste Capitain durften nur einen Bes dienten haben.
Adel. Der Adel entstand auf der Insel Corfu, so wie ben andern Völkern.
Unter den verschiedenen Oberherrn, die
Diese Jusel beherrschten, erhielt er in günstigen Zeiten Vorrechte zum Geschenk , oder er erkaufte sie in kritischen Umständen.
Das ehrenvollste , was er daben erwerben
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Beschreibung der Insel Corfu.
konnte, war dies : daß er Versammlungen halten, auch andern den Adel ertheilen konnte.
Es gab eine Zeit, wo
diese Berathschlagungen ohne Beyseyn des Gouverneurs geschahen ; aus Furcht vor Conspirationen nahm ihm aber der Senat von Venedig dies Recht , und erlaubte ihm nur in Gegenwart des Proveditors zusammen zu kommen. Es wurde keiner in den Adelstand erhoben, der nicht Siß und zu einer ausgezeichneten Familie gehörte , die Sit Stimme im Rath hatte.
Die Familie des Bewerbers
mußte beweisen, daß sie seit drey Generationen kein Handa werk oder mechanisches Gewerbe getrieben hatte, und daß sie überdies ein gewisses Einkommen befäßen.
Es mußte
eine Summe von 200 venetianiſchen Dukaten oder Zechis. nen, die ungefähr 2400 Franken betragen, vorausbezahlt werden.
Dieses Geld wurde im Leihhause niedergelegt.
Die Unkosten die man zu Erkaufung der Stimmen und zur Feyerlichkeit der Wahl nöthig hatte, waren auch sehr. beträchtlich.
Der Erwählte mußte noch fünf Jahre war-
ten , ehe er den Versammlungen beywohnen durfte, und nach Verlauf von zehn Jahren konnte er sich erst um ira gend ein Amt bewerben. Der Senat von Venedig hatte sich das Recht vors behalten Adliche ohne Zuziehung des Raths von Corfu erwählen zu können : jedoch mußte dieselbe Summe von 200 Goldzechinen niedergelegt , und auch die andern era wähnten Bedingungen erfüllt werden.
In diesem Fall
gieng aber das erforderliche Geld nach Venedig , in dem ersten im Lande blieb.
was
Nichts war hier gewöhns
licher, als Grafen , die aber vor dem Landadel Vorzüge verlangten.
Man kann kein Bolk finden , wo der Adel .
Bierter Abschnitt.
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so thdricht und kindisch von diesem Vorrecht eingenommen war, als hier : Jeder rühmte sich von den berühmtesten Familien abzustammen.
Sie stiegen sogar mit ihren
Verfahren bis in die Zeiten der alten Griechen und Römer herauf, und viele leiteten ihren Ursprung von orientalischen Kaysern her. groß es auch ist ,
Das ottomannische Reich würde , so in sehr kleine Stücken zerfallen seyn,
wenn alle von diesen Leuten einen Antheil hätten bekommen sollen , die hier einen Anspruch darauf zu haben vors gaben.
Sie führten daher auch in ihren Wappen den
kayserlichen Adler.
Ihre Såle glänzten von Stamms
bäumen und mit den Gemåhlden ihrer Urvåter, die die Eitelkeit der vorgeblichen Nachkommen bewiesen.
Von
ihrem Lande und der Stadt Corfu hegten sie auch eine große Idee, weil sie nie eine größere gesehen hatten, oder davon nichts wissen wollten; sie setzten sie immer. Rom , Paris und London zur Seite.
Von ihrem Vers
mögen sprachen sie auch nur unter großen Vergleichun gen. Diese kleinlichste Großthuerey ist aber die allge= meine Krankheit vieler Einwohner der Levante. ) Jedes Jahr erwählte man in einer allgemeinen Bersammlung des Adels , die fünfhundert Adlichen , die allein den Rath ausmachten , und die verschiedenen Aems ter besetzten. Die drey vorzüglichsten waren die Stadt.
Syndici der
Ihnen war ein Theil der Polizey , die Aufsicht
über die Kornmagazine und über den Preis und die Güte der Lebensmittel anvertraut, die auf die Märkte gebracht wurden.
Auch hatten sie die Gerichtsbarkeit in kleinen
Prozessen , deren Gegenstand die Summe von zehn Ze
Beschreibung der Insel Corfu.
chinen nicht überstieg.
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Von ihrer Sentenz appellirte
man an das Tribunal des Generalproveditors . dies aber niemals sehr rathsam ,
Es war
noch für den Beutel
Unter ihren Befehlen standen die Glieder
vortheilhaft.
des Marktamts , die vom Adel ebenfalls , aber aus der Klasse der Bürger ernannt wurden.
Ihr Geschäfft war
unter den Augen ihrer Obern das Gewicht der Bäcker, Fleischer , Fisch und Koruhändler zu untersuchen.
Sie
zogen hinter ihren Vorgesetzten , die mit einem langen schwarzen Talar , und einer großen Perücke gravitåtiſch voran giengen , ziemlich schmutzig , aber mit einem gros Ben Degen einher.
Der Krämer oder Victualienhånds
ler, der über einen Betrug ertappt wurde , Waare,
verlor seine
und wurde zuweilen auch festgesetzt.
Dieſe
Syndici hatten auch die Aufsicht über die Straßen , und ihre Reparatur. anvertraut ;
Die dazu erfoderliche Kaffe war ihnen
ihre Einkünfte bestanden in einer kleinen
Abgabe, die von dem auf der Insel eingeführten Getraide bezahlt wurde.
Das Getreide , das man in den öffents
lichen Magazinen zur Vorbeugung einer Brotnoth aufs zuschütten pflegte, kauften die Syndici ein. auch eine besondere Kaffe vorhanden.
Hierzu war
Die dazu nöthigen
Fonds wurden sehr vortheilhaft angelegt , denn man vers kaufte das Korn um einen viel höhern Preis als man es eingekauft hatte.
Diese Syndici hatten ferner unter den
Befehlen des Bailo eine allgemeine Aufsicht über die Stadts polizen.
Die Unterposten waren auch mit Adlichen bes
feßt, die der adeliche Rath ernannte. Sie hatten endlich auch das Recht , den Gerichten des Proveditors über Leben und Lod beyzuwohnen , die
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Bierter Abschnitt,
Revision der Criminalprozesse zu verlangen , ihre Fehler zu rügen , und die gefällten Sentenzen aufzuheben.
Sie
machten aber davon aus Furcht, sich dadurch den Haß und die Rache des Proveditors zuzuziehen , keinen Ges brauch. Die Syndici hatten keinen festen Gehalt, fie wußten sich aber auf andere Art schadlos zu halten.
Die
Ehre ihres Postens bestand darin , daß sie an der Spike des Adels den Generalproveditor bey allen öffentlichen Verrichtungen begleiteten , und in der Kirche unmittelbar hinter dem venetianischen Adel saßen. Ursprünglich spielten diese Magistratspersonen eine eben so wichtige als ehrenvolle Rolle ; sie waren die Vertheidiger ihrer Mitbürger beym Oberherrn ; und giengen damals oft selbst nach Venedig , um in dem Schooße des Senats die Klagen und Beschwerden der Insulaner niederzulegen.
In den letzten Zeiten hielten sie sich schon
geehrt genug, wenn sie sich dem Generalproseditor ndz hern durften , und bey Feyerlichkeiten zu seiner Tafel zus gelassen wurden, deren Unkosten sie größtentheils trugen, Nach diesen sogenannten Syndicis kamen die drey Gas, nitatsråthe
man nannte sie Proveditori alla Sanità. Sie
hatten unter ihren Befehlen einen Kanzler ; der ein Verzeich niß über die Ankunft und Abfahrt der Fahrzeuge, und über die Berichte der Capitaine hielt, von denen man täglich dem General und den andern Behörden Abschriften zuschickte. Sie sollten über alles wachen , was auf die Gesundheit der Einwohner Einfluß haben konnte ; ein Arzt unterrich tete sie hierüber , und die vorfallenden Ereignisse mußten fie dem General melden.
Sie standen in unmittelbarem
Beschreibung der Insel Corfu.
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Briefwechsel mit dem Sanitätstribunal in Venedig , und empfiengen von ihm Befehle.
Ihre Zusammenkünfte
hielten sie in einem kleinen Hause am Ufer des Meers, an das eine griechische Kapelle fließ ;
die dem Heil,
Rochus gewidmet war. Das Tribunal , wo sie ihre Sihungen hielten, war mit ihren Wappen ausgeziert , und ſie genossen dieselben Ehrenbezeugungen als die Syndici ; nur hatten sie kein besonderes Costům, Die traurigen Verheerungen der Pest hatten zur Errichtung dieses Collegiums Veranlassung gegeben ; defa sen Hauptzweck war ,
ihre Einführung von den Otto-
mannen und andern Nationen der Levante zu verhindern. Die Venetianer waren die ersten , die die dazu nöthigen Vorbauungsmittel trafen : deren Einrichtungen und Gea seze nachher von andern Nationen angenommen würden, Es gab hier auch ein solches Gebäude , wo die Waaren, die aus der Levante kamen niedergelegt , und die Reisendertiert wurden , bis nach Verlauf eiz ner gewiffen Zeit aller Verdacht einer Ansteckung wegfiel. Die Art , wie dieses
zareth in den letzten Zeiten der
venetianischen Regierung unterhalten wurde, zeigte deuts lich, daß man seire Nothwendigkeit und Nützlichkeit ganz vergessen hatte.
Diese Anstalt, die Schutzwehr für die
Gesundheit der Infulaner , und ihr Zufluchtsort ; wenn die Noth sie zwang , ihre Lebensmittel bey ihren Nach barn zu suchen, stand unter diesen Proveditori alla fanità, deren geringer Eifer und Unwissenheit leider gleich viel dazu beyträgen , ihren Zweck ganz zu vernachläſſigen,
62
Wierter Abschnitt.
Die Lage dieses Lazarethe war die glücklichste zur Beförderung seines Zweckes.
Es war auf einer kleines
Insel gebaut, die ungefähr eine Meile von der Stadt ent+ fernt lag , und deren geringer Umfang sehr ihre Bewas chung erleichterte.
Sie war einem Prior anvertraut,
der das vorstellt , was zu Marseille der Capitain des Lazareths ist.
Er kaufte in Venedig diesen Platz , und die
damit verbundenen Einkünfte auf fünf Jahre. tern wurden dadurch sehr geschmålert ,
Die lets
daß man sehr
leicht für eine mäßige Summe die Erlaubniß ungehindert in die Stadt zu kommen , von den Gesundheitsråthen ers kaufen konnte. Das Lazareth bestand in einem ziemlich schlecht ges bauten viereckigten Gebäude; vor dessen Eingang sich ein kleiner Damm befand , an dem m die Schalupen aulegten ; zugleich war daselbst auch ein Bad für die Kranken, und 1 zum Waschen ihrer Kleider eingerichtet. Das Innere war in mehrere Zimmer abgetheilt , gehalten wurden.
zwölf italienischen Soldaten. eine kleine griechische. geweiht war.
die sehr unreinlich
Die Wache bestand aus zehn oder Es befand sich dort auch die dem Heil. 3 Rochus
Die Einkünfte des Popen , der sie be
diente, bestanden in einer kleinen Abgabe, von den Waa ren, welche die Quarantaine halten mußten. ufdiRuinen Noch stehen auf dieser Insel n adie einer kleis e h
nen lateinischen Kapelle, die
Grabstäte eines
Ambassadeurs von Venedig gebaut hatte, der hier an der Pest gestorben war. Die Behandlungsart der Angesteckten , die ich selbst bey einem venetianischen Schiffe , das die Pest von Ale-
Beschreibung der Insel Corfu.
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randrien brachte , mit angesehn habe, war folgende. Auf die Erklärung des Schiffers , daß die Pest am Bord sey, schickten die Geſundheitsråthe sogleich eine Galiote zu defsen Bewachung und Verhinderung aller Communikation mit den Einwohnern.
Einige Tage nachher ließ man die
Equipage und alle Effekten auf der kleinen Insel des Lazas Die Unglücklichen warfen ihre Kleider reths ausladen . ab, um ein Hemde aus grober Leinewand anzuziehn, das mit Theer getränkt war.
t Alle Tage mußten fie fich
zweymal in Gegenwart der Gesundheitsråthe und des ers ften Arztes ver Hospitåler baden , und ihre Haabseligkeis ten selbst lüften. Viere von ihnen starben. brannte alles, was sie um sich gehabt hatten
Man verihre Körper
wurden von ihren Gefährten in tiefe Gruben geworfen, und sogleich mit ungelöschtemKalk bedeckt.
Das Schiff
wurde gänzlich entwaffnet, und auf zwanzig Tage lang ;; man zog es nachher wieder hervor, in die Tiefe aber vor dem achten Tag durfte sich ihm Niemand nåe hern.
Nach dieser Zeit gieng die Equipage wieder an
Bord.
Fünf Galeerensclaven erhielten ihre Freyheit und
eine kleine Summe Geldes , um die gestorbenen Matros sen zu ersehen. einer Fregatte ,
Das Schiffgieng nun, unter Begleitung die es nie aus dem Gesichte verlieren
durfte, nach Benedig ab, wo es wieder eine Quarantaine von zwey und achtzig Tagen auszuhalten hatte. Die Zeit der Quarantaine, die auf den ehemaligen venetianischen Inseln gehalten wurde, war so kurz, daß man sie bey den italieniſchen und französischen Anstalten, wo die Schiffe hernach eintrafen , gar nicht in Anschlag brachte .
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Bierter Abschnitt . Wenn das Gouvernement Nachricht erhielt ; daß
fich in einer der Gegenden , mit denen die Insel in bes sonderer Verbindung stand ,
Spuren der Pest zeigten,
so wurden drey außerordentliche Geſundheitsaufseher ans gestellt, die die andern in ihren Verrichtungen unters stüßten.
Alle Stellen der Küste, wo man heimlich laus
dén konnte, wurden von Insulanern bewacht.
Man ber
mannte auch eine gewisse Anzahl Barken , deren jede von Adlichen kommandirt wurde , die sich alle vier und zwans zig Stunden ablösten.
Sie mußten auf dem Meere die
Wache halten, und die Landposten vifitiren. Zuweilen errichtete man selbst zwischen den vers schiedenen Inseln eine Quarantaine; wenn man nämlich erfuhr , daß einige Personen durch Nachlässigkeit der Wache, oder Bestechung der Aufseher aus den Sichers heitsanstalten entflohen waren.
Ein großer Theil des
Volks , der von der Zufuhr von einer Insel zur andern lebte, litt dadurch immer großen Schaden.
Denn die
Unkosten der Quarantaine übertrafen so sehr den kleinen Gewinn , den sie machen konnten ; daß sie der Seefahrt, wodurch sie sich ihren Lebensunterhalt verschafften , ganz entsagen mußten.
Der Rath ernannte auch drey Richter der ersten Vor ihr Tribunal gehörten die Prozesse, Instanz . deren Gegenstand nur die Summe von zehn Zechinen bes trug.
Von ihrer Sentenz appellirte man an den Genes
ralproveditor , was aber in keiner Rücksicht zu rathen war.
Diese Richter hielten alle Tage in dem Saal des
Raths ihre Sizungen ,
Beschreibung der Insel Corfu,
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Die drey Administratoren des Leihhauses , die die Fonds beffelben verwalteten , wurden auch vom Adel erwählt. Drey Aufseher wachten unter den Befehlen der Syndici , über die Unterhaltung und Reinlichkeit der Straßen. Drey Friedensrichter mußten den Folgen plötzlich entstehender Zänkereyen oder Streitigkeiten zuvorkommen, oder ihnen Gränzen setzen.
Sie suchten die Parteyen in
Gute zu vereinen ; widersetzten sie sich aber , so legten fie ihnen Arrest auf, und gaben davon sogleich dem Proveditor Nachricht.
Dieses Tribunal war wegen der vielen
kleinen Händel errichtet worden, dem größten Theil zweyer oder
die zuweilen unter
mehrerer Familien ge
führt wurden; da aber die Schiedsrichter mehrentheils in dem Streit mit verflochten waren , so gewährte diese Einrichtung gar nicht ihren beabsichtigten Nußen. Die Gouverneurs Stellen von Parga , Paro, und dem Schloß des heiligen Engels wurden auch von dem Die Befehle ertheilte aber nur der Provez: Abel besetzt. ditor der Festung . Alle diese Posten waren, wie das Syndicat, mit keiz nem festen Einkommen verbunden , und darum wurden fie Ehrenamter genannt , und nur mit Adlichen besetzt. Die andern Subalternenstellen , deren Anzahl auch sehr groß war , erhielten Personen aus dem Bürgerſtande. Es traf sich zuweilen , daß der Erwählte den Pos sten, mit dem er beehrt wurde , nicht seinem Gesuche,. ſondern dem allgemeinen Wunſche ſeiner Mitbürger vers dankte , weigerte er sich in diesem Falle , ihn anzunehs ← Grassets Reisen.
66
Bierter Abschnitt.
men; so mußte er eine Geldstrafe von zweyhundert Ze chinen erlegen.
Solche Beyspiele ereigneten sich aber
sehr selten.
Gerechtigkeitspflege. Das Gesetzbuch, das in Corfu und in den andern venetianischen Inseln eingeführt war , war das römische Recht.
Der Generalproveditor besaß die höchste richters
liche Gewalt ; er konnte nicht nur in Civilsachen , son dern auch über Leben und Tod der Insulaner entscheiden. Bar man mit feinem Urtheil nicht zufrieden, so hatte. man noch in allen Prozessen das Mittel , an die verschie denen Tribunale in Venedig appelliren zu können. Dann konnte man aber zum wenigsten gewiß seyn , daß durch langsamen Gang der Sache , sowohl der Kläger , als auch der Beklagte ruinirt wurden. Deffenungeachtet er griff man dieses Rechtsmittel sehr oft in Civilprozeſſen, aber sehr selten bey criminellen Vorfällen.
Eine schäd
liche Nachsicht, deren Beweggrund der niedrigste Eigennuh war , machte, daß das Schwert der Gerechtigkeit sich selten über die Schuldigen erhob. Während der ganzen Zeit meines Aufenthalts auf diesen Inseln , wurden nur drey oder vier Todesurtheile gefällt. schrecklichsten Verbrecher ,
Sie trafen die
die deffenungeachtet dem Tode
würden entgangen seyn, wenn sie gehörig große Summen håtten zahlen können , oder wenn sie ihre Schandthaten an· Fremden ausgeübt , oder die Regierung den Unwillen der Einwohner nicht håtte befürchten dürfen.
Vor uns
gefähr fünf und dreyßig Jahren wurde im Canal son Corfu die Mannschaft eines fremden Schiffes von Leuten
67
Beschreibung der Insel Corfu.
aus der Burg Manduchio , an deren Spitze sich ein Ads licher befand , ermordet.
Man ergriff bernah alle Mör-
der und auch den Adlichen .
Durch Bezahlung einer
großen Summe verschaffte sich der Lette sogleich wieder seine Freyheit ; bey den andern, die nur weniger geben konn= ten , verwandelte man die Todesstrafe in Galeerenstrafe auf einige Jahre, und nur ein junger Bauer, der vielleicht die wenigste Schuld hatte , wurde hingerichtet , um doch einigermaßen den Geſetzen Gen❀ge zu leisten .
Der að-
liche Anführer dieser Mörderbande mußte sich bloß auf einige Zeit aus dem Lande entfernen. Sein Mantel, den man am Bord gefunden, und wodurch man ihn entdeckt hatte, wurde in der Kanzley des Generals aufgehoben, und dem jedesmaligen Nachfolger übergeben.
Auf diese
Art wurde seine Familie gezwungen , jährlich einen Tria but zu entrichten , damit die Sache nicht von neuem wies. der aufgewärmt würde.
Håtte man diese Strafbaren
nach Venedig geschickt , so wåren sie gewiß dem Tode nicht entgangen ; denn die venetianische Politik hätte eine solche Nachsicht, wodurch ſie compromittirt werden konnte, nicht zugelassen. Die Gerechtigkeit schlummerte indeß nicht immer so anf diesen Inseln.
In den Zeiten , wo außere Gefahs
ren die Verwalter derselben von ihrem Mißbrauch abhielten, sah man sie den Gesetzen gemåß handeln.
Sonst
find die Zeiten des Krieges für die Völker sehr traurig ; hier fand unter der venetianischen Regierung das Gegens theil statt.
Der Friede war für die Jusulaner nicht die
glückliche Zeit der Sicherheit und der innern Ruhe ; Misbräuche und willkürliche Eingriffe « nahmen dann durch € 2
68
Wierter Abschnitt.
die Nachlässigkeit oder schändliche Politik des venetianischen Senats aufs schrecklichste überhand ;
denn er bes
kümmerte sich nur dann ernstlich um diese Juſeln , wenn Gefahr war ,
ihren Besitz verlieren zu können .
Die
Gouverneurs ,
denen man in solchen Zeiten das Kom-
mando übertrug , waren Senatoren , die durch ihre Mos ralität und ihre Kenntnisse sich auszeichneten , und deren Richtschnur eine Bürgschaft war , daß sie aus Eigennuß Den anvertrauten Posten nicht verrathen würden.
Bey
ihrer Rückkunft nach Venedig mußten fie überdies Res chenschaft von ihrer Verwaltung geben , und sich öffents lich gegen die Klagen und Beschuldigungen der Insulaner verantworten.
Dieser Gebrauch war das sicherste Mits
tel allen Mißbrauchen vorzubeugen.
Alles dies hat sich
bald geändert; das Gesetz , nach dem der Generalproveditor von seiner Verwaltung Rechnung ablegen soll , ist in Vergessenheit gerathen , und dem unterdrückten Insu laner gewährte man kein Gehör , um die Gerechtigkeit des Senats anflehn zu können.
Wenn es in den letzten
Zeiten auch einige Oberbefehlshaber gab ,
die von den
schrecklichen Verbrechen ihrer Vorgänger und Nachfolger frey waren , so beförderten sie doch durch ihre Sorglosigkeit und Unerfahrenheit , die sie den hånden ihrer untreuen Minister überlieferten ,
dieselben Unordnungen.
Als dem venetianischen Senat luft eines Theils seiner Lånder ,
durch
den
Ver-
und den Verfall der
Marine , die Gelegenheiten zur Versorgung seines zahle reichen, vom Glück nicht begünstigten, Adels sehr vermins dert ward , vertheilte man die Regierung dieser Inseln
Beschreibung der Insel Corfu.
69
und der andern Besitzungen in der Levante, unter eineMenge venetianischer Patrizier, die unter der Aufsicht des Generalproveditor standen.
Diese Agenten, die nicht allein
arm , verschuldet , und mit großen Familien verbunden waren, sondern überdies noch den thörichten Dunkel hats einen ihrer patrizischen Würde gemäßen Aufwand führen zu müſſen , ſuchten nur bey ihrem mittelmäßigen Gehalt, der zu dieſen Forderungen nicht hinreichte , alle Mittel zur Bereicherung hervor , sie mochten nun recht oder unrecht seyn.
Sie berechneten schon vorher, ehe fie
die ihnen anvertrauten Posten antraten , wie viel sie ere werben könnten , und benußten nachher jede Gelegenheit desto begieriger, da die Verwaltung ihres Amts nur bes stimmte Jahre dauerte.
Daß ein solches Amt zum Bes
ften der Unterthanen , und nicht zu ihrem Vortheil ers richtet sen, kam ihnen nie in den Sinn. Jedes Jahr machte der Generalproveditor eine Reise nach allen Inseln , unter dem scheinbaren Vorwande, die Verwaltung der verschiedenen Gouverneurs zu untersu chen , eingeschlichenen Mißbräuchen abzuhelfen , und deu Jusulanern zu ihrem versagten Recht zu verhelfen. Diese Reiſen geschahen mit vielem Pomp , und waren in der That nichts weiter, als eine Spekulation, auch die Eina wohner der andern. Inseln in Contribution zu sehen. Eine der reichlichsten Quellen für die Habsucht dieser Gouverneurs waren die Untersuchungen , die unter dem Vorwande des Staatsinteresses angestellt wurden. Man kennt das schreckliche Tribunal und die grausamen Prozeduren der Inquisition von Venedig ;
dieses Amt
verrichtete auf diesen Inseln der Sekretair des Generals
Bierter Abschnitt .
70.
An den Eingängen seines Hauses war in der Mauer ein verschloßner Kasten angebracht, wozu nur proveditor.
er den Schlüssel hatte.
In diesem konnte jeder Denun
ciationen, die er unterschreiben mußte, ohne Gefahr vers rathen zu werden , hineinstecken.
Auf diese Art wurde
oft der rechtschaffenste Mann unvermuthet , und ohne den Urgeber und die Ursache seines Unglücks zu wissen , in den Schlund der Inquisition gestürzt.
Geld war hier
der Köder, womit man den Cerberus einschläfern konnte; der Sekretair bestimmte selbst die Summe , die für ihn Der und ffür den General ausgezahlt werden mußte. Unglückliche hatte nachher noch den Schrecken , daß ihm unter Bedrohung von Todesstrafe ewiges Stillschweigen aufgelegt wurde ; und so konnte er dann in den Schooß seiner Familie zurückkehren.
Die Inquisition von Venedig unterhielt auf den Inseln eine unzählige Menge geheimer Spione , die nicht allein die Insulaner , sondern auch die Mitglieder des Gouvernements beobachten mußten. Die Zahl solcher nie des Verfalls driger Agenten Thermometer dorbenheit, Schwäche ist wohl und das sicherste eine er der Ver-
Regierung. Zuweilen fchickte der Senat auch Staatsinquifitoren nach den Juseln.
Ihre Sendung , die Folge einer
geheimen Politik, erfüllte alles mit Schrecken.
Sie was
ren eine wahre Geißel für die Insulaner ; ohne ein äuße res Kennzeichen zu tragen, verbargen sie selbst ihren Charakter.
Sie waren mit der größten Macht versehn, und
ihr Despotismus kannte keine Grånze. Alles war zu Venedig für Geld zu haben ; die ge= ringsten Aemter wurden verkauft , nur die nicht, die für
71
Beschreibung der Insel Corfu.. die venetianischen Patrizier bestimmt waren;
diese sah
man übrigens bloß als Mittel an , den verarmten Fami lien aufzuhelfen, und ihnen Gelegenheit zur Bereicherung zu geben.
Daher entstanden die Räubercyen und Plünde
rungen , deren Opfer die armen Insulaner waren. Wie weit die Habsucht des Gouverneurs auf den Inseln gieng , läßt sich schwerlich beschreiben.
In Zante war ich Zeuge, wie Landleute sich die Freyheit, einen gewissen Mord zu begehen, im voraus von einem Proveditor erkauften.
Ich habe einen Tarif
für die Erlaubniß Waffen tragen zu können gesehn ; für ein Gewehr mußte dreymal mehr bezahlt 1 werden , als für ein paar Pistolen, für diese wieder mehr als für einen Dolch.
Ich sah einen Proveditor, der sich von Unglück-
lichen , die feine Geldgierde in Ketten hatte schmieden lassen, die Erlaubniß erkaufen ließ , den Körper eines ihrer Gefährten beerdigen zu dürfen, der schon zwey Tage Gefahr seßte. todt ar , und dessen Fäulniß ihr Leben in Ich war Augenzeuge , wie das eben so barbarische Weib dieses Kannibalen eine weinende Mutter , die mit sechs jungen Kindern zu ihren Füßen lag , von sich stieß , weil fie um die Befreyung ihres Mannes aus dem Gefångniſſe weil er zwölf bat, i das er war geworfen worden , n e r n l e h t l nte ; wovon r drey Tha e a h n e z c o d f e i o k b n e r die Hälfte von seiner Excellenz mit der Verpflichtung erborgt hatte, den doppelten Betrag in Früchten wieder zu erstatten,
deren Preis willkürlich bestimmt wurde.
Man nahm diesen Unglücklichen alles, bis auf ein Brot von zwey Pfunden.
Fünfter Abschnitt.
72
Aus Schonung für meine Leser, will ich nicht mehr dergleichen Geschichten anführen, von denen mir eine ununzählige Menge zu Gebote stånde. Der eben so unkluge als grausame Grundsatz der venetianischen Aristokratie war :
die Provinzen so viel
als möglich von der Hauptstadt entferut zu halten , und zwar in einem Zustande der Unterjochung und moralischer Abstumpfung , damit ihr knechtischer Gehorsam gesichert wäre, und ihnen gar nicht einmal der Gedanke an die Abschüttelung des Joches einfallen könne. Hiernach wird man sich gar nicht wundern , wenn die größten Unordnungen auf diesen Inseln herrschten; sich jeder selbst Recht zu schaffen füchte ; ganze Familien in dffentlichem Kriege lebten ,
und um eine Kleinigkeit
Personen zu bekommen waren , lich aus dem Wege schafften.
die den Gegner heims
Jeder folgte seinen Leidens
schaften.
Fünfter
Abschnitt.
Kriegsmacht.
Corfu , die Hauptinsel der Republik Venedig, war zugleich auch der Land
Vereinigungsort ihrer
levantiſchen
und Seemacht. Das Jugenieurcorps, die Artillerie, und die italidz
nische und sklavonische Jufanterie bildeten zusammen die Garnison. Das erste Corps bestand aus Offizieren , Compagnien eingetheilt waren.
die in
Sie fiengen vom Fähns
Beschreibung der Insel Corfu.
73
drich an und stiegen so zu den höhern Posten , die alle nach dem Alter des Dienstes auf gleiche Art mit den Offis ziersgraden der andern Truppen rangirten.
Diese In-
genieurs erhielten ihren Unterricht in der Militairſchule zu Verona.
Ihre Aufnahme in dieses Collegiunt follte
eigentlich eine Belohnung für die Dienste ihrer Familien feyn , war aber meistentheils nur die Folge von Begüns ſtigung und Familienverbindungen. den
Auf diese Art wur-
auch größtentheils die Offiziersfiellen der anderu
Truppen besetzt.
Nachdem diese militairischen Eleven,
den zu ihrem Fache gehörigen Unterricht einige Jahre hindurch erhalten hatten , mußten sie sich in Gegenwart der weisen Männer oder gran Savi
) , (du fage- grand
de Veniſe) , der das Kriegsdepartement verwaltete, einer Prüfung unterwerfen.
Ihre hierin bewiesenen Talente
und Fortschritte sollten über ihre Aufnahme in den Dienst entscheiden.
Die sich durch Talente am meisten auszeich
neten , oder am meisten begünstigt wurden , kamen zum Ingenieurcorps , das die größten Besoldungen und vora zügliche Achtung genoß. Diese Ingenieurs waren in den festen Plätzen der Republik vertheilt.
Sie besorgten die Ausbesserung und
Erweiterung der Festungswerke , und selbst den Bau der Unter diesem Namen war sonst ein wichtiges Collegium vorhanden, das aus sechszehn Personen bestand. Alles was im großen Rath von Venedig beschlossen ward , mußte vorher von ihnen geprüft und überlegt werden. Von den weifen Männern wurden alle Verordnungen des Senats ausgefertigt, sie hatten die Aufsicht über die Armee und gen Staatsa das Seewesen , und ihr Einfluß auf alle wichtigen sun s e t l e r angelegenheiten war sehr groß.i Vo . le Br über die Statistik. Erster Theil. S. 251 c.
Fünfter Abschnitt.
74
anstoffenden Häuser ,
die dem Gouvernement gehörten.
Die Kosten, die sie in ihrem Anschlage forderten , ließ man ihnen ohne strenge Prüfung reichen ;
oft forderte
man ihnen nicht einmal den Riß zu dem zu errichtenden Werke ab.
Diese Nachlässigkeit begünstigte die großen
Verschleuderungen die dem öffentlichen Schatz ſehr zur Laſt fielen.
Die zwölf Ingenieurs die sich zu Corfu befan-
den , wurden nach Erforderuiß der Umstände , oder nach der Caprice des Generals oft nach den andern Inseln geschickt.
Er verschaffte ihnen dadurch Gelegenheiten sich
etwas erwerben zu können .
Sie mußten ihn auch zu-
weilen auf seinen Reisen begleiten , von denen fie aber gar keinen Nutzen hatten.
Der größte Theil der In=
genieurs erwarb sich in wenigen Jahren ein ansehnliches Vermögen , und deshalb wurde die Aufnahme in dieses Corps fehr gesucht. Auf diese folgte die Artillerie.
Davon stand ein
Regiment von neun Compagnien , jede von funfzig Mann, in Corfa.
Außer der Sorge für den Unterhalt und für
die Dienstübungen der Soldaten harten die Offiziere noch die Aufsicht über die Geschütz- und Munitionsmagazine. Am Bord der Kriegsschiffe wurde ihnen auch die Befor gung des Pulvers und der Artillerie anvertraut. Die italianische Infanterie bestand aus neun Regimentern , deren jedes so viele Compagnien und MannMan theilte als ein Artillerieregiment.
schaft hatte ,
dieseInfanterie in Provinzial- und geworbene Regimenter Die ersten führten den Nas ven unbestimmten Namen. men von den Städten , wo sie im Kriege errichtet waren. Ihre Zahl stieg auf viere, das Regiment Verona, Padua,
Beschreibung der Insel Corfu. Rovigo und Treviso. Vorrecht,
75
Diese Städte hatten noch das
die vakanten Stellen dieser Regimenter mit
ihrem Adel beseßen zu können.
Diese. Offiziere genoffen
auch immer den Vorzug , wenn sie sich mit andern von gleichem Range um höhere Grade bewarben. Die geworbenen Regimenter erhielten ihren Namen von dem Obersten , der an ihrer Spite stand.
Jeder
vornehme venetianische Unterthan oder Ausländer konnte diese Stelle erhalten.
In Ansehung der Uniform fand
zwischen ihnen und den Provinzialregimentern kein Unterschied weiter statt ,
als daß der jedesmalige Anfangs,
buchstabe des Obersten auf dem Rücken der Soldatens montur genäht
Diese Soldaten wurden zum See -
und Landdienst gebraucht. Ferner befanden sich in Corfu zwey Regimenter Sklavonier ,
die Anzahl ihrer Compagnien und ihrer
Mannschaft war beyuah dieselbe, Regimentern. diese ;
wie bey den andern
Sie genoffen eine größere Achtung als
die sie vielleicht in frühern Zeiten , jeht aber so
wenig, wie die erstern verdienten. gens derselbe.
Ihr Dienst war übri-
Die Art, wie anfänglich die sklavonischen
Compagnien gebildet wurden ,
konnte dazu beytragen,
daß sie Soldaten hatten , die sich , wenn auch nicht im Mandvriren , doch in der Bravour und in Subordination auszeichneten. Jeder Capitain errichtete seine Compagnie, Sie nahmen und rekrutirte sie in seinem Vaterlande. 13 Sie nur junge Leute an, die sie kannten, und diese begaben sich gern unter die Befehle eines Landsmannes , deffen guter Behandlung sie überzeugt waren.
von
Der Solz
dat, der wieder zu den Seinigen zurückkehrte , wurde nur
Fünfter Abschnitt .
76
dann gut aufgenommen und von seinen Bekannten geachtet , wenn er ein gutes Zeugniß von seinem Chef mits brachte.
Dieser nützliche Gebrauch ist nach und nach ganz
abgekommen.
Die flavonischen Regimenter werden wie
die übrigen zusammengebracht.
Der größte Theil der
Soldaten waren zwar Sklavonier , sie wurden aber, ohne Rücksicht auf ihre vatcrländische Gegend, angeworben, und mit Ausländern vermischt.
Alle diese Truppen wurden aus den italianischen Städten der Republik rekrutirt.
Auf der Insel Lido,
die ungefähr anderthalb Meilen von Venedig entfernt liegt, sammelte man die Rekruten , die nach der Levante bestimmt waren.
Sie konnten selten gute Soldaten ab-
geben ; denn größtentheils waren es Deserteurs aus be nachbarten Staaten ; oder Verbrecher , lebenslänglich dienen mußten. sund , und
die zur Strafe
Viele waren schon unge-
die tauglichern verloren durch die schlechte
Nahrung , Unreinlichkeit ihrer Quartiere , und durch das ungewohnte Elima ihre Gesundheit.
Alle zwey Tage
Bekam jeder Soldat drey Pfund schwarzen Schiffszwieback, und ungefähr vier Sous nach französischem Gelde.
Die
Kleidung, die sie erhielten, bestand in einem Hemde von der gröbsten Leinewand ; in einem Rocke, Weste und Beinkleidern von schlechtem Tuche : in wollenen Strümpfen, die oft schon getragen waren ; in Schuhen , die aus dem schlechtesten Led gemacht wurden, und in einem ledernen
Kaſket. Die Uniform der Artillerie war eisengrau , Aufschläge schwarz , Weste und Beinkleider gelb.
die
Beschreibung der Insel Corfu.
77
Die italianische Infanterie hatte weiffe Röcke mit blauen Aufschlägen . Die sklavonische Uniform war eine Mischung von Der Rock bestand
levantischer und ungrischer Tracht.
in einem langen Ueberrock, der über die Waden reichte, und war
dunkelrotly; die Weste, ein Gilet mit zwey
Reihen Knöpfen besetzt ,
und die Beinkleider lang und
anliegend ; beyde Stücke waren blau.
Die Stelle der
Schuh und Strümpfe vertraten kleine Halbstiefeln ; auf dem Kopf hatten sie eine Filzmüße, die mit schwarzem Tuch überzogen war , und an der seitwårts ein rother Zeuga lappen herabhieng. Jeder Soldat hatte auch einen kleinen Mantel, und statt des Bettes eine wollene Decke zum Einhüllen. Alle drey Jahr bekamen sie neue Montur , und in den Cafernen und Quartieren , die größtentheils nur aus Ruinen bestanden , herrschte die größte Unsauberkeit. Die Republik verwandte so viel auf das Militair, daß die Soldaten eben so gut wie bey andern Nationen in Löhnung und Kleidung hätten können gehalten werden . Dieser Verfall und das Elend der Truppen entstand daher nur aus der hier überall herrschenden Verkäuflichkeit, aus dem geringen Eifer ,
der Unerfahrenheit und Un- 、
fähigkeit der Personen , denen die militairische Verwaltung anvertraut war.
Den Zwieback für die Truppen lieferte gewöhnlich ein Jude; nach dem Cóntrakt follte er ihn zwar von der bestén Art anschaffen, dazu hinreichend ;
und die bewilligte Summe war
da er aber dem venetianischen Nobili,
der ihm die Lieferung zugewandt hatte, eine ansehnliche
78
Fünfter Abschnitt .
Summe und noch andern Personen Geschenke geben mußte, so konnte er ihn nur von der schlechtesten Sorte liefern, wenn er einigen Gewinn haben wollte.
War er nicht
schon aus verdorbenem Mehl zubereitet , so verdarb er doch gewiß in den Magazinen zu Venedig ,
wo man ihn
eine lange Zeit liegen ließ , ohne die gehörige Vorsicht anzuwenden , das Verderben zu verhüten.
Den Zwie-
back des heiligen Markus hielt mag sonst für den besten auf der See ; er erhielt sich lange , ohne zu verderben, wenn er nur trocken aufbewahrt wurde , und hatte überz dies einen beffern Geschmack und gab beffere Nahrung, als andere Gattungen.
Er sah schwarz aus , war nicht
wie der französische in dünne Kuchen , sondern in dicke Stücke
gebildet und hårter gebacken als dieser , daher
er beym Anfeuchten auch mehr aufschwoll. Seine Zu? bereitung wurde von der Regierung eben so geheim gehalten , als die Operationen in ihren Glasfabriken. Die Arbeiter, die in den dazu eingerichteten Bäckereyen ange= stellt waren , durften auch eben so wenig wie die Glasarbeiter aus der Stadt herausgehn.
Man hat Beweise,
daß sich dieser Schiffszwieback viele Jahre erhalten hat, ohne zu verderben ; er ließ sich daher am besten zur Verproviantirung einer Festung gebrauchen.
Die Soldaten bekamen nicht allein schlechtern Zwies back als ihnen bestimmt war, sondern nicht einmal die. gehörige Quantitåt ; denn die Capitains , die den Sold und die Lebensmittel für ihre Compagnien auf einen ganzen Monat bekamen und sie nach und nach austheilen follten , behielten immer einen Theil davon zurück.
Beschreibung der Insel Corfu.
79
Mit den Montirungsstücken gieng es eben so. Die Regierung bezahlte für gute , und schlechte wurden ausgetheilt. Alles was der Soldat während den drey Jahren, ba er wieder neu gekleidet wurde , brauchte , mußte er sich von seinem Capitain geben lassen.
Dieser zog den
Werth von der Löhnung ab ; und so blieb dem Soldat oft nichts als sein Zwieback übrig , der zu ſeiner Erhaltung nicht zureichte.
Trieb er irgend ein Gewerbe , um sein
Leben zu fristen, so mußte er seinem Offiziere von dem Ertrag etwas für die Erlaubniß abgeben , auch den bea zahlen, der seine Dienste verrichtete.
Unter gleichen Bes
bingungen dienten viele in den Häusern als Dienstboten, oder arbeiteten auf dem Felde.
Die nichts weiter hatten,
als die kleine Entschädigung , die sie von denen bekamen, deren Dienste sie verrichteten , lebten im größten Elende, das fie oft zu Verbrechen verleitete.
Sie konnten sich
zu ihrer Nahrung nichts weiter anschaffen , als etwas
salznen Kåse und rohes Gemüse oder Zwiebeln.
Sie
waren sehr froh, wenn sie sich etwas zu einem Glase Wein ersparen konnten , um auf wenige Augenblicke ihren Verstand und das Gefühl ihrer Leiden zu vertrinken.
Zu dieser elenden Kost gesellte sich auch die Unreins lichkeit; sie hatten kein Hemde zum Wechſeln und schliefen meistentheils auf bloßer Erde , da sie ihre Mäntel vera kauft hatten.
Aus dieser Lebensart mußten natürlich
viele Krankheiten entstehn , die ihr Elend noch vermehrten, Man sah daher selten , daß ein Soldat gesund von der Armee kam,
80
Fünfter Abschnitt.
Die Regimenter hatten keine Feldscherer , folglich auch keine Feldapotheken ; es war daher unmöglich einem Bleſſirten oder Kranken schnell Hülfe zu leisten.
Sie
mußten erst viele Lage schmachten , eheſie in ein Hospital gebracht werden konnten.
Diese schienen auch mehr für
die Bereicherung ihrer Verwalter eingerichtet zu seyn als für die Erhaltung des Lebens derer , die das ihrige für den Staat aufgeopfert hatten.
Das Hoſpital in Corfu
lag am Ufer des Meers in einer Tiefe , wo die Luft nicht Es war in verschiedene, sehr nies.
zum gesundesten war.
drige Såle abgetheilt , durch deren kleine Fenster kaum etwas frische Luft eindringen konnte.
Die Lager bestans
den aus Stroh und einer Matte , ohne Linnen und Vors • Auf die Verschiedenheit der Krankheit nahm
hänge.
man gar keine Rücksicht.
Die erste Medizin die jedesmal und dieser Befehl vorgeschrieben wurde , war die Diát ; des Arztes wurde mit der schrecklichsten Pünktlichkeit bes folgt.
Theure Arzneymittel waren gänzlich verbannt
Die Såle wurden sehr selten gereinigt.
Vier oder fünf
Soldaten von der Wache , die am Eingang des Hospitals standen , bedienten die Kranken ; wofür sie etwas weniges erhielten.
Der Soldat, der ins Höſpital kam, er-
hielt von dem Tage an weder seine Portion Zwieback, noch seine Löhnung ;
beydes erhielt der Administrator.
Kas
men sie etwa wieder gesund heraus , so hatten sie dies einzig und allein ihrer Natur und nicht der genoffenen Hülfe zu verdanken.
Der
Grund
dieser elenden Ves
fchaffenheit des Hospitals lag noch darin , daß der Vors steher desselben , seine Unterbedienten und selbst die Ges fundheitsoffiziere ihre Stellen erkaufen mußten,
Beschreibung der Insel Corfu.
81
Ich will jetzt zu dem militairischen Dienst übergehn, Zu den , was ich schon von den Ingenieurs geſagt habe, kann ich nichts mehr hinzuſeßen. Der Artillerieoffizier mußte feine Soldaten in den Evolutionen und in der Behandlung der Waffen und der Kanone unterrichten. Musquete
und
Diese Kanoniers waren mit einer
einem Bajonette bewaffnet.
Die fie
kommandirten besaßen selten Diensteifer und die erforder= lichen Kenntniſſe.
Die Hoffnung , sich unter seinen Ge fährten auszeichnen zu können , die besonders beyni Milis tair ein großer Sporu ist , fehlte dem venetianischen Offiziere gänzlich.
Er mochte seinen Dienst schlecht oder gut
versehn, so ward er deswegen nicht mehr und nicht we niger geachtet.
Von solchen Truppen ließ sich daher nur
wenig erwarten ,
und die Republik konnte daher nur
durch ihre Politik mit den benachbarten Mächten den Fries Den erhalten. Das Avancement gieng nach dem Alter des Dienstes. Zuweilen erhob der Senat auch wegen einer auszeichnen den Handlung einen Offizier zu einem höhern Grade ; so daß er den Titel und die Einkünfte desselben genoß , ohne die höhere Stelle wirklich zu bekleiden. Sobald eine Capitainsstelle erledigt wurde, mußten sich die Offiziere , die darauf Anspruch machen konnten, einer öffentlichen Prüfung vor einem Major , Obristlieutenant und Obristen
unterwerfen ,
und Beweise von Cou nte r=" ihren theoretischen und praktischen Kenntnissen ablegen, erercierett. und eine Compagnie Die Candidaten ließen nicht , schon vorher ihren Richtern die Cour gu mauen und alle mus Mittel anzuwenden , ihre
Graffers Reisen .
$
82
Fünfter Abschnitt.
Gunft zu gewinnen.
Die abgelegten Proben wurden
von den Richtern mit vieler Nachsicht beurtheilt ; der Bewerber brauchte nur etwas Dreiftigkeit zu zeigen und er ward aufgenommen. Eben ein solches Examen stellte man auch bey der Erledigu. einer Majorsstelle an. erstreckte sich dann auf die militairische Taktik , auf die Vertheidigung und den Angriff der Festungen , der Låger, und über die verschiedenen Positionen vor dem Feinde, Diese Prüfung endigte sich mit dem Mandoriz
u. s. w.
ren eines ganzen Bataillons. Der neue Major hatte ww übrigens von seinen Richtern nicht mehrere Strenge zu befürchten als der Capitain.
Die Nachlässigkeit und Uns
wissenheit der höhern Staatsoffiziere , die bey dem Avancement entschieden , ermunterte die Bewerber eben nicht sehr ihre Kenntniffe zu zeigen.
Sie stiegen so nach und
nach zu den obersten Graden ohne mehr zu wissen , als fie in den untersten gewußt hatten.
Was konnte man
nun von dem gemeinen Mann erwarten, da die , welche fie bilden und kommandiren sollten , so unwissend und nachlässig
in
ihrem Dienste waren ?
Die Republik
Venedig hatte für ihre Truppen die Grundsäge und Marimen des Grafen Schulenburg angenommen.
Dieser General hat in einem Werke , das den Titel : le Maréchal
führt, die militairische Taktik vom Dienste des gemeinen Mannes an , bis zu dem des Generals aufs umstånda lichste abgehandelt.
Dieses Werk follte jeder venetianische
Offizier besitzen und studieren.
Wenn die Rekruten in Venedig angekommen waren, so wurden sie sogleich unter die Compagnien der vers schiedenen Regimenter vertheilt,
Man gab dann dem
Beschreibung der Insel Corfu.
83
italianischen Infanteristen seine Flinte und Bajonett; dem Artilleristen , wie ich schon gesagt habe, eine kurze Musquete.
Der Sklavonier erhielt außer der Flinte
einen langen , schweren Såbel , der ihn im Exerzieren sehr hindern mußte.
Der so bewaffnete Rekrute wurde
mun , ohne weitery Aufschub wie Soldat zum Dienst gebraucht.
der best unterrichteste
Die Sorge seiner weitern
Ausbildung überließ man dem Corporal feiner Compagnie. Dieser konnte beym besten Willen ihn nicht mehr lehren, als er selbst wußte ; was gewöhnlich nicht vom Belang war.
Hieraus kann man sich schon die Unordnung und
Berwirrung vorstellen ,
die bey dem Mandvriren eines
ganzen Corps herrschte. Der Soldat war ganz unſchuls dig bey den F die er in den Evolutionen machte, da er sie oft gar nicht einmal dem Namen nach kannte ; und doch ließ der Offizier , um seine eigne Unwissenheit den Augen des Publikums zu verbergen , so einen Uns glücklichen deshalb aufs årgste fuchteln. Hunger und die schlechteste Behandlang die sich nur denken läßt , waren das Loos des venetianischen Soldaten, während der sechs Jahre , sollte.
die seine Kapitulation dauern
Wer sich den Abschied erkaufen wollte,
mußte
sechs Zechinen geben , und doch wurde er dafür nicht Selten ward der Soldar nach einer immer bewilligt. Selten sechsjährigen Dienstzeit losgelassen.
Die Geldprellerey
des Capitains beraubte ihn von neuem seiner Freyheit. Sie schoffen ihm , wie schon oben erwähnt worden , seine Bedürfnisse vor ; und nicht genug daß sie schon hierbey ihren Gewinn hatten , brachten sie es auch dahin , daß bie Soldaten beständig ihre Schuldner waren , und keine
$ 2
Fünfter Ubschnitt.
84
Hoffnung zur Befreyung hatten.
Forderte der Soldat
deffen ungeachtet nach Verlauf der sechs Jahre seinen Abfchied , so mußte er entweder auf der Stelle seine Schuld bezahlen , oder von neuem ſich unter das Joch schmiegen. Die Furcht den kleinen Gewinn zu verlieren den die Compagnie Chefs von jedem Soldaten machten, gab zu dieser schändlichen Art von Prellerey Veranlassung. fernung der Juseln von der Haupthadt a dern Betrügereyen Gelegenheit.
Die Ents) { noch zu ans
Starb ein Soldat , dez
fertirte er oder kaufte er sich los , so blieb sein Name dennoch drey bis vier Monate auf der Liste der Dienste: thuenden Soldaten , und der Capitain zog die ganze Zeit hindurch seine Löhnung Compagnien gefehn ,
und Brotportion.
Ich habe
die nur aus funfzehn Mann bez
ſtanden , nnd doch ward der Sold und die Portionen volks ständig ausgezahlt.
An die regulirten Truppen welche die Republik zu Corfu unterhielt , schloß sich die Bürgermiliz .
Es war
ein Corps von fünfhundert Mann , die aus der Klaſſe der Handwerker genommen und von Landadlichen befehligt wurden. linge.
Sie nannten sich Scolari , militairische LehrSie bekamen keinen Sold und keinen Proviant,
nur von der allgemeinen Steuer wurde ihnen etwas era lassen.
Ihr ganzer Dienst bestand darin ; daß sie den
Artilleristen bey dem fonntåglichen Mandøriren mit den Kanonen etwas Hülfe leisteten. Sie atten keine Uni form , und jeder konnte sich auf seine Kosten bewaffnen, In den Fällen wo die Anzahl der regulirten Truppen für den Dienst nicht zureichte,
war die Bürgermiliz vers
Beschreibung der Insel Corfu. pflichtet sich zu stellen.
85
Jeder Soldat bekam dann tåg-
lich ein Pfund Zwieback.
Die Dorfschaften formirten Miliz.
auch eine besondere
Sie waren in Compagnien getheilt,
die von
Infulanern kommandirt wurden , deren Chef gewöhnlich ein verabschiedeter Obrister war. fich Cernide.
Diese Miliz nannte
Sie stand auf demselben Fuß als die Bürs
germiliz ; and ward besonders zur Erhaltung der Sicherheit und Ruhe im Innern der Jusel gebraucht. In Corfu hielt fich ein Generalsergeant und mehrere Brigadiers auf; von denen einer die Verrichtungen des Commandanten der Festung versah.
Selten schickte hiera
zu die Republik einen Generallieutenant.
Der Senat
bewilligte diesen Offizieren der Armee nach der Verschie denheit ihres Grades , eine gewisse Anzahl Freywächter. Diese Soldaten existirten nicht, ihre Unterhaltungskosten und Sold war aber jenen als ihr Gehalt angeschlagen. In den Landtruppen diente kein venetianischer Edelmann, nicht so wohl wegen der geringen Achtung in der sie stans den,
als weil das Gouvernement sich fürchtete einem
Theil seiner Mitglieder eine solche Macht in die Hände zu geben.
Ueberall karakterisirte Mißtrauen die venetia-
nische Politik. In Corfu war gar kein Arsenal zur Verfertigung, auch
nicht einmal zur Ausbesserung der Kriegsgeråthi
ſchaften. geschickt ,
Venedig Alles bis auf die Lavetten mußte von V in den Magazinen verschloffen werden. und
Ein großer Theil der Festungsartillerie war nicht einmal mentirt
er
Fünft
86
nitt
Absch
.
Der venetianische Truppenetat zeigte den Nachbarn am deutlichsten , wie friedlich die Republik gesinnt warer reichte bloß bin die Unterthanen im Gehorsam zu erz halten , die so schon durch die geheimen Operationen einer grausamen
und im Dunkeln handelnden Regierung in
knechtischer Furcht und Schrecken lebten. Kunſt and Natur haben zur Vertheidigung und zur Festigkeit von Corfu das Ihrige beygetragen.
Die im
Schatz des heiligen Markus verschlossenen Reichthümer hätten der Republik Truppen und Generåle verschafft, wenn sie
einen mächtigen Nachbar
hätte befürchten
müſſen.
2 eemacht. Nach dem Verluste von Cypern , Candia und Morea wurde Corfu natürlicherweise zum Vereinigungsort der venetianischen Seemacht in der Levante erwählet. Sie war in zwey Eskadren getheilt ; die erste hieß armata futtile ; fie bestand aus Galeeren , Galioten und andern kleinen Ruderfahrzeugen : die zweyte hieß armata groffa
und bestand aus Kriegsschiffen , Fregatten und
Schebecken. Die Armata futtile behauptete , als die älteste, den Vorrang ; ihr Ursprung verschwand in den frühsten Zeiten der Schifffahrt.
Die Beschaffenheit der Küsten und der
verschiedenen Ankerplåge der venetianischen Seestaaten hatte ihre Beybehaltung unter mancherley Abänderungen veranlaßt ,
da man sie hingegen bey andern Nationen
nach und nach abgeschafft hat.
Ihr Zustand richtete sich
87
Beschreibung der Insel Corfu.
nach dem Steigen und Fallen der venetianischen Macht. In den letzten Zeiten hatte sie wenig zu bedeuten, und man zählte im Hafen von Corfu nur ſechs bis sieben Galeeren, ebensoviel Galioten und einige Brigantinen.
Diese An-
zahl reichte indeß hin, um auf den Kandlen die diese ehes maligen venetianiſchen Inseln unter ſich bilden, die Schifffahrt und den Handel zu schüßen. Die vornehuiſten Offiziere dieser Eskadre , deren Oberbefehlshaber
der
Generalproveditor war , waren
folgende. Der Capitain di golfo ; oder Viccadmiral.
Alle
Jahr gieng er in der guten Jahrszeit mit einem kleinen Geschwader von Galeeren , Galioten und Brigantinen in See ;
um an den Küsten von Dalmazien und im Golfo
zu kreuzen,
Seine viereckige Flagge wehte am großen
Mast. Der Proveditor d'armata , oder Generallieutenant, dessen viereckige Flagge sich am Fockmast befand. Er kreuzte an den Küsten von Albanien und in dem Canal von Corfu. Der Governator degli condannati , Befehlshaber per Verbrecher oder Chef der Eskadre.
Seine Flagge
oder Besansmast.
Ihm war die
wehete vom Hinter
Bewachung der Gewässer zwischen den Jufeln anvertraut. Jede Galeere wurde von einem Capitain, der ein venetianischer Nobili war , kommandirt ; dessen Flagge eine dreyeckige Gestalt hatte. Alle Verzierungen des Vorder-
und Hintertheils
jeder Galeere giengen auf Kosten deffen , der sie kommans dirte , und wurden dem Vorgänger von seinem Nachfol
88
Fünfter Abschnitt.
ger abgekauft.
Manche behielten sich auch etwas den
Bildhauerarbeiten zurück und brachten fie an ihren Haus fern als Trophäen ihres ehemaligen Dienstes an.
Die Admiralgaleere hieß Bastarda , und war viel größer als die andern. Sie wurde nur vom Generalproveditor be und trug immer selbst im Hafen die Ehrenzeichen des Oberbefehlshabers , nåmlich die beyden viereckigen Flaggen am Haupt und Fockmast, und drey vergoldete Laternen am Hintertheil. Befand sich der Capitain di golfo in Corfu , fo wehte seine Flagge nur am Fockmast.
Diese Abstuffung mußte auch unter
allen andern Befehlshabern beobachtet werden , wenn sie mit ihren Obern zusammen stießen.
Mit lächerlicher
Sorgfalt ſuchten ſie diese Kränkung ihrer Eitelkeit zu verz meiden. Die Galeeren waren auf dem Vordertheil mit einem Achtzehn Pfunder und vier Sechs Psündern, die Flanken und das Hintertheil mit Steinstücken bewaffnet.
Die
Equipage bestand aus dreyßig Matrosen ; einer Compagnie, sklavonischer Soldaten , und einigen Artilleristen.
Die
Ruderbänke waren mit hundert und zwanzig bis hundert und dreyßig Verbrechern besetzt, und so bestand die ganze Mannschaft ungefähr
aus zweyhundert und
funfzig
Köpfen. Die Galioten hatten auf dem Vordertheil vier Sechs- Plünder, und waren mit zwey Compagnien sklavonischer Soldaten bemannt, die sowohl Soldaten als Matrosen and Ruderdienste versahen.
Sie hatten keinen
Feldprediger und keinen Schiffschirurgus ,
und wurden
von einem sklabonischen Capitain kommandirt.
Beschreibung der Insel Corfu.
89
n Die Brigantine , eine Art halber Galioten , was ren mit zwey großen Steinstücken bewaffnet , und mit achtzehn Sklavoniern bemannt , die ein Fähndrich kommandirte... Die Uniform der Galeeren war Scharlach; das Unterfutter , die Aufschläge, wie auch die Weste und Beins kleider waren weiß , und diese wie der Hut mit goldnen Treffen besetzt.
Die Offiziere hatten nach der Verſchie-
denheit ihres Grades statt der Tressen , mehr oder weniger reich gestickte Borten.
Jeder von den Schiffscapiz
tains hatte zwey junge venetianische Adliche bey sich, die den Titel führten : Nobili di galera. Die Armata grofa bestand gewöhnlich nur aus sechs oder sieben Kriegsschiffen, von 64 bis 74 Kanonen ; drey bis vier Fregatten von 30 bis 36 und aus einigen Schebecken von 26 bis 30 Kanonen : diese Anzahl ward aber bey der geringsten Bedrohung der Republick vermehrt. Diese Eskadre stand so wie die Galeeren unmit= telbar unter dem Generalproveditor , ihre übrigen Offia ziere waren : der Capitain delle navi , Viceadmiral, der Amirante , Generallieutenant ; und der Patrona , Chef der Eskadre. Alle diese Befehlshaber ließen ihre Flaggen in ders selben Ordnung wie auf den Galeeren wehen. Jeder von ihnen hatte einen Kanzler , der die Verz brechen untersuchte, die auf der Eskadre, in der Division oder auf dem Schiff begangen wurden.
Zur See konnte
von ihren Sentenzen nicht appellirt werden , ſelbſt dann nicht, wenn sie das Leven absprachen.
Fünfter Abschnitt.
90
Die Verwaltung der für die Flotte bestimmten Gelder war einem Jutendanten anvertraut , der Sopra masser hieß.
Alle Commissaire und Schreiber der
zur Eskadre gehörigen Fahrzeuge standen unter seinen Befehlen. Auf jedem Kriegsschiff, jeder Fregatte oder Sches becke befand sich ein venetianischer Edelmann , der den Titel des Governator di nave (Schiffscapitain) führte ; in seiner Ermangelung wurde das Kommando zwiſchen einem Obersten der Landtruppen und einem Seeoffizier getheilt , und der letztere Capitain genannt. Die Uniform der Kriegsschiffe war in allen Stücken wie auf den Galeeren , nur nicht scharlach, sondern dunkelblau.
derCapi Befehlshaber Flotte Der Titel da Mar war die Benennung aller Sie mußten wie der Generals proveditor wenigstens dres Musikanten haben , die ihre Livree trugen; zwey Laufer und zwey Bedienten. Sie hatten auch wie die Generále der Galeeren, zwey junge venetianische Patrizier bey sich. Die Capitaine der Galeere und der Kriegsschiffe durften nur zwey Bedienten haben. Die Marine war das einzige militairiſche Corps, in dem der venetianische Adel seinem Vaterlande dienen durfte. Die sich hierzu bestimmten , wurden in der zu Venedig errichteten Marin : Schule unterwiesen. Aus ihr kamen sie als Nobili di nave 6 di galera auf die Galeere , oder auf Kriegsschiffe.
Sie durften sich gar
keinem Eramen über ihre Fortschritte und Talente unters werfen.
Die Schiffe bestiegen sie nur dann, wenn sich
91
Beschreibung der Insel Corfu. ihre Befehlshaber einschifften ,
und schienen überhaupt
nur zur Vermehrung des Hofstaats derselben bestimmt zu feyn, die ihnen auch auf dem Lande Tisch und Wohnung gaben;
Dieſe Nobili di nave thaten gar keine Dienste,
und der größte Theil von ihnen hatte einen schrecklichen Abscheu vor allen ernstlichen Beschäftigungen,welches wahr= scheinlich von dem nårrischen Stolze herrührte , den man ihnen schon in der frühesten Jugend einflößte.
Sie fas
men von Venedig , ohne die geringsten Kenntniffe von dem Stande zu haben , den sie erwählt hatten, und wie der Dünkel gewöhnlich ein treuer Gefährte der Unwissens heit ist, so glaubten auch sie alles zu wissen.
Ihr gans
zes Verdienst bestand darin , daß ſie mächtigen Familien angehörten. Die Laufbahn als Nobile di nave dauerte vier Jahre, nachher wurde er zum Governator di nave oder der Galeere ernannt.
Er kommandirte alsdann ein Kriegs
fchiff oder eine Galeere , deren einfachste Mandvers ihm oft ein Geheimniß waren.
Er hatte am Bord die höchſte
Macht aber die Equipage und über das Militair. Offiziere mußte er an seinem Tische speisen.
Die
Nachdem
er den Dienst eines Governator di nave drey Jahre lang verrichtet hatte , gieng er nach Venedig zurück , wo er sich mit seines Gleichen um den Posten eines Patrona bewarb, von dem er nachher zum Viceadmiral stieg , und endlich bis zum höchstem Grade der Armata groffa ges langte.
Bey den Galeeren fiengen diese hdheren Grade
mit dem Posten des Governator degli condannati an, und endigten mit dem des Capitain di golfo.
Da, wo
biefe Leute Kenntnisse gebrauchten , mußten sie Hülfe bey
Fünfter Abschnitt.
92
den Subalternen suchen ; nur fahen was nöthig war.
mit deren Augen allein fie Zu diesen höhern Posten,
die viel Aufwand erfoderten , stiegen nur solche Adliche, die sehr reich waren, und bey dem måßigen Gehalte noch das Erforderliche aufbringen konnten. Die Governatori di nave , die nicht so reich waren, vertiefen die Marine, um an einem der Tribunale zu Venedig , oder bey einem Provinzialgouvernement angesetzt zu werden.
Hatten
fie ihr Vermögen verbessert , so konnten sie die Laufbahn der Marine wieder antreten . Di geschah aber selten. Seeoffiziere wurden alle die genannt , die fich mit der Regierung des Schiffs beschäftigten.
Ihr Corps
bestand aus den Capitains, Lieutenants, ersten, zweyten, dritten und vierten Piloten, Pilotinen und den Eleven des Steuerwesens, die sämmtlich unter den Befehlen des venetianischen Adels standen ,
der in der Marine diente.
Seit einigen Jahren hatte ihnen der Senat bewilligt, Uniform ,
aber ohne Treffen tragen zu dürfen.
wurden aus den Kauffartheyschiffen genommen ,
Sie
und er-
hielten ihre Bestellungen vom Seedepartement des großen Naths zu Venedig .
Ihre Anstellung kostete ihnen zwar.
eine ansehnliche Summe , diese wußten sie aber mit be trächtlichen Interessen wieder zu gewinnen , wenn ſie bis zum Capitain gestiegen waren ; denn alsdann hatten sie wie die Capitains der Landtruppen die Vertheilung der Provisionen und des Solds , so wie den Verkauf der ndthigen Kleidungsstücke. Alles was der Matrose brauchte, mußte er von ihnen nehmen, und überdies handelten sie auch mit Wein , Brantwein , Kåse und gesalzenem Fleis sche.
Pickelschöpfenfleisch , das besonders stark abgieng,
93
Beschreibung der Insel Corfu.
bieß Caftradina.
Zu diesem Handel hielten sie sich einen
besondern Unterbedienten, der auch seinen Vortheil dabey bedachte.
Jeder Capitain der Truppen , aus denen die
Garnison bestand, trieb einen ähnlichen Handel; und der Plah dazu war die erste Batterie, die deshalb gar nicht ihrer Bestimmung gemäß zu gebrauchen ware
Von den
Materialien , die am Bord gebraucht wurden, zogen die Capitains auch einen kleinen Gewinn. Der Generalproveditor und jeder Capo da mar suchte sich einen aus seinen Offizieren heraus, dem er das Detail seines Dienstes übertrug ,
welcher Almiraglio,
der kleine Admiral genannt wurde. -
Der dem Capitain delle navi zugeordnete Offi-
zier, hielt sich im Hafen Gouin auf, wo , unter seiner Aufsicht das Kalfatern der Schiffe besorgt wurde. Ez war dies einer der einträglichsten Posten.
Die Erhal-
tung und Ausbesserung derFahrzeuge brachte große Summen ein.
Alle Arbeiter, die er nach seiner Willkühr be-
zahlte , hiengen unmittelbar von ihm ab. ner die Polizey des Hafens , ihm auch.
Er hatte fer-
und der Fischfang gehörte
Die Admiralstelle bey dem Arsenal von
Venedig war der höchste Posten , den diese Capitains ers halten konnten.
Ungeachtet des Verfalls , worin sich die Republik befand , hatte sie doch noch Quellen genug, um eine Marine unterhalten zu können , die ihren Nachbarn Respekt einflößen mußte.
Ihr Territorium war reich an Schiffs-
holz , Hanf, Eisen u. f. w., und so auch an Matrosen. Dieselben Mißbräuche, die bey den Landtruppen herrscha ten , fanden aber auch bey den Schiffsequipagen statt.
FünfterAbschnitt.
94
Der größte Theil der Matrosen waren Unglückliche , die entweder aus Noth oder Verbrechen, oder von dem Arm der Gerechtigkeit zu diesem Dienst gezwungen wurden. Die besten Matrofen dienten auf den Kauffartenschiffen. In Venedig versammelte man alle Matrofen , und theilte sie besonders nach der Gegend , aus der sie her waren, in drey Klassen. Die Schiffe giengen aus dem Hafen Quieto nach Istrien, wo sie ihre Rüftung, Artillerie, und ihre Manns schaft so ziemlich vollzählig aufnahmen. Bey ihrer Ankunft war diese aber immer beträchtlich vermindert. nicht bloß eine Folge der Nachlässigkeit ,
Dies war
sondern eine
Spekulation der Capitains , von denen man nie Rechene ſchaft, noch ein Journal über ihre Fahrt abfoderte.
Obs
gleich die Fahrt nicht von langer Dauer ist , so fuhr man doch in jedem dalmatischen Hafen ein.
Der An-
blick des Landes, die schon ausgestandenen Leiden und die Bedrohung der fünftigen , erregte in den meisten Matrofen die Sehnsucht nach ihrer Freyheit, und der Capitain selbst begünstigte ihre Flucht, wenn sie ihm nur das lies Ben, was sie zu fordern hätten. Die Rationen und Löhnungen der Deserteurs , deren Abgang in den Liſten nicht angegeben wurde, genoß nun der Capitain so lange, bis eine Revue am Bord des Schiffes gehalten wurde.
Die
Generale theilten gewöhnlich diesen Gewinn , und waren daher sehr nachsichtig gegen diese Betrügereien , die man ibrigens auch mit allerhand Scheingründen zu bemänteln abte. So bald die Schiffe auf der Rhede von Corfu geans It waren , eilten die Land
und Seeoffiziere in die
Beschreibung der Insel Corfu.
95
Stadt; und es blieb nur so eine kleine Anzahl Matrosen am Bord , daß sie das Fahrzeug kaum bedienen konnten, wenn je ein Sturm ausgebrochen ware, was man doch besonders auf einer Rhede immer befürchten nuß.
Sie
verließen sich deshalb auf den guten Ankergrund , und auf den Schuß, den der Felsen von Vido gewährt.
Die
neue Garnison wurde sogleich ausgeschifft, und in die Cafernen der Festung einquartiert. Sollte ein Schiff eine weitere Reise machen, so ers nannte der Generalproveditor den Offizier der Truppen und der übrigen Mannschaft.
Dieser Capitain bekam
derr Titel eines Direttore , wenn das Fahrzeug von keis venetianischen Adlichen
nem
bestiegen wurde ,
hatte das Commando über das ganze Militair,
und Man
gab ihm zugleich eine Instruktion über die Einrich und Absicht seiner Fahrt , zeichnete.
die der General unters
Der Seecapitain erhielt auch eine besondere
Instruktion für sich.
Kam es wirklich auf eine kriegeri-
ſche Unternehmung an , so waren die Befehle immer so gestellt , daß man sie nach den verschiedenen Umständen erklären konnte. auf den Offizier.
Die Verantwortung fiel dahn jedesmal Diese elenden Kunstgriffe verriethett
recht offenbar die Schwäche der immer schwankenden und in Furcht lebenden Republik. Da die Herrschaft auf dem Schiffe zwischen dem Direttore und dem Schiffscapitain getheilt war , so ents standen daraus , wenn diese beyden nicht einig waren, oft die verdrüßlichsten Unannehmlichkeiten für das Militair und die Marrosen, und der Dienst mußte folglich dadurch Teiden,
Waren sie einstimmig , so machten sie gemeins
er
Fünft
9.6
nitt
Absch
.
schaftliche Tafel, zu der die vornehmsten Offiziere mit zuges laffen wurden ; waren sie es nicht ; so besorgte jeder für sich ſeinen Tiſch, und die dazu nöthigeProviſion und Fencrung. Der Heerd war gemeinschaftlich.
Ein Soldat kochte für
den Capitain der Landtruppen , und ein Matrose für den Schiffscapitain.
Jede Partey suchte den Kochtopf ihres
Obern am besten zu bedenken und zu vertheidigen , und so kam es in der Küche oft zu heftigen Schlägereyen zwis schen den Soldaten und Matrosen , wobey das Essen vers schüttet wurde , und der arme hungri um sein Offizier Mittagsbrot, und um den Antheil an den Kosten der Zubereitung fam . Der Soldat und Matrose, deren Kost und Kleidung äußerst schlecht waren , mußten sich zu ihrer Lagerstätte irgend einen Winkel im Schiffe aufsuchen.
Die hieraus
entstehenden Uebel wurden noch durch die herrschende Uns reinlichkeit vermehrt , welche die Luft verpestete, die fie, einathmeten.
Man sorgte nicht für ihre Reinigung, fons
dern beschleunigte ihr Verderben durch eine unbegreifliche Unsauberkeit.
Epidemische Krankheiten waren daher auf
diesen Fahrzeugen gar nicht selten. Für Medikamente , die, Verpflegung der Kranken, und für das , was die Leiden der Menschheit in dergleis chen traurigen Zuständen lindern kann , war hier eben so schlecht gesorgt , wie in den Lazarethen.
Jedes Schiff
hatte zwar seinen Chirurgus , aber selten besaß er die erforderlichen Kenntnisse , und wenn er auch eine Ausnah me machte , so fehlten ihm doch die gehörigen Mittel, fie anwenden zu können.
Beschreibung der Insel Corfu.
97
Die Fahrten der venetianischen Marine erstreckten sich auf bloßes Umherkreuzen in den Gewässern , die der Republik gehörten. Zweck.
Dieses Kreuzen erfüllte nie seinen
Denn erftlich
machte die Beschaffenheit
der
Mannschaft und der Schiffe es oft unmöglich, die See eine beträchtliche Zeit halten zu können, und ferner unterblieb dies auch wegen des persönlichen Intereffe der Befehlshaber. Jeder Capitain nahm eine Ladung Waaren mit, deren Verkauf ihm desto vortheilhafter war , da er keine Fracht und Zölle bezahlen durfte.
Ihr Absatz und
der neue Ankauf anderer Artikel zur Rückreise , erforderte einen
bald
mehr
bald
in den verschiedenen Häfen.
weniger
langen Aufenthalt
So glichen diese Streifzüge
der venetianischen Schiffe völlig den Reisen unserer Handlung capitaine, die eine Karavane nach der Levante uns . ternahmen. Der Herbst und der Winter wurden auf die Ausbesserung der Schiffe perwandt, die in dem Hafen Gouin geschah.
Dieser Hafen ist ungefähr zwey Meilen von
Corfu entfernt ; sein Umfang beträgt beynah eine Meile. Er ist gegen alle Winde gesichert , und hat einen sehr ens gen Eingang. Die Schiffe warteten zum Ein- und Auslaufen einen ruhigen Zeitpunkt ab, und wurden von Gas Man konnte do leeren herein bugsirt. überall ankern und ganz nahe ans Land kommen.
Sie wurden dann
zum Ausbessern auf einen Damm gezogen , den eine ins Meer laufende Landzunge bildete. fehlte
An süßem Wasser Der 1 Flecken es den Schiffen daselbst nicht.
Gouin ist unbeträchtlich ; seine Einwohner beſtanden bloß aus Handwerkern und Hand angern , die für die Marine Graffers Reisen.
&
Fünfter Abschnitt.
98
arbeiteten , und ihn während des Sommers verlassen mußten , weil die Luft wegen der vielen nahen Moråſte und Untiefen des Hafens sehr ungesund war , und anhals tende Fieber hervorbrachte.
Alle Gebäude , die man
hier zum Dienst für die Marine errichtet findet , sind das Werk verschiedener Capitani delle navi .
Der eine hat
die Ringmauer, der andere das Haus des Commandanten , ein dritter ein Magazin u. f. w. aufgebaut.
Ihre
Namen und Wappen prangen an diesen Gebäuden ,
ob
fie gleich immer auf Unkosten der Republik aufgeführt wurden.
Das Gebäude des hier residirenden Capitan delle navi war sehr mittelmäßig.
Es enthielt sieben bis acht
Stuben und einen großen Saal , wo die Waffen der auf dem Kiel liegenden Schiffe aufgestellt wurden.
Die Of=
fiziere, die Beamten und der Amiraglio bewohnten kleine schlecht gebaute Häuser.
Ein großer Schuppen war der
Aufbewahrungsort der Masten, und zugleich die Arbeitsståtte für die Zimmerleute und Schreiner.
Die Schmiede
war nicht größer als die gewöhnliche Werkstatt eines Kleinschmidts : in einer andern bereitete man den Schiffstheer zu.
In einem großcy Magazine , das aber auch
schlecht gebaut war , befanden sich Taue, und alles das 'was zum Takelwerk gehört.
Es war aber so schlecht
versehen, daß man wegen der nöthigen Materialien haus fig seine Zuflucht zu den Magazinen in Corfu nehmen mußte ; und da man sie nur zur See konnte kommen las sen, so wurden die Arbeiten hierdurch oft sehr verzögert. Deshalb legte man auch 1786 eine bequeme Straße von Corfu nach Gouin an , die 1790 vollendet ward.
Beschreibung der Insel Corfu.
99
Aus Mangel an Arbeitern und Materialien konnten die Schiffe hier bloß kalfatert werden ; um einen neuen Kiel zu bekommen , werden :
mußten sie nach Venedig gebracht
und doch kann kein Ort zur Anlegung von
Schiffswerften beſſer und günstiger liegen als Gouin . Aus einer elenden Politik versagte sich die Republik die großen Vortheile, welche sie dort hätte erlangen können . ' Jeder Capitain beflieg nur immer ein und dasselbe Schiff; wurde dies zum Abtakeln nach Venedig geschickt, so hörte sein Dienst auf.
Um ein neues Commando zu
erhalten , mußte er wieder neue Kaufgelder darauf vers wenden.
Doch konnte er dieses auf einige Zeit sparen,
wenn er durch Geschenke die Aufseher , die über die nothwendigen Ausbesserungen der Schiffe gesetzt waren , bes wegen könnte , ihm ein Certifikat auszustellen, daß sein Fahrzeug die See noch halten könne.
Diese Schiffe blies
ben dann zuweilen noch einige Jahre ohne Aktivität in. dem Hafen bey Corfu, und wurden erst dann nach Venedig geschickt , wenn ſie gar nicht mehr zu gebrauchen waren . Alles was zum Takelwerk gehört , wurde jährlich von Venedig nach Corfu abgesendet , und das schadhafte das hin wieder zurückgeliefert.
Von den Unterschleifen , die
hierbey begangen wurden , kann man sich gar keinen Begriff machen. Venedig hatte für seine Seemacht kein besonderes Seereglement ; in allen Theilen des Dienstes entschied bloß das alte Herkommen.
Die Generale übten eine
unumschränkte Herrschaft aus , und die Governatori di nave , und die fopra comiti di galera besaßen auch eine fehr weit ausgedehnte Macht.
G
Fünfter Abschnitt.
100
Sobald die Republik bey einem ausgebrochenen Krieg unter den andern europäischen Seemächten wegen der Sicherheit ihrer Gewässer und der levantischen Befizungen besorgt war , eilte fie, die Anzahl ihrer Schiffe zu vermehren.
Dies Counte sehr geschwind geschehen,
da man in dem Arsenal von Venedig immer welche in Bereitschaft liegen hatte.
In diesen Fällen ward ein Ca,
piton delle navi ftrafordinario zum Oberadmiral der Marine ernannt ,
der von dem Generalproseditor gar
nicht abhieng.. Wenn die kriegführenden Mächte in die Nepublik drangen , sich über ihre Bewaffnung zu erkläe ren , oder eine Partie zu ergreifen; so suchte sie zu ihrer Ausflucht mit einer der barbarischen Mächte zu brechen, von der sie nichts zu fürchten hatte , und wo der Nachtheil ganz allein auf den levantischen Handel fiel. Machten die Umstände diesen Scheintrieg nicht mehr nothwendig , so erkaufte man wieder den Frieden für jeden Preis. Auf diese Art brach sie in dem letzten Kriege zwischen Rußland und der Türkey mit Tunis ,
und unter dem
Vorwand dieses Bruchs hielt sie eine beständige Obser vationsflotte , und vermied jede Erklärung für eine oder die andere Partey.
In dieser Poche vertraute sie ihre Seemacht dem Chevalier Emo, der sich als Capitan delle navi ftraf ordinario nach Corfu begab.
Dieser Admiral, der viel
leicht mehr Staatsmann als Krieger war , benahm sich mit einer solchen Geschicklichkeit und Feinheit,
daß er
dem Ansehn seiner Stelle auch nicht das geringste vergab. Er bediente fich seiner unumschränkten Macht und des
Beschreibung der Insel Corfu.
ΙΟΙ
Zutrauens des Senats , um die Mißbräuche und Mångel der Marine abzustellen , und sie, so zu sagen, neu unzuschaffen.
Bis jetzt hatte sie bloß aus Kriegsschiffen
und Fregatten bestanden , er ließ auch kleine Fahrzeuge als Corvetten , Kutter , und Goletten zu ihr stoßen , die die hohe See halten und bessere Dienste leisten konnten als die Schebecken.
So viel als es die Verfassung von
Venedig zuließ , ånderte er auch die Bauart der Schiffe nach den neuern beſſeru Grundsätzen .
Er bewirkte die
Aufnahme fremder Baumeister und Arbeiter im Arsenal von Venedig , und hatte dergleichen beständig am Bord Er feuerte die jungen venetianischen B Patrizier zur Nacheiferung an , unterdrückte ihren Dün-
seines Schiffes.
tel , entriß sie dem Hang zu Vergnügungen und zum Müßiggang , und nöthigte sie an den Dienst Theil zu nehmen.
Er widmete besondere Aufmerksamkeit auf die
Seeoffiziere; er zeichnete den Verdienstvollen aus , und belebte das ganze Corps mit einem neuen Geist, indem er ihnen höhere militairische Grade vom Senat verschaffte. Den Dienst der Galeeren, die kostbar waren und zu nichts taugten , ließ er durch Galioten von einer neuen Bauart verrichten , die die hohe See befahren, und hundert Sklas vonier als Equipage aufnehmen konnten.
Hiezu fügte
er Kanonierschaluppen , die eine vier und zwanzigpfůns dige Kanone führten . gänzlich umzuändern,
Seinen Plan , die Armata fottile und mit der Armata groffs zu
vereinen, konnte er aber nicht durchsetzen , weil dadurch eine Menge Versorgungen für den venetianischen Adel eingegangen wären.
Durch diese Beabsichtigung des
allgemeinen Besten machte sich indeß der Ritter den gan-
102
Fünfter Abschnitt.
zen venetianischen Adel zum Feinde.
Er verbesserte
auch das Loos der Matrosen , ließ ihren Sold vermeh ren ,
verminderte so viel als er konnte die Bedrückun-
gen , die sie von den Offizieren erlitten , und ließ ihnen einen vollständigen Winter und Sommeranzug reichen. Er legte auch in Corfu ein Hospital für die Marine an. Den Hafen Gouin hätte er gern auf das beste benutzt, und alle die Anstalten daselbst errichtet , für die er geeigs net ist ; die Verfassung von Venedig hemmte aber jeden seiner Schritte.
Er beschloß auch die Anzahl der Ma-
trosen zu vermehren ; die ganze Schiffsmannschaft auf den Fuß zu sehen , wie man sie bey andern Seetruppen fand , und ein von den Landsoldaten ganz abgesondertes Dalmatien konnte diese
Corps Marinen zu errichten.
Mannschaft liefern , die um desto vorzüglicher gewesen wäre , da die Einwohner meist seekundige Leute sind. Dieser Admiral beschäfftigte sich auch mit der Abfassung besonderer Kriegsartikel für die Marine , aber der Tod raubte ihn vor desfen Beendigung der Republik. Er starb zu Malta, und wie man ſagt, an den Folgen einer Vers giftung.
Die Größe seines Ruhms, die den Senat ver-
serdunkelte,
macht diese Vermuthung nur allzuwahrs
scheinlich.
Nach seinem Tode bekam Gondolmer das Commans do über die venetianischen Flotte.
Er hatte den Ritter
Emo auf allen Seezügen begleitet , besaß aber weder die Talente feines Vorgängers ,
noch Empfänglichkeit für
deffen Plane.
er Schnelle fiel daher die
Mit
Marine wieder in ihr Nichts zurück,
Beschreibung der Insel Corfu.
103
Die Insnlaner dienten nie auf den Schiffen der Re publik ; wenn sie zum Dienst aufgefordert wurden , so pflegten sie Fahrzeuge auf ihre eigene Kosten
auszus
rüſten.
Sechster
Abschnitt.
Cultur und Produkte des Bodens. Industrie. Schifffahrt und Handlung.
Die
Volksmenge der Insel Corfu beträgt höchstens,
wie schon oben angegeben ist,
60000 Seelen .
Der
fünfte Theil davon bewohnt die Hauptstadt ; die andern n ht en zerstreut . Wen iert auf dem schic und an den Küst dfind man die Geschichte und die Revolutionen von Corfu ftus diert, so sieht man daß in den åltern Zeiten die Anzahl seiner Einwohner bey weitem beträchtlicher gewesen seyn muß.
Dies wird auch dadurch bestätigt , daß im Alters
thum hier viele Städte vom ersten Range blühten , die an Größe und Pracht die einzige übertrafen , die jetzt noch vorhanden ist.
Troß dieser größeren Menge hatten fie die nöthigen Lebensmittel im Ueberfluß und konnten damit nicht nur ihreNachbaren, sondern auch ganze Armeen ihrer Bundesgenossen versehen.
Die Lager des Octavins und Anto-
nius wurden durch ihre Unterstützung oft der Hungers-
Sechster Abschnitt.
104
noth entrissen.
In weniger entfernten Zeiten finden wir
auf Corfu nie das schreckliche Bild des Hungers ; seine eignen Hülfsquellen sicherten es gegen diese Geiffel der Menschheit.
Heut zu Tage aber lebt es in Rücksicht der
ersten Lebensbedürfnisse ganz von der Gnade und Willkår seiner Nachbarn.
Der Boden hat seine Natur nicht
verändert ; seine Fruchtbarkeit und die Milde des Clima find nicht zerstört,
noch durch die traurigen Ereignisse
verändert worden ,
die dieses Eiland in den Zustand der
Dürftigkeit verseht haben.
Die Erde hat einzig und
allein die nervigten Arme verloren , die ihre Kräfte uns terſtüßten.
Unterſtüßungen und Aufmunterungen haben
gar nicht oder nur sehr schwach den gesunkenen Landbau wieder beleben können. Die venetianische Regierung hatte ! zwar das Gesetz gegeben : daß das Land , das fünf Jahre unbebaut gelegen hatte , dem als Eigenthum zugehören follte , der ihr diese Vernachlässigung anzeigte ;
es hatte
aber keinen Nugen , da sie nicht zu gleicher Zeit auch die Mittel zu dessen Anbau an die Hand gab. Die Sacer kann jetzt ihre Einwohner nicht ernähren,
Das Getreide und der Wein , die gewonnen werden; langen nur auf vier bis fünf Monate.
Nur Dehl und
Salz find allein im Ueberfluß, und gewähren die einzigen Handelsartikel.
Die
Fischerey könnte
eine
reichliche
Hülfsquelle zum Unterhalt darbieten, wegen der Trägheit der Insulaner wird benutzt.
sie aber bloß von Neapolitanern
Die Jagd ist nicht vom Belang.
bau wird auch nicht gehörig hetrieben .
Der GartenDas kleine und
große Vich muß von den Nachbarn genommen werden.
Beschreibung der Insel Corfu. Nur
einige Ziegenheerden
105
werden unterhalten , deren
Milch zu Kåsen verwandt wird.
Die jährliche Dehlernte beträgt im Durchschnitt 250,000 Krüge (jarres) von denen einer nach unserm
,000 Livres. 2,750eilf Franken Gelde kostete : der ganze Werth beträgt also De Den eignen Verbrauch , der ziem lich beträchtlich seyn mußte , da man sich zu den Speisen und zum Brennen ganz allein des Dehts bediente, kann man auf 750,000 Livres anschlagen ;
es blieben also
zum Handel noch 2,000,000 Livres übrig.
Das verz
käufliche Produkt der Salinen , nach Abzug des eignen Verbrauchs , betrug ungefähr 80,000 Livres.
An Li-
queurs und Töpferwaaren verkauften sie höchstens für 50,000 Livres . Für die ?und andre Abgånge des großen und kleinen Vichs erhielten sie ungefähr 50,000 Livres.
Die ganze Summe ihrer Ausfuhrartikel betrug
daher 2,180,000 Livres.
Mit dieser Summe mußten
sie die von ihren Nachbarn eingeführten Produkte und Handelswaaren faldiren. Das Getreide , Vieh und Federvieh, was sie von den Türken erhielten , kostete mehr als 1,500,000 Livres. Ihre Kleidungsstücke und allerley Artikel des Lurus ers forderten 660,000 Livres.
Kurz , man wußte, daß
die ganze Einfuhr von Corfu auf 2,500,000 Livres stieg. Sie übertraf also die Ausfuhr um 480,000 Livres. Man nahm an , daß dieses Deficit, ersetzt werde : erstlich , durch den Verdienst , den sich eine kleine Anzahl Insulaner dadurch erwarb , daß sie jährlich in das tur kische Gebiet giengen , um daselbst beym Ackerbau und
106 .
Sechster Abschnitt.
in der Ernte zu helfen ,
zweytens durch das Schiffer-
John ; drittens durch den Gewinn der Industrie und viera tens durch die Vortheile des Transitohandels. Der erste Verdienst , den die Einwohner durch die Ackerbestellung ihrer Nachbarn erhielten , war wohl offens bar mehr ein Schaden für das Land , als ein Gewinn, da dieserhalb ein großer Theil des eignen Bodens unbebaut liegen blieb.
Die Ursache , warum der Insulaner
sich zu diesen Arbeiten auf einige Zeit aus seinem Vaterlande entfernte , war nicht die Undankbarkeit des Bodens oder der geringe Umfang deffelben , sondern der Mangel an den erforderlichen Mittel die Kräfte der Erde zu unterstützen , fie bearbeiten und besåen zu können.
Der ganze
brauchbare Boden ist das Eigenthum einer sehr kleinen Anzahl Einwohner, denen es an allem fehlt , um ihn benutzen zu können ; kaum ziehen sie so viel daraus , als sie zum eigenen Unterhalt brauchen ; an Ueberschuß zum Ver=" kauf ist gar nicht zu denken. Es ist wahr , das Schifferlohn trug etwas zur Auss füllung der Lücke der natürlichen Produkte bey ; konnte er aber nicht mehr einbringen ?
Denselben traurigen Er-
eignissen , welche Bevölkerung und
Ackerbau
herabge=
bracht hatten , war auch der Verfall der Schifffahrt von Corfu zuzuschreiben.
In
dem goldnen Zeitalter
der
Griechen , unter der Herrschaft der Römer und lange nachher blühte sie ; aber heut zu Tage bestand sie nur aus einigen Barken, die von einer Insel zur andern fuhren, und
aus zwev oder drey Fahrzeugen von 2 bis 3000
Tonnen , die die Küsten von Italien und der Levante bes reiften.
Beschreibung der Insel Corfu.
107
Die Industrie hätte können den Mangel der natürs lichen Produkte ersehen. ftande befand sie sich !
Aber in welchem clenden Zus
Um Industrie zu beleben , muß
man die nöthigen Materialien haben , woran man ſeine Lalente anwenden kann ; hat man diese nicht selbst , so muß man sie von andern erhandeln ;
wo hatten aber.
jetzt die Corfuaner die Mittel fie zu erkaufen ?
Sonst
freylich führten sie Kunstprodukte aus, die ben ihren Nachbarn Bewunderung erregten, und ihnen selbst Reichthümer verschafften.
Das Genie war freylich nicht vernichtet,
die Regierung hatte es aber in einen lähmenden Todes. schlumnter versenkt. Der Transitohandel konnte wohl so viel einbringen, um die Schulden an die Türken zu tilgen , und man hätte recht gut diese Spekulationen noch weiter ausdehnen können.
Die Lage der Insel ist dazu geeignet ;
die Re-
gierung benahm aber den Kaufleuten die dazu erforders lichen Mittel und beschränkte die Freyheit ihrer Spekulationen. Die Fortschritte anderer Nationen in der Schiffa fahrt und in der Handlung , und die Entdeckung des Vorgebirges der guten Hoffnung haben der Republik ihr Uebergewicht zur See und ihren Alleinhandel mit den indischen Waaren vernichtet.
Ihre Spiegel- und Spitzen-
manufakturen , ihre Eisenfabriken , wodurch sie es sonst den andern Nationen zuvorthat , haben mit ihrer Marine, und Handlung ein gleiches Schicksal erfahren.
Endlich
verlor sie mit einem großen Theil ihrer Besitzungen den Handel mit verschiedenen Materialien, die sie roh verz
Sechster Abschnitt.
108
faufte,
und deren Verarbeitung keinen Gewinn mehr
brachte. Zurückgebracht auf ihre eignen Inseln suchte sie die Produkte derselben nicht zum Besten ihrer Einwohner, sondern bloß zum Vortheil der Hauptstadt anzuwenden . Sie nahm das System an , das leider nur allzuvielen Beyfall bey den Nationen gefunden hat , die ihre Macht jenseit des Meeres
verbreitet haben.
Sie zwang die
levantischen Besitzungen ihre Produkte nach Venedig zu schicken , und durch ihre Conſumtion die sinkende Induſtrie dieser Stadt aufzuhelfen. Ihre falsche Politik rieth ihr überdie die Susulaner so viel als möglich von sich abhängig zu machen.
So wurden also
alle Gefehe- der
Aus- und Einfuhr dieser Inseln einzig und allein auf das Interesse der Hauptstadt berechnet.
Die vorzüglichsten
Produkte von Corfu , Dehl und Salz, mußten ausschlief= fungsweise nach Venedig geschickt werden.
Beraubt von
der Konkurrenz der Käufer mußte sich der Eigenthümer derselben jedes Gebot des venetianischen Negotianten ges Ueberboten sich auch die venetianischen
fallen lassen.
Handlungshäuser , so wäre der Preis für diese Artikel doch gewiß noch höher gestiegen ,
wenn auch Kaufleute
von andern Nationen mit in Konkurrenz håtten kommen können.
Die Art des Dehlhandels war besonders für
ben Eigenthümer nachtheilig.
Maklerjuden , die von
ihren Handlungshäusern in Venedig abhiengen , hatten in Corfu Comptoire errichtet , in denen die Insulaner die Früchte ihrer Arbeiten abſeßten und das dafür eintauſchten, was ihnen fehlte.
Jene immer geldgierigen Wesen stu:
dierter hier wie überall bald das Geheimniß aus, das
109
Beschreibung der Insel Corfu.
Vermögen und die Güter des ganzen Volks in ihre Ge= walt zu bekommen.
Sie verfolgten mit aufmerksamen
Augen die schnellen Fortschritte des Lurus und richteten sich nach dem herrschenden Geschmack in Rücksicht ihrer Waaren.
Auf eine geschichte Weise nåhrten und vera
mehrten sie den Hang nach kostbaren Bequemlichkeiten. des Lebens , und durch Ablieferung derselben im voraus, machten sie bald die Gutsbesizer zu ihren Schuldnern. Diese hatten keine andre Mittel die Schuld zu bezahlen als ihre Produkte , deren Preis jene willkürlich bestimma teu.
Der Lurus erzeugte bald Abneigung gegen alle
Arbeiten ; die Jusulaner wollten genießen ,
aber die Ges
nüsse nicht mit dem Preis ihrer Bemühungen erkaufen. Die Juden gaben Credit und ließen sich nachher mit Wucherzinsen die Schuld wieder bezahlen.
Zu dieser
Art vom Monopol, welche das Vermögen der Insulaner und ihren Erwerb verminderte,
gesellren sich die Bes
drückungen der Repräsentanten der Republik und ihrer Subalternen.
Ihre Plünderung betraf vorzüglich die
reichen Einwohner der Stadt ,
die troh ihrer Verarmung
ihrer Eitelkeit keine Schranken sehen konnten.
Sie verz
wandten das letzte, was sie noch besaßen, lieber auf äußern Staat als auf die Unterhaltung von Arbeitern , die ihnen wieder einiges Vermögen hårten verschaffen können : oder fie suchten sich wegen der Prellereyen ,
die sie von der
Regierung erfuhren, durch einen hårtern Druck der Landbewohner zu entschädigen.
Einige Geschenke
an ihre
Vorgesetzten , deren Beyspiel sie folgten , sicherten fie gegen die Rache und gegen die Klagen dieser armen Opfer. Wie konnte unter folchen Umständen der Ackerbau Forts
110
Sechster Abschnitt.
schritte machen ?
Mußte nicht der Landmann ein Land
verlassen , zu dessen Benukung für ſeinen Unterhalt ihm Wenn der Landbau im Die Freyheit geraubt war ? Sterben liegt, wie kann da die Industrie blühen , zumal w nn die Gewalt der Regierung den Künften überall Hindernisse in den Weg stellt ? Mit dem Verfall beyder muß auch der Sechandel und die Schifffahrt sinken. Wir wollen nun die Summe der Aus- und Einfuhrmit einander vergleichen.
Die
2,180,000 Livres ,
erste betrug
2,080,000 Livres an Salz und Dehl ausschließlich nach Venedig giengen.
Wem dieses Privilegium zum Vor-
theil gereichte, haben wir gesehen.
Der Werth der Ar
tikel , die zum freyen Handel erlaubt waren , belief sich höchstens auf 100,000 Livres . Die ganze Einfuhr betrug 2,500,000 Livres.
Der
größte Antheil hiervon gehörte den türkischen Ländern. Das , was Venedig nach Corfu schickte, 200,000 Livres werth.
war ungefä
Triest , Livorno , Senegaglia
und andre Håfen des mittelländischen Meeres schickten ungefähr für 280,000 Livres Waaren.
Den Gewinn,
den diese Plätze machten , hätte den Kaufleuten von Mars seille zukommen sollen.
Denn es waren lauter Artikel des
Lurus ; nich in Italien erzeugt , sondern von Marseille geholt .
Wenn sich der Corfuaner unmittelbar zur zur ersten
Quelle gewandt håtte , so hätte er den Gewinn der ersten und zweyten Hand erspart. Wir wollen nun die Zölle und Abgaben berechnen,
welche die Republik von der Ein- und Ausfuhr zog.
III
Beschreibung der Insel Corfu.
Das Dehl war einem Zolle unterworfen , der nach der Beschaffenheit des Käufers sehr verschieden
war.
Der Jusulaner mußte funfzehn Procent , jeder Venetia= ner achtzehn Procent geben.Der Handel war fast gänzlich in den Händen der venetianischen Juden.
Zu sechzehu
Prozent gerechnet betrug also der Zoll für die Oehlaus. fahre
220,000 Livr.
Das Salz gab neun Prozent, dies machte
7,200
Die andern Artikel erlegten von Werth vier Procent,dies machte
4,000
Die ganze Summe der Zölle, die Venedig von den Exporten der Jusel zeg,
231,200
betrug also
Die Waaren , die von Benedig eingeführt wurden, gaben sechs Procent ,
die aus dem Auslande acht Pro-
cent.
Der Zoll der von Venedig eingebrachten Artikel war 12,000 Livres. Der aus dem Auslande
184,000
Dies betrug zusammen 196,000 Livres. Der ganze Handel brachte also an Zoll 427,000 Livres ein . Wenn man die Natur dieser Zölle betrachtet , so sieht man deutlich, daß sie für die Cultur des Bodens, für die Industrie und dem Handel gleich nachtheilig was ren.
So vermehrte der Oehlzoll noch mehr den Verlust,
den der Jufulaner schon dadurch erlitt, daß er den Ueberschuß dieser Waare , den er nicht brauchte , allein nach Venedig verhandeln mußte.
Anders ist es ,
wenn man
Sechster Abschnitt 20.
112
solche Artikel mit Söllen belegt , deren Ausfuhr dem allgemeinen Besten schädlich ist.
Man hatte diese Zölle,
beſonders den aufß Oehl, wohl darum so hoch augeſchlagen , um einigermaßen die Auslagen wieder zu erhalten, Menn man die der Besitz von Corfu jährlich kostete. zu diesen Zöllen noch die Abgabe rechnet,
die auf die
Köpfe des Volks vertheilt war, so zog Venedig im Gans zen von Corfu 600,000 Livres,
deffen Ausgaben für
die Landesregierung , für die Land- und Seemacht übers stiegen diese Summe ausehnlich.
Das, was die andern
Inseln eintrugen , reichte ebenfalls nicht hin , dieses Deficit zu decken.
Venedig mußte deshalb jährlich beträchts,
liche Summen nach Corfu schicken. fie aber vermindert werden schrecklichen
können ,
Um vieles håtten wenn man den
Verschleuderungen_in__der_Aominiſtration
Gränzen geseht hätte. Der Besitz von Corfu war also für Venedig sehr låstig , und nur die Nützlichkeit seiner Lage , die es zum Vollwerk der italianischen Provinzen gegen die Unternehs mungen der Türken machte, konnte einige Entschädigung gewähren.
113
Siebenter
Abschnitt.
Veränderungen in den Sitten.
Lurus.
Sobald die Einwohner von Corfu unter die Herrschaft von Venedig gekommen waren;
nahmen sie nach und
nach die Sitten und Gebräuche ihrer neuen Beherrscher an , und ahmten, wie das immer der Fall ist , leichter ihre Laster als ihre Tugenden nach , selbst die Sprache wurde verändert. Das griechische wurde durch die schlechte Abänderung vieler italianischen Worte ein elen, le griechische Sprache nur vom ge des Gemisch : und meinen Mann in der Stadt und vom Landvolk beybehalten.
Die wohlhabenden Einwohner der Stadt, und die,
deren Beschäftigung Umgang mit Fremden erfoderte, sprachen meist italianisch , das aber durch ihren eigenen Dialekt auch sehr unverſtändlich wurde.
Die öffentli
chen, auch größtentheils die Handlungsgeschäfte wurden in venetianischer Sprache abgemacht , daher mußte sie in Corfu sehr gemein, wenn auch nicht herrschend werden. Die Zeit bewirkte nach und nach Veränderungen , von denen einige dem
Insulaner zum Vortheil gereichten,
indem sie ihn mehr
civilisirten,
andere aber das Ges
gentheil verursachten, indem sie ihm unbekannte Bes dürfnisse und den Hang nach neuen Genüſſen einfldßten.
Diese Veränderung in den Sitten , im Geschmack
und in den Neigungen der Insulaner , datirt ihren UrGraffets Reisen.
2 $
Siebenter Abschnitt.
114
sprung von keiner sehr entfernten Zeit.
Ihr Fortgang
wurde durch die Unruhen der Kriege, die Venedig führte, sehr aufgehalten , und nur erst seit den Jahren , da die Republik den Frieden ångstlich zu erhalten suchte , war er merklich. Es ist nicht viel über sechszig Jahre her , daß das weibliche Geschlecht in Corfu noch in einer Art von Sklaverey seufzte : die Frauen verlebten ihre traurigen Lage in dem entfernt gelegensten Zimmer : ein dichtes Gitter verschloß ihre Fenster , so daß sie nichts sahen ,
auch
nicht gesehn werden konnten , und durften sich nur den Augen ihrer Angehörigen zeigen.
Die Mädchen durften,
ehe sie verheirathet waren, nicht ausgehn, auch nicht einmal in die Kirche.
Selten erschienen fie in den Gesells
schaften, die bey ihren Eltern zusammen kamen.
Bers
dammt zu dem einzigen Umgange mit ihren Dienstboten, mit denen sie die niedrigsten Geschäfte des Hauswesens theilen mußten , hielten sie sich sehr glücklich , wenn sie zuweilen zu der Tafel ihrer Männer zugelassen wurden. Hier war es ihre Pflicht , diese vorher zu bedienen , und dann erst war es ihnen erlaubt , felbst einige Nahrung zu nehmen. Die Abgezogenheit des weiblichen Geschlechts fand zwar schon bey den alten Griechen statt; sie war bey diesen aber ehrenvoll , und die Frauen und Mädchen 1 durften nie niedrige Geschäffte angreifen , erschienen zuweilen auch öffentlich.
Die verächtliche und niedrige
Behandlung , die sie hier erduldeten, war erst eine Folge des Verfalls und der Verschlimmerung der Sitten.
Der
Ehemann und der Vater glaubte hier nur dann die Lus gend seiner Frau und die Unschuld seiner Tochter zu
Beschreibung der Insel Corfu.
115
fichern, wenn er sie von alten Weibern bewachen und mit Riegeln verschließen ließ.
Eine Frau , die nur für die
Augen ihres Tyrannen sichtbar war,bedurfte keines kosts spieligen Anzugs.
Es war also auch kein Wunder, daß
fich bey dieser Behandlung ihre Talente nicht entwickelten. Sie waren abgeftumpfte Wesen , die nur athmeten, um zu zittern.
Sie wurden nicht angeführt , nicht
aufgemuntert zu weiblichen Arbeiten ;
daher beschränkte
fich ihre ganze Geschicklichkeit auf das Stricken grober Strümpfe ein.
Die Gattin konnte ihren Mann , der
sie nur zu seinem Vergnügen gebrauchte , nicht auf die -Versüßung ihres Lebens dachte , nicht lieben ; sondern Sie suchte sich zu mußte ihn hassen und verabscheuen. entschädigen , und es war ihr sehr zu verzeihen , wenn ihre Lugeud fiel.
Zwietracht entspann sich nun im
Schooß der Familie , und verbreitete ihre Verheerungen auch außerhalb.
Der Mann suchte im Blute seines Nes
benbuhlers seine Schande abzuwaschen, und die Verwandten von diesem råchten wieder seinen Tod.
Auf diese Art
entsprangen die kleinen Kriege , die beständig unter den Infulanern wütheten.
Diese Uebel hörten in dem Aus 112 genblick auf, als die Frauen ihr Joch gebrochen sahen,
und es ihnen nun endlich erlaubt war, zu lieben und auf Gegenliebe zu hoffen.
Diese glückliche Epoche wurde
durch die beständige Verbindung mit Fremden herbey ges führt, deren Gebräuche und Sitten man unmerklich aufs nahm.
Verschiedene von den vornehmen Venetianern,
und viele Offiziere die sich in Corfu aufhielten, vermähle ten, sich mit Eingebohrnen der Insel.
Die Frau verließ
nun die Lebensart ihres Landes , und nahm die des Vas $ 2
116
Siebenter Abschnitt.
terlandes ihres Mannes an.
Ihre Gegenwart ; der Ans
blick der Freyheit , ihre Erzählung von den Süßigkeiten und Annehmlichkeiten des Lebens, die sie genoß, schmolz nach und nach die harten Herzen der Våter nnd Ehemanner. Sie ließen endlich ihre Frauen und Töchter an den unschuldigen und nützlichen Bergnügungen einer anståns digen Gesellschaft Theil nehmen , und diese wurden nun bald ihre schönste Zierde. Der Lurus entstand , er gab aber dem Insulaner nur eitle und prekaire Genüſſe , die zu dem Verfall des Ackerbanes und zur Erniedrigung des Werths der einheis mischen Produkte das ihrige beytrugen.
Anders ist die
Wirkung des Lurus bey Völkern, die reich an Kenntniſſen und Materialien zur Induſtrie find, hier wird er nüßlich; feht eine Menge sonst müßiger Aerme in Bewegung , ers nährt Künste und Manufakturen ;
eröffnet neue einheis
mische Quellen des Reichthums , und zieht den ausländischen an sich.
Auf Corfu mußte dies wegfallen; da der
Geist der Thätigkeit von dem Despotismus der Regies rung unterdrückt wurde, und es an eignen Produkten zur e Ernährung der Künste fehlte. et Insulaner Der reiche id h d t b e h n l sic k so ic a , u warf nun seine wie die, die ihn regierten. bey.
Nur das Volk behielt jene
Sie bestand in einer wollenen rothen Müße , in
einem kurzen Gilet von Tuch : gewöhnlich von dunkley Farbe, im Winter war es mit Pelzwerk ausgeschlagen, im Sommer trug er ein linnenes. Es war mit zwey Reis hen großer silberner Knöpfe besetzt.
Die Beinkleider was
ren außerordentlich weit , und reichten bis auf die Was den herab.
Um die Hüfte wurde eine Binde von rother
1171
Beschreibung der Insel Corfu.
Molle oder Seide gewunden : die Strümpfe waren wollen, und die Schuhe mit großen silbernen Schnallen befestigt. Seine Haare ließ der Insulaner wachsen ,
frifirte fie,
und schlug sie seitwärts in einer Falte der Müge ein. Auf seinen Schnurrbart hielt er sehr viel.
Das Ab.
schneiden desselben war für ihm die größte Beschimpfung, und die empfindlichste Strafe.
Der lange Dolch , der
im Gürtelsteckte, war nicht blos ein Gewehr zum Schmuck. Bey rauther Witterung warf er sich in einen Mantel von grobem Zeuge und brauner Farbe , der keinen Regen durchließ. DieFrauen trugen ein dicht anliegendes Corſet ohne Aermel , ein Oberkleid , dessen Farbe von der des Cora sets recht abstach ; eine Schürze von indiſchen geblüms tem Zeuge, ohne Bruftlah und Schuhe , die bis auf den Kudchel herauf reichten .
Die Haare flocht man , und
ließ sie lang herunter hången.
Ein sehr großes weißes
mousselines Tuch diente zum Kopfpuß, und zugleich auch zum Halstuch.
In einem gewissen Alter trugen sie auch
einen langen kamelotenen Mantel von grauer Farbe. Die Landbewohner , deren Tracht auf jedem Dorfe etwas anders ist, haben die Verzierungen der Treffen und Stickereien angenommen.
Ueber ihr Corset tragen
fie ein langes in Falten gelegtes Kamisol , das um die Hüfte herum mit starken soldnen Schnüren befestigt wird, an denen sich vorne zwey vergoldete silberne Bleche, als Schloß befinden.
Die Enden der Schnur hången
an beyden Seiten herunter, und sind mit sehr großen ver goldeten Silberherzen verziert.
Den Hals schmücken sie
auch mit goldnen oder vergoldeten Kreuzen.
Ihre Obers
118
Siebenter Abschnitt 2c.
kleider find mit Gold oder Silbertreffen besetzt , und ihre Schuhe sind niedrig. Auf dem Kopfe tragen sie ein ernes Luch , das mit einer silbernen Nadel befestigt
wird , und dessen vier Zipfel nach dem Winde flattern. Ihre Haare find frifirt , herum .
und wogen um den Nacken
Um sich mit diesem Staat und dieſem Flitterpuke, den sie selbst nicht durch eigne Arbeit sich verschaffen konnten, sondern von Venedig oder von den Ausländern kaufen mußten, versehen zu können , entzogen sie fich und den ihrigen oft die unentbehrlichsten Lebensbedürfs nisse: so groß war ihre Eitelkeit und Sucht zum Glåns zen.
Die vornehmen wie die geringsten Bürger hungers
ten oft und versahen ihre Zimmer mit den schlechtesten Möbeln, um sich nur prächtig kleiden zu können , um auf der Straße den Schein der Reichen zu haben,
819
Achter
Gesellschaftens lichkeiten.
Caffinos.
Abschnitt.
Theater.
Karneval. Andere Fests
Chiostra oder Pferderennen.
Die ' Annahme venetianischer Sitten und Gebräuche vers anlaßte in Corfu bald die Entstehung der Gesellschaften. Sie fanden lange Zeit nur in einer kleinen Anzahl vor Familien statt , deren Verwandte mit einigen Freunden zuſammen kamen .
Endlich führten die venetianischen
Patrizier und Offiziere in diesen Cirkeln , die in ihrem Vaterlande üblichen und weniger kostspieligen Cassinos ein ; von denen bald mehrere in Corfu entstanden. In dem ersten kam blos die venetianische Noblesse
zuſammen. In dem zweyten der Landadel. Das dritte bildeten die Militairpersonen , die aber auch die Beamten unter sich aufnahmen , um die Kosten dieser Versammlung zu verringern. Ein viertes war seit einigen Jahren von den Offis zieren der Marine errichtet worden.
Der Urheber deffels
ben hatte die Idee , den Genuß des Angenehmen und Nüßlichen zu vereinen.
Er wollte den jungen Eleven
der Marine, die sich hier in den Stunden , wo die Ges sellschaft nicht zusammen kam, versammeln sollten, tågs lich Unterricht im Seewesen geben.
Der Plan war
ſchôn ; das Caſſino wurde errichtet, der Saal aber , den
120
Achter Abschnitt.
man für den Unterricht der jungen Leute bestimmte, wurde leider bald nichts weiter als ein Ort des Vergnügens für fie. Die Errichtung eines Cassino mußte zuvor von der Regierung erlaubt werden, und deßhalb mußte man ihr jedesmal den Plan dazu einschicken. Die Mitglieder solcher Gesellschaften zahlten eine kleine Summe bey ihrem Eintritte , und waren verbun den , eine monatliche Bensteuer zu geben.
Eines von
ihnen sorgte für den Versammlungsort und für dessen Möblirung.
Es waren gewöhnlich mehrere Zimmer, in
einigen wurde blos gespielt ; in den andern unterhielt man fich oder las die venetianischen Zeitungen ; Corfu erlaubt waren. besondere Stube.
die allein in
Für Tabaksraucher war auch eine Unter den Versammlungszimmern
wohnte der Caffeeschenk , dem man zu seinem Etablissement gewisse Vorschüsse gab ,
und der
Aufseher über das Ganze war.
u gleicher Zeit
Außer den Vortheilen
der Bewirthung bekam er monatlich einen gewiffen Gez halt ;
wofür er Lichter und Karten anschaffen mußte.
Am Eingang der ersten Stube befand sich eine Tafel, auf Funft der die Namen derMitglieder angeschrieben : wurden. Gleich bey der ersten Zusammenkunft wählte man nach ron Beamte. Der erste
der Mehrheit der Stimmen
war Präsident , und mußte über die Erhaltung der Orde Der zweyte besorgte
nung in der Gesellschaft wachen.
Der dritte die bendthigten Anstalten und Bedürfnisse. Er bezahlte die Ausgaben, hatte die Kaffe unter sich.
und mußte darauf sehen ; daß ein gewisser Etat , für den er verantwortlich war , beständig rückständig blieb.
Alle
Beschreibung der Insel Corfu.
121
Monate war eine allgemeine Zusammenkunft , wo jeber feine Meinung über Veränderungen und Verbesserungen vortrug : und neue Mitglieder vorgeschlagen wurden. Die Mitglieder konnten zu jeder Stunde des Tages hier unter sich zusammen kommen .
Diese Einrichtungen was
ren hier um desto nützlicher , da man in Privathäuſern keine Gesellschaften zu halten pflegte.
Wenn man Ge
schäfte abzuhandeln hatte , so bediente man sich des Cass finos dazu .
Jedes Mitglied hatte das Recht , seine
Freunde mit zu bringen.
Vereinigte sich des Abends
die ganze Gesellschaft in einem Saale; so enthielt man. sich aller Gespräche über
politische Gegenstände und
Staatsangelegenheiten , und sprach nur über gleichgül tige Dinge und Luftpartien. mit zugelassen ward ,
Ehe das schöne Geschlecht
entstanden hier oft handel , da
man sich zu gar keinen Rückhalt verbunden hielt : nach ihrer Aufnahme wurden diese Gesellschaften erst angenehm und friedlich.
Zuweilen gab man Feten in diesen Caffis
nos , ein Mittagsessen , ein Conzert oder einen Ball f. w., wozu die Kosten unter den Mitgliedern gleich vertheilt wurden.
Jeder brachte so viel Damen mit, als
er nur konnte , um das Fest recht glänzend zu machen. Die verschiedenen Caſſinos wetteiferten ,
sich in
Politesse und Lurus zu übertreffen . Diese Vergnügungen langten noch nicht hin, um die müßigen Stunden der ersten Klaffe der Einwohner auszufüllen .
Einige Offiziere vereinigten sich mit jun.
gen Leuten von Corfu zur Errichtung verschiedener Liebs habertheater.
Die kleinen Stücke die
sie aufführten,
waren freylich mittelmässig oder gar unter aller Kritik ;
122
Achter Abschnitt.
indeß waren sie für dieses Publikum immer gut genug. Der Saal , der zu den Zusammenkünften der GeschäftsLeute und Negotianten 1633 war gebauet worden, wurde nun zu einem öffentlichen Schauspielhaus umgeändert, und jährlich 10,000 Franken zu seiner Unterhaltung zus sammengeschossen . Das Junere war in drey Reihen Logen abgetheilt, die man auf den ganzen Herbst und auf die KarnevalsZeit, wo allein gespielt wurde , miethete. seine Loge nach seinem Geschmack aus.
Jeder zierte
Im Hintergrunde
standen gewöhnlich aufeinem Geſimſe ein oder zwey Wachslichter , deren Licht von mehrern Spiegeln reflektirt wurde, und eine schöne Erleuchtung gab. 1 Die Bühne selbst war sehr klein und die Dekorationen und das Coſtům äußerst dürftig und schlecht.
Am Eingange stand Wache und
die Bude eines Limonadeschenken.
Außerdem befand sich
hier noch eine Art Küche ; wo die Bedienten des Generalproveditor und der übrigen Militair- und Civilbeamten, Die für ihre Herren nöthigen Erfrischungen zubereiteten. Es war nämlich bey dem edeln Venetianer gegen den guten Zon, sich aus der Bude des Limonadeschenken bedienen zu laffen, Die Polizey und die Aufsicht über das Theater war einem der Generale der Marine anvertraut , der deshalb den Titel des Preside del teatro führte.
Er ließ auch
durch seinen Adjutanten das Miethsgeld für die Logen einsammeln, und sorgte
für die Verschreibung neuer
Schauspieler und ihre Besoldung. Anfänglich besuchten blos Männer das Schauspiel ; dann ließ man auch das weibliche Geschlecht hinzu , aber
Beschreibung der Insel Corfu. nur in vergitterten Logen.
323
Da dies am Sehen hinderte,
so wurde denselben erlaubt in Masken zu erscheinen. Nachher kamen auch diese ab , und die Frauen und Mådchen erhielten endlich völlige Freyheit.
e
Lange Zeit hindurch kamen nur herumziehende Schaus spieler nach Corfu ; die Stücke , die sie aufführten, fielen in das niedrig Komische , und waren von ihnen selbst verfertigt. Die fünfHauptrollen, die darin vorkamen, waren der Arlequin und Brigella; ſie ſprachen den bergamaſkischen Dialekt ; der Pantalon sprach Venetianisch ; Tartaia
(der
der
Stammler) stotterte Florentinisch, und
endlich der Doktor Balançon , déffen Sprache Bolognes sisch war.
Die Verschiedenheit dieser Dialekte machte
diese Comedien aufferordentlich lustig.
Der wachsende Geschmack an Musik , machte diese Schauspiele bald unſchmackhaft, und führte an ihrer Stelle die komischen Opern und Ballette ein.
Die ganze Zeit
hindurch , in der gespielt wurde , gab man nie mehr als Pallette , von denen die sechs sechs Opern und zwölf lehten ? gewöhnlich in schlechten Pantominen bestanden. Die Musikanten des Generalproveditor und der verschie denen Seeoffiziere machten das Orchester aus ; zuweilen gesellten sich hierzu auch Musikliebhaber. Für die Plätze auf der Gallerie zahlte man nach unserm Gelde sechs und für die auf dem Parterre acht Sous. Das Theater wurde jedesmal am Tage des heiligen Stephans eröffnet.
Der Generalproveditor erschien als-
dann mit den übrigen Großen im Gefolge ihres Hofstaats und im größten Pomp.
Sie hatten allein das Recht,
ihre Logen mit purpurrothem. Sammt oder Tuch auss
124
Achter Abschnitt.
schlagen zu lassen, Logen,
daher hießen diese Logen die rothen
Der Generalproveditor, deffen Loge dem Theater
gegen über lag ; genoß hier dieselben Achtungs- und Ehrenbezeugung
, die man den Fürsten und Königen
erweist ; auch unterließ er nicht sich dasselbe Ansehn zu geben.
Er verließ nie seinen Sitz und alle andre , außer
den Generålen , mußten in seiner Loge stehen. In den Logen herrschte , selbst während dem Spiel die größte Freyheit , man aß , trank und spielte , und gab wenig auf das aufgeführte Stück Acht. Für die Schauspielerinnen, die sich durch ihre Schönheit oder durch ihr Spiel auszeichnete , sammelte man zuz weilen von den Umstehenden ein Geschenk, das ihnen nach Beendigung des Stücks überreicht ward.
Das gab zu
heftigen Streitigkeiten unter den Nebenbuhlern Anlaß, und wurde deshalb abgeschafft.
Um die Schauspielerin
nen zu entschädigen , führte man nachher Maskenbålle ein, die zum Besten der begünstigten Aktriçen auf dem Die Aktriçe, welcher diese Theatersaal gegeben wurden. Einnahme bestimmt war, saß am Eingange , und jeder Theilnehmer machte ihr ein Geschenk , das Cavalchina genannt wurde. Die Lage des Karnevals waren die Blüthenzeit aller möglichen Lustparthien und Vergnügungen, in ihnen wurs den auch die besten Stücke aufgeführt. diefer Zeit gaben auch gesellschaften Zu Tragödien und Comidien . Das schöne Geschlecht durfte
aber nicht mitspielen ; Mannspersonen,
ihre Rollen übernahmen junge
Beschreibung der Insel Corfu. -
125
Zuweilen wurden auch Conzerte im Schauspielhause aufgeführt.
Der Zulauf war dann jedesmal außeror-
dentlich groß. Verschiedene Gesellschaften vereinigten sich zu Privats bållen ; denn der Tanz wurde von den meisten Einwohnern leidenschaftlich geliebt. Der Generalproveditor ,
die Befehlshaber , ihre
Damen und der venetianische Adel erschienen die ganze Zeit hindurch nur maskirt.
Ihr Domino kam eigens
thümlich den venetianischen Patriziern zu , und kein Infulaner durfte es wagen , ihn zu tragen. einem langen , schwarzseidenen Mantel ;
Er bestand in über ihm hieng
eine Art Hemde, das auch schwarz und mit Spißen besetzt war und eine Kappe hatte , mit der man sich den Kopf bedeckte.
Der Huth hatte drey Spißen.
Die
Månner trugen weiße; die Frauen schwarze Halbmasken. Diese Tracht hieß la Bauta.
Die Caffinos waren während dieser Zeit noch sehr glänzend Die Landleute ftrömten haufenweis in die Stadt, um sich auf der großen Esplanade an den nårriſchen und lächerlichen Verkleidungen
zu
fuhren in Wagen herum ,
um an diesem Schauspiele
ergötzen.
Die Großen
Theil zu nehmen . Unter allen Bergnügungen des Karnevals war das Chiostra , oder Pferderennen , das glänzendste und ins teressanteste.
Es wurde in der Mitte des Karnevals auf
einer der größten Straßen angestellt, die mit der Esplanade in Verbindung stand.
Auf Beyden Seiten wurden Büh
nen für die Zuschauer und ein erhabner Siz für den Ges
126
Achter Abschnitt .
neralproveditor und ein hohes Orchester für die Musis kannten errichtet.
Jener theilte den Preis des Sieges
aus , diese feyerten ihn.
Die Ritter , die auf das kost-
barste gekleider, und deren Pferde ebenfalls auf das reichste aufgezäumt waren ,
stellten sich, mit dem , Herold des
Spiels an ihrer Spike, an die Barriere der Rennbahn. Pomp , begleitet Der General begab sich im vollen ེན von einem zahlreichen Gefolge , auf seinen Sit; seine Läufer und die der andern Patrizier standen den Kämpferu zu Befehl , und liefen einen Augenblick eher , als die ans dern in die Laufbahn eingelassen wurden.
Die Ritter
brachen zuerst die Lanzen gegen eine hölzerne Figur, die zur rechten der Bahn stand.
Auf ein gegebnes Signal
der Trompete begann nachher das Ringelrennen. Ritter zeigte sich mit
Jeder
aufgehobner Lanze , und mußte
dreymal hintereinander den eisernen Ring treffen , wenn Die Sieger stellten sich
er den Sieg gewinnen wollte.
dann vor dem General , der ihnen eine Lanze überreichte, an welcher der Preis befestigt war. Zulett kämpften zwey und zwey Nebenbuhler zusammen , unter dem Lerm der Trompete und dem Jubelgeschrey der Menge.
Der Senat
von Venedig schickte selbst die beyden Preise ; der erste war ein vollständiger reich bordirter Anzug ; der andre Dieser Wettlauf hieß ,
ein Stück Gold oder Silberstoff.
Chiostra publica , und bloß der Adel des Landes konnte um den Preiß ftreiten. Die Schranken der Reitbahn blieben die übrige Zeit des Carnevals hindurch stehn.
Alle Tage kamen junge
Leute die hier ihre Geschicklichkeit übten , und zuweilen auf das groteskeste gekleidet waren,
Beschreibung der Insel Corfu.
127
Einige Tage nach der Chiostra publica , wurde eine andre in der alten Festung angestellt , welche die Chiostra degl' arlioti hieß.
Blos die Handwerksleute
wurden
hier zur Bewerbung des Preiſes zugelaſſen , der in einer filbernen Tasse bestand , welche der Proveditor der Festung austheilte.
Diese Arlioti waren Abkömmlinge des neapolitanis schen Adels ; die , ' nachdem sie Wunder der Tapferkeit in der Vertheidigung ihres Vaterlandes gegen die Türken gezeigt hatten ; ihre Güter und Vaterland aus Treue für die Republik verließen ,
und sich nach Corfu begaben.
Hier warteten sie vergebens auf die Erkenntlichkeit des Senats von Venedig.
Sie versanken in die äußerste
Dürftigkeit , und haben sich endlich unter die Klaſſe des übrigen Volks verlohren , die von der Arbeit einzig und allein leben muß,
128
Neunter
Abschnitt.
Physischer und politischer Zustand der Jusel Varo , und der
Vestungen Bucintro und Parga.
Physischer Zustand der Insel Paro.
Vier Seemeilen südlich von Corfu liegt die Insel Paro. Sie ist Eyrund und erstreckt sich der Länge nach von Nords oft nach Südwest : sie kann sechs Seemeilen im Umfange haben. Nordöstlich in der Mitte hat sie einen Hafen , in
dem ein kleines Eiland liegt.
Auf diesem sieht eine grie
chische Kirche, die der heiligen Jungfrau gewidmet ist; und deren Thurm eine Leuchte trågt , die auf den Ort der Bucht hinweißt , wo ziemlich große Fahrzeuge einLaufen können ; an andern Stellen ist sie sehr seicht.
Ges
wöhnlich versieht man sich hier mit Wasser , welches ſehr gut und in Menge vorhanden ist. Dieser Hafen heißt Gai.
Paulus redet von ihm
in seinen Briefen und auf der Stelle, wo das Haus gefanden hat, das dieser Apostel während seines Aufent halts allhier bewohnt haben soll, hat man eine Kirche. erbauet.
Nochbefinden sich hier die beyden kleinen Buchten Laca und Longon , kleine
in die aber nur Barken und sehr
Fahrzeuge einlaufen
können.
Am Ufer dieser
Buchten und des Hafens Gai stehen die meisten Häuſer
Beschreibung der Insel Paro 2c.
der Infulaner.
129
Hier findet man auch einige Caffeehauser
und Buden , wo man allerhand Lebensmittel verkauft. d Buden 16 Das Clima ist hier so milde wie auf Corfu. Die Einwohner sind starke und gesunde Leute , diejenigen
ausgenommen
welche in der Nähe des Hafens Gai wohnen,
Von den seichten Stellen desselben steigen in der Hiße des Sommers böse Dünste empor , welche die Luft verderben und dreytägige Fieber verursachen , die aber zum Glüc nicht von langer Dauer sind.
Durch Ausgraben dieser
Stellen könnte man dem Uebel abhelfen , auch zugleich den Hafen zur Aufnahme großer Schiffe geschicht machen. Erdbeben find hier sehr selten , und werden nur dann verspürt , wenn man in Corfu Erschütterungen empfunden hat. Der Bodeu ist bergigt und voll Felsen.
Das wes
nige Getreide was hier angebaut wird und worunter fich auch etwas Gerste befindet, langt nur auf einen Monat. Gemüse wächst auch nur in sehr geringer Menge. Eine Art wilder Erbsen , auf deren Anbau man einige Sorgs wird von den Infulanern getrocknet
falt verwendet ,
und auf diese Art lange Zeit erhalten. Troß der Unfruchtbarkeit des Bodens , gewährt die Insel doch einen angenehmen Anblick.
Sie ist voll Berge, mit Olivenbäumen bewachsen sind , und wischen r n hne zerstreut liegen . n deren Thäler die Hütte der Einwo m u r a thum ; diese Frucht e ist ihr einzig Reich Der Dehlb e s s t i f n f und darum zieht und ihnen , alle Bedürf verscha lt n pflegt man ihn auch mit der größte Sorgfa . die
Man berechnet das Sehl , welches man in der Erntes zeit gewinnt , auf 5,000 Krüge (jarres) und das , was Offers Reisen,
I
Neunter Abschnitt
130
man in den Jahreszeiten erhält ,
wo die Baume auss
zuruhen scheinen , jedesmal über 10,000 ; men 35,000 Krüge . als das von Corfu.
Dieses
also zusam
Dehl ist weit besser,
Die Ursach hievon liegt nicht allein
im Boden , sondern auch in der mühsamern und schnellert Zubereitung des Sehls. Man sammelt hier die Stiven sogleich als fie ans Jo fangen herunter zu fallen , und bringt fie hne Zeitz verlust unter die Presse. Auf s läßt mau sie hin= gegen zu lange liegen ,
ehe man sie preßt und dadur
verderben sie und geben ein schlecht schmeckendes Dehl. Die reichen Einwohner kaufen das Dehl der übrigen, und heben es in Behältern auf, die in der Nähe threr Hauser in Felsen gehauen sind.
Hier soll es sich auch weit besser
halten als in den Krügen und andern Gefäffen, worin es in Corfu aufbewahrt wird.
In den Gegenden der Insel , wo die heftigen Weste und Nordwestwinde die Anpflanzung derOehlbäume nicht zulassen; zieht man Wein , der ziemlich gut ist und auf vier Monate für die Bedürfnisse der Einwohner ausreicht. Die Mühe und außerordentliche Beschwerde, die der Weins bau hier erfordert, find ein schöner Beweis von der Thås tigkeit der Parinoten.
Zu jedem Weinstocke müssen fie
eine Vertiefung in den Felsen hauch , die sie mit kleinen' Steinen und Gideo & sie von unten ausfüllen , diese müssen müſſen ſie uf schleppena ; und mit großen Steinen und einem herauf Graben umgeben , damit sie von dem herabschiessender' Regenwasser nicht fortgeriffen wird.
Baumfrüchte sind selten ;
die Mandelh aber , die
hier wachsen , sind von außerordentlich gutem Geschmack ,
Beschreibung der Insel Paro 26.
131
Die Jagd ist außerst unbedeutend und erstreckt sich bloß aufWachteln und einige andere Vogel , die zuweilen vom festen Lande herüberkommen , und wegen Mangel an Nahrung nicht lange hier verweilen. Der Fischfang giebt wegen der Liefe des Meeres eine reiche Ausbeute , kann aber nur mit großen und ſtars ken Nehen betrieben werden.
Zur Zeit der Ströme wer-
ben auch Muscheln in Menge ans Land geworfen.
Von Vieh findet man hier nur einige Ziegen und Fle Fleisch und Ges
Maulesel , die zum Transport dienen.
treide bekommen die Insulaner von dem benachbarten fés ften Lande; fie brauchen aber nur wenig , da sie äußerst frugal leben und gewohnt sind , sich mit Gemüse und Wurzeln zu befriedigen.
nund Das nöthige Salz zu ihren Speisen und zum Eins falzen des Dehls erhalten sie, wie auch ihre Kleidungss stücke und andre Bedürfnisse von Corfu. Die Stämme und Zweige der Dehlbäume, die keine Früchte mehr tragen , reichen zu ihrer Feuerung bin ; die wegen des gelinden Klima blos in den Küchen statt findet, und bey den einfachen Speisen der Insulanet , die fie oft nur kalt geniessen ,
nicht viel Brennholz erfordert.
So wie diese Insel arm an heilsamen Kräutern ist : so wachsen hier auch gar keine giftige.
Eben so ist sie
gänzlich frey von gefährlichen Insekten und kriechendem Was man davon zum Verfuch Sierher ges Ungeziefer. bracht haben soll , ist jedesmal ausgestorben. Die Anzahl der Einwohner , die außer dem Hafen Gal ganz zerstreut leben und keine Dörfer haben , soll sich Auf 7 bis 8000 Seelen belaufen. 32
Neunter Abschnitt.
132
Eine Secmeile füblich von Paro liegt die kleine Jusel Antiparo Antiparo , die ungefähr eine Meile im Umfange haty Sie hat auch nicht die geringste Bucht ; ihr Boden , der lange Zeit ganz brache lag, scheint, aber für die Cultur sehr empfänglich zu seyn.
Es wachsen darauf nur einige
kleine wilde Gesträuche, die den Parinoten mit zur Seuss rung dienen.
Sie ist bis jetzt noch immer unbewohnt.
Einige Parinoten hatten zwar versucht, sich daselbst aus zubauen ; sie wurden aber bald von von den Seeräubern , die von dem festen Lande und den benachbarten Jufeln kamer, verjagt.
Da diese Infel ganz eben und also gegen die
Winde nicht gesichert ist , so ließen sich zwar keine Baume auf ihr anpflanzen , aber wohl Getreide; gas für die Bes dürfnisse der Parinoten ziemlich hinreichen könnte.
Seit
einigen Jahren ist sie von der Republik einem Offiziere zur Belohnung seiner Dienste geschenkt worden.
Dieser
hat sie einigen Parinoten in Pacht gegeben, die einen Theil zu bearbeiten angefangen haben , und auf dem andern Vich weiden lassen.
Die Hirten,
enen die Bewa
chung deſſelben anvertraut ist , erleiden aber oft Angriffe von den Seeräubern , die ihre Heerden wegführen.
Politischer Zustand der Insel Paro. Ohne Zweifel hat die Insel Paro vor Zeiten einen Theil von Corfu ausgemacht und ist durch ein Erdbeben von ihr getrennt worden.
Die Gestalt der sich gegenüber
liegenden Felsenküsten und die Gleichheit des Bodens chen dies mehr als wahrscheinlich.
Das Stillschweigen
alter Schriftsteller , machte es sogar glaublich , daß selbst nach der Eroberung von Troja Paro noch gar nicht vor:
Beschreibung der Insel Paro ic.
133
handen war , denn wie fame es , daß sie diese Insel gar nicht erwähnen , da sie doch sonst die ganze Gegend be schreiben. Zur Zeit des Plinius , war sie unter dem Namen von Ericnsa bekannt : wie und warum diese Benennung in Paro ist umgeändert worden , darüber habe ich gar keine Auskunft erhalten können.
Sie hat immer zu Corfu gehört ; war eine lange oir unbewohnt und diente h zur Weide des Viehs, das in der guten Jahrszeit von jener Insel hingebracht wurde , bis sich denn endlich einige Corfuaner dort ans Diese Kolonisten hood fick h bauten. und nach vermehrt und den Geist der Thätigkeit immer erhalten. Die Revolutionen, die Corfu erlitt, trafen diese Insel ebenfalls , da ihre Einwohner zu schwach waren irgend einen Feind vertreiben zu können ; und so waren zu Zeiten des Krieges balo Freunde ,
bald Feinde oder auch Sees
rauber in ihrem Hafen; welche lettre ihn noch oft befits chen , und Menschen als Sklaven fortführen. Auf dem kleinen Eilande, welches in der Nähe liegt, stehen noch die Ruinen von einem kleinen Fort , das die Neapolitaner aufgeführt haben , als sie Herren von Corfu waren.
In dem Innern welches von einer Mauer und
vier Thürmen umgeben ist , wurde jetzt etwas Gerste und Gemüse angebaut. Die Parinoten bekannten sich alle zur griechischen Religion nnd der Clerus stand unter einem Protopapa, der von dem von Corfu ernannt wurde, uns ganz von
ihm abhieng.
Kirchen waren beynah so viel als Ein-
wohner , da jede Familie eine kleine Kapelle besaß.
Neunter Abschnitt.
134
Der Abel des Landes bestand in drey oder vier der wohlhabendsten Familien ; die sich in Venedig den Grafen Sie allein.kleideten sich oder Rittertitel erkauft hatten. französisch;
genossen, aber keine auszeichnende Achtung
unter ihren Mitbürgern,
Kein Raths- oder Regierungscollegium fand hier statt. Nahm sich die Gemeinheit vor , • der Regierung etwas vorzuschlagen , oder fie um etwas zu bitten , so versammelten sich die Ersten des Landes zur Berathſchlas gung. Der Festungsprovèditor von Corfu hatte unter den Befehlen des Generals die besondre Aufsicht über Paro. Er ernannte alle zwey Jahre einen der ersten der Inselbewohner , der die Polizey besorgen , und im Fall eines Angriffs die Einwohner zur Vertheidigung anführen mußte, Alle Ereignisse die ins Criminal
und Civilfach einschlus
gen, mußte er dem Proveditor melden.
Dieser Posten
wurde mit mehr oder weniger als 500 Krügen Dehl ers fauft ; je nachdem viele oder wenige Bewerber waren, Vor Zeiten hatten sich die Insulaner in ihren Versamma lungen diesen Vorsteher selbst gewählt.
Die Wahl fiel
dann immer auf einen Insulaner , den sie durch Chikanen recht in Unkosten setzen wollten.
Diesem Vorsteher, der Fader Capitain hieß , gab der Proveditor vier Fåhudriche , die
die Zölle in dem Hafen Gai und den beyden andern Buchten einnehmen mußten.
Sie fommandirten noch
die Miliz , die aus unbefoldeten Landleuten bestand, wels che Cernides genannt wurden. Der Hafen von Paro war der feste Posten einer Galiote , die ungefähr mit 60 sklavonischen Soldaten bes
Beschreibung der Insel Paro ic mannt war.
Sie
335
mußte die Insel bewachen und die
Zolleinkünfte der Regierung gegen Schleichhändler sichern. Zu diesem Endzwecke befand sich an den Buchten Lacca und Longon eine Besatzung von acht Manu, denen ein Unteroffizier vorstand.
Der Capitain der Galiote hatte
für sich und einen Theil seiner Mannschaft eine Wohnung auf dem Lande, welche die Gemeinheit unterhalten mußte. In der guten Jahrszeit befuhr dieses kleine Fahrzeug die Küste der Insel, um die Varken zu vifitiren , die vom Lande stießen.
Alles wurde dem Proveditor der Festung
berichtet und nach seinen Befehlen angeordnet. Das Sanitätscollegium von Corfu ernannte jedes Jahr drey Einwohner zu Gesundheitsbeamten ; sie stellten die Påſſe für die abfahrenden Fahrzeuge aus , visitirten die ankommenden , und ſtanden übrigens ganz unter den Befehlen jenes Collegiums. Dehl war der einzige Handlungsartikel dieser Insel, und gab dieselben Zölle wie in Corfu. Die jährliche Dehlernte bestand wie gesagt , in 35,000 Krügen ; dies machte den Krug zu eilf Livres oder einem Thaler achtzehn Groschen gerechnet, die Summe von 385,000 Livres. Ein Drittel hiervon gieng für die eigne Consumtion der Infulaner ab ; also blieben nur noch nach Abzug des Zolls von 16 Procent, der 1754 Livres , 3.S. 9 D. betrug, 274,913 Livres für die Ausfuhr
übrig.
Diese besorgten
die
Eingebohrnen
felbst.
Die Summe, welche das nöthige Korn und die ans dern Artikel kosteten , die aus der Türkey und von Corfu hergebracht wurden , überstieg bey weitem jenen Ertrag
Neunter Abschnitt .
136 der Ausführ.
Dieses Deficit mußte also durch andere
Erwerbsarten ersetzt werden.
Alles benußte der Paris
note, es blieb ihm also nichts weiter zum Verdienst übrig, als seine Felsen.
Einige bestanden aus einer weichen
Steinart ; diese brach er in Quadersteine ;
aus den hår:
tern fabrizirte er Mühlsteine zu großen und kleinen Mühe ken ; beyde wurden nach Corfu gebracht.
Ein anderer
Theil der Einwohner suchte seinen Unterhalt zur See. Andere bebauten den Boden benachbarter Länder , und einige giengen nach Corfu , wo sie kleine Schenkwirths schaften anlegtén. Am meisten beschäfftigte sie ab der Schleichhandel mit ihremOehl nach dem festen Lande. Hier verkauften sie es sehr vortheilhaft für alle Arten der ers ften Lebensbedürfniffe. Die Sitten , die Erziehung , die Unwissenheit, der Charakter , (ihre größere Thätigkeit ausgenommen ) und die Nationaltracht waren ganz dieselben, wie auf der Ins fel Corfu.
Die Frauen wurden aber beffer und freyer bes
handelt, und die Sprache war nicht so sehr mit gråcisirs ten italianischen Wörtern angefüllt.
Von Bucintro.
Vier Seemeilen nördlich von Corfu liegt auf der Küste von Albanien , die kleine Festung Bucintro.
Die
Schiffe können nur eine Seemeile von derselben anfern, in der Nähe eines Fluffes , der von der nördlichen Seite der Landgebirge herabströmt.
Seine Mündung ist durch
Schilf und andere Gewächse so verengt , daß nur eine Galiote einlaufen kann.
Weiter herauf bildet er einen
See von drey bis vier Meilen im Umfange, der ebenfalls
Beschreibung , von Bucintro.
voll Schilf und Wassergewächse ist ,
137
und sowohl viele
wohlschmeckende Fische als auch reichliches Vogelwildpret liefert.
Das Territorium
von Bacintro erstreckt
fich ungefähr drey Meiten weit in Albanien hinein.
Es
ist beynah gänzlich unangebaut , und bloß mit Brennund einigem Bauholz bewachsen , Sehlbäume stehen. mur wenige um die Festung.
Die Furcht vor den Plünderuus
Diese liefern gen der Albanier verhindert den Anbau. Korn und Vieh nach Bucintro, das von hier nach Corfit Den hier von den Fischern verfertigten
geführt wird.
Das Schilfufer und die
Caviar schätte man sehr hoch;
vielen Sümpfe , die vom Anschwellen des Sces und des Kleinen Fluffes durch Regen
und Schneewaffer um Bu-
e · Luft so sehr ; cintro herum entstehen , verschlimmern die daß im Sommer die Garnison der Festung alle zwey Lage, und im Winter wenigstens alle acht Tage abgelöst werden mußte. Die Jagd , selbst von großem Wildpret , als von Schweinen ,
Hirschen . u. f. w. war in diesem Gebiete
fehr reichhaltig. Die Festung liegt auf einer Erdzunge , welche sich in den kleinen Fluß hineinzieht.
Sie besteht bloß aus
einem dreyfeitigen Thurme , den die Venetianer nach der letten Belagerung von Corfu bauten , und in den Ruiaufges nen eines vierseitigen Thurms , den die Türken führt hatten.
Der erste ist ungefähr fünf und zwanzig r Fuß hoch, und dreyßig auf ebe Seite breit, die Mauer 1 jjeder ist beynah zwölf Fuß dick.
Auf dem Thurm stand eine An den drey Batterie von zwölf metallenen Kanonen. Ecken sind kleine Gebäude aufgeführt ,
die in zwey
Neunter Abschnitt .
138
Stockwerke getheilt sind; in dem ersten standen zwey Fleine Kanonen , und die obern waren zu Wohnungen eingerichtet.
Das eine dieser Gebäude bewohnte der
Gouverneur, und zeichnete sich außerlich bloß durch einen Balkon aus , der nach dem Fluß hin zeigte.
In dem
zweyten hielt sich die Garnison auf, und das dritte befaß ein Gesundheitsbeamter , der die Påſſe der anlandenden Barken visitirte.
In dem Thurm war eine kleine
Kapelle, in der alle hohe Festtage von einem Mönch aus. Corfu die Meffe gelesen wurde.
Zur Seite stand eine
Bude zum Verkauf allerhand Lebensmittel für die Solda ten , und in der Mitte befand sich das Pulvermagazin. ht us einem doppels a Heste Der Eingang auf die Erdzunge en ten Thore , das so niedrig daß man sich bück muß.
Eine sehr enge freinerne Treppe führt auf den Thurm hinauf und ein zwanzig Fuß breiter Graben umgiebt die ganze Festung .
Auf der Seite nach Albanien zu ist
noch ein anders Thor mit einer Zugbrücke . Auf einer Anhöhe am Ufer des Sees, höchstens eine Meile von Bucintro ſieht man die Ruinen einer ala ten Stadt.
Diese kostbaren Ueberreste waren sonst für
Liebhaber ein Fundort sehr interessanter Alterthümer ges wesen: die meistentheils in die Kabinette einiger venetias Die wenigen Denka Generale gekommen find. nischen ålere m der Baukunst , die dem Zahn der Zeit widerflanden, verrathen noch die ehemalige Pracht dieser Stadt. Der Umkreis dieser Ruinen beträgt ungefähr vier Meis len.
Man nennt diese Stelle Paleo caftro , und Paléo-
poli. Lage und Ueberreste der Gebäude zeigen sehr deuts lich, daß hier Buthrotum die Hauptstadt von Chaouien
Beschreibung von Parga.
139
gestanden hat, die durch die Thränen berühmt ist , mit denen die unglückliche Andromache , das dem Hektor ers richtete Denkmal beneßte.
Dieser Posten stand unter einem Befehlshaber , der alle fünf Jahre vom Sendt ernannt wurde.
Gewöhn
lich war es ein verabschiedeter Offizier , der aber wenigs stens den Grad eines Lieutnants haben mußte. General allein legte er von allen Rechenschaft ab.
Dem Die
ganze Einnahme deſſelben bestand bles in dem viel Gea winn abwerfenden Verkehr , das er mit den Albaniern treiben durfte , und in den Geschenken der Fischer, die alle unter ihm ftanden., Big Mann.
Die Garnison bestand aus dreys
Die Wache , die immer bey den Kanonen
des Forts stand , und eine Galiote , oder wenigstens eine Brigantine hielten die Albanier in Respekt , deren Nachbarschaft sehr oft beunruhigende Angriffe veranlaßte. Der Kommandant hatte überdies noch eine Barke zu seiz nem Befehle,
Physischer Zustand von Parga. Oftnordöstlich von der Insel Paro liegt auf der wests Es hat lichen Küste von Albanien das Gebiet Parga. höchstens zwey Seemeilen im Umfange, reicht ungefähr eine halbe Meile tief ins Land hinein , und wird von einer hohen Gebirgskette begränzt, in der sich eine Menge Hügel befindet , find.
die mit Brenn- und Bauholz bedeckt
Die Küste bildet an dieser Stelle einen Halbzirkel
von ungefähr anderthalb Meilen Ausdehnung : und dies ses Gestade wird durch einen hohen Felsen getheilt , der auf der Spige einer Landzunge steht.
Dieser kegelförs
Neunter Abschnitt.
140
mige Felsen ist auf seinem Abhange mit Häusern bebaut, die aber über das Meer erhaben stehn, so daß die Wellen fie nicht erreichen können.
Die Gebäude fichen über cina
ander, sind hoch und haben drey Stockwerke, Die Stra and eng u steh ein . Auf dem Gipf nd abschü t e el ffig Ben der heiligen Jungfrau geweihte Kirche , eine Leuchte für die Schiffer trägt.
deren Thurm
Von der Landseite
ist dieser Haufen Häufer mit einer starken Ringmauer umgeben, auf der eine Batterie Kanonen aufgestellt ist. Diese Anstalt heißt die Festung , die wegen ihrer natürli n Loge keine größeren Morfo nöthig hat. Auf der Seefeite werden die Einwohner durch den steilen senkrechten Abhang ihres Felsens geschützt , der der gar keine Landung erlaubt. Der Ankerplatz nimmt nur Barken auf. Zur line ken seines Eingangs befindet sich Dammnden , den die ein · ihrer Barken selbst aufgeführt Einwohner zur
haben.
Es stehen in dieser Gegend zwey kleine Kirchen
und zwey Wassermühlen, die das a Wasser zweyer Ströme von außerordentlich guter Beschaffenbeit bewässert , auch mehrere Baumgarten, in denen viel Citronen und Oran gebäume angepflanzt find.
In der Mitte dieser Gärten
steht das Landhaus eines Primateno der ersten des Landes ; es ist ein hoher Thurm,
auf den man auf steinernen
Stuffen steigt , und nur durch eine Zugbrücke mit dem Wohngebäude in Verbindung steht.
Dergleichen Wohnungen sieht man häufig in der Türken. Am Ufer giebt es mehrere Magazine. Das Klima ist hier sehr gesund ; die Einwohner se hen daher größtentheils sehr wohl aus , find. stark und
141
Beschreibung von Parga. erreichen du chu hohes Alter.
Die gewöhnlichen Krankheis
ten befiehen plos bløs in rheumatischen Zufällen und Seitenstechent die sich durch die freye Lage ihres Wohnorts und durch Erkältungen nach den schweren Arbeiten ihres Ackerbaus leicht erklären lassen. Von Erdbeben weiß man hier gar nichts.
kleine Gebiet von Parga ist sehr fruchtbars Korn , Wein und Sehl ;
Das
es erzeugt
auch verfertigt man Liqueurs.
Die beyden letzten Artikel reichen aber nur zum eignen Berbrauch hin. Vom Wildpret findet man nur Geflügel; aber in reichlicher-Menge.
Das andere Wild wird durch die
Nachbarschaft der albanischen Dörfer verscheucht, .... Der Fischfang reicht auch nur für das Bedürfniß der Einwohner zu. Jeugen, ver ganzen angebauten Gebiets läßt Die keine Bichweiden zu. Man hålt also blos einige Ochsen zum Feldbau ; das andere Vieh bekommen sie von ihren er ten im v Verz Nachbarn, mit denen ihre Fehr stehn, Holz fehlt ihnen auch nicht, sie hauen es in den
nah liegenden albanischen Wäldern,
und führen davon
noch vieles den benachbarten Inseln zu.
Bey diesem
Holzfällen gerathen fie oft in kleine Kriege mit den Albaniern , die aber nicht von langer Dauer sind . Die ganze Bevölkerung steigt ungefähr auf 4000 Seelen , von denen der größte Theil auf dem Felsen dem Dorfe , das rechts vom wohnt : die übrigen leben in Abhange des Felsens am Ufer liegt.
Neunter Abschnitt..
142
Politischer Zustand von Parga. Bis zu dem Passarowißer Frieden, der 1718 zwie schen den Venetianern und Türken geschlossen wurde, ges. hörte Parga zu Albanien ; von dieser Zeit erst kam es unter venetianische Herrschaft.
Es ist eine Art von
Vorposten, die dem Besitzer blos dazu dient , die Ope= rationen des Feindes in Albanien verzögern zu können . Die griechische Religion war die einzige herrschende, die Popen standen unter dem Bischof von Paravaitia in Albanien , der sie einweihte , und alle Jahr einmal diese Kirche besuchte.
Auch befand sich hier eine kleine lateinische Kirche. für den Kommandanten , die Garnison , und durchreis sende Fremde ; sie wurde von einem Franziskaner Mönch y voirdouri and versehen. Die Regierung von Warga wurde von den Geſundheitsbeamten dent Aufseher über die Lebensmittel und den Syndiken ernannt. Leztere mußten besonders für die Ans Kornmodate but füllung eines tragen , wozu jeder Einwohner einen kleinen Beytrag lieferte. Unter andern Privilegien genoffen die Einwohner noch folgende Vorz rechte; sie waren freh von allen Auflagen ,
Kopfsteuern,
Ein- und Ausfuhrzöllen , und hatten die Freyheit Tabak anpflanzen und fabriziten zu dürfen.
In den andern
Besitzungen der Republik durften sie nur die Hälfte der gewöhnlichen Zölle entrichten.
Die Befehlshaberstelle
Pieses Ortes erwählte den ein Adlicher von , und von der Corfu unmittelbar von Parga erhielt erhielt allemal das Conseil unter den Befehlen des Festungsproseditors von Corfu stand.
Gewöhnlich war es ein Syndikus oder Gesunds
Beschreibung von Parga.
143
heitsbeamter der letzten Stadt, oder ein Dokter der Rechte. Die Gemeinheit gab ihm Wohnung und monatlich 100 Livres , was er nebenben erwarb , mochte sich eben, so hoch belaufen. Dieser Befehlshaber entschied unwiederruflich alle Prozesse , deren Gegenſtand nicht über 150 Livres betrug. In Criminalsachen übernahm er bloß die erste Einleitung, die er dem Festungeproveditor · von Corfu überschickte, der fie dann durch eine Commission an Ort und Stelle beendigen ließ.
Der Kanzler des Befehlshabers wurde
vom Regierungsrath von Parga ernannt. ein gelehrter Mann ,
Er war schon
wenn er einige griechische Worte
schreiben konnte.
Die Garnison bestand aus einer Compagnie italiàs nischer Truppen.
Sie war in einem Gebäude einquars
tiert, das noch am Thor der Ringmauer lag , die die Festung vorstellte.
Alle Einwohner von Parga waren
Soldaten, ohne wie die Cernides der Inseln , sterrollen eingeschrieben zu werden.
in Mu-
Sie waren fast tågs
lich mit den Albaniern im Handgemenge , um ihre Eins fälle abzuwehren. Die Ausfuhr der albanischen Produkte , die sie allein betrieben , da sie ihre eignen selbst verbrauchten, machte , ten.
daß sie sich sehr mit der Schiffart beschäfftig=
Dieser Handel wurde zuweilen durch die kleinen
Kriege unterbrochen , die sie mit den Albaniern führten. Nach einigen Flintenschüssen
wurden sie jedoch ges
wöhnlich , beendigt.
Den Fahrzeugen dieser Gegend war nicht immer zu trauen ; sie waren oft mit Räubern besetzt, die aufschlecht
144
Neunter Abschnitt se.
bewaffnete Handlungsschiffe lauerten ,
welche ,
um ihr
Verbrechen zu verheimlichen, ins Meer versenkt wurden, nachdem sie die Equipage ermordet und geplündert hatten. Vey ihrem Rückzuge mußten sie oft ihre Beute mit denen theilen , die ihre Unternehmung hätten verhindern sollen. Der Karakter der Bewohner von Parga hat das frolze und barbarische der Albaner. schlecht genoß volle Freyheit.
Das weibliche Ge-
Aber eine Frau , der man
eine. Galanterie zumuthete , wozu sie nicht Neigung hatte, wartete nicht erst auf die Rache ihres Mannes : ein Stein, ein Meffer , oder was sie bekommen konnte , waren dann
feine ne müßige Waffen.
Die Kleidung der Männer gleicht
fo wie ihre Sitten und Erziehung der albanischen und der Tracht von Corfu. Beständig gehen sie bewaffnet.
Ihre
Befehlshaber , die Ungerechtigkeiten begiengen , wurden von ihnen oft festgesetzt,
bis sie auf ihre Klagen in
Corfu ihrer Bestrafung gewiß waren.
145
Zehnter
Abschnitt.
Physischer und politischer Zustand von Prevesa. Vonizza und San Maura.
Physischer Zustand von Prevesa.
Wenn man von Parga die Küste von Albanien süddstlich verfolgt , so stößt man auf die Mündung des Meerz buſsens von Arta : wo Prevesa auf der Gränze der türkiz schen Provinz Xeromero liegt , die bey den Alten Acarna nien heißt.
Diese Mündung wird nordöstlich von einem
Hügel gebildet , auf dessen Gipfel eine Kirche des heiligen Georgs und eine Windmühle steht , die man sehr Die Schiffart in dieser Meerenge ers weit sehen kann. forderte wegen der vielen Untiefen ? Aufmerksamkeit, und deshalb unterhielt hier die Republik einen Piloten, der die Fahrzeuge regieren mußte, wenn sie an der Mündung ankamen, und ihr Capitain ihm das gehdrige Zeis chen mit einem Kanonenſchuſſe gegeben hatte.
Gut wäre
es gewesen , wenn man auch ein Nachtfeuer angebracht hätte. Wenn man den erwähnten Hügel umfahren hat, so erblickt man sogleich die Häuser von Prevesa, die alle langs der Küste erbaut find.
Sie sind nicht sehr hoch,
und beynah alle von Backsteinen aufgeführt, die von einer röthlichen Erde in der freyen Luft getrocknet werden. Graffers Reisen.
K
Zehnter Abschnitt .
146
Die Gestalt des Gebiets von Prevesa ist beynah dreyeckig , und hat ungefähr fünf Meilen im Umkreis. Die Gränzen hatte der Passarowißer Frieden bestimmt.
Die Rhede von Prevesa beträgt in der Långe ans derthalb, und in der größten Breite eine Meile. Schiffe von jedem Range können hier ankern , und werden von den beyden Anhöhen Chiefalo und Scafidachi gegen die Winde geschützt.
An der nordöstlichen Seite dieser Rhede giebt
es einen kleinen Hafen , ganz nahe am Lande , der wes gen seiner Tiefe Vathi heißt.
Er dient nicht blos zum
Ausbessern , sondern auch zurt Erbauung ganz neuer Fahrzeuge von jeder Größe , nur nicht zu Kriegsschiffen, wozu er zu klein ist.
Zwischen der Burg von Prevesa
und diesem kleinen Hafen befindet sich auf der Küste eine füße Quelle , die Megalivrisi oder der große Brunnen heißt. Nicht weit von der Burg bildet im Winter der Zus sammenfluß der Gewäſſer, und der Schnee von dem als banischen Gebirge Meer ergießt .
einen kleinen Fluß ,
der sich ins
und zwey Wassermühlen in Bewegung
fekt. Die Nachbarschaft des mit Schnee bedeckten albas nischen Gebirges , die Moråste und viele seichte Stellen des Meerbusens von Arta erzeugen , eine sehr ungefunde Luft.
Der oft schnell eintretende. Nordwind nöthigt die
Einwohner , selbst in der größten Sonnenhite fich warm zu kleiden.
sehr gemein.
Verkältungen und Bruftflüsse sind daher
147
Beschreibung von Prevesa.
Zuweilen empfindet man Erdstdße, gewöhnlich sind fie aber nur eine Folge von den Erschütterungen ,
die
San Maura erleidet. Das Gebiet von Prevesa war damals, als die Re publik es besetzte , ganz mit Bauholz bedeckt : und der Senat hatte zur Erhaltung dieser schönen Quelle an Schiffsmaterialien , den neuen Einwohnern ,
denen er
Land zum Anbau anweiſen ließ , aufs scharfste verboten, Bäume zu fållen ; auf allen war das Zeichen des heiligen Markus eingehauen. Deffen ungeachtet haben aber die Bionofoner , die von dem kleinen Lande , was ihnen angewiesen war, nicht leben founten , nach und nach dies fen Wald auf eine listige Weise gefällt , und so ihren Aufenthalt , außer den übrigen Vortheilen auch gesunder gemacht.
Es ist nur noch ein kleines Gehölz übrig
geblieben , das wahrscheinlich ein gleiches Schicksal er= fahren wird. Da der Boden wenig zum Kornban , sondern mehr
1
zur Baumzucht geeignet war , so haben die Einwohner Dehlbäume angepflanzt ; deren gutes Fortkommen die Mühe des Anbaues balo reichlich belohnte. Die Pflans zungen geschehen im April und May. Man minimt einen Oehlbaum von anderthalb Fuß Höhe , beraubt ihn seiner Blätter , pfropft ihn in dem Augenblick , wenn man ihn gepflanzt hat , und, bedeckt ihn dann mit Erde. Der Baum fordert nun weiter keine Pflege, als daß man ihn, wenn er Blåtter treibt, gegen die Gefräßigkeit der Thiere, mit einem Zaun sichern muß.
Die Prevesaner sammeln
mit größerer Sorgfalt , als auf andern Inseln geschieht, die Früchte zur rechten Zeit zum Preſſen , K 2
und daher
Zehnter Abschnitt.
48
kommt es , daß ihr Dehl an Geschmack und +Weiße bey weitem alles übrige Dehl übertrifft , das in den andern venetianischen Besitzungen zubereitet wird.
Noch erzies
len sie aber nicht mehr : als sie selbst brauchen. Die andern Fruchtbäume , als Citronen , Orangen Ein Stamm u. f. w. , gedeihen hier auch sehr gut. von einem Fuß Höhe, der ohne alle Zubereitung gepflanzt wird; trågt am Ende zweyer Jahre schon Früchte.
Sie
find aber gewöhnlich von einem sehr faden Geschmack. Dies ist auch der Fall mit den Rosinen , und darum les Meinbau und , holen lie gen sie sich auch nicht aufden ber ihren Wein von Arta und San Maura. Kräuter wachsen im Ueberfluß. Das Gemüſe ſieht schön aus, hat aber sehr wenig Saft.
Diese Unschmack-
haftigkeit kommt wahrscheinlich vom Brunnenwasser, mit dem man es bewässert , her.
und von dem fandigen Boden
Es reift hier übrigens wie auch die Baumfrüchte
eher, als auf den Inseln. Das Korn von Prevesa läßt sich nicht lange aufbes wahren,und giebt ein sehr schwammiges und etwas schwärz= liches Brot.
Der türkische Waizen ist zwar von sehr gu=
ter Beschaffenheit , wächst aber ärmlich.
Die Jagd liefert in allen Jahrszeiten reiche Beute ; Hasen und ander Wildpret im Winter;
so wie auch
Schweine, Hirsche und andere Thiere, wenn man etwas ins türkische Gebiet hinein geht.
Im Sommer fångt
man alle Sorten von Flügelwildpret. Der Prevesaner hat Ueberfluß an Fischen von aller Art und gutem Geschmack ; daher verkauft er auch viele derselben frisch und eingesalzen an seine Nachbaren ;
Beschreibung von Prevesa. einige räuchert er ,
149.
und verfertigt auch sehr
guten
Caviar, Von Vieh befinden sich hier nur kleine Ziegenheers deu , aus deren Milch man Kåse zubereitet : sonst giebt es nur noch eine gewiffe Anzahl Lastvieh und Zugochsen. An Weiden fehlt es aber nicht.
Das nöthige Schlachts
sich bekommen sie von den Türken . Ihr Salz erhalten sie aus den Salinen von Sans Maura. Außer der Burg von Prevesa giebt es keine andere Wohnungen, weil die Nähe der Albanier den Aufenthalt auf dem Lande unsicher macht. Die Volkszahl soll sich auf sieben bis achttausend Seelen belaufen.
Politischer Zustand von Prevesa. Der Meerbusen von Prevesa hieß bey den Alten Sinus Anactorius , von der nahgelegenen Stadt Anacto. rium; und der von Arta , Sinus Ambracius.
Die erste
Zeit, wo man gewisse Nachricht hat, daß das Gebiet von Prevesa anfieng bewohnt zu werden , scheint nicht über die Gründung der benachbarten Stadt Nicopolis hinaus zu gehn : die als Denkmal des Sieges bey Actium von den Römern erbaut ward.
Die Stadt Prevesa liegt
.kaum eine Meile weit von den Ruinen jener alten Stadt. täglichNähe findet, einige Diese und haben die Antiken aller Art , die man hier noch neuere Geographen zu der irrigen Meynung verleitet , daß Prevesa auf einen Theil dieser alten Stadt erbaut wåre. Erobeben ,
Sie wurde theils vom
und nachher von den
Barbaren zerstört.
Zehnter Abschnitt .
150
Mehrere Jahrhunderte nach ihrer Vernichtung wurde erst Prevesa aufgebaut. Nicht weit von dem Hafen Vathi findet man noch unzählige Ruinen , an denen man die kostbaren Spuren alter Baukunft und Bildhauerarbeit erkennt, die unsern Eben so hat man auch Künstlern zum Muster diente. in Prevesa interessante Antiken ,
Medaillen ,
Cameen,
Basen und Inschriften gefunden ; die meistentheils in die Kabinette verschiedener venetianischer Gelehrten und Lieb haber der Alterthümer gekommen sind.
Erst vor unge-
fähr zwanzig Jahren machte ein Hirt eine Entdeckung, die der Aufmerksamkeit werth ist.
Er stand auf seinen Stock
gelehnt, als sich der Boden unter ihm senkte, und er mit Hülfe eines andern Landmannes ein ſteinernes Grabmal entdeckte.
Sie fanden in demselben eine Menge Medails
len , Goldmünzen , ein Göhenbild von demselben Metall und mehrere Ringe , deren Steine aber von wenigem Werthe waren. Der Gouverneur bemächtigte sich dieses Fundes , nachdem er die Entdeckung erfahren hatte, und ließ weitere Nachsuchungen ansiellen , die aber vergeblich waren.
Noch heut zu Tage finden die Landleute beym
Adern Medaillen , Gold,
Silber
und Kupfermünzen,
Cameen und geschnittene Steine, worunter sich oft sehr kostbare Stücke finden.
Nicht weit vom Hafen Wathi sieht man noch ein. ganz unversehrtes steinernes Grab , das bleyfarben ausficht.
Es ist sechs Fuß lang , und zwey Fuß breit und
tief.
Die Trauervasen , Thrånen und Aschenkrüge, die
man aus ihm herausgenommen hat, waren aus einer röthlichen, sehr harten Erde verfertigt.
Beschreibung von · Preveſa.
151
Auf der einen Seite des Grabes ſtand folgende Inſchrift. ΚΟΡΝΗΛΙΑ
OEONIE ΕΤΩΝ
ΕΞΕ
ΣΙΛΒΑΝΟΣ
ΣΙΟΥ
ΥΙΟΣ ΕΤΩΝ ΟΖ ΧΑΙΡΕ Cornelia, Lochter des Theon , alt 65 Jahr ; Sylvanus , Sohn des Sius , alt 76 Jahr,
Heil ! Dieses Denkmal scheint nicht über die Zeiten der Römer hinauszugehn.
Als die Türken noch Herren von Prevesa waren, haben sie hier eine Festung gebaut , die ganz der von San Maura gleicht , aber nicht von gleichem Umfange ist.
Ihre Mauern waren ungefähr eilf Fuß dick, und
von einem sehr harten Stein aufgeführt , in der Mitte hatte man einen großen Thurm errichtet , der zum Mas gazin für die Munition diente.
Dieses Fort beherrschte
eine weite Ebene , die sich nach und nach zu einem Hügel erhob.
Die Untiefen erlaubten den Fahrzeugen nicht,
fich der Küste zu nähern ; eine Landung war daher ſehr schwer zu unternehmen.
Als Venedig durch den Passarowißer Vertrag in Besitz von Prevesa kam , bestanden die hier befindlichen Bohnungen aus sechzig kleinen Hirten und Fischerhütten, die mit Stroh bedeckt waren , und aus zwey oder drey beffer gebauten Häusern,
Der Frieden , die Handlung
152
Behnter Abschnitt.
des Meerbusens von Arta , und der Fischfang machten, daß nach und nach viele Anführer der griechischen Trups pen aus den benachbarten türkischen Ländern flohen, und sich auf diesem Gebiete mit ihren Familien niederließen. Viele Vornehme sind ihrem Beyspiele nachgefolgt. Diese Einwanderungen dauern noch heut zu Tage fort , vera mehren die Bevölkerung von Prevesa , und geben Hoffnung, daß es einst eine ansehnliche Stadt werden kann. Die Prevesaner standen seit der Zeit der venetianis ... schen Herrschaft unter dem Bischof von Arta und Les panto. Prevesa.
Jedes Jahr besuchte der Prålat die Kirchen von Die venetianische Regierung schickte ihm zu
seiner Reise eine Brigantine , und erwies ihm alle mög liche Freundschaftsdienste .
Gegen die Popen war er sehr
ffreng, und erpreßte von ihnen unter allerhand Vorwäne. den viel Geld.
Die Repräsentanten der Republik dul-
beten dies nicht allein, sondern waren ihm dazu auch bes hülflich ; weil man gern seine Freundschaft zu erhalten suchte, da sie wegen seines Ansehns bey den Albaniern von großem Nuken seyn konnte.
Er besaß das Recht,
am Weihnachtsfest drey Gefangenen die Freyheit schenken zu können , nur mußten sie nicht Todesverbrecher seyn.
ein.
Diese Befreyung brachte ihm immer einiges Geld Bey seiner Ankunft in Prevesa brachte er dent
Gouverneur jedesmal Wachslichter ,
Kälber , Hüner,
Lobak und türkische Pfeiffen zum Geschenk mit, Die Primaten von Prevesa bilden ein Collegium, das die Municipalbeamten erwählte.
Ste versammels
ten sich dazu in einer Kirche, nachdem der schlechte Saal,
Beschreibung von Prevesa.
153
der ihnen gehört hatte , und an der Festung lag , in eine Art von militairischem Hospital war verwandelt worden.
Der Gouverneur dieses Orts, der jedesmal ein ves netianischer Edelmann war , und alle zwey Jahr vom Senat ernannt wurde , hing gänzlich von den Befehlen 1 bes Proveditor von San : Maura ab. Er hatte zivey Kanzler unter sich , der eine gab sich mit den Criminals 'sachen ab , die ihm aber nicht viel Mühe verursachten, da fie gewöhnlich nit Geld abgemacht wurden.
Als
Faktor des Proveditors erwarb er sich auch ein gutes Mebenverdienst. ~~ Der andere Kanzler beſorgte die Civila und Staatsgeschäfte, führte die Correspondenz ,
und
ftellte die Påffe für die Handlungsbarken aus, 1597 Von der alten Festung , die nah an der Mündung bes Hafens stand , und 1701 von den Venetianern zerz stört wurde, sind nur noch einige geringe Ucberbleibsel zu sehen.
Die Türken bauten ſie nachher eine halbe
Meile tiefer ins Land hinein. Sie besteht aus einem viereckigten Wall , der mit Pallisaden von Eichenftämmen umgeben war , von denen aber viele in die Küche der Proveditoren gekommen sind, bie mehr für diese , als für die Sicherheit des Landes bes forgt waren.
Ringsherum geht noch ein Graben , der
nicht sehr tief ist und nie Waffer enthält.
Die beyden
Spißen idiefes Forts , die den Flecken und den Hafen beherrschen , sind mit zwey Bastionen versehen , auf denen zwey Batterien von schweren Canonen errichtet sind ; viele von ihnen waren so wie die Stücke , die auf dem Wall standen , gar nicht montirt.
Zwischen diesen beyden Bas
flionen legt das Thor des Forts , das immer offen stand;
Behnter Abschnitt.
154
und nie einen Mann Wache hatte.
Im Innern wohnte
der Proveditor und die Besatzung, die aus acht Soldaten In einem andern kleiz
und einem Unteroffizier bestand.
nen Gebäude hielten sich vier Artilleristen auf, zugleich diente es auch zum Magazin får Kriegsbedürfnisse. Noch waren hier drev Brunnen und eine lateinische Kirche , des ren Gottesdienst von zwey Franziskanermönchen
auf
Unkosten der Republik besorgt wurde.
Zur Bewachung des Hafens diente eine Galiote und eine oder zwey Brigantinen ; erstere war mit funfzig flavonischen Soldaten und einem Capitain , jede der lezs ten mit funfzehn bis achtzehn Mann besetzt.
Man ges
brauchte diese Soldaten auch zur Erhaltung der Ordnung und Ruhe
auf dem Lande.
Diese kleinen Fahrzeuge
kreuzten auch abwechselnd im Meerbusen von Arta und beschůzten die Handlungsbarken , die dahin fuhren. Diese Schifffahrt wurde oft von türkischen und selbst noch öfter von prevesauischen Seeräubern gefährdet , deren Verbre chen die Regierung ungestraft hingehen ließ. Die Repue༤ , blik unterhielt auch beständig zwey Detaschements griechis scher Truppen , jedes von vier und zwanzig Mann , welche die Gränzen mußten .
gegen das türkische Gebiet bewachen
Wurden die feindlichen Angriffe der Albanier
für Prevesa beunruhigend , so eilte der Proveditor von San Maura mit einer Verstärkung von italianischen und sklavonischen Truppen herbey.
Diese kleine Kriege waren
niemals von Dauer oder blutig.
Die Prevesaner die
ihren Wohnsitz zu San Maura aufgeschlagen hatten, mußten sich bey diesen Vorfällen an das kleine Hülfs-
Beschreibung von Prevesa. corps anschließen ;
155
nur unter dieser Bedingung war es
ihnen vergönnt hier zu wohnen.
Der Prevesaner zieht aus seinem Boden kein Produkt , das er verhandeln , oder an seinen Nachbar gegen andre Waaren umtauschen könnte. Alles was er gewinnt, braucht er selbst, und das erste Bedürfniß , das Korn, fehlt ihm sehr.
Was ihu dafür entschädigt und noch
überdies reinen Gewinn bringt ist erstlich der reiche Fischfang und dann besonders der Transporthandel.
Dieser
wird mit vieler Thätigkeit betrieben und ist sehr eintråglich, ob er gleich nur auf Barken geschieht, und sich nur auf die Küstenländer und nahe liegenden Inseln beschränkt. Sie führen den Albaniern ausländische Waaren und Lurusartikel zu , und führen dafür deren natürlichen Produkte nach andern Ländern,
In ihrem Karakter , in ihren Sitten und Gebräus chen, gleichen sie sehr ihren Nachbaren.
Von diesen
nehmen ſie auch viele Wörter in ihrer Sprache , die eis gentlich die griechische ist, auf. ganz albanisch.
Ihre Tracht ist beynah
Albanier waren auch die ersten Ansiedler
dieser Gegend , und sie haben troß der Veränderung ihrer Herren , dieselben Neigungen und Gewohnheiten beybehalten.
Die Frauen genießen die Annehmlichkeiten der Freyheit ; fie theilen mit ihren Männern die geselligen Vers gnügungen des Lebens , und sind viel sanfter als die vou Parga.
Behnter Abschnitt.
156
Albaniens Handel über Prevesa. Die Lage von Prevesa an den Küsten von Albanien und am Eingange des Meerbusens von Arta macht diesen Ort zu einer Niederlage türkischer Waaren sehr geschickt, und dies Verkehr hätte für die Republik Venedig vors theilhaft werden können, da sie hier keinen Rival zu bes fürchten hatte.
Durch diesen Handel konnten ihre Inseln
Produkte erlangen , an denen die Einwohner ihre Talente hätten üben können , und wodurch denn gewiß Künste und Industrie unter ihnen in Aufnahme gekommen wären. Die unterdrückende und falsche Politik von Venedig fand es aber nicht für gut die dazu ndthigen Handlungsvers bindungen mit den türkischen Ländern einzugehn : sie suchte blos die nahen Paschas ben friedlichen Gesinnungen zu erhalten , damit fie gegen ihre Besitzungen auf dem festen Lande nicht feindselige Plåne entwerfen möchten , und die für die Insulaner nöthige Ausfuhr der ersten Lebensbes dürfnisse aus Albanien ungestört erlaubten. Aus einer gewiſſen Unthätigkeit ließ es also die Res publik geschehen, daß sich andre Mächte dieses so wicha tigen Handels bemächtigten , der für sie viel vortheils hafter gewesen wäre.
Die Mittel , welche die besten zu
der Errichtung dieser neuen Handelsetabliſſements mit vielem Glück anwendeten , waren nicht allein das Stuz dium der Landesprodukte , und der Bedürfnisse der Eins wohner von Albanien ; sondern auch das Studium des Karakters und der politischen Marimen der verschiedenen Paschas, die dieses Land beherrschten, und besonders ihre Einmischung in die Streitigkeiten und Verhältnisse, in benen sie unter sich , oder mit der ottomanischen Pforte
Beschreibung von Prevesa. standen.
157
Auf diesem Wege erhielt Frankreich die vielen
Handelsverbindungen mit diesen verschiedenen Låndern, und so erhielt zum Beyspiel noch Spanien , durch die Aussöhnung der Pforte mit dem mächtigen Pafcha von Skutari ,
von diesem
leztern
große Begünstigungen.
Dieses einzige Mittel zur Errichtung fester und vortheilhafter Handelsverbindungen vernåchläffgte Venedig gånze lich.
Es bemühte sich gar nicht durch reelle Dienste die
Freundschaft dieser Paschas zu erhalten, und konnte daher von ihnen auch keine Begünstigungen erwarten. Der Handel, den Frankreich mit Albanien führte, ers streckte sich blos aufBauholz für das Arſenal von Toulon. Anfänglich geschah er durch griechiſche Kaufleute , die mit dem Minister der Marine einen Handel schloffen , und Borschüsse erhielten.
Ihr Gewinn erregte bald die Cons
kurrenz der Kaufleute von Marseille ;
sie schlugen den
Ministern vortheilhaftere Bedingungen vor, und erhielten von diesen nicht allein ansehnliche Vorschüsse , auch Zimmerleute aus dem Arsenal von Toulon.
sondern Diese
nenen Entrepreneurs wählten sich Durazzo zum Etablissement und Aufenthaltsort.
Ihre ersten Unternehmungen
giengen glücklich ; nachher aber legten ihre Nebenbuhler durch allerhand Intrigen iha die griechischenKaya nen viele Hindernisse in den Weg.
Auch führen sie fort
in denselben Wäldern Holz zu fällen , das sie nach Neapel und Maltha versandten. Durch diese Nebenbuhler stieg der Preis , den man ben verschiedenen Paschas, in deren Gebieten die Wälder 3. Erlaubniß lagen, für die des Fällens zahlen mußte. Man konnte sich auf ihr Wort nie verlassen ; der geringste Vor-
Zehnter Abschnitt.
158
wand diente ihnen zur Brechung ihres Worts , und man . mußte wieder eine größere Summe bewilligen.
Die bes
waffneten Albanier , die man zur Wache für die Sichers heit der Arbeiter beym Fällen und Bearbeiten des Holzes brauchte , vermehrten die Unkosten noch mehr.
Wie man
an . den Küsten keine schickliche Wälder mehr fand ,
fo
wandte man sich zwar in das Innere des Landes ; der Transport war aber so kostspielig , daß man diesen Holzhandel bald ganz aufgeben mußte. J. B. Lasalle , Vorſteher eines der größten Handlungshäuser von Marseille, ein äußerst thätiger und spez kulativer Kopf faßte den Plan diesen für Frankreich so wichtigen Holzhandel mit Albanien wieder herzustellen. Er verschaffte sich durch die franzöſiſche Regierung und ihre Confuls Addreſſen an die Paschas dieser Länder, und reiste 1784 von Marseille ab , um den schicklichsten Ort für diesen Handel , den er ins Große zu führen gedachte, auszusuchen.
Prevesa entsprach am besten seinen Unter-
nehmungen.
Hier ließ er sich nieder und suchte nun durch
alle mögliche Mittel und von seiner Regierung unterstüßt, den Pascha von Janina , Ali zu seinem Freunde zu bes kommen , in dessen Wäldern von Eeromero er das Bauholz fållen und bearbeiten wollte.
Sein großer Geist
und seine unermüdete Thätigkeit siegte über alle Hindernisse und Unglücksfälle , die er erlitt.
Seine Unter-
nehmung gieng so glücklich von statten , daß.er nicht allein mit einigem Gewinn Bauholz nach Frankreich schickte, sondern daß er auch in dem Hafen Vathi ordentliche Schiffswerfte und ein großes Magazin anlegre.
Die
dazu erforderlichen Materialien erhielt er durch seine Vers
Beschreibung von Prevesa. bindungen aus den Magazinen von Corfu.
159 Das Aus-
laufen einer ansehnlichen Fregatte von seinem Stapel ſeßte ſeine schon immer an seinem Untergang arbeitenden Neider und Feinde in Feuer, unter denen sich auch Venedig be fand.
Alles wurde angewandt ihm die Unterstützung des
Paschas Ali von Janina zu entziehen ;
aber vergeblich.
Endlichwurde Lasalle im August 1792 aufder Straße nicht weit von seinem Hause in Prevesa durch zwey Pistolenschüsse ermordet.
Das Benehmen der venetianischen Rez
gierung bey diesem Vorfall bestärkt nur allzusehr den Verdacht , daß sie bey diesem Morde mit im Spiel war. Der Tod dieses großen Mannes sette dem glücks lichen Erfolg seiner großen Staats- und Handlungsunternehmungen ein Ende.
Seine Anlagen blieben wie
verlassen in den Händen zweyer jungen Leute, die feine Gehülfen gewesen waren ,
und deren Unerfahrenheit
die
Kenntnisse und Thätigkeit des verlornen Aufsehers nicht aubte sichDer t me,r der ersehen r, glkonnte. wa nicheine e mit Lafalle verwandt sicher, und begab sich in ein französisches Comptoir in der Levante.
Sein Ges
fährte blieb allein zurück ; er war nichts weiter als ein Aufseher über die Besitzung in Vathi ; die sich täglich ihrem Verfall immer mehr näherte.
160
Eilfter
Abschnitt.
Zustand von Vonizza
Das Vorgebürge Scafidachi gegen Norden von Prevesà und das Cap Chiefalo, bilden den Paß, durch den man in den Meerbusen von Arta einfährt.
Hat man diese
Fahrt zurückgelegt, so erblickt man bald Vonizza. Dieſer beynahe eine halbe Meile hinter demPaß, und Ort liegtvierd zwey
Prevesa. Dies
Gebiet
grånzt an die türkische
Xeromero, die fons Acarnania hieß.
Provinz
Seine Gränze ist
auch nach dem passarowißer Frieden durch venetianiſche Man und ottomanische Comiffarien berichtigt worden. kam hier wie bey Prevesa darin überein , daß der Lauf eines Pferdes , während einer Stunde nach den verschie denen Richtungen des Windes , die Gränzen bestimment sollte.
Es durchlief ungefähr 25 italianische Meilen,
und dies ist der wirkliche Umfang dieses Gebiets. Eine halbe Meile östlich von der Festung erhebt sich eine kleine Insel aus dem Meere die höchstens eine Meile im Umfang hat ; sie ist angebaut und hat eine Kapelle.
Außer der, Rhede von Vonizza giebt es hier keis nen Ankerplatz.
In jener kann man sich leicht mit
Waſſer versehen ,
da die
Ströme vom Gebürge von
Xeromero fich hier ins Meer ergießen.
Der beträchtlich-
ste, der zu Paradiſſi entſpringt , ist der alte Berdas ; er
Beschreibung von Vonizza.
161
fällt gleich hinter der Festung in die Rhede von Vonizza ; und treibt mehrere Mühlen, auf denen nicht allein die hie figen Einwohner , sondern auch die von Prevesa ihr Ges treide mahlen.
In seinem Wasser wåſcht man auch die
Wolle, aus der man die großen Decken verfertigt, die Schiavine genennt werden. Am Fuß eines Berges der im Hintergrunde der Bucht von Vonizza liegt , entspringt eine sehr reiche jalzige Quelle , deren heilsame Kräfte man noch nicht untersucht hat.
Man findet in dieser Gegend noch mehrere dieſer ·
Art. Die Erdbeben find hier selten und werden nur dann verspürt , wenn die Insel San - Maura ſtarke. Erschüttes rungen erlitten hat. Das Klima von Vonizza ist sehr ungeſund und für die Fremden gefährlich.
Die verdorbene Luft rührt von
den Untiefen , Moråsten und Sümpfen her , die sich hier in großer Menge befinden.
Die gewöhnlichsten Kranks
heiten sind dreptågige Fieber, die sich schwer heilen lassen, und mit Verstopfungen endigen.
Die Einwohner sehen
daher auch sehr ungesund aus und sind im Herbst, wenn fie sich nicht recht gut verwahren , häufig den Schlags flüssen ausgesetzt.
Außer der Luft soll auch das Wasser,
deffen sich die weiter ins Land wohnenden Einwohner bes dienen , zu diesen Krankheiten beytragen.
Sie schöpfen
es aus kleinen Bächen , deren Ufer mit Platanen bewachs sen find.
Im Herbst fallen ihre Blåtter, die mit einer
Art feiner Federchen bedeckt sind, ins Wasser, und das durch soll es verderben. Grassets Reisen.
L
162
Eilfter Abschnitt. Das Gebiet von Vonizza besteht aus einer ziemlich
ausgedehnten Ebne, die von der Festung und von einigen. andern weniger beträchtlichen Bergen beherrscht wird . Die Erde ist fruchtbar , aber die Anzahl Einwohner reichte nicht zur Kultur hin.
Sie beschränkten sich blos auf das
Getreide, deſſen ſie bedurften. Der türkische Waizen wächſt sehr üppig, wahrscheinlich wegen der vielen Bäche, die Weinbau treiben fie gar nicht, das Land bewässern. auch ziehen sie fast gar keine Obstbäume.
Oehlbänmé
könnten sie leicht ziehen , da man in den Gehölzen herum eine Menge wilde findet, die man blos pfropfen dürfte, angepflanzt, wenig auchvon Gemüse wird nisse San holen sie sich Mauro Alle diese Bedürfe ፡
Beynah alle Hügel find mit Waldungen bewachsen , in denen sich Holz zum Häuser und Schiffbau findet.
Die Thaler sind voll von
Platanen , Weiden und andern Bäumen , die einen feuchten Boden lieben. Die Beschaffenheit des Bodens und der wenige Anbau desselben macht , daß die Vonizzaner reich an Weiden Sie halten deshalb Kühe, Schaafe, Ziegen, Büffel
find .
und Schweine ;
deren Produkte,
als Wolle, Haute,
Butter und Kåse fie nach S. Maura fahren , und dafür ihre fehlenden Bedürfnisse eintauſchen.
Die Butter und der Kåse , find wegen der geringen Sorgfalt , die man auf ihre Zubereitung verwendet , sehr schlecht.
Bor ungefähr funfzig Jahren unterhielt hier
die Republik ein kleines Corps Kavallerie. Die Jagd ist an Thier E und Flügelwildpret reich. Der Vonizzaner hålt aber bloß wilde Schweine, und Füchse eines Schusses werth,
Hirsche
Beschreibung von Bonizza.
163
Die Küsten haben auch · Fische und Muscheln von allen Arten im Ueberfluß ; jene sind aber gemeiniglich von keinem guten Geschmack ; wahrscheinlich kommt dies von den vielen stehenden Gewässern her, in denen sie sich näh ren.
Die Vonizzaner brauchen daher auch nur zwey
oder drey schlechte Kähne zum Fischfang. Die ganze Volksmenge soll nur in 2000 Seelen beſtehn , die in vier Dorfschaften leben.
zunge
Das erste Dorf heißt Mirtafft und ist auf der Erda aut, welche die eine Küste von der Bucht Vos
nizza bildet, und der Festung gegen über liegt.
Dieses
Dorf enthält ungefähr dreyßig Häuser , oder vielmehr Hütten mit Strohdächern , außer einigen , die mit Zies geln gedeckt sind.
Darin befindet sich das griechische
Mönchskloster, das Santa Venekanda genennt wird, dem dies Dorfgehört. Die Mönche hången von dem Kloster der Heiligen Jungfrau ab , das auf einem Felsen des zwischen Bonizza und Arta gelegenen Meerbusens steht.
Dieser
Felsen heißt Coronist und gehört den Türken. Das Terris torium von Mirtaſſi Mirtassi ist von allen Abgaben frey.
Das zweyte Dorf heißt die Burg ; es ist das größte, and liegt unter der Festung gegen Ostsüdost.
Es zählt
vier und zwanzig Häuser, von denen einige zwey Stock werk hoch sind ; auch giebt es hier einige Fleischer und Handwerksbuden . Das dritte, Bucali , liegt von jenem eine Viertels meile entfernt an der Küste, und enthält ungefähr vierzig schlechte Hütten .
Das vierte steht auf der kleinen Landspite, die unmittelbar von der Festung nach der Küste des Hafens £ 2
164
Eilfter Abschnitt.
führt.
Es heißt die verschlossene Burg, weil es son dem
einen Flügel der Festung bis zum Hafen mit einer Mauer umgeben ist;
in der sich ein Thor
Nachts geschlossen wird.
befindet , das des
In diesem Dorfe findet man
noch die besten Häuser , sonst hielten sich hier auch einige, venetianische Offiziere auf. Hier wohnte der Stellvertreter des Proveditors , sein Haus lag auf der Spitze des Dammes , an dem man landete.
Nicht weit davon stand
eine lateinische Kirche und ein Barfüßer Couvent.
E8
wohnte aber nie mehr als ein einziger Mönch darin , der von der Republik seinen hinlänglichen Unterhalt bekam. Auch befand sich hier eine kleine griechische Kirche der heiligen Jungfrau gewidmet.
Die Festung Vonizza ist ein längliches Viereck, mit ziemlich starken Thürmen und Bastionen versehen , die aber nicht sehr im Stande gehalten wurden.
Sie hatte
zwey Ausgänge , einer führte nach der großen der andre nach der geschloffenen Burg.
Die wenigen eisernen und
metallenen Kanonen , die aufgestellt waren , hatten keine Lavetten, und die meisten konnten gar keinen Dienst mehr leisten.
Alle die Gebäude, welche die Festung umschloß,
als die Cafernen für die Soldaten , die Magazine und die Wohnung des Proveditors and der Offiziere, waren gånzlich eingefallen , nichts war mehr übrig als die Mauern Diese Festung könnte nach ihrer glücklichen Lage sehr von Bedeutung und der Schlüssel vom Meerbusen Arta seyn. Sie bestreicht das Meer und die Ebne, wird von keinem nahen Berg beherrscht , und ist weitläuftig genug , eine starke Garnison aufnehmen zu können.
um
Der Mans.
Beschreibung von Vonizza.
165
gel an türkischen Festungen in der Nähe macht sie noch wichtiger. Politischer Zustand von Bonizza.
Die Einwohner von Bonizza bekennen sich sämmt¿ lich zur griechischen Kirche ; ihre Popen standen unter dem Bischoffvon San Maura. Zur römisch katolischen Kirche hielten sich blos die Gouvernementspersonen und die Garnison. Der Proveditor , der hier die Regierung führen mußte , war immer ein venetianischer Edelmann , den der Senat ernannte , und der eben so wie der von Prevesa unter den Befehlen des Proveditor von San Maura stand. Seine Stelle ward alle zwey Jahre von neuem beseßt. Außer seinem Gehalte genoß er noch einige kleine Rechte, die erst nach und nach durch alten Gebrauch gesetzlich geworden waren. allen
Sie bestanden in kleinen Abgaben von
aaren , die man aus dem Hafen Bonizza aus-
führte.
Ferner mußten ihm die Einwohner wöchentlich
ein vierspänniges Fuder Holz liefern , und einen Bedienten halten.
Endlich mußte ihm jeder Eigenthümer einer
Heerde jährlich ein Schaaf, und jeder Vornehme des Lan= des ein Paar Kapaunen und einen Kuchen schenken.
Die Garnison bestand aus acht Soldaten und einem Unteroffizier.
Die Kranken brachte man zu Waffer in
das Hospital von Maura . Vor zwölf Jahren hatte man hier auch eine Regies rung errichtet , wie zu Prevesa.
Sie versammelte sich
bey dem Proveditor und ernannte durch Stimmenmehrheit die Municipalbeamten ,
166
Eilfter Abschnitt.
Eine schlechte Hütte , die auf dem Landungsdamm stand ,
diente zum Versammlungsort der Gesundheitss
commiffarien.
Der Zoll war dem Zöllner von Maura verpachtet, und wurde von einem seiner Gehülfen eingenommen.
Die Einwohner von Bonizza sollen einen fähigern und lebhaftern Verstand haben als die Einwohner von Prevesa. Da ihre Anzahl aber so klein ist, so können sie sich mit nichts weiter, als mit dem Landbau beschäfftigen, und ihr ganzer Handel besteht blos in der Ausfuhr ihres überflüßigen Getreides und Viehes.
Ihr Karakter ist sehr ſauft, und
besonders zeichnet sich diese Sanftheit bey dem weiblichen Geschlechte aus. Alle diejenigen welche von Thiaqui und Cephalonien fliehen , um in San : Maura eine Freyflåtte zu suchen , empfangen so wie die durchreiſenden griechis schen Mönche die freundlichste Aufnahme und Unters stützung. Ihre Geistlichen versehen sie auf das reichlichste mit allem , was sie selbst besißen.
Ihre Kost ist sehr
frugal und. besteht meist nur in einem großen Brote von türkischem Korn.
Sie breiten dasselbe auf ein Kohl- oder
anderes großes Blatt aus , damit es sich nicht an die Backschaufel anhängt , wenn sie es in den Ofen schieben,
Ihre Tracht ht ist beynahe albanisch.
Die Beamten
zeichneten sich durch ein langes Kleid, eine gestreifteJacke und durch einen runden , oder aufgeschlagenen Huth aus, den sie auf ihre rothe Kappe stürzten.
Die übrigen true
gen eine weiße Kappe, einen Mantel , und ihr Hemde
Beschreibung von Vonizza. hieng über die Beinkleider.
167
Die Frauen kleiden sich hier
wie zu Prevesa; nur hångt ihr lauges Tuch , womit fie sich den Kopf bedecken , hinteu bis auf die Beine herab. Durch die Anfälle der Albanier, zu denen sich auch Räuber aus Prevesa und selbst aus Vonizza gesellen, wers den sie oft beunruhigt , geplündert , und ihrer Heerden beraubt.
Haben einige von ihnen das Unglück in die
Gefangenschaft dieser Räuber zu fallen , so werden sie zu Sklaven gemacht , und auf das grausamste behandelt. Man bindet sie in den entfernt liegenden Wäldern an Båume , und martert sie so lange , biß fie in Briefen ihre Eltern oder Verwandte bitten , die geforderte Summe zur Freylaffung zu bezahlen.
Kommt diese nicht bald,
so schneiden sie dem Gefangenen die Nase oder ein Ohr ab, und schicken dies ſeinen Angehörigen zur Erinnerung an die Bezahlung.
Erhalten sie eine abschlägige Ant-
wort, so stillen sie ihre Rache durch den Tod des armen Schlachtopfers.
Erhalten, sie die geforderte Summe, so
-lassen sie den Gefangenen frey ; 'und glauben die verübte Grausamkeit dadurch wieder gut zu machen , daß sie ihm den Bart scheeren. Die Republik unterhielt hier eine Compagnie von vier und zwanzig Mann Laudtruppen ,
die Armatolier
genannt wurden , sie waren dazu bestimmt , die Einfälle Räuber abzuwehren, Da diese Armatoder banischen lier selbst Land- und Heerdenbesitzer waren , so verrichtes ten sie, aus Furcht vor der Rache der Räuber , selten ihren Dienst.
von Prevesa,
Ihr Befehlshaber war der Commandant
168
Eilfter Abschnitt.
Beschreibung von Bonizza.
Vonizza ist das Anactorium der Alten , von dem nur noch sehr geringe Spuren übrig geblieben sind. Eine. Meile weit von der Festung sieht man die Ruinen eines vierseitigen Gebäudes ; man kann aber nicht erkennen, was es sevn mag.
Auf der Gränze von Prevesa und
Vonizza nehmen die Ruinen eine beträchtliche Strecke ein ; es sind Ueberreste von Mauern und großen Quaderſteinen aufgeführt , und ohne Kalk zusammen
gefügt.
Ues
brigens scheinen diese Ruinen älter zu seyn , als die von Nicopoli,
169
3w difter
Abschnitt.
Physischer Zustand der Insel Santa oder Sans Maura.
Die Infel San 8 Maura liegt zwischen Corfu und Ces phalonien ; sie ist beynah rund , und hat ungefähr zwane zig Meilen im Umkreise.
Sie ist fast durchaus mit Ber-
gen und Hügeln bedeckt , bis auf eine schöne Ebene, die fich längst der nordöstlichen Küste zwey Meilen weit ers streckt , und wenigstens eine halbe Meile breit ist.
Auf
ihr liegt am Ufer des Meers die kleine Hauptstadt AmaMan richi , der Sitz der venetianischen Regierung. follte diese Insel, eigentlich eine Halbinsel nennen ; denn fie hångt mit dem festen Lande durch eine Sandbank zus ſammen ; die faſt fünf viertel Meilen lang ist, und von der nördlichen Landspike , unweit dem Meerbusen von Arta an , mit der Küste dieser Insel parallel fortläuft. Sie hält in ihrer größten Tiefe sechs Fuß Waffer. Diese Sandbank, auf der die Feftung von San- Maura erbaut ist, ward einstens von den Corinthern durchschnitten. Die Infulaner haben die venetianische Regierung vergeblich darum ersucht , dieses Werk wieder herstellen zu dürs fen, da es für ihren Handel und den Transport ihrer Lebensmittel außerordentlich vortheilhaft seyn würde. Zwischen der Insel und dem festen Lande können nur sehr kleine Fahrzeuge durchkommen ; jedes größere Fahrzeug muß sich außerhalb der Insel an der westlichen Küste ders
Zwölfter Abschnitt.
170
der aber nur
selben halten, wo ein kleiner Hafen ist,
zwey Fahrzeuge von hundert bis hundert und funfzig Tonnen aufnehmen kann.
Flüsse
giebt
es hier
gar nicht , sondern bloß
einige Quellen füßen Wassers von vortrefflicher Gûte. Zwey liegen nicht weit von Amarichi.
Lange Zeit hat
es aber der Stadt am Wasser gefehlt ,
bis endlich ein
Proveditor die alten Kandle wieder reinigen ließ,
die
das Wasser von dem großen Brunnen, der ungefähr eine Meile weit liegt , in die Stadt leiten. In einem von Bergen umgebenen Thale, zwey Meilen von der Stadt bilden die herabfeßenden und auf schwellenden Bäche in der Mitte des Oktobers einen Leich von ansehnlichem Umfange.
Gegen Ende des Maimo-
nats ist er wieder ganz vertrocknet , und bildet nun eine schöne sehr fruchtbare Ebene. und das Gemüse,
Das Getreide, die Früchte
was dort angebaut wird ,
gehört
dem benachbarten griechischen Mönchskloster , das dem heiligen Johannes geweiht ist. Die höchsten Berge liegen mitten auf der Insel, ſie und die kleinern sind aber nicht mit Holz bewachſen . Die wenigen Eichen , die man hier findet , stehen auf der Küste von Vasilichi.
An Sehl und Mandelbäumen ist
die Insel aber sehr reich.
Die letztern wachsen auf der
Ebene von Amarichi zu einer außerordentlichen Größe. Das Dehl ist von gutem Geschmack , aber viel gelber als das in Provence und Toscana gewonnene. Die kleinen Gehölze, die selbst um die Stadt herunt stehen , liefern Brennholz im Ueberfluß; daraus auch sehr hübsche und ſtarke Zäune.
man macht
Beschreibung der Insel San Maura.
171
Metalle scheint die Infel gar nicht zu enthalten, auch findet man keine mineralischen Quellen.
L Im Herbst und Winter ist das Klima sehr anges nehm , im Sommer muß man aber die schrecklichste Hike ausstehn.
Die Gegend der Insel, die dem festen Lande
gegenüber liegt , und besonders die um die Stadt herum, ist wegen der Dünste , die aus den seichten Stellen des Meeres und den vielen Sümpfen der Küste hervorsteigen, nicht sehr gesund.
Die östlichen Winde ; welche die pe=
stilenzialischen Dünfte vom Meerbusen Arta herüber füha ren, verschlimmern noch mehr die Atmosphäre, und vers ursachen viele dreytägige Fieber..
Im Sommer herrschen Nord - und West , im Wins ter Süd- und Ostwinde. Den Erdbeben ist diese Insel sehr ausgesetzt ; es vergeht kein Monat , in dem man nicht häufige Erschütz terungen empfindet , die oft so stark sind , daß sie die fea stesten Gebäude beschädigen.
Seit dem lehten schrecklis
chen Erdbeben von Calabrien hat die Insel besonders viel durch fie gelitten.
Die Erschütterungen entstehen hier
unmittelbar , und lassen also vermuthen , daß sich hier ein unterirdisches. Feuer befindet. Die
Ebene von Amarichi
ist
außerordentlich
fruchtbar, fie trågt Getreide von aller Art, Dehl, Wein, Flachs , und ist reich an Fruchtbäumen , Orangen und Citronen.
besonders an
Der Boden der Berge ist ges
wöhnlich steinigt; er könnte aber auch mit Nußen bes baut werden, wenn es nur nicht an Menschen fehlte.
Zwölfter Abschnitt.
172
DieWeine von Leucadia wurden von den Athenienfern sehr geschätzt ; man hielt sie aber wegen der Vers ſetzung mit Gyps für schädlich. Der Fischfang gewährt reiche Ausbeute , besonders an Austern und Muscheln ; auch fångt man Fische, welche die Griechen Octopodia (acht Füßler) nennen , und den Tintenfisch.
Aus den Lagunen erhält man eine Art Aale
von fünf bis sechs Fuß Länge, und von der Dicke cines Manusarms.
Man salzt und räuchert sie.
Von den
andern Infulanern werden sie sehr gesucht , besonders zur Fastenzeit. In den Gebirgen hält sich auch viel Wildpret auf. Das Gemüse wächst sehr üppig ,
und hat einen
vortrefflichen Geschmack , besonders die Artischoken.
In
den verschiedenen Gärten , die man um die Stadt herum antrifft, wird es mit besonderer Sorgfalt angebaut. An Vieh ist die Insel nicht reich; man hålt nur einige Schaaf- und Ziegenheerden ,
und
eine Anzahl
Maulesel, die man zur Arbeit und zum Transport braucht. Der Handel will nicht viel sagen.
Die Salinen,
die das beträchtlichste Produkt lieferten ,
waren einem
Partikulier von der Regierung verpachtet.
Das meiste
Salz gieng nach Venedig , auch wurden zuweilen einige Ladungen nach Schweden ausgeführt. Da man hier fast gar keine Schiffe hat, so bedient mon sich der Prevesanischen Fahrzeuge.
Vor zehn Jah-
ren ließ sich indeß ein Infulaner eine schöne Vrigge von zweyhundert Lounen bauen.
Dieser Versuch zeigt, daß
Beschreibung der Insel San : Maura.
173
die Einwohner sich sehr leicht die Frachtkosten ersparen Fönnten, die sie den Prevesanern zahlen. Die alte Stadt Leucadia, von der diese Insel sonst ihren Namen führte , scheint an der Küste ungefähr eine drittel Meile füblich von der jetzigen Hauptstadt gelegen zu haben.
Man sieht daselbst noch einige Ueberreste von
einer Mauer griechischer Art. Amarichi , der Sitz der Regierung , nachdem sie die Festung verlassen hat , ist schlecht gebaut und sehr unrelich.
Erst vor einigen Jahren hat man die Haupt-
straße , die nach) den kleinen viereckigen Plaße des heiliz gen Markus führt, gepflastert.
Auf diesem Platz sieht
auf der einen Seite die lateinische , und auf der andern die griechische Kirche des heiligen Spiridions.In der einen Ecke steht das Haus des Proveditors , und in der Mitte wurde vor einigen Jahren eine in den Ruinen von Nicopolis gefundene Marmorsäule aufgerichtet , auf die man den Löwen des heiligen Markus gesezt hat. Die Haule find meist nur ein Stockwerk hoch, manche haben Gallerien ; alle aber sind ohne Geschmack und Plan aufgeführt, und verrathen nicht einmal eine Idee von Baukunst.
Die Festung von San - Maura wurde im dreyzehnten Jahrhundert von einem Prinzen aus der Familie der Tochis , auf der Sandbank , die diese Insel mit dem
Stadt Lande Amaricverbindet hi durch ,eineerbauet. Wasserleitun festen and mit der Sie g stand n rbindu in Be die eine halbe Meile lang , und von den Türken unter Bajazet auf der Lagune aufgeführt war.
Dieses Ge
bäude hat sehr durch Erdbeben gelitten , und die Leitung
174
Zwölfter Abschnitt.
Es ist , die des Wassers ist ganz vernichtet worden. Seitenmauern abgerechnet , drey Fuß breit , und dient nur noch zu einem sehr gefährlichen Wege für Fußgånger. Man zählt dreyhundert und siebenzig Bogen , von denen der mittelste sehr hoch und breit ist.
Beym Herauf- und
Herabgehn steigt man auf drey Stufen.
Diese Waſſers
leitung ist die große Merkwürdigkeit von San - Maura. Die Festung ist irregulair, und mit fünf Thürmen bes feßt. Für die venetianiſche Garnison, die kaum aus zweyhundert Mann bestand , war fie groß genug .
Shre Lage
macht sie sehr fest , da sich wegen der Lagunen ,
von des
nen fie umgeben ist , nur ganz flache Fahrzeuge ihr nås hern können. Die Wohnungen des ordentlichen und außerordentlichen Proseditors , die in ihren Ringmauern standen , haben die Erdbeben niedergestürzt.
Es befand
sich auch daselbst die Wohnung des Commandanten , des Schahmeisters, die Cafernen und ein Franziskanerkloster, worin der Vicarius des Bischofs von Zante wohnt. Nahe daran stand eine griechische Kirche des heiligen Timotheus und der heiligen Maura.
Die Verehrung dieser Heiligen
foll die Familie der Tochis aus Spanien gebracht habent. Man stüßt diese Vermuthung auf die kostbare Kapelle,
die in der Kathedralkirche ... Toledo , dieser Heiligen zu Ehren erbaut ist. In Amarichi zählt man vierzehn griechische Kirchen, die schönste ist die der heiligen Mina : und auf der ganzen Insel fünf griechische Mönchsklöster. Die Anzahl der Dörfer beläuft sich auf einige dreyfig; das beträchtlichste ist das des heiligen Peters , das nicht weit vom Hafen Vasilichi liegt,
Der Proveditor
175
Beschreibung der Insel Sans Maura.
besuchte es alle Jahre einmal, um einige Contributionen für sich zu erheben. Die Volksmenge foll ungefähr 16000 Seelen bes tragen , von denen 6000 die Stadt bewohnen.
Politischer Zustand der Insel San Maura. Zuerst hieß die Insel bey den Alten Neritis , und dann Leucadia.
Ihre ersten Bewohner. waren wahrs
scheinlich Acarnanier.
dt Leu cate in die Sta es, daß Stelle einer Nach
gils
Aeneide
scheint
damals nicht sehr beträcht= lich, und die Insel blos durch den Tempel des Apollo berühmt war, der damals auf dem höchsten Vorges birge stand. Der Name Leucadia ist wahrscheinlich der Insel wegen ihrer weißen Felsen gegeben , und nachher durch den von San Maura verdrängt worden ; weil man die Reliquien dieſer Heiligen hier beſonders verehrt. Die Ruinen des Apollo Tempels haben noch lange Zeit, dessen ehemalige Pracht bewiesen , sie haben auch noch heut zu Tage die Aufmerksamkeit anderer Gelehrten an sich gezogen.
Herr Ossur von Petersburg ,
der
auf seiner Reise nach dem Archipelagus hierher verschlas gen wurde, hat sie zulegt besucht.
Nachdem er lange
die Schutthaufen nichts sagender Steine durchsucht hatte, fand er endlich einen mit griechischen Karakteren, die fich * auf eine Grabstätte bezogen.
Er ließ nachgraben , und
entdeckte ein steinernes Grab ; indem er mehrere Rollen von einer Art Papier fand, das sich völlig erhalten hatte. Er entrollte sie mit der größten Sorgfalt, und fah , daß
176
Zwölfter Abschnitt.
fie ein Gedicht der Sapho von Mytilene enthielten, das den Namen Phaoniade führte.
Es bestand aus eis
ner Sammlung von Hymnen und Oden , in denen diese berühmte Dichterin ihre Leidenschaft für den Phaon bes fang.
Dieses Gedicht war noch nicht auf uns gekoms
men , ob es gleich die Alten gekannt haben. Ovid hat vielleicht aus diesem Gedicht den Inhalt Sapho e der an Phaon geschöpft. seiner schönen Herr Offur vertraute dieses Werk einem seiner Freunde 1. an, der es in italianischen Versen übersetzte. Er erhielt es nachher mit der Uebersetzung zurück und war im Begriff den Tert mit Noten herauszugeben , der Tod entriß ihn aber dieser interessanten Arbeit. Nach vielen vergeblichen Bemühungen habe ich ein Exemplar von der erwähnten Uebersetzung , die sehr selten geworden ist , auf einige Augenblicke zu sehen bekommen .
Der Vorbericht dieses
Werkes fagt nicht wie , wenn , und durch wen die Phaoniade ist entdeckt worden ; auch steht auf dieser Uebersetzung weder der Name des Uebersetzers noch ihr Druckort. Das Stillschweigen über diesen wichtigen Punkt , und das wes nige Feuer, welches in diesen Gedichten herrscht , lassen. beynah vermuthen , daß es nicht eine Uebersetzung ; son: dern eine Nachahmung oder ein eigenes Machwerk des vorhergenannten Verfassers ist.
Der Felsensprung von Leucate ist lange Zeit die Strafe der Verbrecher gewesen; Aus Menschlichkeit band man ihnen Flügel und viele große lebendige Vdgel an ; wodurch der Sprung mehr zu einem Fluge ward. Unten standen mehrere Barken , die den Gefallenen aus dem
Beschreibung der Insel San : Maura,
177
Wasser zogen und ihn retteten, wenn er am Leben ges blieben war.
Die Venetianer haben diese Insel seit 1716, da fle ihnen von den Türken abgetreten wurde, bis auf die Ans kunft der Franzosen besessen. fluchtsort vieler Judenfamilien , nien vertrieben hatte.
Sie war langeder Zus die man aus Epas
Die Einwohner dieser Insel bekennen sich zur gries chischen Kirche.
Der Klerus war sehr zahlreich, so uns
wiffend wie auf den übrigen Inseln,
aber fromm und
fittsam ; er stand unter einem Erzbischof, der gemeinschaftlich von dem Klerus dem Adel und den Vorstehern der Regierung erwählt wurde. Nur immer ein Adlicher des Landes gelangte zu dieser Würde, die ungefähr 600 Franken eintrug.
Die Kirche des heiligen Maura galt
für eine der ältesten , und gehörte zu dem Patriarchát von Conflantinopel. Das Corps der Adlichen war auch sehr zahlreich; alle Jahre versammelten sie sich im Aprif, um die Syndizi , Justitiarien , Gesundheits- und andere Municipalbeamten beamten zu зи erwählen , 1788 wurde diese Versammlung Clean Musſchuß i funfzig Mitgliedern Mitgliedern'eeingeſchränkt, ingeschränkt, der die Wahlen nur in Gegenwart der Repräsentanten der Republik vornehmen durfte. Die Häupter der Regierung waren zwey Proveditoren aus der venetianischen Noblesse , welche alle zweh Jahre vom großen Rath von Venedig ernannt wurden. Der erste führte den Titel eines außerordentlichen Proves ditors.
Ihm war ' die politische und dkonomische Vers
waltung der ganzen Insel und der Plate Plähe Prevesa uns Grassets Reisen .
Swölfter Abschnitt .
178
Bonizza auch das Oberkommande der Truppen anvertraut. Er schlichtete alle Prozesse und Streitigkeiten , die sich zwischen den
Einwohnern
und Auswärtigen ,
den Bewohnern einer andern Insel
entspannen.
oder In
Nothfällen , als z. B. bey Einfällen der Albanier in Prevesa oder Vonizza , war er verbunden , sich an Ort und Stelle zu verfügen. Zu seinen Befehlen hatte er eine Galiote, zwey kleine Brigantinen und eine Feluke, die mit sclavonischen Soldaten besetzt waren.
Zur Inftruis
rung und Führung der Prozesse hielt er sich einen Kanzs ler , und zur Ausführung seiner Aufträge einen Adjus tanten.
Der zweyte Proveditor , welcher der Ordinarius hieß, richtete in den Civil und Criminalsachen , die blos Einwohner der Insel betrafen.
Er hatte auch seinen
Kanzler, Adjutanten, und wie der erste eine Garde von funfa zehn bis zwanzig Mann , die von einem Offizier koms mandirt wurden.
Sie kleideten sich beyde wie der Fea
stungsproveditor von Corfu.
Sie legten dem Genes
ralproveditor der Inseln Rechnung ab. Zwey italianische und zwey sclavonische Compagnien, die zusammen höchstens zweyhundert Mann ausmachten, waren die Garnison der Festung und der Insel.
Sie
wurde von einem Obristlieutenant kommandirt , der zus gleich Commendant war.
Von den Infulanern waren
auch vierhundert Mann enrollirt, fie bekamen aber keinen Sold, und standen unter einem Capitain , den der Ges neralproveditor von Corfu ernannte.
Diese Miliz war
" zur Aufrechthaltung der Ordnung im Innern der Insel bestimmt.
Beschreibung der Insel San Maura
179
Der Karakter ber Einwohner, ist janft, friedlich und leichtgläubig. 7 An Thätigkeit, Energie und Ehrs geiz fehlt es ihnen sehr ;
alle ihre Wünsche beschränken
sich auf den Besitz eines mittelmäßigen Vermögens. In ihren Gebräuchen gleichen sie sehr den Griechen von Morea.. Das weibliche Geschlecht ist meist schön ;
genießt alle mögliche Freyheiten, und liebt sehr den Putz. ༈ ། Ihre Tracht ist wie die männliche orientaliſch, ^2- Alle ihre Kleidungsstücke bis aufs Hembe befehen ſie reichlich mit Gold oder Silbertreffen und seidenen Stickereyen.
Das
Hochzeithemde, was der, Bräutigam seiner Braut schenkt, ist von weißer Seide , und an den Ermeln und am Bus fen mit Gold gestickt.
Wenn er seine Neyvermählte mit
Musik in sein Haus führt , so trägt man in ihrem Ges folge alle die Sachen ihrer Mitgift öffentlich T zur Schau. Man sieht erstlich eine große Schüffel , in der die mitges gebne Geldaussteuer liegt ;
dann große offne Kasten,
worin Kleidungen und die Wäsche verwahrt sind, dieſem folgt das Hochzeitbette in voller Parade , kommen die Küchengeräthe:
und zuleht
Den Tag darauf wird hier
wie auf allen übrigen Inseln das hochzeitliche Hemde feyerlich besichtigt.
Die festlichen Gastereyen dauern ges
wöhnlich noch acht Tage nachher fort. Sobald sich die Vermählten bey der Trauung die Hånde gegeben haben , trennt sie ein junger Mann von einander.
Durch dieses Mittel glauben ſie , werde das
erstgebohrne Kind ein Knabe,
In einigen Dörfern wird der junge Ehemann am Morgen des Hochzeitrages in die Mitte eines Hofes
180 Zwölfter Abschnitt. Beschreib. d. Jusel San 2 Maura, oder freyen Plazes geführt, und auf einen Stuhl gesetzt ; zwey junge Leute stellen sich neben ihn ; der eine kömmt and frisirt ihn ; der andere seift ihn ein und rasirt ihn. Dies dauert bis zum Untergang der Sonne.
Zu seinen
Füßen steht ein Becken, in das ein jeder ein Stück Geld hineinwirft.
Die Neuvermählte
siht unterdessen #in
den schönsten Kleidern geschmückt auf Kissen in dem Hins tergrunde einer Kammer , die mit ihrer ganzen Ausstats tung ausgeziert ist.
Ihre Anverwandten und einige
Freunde leisten ihr hier Gesellschaft. In Wenio Häusern pflegt man die Speisen selbst zu kochen, sondern schickt die in einer Pfanne zubereites ten Speisen in die Gemeindfen.
181
Dreyzehnter
Abschnitt.
Physischer und politischer Zustand der Inseln Thiaqui und Cephalonia.
Physischer Zustand von Thiaqui.
Die Insel Thiaqui , dftlich von Cephalonien, ist nur A durch einen zwey Meilen breiten Canal von letterer getrennt.
Ihre Geſtalt ist ein långlichtes Viereck, und ihr
Umfang beträgt ungefähr zehn Meilen , ihre Länge aber vier , und die größte Breite anderthalb Meilen. Die Vorgebirge gegen Norden und Süden heißen alle beyde St. Johannes : es sind hohe Felsen , an die man dicht heranfahren kann.
Die verschiedenen Klippen, welche Thiaqui umgeben , find zum Theil bebauet. Aber ihr Hauptnußen besteht in Viehweiden.
Im Sommer
muß man das Vieh wegtreiben , weil sich kein Wasser darauf findet ; in den andern Jahreszeiten sammelt sich das Regenwasser in den natürlichen und künstlichen Hdlungen. Cephalonien fångt bey dem Vorgebirge Fiscardo an , und bildet mit Thiaqui einen Canal von ungefähr fieben Meilen.
Wegen der großen Tiefe kann man darin
nicht ankern , man würde auch überbies sehr heftigen Windstößen ausgesetzt seyn.
Nur kleine Fahrzeuge, und
auch nur diese bey günstigem Winde wagen es durch den
Dreyzehnter Abschnitt .
182
An dem Hafen Thiaqui , welcher von
Canal zu segeln.
ungemeiner Sicherheit ist , liegt das ansehnlichste Dorf, und nahe dabey eine Quelle, welche die Schiffe mit Wass fer versieht.
Eine Erdzurge trennt diesen Hafen von
einem kleinern ,
der nur Fahrzeuge von hundert und
funfzig Tonnen aufnehmen kann , ist als der erste.
aber
eben so sicher
Am Ufer stehen blos einige Fischerhütz
ten , die Wohnungen liegen auf den Bergen. die meisten W Thiaqui ist mit Felsen bedeckt , welche dem Ackers Bau unübersteigliche Hindernisse entgegen setzen , indeffen ernten die Einwohner mehr Getreide als sie verzehren kömen.
Der Ueberrest und die Produkte der bebanten
Klippen werden nach Cephalonien und Zante ausgeführt, welche sich gern damit versorgen, da das Korn von beſſerm Gehalt , als auf Morea ist. Die Insel bringt funfzig bis sechzig Centner trockne Corinthen hervor , dieses und eine sehr kleine Quantitat Der Dehl machen die Hauptartikel der Ausfuhr aus. Wein reicht gerade zur eigenen Konjumtion hin. Jagd giebt es fast gar nicht , aber die Fischerey ist sehr ergies big. Die Gårtnerey schränkt sich auf einige wenige Ges müse und Früchte ein. gut in Thiaqui.
Federvieh zieht man vorzüglich
Die Truthühner gedeihen dort vora
trefflich , werden ſehr groß , und find vorzüglich zu Gea schenken bestimmt,
Die Insel wird von Erdstößen , boch ohne Scha. den heimgesucht , es sind aber nur Folgen der Erdbeben auf St. Maura oder Cephalonien.
183
Beschreibung von Thiaqui.
Die ganze Bevölkerung von Thiaqui wird aufſechs bis sieben tausend Seelen angegeben , die in vier bis fünf Dörfern , deren
vorzüglichstes Vathi
heißt, zerstreut
leben.
Politischer Zustand von Chiaqui. 1 Thiaqui hat mehrere Namen gehabt ; aber Dulis chium und Ithaca kommen am häufigsten vor. Sie machte einen Theil der Besitzungen des berühmten Ulyſſes aus , und seine Einwohner fochten unter dieses Helden Anführung vor Troja. In der Geschichte hat die Insel immer eine sehr
untergeordnete Rolle gespielt, da sie beständig von dem benachbarten größern Cephalonien abhängig war, und mit diesem ein Eigenthum der Griechen, Römer, byzantinischen Kaiser und endlich der Venetianer wurde,
Spuren des
Alterthums finden sich nirgends mehr. Die Bewohner von Thiaqui bekennen ſich zur griež chischen Kirche, und die Geistlichkeit steht unter einem Protopapa , hängt.
der vom Erzbischoff von Cephalonien abs
Kirchen und Klöster find so zahlreich wie auf den
übrigen Inseln : der r lehteren giebt es vier von der Regel des heiligen Bafilius , aber alle find sehr arm , und ohne Einkünfte außer den milden Gaben der Frommen.
Das
Kloster der heiligen Jungfrau von Catara ist hundert, so wie das des heiligen Nicolaus von Maurena etwa funfzig Jahraft
und beyde wurden von Privatleuten gestiftet.
Das Kloster des Erzengels Michael liegt auf einem hohen Berge, und besteht aus einem einzigen Mönche und cinem dienenden Laienbruder ; die bloß von Almosen leben :
184
Dreyzehnter Abschnitt .
das vierte liegt im Dorfe Droi.
Frauensstifter und las
teinische Kapellen giebt es nicht. Thiaqui ward von einem cephalonischen Edeln regiert, den der Senat in Argostoli wählte. Sein Amt das nur ein Jahr dauerte , schränkte sich auf Erhaltung der Ruhe, und Befolgung der Criminal
und Civilgesetze ein , wos
son er dem Proveditor von Cephalonien Rechenschaft ge= ben mußte.
Dieser Edle schickte bey Processen einen von.
feiner Canzley an Ort und Stelle , um den Handel zu schlichten.
Obgleich dieser Posten eben nicht sehr einz träglich war , schmeichelte er doch dem Ehrgeiz der Eephalonier , und ward nur solchen gegeben , die schon die ersten Stellen bekleidet hatten. Die vornehmsten der Insel versammelten sich jährlich unter Vorsitz des Gouverneurs in einer Kirche , und ers nannten die Municipalobrigkeiten . Die Besatzung bestand aus zehn bis zwölfitalianischen Soldaten von dem cephalonischen Regiment, die ein Unteroffizier kommandirte :
Sie lagen im Hause des Gous
verneurs , und wurden alle Monate abgelöset.
Sitten , Gebräuche , und Lebensart der Einwohner von Thiaqui , fiimmen so sehr mit denen der Cephalonier überein , daß sie keine Merkwürdigkeit darbieten , die das Aufzeichnen verdienen.
Physischer Zustand von Cephalonien.. Cephalonien liegt westlich von Albanien , und öftlich von Romelien im Golfo von Patras.
Ihre Gestalt ift
rund, und ihr Umfang betrågt etwa sechzig Meilen.
Beschreibung von Cephalonien.
185
Die vorzüglichsten Vorgebürge find nördlich Cap Fiscardo und südlich Capra : dieses letztere liegt sehr hoch, und ist mit einem dickem Walde, der Schwarzwald be= nannt , gekrönt. Der nordöstliche Hafen ist mit hohen Bergen ums geben, und so geräumig, daß eine ganze Flotte der größs ten Kriegsschiffe sicher darin vor Anker liegen könnte. Am Ende des Hafens liegen zwey Buchten, welche sehr viele Galeeren faffen können.
Sie werden von Moråsten
umschlossen, welche zwar Ueberfluß am Sumpfwildpret haben, aber die Luft in dieser Gegend sehr ungesund maФер Auf dem höchsten Berge am Hafen steht eine dem heiligen Theodor geweihte Kirche , welcher Heilige auch dem Hafen den Namen giebt.
Nördlich liegt der Felsen
Guardiani, mit einem griechischen Mönchskloster , und einer Mariencapelle.
Deftlich entspringt eine Quelle, wel-
che die Schiffe, und das benachbarte Argostoli mit Wasser versorgt , auf der andern Seite liegt das Städtchen Liruri dicht am Hafen, in einer sehr glücklichen Lage für den Handel. Am östlichen Ufer liegt eine Kirche und ein Kloster der heiligen Familie geweiht.
Es wird von achtzehn
Mönchen bewohnt , die sich bey Landungen der Seeräuber in einen vier Stockwerk hohen Thurm retten , auf dessen obern Theil vier Kanonen stehen. immer ein Vorrath von Lebensmitteln.
In dem Thurm ist
Gewehren , Munition , und
Auf derselben Küste liegt eine Höhle , welche von den prächtigsten Farben schimmert , und ganz das Werk der Natur ist. Sie wimmelt von wilden Lauben , die
nter
Dreyzeh
186
t Abschnit .
von den Einwohnern gefangen werden , indem man Neke vor den Ausgang derselben spannt , und die Tanben durch Lärmen herausscheucht . Weiterhin liegt eine andre Grotte, die merkwürdige Figuren von Tropfstein , und viele offi cinelle Pflanzen enthält. In diese und viele andre kleinere Höhlen , begeben sich die Hirten des Nachts mit ihren Heerden , und schla fen auf heu, nur im Winter mit ein paar Schaaffellen. bedeckt. Korn ist auf der Insel, der vielen Felsen wegen, nicht hinreichend vorhanden , und muß von Morea geholt werden : sechs bis sieben Millionen Pfund Corinthen und ziemlich viel Dehl , sind die einzigen Handelsprodukte.
Die Insel bringt auch sehr gute Baumwolle hervor, bie theils auf Cephalonien , theils auf den benachbarten Inseln verbraucht wird.
Dies war einer der Artikel, auf
welche die venetianischen Seeoffiziere bey ihren Expedis tionen ihr Augenmerk richteten.
Auch wird Seide, zwar
in geringer Menge gewonnen , sie ist aber von befferer Güte, als die von Morea. Die Tafel
und Liqueurweine werden größtentheils
auf der Insel serbraucht.
Man hat versucht ihn auszu-
führen, aber die Einnahme war geringe ,
da die Ge-
schicklichkeit der Cephalonier sehr gute Liqueure zu bereiten, nicht bekannt genug ist. " Der größte Theil dieser Ge tränke wird von den Einwohnern ihren Gönnern in Benebig und Corfu geschickt.
An Früchten und Gemüsen ist Cephalonien nicht reicher als die andern Inseln.
Der Gartenbau ist noch
in der ersten Kindheit und wird durch die Vörurtheile der
187
Beschreibung von Cephalonien
Landleute noch lange darin bleiben.
Man sammelt auf
Cephalonien eine Art Wintermelonen, Namens Bacchieri, welche die bräunlich grünen Malthefermelonen an Ges ſchmack noch übertreffen .
Wenn man ſie aufhängt, hals
ten fie fich lange Zeit.
Im März wirft man zwanzig
oder weniger Samenkörner zusammen in kleine Graben, deren man viele hinter einander zieht. Sobald die Stengel hervorschießen , wählt man vier bis fünf der stärksten in jedem Graben und reißt alle übrigen aus.
Die erstern
dungt man sorgfältig und schützt jede Pflanze durch einen kleinen Wall vor der zu großen Sonnenhite.
Im De
cember find sie reif. Aus Mangel an Weide giebt es wenig Vieh auf der Insel.
Das Rindvich und die Hämmel, welche von
den Insulanern verzehrt werden , kommen von Morea. Bloß Ziegenheerden giebt es auf der Insel , deren Milch zu gesalzenen Kåsen verbraucht wird , die man in Dehl aufbewahrt.
Die Ziegenhaare mischt man mit Wolle,
and verfertigt eine Art Teppiche daraus , welche Zenie heißen, und in Venedig zu Göndeldecken benutzt werden. Au einer Ziegenheerde hatte ich Gelegenheit eine bes . fondere Merkwürdigkeit zu beobachten.
Ich hielt mich
auf dem Lande bey einem vornehmen Geistlichen auf, und trank alle Morgen ein Glas Milch.
Der Grieche, wels
cher mir aufwartete, hatte eine Ziege gewöhnt, sich durch einige Rofinen auf meine Stube locken zu laſſen. Tages bemerkte ich ,
Eines
daß ihre Zähne von einer schönen :
goldgelben Farbe waren. Ich öffnete ihr den Mund, rieb die Zähne , aber die Farbe ward noch glänzender.
Dieſe
Entdeckung interesfirte mich sehr ; ich hätte meine Ziege
188
Dreyzehnter Abschnitt.
nicht mit Amalthea der Amme des Donnergottes vers tauscht. Ich theilte die Beobachtung meinem Wirthe mit, und er zeigte uns auf einer benachbarten Wiese über zweys hundert Ziegen mit eben so schön vergoldeten Zähnen. Ein aufgeklärter Arzt , den ich um Auflösung dieses Råthſels bat, wies mir einen goldnen Ring , der halb in Sils ber verwandelt zu sein schien , und versicherte mir daß das scheinbare Silber nur eine Linctur sey , welche durch das schårfste Reiben sich nicht herunterbringen ließ. hatte ,
Er
als er von St. Maura nach Cephalonien fuhr,
unterweges auf einer kleinen unbewohnten Klippe Pflans zen gesammelt , und fand auf der Rückkehr seinen Ring fast ganz versilbert.
Da er ihn vergebens rieb , schrieb
er die Veränderung einer der gesammelten Pflanzen zu. Er machte den Versuch auf der Stelle mit einem andern goldnen Ringe, hatte aber den Kummer zu bemerken, daß er die rechte Pflanze verloren habe, und konnte den rohen Schiffspatron und die dummen Passagiere nicht bereden umzukehren.
Es ist gewiß zu bedauern , daß wir keine
Kenntniß von zwey Pflanzen haben , welche durch ihre Wirkungen, die sie so bestimmt auf zwey so harte Dinge, als den Schmelz der Zähne und das Gold, äußern, große Kräfte verrathen. Es ist gewiß, daß Cephalonien Ueberfluß an offici nellen Kräutern hat ; das Kraut , dessen Wirkung ich bes ſchreiben will , wird den Leser eben so wie anfangs mich, überraschen.
Im Jahre 1785 landete die französische
Corvette la Semillante unter Anführung des Lieutenants Duboscage , welcher zu Zeiten ſehr an der Gicht litt. Ich rieth ihm den Doktor Zulatti um Rath zu fragen,
Beschreibung von Cephalonien.
189
welcher em geheimes Mittel wider diese Krankheit besigen Duboscage nahm den Vorschlag an ,
follte.
und bes
suchte zuerst mit seinem Chirurgus vier der geheilten GichtFranken. Die Dauer und der Grad der Krankheit waren verschieden.Äst gun ein fiebzigjähriger Mann , war seit Dren L zwanzig Jahren gichtisch. und der Arzney halfen ihm so , daß er fünften Tage aufſtehen Der erfte,
fünf
konnte, und seit sechs Jahren ist er von Gichtschmerzen befreyet.
Der andere von acht und vierzig Jahren war
fünfzehn Jahr krank, und ward durch drey Dosen , so wie der dritte sechs und sechzig jährige , und seit fünf und dreyßig Jahren Leidende, durch fünf Dosen geheilt. Der letzte war ein acht und zwanzigjähriger sehr starker sclavonischer Offizier, und zwey Dosen waren hinreichend, Ihn von seinen Schmerzen zu befreyen.
Seit neun Mo-
naten hat er nie wieder geklagt.
Alle vier Genesene beschrieben die Heilungsmethode auf folgende Art : im heftigsten Anfall des Schmerzens, gab man ihnen eine Taſſe Tasse mit einer weißlichen geschmacklosen Arzeney.
Nach einer Stunde verminderte diese bie
Schmerzen und bewirkte starken Schweiß und häufigen Urin : die folgenden Doſen brachten dafſelbe hervor , und als die Schmerzen völlig aufhörten , verfiel der Kranke in eine gänzliche Abspannung. Man kam ihm durch ſtårFende Mittel in Hülfe, und er ward geheilt. Gesalzene Speisen und hißige Getränke waren ihm auf immer ver boten. Der Doktor fagte uns, daß ihm ein bloßer Zufall, zur Entdeckung dieser Pflanze verholfen habe : feine Köchin
Dreyzehnter Abschnitt.
190
fand sie unter dem Sallat , und brachte sie ihm , als er eben mit einer chemiſchen Operation beschäfftigt war. Er zerlegte fie, und ihre Eigenschaften erregten seine Neus gierde.
Als Arzneymittel brauchte er sie zufällig zum
erstenmale bey einem Gichtbrüchigen, und mit dem besten Erfolg. Nach vielen Versuchen auf Morea entschloß er sich es auch an seinen Landsleuten zu versuchen , aber immer nur während der Erise.
Aus diesem Grunde weigerte er
fich auch hartnäckig dieses Mittel dem Capitain Dubos cage außer den Anfällen zu geben , weil er dann nicht für die Folgen stehen könne.
Noch weniger aber war er zu
bereden seine Entdeckung , ohne große Belohnung bekannt zu machen. Im Frühling gewinnt Cephalonien
viel Manna,
welches denselben Geschmack wie das von Calabrien hat; es wird aber nicht benutzt.
Fischfang und Jagd find so
unbeträchtlich , wie auf den übrigen Inseln , doch ist es der erstere mehr aus Trägheit der Bewohner.
Das eins
zige Wild find Füchse.
Erdbeben sind auf der Insel häufig , und während derselben dünsten die Brunnen Schwefel aus. Das Clima ist gemäßigt , aber veränderlich. Regen t im Soms 1/
mer selten, und gewöhnlich erst im November
im Winter-
giebt es häufige Gewitter , und die Luft ist so gelinde, daß die wilden Rosen und andere Blumen im Ueberfluffe wachsen.
Von der großen Fruchtbarkeit der Weiber und
den geschwänzten Mißgeburten , die Morosino erwähnt, bemerkt man nichts mehre
Beschreibung von Cephalonien.
191
Wilhelm Eton ) spricht von einer Indigo und Kaffeeplantage, die auf dieser Jusel existirt haben soll, Ein Cez der wahre Zusammenhang aber ist folgender.
*) Der oben benannte Britte war vom Handel der Levante no ber benachbarten Länder gründlich unterrichtet. Nächs und dem er seine Kenntnisse in diesem Fache auf den anges schensten Komtoren, in London , Livorno no und 2Aleppo weitert hatte, ernannten ihn die Holländer zum Consul in Bassora. Hier zwangen ihn Unruhen, seine Stelle aufs hierauf Persien , Arabien zugeben, und er durchreiiete d und Indien. Nach seiner Rückkehr in Europa , wandte den neu erlangten südlichett er nach Rußland, um in de Hafen den Handel mit Constantinopel über das schwarze Meer zu erweitern , und hieltt sich in den Jahren 1777 bis 1781 in Constantinopel , Taganrock und den Krims mischen Seehäfen auf. Weil er hier mit seinen Gesellschefs tern und dem russischen Hofe in Streitigkeiten gerieth, so kam er wieder nach England zurück. Hier hat er 1798 " seine Beobachtungen über das türkische Reich und die Resultate seiner mehrjährigen Erfahrungen , über defen fortdauernden Verfall in einem besondern Werke gefams melt. Dasselbe führt den Titel : Survey of the turkiſh Empire by W. Eton. Es ist durch eine deutsche Uebers fehung bekannt genug , erschöpft aber bey vielen lehrreis chen Nachrichten den Gegenstand nicht , weil er dabey Nebengbsichten hatte. Nach diesen sollte Grosbrittannien die Türken, seiner eigenen Handelsvortheile und Verbins dungen mit Rußland wegen , aus Europa vertreiben , das türkische Gebiet entweder theilen oder in einen neuen chriftlichen Staat verwandeln. Was er vom verunglückten. Indigo Bau des Herrn Carburi erfahren hatte, beweist viels ſeine genaue Kundschaft von den Entwürfen , welche andere Nationen oder einzelne Abentheurer auszuführen fuchten , von denen die Levante seit dem ersten ruſſiſchen Kriege wimmelte. Du er wahrscheinlich lange nach Herrn Graffet Saint Sauveur das türkische Reich verließ, und Eton mehr in den östlichen als westlichen Häfen der Levante beschäftigt war , so konnte ihm leicht das vers anglückte Projekt des Abentheurers unbekannt bleiben.
192
Dreyzehnter Abschnitt.
phalonier , Namens Carburi hatte nach langem Ums herschweifen eine französische Dame verleitet , ihn nach Cephalonien zu begleiten , unter dem Vorwand , daß er eine große Indigopflanzung daselbst besäße.
Er gieng
auch wirklich nach Venedig, machte dem Senat sein Project bekannt , und erhielt den Grafentitel.
Da aber we-
der seine Umstände , noch die Insel selbst eine Pflanzung möglich machten , so miethete er zwanzig Bauern von Morea , um einen Sumpf am cephalonischen Hafen urs bar zu machen; diese Bauern behandelte er so schlecht, und bezahlte sie so unrichtig , daß sie ihn erſchoffen , woSeine durch die ganze Unternehmung beendigt ward. Wittwe heyrathete einen Venetianer auf Corfu, und die Carburis
Bauern wurden auf die Galeeren geschickt. Vermögen aber ward vom Proveditor confiscirt.
Das schlechte Wasser , und die zur Fastenzeit håufig genossenen gesalzenen Fische , machen die Krake ? zu einem Nationalübel. Das beste Mittel dagegen ist das Bestreiche mit Schwefel. Cephalonien enthält drey Städtchen ; den Hauptort , Liruri, und die Festung Aro.
Argostoli, Dörfer
giebt es beynahe hundert und dreyßig , und die Totals summe der Bevölkerung steigt aufzwanzigtausend Seelen. Man findet hier fünf und zwanzig griechische , und drey lateinische Klöster.
Lettere sind schlecht besetzt, aber
das kleinste griechische Kloster enthält zwanzig Mönche.
Beschreibung der Städte Argostoli , Liruri und Aro. Argostoli , die Hauptstadt von Cephalonien , liegt auf der Westseite des südlichen Ankerplages , und ist von
Beschreibung von Argostoli , Liruri und Aro.
allen Seiten mit hohen Bergen umgeben.
193
Sie besteht
aus niedrigen , schlecht gebauten , und von Erdbeben bez schädigten Häusern , so daß man sie nur mit einem uns serer Dörfer vergleichen darf. Vom Hafen her fållt einem zuerst das Lazareth, ein artiges viereckiges Gebäude in die Augen , das an jeder Seite mit einem Thurm versehen ist.
Das Innere
besteht aus einigen Zimmern für die Fremden und zwey Waarenlagern. Dabey it in kleine Kapelle und die Wohnung des Papa oder Priesters.
Der Administra
tor des Lazareths bewohnt die ganze Fronte , so wie die Wache von fünf bis sechs Mann das Parterre.
Die
Schiffe aukern hinter einigen Klippen , die einem Damm sehr ähnlich sind. Weiter vorn ist die Quelle,
welche die Schiffe
und auch die Einwohner der Stadt mit Wasser versicht. Letztere holen es in Tonnen, die gerade ein Boot , Cos rinthio genannt , ausfüllen.
Die Häuser in der Nähe.
der Quelle hången nicht zusammen , sondern sind durch Die Wohdie Ruinen ehemaliger Gebäude getrennt. nungen dicht am Ufer haben alle einen kleinen steinernen Vorsprung in die See , wodurch die Küste wie gezähnt aussieht.
Ben vielen Wohnungen ist die Thüre in zweyten Stockwerk, und man steigt durch eine Treppe von außen hinan.
Das Parterre wird nämlich nur als Keller bes
nugt ,
unr Wein ,
Dehl
u.
s.
w.
aufzubewah-
ren , da die Erdbeben keine unterirdischen Gewölbe ers Jauben. Grassets Reifen.
N
194
Dreyzehnter Abschnitt. Die Stadt liegt am Fuß eines Hügels, worauf ein
Kein einziges der Dorf mit einigen Windmühlen steht. Aus öffentlichen oder Privatgebäude verdient einige samkeit.
Der Proveditor wohnt zur Miethe in einem
Privathause, in dessen Parterre man die Wache und ein Gefängniß angelegt hat.
Ein großer Saal ohne andre
Meublen als Bänke , diente zum Audienz - und Gesellschaftszimmer. Zu den Berathschlagungen des Adels dienten ehedem blos vier Mauern ohne Dach, und nur bey Regenwetter zog man in eine Kirche. Da das Amt eines Gouverneurs nur zwey Jahr
dauert, so hålt es keiner der Mühe werth, etwas auf Ausbesserung der Wohnung zu verwenden.
Auch der
Kanzler und sein Gericht befand sich in diesem Hause. Die Caserne für die Soldaten liegt gerade gegenüber. Der Markt ist ein großer Plaß , der durch den Eins sturz vieler Häuser entstanden ist, und auch St. Markusplak genannt wird.
Ein Krämer hatte eine elende Bude
daselbst errichtet, die er ein Kaffeehaus nannte , man zuweilen zur Erhohlung hin gieng.
und wo
Auch hatten die
vornehmsten Einwohner ein Gebäude mit einem großen Saal , an diesem Plaß erbaut , das zum Leihhaus , und zu den Versammlungen des Adels diente.
Am Ufer steht das Haus der Pestcomission .
Es
enthält nur eine Stube und Kammer ohne Fenster, um die Comissarien vor der Zudringlichkeit der Neuigkeitsforscher zu bewahren. In Argostoli ist ein Franziskanerkloster ,
dessen
Kirche die einzige mit einem Glockenthurm versehene ist. Bey den griechischen Kirchen steht vorn oder an der Seite
Beschreibung von Argostoli, Lirurt und Aro.
195
eine Art von Schwibbogen, unter dem die Glocken hången. Oft hången sie nur an einem Balken , der über zwey Cya pressen liegt.
Sie sind halbmondförmig , und geben den
Bewohnern der übrigen
Inseln oft Gelegenheit zum
Spott. Am Hafen stehen Flotte ,
einige Werfte zum Bau der
welche die zahlreichste
im ganzen Archipelaz
gus ist. Liruri die zweyte Stadt liegt norddftlich vom Haupts hafen, gut zum Handel und gesünder als Argostoli : auch haben die Erdbeben hier nicht solche Verwüstungen ans gerichtet , wie dort. Deffentliche Gebäude giebt es nicht ; der Commendant wohnt zur Miethe und seine Truppen liegen in einem Magazin.
Hier steht die lateinische Cas
thedralkirche , die der Bischof eben besuchte,
und die
Pferde und Maulesel , zu deren Stallung die Griechen fie benugt hatten , daraus entfernte.
In den Straßen liegt
so viel Schutt , das es schwer hålt darin zu gehn. Vor einigen Jahren fand man in einem hiesigen , Brunnen, einige alte Büsten , Münzen und Zähne, wels che dem Generalproveditor der Inseln als Geschenk übers reicht wurden. Obgleich der Lurus so erstaunend beschränkt zu Ars gostoli ist , so ist er doch zu Liruri noch geringer.
Die
angesehensten Bürger tragen Müßen , und nehmen Hut und Degen nur , wenn sie nach Argostoli gehn. Zwey Meilen von Argostoli liegt Aro , das P 1595 von den Venetianern auf einem steilen Felsen erbaut ward, so daß man bloß auf einigen schmalen Treppen hinauf tam.
Die Vestungswerke sind der Lage wegen , schlecht
N 2
Dreyzehnter Abschnitt .
196
und unregelmässig , da dieses Fort aber blos den Ufer , bewohnern zur Zuflucht gegen Corsaren dienen soll , erreichen sie ihren Zweck vollkommen .
Am Fuße des Fel-
sens von Aro liegt eine Bay für etwa fünf Galeeren, die aber von den Regengüſſen allmählig verschlemmt wird. B In der Vestung liegt die griechische Cathedralkirche , und die Wohnung wo der Erzbischof ſich aufhalten soll.
Auf einem benachbarten Berge liegt ein griechisches Mönchstloster, welches das reichste iin Cephalonien ist. Die Bewohner desselben befißen die Reliquien des heil. Erasmus , zu denen die Infulaner ein besondres Vertrauen haben. Sein Körper liegt in einem sechs Fuß hohen filbernen Sarge, und wird am Namenstage die dieses Heiligen , so wie bey allen öffentlichen Unfällen gezeigt, Weiber
und Mannsklöster sind zahlreich, allein auf
der ganzen Insel findet man nicht eine einzige Schuls anfialt.
Religion. Die Anzahl der Bekenner der lateinischen Kirche, schränkt sich beynah blog auf die Glieder der Regierung; und auf die Soldaten ein. Das Kloster des heiligen Franz er in Argostoli versah auch Lixuri mit einem Priester, Zedder aber nur an den Festtagen in der kleinen , da befindlichen Capelle
las.
Religiöse Handlungen wurden schon,
seit langer Zeit nicht ausgeübt. Zuweilen kam der Bis schoffvon Zante nach Argostoli , um die Sacramente, die er allein reichen konnte , auszutheilen , und die Sas chen , die von ihm abhiengen, zu entscheiden,
Beschreibung von Cephalonien.
197
Schon zu den Zeiten des griechischen Kaiserthums war Cephalonien ein Bisthum : und als es an Venedig kam ,
wurde es zu einem Erzbisthum erhoben.
Die
beständigen Streitigkeiten die aus den Anmaſſungen der cephaloniſchen Erzbischöfe über die Kirchen in Zante entstanden , verursachten ein Decret des Senats , daß die Cephalonier zwar das Recht den Prälaten zu wählen be halten , aber immer den dritten Bischoff aus Zante nehmen sollten. Die Wahl wird immer verschoben bis der Generalproveditor Cephalonien besucht : welcher bey dieser Handlung den Vorsitz hat ,
und die neue Wahl bestätigt.
Ich hatte Gelegenheit diese Feyerlichkeit mit anzusehn. Die ungeheure Menge Popen, welche sich zur Wahl vers ſammelt hatten , machten es nöthig , diese unter freyem Himmel in einem mit Mauern umgebnen Garten vorzunehmen. An einer Seite stand ein Thron für den Generalproveditor , und vor ihm Lehnstühle für die Räthe und den Adel , nebst einem Tisch auf dem das Evangelium und der Schleyer lag , den der Bischof trägt , wenn er nicht in pontificalibus ift.
Der General kam in der Unis
form des Proveditors , von vielen Offizieren , Råthen und Adlichen begleitet , und setzte sich auf den Thron ſo wie fein Gefolge auf die Seffel.
Sogleich beseßten Sol-
daten den Eingang , und die Rathsdiener vertheilten die Votirkugeln unter die schon versammelten Popen. waren nur zwey Candidaten ; aber beyde von großem Anz hang.
Die Wahl war sehr stürmisch, und hätte auf eine
verdrießliche Art ein Ende nehmen können. Endlich stellte das Ansehn des Generals , und die Reden der Vernünf-
Dreyzehnter Abschnitt.
198
tigsten die Ruhe wieder her. ausgeschloſſen ,
Beyde Candidaten wurden
und alle Stimmen vereinigten ſich auf
einen alten Mönch ,
der sich durch seine Tugenden ein
großes Ansehen erworben hatte.
Der Erwählte nåherte
fich dem General , und dieser befestigte den bischöflichen Schleyer an seiner Müße. Der Prålat ward auf einem Armſeſſel, unter dem Länten der Glocken, dem Donner der Canonen, und dem . Freudengeschren des Volks , in die Cathredalkirche getras gen, wo er sein Gebet verrichtete, und eben so nachHause gebracht.
Hier umringten ihn eine Menge Menschen,
um ihm Glück zu wünschen.
Er lebte aber nicht lange,
und nach seinem Lode bestieg endlich einer der obeners wähnten Candidaten ,
den bischöflichen Stuhl.
Der Erzbischof von Cephalonien hieng im Geiſtlia chen vom Patriarchen zu Constantinopel ab.
Er hatte
keine bestimmten Einkünfte , aber die Accidentien machten etwas Beträchtliches aus . Jährlich bereifete er alle Dörfer, und alle zwen Jahr die Kirchen von Zante, und dies war feine Haupteinnahme.
Außer den Beschäfftigungen die
sein Amt nothwendig machte, als Ehescheidungen , Pries e
fterweihe, und dergleichen ; verrichtete er in jedem Dorfe wo er sich aufhielt , alle Functionen der Landprieſter. Der Landmann dünkte sich glücklich, wenn sein Kind von: dem Haupt der Kirche getauft ,
oder seine Ehe von ihm
eingeſegnet ward und zufrieden mit seinem eingebildeten Glück , bezahlte er ohne Anstand, die Pflicht der Danks barkeit nach Bermögen. Diese kleinen Einnahmen håtten ihm ein gutes Auss kommen gesichert , wenn er nicht die Summen hätte ers
Beschreibung von Cephalonien. fehen müssen, die ihm sein Ehrgeiz kostete.
199 Die Stimme
des Generals , die Minister und Diener desselben , sogar der Wahlpriester mußten bezahlt werden.
Welch ein anz
genehmes Schauspiel bot vor Zeiten eine Bischofswahl bar, wo bie zahlreiche Versammlung der Diener der Kirche, den besten unter ihnen , an ihre Spike setten ! Den griechischen Bischöfen ward dieselbe Ehre als den latzinischen erwiesen.
Ein Senatsschluß ndthigte so-
gar die Mitglieder der Regierung , an einigen feyerlichen Aufzügen Theil zu nehmen.
Bey den Etikettebesuchen
beobachtete man beym Proveditor dasselbe Ceremoniel, wie bey den lateinischen Bischöfen.
Regierung, Adel, Handel , von Cephalonien. Der Proveditor, welcher Cephalonien regierte, ward vom venetianischen Senat und aus den venetianischen Nobili erwählt.
Zu Råthen hatte er zwey andre Patris
cier, welche mit ihm in Argostoli residirten.
Der Coma
mendan von Aro , hatte auch den Titel Proveditor, war aber von dem zu Argostoli abhängig ; der oberste Kriegsbefehlshaber stand in Liruri.
Die Besakung machte höchstens dreyhundert Mann aus.
Die Bauern waren wie auf den übrigen Inseln
unter dem Namen Cernide enrollirt.
Ein Eingebohrner
hatte das Amt den schwarzen Wald zu lichten , und von Räubern rein zu halten.
Er führte den Titel ; Capitan
del Bofco , und hatte Hauptmannsſold. Der griechische Adel erwählte , wie auf den übrigen Inseln, die Glieder der Municipalstellen .
Wer vom Adel
fich auf Corfu befand, durfte in den dasigen Rathsvers
200
Dreyzehnter Abschnitt.
fammlungen mit stimmen ;
der Adel von Corfu hatte
dasselbe Recht in Cephalonien. Den Handel den Cephalonien mit Corinthen und Dehl zur Zeit der Venetianer trieb , will ich bey Zante mit anführen.
Die Einwohner haben sich vorzüglich der
Schifffarth befliffen; chenland ,
ihre Marine ist die beste in Griez
und sie unterlassen nichts um sie im besten
Stand zu erhalten.
Sobald als Rußland durch den Bes
fit der Krimm ſich der Schifffarth auf dem schwarzen Meer versicherte , verließen viele Cephalonier die venez tianische Flagge und folgten der russischen.
Sie bes
fuhren zum erstenmal das schwarze Meer , brachten ita= lianische Waaren nach Cherson , und holten Eisen, Hanf, und Caviar von daher.
Von letzterm verzehren die Gries
chen sehr viel ; sie würzen ihn mit Dehl und Citronens ſaft. Die Cephalonier sind fein, geschickt, und sehr ausetwas geseht sich ulaner , so schreckt ihn abInfulaner Unternehmungen dauernd beyvor ihren . nich Hatts ein und wie ein wahrer Proteus , nimmt er alle Gestalten an die ihm zu Erreichung
seines Zwecks nöthig scheinen.
Diesen
Charakter bemerkt man vorzüglich bey den Vornehmen. Argostoli war in hundert verschiedne kleine Factionen zers theilt , und die venetianische Politik arbeitete daran ſie mehr zu unterhalten , als zu unterdrücken.
Sie sind rach
süchtig und ränkevoll , und man kann aber ihnen keiness ·་ weges großes Talent zu allen Wissenschaften absprechen. Cephalonien har dem Auslande , Staatsmänner , Generale und Gelehrte gegeben..
Gastfreyheit ist noch eine
Beschreibung von Cephalonien.
201
Haupttugend des Cephaloniers , er liebt die Fremden, und ist er gleich so stolz wie alle Griechen, so läßt er doch ihren Verdiensten Gerechtigkeit wiederfahren.
Die übrigen nicht so gastfreundlichen Griechen beschuldigen die Cephalonier , daß ihre Gastfreyheit nur vom Eigennutz erzeugt werde : indem sie glaubten, sich, wenn fie einmal in das Vaterland der Fremden kåmen , eine gute Aufnahme zu verschaffen.
Diese Infulaner lieben das Vergnügen der Gesellschaft sehr , und ihre Weiber genießen alle Freyheit.
In
ihren Gebrauchen und Sitten haben sie nichts , das sie vor den übrigen Griechen auszeichnete.
202
Bierzehnter
Abschnitt.
Physischer und politischer Zustand der Insel Zante und der Strophaden.
3 ante.
Zante liegt nahe bey Cephalonien, an der Westküste von Morea, und hat etwa zwanzig Meilen im Umfang. Sie ist vier bis fünf Meilen breit und sieben lang. Die Hauptvorgebirge find Schinari und Scopo. Mähe von beyden sind Untiefen ,
Ju der
die bey Scopo heißt
St. Spiridion.
Schinari bildet einen kleinen Hafen von ziem licher Sicherheit.
Nahe dabey liegt ein ansehnliches
Dorf und eine Quelle , weiterhin einige unbeträchtliche Salzwerke.
Die Küste bietet einen sehr lachenden Ans
blick dar, den im May der angenehme Geruch der Corins thenblüthe sehr vermehrt. Bisweilen muß man das letztere Vergnügen theuer bezahlen , indem am Ufer von Schinari einige tiefe His len sind , aus denen eine weiße Fettigkeit von dem abz schenlichsten Geruch hervorquillt.
Die Einwohner bedies
nen sich derselben , um die Geschwüre ihres Viehs damit aber kein Chemist ist im Stande, den Ursprung zu reiben, T Will und die Bestandtheile dieser Fettigkeit anzugeben.
Beschreibung von Zante.
203
man es aufbewahren, ſo zerfließt es in eine gelbe Feuchtigkeit. Der Berg Scopo ist' ziemlich hoch , und enthielt einen alten Tempel der Diana Opitis geweiht.
Jeht
fieht man keine Spur von ihm , allein es findet sich in einer Kirche ein Stein , dessen griechische Aufschrift deuts lich zeigt, daß er zum Altar in diesem Tempel gedient · Das Portal derselben Kirche besteht aus vier
habe.
Säulen von cipolinischem Marmor. Jeht sicht auf dem Berge eine griechische Kirche uns serer Lieben : Frauen gewidmet, und ein großes Mönchskloster von der Regel des heiligen Bafilius , Aufsicht eines Abts.
unter 3 der Diese lettere Stelle ist eine der
einträglichsten auf der Jusel , und ward nur an Adliche vergeben.
Das reiche Kloster ward oft um Gelübde ab-
zulegen besucht , aber eben so oft um Luftreisen dahin zu machen.
Man hielt ein ländliches Mahl, und tanzte
darauf nach dem Schall einer Geige und einer elenden Lever.
Wurden diese Instrumente etwa noch vom Oboe
und der Trommel begleitet , fo war jedes feine Ohr ges nöthigt , sich zu entfernen.
Die Priester entschädigten
sich beym Weine für das Vergnügen des Lanzes , dem fie mehr aus Zwang als aus Abneigung entfagten.
Der Hafen Chierri ist immer eine Zuflucht der Sees Im Jahr 1781. nahm ein engliſcher rauber gewesen. Kaper die französische Fregatte la Marie, und brachte die Ladung nach Chierri ,
wo sie verkauft ward , und
trok aller Klagen bey den Engländern und Venetisvern verloren blieb.
Bierzehnter Abschnitt.
204
Im Jahr 1783 kant ein englisches Schiff dicht vor den Hafen Chierri , und blieb zwey Tage dort liegen, ohne daß jemand ans Land kam.
Der Pope des Insels
chens Marotonifi ließ sich aus Neugier in einem Boote hinbringen , und fand auf dem Verdeck nur drey Leute, einen Sclavonier ,
einen Albaneser , und einen jungen
Griechen von Paros . habe sie verfolgt ,
Diese erzählten , ein Seeräuber das
Schiffsvolk habe sich in der
Schaluppe davon gemacht , und sie ihrem Schicksal über: laffen ; doch wären sie glücklich entflohn , schliefe eben ,
der Capitain
und wünschte nur einige Matrosen von
Zante zu haben.
Der Priester benachrichtigte den engli
schen Consul und den Proveditor davon, welche aber der Sache keinen Glauben beymaßen , sondern verlangten, er solle einen der Leute ans Land locken , welches ihm auch mit dem Albanier gelang .
Man bemächtigte sich
seiner , und er gestand im Verhöre folgendes. Das Schiff sey wirklich englisch , Großherzogin von Toskana.
und heiße die
Der Sclavonier, Namens
Osegovich , habe sich långst an den Venetianern ,
die
ihn für einen Mord hatten aufhängen wollen , zu råchen gewünscht ,
und deshalb ihm , " (dem Albanier)
und
dem Griechen den Plan , sich des Schiffs zu bemächtigen mitgetheilt. Dies gelang auch, dut ordung eines Theils der Mannschaft , und Verjagung der andern in die Schaluppe.
Die Frau des Capitains ward gezwunz
gen Mannskleider anzuziehn , und nebst zwey Seekadets ten Matrosendienste zu thun. Osegovich suche jest Mas trosen, um das Schiff nach Maina zu bringen , und
habe in seinem Zimmer ein Faß mit Pulver und eine
Beschreibung von Zante.
205
brennende Lunte bereit, um sich bey der geringsten Ges fahr in die Luft zu sprengen . Der engliſche Consul begab sich sogleich allein an Bord, und Osegovich zeigte ihm den Paß. ful stellte sich alles richtig zu finden ,
Der Cons
und bat ihn um
Erlaubniß , die Frau des Capitains und die Cadetten am Ufer frische Luft schöpfen zu lassen.
Durch diese List
wurden alle dren gerettet. Nan kamen sechs in Matroſen verkleidete Soldas ten an Bord , ergriffen Osegovich nebst dem Griechen, besetzten das Schiff, und brachten die Verbrecher nach Zante.
Man machte ihnen den Prozeß, und alle drey
wurden erſchoffen , und ihre Köpfe am Meeresufer aufs gespießt.
Der Geist des Osegovich spukte nach der Meis
nung des Pöbels daselbst, und ein Dichter benutzte die ganze Anecdote,
um ein Trauerspiel daraus zu ver-
fertigen. Ich selbst war auf meiner Reise von Marseille nach Zante in Gefahr, von einem Griechen Namens Lica, der ein neapolitanisches Schiff gekauft hatte, weggenommen zu werden.
Zwey russische Kriegsschiffe retteten uns,
wurden aber doch von dem Corsaren übel zugerichtet. Dieser LLica ward endlich gefangen , und auf die Galees ren von Corfu gebracht , wo er sich aber nach einigen Jahren loskaufte. Im Jahr 1789 diente Chierri den russischen Corfaren zur Zuflucht , welche ihre Prisen dort verkauften, und auch von den Einwohnern unterstügt wurden, bis die venetianische Regierung ein Schiff dorthin verlegte. Chierri ift der einzige Ort der diesseitigen Küste, der den
206
Bierzehnter Abschnitt.
Schiffern einen muntern Anblick gewährt ,
alles übrige
besteht aus steilen Felsen. Nahe bey dem Dorfe Chierri liegt eine große fans . dige Ebene , die blos zum Corinthenbau dienlich ist. Die Luft ist hier ungesund , wie die Bewohner der umlies genden Gegend durch ihre gelbe Farbe beweisen.
Mits
ten in der Ebene befinden sich zwey Theerquellen, die aus tiefen Löchern entspringen.
Ueber dem Theer steht eint
Fuß hohes Wasser, das immer kühl bleibt , so wie auch der Theer, ob er gleich heftig braust , Sommer und bey Erdbeben.
vorzüglich im
Letztere sind nicht heftig,
und man glaubt dieses den Theerquellen verdanken zu müssen.
Viele Reisende glauben, daß die ganze Gegend
umher hohl sey , und daß die Ebene ehedem ein Pechsee gewesen , bis ihn die Erdbeben verschütteten ; eine Stelle des Herodot scheint daſſelbe zu beweisen. Leichte Körper , die man in die Quellen wirft, fins det man nach einiger Zeit auf dem Meere schwimmen. Fm April füllen fich die Löcher bis an den Rand ;
die
Einwohner holen den Theer mit Eimern heraus , und schütten ihn in Gråben , wo das Wasser abläuft , und füllen ihn sodann in Faffer ; bis zu hundert und funfzig Pfund.Ein Pfund kostet drey bis vier Sous franzdſiz schen Geldes.
Das Wasser aus den Löchern schmeckt salzig , und riecht nach Theer: die Einwohner brauchen es wider das Fieber und andere Zufälle, wie auch die fremden Schiffer gegen den Scorbut.
Die Griechen trinken davon wenn
fie auch völlig gesund sind.
Man gebraucht das Pech
zum Calfatern der Schiffe, und es giebt bey hinlånglis
Beschreibung von Zante.
207
cher Menge den vortrefflichsten Mörtel ab , wie man an den Steinen sehen kann , womit die Insulaper die Pech, gråben einfassen.
Sie halten so fest zusammen , daß
man fie eher zerbrechen als trennen kann. An der Nordostseite von Zante giebt es ein schwef= ligtes Wasser, das die Bauern zur Heilung ihres Viehs besonders bey der Krätze anwenden. Sie waschen dasselbe amit , und der Erfolg ist immer glücklich). Das Wasser ist klar, schmeckt salzig und riecht nach Schwefel.
Eine
andere Quelle ist ein sicheres Purgiermittel , so wie eine dritte vollkommen nach Del schmeckt.
Am Ufer sind eis
nige , die einen Fuß hoch salzig und darunter süß sind. An den Felsen befinden sich sehr tiefe Hdlen, die man aber nicht untersuchen kann , weil es unmöglich ist, einen Begleiter zu finden. Die Erdstöße, die von Nordost nach Südwest sich verbreiten , sind nicht gefährlich, wohl aber die, welche mitten auf der Insel entstehn , und sich nach allen Seis ten verbreiten, und fast alle fünf und zwanzig Jahr wies Derkehren.
Das letzte dieser Art war den. zweyten Nos
vember 1790, sehr verwüstend , über zwanzig
Pers
sonen kamen ums Leben, und alle Oehl- und Korinthenvorräthe in Zante wurden verschüttet. Zante verdient den Titel Blume der Levante, den ihr die Italianer geben , wegen ihrer großen Fruchtbarkeit ; denn sie bringt außer zehntausend Tonnen Wein, vierzig bis funfsig Millionen Centner Rosinen hervor.
Zwey
Drittel des nöthigen Getreides holen die Infulaner aus. Morea
and bezahlen es baar,
208
Vierzehnter Abschnitt. n guten Jahren soll Zante wohl zwölf Millionen.
Centner Corinthen hervorbringen.
Der Weinstock, wele ! cher ſie trågt ist niedrig , und wird an Pfählen gezogen. Die Trauben ähneln dez Johannisbeeren , nur daß die Beeren dichter sitzen und keine Kerne haben.
Wenn sie
noch nicht ganz reif sind, haben sie eine angenehme Säure, welche die zu große Süßigkeit mindert.
Im October
gråbt man die Erde sorgfältig um, důngt den Stock mit fettem Mist, und beschneidet ihn im März.
Im Ende.
des Julius werden die Trauben gelesen , und vierzehn Tage lang getrocknet.
Wenn es während dieser Zeit regnet , so deckt man die Trauben sorgfältig zu , da zu viel Regen sie gänzlich verderben kann , daß sie das Vieh nicht einmal frißt. Sobald sie hinlänglich trocken sind , leert man die Traus ben ab, und füllt die Beeren in Säcke , welche man in die Magazine (Seraglie) bis zur Versendung hinlegt. Jeder Bauer bringt seine Rosinen in das Magazin, welches aus hölzernen Bohlen besteht , und erhält dafür einen vom Eigenthümer unterschriebenen und unterſiegels ten Zettel. noten.
Diese Zettel gelten im Handel wie Banko-
Erst kurz vor der Einschiffung werden die Cos
rinthen in Fässer gepackt.
Jedes Magazinn kann drey
bis vierhundert tausend Pfunde halten. Man verfertigt aus den Corinthen einen süßen dhe lichten Wein , der sehr gut für den Magen ist.
Man
läßt die Corinthen etliche Tage trocknen , preßt sie, und mischt den dicken Saft mit etwas Wasser, nige Zeit gelegen hat , wird er klar,
Wenn er eis
Beschreibung von Zante.
209
Es giebt noch zwey Arten Corinthenweine , welche Der eine heißt Generoide , und sehr süßlich schmecken. wird aus einer Traubenart bereitet , welbe im ersten Fahr große Beeren , in den folgenden aber eben so kleine wie die übrigen Corinthen hat. Der andere heißt Muscato, weil er aus dem Muse cateller gemacht wird.
Da es keine Keller der Erdbeben :
wegen giebt , hålt sich der Wein nicht gut : wau macht einen sehr starken Essig Eſſig darans.
Zuweilen hält er sich
dreyßig Jahr , und ist dann vortrefflich , auch das Verz schicken übers Meer ist ihm zuweilen mehr nüßlich als schädlich. Die weißen und rothen Tischweine find stark und berauschend, weil der Erdboden, worauf der Wein wächst schwefelhaltig ist.
Die schlechten Weine werden von den
Verkäufern mit allerley berauschenden Ingredienzen gemischt, wodurch sie zwar beſſer bezahlt, aber auch ungefunder werden. Aller Wein welcher jährlich gepreßt wird , beläuft fich auf zehntausend Fässer ; es ist hinlänglich , um die Insel und die hier ankommenden Schiffe zu versorgen. Auch an Oehlbäumen hat die Insel Ueberfluß : es giebt davon zwey Arten,
die erste einheimische heißt
Nostrani, die andere Dacoron, von dem Ort auf Morea , wo sie her find.
Die Nostrani sind hoch; und schon im
September reif, die Dacoron niedriger , und können erst immar gesammelt werden. Die Einwohner von Zante, schütteln die Bäume nicht , sondern nehmen die Oliven mit der Hand ab.
Ehe man das Devl auspreßt,
that man ein Zehntel Salz dazu. Grassets Reisen ,
Die Nosirani geben
210
Bierzehnter Abschnitt.
ein Viertel, und die Dacoron ein Drittel Saft.
Zuerst
zerquetscht man fie auf einer Mühle, welche von einem Pferde bewegt wird, und bringt sie dann unter die Presse, Das Dehl, welches nicht versendet , sondern auf der Jufel verbraucht wird , macht man mit mehr Sorgfalt. Man salzt die Oliven nicht ,
wodurch dem Dehl der
scharfe Geschmack benommen wird , und läßt sie vier bis fünf Tage trocknen, ehe man das nun sehr klare Dehl auspreßt. Das zur Ausfuhr bestimmte Sehl wird in steinerne Krüge gethan, und wie die Korinthen in die Seraglie ges bracht. Man benußt es vorzüglich in den Seifen ken , und es ist so gut wie das peleponnefische.
Die
Olivenkerne werden vom Volk zur Heizung der Backöfen benußt, da es am Holze fehlt , das man nur in geringer Menge von Albanien und den Klippen um Morea holt. Das auf der Insel verfertigte Salz reicht zur Consumtion , aber nicht zum Einsalzen der Oliven hin ; man muß daher das übrige von St. Maura einführen. Flüsse giebt es auf der Insel nicht ; im Herbst und Wins ter nur bildet das Regenwasser einen Waldstrom , Fina mara, kleiner Fluß , genannt. Die Einwohner rühmen ihren Gartenba sehr, und u
er ist wirklich vorzüglicher als auf den übrigen Inseln . Die Früchte würden sehr schön seyn , wenn man sie nicht immer aus Furcht vor Diebereyen , oder bey einer Gelez genheit sie vortheilhaft zu verkaufen , zu früh abnahme . Das Gemüse schmeckt nach dem Erdreich,
daß es dem Fremden schwer fällt sich daran zu gewöhnen . Nach
Körbel Sauerampfer , und andern der gew hnlichsten
Beschreibung von Zante. Küchenkräuter , frågt man vergeblich. ift nicht immer zu haben.
211
Selbst Petersilie
Die Einwohner gebrauchen.
sehr häufig eine Art kleiner Gurken , welche sie Zuchette Sie verzehren fie gekocht oder als Salat. Die nennen. Soldaten und Matrosen essen sie roh , ziehn sich aber durch ihren Genuß Coliken zu. Das gemeine Volk ißt Bohnen , Erbsen und vors züglich Kichern roh , und hebt die Blätter und Stiele auf,
um am Johannistage ein
Freudenfeuer
anzu=
zünden.
Der Broccoli ist eins der häufigsten Gemüse , und. wird wie die Gurken bereitet , auch thut man zuweilen Rosinen daran.
Man liebt auch die Auberginen sehr,
schneidet sie entzwey und bereitet sie mit Oehl- , Salz- und Pfeffer.
In jedem Garten ist ein Brunnen zum Be=
gießen ; es giebt zwar Quellen genug, aber entfernt, und zwischen Felsen, Wälder findet man nicht , aber einzelne Gehölze von Myrthen, Dehl- und Lorbeerbäumen. Virgil nennt die Insel zwar das waldigte Zante , aber er meynt ents weder diese Büschel fruchttragender Bäume, oder es gab zu seiner Zeit mehr Holz darauf.
Wildpret ist selten , und aus Mangel an Wald und Sümpfen giebt es weder Land : noch Wasservögel.
Im
Frühling geht jährlich ein Trupp Jáåger von Zante in die Bålder aufMorea, und kommt mit der Beute zurück, die fie selten verkaufen , sondern größtentheils mit ihren Familien verzehren . Auch der Fischfang ist nicht ergiebig , sondern die Fischer find genöthigt auf die benachbarten Küsten zu fahs 2
212
Bierzehnter Abschnitt.
ren ; fie falzen die wenigen kleinen Fische in- und ausi wendig ein , aber sobald das Wetter die Rückkehr der Fis scherbarken verzögert ,
verdirbt die
Ladung dennoch.
Frische Fische sind so theuer , daß nur die Reichsten fie sich verschaffen können.
Die Bewohner des Dorfes Agala auf der Südseite der Insel haben eine Fischeren , welche der Jagd ähnelt. Die Felsen ,
welche das Dorf von der Küste trennen,
sind sehr gefährlich zu besteigen, aber die Bauern, welche die Uebang kühn gemacht hat , wagen sich mit großer Leichtigkeit dorthin .
Sie binden einen Strick um einen
Baumstamm auf der Spitze der . Felsen , und das andere. Ende desselben um den Leib.
Dicht am Meer find Hd-
Ien , worin ſich viele Meerkålber aufhalten.
Der Jäger
muß bis an den Hals untertauchen , um zum Eingang Der Hdle zu gelangen, und hält sich mit einer Hand an dem Strick , und mit der andern ein Pistol. Nun misß ser er dem Thier eine tödtliche Wunde am Kopfe beybringen, sonst springt es augenblicklich ins Meer.
Sobald es
todt ist , zieht ihn der Jäger in der Höle das Fell ab, und schneidet das Fett aus: das übrige läßt er den Vd geln und Wellen.
Aus dem getrockneten Fell verfertigen
die Bauern Schuhe , die sie der Dauer wegen den rinds ledernen vorziehen.
Das Fett wird geschmolzen und als
Lampendhl verbrannt : es giebt ein helles Licht , hat aber einen unerträglichen Geruch. Rindvich , Schaafe und anderes Vieh kommt von Moreà, da der Mangel an Weide den Einwohnern nicht erlaubt ,
etwas anders als einige Ziegen zu halten.
Aus ihrer Milch verfertigen sie Käse , aber es werden
213
Beschreibung von Zante.
eine Menge Kafe aus Morea eingeführt , die sehr hart und salzig sind.
Auch Federvieh kommt daher , fo
wie Caviar von
Constantinopel und dem schwarzen
Meer.
Die übrigen Salzspeisen werden von den Eng-
ländern nach Zante gebracht , und machen die Hauptnahrung der Jusulaner aus. Zur Zeit der Ernte gehn vier bis füuftaufend Bauern von Zante nach Morea, um dort zu arbeiten.
Man
bezahlt sie mit Korn , wovon sie nach der Rückkehr in ihre Heimath etwa drey Monat leben können.
Die
ganze Bevölkerung besteht aus funfzigtausend Seelen, die in einer Stadt und fünf und vierzig Dörfern leben. Man wird im Sommer sehr von zwey Arten Müks * ken geplagt ; deren Stich äußerst empfindlich ist. Die erste Art heißt Mussoni, ist klein , und macht ein lautes Geräusch.
Sie dringen in die Stuben , und ſo-
gar in Speisen und Getränke ein.
Ehe man des Abends
Licht bringt, sucht man diese unbequemen Gåste dutch Rauch und Tücher zu vertreiben , aber die Fenster schlies Ben so schlecht , daß sie haufenweise wieder hineinstürzen.
Sie sehen sich an die Wände , und man entfernt sie durch brennende Wachsstöcke , die man so hålt , daß fie in die Flamme fliegen.
. Des Nachts thut man am
besten , das Bette mit Vorhängen von Baumwolle zu umgeben , die im Lande verfertigt werden ,
und Mos
schali heißen. Die andere Art ist eine weiße Fliege , welche Pas patas heißt, weil sie gar nicht lärmt.
Der Stich ist
noch empfindlicher als der von den vorigen Mücken. Es entstehen große Beulen , die Stunden lang schmerzen,
214
Bierzehnter Abschnitt. Giftige Insecten sind sehr häufig und vorzüglich in
den Häusern , wo sie durch die herrschende Unreinlichkeit ernährt werden.
Unter denen, deren Biß man für tödte
zeichnet sich ein Wurm mit
lich dålt,
chen Menge sehr kurzer Füße aus.
einer unendli
Er ist einen bis ans
derthalb Zoll lang , von grauer Farbe , und läuft sehr schnell.
An feuchten Mauern sieht man sie häufig,
Die Insulaner nennen sie Galera , wahrscheinlich ist es eine Art Scolopendra.
Man fürchtet auch eine gewisse Spinne sehr, welche, zum Geschlecht der Mauerspinne zu gehören scheint , fie hat die Größe einer Nuß , schwarze Farbe und starke Klauen.
Sie vergråbt sich in der Erde neben Hecken
und Büschen , in einem dres bis vier Zoll tiefen Loche, das sie mit ihrem Gewebe überzieht.
Dieses Loch ist mit
einem Deckel versehen , den sie mit Spinneweben befes fligt und mit Erde bedeckt. dieses Lochs
Sie sitzt auf dem Boden
und läßt die Thüre halb offen ; sobald sich
eins der Insecten, von denen sie sich nåhrt, zeigt, schließt fie die Thüre und bemächtigt sich der Beute.
Heraus
wagt sie sich selten, da ihr langsamer Gang den Insecten Gelegenheit giebt, leicht zu entwischen. zwey Stunden tödten.
Ihr Biß soll in
Das einzige Mittel ist, den verz
wundeten Theil abzuschneiden.
Auf dem Lande ist diese
Spinne sehr häufig , und sie wird auch zuweilen mit den Reißbündeln ,
welche die Bauern verkaufen ,
in die
Stadt gebracht. Auf den Mauern findet man häufig eine Art schwars zer Eideren , von der Größe und Gestalt der französis
Beschreibung von Zante.
215
fchen: fie liebt Ruinen , und ihr Biß soll ebenfalls tödte lich seyn.
Die Insulaner nennen fie Luzerton.
Eine andere Art Eideren Namens Luzerta, ist kleiner wie die vorige, und von grauer Farbe. nicht so gefährlich.
Ihr Biß ist
Die Eideren laufen sehr schnell, sos
bald man sich ihnen nåhert, sehen sie einen starr an, und bey der kleinsten Bewegung entfliehen sie.
Sie nåhren
fich von Fliegen und Mücken, die sie sehr geschickt zu bes lauern wissen, Der Stich der Skorpionen ist nicht tödtlich ; vers ursacht aber vier und zwanzig Stunden lang so lebhafte Schmerzen , daß gewöhnlich ein heftiges Fieber darauf erfolgt.
Ein gewiſſes Kraut , Scorpio Corto ,
Skorz
pionskraut genannt , ist ein sicheres und schnelles Mittel wider das Gift dieſes Thiers. Schlangen und Vipern find felten , klein und uns ſchädlich. besitzen.
An officinellen Pflanzen soll Zante Ueberfluß
Der Leser wird es mir ohne Zweifel danken , wenn ich ihm beschreibe, wie man zu Zante die rachitischen Personen behandelt ; da die Kunst der Aerzte bey dieser Krankheit so oft ohne Erfolg ist.
Sobald die Krankheit
fich zeigt , giebt man dem Kranken ein gelindes Abfühs rungsmittel von Senesblåttern.
Dreymal des Tages
muß er sechs Unzen eines dicken Syrups nehmen , der aus Ariftolochia longa , Cardus fanctus , Scolopendria und Verbena bereitet wird.
Der kranke Theil wird mit
demselben Syrup gebadet und gerieben.
216 Bierzehnter Abschnitt.
Beschreibung von Zante.
Nachdem man diese Kur acht Tage lang , während welcher der Kranke das Bett, hüten muß, fortgesetzt hat, erholt er sich wieder. Es ist gebräuchlich , den neugebornen Kindern die ersten Tage einige Löffel dieses Syrups zu geben , und vielleicht hat dies zur Folge ,
daß man die englische Die mehres Krankheit sehr selten auf der Insel antrifft.
ften Patienten sind Fremde, die Weiber gebrauchen dieses Mittel nur im letzten Mondsviertel, und lassen sich nicht ausreden , seyn würde.
daß es zu ieder andern Zeit ohne Wirkung
217
Funfzehnter
Abschnitt.
e e t erisch Lage diefer tadt ng der Stad Zant . Mahl . S ung . D ische t ditor Griech Die Vest Pallas des Prgove . ische irchen ische löster Bevölkerun K und latein K . . Griercchhe . h i a e k spl nisch Kathedral öfs St. Marku . Latei e . Bisch s wach ung es oamumendan t licher Pallas . Haupt . Wohn d sbuCre s u ßha dheit of ten . Addre . Bauh . Gesun . Bolls o thurm t. iklas amm . Fonteg oder haus . Leuch S Nin D . z e a h g c a i traße l m s t t Korn das öffen . Der Mark . Haupt . n bniß ines ussischen enerals eth r a z a l r G L Kirche . Begrä e . ." pita r l tenhos esacke der Engländer Arsena . Sgolda . Gott . kerun iertel Bevöl der Stadt und der Jufel . Judenv . n o s Garni .
lichen Seite der Insel am Abhange Soft Zante liegt auf der eines Bergs , der sich unmerklich bis zum Meeresufer neigt.
Sie liegt in einem halben Kreise, den in Süden
der Berg Scopo begränzt.
Die Häuser sind ,
aus
Furcht vor dem Erdbeben, niedrig ; die Banart ist beffer, und nicht so ärmlich wie auf den übrigen Zuseln.
Die
Gebäude , welche auf den höchsten Orten stehen , durch. Oliven getrennt ,
und Cypressenwäldchen, oder durch kleine Gårten frönen gleichsam die Stadt und bieten dem
Auge des Fremden einen bezaubernden Anblick dar.
So
bald er aber diesen lockenden Ort betritt, hat er Gelegen heit, sich zu überzeugen , wie wenig man dem Aeußern trauen darf.
218
Funfzehnter Abschnitt. Ein hoher Berg beherrscht die Stadt , und auf seis
nem Gipfel ist die Vestung erbauet ;
der Weg , welcher
hinaufführt , ist steil, und nur für Fußgänger oder gut abgerichtete Pferde gangbar. Am Fuße des Verges findet man eine Anzahl gesattelter Esel und Maulthiere , deren Führer jeden einladen , sich ihrer zu bedienen.
Dies rief
mir die Posten am Berge Cenis ins Gedächtniß.
Der
erste Posten der Vestung ist ein Thor mit einer Zugbrücke,. welches vier oder fünf Soldaten in einer elenden Hütte bewachen.
Am Eingange der Vestung liegt ein Dorf,
Namens Vucoli , deffen Einwohner als die rachsüchtigsten und blutgierigsten Menschen bekannt sind.
Hinter zwey
andern Posten von derselben Art als der erste liegt eine ziemlich unscheinbare griechische Kirche. Man steigt darMönchsauf durch eine enge Straße bey einem grie kloster vorbey , und kommt so auf eineniArt sse von dffentng he ie d o die Gefä , welc lichem Plaze. Rechts Venetianer niemals leer ließen , und links die Wohnung und die Gerichtsstuben des Kanzlers und anderer Civilbedienten:
Am Ende des Plates stand der Pallast des Proves ditor, ein ziemlich elendes Gebäude.
Man trat zuerst
in einen Vorsaal , wo sich die Garde seiner Excellenz , die aus etwa dreyßig Soldaten bestand , aufhielt ; wie im vordersten Saale beym Generalproveditor hieng auch hier ein ungeheures Gemälde mit dem Wappen des Gouver neurs.
Sechs Hellebarden und die Mäntel der Helles Cine an der Mauer.
bardiere paradirten gleichfalls
schlechte Pritsche für die Soldaten nahm die andre Seite des Vorjaals ein.
Aus diesem Vorsaale kam n man in den
219
Beschreibung von Zante.
Saal, wo der Proveditor Gericht hielt, und wo sich die Adlichen versammelten , wenn das schlechte Wetter seine Excellenz verhinderte, sich in die Stadt zu begeben.
An
der Decke war Themis mit allen ihren Attributen abges bildet.
Da ich einstmals einem Prozesse beywohnte, nås
herte sich mir einer von den Klågern , wunderte sich, daß ich dieses Gemahlde so oft anblickte, und erklärte es mir folgendermaßen :
Was Sie da ſehen ,
ist das Bildeniß_
einer Buhlerin, ihre Gunstbezeugungen find für Geld feil , und ich habe nie etwas von ihr erhalten können. Die Vernunft ist für mich in dem gegenwärtigen Prozeß, wie in funfzig andern.
Ich habe alle funfzig verloren,
und werde diesen and) verlieren. Er irrte sich nicht, schien aber sein Unglück ſehr gleichmüthig zu ertragen. Die Möbeln des Saals bestanden in einem kleinen, mit einem Teppich bedeckten Tische , auf dem das Evans gelienbuch lag, drey Armstühle für den Proveditor und zwey Rathe, und gegenüber eine Bühne für den Redner. Während dieser sprach, ſtanden die Procuratoren bey ihm, welche die Acten und das Gesetzbuch hielten , woraus sie einzelne Stellen , nachdem es der Redner verlangte, ablasen. Die Zuhörer von Stande hatten gleichfalls Stühle. Wenn sie alle Reden bis zu Ende hören müssen , was ren sie sehr zu bedauern.
Eine hölzerne Treppe führte zu den Zimmern des Proveditor.
Ich habe nichts darin gesehen ,
was die
Neugierde der Lefer befriedigen könnte. Neben dem Pallaste des Proveditor wohnten die beyden Räthe, die der Senat ernannte , in einem Hause, welches der Regierung gehörte.
Seitdem dieses gänzlich
220
Funfzehnter Abschnitt.
zusammenfiel , mietheten sich die Herren in die Stadt ein, und erhielten etwas Gewisses zur Entschädigung . Dasselbe geschah mit dem Proveditor selbst, weil das letzte Erdbeben seinen Pallast zerstörte. Die Vestungswerke bestehen blos aus Mauern , die Südlich an mehrerern Stellen beschädigt sind. sliegt ein Marku wehte ; ten wo die Flagge des
Ravelin ,
etwa zwanzig eiferne Kanonen lagen in der Vestung, aber die mehresten in schlechtem Zustande und ohne Lavetten. Dft
mußte man sie durch Böller verstärken ,
um die
Grüsse der fremden Kriegsschiffe zu beantworten. Die Vestung hat eine vortreffliche Quelle , welche Entweder wegen der Nachbarschaft Narauzera heißt. Me einiger Orangenbäume, oder um den vortrefflichen Geschmack des Waffers zu beschreiben.
Diese Quelle ver-
sieht einen Theil der Stadt mit Wasser , aber der Transport auf Mauleseln macht es sehr theuer. giebt es mehrere Cisternen. ziscanerkloster.
Außerdem
Nahe dabey Tiegt ein Fran-
Der Convent bestand aus einem einzigen
fetten Mönche, der in aller Frömmigkeit die Einkünfte verzehrte , welche für zwölf Conventualen bestimmt waren. Kirche und Kloster waren auch in schlechtem Zustande. Der Proveditor ließ alle Sonn- und Fefitage die
Messe ben st
lesen , und hatte zu diesem Zwecke einen
Caplan aus Venedig mitgebracht. Italien, Spanien ,
Man weiß , daß in
und sonst auch in Frankreich jeder
Angesehene oder Reiche sich darauf etwas zu Gute that, einen eignen Beicht hater zu haben , der gewich den Herrn im Hause spielte.
Beschreibung von Zante.
221
Was die Fremden am meisten bewegt, die Vestung von Zante zu ersteigen , ist die außerordentlich schöne Auss ficht,
die man gegen Ofen auf eine weite Ebue hat.
Diese Ebue allein bringt den größten Theil aller Produkte der Insel hervor. Sie bestehet aus Landhẩuſern, Weinden. Penhainen , Gärten , Kornfeldern und Weis bergen, den.
Zur Zeit der Weinlese oder Dehlernte kann man
nichts schöneres sehen , als das Leben , welches auf dies ſem Gemahlde herrscht , das vom Meere begrenzt wird. Diese Ebne hat etwa fünf Meilen Länge und viertehalb Breite.
Bis zum Jahre sechszchuhundert drey und siebzig
war sie ein Sumpf, den der Proveditor Angelo Barbarigo austrocknen ließ.
Die ganze Bevölkerung der Vestung machte zur Zeit der Venetianer , die Garnison mitgerechnet , vierhundert und funfzig Köpfe aus. Die merkwürdigsten Gebäude auf dem Abhange des Berges sind die Kirchen.
Die erste lateinische ist dem
heiligen Elias geweiht , und ward durch einen Canonicus des Domcapitels versehen. artiges Haus ,
Dieser bewohnt ein kleines
und besaß einen großen Küchengarten,
dessen Produkte seine Bedürfnisse weit überstiegen. Die griechischen Kirchen sind folgende : St. Johann in L geh an ein M , wel anc ört ; em önchs che ada klo ste Spil , oder Ana d La Mad , S.r Geo fom rg ei iot onn i t r Gre unad die Eliisasa . a ban skap i elle Wenn man von der Vestung und dem Berge hers unterkommt, trifft man den St. Markusplak , welcher mitten in der Stadt liegt.
Er ist klein , dreyeckig , mit
Quadersteinen gepflastert , und von elenden Häusern um-
222
Funfzehnter Abschnitt.
geben. Links liegt ein Kaffeehaus , das durch eine große Weinlaube vor der Sonne geschüßt ist. Die jungen Leute T bringen daselbst einen großen Theil des Tages mit Kartenund Billardspiel zu. Man sieht ferner eine kleine griechische Kirche , und dabey die lateinische Kathedralkirche des heiligen Markus. Diese Kirche hat außer dem Hochaltar nur zwey kleine Kapellen , ward aber in gutem Zustande erhalten . hångt mit dem bischöflichen Pallaste zusammen.
Sie
In die-
sem befindet sich eine Gemahldegallerie , welche die vers schiednen Bischöfe von Zante gesammelt haben.
In dem
Saale, wo der Bischof Audienz gab, war eine Art Thron mit einem Baldachin anfgéſchlagen , vor welchem ein Bets stuhl und ein großes Crucifir stand.
Die Cathedralkirche
ist von Häusern umgeben, welche zur Wohnung der Doma herren bestimmt find.
Nahe dabey war A die Hauptwache ein elendes Gebäude mit.
mit etwa dreyßig Soldaten ,
einer hölzernen Barriere, und zwey alten Kanonen auf verfaulten Lavetten.
Der Offizier bewohnte ein kleines
Stübchen, worein das Licht durch ein Gitterfenster ohne Glas fiel.
Zwey andre Löcher dienten zum Aufenthalte
der Soldaten und Gefangenen. Auf der rechten Seite des Plages stand das Haus des Commendanten , und neben an das Leihhaus, welches aus einem einzigen großen Saale bestand.
Dieser Saal
diente zur Aufbewahrung der Pfånder in dreyfach verschloßnen Schränken , und zur Versammlung des Adels. Am Ende stand eine Bühne mit Schranken umgeben. Hier saßen der Proveditor und seine Råthe.
Unter dem
Beschreibung von Zante.
223
Saale war das Magazin für die Soldaten , wo man auch Zwieback für die Kriegsschiffe aufbewahrte. Das Addreßhaus ward im Jahr 1670 gestiftet ; es soll ein Capital von 150,000 Livres besitzen.
Seit
den Revolutionen auf Morea hat es einen sehr glücklichen Fortgang gehabt , da eine Menge Griechen mit ihren tosts barsten Habseligkeiten nach der venetianischen Insel flohen. Das Haus steht unter der Direction dreyer Administras toren , welche der versammelte Adel ernennt. Das Archiv der Stadt wird gleichfalls hier aufbewahrt. Etwas weiter davon am Ufer des Meeres ist eine Art Rhede , um Barkeu , Kahne und Kauffahrthevſchiffe zu erbauen.
Die größten halten zweyhundert bis zwey=
hundert funfzig Tonnen. Auf demselben Plaße ist das Büreau der Gesundheit. Es ist ein kleines Haus mit zwey Zimmern : in dem einen versammeln sich die Commissaire des Gesundheitsgerichts, in dem andern der Kanzler und seine Affefforen. In dies n k en dreyeckige ran mit klein sem Zimmer stand einF Flaggen , um die Schiffe damit zu zeichnen , welche man ausrüstete , wenn die Pest auf dem festen Lande ausbrach, um heimliche Landung zu verhindern.
Gegenüber ist ein
anderes Haus, welches auch den Gesundheitscommiffarien gehört.
Oben ist ein Saal , vier kleine Stuben und eine
Küche , wo man zuweilen fremben Passagieren zu wohnen erlaubte , welche während dem Aufenthalt ihres Schiffs and kommen wollen . ans Dieses Haus hieß die Contumaz.
Der untere Theil diente zur Niederlage der Waaren, welche in den dicht dabey vor Anker liegenden Schiffen
Funfzehnter Abschnitt.
224 waren.
Es ist mit einem, eisernen Gitter verschlossen,
dessen Oeffnungen groß genug find , Korn durch zu schaus An verschiednen Orten fehen Schildwachen , daß
feln.
niemand der Quarantaine haltenden Personen in die Stadt komme.
Indeß konnte man die Erlaubniß leicht durch
ein Trinkgelo an den Aufseher bekommen. Das Zollhaus ist ein schlechtes Gebäude, und ents hält oben zwey Zimmer für die Beamten, und unten eine Wachtstube für sieben oder acht sclavonische Soldaten, Diese lettern unwelche die Zollbedienten unterstüßten. terhielten auch eine mit Sclavoniern bewaffnete Barke, welche Achtung gaben , d bracht werden konnte.
nichts heimlich aus Land ge
In dieser Gegend liegt die gries
chische Kirche des heiligen Nicolaus , auf deren Glockenz thurm man des Nachts einige abreunend erhäl um den Schiffen zu leuchten.
Oft genug aber waren die .
Laternen nicht angezündet , wenn sich der Priester das Dehl zueignete, welches er zu ihrem Unterhalte erhielt. Diese Kirche giebt einem benachbarten Damm den Namen, welcher für die Galeeren , Barken und flachen Kauffartheyschiffe zum Hafen dient.
Ehedem stand hier
eine kleine Festung , wo der Gouverneur wohnte , und welche mit ihren Kanonen den Hafen deckte.
Sie ward
aber auf Klage des türkischen Hofes geschleift , weil man nur Kauffartheyschiffe hier aufnahm.
Die Zollbedienten
hatten hier einen kleinen Posten, welcher la piccola dogana oder der kleine Zoll hieß. Nahe dabey liegt ,ein viereckiger Plak, auf dem Es ist nur ein
das Fontego oder Kornmagazin steht.
Stockwerk hoch und mit Gitterfenstern versehen,
Man
Beschreibung von Zante.
225
legte von jeder Ernte etwas zurück , um in Jahren des Mangels Vorrath zu haben. Eine sehr enge Gasse führt von hier zum Markt, welcher den Namen piazza dell' erbe führt. Die Bauern bringen hieher ihre Früchte und Gemüse.
Es stehen dort
eine Menge Buden , wo man gesalzene Speisen , wie Caviar , Kabbeljan , Heeringe und dergleichen verkauft : andre handeln mit Korn von Morea.
Diese Victualiens
håndler bildeten eine eigne Jnnung unter dem Namen frailla degli fromagieri , welche alle für einen für Be zahlung ihrer Waaren gut sagten , so daß die Groshåndler, von welchen sie diese nahmen , keine Gefahr dabey hatten.
Man fristete ihnen die Bezahlung beynahe auf
ein ganzes Jahr.
Mitten auf dem Markte steht ein
Kaffeehaus , wo bloß der Adel zugelassen ward.
Eine
unbequemere und schmutzigere Lage konnte man nicht leicht wählen. Von dem Markte kommt man in die Calle larga, oder große Straße, welche ziemlich gut gebaute Häuser enthält.
Sie endigt sich bey einer Sandgrube , neben
welcher die beyden ſchönſten und reichsten Kirchen aller griechischen Inseln stehen.
Die erste ist dem heiligen
Dionyfius geweiht , und mit vielen Gemåhlden italianis scher Künstler geziert.
Griechische Bildhauerkunst und
Vergoldung ist darin verschwendet. ,
Ein Priester von
Zante hat eins der vorzüglichsten Stücke gemahlt.
Ez
ist drey Fuß hoch, und so lang wie das Chor , wo die Weiber stehen.
Es stellt eine Proceffion des heiligen
Dionysius vor , enthält über dreyhundert Figuren , und man hat mich versichert, daß der größte Theil den OriGrassets Reisen.
226
Funfzehnter Abschnitt.
ginalen ähnlich sey.
Die Kirche ist mit einer großen
Menge silberner Lampen und andern Opfern geschmückt. Der Körper des heiligen Dionysius liegt in einein , mit vergoldetem Silberblech beschlagenen Sarge, welcher sehr Künstlich gearbeitet ist.
Ein Convent griechischer Mönche
des heiligen Basilius unter der Aufsicht eines Abts, verfehen den Gottesdienst.
Sie wohnen in einem gut ge=
bauten Kloster, worin
aber eine
große Unreinigkeit
herrscht. Die Kirche der Erscheinung (Phaneromenie) hat ohne Zweifel den nächsten Rang nach obiger.
Sie ist an
Vergoldung und Gemåhlden so reich, wie jene, und wird von einer großen Anzahl schöner Lampen erleuchtet.
Auf
Zante sind überhaupt die gottesdienstlichen Gebäude weit größer und prächtiger , als auf den übrigen Inseln.
Die
Furcht vor den Erdbeben hat sie auch nicht verhindert sehr hohe Glockenthürme, darauf zu setzen.
Wenn man diesen Weg verfolgt , kommt man über den Fluß auf einer kleinen ſteinernen Brücke von drey Schwibbogen.
Weiterhin am Ufer des Meers steht die
griechische Kirche des heiligen Constantins , deren Fasade aus einem Portico von acht Säulen besteht.
Hier liegt
ein rußischer General begraben , welcher im letzten Kriege Rußlands mit der Pforte im Hafen von Zaute starb. Die venetianische Regierung zeigte bey dieser Gelegenheit ihre Der kommandirende Offizier, gewöhnliche Schwäche. welcher dem verstorbenen General nachfolgte , verlängte den Körper am Lande zu begraben.
Der Proveditor ants
wortete , daß sein Geschwader in Quarantaine wäre, und der Körper daher im Lazarethe begraben werden müßte.
Beschreibung von Zante.
227
Der rußische Offizier aber , anstatt den Vorschlägen der Regierung zu gehorchen , befahl so gleich den Körper ans Land zu sehen.
Man salutirte ihn von jedem Schiff mit
neunzehn Kanonenschüßen , und alle Truppen begleiteten ihn.
Sie landeten an der Sandgrube , und die Truppen
stellten sich in zwey Reihen , zwischen denen man die Leiche, von allen Staabsoffizieren begleitet , trug.
Der Pros
veditor glaubte, daß man nach dem Lazarethe gehen würde, und schickte einen Theil seiner Truppen zum Empfang der Leiche ab.
Die Rußen begaben ſich aber in die Kirche
des heiligen Constantin , wo sie nach gehaltnem Gottesdienst den General begrüben.
Darauf machten sie einige
militairische Evolutionen , wodurch sie eine Menge Insulaner verleiteten , sich auf dem Geschwader einzuſchiffen. Diese Aufführung des rußischen Offiziers , die wider die Gefundheitsgesetze aller Völker lief, und die Neutralitåt einer freundschaftlichen Macht beleidigte, hätte doch ges wiß eine Ahndung verdient.
Wie oft entstanden nicht
aus ähnlichen Kleinigkeiten blutige Kriege! Das Lazareth besteht aus vier viereckten Höfen, und zur welche mit niedrigen Mauern umgeben sind , Niederlage der Quarantaine haltenden Waaren dienen. Es enthält einige Zimmer für die Passagiere.
Das obere
Stockwerk der Seeseite bewohnet der Aufseher des Lazareths , und das untere die acht Mann starke Wache.
Die
Nordostwinde verhindern gewöhnlich die Fahrzeuge zu landen, welchem Uebel aber durch einen kleinen Damm, mit geringen Kosten håtte abgeholfen werden können. Antonius - haben haben Einige Mönche vom Orden des heiligen Antonius dicht beym Lazareth eine Kirche und ein Hospital , wo fie
P 2
Funfzehnter Abschnitt .
228
die katholischen Kranken mit vieler Sorgfalt pflegen. Auf der andern Seite steht die Kirche des heiligen Rochus, deren Priester die griechischen Patienten besorgeir. Beym Ausgange des Lazareths findet man die von den Insulanern so sehr gerühmten Gårten , an denen aber nichts vorzügliches ist , als daß man kleine Luftparthien daselbst im Schatten der Oehlbäume anstellen kann .
Das Arsenal ist ein großes , halb offnes Gebäude, wo man zuweilen Thaue , Anker , Lavetten und Takels . werk verwahrte.
Der Seeoffizier , welcher die Aufsicht
darüber hatte, führte dèn Titel Amiraglio.
Seine Pflicht
war den fremden Fahrzeugen die sichersten Plätze im Hafen anzuweisen und zu sorgen , daß keines an das andre stieß. Er mußte auch dafür sorgen , daß der Leuchtthurm St. Niklas beständig erhellt war , und daß bey Stürmen die Fahrzeuge, die sich in Noth befanden , Hülfe ers An ihn wandte man sich, um geschickte Schiffer, hielten. durch den Archipelagus oder Golfo von Venedig zu ers halten.
Außer seinem Sold erhielt er von jedem Schiffe,
welches einlief, einen Thaler , und einen halben von jeder Barke.
Die Fischerkähne mußten ihm einen Theil ihres
Fangs abgeben. Zunächst stößt man auf das Soldatenhospital, das in zwey Såle getheilt ist.
Der unterste enthält vierzig
elende Betten, in deren jedem zwey Kranke , oft von y en Der Schmuß, der lagen. Gebrechen ganz verschiednen nt be en ie st t n i en Tod . a e e e P m d d t an Arzneyen und das kårgliche , ungesunde Eſſen Die Stellen des Administrators , des Arztes , und der übrigen Aufseher waren verkäuflich.
Der oberste Saal diente zur
229
Beschreibung von Zante.
Auferziehung der Findelkinder , die ebenfalls zwey und zwey in einer Wiege lagen.
Der Staat bezahlte eine
mehr als hinlängliche Summe für jedes , aber die Todten wurden erst nach mehrern Monaten aus dem Verzeichniß gestrichen , und die Lebendigen so behandelt , daß man die Nachlässigkeit der Regierung verdammen muß. Gegenüber dem Hospital liegt eine lateinische Kirche, die der Jungfrau Maria heilig ist ; sie gehört zu einem, zweyhundert Jahr altem Franziskanerkloster ,
von der
verbesserten Regel.
Wenn man die Küste immer weiter nach Norden verfolgt, trifft man einen ffeilen Pfad an , der zu einent Hügel leitet , auf deſſen Spiße der Begräbnißplaß der hier verstorbnen Engländer ist. Es giebt nichts mahlerischers als diesen Gottesacker er ist mit Mauern umgeben, und ein Priester der dabey in der Kapelle St. Georgs wohnt , hat die Aufsicht darüber.
Jeder englische Capis
tain over Passagier giebt ihm etwas , wovon er sich und seine Kirche hinlänglich erhält. `Inwendig ist der Kirchhof mit Cypressen und andern Trauerbäumen besetzt, und voller Mausoleen auf Säulen , und Marmortafeln.
In
einer Ecke ist eine Grotte mit dem Grabe eines brittischen Confuls
die Wände sind mit Epheu bedeckt , das um die
ausgehauenen Sinnbilder ranket , und eine lateinische Ins schrift verkündet die Tugenden und den Todestag des Agenten.
Alle übrigen Leichensteine tragen englische oder
lateinische Inschriften mit dem Wappen des Verstorbenen.
Am nördlichsten Ende der Stadt fließt die Quelle Crio nero , welche das Uferviertel von Zante beschließt.
230
Funfzehnter Abschn. Beschreibung von Zante.
Die Stadt selbst soll etwa zwölftausend , so wie die ganze Insel fünf und vierzig bis funfzig tausend Seelen enthalten.
Etwa funfzig Dörfer liegen in der Ebne und
den Bergen zerstreut.
Die Juden , etwa zweytausend an derZahl, haben ein eignes Stadtviertel inne , das mit Mauern umgeben, Eine Synas und dessen Thore mit Wachen besetzt sind. goge besitzen sie nicht , sondern verfammeln sich in einem Saale bey dem Rabbiner.
Die Garnison ift dreyhundert Mann stark , und das Landvolk wie auf den übrigen Inseln unter dem Namen Cernide enrollirt.
234
Sechszehnter Abschnitt.
Lateinische und griechische Religion , Regierung , Sitten und Kleidung.
Man schreibt der heiligen Veronica die Ehre zu , die Bea wohner von Zante zur chriftlichen Religiou bekehrt zu haben. Zu der Zeit als die griechische und lateinische Kirche noch vereinigt waren , war Zante der Sitz eines Bischofs den der Pabst ernannte. Einer dieser Bischöfe war bey Unter dem berühmten Concilium von Nicåa zugegen. der Regierung Pabst Leo des Weisen ward Zante für Keine fuffragan von dem Bisthum Corinth erklärt. der bekannten Christenverfolgungen hat die Einwohner von Zante beunruhigt.
Als die Lateiner Herren des Morgenlandes wurden, setzten sie in Griechenland catholische Bischöfe ein. Zante hatte dasselbe Schicksal: diese Aenderung empörte die InSie
ſulaner , welche fåmtlich griechische Chriſten waren.
vereinigten sich mit den übrigen Griechen und brachten ihre Klagen auf dem florentinischen Concilium an. Man entschied daß alle diese Kirchen zugleich einen griechiſchen und einen lateinischen Bischof haben sollten , und nach dem Lode eines von beyden zu keiner neuen Wahl ges schritten werden dürfte , als bis der andre auch gestorben wäre. Das Hochstift Zante blieb lange unbesetzt , oder die vom Pabst ernannten Bischöfe residirten wenigstens nicht hier : so daß die Catholiken auf die Dienste einiger Franzisfaner eingeschränkt waren , deren Kloster von den Türken
232
Sechszehnter Abschnitt.
verbrannt , und die Kirche daher in· ein Magazin verlegt Bey der Besißnehmung der Venetianer waren
ward.
alle Lateiner zur griechischen Religion übergegangen, und die Kirchen lagen in Ruinen , bis ein abgeschickter Geists licher die Erlaubniß erhielt , sie wieder aufzubauen. Leo der zehnte ernannte Ferdinand von Medicis zum Erzbischof von Zante, und dieser war der erste , der feine Dioeces besuchte : aber erst unter Sirtus V. ward. eine Cathedralkirche erbaut, und Zante für suffragan von Corfu erklärt,
Die Einkünfte des Bischofs betrugen
etwa tausend und zweyhundert Thaler.
Er mußte aber
für die Erhaltung der Kirche (aber nicht der Klöster) sorgen . Der neue Bischof mußte sich die Bulle selbst aus Rom holen , und dort examiniren laffen , wodurch er immer einige Jahre aufgehalten ward. Das Capitel bestand aus acht schlecht dotirten Doms herrn.
Diese Prälaten hatten außer dem Pfarrer blos.
den Rang vor den übrigen Priestern voraus. Der Bis T schof hatte wie der von Corfu seinen kleinen Hof, und erhielt feyerliche Besuche von der Regierung .
Solange die Lateiner Herrn von Constantinopel waren, standen die griechischen Dioecesen unter einem besondern Geistlichen ,
welcher den Titel Protopapa
führte.
Bey Gelegenheit der Ordinationen und dergleichen , worüber er keine Macht hatte wandte er sich an den nächsten Prålaten. Als die Jusel venetianisch wurde, erlaubte der Senat dem Adel, alle fünf Jahr einen Protopapa zu wäh
len, der vom griechischen Erzbischof zu Cephalonien abhieng.
233
Beschreibung von Zante.
Die griechische Cathedralkirche St. Nicolaus wird vom Protopapa und sechs 'Capitularen versehen.
Die
griechischen Kirchen sind zahlreich, und schöner als auf den übrigen Inseln. 3 Eine der vorzüglichsten ist die des heiligen Dionysius , die zum Kloster des heiligen Basi= lius gehört.
Die Mönche deſſelben sind sehr reich, und
die Strophadeninsel gehört ihnen.
Auf dieser haben
fie auch ein Stift , welches weiter unten beschrieben werden soll. Die Regierung bestand aus drey venetianischen Edelleuten, nämlich einem Proveditor und zwey Råthen, die der Senat ernannte , und dieselben Functionen wie die von Cephalonien hätten. nen Kanzler , Adjutanten ,
Der Proveditor hatte seis u. f. w.
Auch der Adel
ſland im nåmlichen Verhältniß wie dort. Als die Venetianer von Zante Besitz nahmen, fanden fie die Insel durch die Verheerungen der Türken und die dar auferfolgten Auswanderungen sehr entvölkert. Der Senat unterließ nichts , um neue Einwohner hinzuziehn , und die Einrichtung eines Adels , so wie die sanfte Regierung verursachte bald ein Zuströmen von vielen Italienern, die dort durch den Krieg vertrieben oder durch die Hoffnung einer angenehmern Lage hingelockt waren.
Die Besatzung bestand aus
dreyhundert Mann,
unter dem Commando eines Obristen.
Die Cernide
oder Landmiliz stand unter einem Adlichen , welcher Sopraintendente hieß. Unordnung und schlechte Handlungen fielen auf Zantehäufiger als irgendwo vor. Durch die Habsucht der Regierenden entstanden und erhielten sich die schånd-
Sechszehnter Abschnitt.
234
lichsten Mißbrauche.
Jeder Proveditor brachte eine
Summe Zechinen , oft von Juden erborgt mit , welche unter die Bauern ; unter dem Borwand sie zu unterstüßen vertheilt ward ; aber nach einem Jahre mußten sie den doppelten Preis an Waaren erlegen.
Einwendungen,
man brauche keine Hülfe , wurden mit Gefängniß be straft, und die Freyheit war nur für Geld wieder zu er< langen.
Diese Erpressungen hießen Prostichii.
Die
Vornehmen konnten ihren Landsleuten nicht helfen , fie hieltennes es also für das beste , sie mit auszuplündern .
Hierdurch entstand ein so bitterer Haß der Bauern, gegen den Adel und die Bürger , daß sie oft bewaffnet in die Stadt drangen, und nur durch Geld von Empdrungen abzuhalten waren.
Mehr als einmal wollten sie
aus Rache , blind gegen ihr eigues Interesse, die Weinpflanzungen verbrennen. Kein Verbrechen war so häufig als der Mord. Die Sicherheit vor der Strafe reizte einen Bürger gegen den andern ſumme.
und die Ahndung war eine geringe GeldDie Mörder griffen das Schlachtepfer nicht
öffentlich an , sondern im Augenblicke des höchsten Vertrauens ,
und das Volk stürzte augenblicklich herbey,
nicht um zu helfen , sondern sich an der Angst des Sterbenden zu weiden. Die meisten Leute von Ansehn hatten solche Bravi in ihrem die für ein geringes Geld die Feinde ihrer Patrone kaltblütig hinrichteten.
Dessenungeachtet
wäre nichts leichter als Ruhe und Ordnung bey diesem Bolke einzuführen , wie die rühmlichen Bemühungen ciniger Proveditoren bewiesen haben.
Was diesen braven
235
Beschreibung von Zante.
Männern an Beute und Raub entgieng, ward ihnen durch die Dankbarkeit des Volks doppelt erſeßt. Die Zwiftigkeiten unter den Familien von Zante hörten nicht auf, weil die Regierung fie beförderte : Gastfreyheit war auchdaher hier nicht so allgemein wie in Cephalonien , der Nachbarschaft ungeachtet. findet sich blos bey den Reichen .
Erziehung
Befinden sich drey
Söhne in einer Familie , so studirte der älteste Medizin oder die Rechte, auf irgend einer italianischen Universis tåt ,
der zweyte ward ein Geistlicher ,
widmete sich der Deconomie,
und der dritte
um das gemeinschaftliche
Vermidgen zu verwalten, Die Weiber leben in einer Art von Sclaveren, wie die von Corfu vor hundert Jahren.
Ihre Hauptbeschäf
tigung ist das Baumwollenspinnen mit der Spindel. Dieses Garn heißt Salioto , weil sie es beym Spinnen mit Speichel beneßen.
Strümpfe aus dieser Baumwolle 1 gestrickt , wurden dreymal so theuer als seidne bezahlt. Die Peloponneser auf Zante wußten aus diesem Talent
der Weiber ihren Vortheil sehr gut zu ziehen.
Wenn die Frauenzimmer ausgehen ,
bedecken sie
das Gesicht mit einerschwarzsammtnen Maske , die mit Spitzen besetzt ist.
Ihre Kleidung besteht in einem weis
ßen , über den Kopf geschlagenen Mantel , einer schwarz atlaffenen Jacke und einer kattunenen Schürze. Ihre Kopfbedeckung besteht in einem dreyeckigen Hut den fie mit Federn und Blumen schmücken .
Die Bauerweiber
haben blos einen feinen Schleyer auf, den sie aber zus rückschlagen.
Zur Fastenzeit darf kein Weib mit der
Maske ausgehn ,
236
Sechzehnter Abschnitt. Beschreibung von Zante.
Die Kleidung der Männer stimmt völlig mit der von Corfu überein , nur die rothe Mühe und der große Mantel wird blos von den Matrosen getragen. Die f A.. Städter tragen im Sommer eine gestrickte durchbrochne Mühe : die Haare haben sie fast ganz abgeschos ren, aber den Schnurrbart lassen sie stehen. kleider sind enge und kurz.
Ihre Beins
Im Winter tragen fie einen
Mantel, doch viel leichter als den der Matrosen : und im Sommer einen leinewandnen , der auf einer Schulter. hångt.
Ihre Schuhe schnallen sie mit dicken silbernen
Spangen zu . Die Bauern tragen einen sehr dicken Mantel, der nur bis an die Hüften geht. Pistolen und Dolch machen den gesuchtesten Theil des Anzugs aus.
237
Siebzehnter
Abschnitt.
Ackerbau , Producte , Industrie, Handel , Schiffarth.
n allen venetianischen Besitzungen in der Levante, Vo Son ein sch t die Insel Zante am vorzüglichsten von der Natur begünstigt zu seyn .
Die gute Lage und ihre Fruchtbars keit haben ihr schon bey den Alten Lobeserhebungen erworben. Strabo , Plinius und Herodot rühmen
fie, und selbst die Dichter geben ihr Beynamen , welche Eigenschaften bezeagen obige . In den Zeiten , als die Einwohner keine Bedürf nisse kannten , setzte sie der Weinstock und der Oehlbaum in den Stand, das wenige zu bezahlen , was ihnen Fremde zuführten.
Als aber Handel und Schiffarth sich.
ausbildeten , und Kenntniſſe an zu blühen fiengen , ånderten sich die Verhältnisse.
Man bauete weniger Korn,
weil die edlern Früchte hinreichend geschätzt wurden , um für den Ueberfluß Korn von denen zu kaufen, deren Boden nichts besseres trug.
Die Corinthen find für Zante
geworden , was Zucker und Caffee für Westindien ist. Anfangs behandelte man sie blos als Arzney oder Leckers bissen : aber die große Begierde der Nordländer nach dies fer Frucht verwandelte bald die Kornfelder
in Wein:
berge, und gewiß würde Zante dem wetteifernden Moreg zuvor gekommen seyn, wenn nicht eine übel verstandene Politik dieses Produkt mit Einſchränkungen belegt
238
Siebzehnter Abschnitt.
håtte , die dem Lande und Eigenthümer gleich schädlich waren.
Die griechischen Inseln hatten das Schicksal aller ausländischen Besitzungen , nur für einen Gegenstand an= gesehn zu werden , welcher zur Bereicherung der Hauptstadt diente.
Man glaubte in den Produkten der Inseln
eine Hülfe wider den zunehmenden Verfall zu finden. Die Corinthen , welche schon neun Prozent erlegten, mußten noch vier und vierzig Livres (oder vier Zechinen) vom Scheffel bezahlen.
Bald fügte man das Noviſſimo,
eine neue Auflage von zwey und zwanzig Livres vom Scheffel ein.
Der Proveditor erhielt zwey , und jeder
Rath eins vom hundert. Gunsten
der
Das Noviſſimo war blos zu
venetianischen
Schiffe,
welche Pickel-
fleisch und dergleichen nach Venedig brachten , nachdem fie Corinthen exportirt hatten.
– and
Durch dieses verderbliche System wurden einige Uns terthanen reich, und eine Menge arm. Da nun die Corinthen von Morea nur drey Prozent erlegten , wos
mittelle durch alle angelockt , undndurch Kriege die Engs länder oft Käufer Meere verjagt wurs aus dem den: so ward dadurch der Absaß so vermindert ,
daß die
Einwohner der Inseln genöthigt waren , einen Theil als verdorben wegzuwerfen , und mit dem andern das Vieh zu füttern.
Ward hierdurch nicht der Eigenthümer arm,
und der Staat seiner Einnahme verlustig ?
Da man besorgte , die Verkäufer möchten wie die Corfuaner beym Dehl den Preis verschweigen oder ges
239
Beschreibung von Zante.
ringer ansetzen, erfand man eine Anordnung , die eine neue Laft für den Befiher ward.
Der Käufer mußte bey
der Regierung die verkäufliche Quantität angeben.
Diese
wählte aus den Adel , den Bürgern und der Kaufmannschaft fünf Personen , welche sodann den Preis festſetzten ,
und durch Trompetenſchall dem Publico bekannt
machten.
Man hatte den russischen Fahrzeugen vom schwars. zen Me das Novissimo erlassen ; auch dies hatte keiz nen Nutzen , die Consumtion der Colonie Cherfon war unbeträchtlich, und die Schiffart dorthin durch die Kriege mit
den
Türken beständig unterbrochen.
Hingegen
konnte diese kleine Erleichterung keinen Fremden zu lå: ftigen Speculationen reizen.
Endlich beschloß der Se-
nat, vom Proveditor zu Zante genaue Aufschlüsse über den Anbau und die Ausfuhr der Corinthen zu fordern. Die Eingebornen bemühten sich, diese Gelegenheit zu benutzen , und ernannten einen Gesandten ,
welcher
die wahre Lage des Handels , und die Mittel ihm aufzuhelfen ,
vorstellen sollte.
Allein
dieser Deputirte
wandte seine Diåten auf Privatgeschäfte, und eine zweyte Gesandtschaft hatte keinen beffern Erfolg. Der Werth aller
Corinthen betrug
gewöhnlich
neun bis zehn Millionen Livres , und tausend Pfund kosteten höchstens hundert und zehn Livres , die der Kåufer aber wohl für zweyhundert und zwanzig Livres wieder verkaufte.
Durch Minderung der Abgaben würs
den sich bald mehr Käufer gefunden , und die Eigenthüs mer mehr angebauet haben, so daß der Staat nichts an
210
Siebzehnter Abschnitt.
Einkünften verloren håtte, und es venetianischen Schife fen leichter gewordeu wäre ,
die Corinthen selbst aus-
zuführen. Der Hauptartikel der Ausfuhr ist nach den Corins then ist das Oehl.
Nach Abzug des auf der Insel ver,
brauchten betrug es sechzig bis siebzig tausend Livres. Dieses Oehl durfte wie das von Corfu nur in Venedig verhandelt werden. Wein und Liqueurweine werden auf der Insel vertrunken , und nur die einlaufenden Schiffe und die Patronen in Venedig erhielten einen Theil davon. Industrie vermehrte die Einnahme nicht.
Ziegen-
harne Teppiche für die venetianischen Gondeln giengen Was die See: nur als Geschenke nach der Hauptstadt. lente durchHin
und Herschiffen zwischen den Inseln, und
die Bauern durch Arbeiten in Morea zur Erndtezeit ver dienten , gieng für Bedürfnisse wieder ins Ausland. Von Morea erhielt Zante Korn, Vieh , frische und gesalzene Fische, das übrige von Italien über Corfu, aber Mit Morea in Herdas wenigste aus Venedig selbst. Lebensmittel zu ist unmöge wetteifern der gung lich , aber in Absicht der Kunstproducte mit Corfu wåre fehr leicht. Ehedem holten die Einwohner von Zante die ausländischen Waaren selbst aus Livorno , Neapel und andern Orten , bis die Revolutionen in Morea eine Menge Flüchtlinge nach Zante trieben.
Diese sogen sogleichy
Vortheil von der geringen Thätigkeit ihrer Gastfreunde, und da die ungeheuren Abgaben ihnen keinen Profit von
Beschreibung von Zante.
241
der Korinthenausfuhr versprachen, so richteten sie ihr Au1 genmerk auf die Einfuhr.
Beym eröffneten Handel mit
Rußland brachten sie zantische Seide ,, Baumwolle und Seife nach der Krim , und holten von dort Eisen , Cas viar und Pöckelfleisch, das sie mit Vortheil in Zante verkauften , und dadurch die Einwohner von Morea aufs munterten ihrem Beyspiel zu folgen.
So verbesserten
sie nicht allein ihren Zustand , sondern gaben auch ihren Landsleuten dazu Gelegenheit,
Dies ist das treue Gemåhlbe des zantischen Han= dels zur Zeit ber venetianischen Herrschaft.
Der Vors
theil war nicht ganz auf Seiten der Insulaner ,
aber
durch die Erleichterungen , von denen ich bey Corfu gesprochen habe, wäre es leicht gewesen , ihnen den Ausschlage geben , und die Einwohner aus der zwangs vollen Lage, in der sie seufzten , hervorzuziehen. Das teutsche Reich, Frankreich, Spanien , England, Holland , Neapel und Ragusa hatten Residenten in Zante, deren Stellen wie die der Consuln auf den übrigen Inseln von den fremden Gesandten in Venedig vergeben wurden.
Gewöhnlich nahm man Eingeborne,
die auf diese Stellen so erpicht waren , daß sie mit gros Ben Summen die Stimme der Gesandten , und die dazu erforderliche Bestätigung des Senats zu Venedig erkaufs ten, wodurch sie aber auch einigermaßen von den Placke reyen des Proveditor befreyt waren.
Ihre Besoldung
bestand in den Geschenken der Schiffscapitaine , sie Unterstützung verschafften.
denen
Man sieht leicht , daß
diese Art Consuln von keinem großen Nußen seyn konnten. Grassets Neisen.
£
242 Siebzehnter Abschnitt.
Beschreibung von Zante.
Bis 1778 hatte Frankreich keine andern Agenten auf den venetianischen Inseln, als die vorher genannten ; allein in diesem Jahr wurde ein Oberconſul nach Venedig geschickt, um vorzüglich die Vertilgung der Seeräus ber beym Senat zu befördern.
Er ernannte die Unters
consuln , deren Bestallung der Senat in Venedig bes stätigte. Rußland beschloß auch für die Inseln Agenten zu ernennen , weil es bey seinen Absichten auf Griechenland von ihnen Vortheile erwartete.
Die Pforte hatte keine
Agenten in Zante ; ein Eingeborner besorgte die türkische Flagge, der seine Befehle vom Generalproveditor zu Corfu erhielt.
243
Achtzehnter
Abschnitt
Blick auf den venetianischen Handel mit Frankreich,
In den åltern Zeiten hatte Venedig den blühendſten Handel, und war Beherscherin der Schiffarth. Der Han del nach Ostindien und Affen ´über Alexandrien , so wie der levantische , war in dessen Hånden.
Durch Entz
deckung des Vorgebirges der guten Hoffnung , nahm der ostindische Handel einen andern Weg, und der venetias sche erlitt einen großen Stoß , bis er zu unsern Zeiten ganz unbedeutend geworden ist. Die häufigen Fahrten über ein fremdes ſtürmisches Meer, erforderten eine gänzliche Reform in der Schiffs= baukunst.
In Venedig traten die Navi alte an die
Stelle der Galionen.
Da aber der Adel, in dessen Håns
den der Handel war , sich dieses zu gemein gewordenen Gewerbes entschlug , ward die Regierung genöthigt, den Bau der neuen Schiffe durch anſehnliche Unterſtüßungen zu begünstigen. Die Navi alte unterhielten auch die Verbindung mit der Levante und den übrigen europäischen Reichen sehr gut, bis der Friede mit den Staaten der Barbarey die Ursache ward , daß drey bis vierhundert kleine Fahrs zeuge diese großen Schiffe verdrängter : und hierdurch ward der venetianische bisherige Activhandel beträchtlich permindert. Später wurde durch den zunehmenden Hans 2.2.
244
Achtzehnter Abschnitt.
delsgeist der Gränznachbaren von Venedig , und vorzüglich durch die Bemühungen der Kaiserin Königin Maria Theresia zur Aufnahme von Triest , der Activhandel immer mehr verringert , so daß mit der Zeit dieser Hafen das werden mußte , was Venedig vorher gewesen war, und hatte die Republik ihre fernere Eristenz behalten , so wåre Venedig ein Handelsplaß geworden , der auf dem adriatiſchen Meere das kleinste Verkehr gehabt hatte.
Dies läßt sich klar beweisen : die Produkte der venetianischen Lombardei sind sehr ansehnlich. dort eine Menge Seide ,
Wolle,
Man gewinnt Getreide,
Hanf,
Flachs und andere wichtige Artikel. Indeffen dienen diese Produkte bey dem Verfall der
venetianischen Manu-
facturen nur dazu, um Fremde zu beschäfftigen.
Fran-
zosen und Engländer haben ein solches Uebergewicht auf den Märkten von Bergamo und Verona , daß die Seide beyder Provinzen größtentheils nach England und Lyon ausgeführt wird.
Die Luchfabriken sind eben so sehr
gefallen , die Tücher von Padua und andern Orten der Lombardei waren freylich von geringerer Güte , als die feinen englischen und französischen , indeß doch von ders selben Beschaffenheit, als die deutschen und holländischen. Allein selbst in Venedig hatten sie so geringen Werth, daß sie selbst den geringen Credit verloren , den sie doch verdienten.
Gute Leinwand ward in Bergamo , Linosi
und andern Orten berfertigt ; aber die Venetianer gaben der schlesischen und holländischen Leinwand einen höhern Werth , so daß ihr Gebiet von fremden Manufacturwaa = ren überschwemmt ward.
Es war zwar ein Verbot ges
gen die Einfuhr dieser fremden Handelsartikel vorhan-
Benetianischer Handel.
245
ben , um den Absatz einheimischer Fabrikwaaren zu beför dern , aber dies ward in den Provinzen und der Haupts ftadt keinesweges beobachtet.
Die levantischen Inseln erhielten alle ihreKleidungsstücke und Artikel des Lurus fast einzig von Sinigaglia, Jährlich kamen von dieser Messe Schiffe mit verbotenen Waaren nach Corfu , Zante 2c.
Ihre Einfuhr ward
durch die venetianischen Befehlshaber befördert , weil fie' davon Vortheile zogen. Es liegt in der Natur aristokratischer Staaten, daß fie an alten Geseßen, Verordnungen und Gewohnheiten fest hången, die man långst gegen andere håtte vertauschen sollen.
Die Regierung von Venedig befolgte vorzüglich
diese schädliche Marime. ten war äußerst lebhaft.
Ihr alter Handel nach Egyp Durch denselben vertauschten
( fie einheimische Natur- und Kunstprodukte gegen Waas ren des Orients.
Baarschaften waren bey diesem Vers
kehr n nicht nöthig, und die eingeführten morgenländischen Maarenfebr man wieder in andern Ländern ab. Das durch ward dieser Handel für Venedig sehr vortheilhaft. Aber in neuern Zeiten war die Nachfrage nach venetianis fchen Fabrikaten so sehr gefallen, daß man in Egypten weder Tücher noch Goldstoffe verlangte , und selbst die Glastorallen geringern Absaß hatten. Etwas Schreibpas pier fand mau freylich, aber davon ward wenig eingeführt. Zuletzt verfiel der egyptische Handel so sehr , das zwey Drittheile der dort eingekauften Waaren, wie Kaffee, Specereyen , Baumwollenwaaren, Saffran ic. mit baas rem Gelde bezahlt werden mußten.
Beym Kaffee verlor
Venedig sehr viet, und es war zu verwundern , daß fie
Achtzehnter Abschnitt.
246
fich damit auf diesem Wege versorgten , da der westins dische wohlfeiler zu haben war. blos im Lande
verbraucht,
Der levantische ward und
kostete ansehnliche
Summen. Frankreich mußte nach seiner Lage, und der Bes schaffenheit seiner Producte das Uebergewicht im italianischen Handel haben.
Die Verschiedenheit der venetianis
schen Producte , und die ansehnliche Bevölkerung dieses ehemaligen Freystaats håtte die französischen Kaufleute reizen müssen , diesen Handel auszudehnen.
Dazu war
aber vor allen ein Kommerztractat nöthig , der eben so bestimmt und deutlich seyn mußte , als die bisherigen mit der ottomannischen Pforte. Venedig mußte das Verbot der Einfuhr des westins dischen Kaffee und anderer Artikel aufheben, auch die Eins fuhrzölle herunter sehen. Die Einfuhr französischer Fabrikwaaren nach Dalmatien und den venetianischen Ins seln konnte freylich nie bedeutend werden , aber sie wür den auf diesem Wege neuen Absatz ins türkische Reich ge= funden haben. Marseille konnte den Inseln auf geradem Wege die Artikel zuführen, welche sie bisher von Sinigaglia, Triest und Livorno erhielten.
Dagegen konnte Marseille desto
größere Vortheile von der Ausfuhr dieser Inseln ziehen. In Frankreich ist zwar der Verbrauch der Korinthen nicht ansehnlich, allein diese konnten von hier wieder nach England, Holland, den nordischen Reichen und Nordamerika erportirt werden.
Wegen der hohen Ausfuhrzölle aber
konnte Marseille diese Spekulation bisher nicht wagen, und holte daher diesen Artikel aus Morea.
Die Dehlerporten
Venetianischer Handel.
247
konnten wegen der hohen Zölle nicht beträchtlich seyn, zuz mal da man daſſelbe zu gleichen Preisen in Morca, Candien und andern Inseln erhalten konnte.
Wir hatten auf dem Fall eines Kommerztractats nach Venedig fünf bis sechs Ladungen Zucker versenden können.
Dafür würden wir einige Ladungen Hanf und
Schiffbauholz erhalten haben.
Benedig kann zweyerley
Arten von.Hanf ausführen, die eine welche Montagnana heißt , wächst im Gebiete dieser Errepublik.
Die ans
dere beffere Sorte, die man auch in Ancona einkaufen kann , kommt von Bologna.
Der französische Generalconful für Venedig mit zehntausend Livres Gehalt , war so wenig von Nuker als die ehemaligen Titularconfuln auf den Inseln, and war nur das Werk eines Ministers , der auf Kosten der Nation einer seiner Creaturen einen einträglichen Posten verschaffen wollte,
In diesem Theil des Drients hatte,
Frankreich gar keine Handelsverhältniſſe , und die franzda fische Flagge erschien nur selten auf diesen Meeren. Im Jahr 1784 bildete sich das erste französische Handelshaus in Prevesa , für albauisches Schiffholz, wie oben bereits gesagt worden, und das zweyte in Zante im Jahr 1790 , um Reglife (eingekochten Süßz holzfaft) und Olivendht für Marseille zu verfertigen. Allein, ob man gleich mit diesem Gewerbe die Einfuhr des Pöckelfleisches , und die Exportation der Corinthen verband, so wäre sie doch beynah gefallen , wenn sie sich durchImportation des levantischen Getreides in die südlichen Provinzen von Frankreich nicht gehalten hätte. Von der Zeit an fieng ་ das französische Generalcousulat der
248
Achtzehnter Abschnitt.
griechischen Inseln an Nußen zu stiften , da die Lage der Inseln zwischen Italien und der Türkey , den Consul in den Stand setzte alle Unternehmungen Venedigs wider den französischen Handel , genau zu beobachten.
Handel mit Triest, Istrien, 7 St. Veit, Carlobago und Portore.. Der Handel Venedigs mit der Küste von Destera reich, scheint mir nicht außer dem Zwecke dieses Werks zu netianischem liegen, zumal da dieser Gebion le Theil Deutschlands ganz von ves
umgeben ist, und Venedig selbst jetzt einen Theil der österreichischen Besitzungen ausmacht .
Seitdem die österreichische Regierung ihr, Augens genmerk darauf gerichtet hat , den Hafen von Triest be quem und sicher einzurichten , ist dieser Ort schnell einer der vorzüglichsten Handelsplätz Schlese des adriatischen Meeres ien, Mäh Ungar ren ; n Böhmen , geworden. und andre teutsche Provinzen schicken ihre Waaren nach Triest, woher sie in der Folge nach Syrien , Caramanien , Candien ,
Smyrna , Salonich und den griechis
schen Inseln ausgeführt werden ; indessen andere deutsche und ungrische Produkte wohlfeiler auf der Donau nach Constantinopel gelangen. Wollene Tücher giengen häufig nach der Türkey, seitdem es an französischen fehlte. Das gemeine Volk und die Matrosen der venetias
nischen Inseln liebtenfehr . Art Zeug , welche Corame s Die und von Triest oder Sinigaglia kam. Böhmische Crystalle und Glaswaaren machten gleichfalls einen Haupts artikel im levantischen Handel aus.
Triest sette jährlich
mehrere Ladungen Bohlen , Nägel , u. f. w. , so wie Ungarn Pöckelfleisch und Tabak ab.
Der ungrische
Benetianischer Handel.
24 $
Schnupftabat , Terzato genannt , ward in der Levante allgemein gebraucht ; aber die Ausfuhr des Pdckelfleis sches hat sich sehr vermindert , seitdem ein großer Theil der ungrischen Viehweiden zum Kornbau benußt wors den ist.
Indeffen hat dieser Handelszweig die Aufmerksam keit der französischen Negozianten auf sich gezogen , wels che die Marine, und vorzüglich die touloner Flotte , hins långlich damit versahen , weil zu Kriegszeiten das irlåndische Pokelfleisch zu theuer, und nur mit Schwierigkeiten zu bekommen war. Der Orient führte dagegen nach Triest aus Syrien, Smyrna , Conftantinopel , und Salonich :
Baumwolle,
Wolle, Wachs, Tabak in Blättern, Ochsenhäute, Bergs alaun , und Knoppern.
Alles machte jährlich etwa huur-
dert Schiffsladungen , von hundert bis zweyhundert Lonnen aus.
Von Apulien und Abruzzo giengen große
Transporte Dehl , so wie aus Marseille dren bis vier R Ladungen Caffee, und fünf bis sechs Ladungen ucker nach Triest.
Alles dieses ward weiter nach Deutschland
verfahren. Die venetianischen Schiffe waren die zahlreichsten in Triest.
So viel Mühe sich auch Venedig gab diesen
Handelsplaß zu unterdrücken , so konnte es ihm nicht gez lingen, weil auf der ganzen anstoffendenKüste von Istrien keine Handelsstadt liegt, sondern die Einwohner sich blos vom Fischfang nåhren.
Die Venetianer zogen sonst aus
Istrien das mehreste Krumholz für ihre Kriegsschiffe. St. Veit, Carlobago und Portore , liegen an dem Meerbusen, welcher Istrien östlich begränzt.
St. Veit
Achtzehnter Abschnitt.
450
(Fiume) war der Hauptort unter diesen , allein er ist durch den schnellen Anwachs von Triest sehr herunterges kommen.
Von hier ward etwas Terzatotabak , nebst
Schiffsplanken und Eisenwaaren ausgeführt.
In Por, Bösters
tore werden Fahrzeuge von den schönen Eichen , reichischen Croatiens erbauet.
Dies brachte Joseph II.
auf die Idee, hier ein Arsenal anzulegen.
Dies glân
zende Projekt verschwand aber von selbst , da es an der Hauptsache , an Seeleuten fehlte, die wegen Mangel an Schifffarth auf dieser Küste gar nicht zu haben waren. Der erste Versuch des Schiffbaues in Portoré waren zwey Fregatten zur Beschüzzung des Handels ;
da aber der
Kaiser die Unmöglichkeit seines Unternehmens bald einfah, schenkte er sie seinem Bruder dem Großherzog von Los cana, welcher sie besser benutzen konnte. Da Desterreich jetzt die ganze venetianische Küste bes fist, so könnte es diesen álten Entwurf leicht ausführen. So lange aber Frankreich,
Corfu ,
den Schlüssel des
adriatischen Meeres in Händen hat , könnte es diese aufs keimende Seemacht leicht zerstören.
Dalmatischer Handel. Eine lange Reihe kleiner Inseln bildet mit der dals ' matischen Küste verschiedne sichere Canale ; die aber nur für kleine Fahrzeuge schiffbar sind.
Zehn Meilen süd-
dftlich von Portore liegt Zara die Hauptstadt von Obers dalmatien.
Die bosnischen und croatischen Ochsen, wels
che von hier nach Benedig gehn , ausgenommen, ist Zara kein Gegenstand des Handels.
In Zebenico , einem eben
fo unbedeutenden Ort , hatte Frankreich einen Viceconful,
Benetianischer Handel.
251
welcher blos die Correspondenz von Paris und Constantis nopel besorgte. Nahe dabey liegt Spalatro die Hauptstadt von Nieberdalmatien , von hier gewinnt das Land ein ganz andres Ansehn , es hört auf unfruchtbar und unintereffant für den Handel zu seyn , weil die Einwohner sich der Schifffarth bekannt machen. Der große Meerbusen in der Nachbarschaft von Spalatro von Narenta , schließt die Inseln Brazza, Lesina , Solta, Zerona , Bue , und andre ein, die eine Menge des schönsten Weins geben.
Die benach-
barte Küste ist soreichlich mit Korn versehn, daß der vierte Theil davon ausgeführt wird.
Von dem (Wein geht der
größte Theil nach den venetianischen Inseln, und etwas auch nach Venedig. So lange Corfu der Sitz der Land- und Seemacht གྲན བྱས་ པ :1:| ཀ་ von Venedig war, ward hier eine ansehnliche Menge dals matischer Weine verzehrt.
Die Cephalonier fanden ihren
Vortheil dabey ihn mit ihren Schiffen nicht nach Venedig, sondern den rußischen Handelsstädten am schwarzen Meer zuführen .
Spalatro hatte aber auch einen beträchtlichen Trans fitohandel , indem es die bosnischen Waaren als , Wolle, Seide, Wachs ,
Honig,
Corduan , und Ochsenhäute
nach Italien, und Deutschland beförderte.
Alle diese
Waaren mußten in dem großen Lazareth mitten in der Stadt Quarantaine halten , wodurch die Pest aber oft in der ganzen Provinz verbreitet ward.
Natürlich machte
dies dem Staat mehr Kosten, als die Erbauung eines neuen Lazareths in einer menschenleeren Gegend.
252
Achtzehnter Abschnitt. Venetianischer Handel.
Chevem giengen fast alle Waaren nach Venedig, und der kleine Rest nach Aucona , aber seit der schnellen Aufnahme von Triest , gehen dorthin drey Viertel dieser Waaren , auf hundert kleinen Fahrzeugen , und höchstens ein Viertel nach Venedig.
Frankreich hat gar keine Ver
bindung mit Spalatro , es würde aber diejenigen Waaren welche in der Türkey beliebt sind , vielleicht hier gut abs sehen , z. B. Tücher , Caffee , Indigo, Zinn , und ders gleichen. Indessen hat ein französisches Handelshaus , welches sich in Absicht des bosnischen Handels in Ragusa ansezte, aus mir unbekannten Gründen , keinen Fortgang gehabt , und sich bloß auf Bauholz an der türkischen Küste eingeschränkt. Die Erlaubniß dieses Holz zu fållen gab der Pascha von Scutari ; dieser hatte die List bekannt zu machen , es fey ein Firman oder Befehl des Großherrn dazu vonndthen.
Hierdurch war er im Stande , für die Erlaubniß,
die nun eine große Gefälligkeit schien , eine ansehnliche Summe fordern zu können.
Diese Habsucht des Pascha
zwang auch endlich das französische Handelshaus auf die Vortheile Verzicht zu thun , nachdem sie einige Schiffe erbaut , und einige Ladungen Holz nach Malta und LouIon gesandt hatten. Bey Einführung des Zuckers , Caffees u. f. w. in
Bosnien , hätte Frankreich die Nachbarschaft von Venedig und Triest nicht zu fürchten , da diese nicht im Stande find diese Artikel aus der ersten Hand, oder so wohlfeil zu liefern.
Dies würde
auch auf die Ausfuhr von
Spalatro großen Einfluß haben.
253
Neunzehnter
Abschnitt.
Handel der Buchten von Cattaro , und der Städte Perasto, Rifano , und Castelnovo.
Seitwarte von Ragusa find die Buchten von Cattaro des letzten Orts , den die Venetianer an der albanischen Gränze besaßen.
Diese Mündungen werden durch einen
langen , gekrümmten Canal gebildet, an deſſen Ende die Stadt Cattaro liegt.
Die Einwohner sind betriebſam,
gute Schiffer und die Stadt hat beträchtlichen Handel, Cattaro ist die einzige Gränzvestung gegen die Türs ken, aber mit einer schwachen und schlecht erhaltnen Besatzung versehn.
Ein venetianischer Senator ,
welcher
den Titel eines Extraordinairenproveditor führte ,
be-
ſorgte alle Grånzangelegenheiten, und ſtand in dieſer Hinficht , unmittelbar unter dem Senat.
Was seine übris
gen Verrichtungen betraf, hieng er vom Generalproves ditor von Zara ab.
Bey außerordentlichen Fällen begab
fich dieser nach Cattaro und die Autorität des extraors. dinairen Proveditor war dann suspendirt. Die Einwohner von Montenegro versahen Cattaro mit Lebensmitteln aller Art , und Bosnien lieferte das Fleisch.
Troß der Unfruchtbarkeit des Bodens lieferte die Gegend hinreichend Dehl ,
Wein und allerley Früchte.
Die Kornernte war unbeträchtlich, auch hielten sie einiges Rindvich , da die Einwohner durch den Seedienst mehr
254
Neunzehnter Abschnitt.
Die Ufer des Meerbusens sind auf beyden
verdienten.
Seiten mit Städten und Dörfern besået, und geben Reis Die Handelsorte dess
senden eine angenehme Ansicht.
selben , sind Perasto, Rifano, Versagna , und Dobatra. Um den Handel dieser Orte beurtheilen zu können, muß man in åltere Zeiten zurückgehen zurückgehen..
Ehe Venedig
mit den Staaten der Barbarey Friede geschlossen hatte, trieben die Einwohner von Cattaro und der benachbarten Städte ihren Handel mit Tartanen von einer besondern Bauart.
Sie waren sehr stark bemannt , und die Bes
satzung, welche man aus den Landleuten zu nehmen pflegte, waren eben so gute Seeleute, als Soldaten. Damit segelte man nach Morea, Athen , Negropont , Candien und den andern griechischen Inseln , und diese Fahrzeuge erhielten so wie die ehemaligen Nave alte, durch die Braz sour ihrer
Mannschaft die Ehre der
venetianischen
Flagge. Nach geschlossenem Frieden mit den barbarischen Seeräubern , wurden diese Tartanen , deren Ausrüstung viele Kosten verursachte , eben so wie die Nave alte, mit kleinern weniger bemannten Fahrzeugen vertauscht! Ihre Anzahl kann man wohl auf hundert und funfzig ſchäßen, welche italianische und andere Waaren nach Constantinopel , Theffalonich, Smirna , und Håfen bringen.
andern
levantischen
Die ganz kleinern Schiffe dienen blos
zum dalmatiſchen Küſtenhandel , • und die venetianischen Inseln mit den Waaren der Hauptstadt zu versehen. Während der Kriege der europäischen Seemächte hete der Handel dieser Seestådte , und vorzüglich ist Perasto dadurch reich geworden.
Risano und Versagna
Handel der Buchten von Cattaro 2c..
255
trieben außer dem Seehandel auch ein lebhaftes Verkehr mit Bosnien.
Sie holen daher viel Rindvieh für eigenen
Verbrauch, auch zu gewissen Jahreszeiten eine Menge Schaafe, deren Fleisch hernach gesalzen oder geräuchert wieder selbst nach Venedig ausgeführt wird.
Eben das
hin und nach den venetianiſchen Jnseln pflegten sie auch Wolle, Talg und Häute zu exportiren. Da die Schifffarth der vornehmste Nahrungszweig dieser Küstenbewohner ist, und der undankbare Boden ihnen nur geringen Unterhalt darbietet , so wandern sie häus fig aus.
Bey den Seekriegen im mittelländischen Meere
dienen sie häufig als Matrosen auf fremden Schiffen, und die rußische Flotte hatte während der lezten Türkenkriege viele von diesen Leuten.
Viele von ihnen sind nach der
Krim gezogen , seitdem diese Halbinsel unter rußischer Herrschaft sieht.
Die
venetianische Flotte unter dem
Ritter Emo hat diese Gegend ebenfals ( entvölkert , indem die Einwohner auf derselben als Soldaten oder Matroſen Dienste nehmen müssen.
An der Mündung des Meera
busens von Cattaro liegt Castelnovo am Abhange eines alb den Mauern eser der Küste erbauet . * Außerh di Berges alte Lazareth erbauet , das sonst zur ift des Stadt Aufbewahrung türkischer Waaren diente , die etwa aus Gegenden kamen ,
wo die Pest wůtete.
Aber dieser
Handel hat sich durch verkehrte Anstalten der venetianis schen Regierung ganz von hier weggezogen , daher sich die Einwohner von Castelnovo blos vom italianischen Küstenhandel nähren.
256
Zwanzigster Abschnitt.
Physischer und politischer Zustand der Insel Cerigo und der Klippe Cerigotte.
Physischer Zustand der Insel Cerigo.
Die Insel Cerigo liegt beym Eingange des Archipelagus, nördlich von Canea und südlich von Morea. Sie hat zwanzig Meilen im Ujunge, über acht Meilen in der Långe und fünfe oder sechse in ihrer größten Breite. Ihre Gestalt ist länglich. Plinius seht die
Insel Cerigo nur fünftausend
Schritt vom Vorgebirge Malea auf Morea, jest Cap Santo Angelo. Auch Strabo sezt fie vierzig Stadien aeus und Salauria, Egina und Salamiz. Ptolem von Malea neben
Creta oder Candia.
bringen sie in die Nähe von Dies ist richtig denn von der Burg
Cerigo entdeckt man bey heiterm Wetter Candia sehr leicht.
Sinan Cigale der berühmte türkische Admiral,
nannte sie nach ihrer Lage die Laterne des Archipelagus. Sestlich dicht bey der Küste liegen drey Klippen , welche die Dragoneren heißen. Die Corsaren und vorzüglich die Maltheſer kreußzten gewöhnlich des Sommers um diese Felsen, und lauerten tutmeg er vo n Cerigoauch ,Kauffarthenschiffe. nahmen auf die welches die BewohnSie zur fr das Vieh n Weide auf diese Infelchen brachten.
Beschreibung der Insel Cerigo.
257
Südlich zwey Meilen vom Ufer liegt eine andere Klippe, welche Ovo genannt wird.
Sie hat den dritten
Theil einer Meile im Umfange, und gleicht einem Zuckerplåtchen.
Es ist ein unfruchtbarer Felsen , an dem man
nicht landen kann : aber es ist nahe dabey sehr tief.
Der
Felsen erhebt sich senkrecht von der Meeresfläche zu einer Höhe von fünfhundert Fuß.
Es soll eine Art rothhaa-
rigter Kaninchen darauf geben , verbürgen.
aber ich kann es nicht
Drey Meilen davon trifft man zwey andere
kleine Klippen , welche Coffé heißen. Nach dem Strabo gab es zu seiner Zeit einen guten Hafen auf der Insel und nach dem Pausanias eine Rhede bey Cythere.
Damals mochte der Ankergrund für die
Schiffe dieserZeiten gut genug seyn, für die heutigen Fahr zeuge ist er nicht zu gebrauchen. Långs dem Hafen von Cerigo findet man viele Ruinen , welche von der alten Stadt des Königs Menelaus seyn sollen.
Am besten hat
fich ein in den Felsen gehauener Schwibbogen erhalten, der nach der Aussage der Eingebohrnen ein Bad der He lena war, von deren Schlosse man auch noch Ueberbleibsel fieht, aber Wheler glaubt daß fie von einem alten Tempel
a eb e eine vom e Nicolaus e Meng f eine au BergMeilen großHafen man sieht weit ausg St. ) . m Drey find
Kuinen , und darunter Stücke eines Venustempels, wela che heut zu Tage Paleo Castro heißen,
*) Der Engländer Georg Wheler war 1675 auf dieser Insel. Seine Reise erschien zuerst in London 1682. Fol. und ist nachher in einer französischen Uebersehung häufig in Lyon, Utrecht und Amsterdam gedruckt worden. Grassets Reisen.
R
Zwanzigster Abschnitt.
258
Cerigo ist größtentheils mit Felsen bedeckt , seine .. Producte sind kärglich, und die Einwohner arm .
Indessen
ernten sie mehr Getreide als sie verzehren , und führen das meiste davon nach Zante und Cephalonien. Das Korn ist von weit befferer Beschaffenheit als das welches von Morea kömmt, daher es auch vorzüglich gesucht wird. aber wenig Flachs
Die Insel bringt hinreichend Oehl , und Baumwolle hervor ; auch Wein.
Sie müssen aber
von lezterm eine große Menge von Morea und Candien. einführen. Sie unterhalten Ziegenheerden , deren Milch sie zu gesalzenen Kåsen verbrauchen : das Rindvich kommt von Morea , aber die Consumtion ist gering. Unter den Früchten und Gemüsen zeichnet sich eine Art sehr kleiner Zwiebeln von vortrefflichem Geschmack und eben so kleiner Oliven aus.
Die Cerigoten bedienen sich ihrer zu Ge
schenken an Freunde und Gönner..
Man sammelt eine
Menge sehr geschäßten Honig , der auch meist in gleicher Absicht ausgeführt wird.
Auf Cerigo werden zwey Arten reitet.
Litörweine bes
Die erste heißt Liatico , und ist dieselbe, die ich
beh Zante erwähnt habe: die zweyte ist ein weißer , sehr werden twein. ch ggeliebt ; Diese tikel sin Muska süßer d sieGeträn länglisehr delsar hin nicht ke zum Han sie gehen also blos als Geschenke an Protectoren aus der Insel. Cerigo ist sehr heftigen Windstößen ausgesetzt, daß sie welche Bäumedadurch auswurzel ne die Pflanzen verbrennen und die vielen Schaden verursachen.
Das
Federwildpret ist häufiger als auf den übrigen Inseln, weil es mehr Nahrung findet.
Di: Wachteln von Cerigo
Beschreibung der Insel Cerigo.
259
find berühmt ; die Einwohner sammeln sie und machen sie in Weinessig mit trocknen Corinthen ein.
Haasen und
Caninchen sind fast die einzigen vierfüßigen Thiere. Zur Feurung bedient man sich der Wurzeln und Dornen : Heizung bedürfen sie nicht , und ihre Mässigkeit schränkt das Küchenfeuer ein. Die Küsten von Cerigo find sehr fischreich,
aber die
Einwohner überließen die Vortheile des Fischfangs , und vorzüglich der Corallenfischerey den Neapolitanern , bis diese wegen Verminderung der Corallen und aus Furcht vor Corfaren darauf Verzicht leisteten. Das Clima ist sehr mässig , aber so veränderlich wie auf den übrigen Juseln.
Die Luft ist rein , aber vorzüg-
lich den Schwindsüchtigen sehr gefährlich.
Brüche sind
eine ordentliche Localkrankheit , so daß beynahe der funfa zigste Mensch damit behaftet ist.
Die Aerzte schreiben
dieses Uebel dem Einflusse der Luft zu , es kann aber auch erblich sein, oder von zu häufigem Genuß des Dehls und des Gemüses herrühren. Die Alten gaben der Insel Cerigo den Beynamen Porphyris oder Porphyrissa , wegen der dort vorhandenen sortrefflichen Purpurschnecken.
Plinius und die Neuern
leiten es vom Ueberfluß des Porphyr's her, den man aber nie benutzt hat. Am Fuße des Verges Santa Sophia , der diese Bes nennung von der daraufſtehenden Kirche gleiches Namens hat, ist eine merkwürdige Höhle : der Eingang ist leicht, und bildet einen geräumigen Vorsaal ; das I geht in Krümmungen fort , und von beyden Seiten sieht man kleine Plätze und enge Wege.
Die Höhle ist voll Tropfs R 2
260
Zwanzigster Abschnitt.
stein , der verschiedene sehr natürliche Gestalten bildet. Man hat sich nie weit in die Höhle gewagt , weil man aus Mangel an Luft zu ersticken oder sich in den Krummungen zu verirren befürchtete. andere Höhlen auf Cerigo.
Man findet noch viele
Erdbeben sind selten , und
thun wenig Schaden.
Ein Botaniker würde sich auf dieser Insel nüßlich beschäftigen können.
Der Lotus edulis cretenfis ; der
außerhalb Creta so selten gefunden wird , ist hier sehr häufig.
Man findet auch den unächten Dictamus , den
man von dem ächten cretensischen, welchem er sehr ähnlich ist, wohl unterscheiden muß.
Der unächte hat weiße
und purpurne Blumen , die vor dem Aufbrechen in einer weißen Knospe fißen .
Die Vlåtter find größer und runs
der, der Stengel aber dicke und sammtartig. Es wächst auf Cerigo eine Art Salvey mit aschs grauen und sehr wohlriechenden Blättern , deren Früchte. den Gallåpfeln gleichen ; auch das Tragoriganum oder der Bocksmajoran, seines starken Geruchs wegen so genannt, ist häufig. Nahe bey der Stadt ist ein Hügel , Namens Turs covani , (der Türkenberg) welcher inz aus versteinerten Menschenknochen zu bestehen scheint.
Einige geben vor,
daß dieser Ort lange zum Begräbnißplatz gedient habe, als die Türken Meister von Cerigo waren, welche bekannts lich die weise Gewohnheit haben , die Todten in einiger Entfernung von der Stadt zu begraben : andere gehen. g big der Sündfluth zurück , und geben diesen versteis nerten Knochen denselben Ursprung , wie der ungeheuren.
Beschreibung von der Insel Cerigo.
261
Menge verfteinerter Muscheln , die man im Innern der Inseln selbst auf den Bergen findet. Büsching behauptet , daß es auf Cerigo eine Art wilder Efel gebe , in deren Kopfe man einen kleinen Stein findet , der durch seine Berührung verschiedene Krankheis ten ohnfehlbar heilt , und vorzüglich eine leichte Geburt befördert
). Ich läugne die Eriſtenz der Esel aufCerigo
nicht, sondern nur das Daseyn dieser wunderbaren Esel. Man heilt die Krankheiten durch die gewöhnlichen Mittel wie überall , und die Weiber kommen ohne Wunderwerk nieder. Mitten auf der Insel soll es eine Quelle geben, deren Kräfte noch nicht Neugierige genug angelockt haben , um wiederhohlte Versuche zu machen.
Wer davon trinkt,
verliert auf der Stelle Luft und Vermögen, der Venus zu opfern.
Wenn das Gewäffer wirklich diese Eizenschaft
hätte, wie mich mehrere Eingebohrne versichert haben, so würde diese Quelle merkwürdig für die Menschheit seyn. Kenner mögen entscheiden. Die Stadt Cerigo liegt dftlich auf einem Hügel am Ufer des Meeres ; sie ist unbeträchtlich und bietet blos den Anblick eines Haufens geschmackloser Häuser dar, die Teraſſen ſtatt der Dächer haben , welche lettere den häus figen Stürmen nicht widerstehen würden.
Von Norden
wird sie durch ein Fort vertheidigt , welches mehrere Gebäude , und auch das des ehemaligen venetianischen Befehlshabers einschließt.
Auch eine lateinische Kirche zum
*) Ju Büschings Erdbeschreibung fiebente Auflage. Th. I. B. 2. S. 1821 findet sich in der Beschreibung von Cerigo nicht die mindeste Spur von diesem wunderbaren Stein.
262
Zwanzigster Abschnitt.
Erlöser war daselbst.
Südlich am Meere liegt ein griez
chisches Kloster der Jungfrau Maria Mertidia heilig, welche diesen Namen von ihrem Bilde , daß man auf einer Myrthe fand , führt.
Diese Kirche hatte vier Altåre
außer dem Hochaltar , auf welchem das durch viele Wuns der berühmte Bild stand.
Als man es fand , waren nur
die Köpfe der Maria und des Christkindes übrig ; sie wur den mit Goldplatten ergänzt , und in einen mit Juwelen besetzten Rahmen gefaßt.
Es steht in einer Nische, die mit
einem vergoldeten Gitter und drey Schlössern verschlossen ist : ein Schlüssel war in den Hånden des Proveditor, der andere beym Syndicus , und der dritte beym Adminis strator der Klostergüter.
Der Convent besteht aus Måns
nern und Weibern , die unter der Aufsicht eines Abres stehn. Deftlich eine viertel Meile von der Stadt liegt ein Mönchsklofter dem heiligen Martin geweiht , welches die Kirchspiele mit Priestern versorgte.
Der ganze Convent
béstand aus drey Mönchen , die ein hinlängliches Eiskommen genossen , wozu noch die Geschenke der Frommen famen. Die griechischen Kirchen sind sehr zahlreich , und man zählt mehrere Mönchs- und Nonnenkloster. Das merkwürdigste ist St. Johannes von der Grotte, auf einem Felsen neben der Festung ganz darin ausgehauen. Die wenn sie eben herunters Felsen hängen so herüber , als Die Cerigoten haben eine besondere stürzen wollten, Ehrfurcht für diesen Ort , weil sie vorgeben , daß St..
Johannes hier seine Offenbarung geschrieben habe.
Beschreibung von der Insel Cerigo.
263
Die griechische Cathedralkirche liegt mitten auf der Insel.
Der Bischof von Cerigo hielt blos an den Haupts
festtagen das Hochamt. Die Kirche ist dem heiligen Theodor geweihet , und im Jahr 1028 vom griechischen Kayfer Romanus 11 erbauet. Nach der Landessage soll der heilige Theodor von Coron nach Cerigo gekommen seyn , und in der Kirche St. Sergius und Bachus als Eremit gelebt haben.
Er
that Wunder während seines Lebens , und nach seinem Lode. Die Einwohner von Morea , welche damals ihr Vieh zur Weide nach Cerigo brachten,, Zeugen dq= Als der Ruf bis nach Constantinopel draug , ließ von. der Kaiser diese, Kirche bauen. eine Menge Einwohner
Aus Frommeley zog
der benachbarten Inseln nach
Cerigo. Man zählt auf derselben an dreyßig Dörfer , und in diesen und der Stadt halten sich beynahe achttausend Seelen auf.
264
Ein und zwanzigster Abschnitt.
Regierung.
Sitten.
Gebräuche.
Industrie. Handelsverhälts
nisse der Einwohner von Cerigo.
Die Jufel Cerigo wurde zu den Zeiten der Venetianer durch einen Proveditor und zwey Rathe ,
welche venes
tianische Edelleute waren , und jährlich vom Senat ers nannt wurden , regiert. Die Cerigoten hatten wie die übrigen Insulaner eis nen Adel , welcher Vorrechte besaß , und die Municipals stellen besetzte : dieser und die Geistlichkeit wählten gemeinschaftlich den griechischen Erzbischof, dem die Res publik die Einkünfte von gewissen kleinen Ländereyen und Accidentien des Bisthums angewiesen hatte. Die Sitten der Cerigoten sind einfach , Kleidung und Gebräuche sind beynahe eben so wie auf Corfu und Die reichern Bürger gehen französisch gekleidet. Bey diesen allein, sich einige Bildung , die sie
Zante.
in Italien erhalten : sie ist aber geringe.
Die einzige
Merkwürdigkeit, die ich zu beobachten Gelegenheit hatte, war eine Hochzeit. Ichward zu diesem Fest auf ein Dorf gebeten ; nach
den gewöhnlichen Ceremonien ward die Frau von einer zahlreichen Begleitung von Verwandten beyder Familien, ihrem Manne zugeführt.
Vor der Hausthüre hatte man
mehrere Ackergeräthschaften zusammen gebunden , und eis
Handelsverhältnisse der Einwohner von Cerigo.
265
nen Pflug , dessen Eisen auswärts gedreht war, hinges feht.
Die Mutter des Mannes kam heraus ,
Schwiegertochter zu empfangen.
um die
Dieses Bündel , sagte
fie, zeigt eure Verbindlichkeit, mit eurem Manne die Feldarbeit zu theilen ; eure Hände müssen diesen Pflug führen , wagt.
auf dem ihr euren ersten Tritt ins Haus Zu gleicher Zeit reichte sie ihr die Hand , und
half ihr auf den Pflug .
Sie theilte hierauf ein kleines
Brot aus Mais und Honig unter die Vermählten , und sprach : möchtet ihr wie die Bienen , die immer Honig in ihre Körbe tragen, Ueberfluß in cure Familie bringen! Industrie giebt es fast gar nicht bey den Cerigoten, die größtentheils mit dem Ackerbau beschäfftigt sind, welcher ihnen die nothwendigsten Bedürfniſſe verſchafft. Sie haben auch einige Barken, womit sie die Küsten der nåchſten türkischen Provinzen und Inseln beschiffen.
Vor-
züglich häufig befahren sie die Håfen von Maina , wohin fie einen Theil ihrer Producte bringen.
Diese Verbins
dung mit einem barbarischen Volke, könnte für Cerigo von Nutzen seyn , wenn es einer Regierung unterworfen wäre , welche diese Vortheile gehörig aufzusuchen wüßte. Maina ist ein wenig bekanntes Land , da Fremde es nicht bereisen , und sich blos in den Häfen aufhalten. Mit vielen Schwierigkeiten
habe ich
zufällig
einige
Nachrichten über dies Land und ſeine Bewohner gesam melt: sie können nüglich seyn, und ich glaube mich nicht von dem Zicle meines Werks zu entfernen , wenn ich sie hier einschalte.
Maina ist in vier Capitanien oder kleine Cantons vertheilt.
Die erste liegt gegen Norden, und heißt Zers
ster
Ein und zwanzig
266
tt.-
Abschni
nata : sie ist die fruchtbarste , vorzüglich reich an Oehl, und enthält vierzehn Dörfer. auch nördlich ,
hat Ueberfluß an Baumwolle und zehn (schlechtes Land)
liegt Cacovuglia
Südlich
Dörfer.
Zigos , die zweyte , liegt
welche diesen Namen von ihrer bergigten und unfruchtba ren Beschaffenheit führt. Hier wohnen die wildesten Mainotten ; man sieht keine Dörfer , die Wohnungen liegen zerstreut , und jede Familie lebt für sich. Die vierte Provinz liegt gegen Often , und heißt Scutari.
Sie enthält ein kleines Städtchen von etwa
vierhundert Häusern , und ist ziemlich fruchtbar.
Der
Bey oder Befehlshaber wird vom Großherrn ernannt. Er
wird immer
aus den vornehmsten
des
Landes
gewählt , und wohnt in dem Canton , wo seine Güter liegen.
Dieser Bey seht über jedes Dorf einen Capitain,
um die Abgaben zu erheben. Der Mainotte ist unwissend , rachsüchtig.
Er
setzt
einer Familie zu seyn.
seine
grausam und sehr
Ehre
darin,
Haupt
Wenn ein Mainotte von einem
andern umgebracht ist, vereinigen sich sämmtliche Verz wandte, seinen Tod zu rächen.
Man läßt den Bart
wachsen , bis man völlige Genugthuung erhalten hat. Man belagert den Mörder und seine ganze Familie in ih ren Wohnungen .
Die Häuser sind ganz von Stein,
und können dergleichen Anfälle aushalten.
Man erinnert
sich noch einer Familie , welche sich mehrere Jahre lang vertheidigte , und da sie selbst nicht nach Nahrung aus gehen konnte , von dem lebte , was ihr, ihre Freunde auf
સ
eine sehr geschickte Art zusteckten.
Diese waren nämlich
zu schwach , um sie öffentlich zu unterstützen , sie misch=
Handelsverhältnisse der Einwohner von Cerigo.
267
ten sich daher des Nachts unter die Feinde , und indem fie ſich ſtellten , als wären sie von ihrer Parthei , so warfen ſie ſtatt der Steine Brot , Kåse und Früchte ins Haus.
Die Weiber der Mainotten dürfen ihre Freyheit genießen, aber die geringfie Untreue würde beyden Schuldigen das Leben kosten. Die Bewohner von Cacovuglia haben noch bis jeht zur Kopfbedeckung einen eisernen Helm.
Diese arme
Provinz hat auch großen Waſſermangel; man behilft ſich mit Cisternen , welche eins der vorzüglichsten Güter auss machen.
Wenn ein Einwohner sich verheirathet, ist die
Hauptsache, die Cisterne zu messen , welche die vorzugs lichste Mitgift ist,
Je mehr Waffer Leym Hochzeits
schmause verzehrt wird , für desto reicher wird man ge= halten.
Diese Verschwendung macht Aufsehen ,
und
man ermangelt nicht , im ganzen Canton bekanut zu mas chen , wie viel Waſſer getrunken worden. Die Eingebornen von Cacovuglia sind in Betreff der Religion außerordentlich leichtgläubig und einfältig. Sieser Bergbewohner beichtete einem Priester mit Thrånen in den Augen, daß er das Unglück gehabt habe, beym Trånken des Lastviches etwas Wasser zu verschütz ten.
Der Priester fand das Verbrechen ungeheuer, und
abſolvirte ihn nur nach einer Buße von sechszehn Kannen Dehl.
Die Kirchen werden von diesen Räuberbanden so
geehrt, daß sie keine Thüren haben , und ihre Reichthus mer offen da stehn. Die Bewohner der Ufer sind alle gute Schwimmer : fie üben sich in dieser Kunst, um sich dadurch des Nachts
268
Ein und zwanzigster Abschnitt.
der Schiffe , die an der Küste vor Anker liegen , zu bes mächtigen .
Sie schwimmen hin , und schneiden unbe-
merkt die Taue entzwey , und wenn das Fahrzeug ans Land geschleudert wird , so wird es ausgeplündert.
Zu
wellen bieten sie den Schiffer ihre Hülfe an , aber er ist verlohren , sobald er unvorsichtig genug ist , sie an Bord zu nehmen.Ender alles wird ermordet, oder sie fühs ren diese Unglücklichen fort , und halten sie bis zur AusDie Häfen von lösung in der hårtesten Gefangenschaft . Maina sind der Zufluchtsort aller Seeräuber , weil sie da sehr wohl aufgenommen werden. Nur diese Betrachtungen haben die französischen Kaufleute in Coron und den Handelsstädten auf Morea abhatten konnen , auf die Ausfuhr von Maina zu specu liren. i Der Vortheil , bleibt den Sclavoniern und venes d tianischen Griechen, welche allein diese gefährlichen Striche befahren, aber doch nicht die nöthige Vorsicht versäumen . Die Ausfuhr beträgt ungefähr : 5000 Fässer Olivenöht werth 70000 türkische Piast.
6000 Sken ) Seide -
60000 .
4000 Oken Zinnober
32000 12000
4000 Oken Knoppern 10000
30000 Oken Honig 10000 Oken gelbes Wachs
20000
werth 204000 türkische Piast. Dieses beträgt ungefähr 500000 Livres ,
aber man
könnte diese Summe leicht vermehren . Mit einem Theil dieser Einnahme bezahlen die Mas linotten das Korn , welches sie von, Morea erhalten, mit " Eine Oke wiegt gewöhnlich drittehalb Pfunde.
26.9
Bon der Insel Cerigotte.
dem übrigen kaufen sie von den Fremden Kleider und die nothwendigsten Bedürfnisse.
Das Oehl führen blos die
Sclavonier aus , und bringen es nach Triest, Genua, Livorno und andern italianischen Städten : Seide und Knoppern holen die Griechen.
Der Zoll für Aus- und
4 Einfuhr beträgt drey Procent. Die griechischen und sclavonischen Schiffe , welche Maina besuchen , haben immer eine zahlreiche und wohlbewaffnete Mannschaft , und führen Kanonen. Die franz zösischen Levantefahrer hingegen find so schlecht bewaffnet, daß sie sich nicht dahin wagen dürfen.
Sobald aber
eins der französischen Kriegsschiffe, welche den Handel in der Levante decken , Befehl erhielte, zur Zeit der Ausfuhr bey Maina zu kreuzen , würde dieſes Hinderniß gehoben seyn.
Da der Handel die verschiedensten Völker
vereinigt , warum sollte dieses nicht auch in Maina' ges schehen können.
Von der Insel Cerigotte. Destlich von der Insel Cerigo liegt ein Inselchen, Namens Cerigotte, welches die Seefahrer bloß ihrer Sichers heit wegen bemerken.
Cerigotte ist von jeher der Schlupf-
winkel der türkischen und venetianischen Räuber gewesen. Die Einwohner bestehen aus verjagten Griechen und Tür ken, welche die Seeräuber aufnehmen, ihre Beute verheimlichen , und zuweilen für sich behalten , wenn sie stärker find ; mit Ackerbau beschäfftigen sie sich wenig. Die Einwohner von Cerigo , welche sie schonen, vertrauen ihnen zuweiten Heerden an , um sie auf die Weide zu führen.
Diese Räuber wohnen einzeln in eben
270
Ein und zwanzigster Abschnitt xc.
den Hütten , die auf der Insel zerstreut liegen.
Sie ge-
nießen der ungebundensten Frenheit, und kennen kein ans der Necht als daß des Stärkern.
Einige kleine Fahrzeuge
dienen ihnen zum Fischfang und zu Fahrten nach Cerigo. Sie rüsten diese zuweilen aus , wenn sich die Gelegenheit darbietet , ein Kauffarteyschiff mit Vortheil anzugreifen. Sm Jahre 1786 verursachten die Räubereyen der Einwohner von Cerigotte sehr lebhafte . Klagen von Seiten der Türken beym venetianischen Senate.
Der General-
proveditor aller griechischen Inseln erhielt Befehl , die Korsaren zu verjagen , eine kleine Colonie dort zu er: richten , und ein Fort zur Beschützung aufzubauen ; es ist aber nicht zur Ausführung gekommen. Cerigotte war bey den Alten unter dem Namen Aegiala bekannt , welches von Epla , dem heutigen Svo zu unterscheiden ist.
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GeographischeMeilen 20
21
22
Schilderung bes
Handels
Griechenland ,
von
besonders
der
Stadt
Thessalonich.
Entworfen von Felix
Beau jour ,
ehemaligem französischen Consul daſeibst.
Herausgegeben ♡ 9 n M.
C.
Sprengel.
Weimar,
im Verlage des Industrie- Comptoir , s 1801 .
Vorrede.
Die Auflösung des franzdfischen Handels in der Levante und die Rückkehr so vieler Personen in ihr Vaterland, die in den vornehmsten türkischen Handelsplågen als Consuls und Oberconfuls angestellt waren , hat zufällig über jene Gegenden mancherley Licht verbreitet. Die Berichte, welche jene Handelsaufseher an ihre Behörden über den Zufland des levantischen Handels , und die Verbefferungen, deren er fähig war, von Zeit zu Zeit absenden mußten, oder die Bemerkungen, welche sie an Ort und Stelle über die Waaren machten welche bey Türken und Griechen den meisten Abgang finden , oder was sie über die Concurrenz der verschiedenen europäischen Nationen in diesem Verkehr, und den Gewinn oder Verlust derselben niederschrieben, wurden endlich aus ihren Schreibepulten oder Taschenbüchern erlöst , und vermehren die Kenntnisse des großeu Publicums. Unter mehreren Schriften, welche seit kurzem diesen Gegenstand oder einzelne Theile desselben in Frankreich
II
Borrede.
behandelt haben , verdient Herrn Beaujours Gemåhlde des griechischen Handels vorzügliche Aufmerksamkeit, bisher nur Bruchstücke darüber vorhanden waren.
da
Was
früher über diesen Gegenstand zu meiner Kenntniffe gelangt ist, besteht einige veraltete Nachrichten ausgenommen nur in zwey kleinen Aufsätzen. Der erste findet sich im Jahrs gang 1779 des Journal del Agriculture et du Com. merce , und beschreibt die vorzüglichsten Waaren, welche Salonichi 1776 se ausführte, wie ſich die europäischen Nas die tionen in Ausfuhr theilten , und was sie dagegen. den Griechen übermachten.
Er ist auch schon im zweyten
Bande meiner Beyträge zur Völker und Länderkunde deutsch vorhanden.
Der zweyte hat Hrn. Berenger zum
Verfasser, der in den 1787 deutsch übersetzten Briefen über die Provence, den sieben und dreyßigsten Brieffür den levan: tischen Handel der Franzosen bestimmte. Da er darin aber diesen Handel im allgemeinen beschrieb, so mußte er sich bey Salonichinur kurz faffen, Herr Beaujour hingegen lebte als französischer Consul zehn Jahre in Thessalonich dem Mits telpuncte des griechischen Handels , und beobachtete die
Ke denn er sammelte Bemera rkseine umfa z ßt war kungen von 1787 bis 1797. neueste Epoche desselben ,
nur den eigentlichen Handel jener reichen Stadt , allein gelegentlich hat er so viele treffliche Nachrichten über die Ein- und Ausfuhr von Morea, Candien, Constantinopel und anderer Handelsplåge mitgetheilt, und so mancherley
Borrede.
III
bisher unbekannte Zweige des türkischen Handels berührt, daß seine Schrift auch über solche Gegenstände , die nicht eigentlich zu seinem Plan gehören, die herrlichsten Belehrungen ertheilt.
Eigentlich besteht sein Werk aus vier Hauptabs schnitten. verzeichnet ,
In dem ersten hat Hr. Beaujour alle Waaren welche Thessalonich zu Lande und Wasser
bisher auszuführen pflegte.
In dem zweyten zeigt er
welche Waaren dieser Handelsplatz für seine Exporten wieder empfängt , und darunter find englische Uhren, deutsche Wollen und Glaswaaren nebst Pelzwerk aus dem russischen Reiche beträchtliche Artikel .
Im dritten wer
den einige allgemeine Bemerkungen über den Werth des griechischen Handels überhaupt , Thessalonichs Verkehr mit andern levantischen Handelsplägen, den Wechselcurs und Nachrichten von türkischen Münzen, Maaßen und Ges wichten gegeben.
Zuleht untersucht Hr. B. die Vorso
theile und Nachtheile verschiedener in Frankreich zur Emporbringung des levantischen Handels bisher beobachteten Einrichtungen , daß Marseille ein Freyhafen ist , daß les vantische Waaren von hier zollfrey ins Ausland verführt werden können , daß diese, wenn sie auf fremden Schiffen eingebracht werden, zwanzig Procent Zoll erlegen müffen, und andere hieher gehörige Verfügungen , er beurtheilt auch Frankreichs bisheriges politisches und Handelsvers hältniß mit der Levante.
Da vie hier behandelten Ges
IV
Borrede.
genstände nur eigentlich den französischen Kaufmann, der felbft Versendungen dahin macht , oder machen will, intereffiren kommen , Hr. B. bey seinen Vorschlägen vieles als bekannt voraussetzt , das nur Eingeweihte in diesem Verkehr verstehen , manche von seinen Ideen nicht ohne genaue Prüfung , dazu hier der Ort nicht war , dem Pus Blikum vorgelegt werden konnten, auch in diesem Abschnitt manches wiederholt wird , was er früher bald ausführlicher bald kürzer entwickelte , so ist er in dieser Uebers sekung weggeblieben.
Sonst ist sie dem Original wörts
lich treu geblieben, einzelne Stellen ausgenommen, z. B. bey den öffentlichen Gebäuden und Alterthümern von Salonichi , wo mir eine Abkürzung nöthig ſchiến.
Inhalt.
Erfter Abschnitt.
Topographie von Macedonien.
6, 3
Beschreibung von Salonichi.
Zweyter Abschnitt. Artikel der Ausfuhr. Baumwolle. Taback.
Getreide.
Wolle. Honig. Det. Korinthen. 20
Fárberröthe. Kermes . Seide zc.
Dritter Abschnitt. Türkisch Garo.
Saffian.
aus Macedonien.
Türkische Teppiche.
86
Einfuhr fremder Waaren, Engs
Tuchwaaren.
dische Baumwollenwaaren. Goldarbeiten.
Avats
Caputröcke von Zagora.
Vierter Abschnitt. lischer Handel.
Verarbeitete Artikel der Ausfuhr.
Uhren. Zinn.
Chalons. Ins
Bley.
Juwelen.
Koloniewaaren.
Fünfter Abschnitt.
Teutscher Handel.
108 Tücher.
Glaswaaren.
Cattune. Musseline. Glatte Leinwand. Porcellain. 1 Stahlwaaren. Kupfer und
Goldarbeiten.
Factoren und Canáåle des deutschen Hans
Leinenwaaren.
dels.
Geldzahlungen und Wechselgeschäfte.
139
VIII
Secher Abschnitt. Feuergewehre. waaren.
Italienischer Handel.
Tücher.
Glaswaaren.
Sammet.
Glaskorallen. allen, Seidens Glasfor Papier. 1 Wollene Mügen. Hols
ländischer Handel. Russischer Handel. Pelzhandel. Zobel. Hermelin.
Grauwerk.
Schwarzer Fuchs. Ungebohrne
Lámmerfelle.
S. 163
Siebenter Abschnitt. Französischer Handel. Tücher. Franzöſiſcher Zuder. Indigo. Caffee. 7 Handelsgewinn. Uebersicht des ganzen Handels. Túrs Müßen.
kischer Handel.
Gewichte,
Maaße und Münzen.
192
Schilderung des
Handels
von
Griechenland,
besonders
der
Stadt
Thessal
onich ;
entworfen von
Felix
Beau jour,
ehemaligem franzöſiſchen Consul daſelbſt.
Schilderung
des
griechischen
Handels,
entworfen
Felip
Beaujo ut.
• Erster
Abschnitt.
Salonicht oder Thessalonich ist der vorzüglichste Hats delsort in ganz Griechenland.
Ich kann daher das Ges
målde von dem griechischen Handel nicht anfangen , ohne vorher einen Blick auf diese Stadt und überhaupt auf das prachtige Macedonien geworfen zu haben, das stolá jer auf den Reichthum seines Bodens und seiner Erzeuge niffe , als auf seinen Alexander ist.
Topographie von Macedonien. Die Provinzen Griechenlands verlohren mit der Es ges Freyheit auch ihre Namen und ihre Grenzen. 2
Erster Abschnitt. rieth alles durch die Eroberung in die größte Verwirrung , die dem Sieger eigenthümliche militärische Verfaſſung wurs de durchgängig eingeführt , und zugleich zerstückelte Sultan Murad II . das ganze Land in militärische Abtheilungen, welche schon in allen seinen asiatischen Staaten eingeführt waren. Diese Divisionen sind unter den Namen von Par schalicks, Musselimlicks , Woiwodalicks , und Agalicks bea Fannt.
Die größten unter ihnen sind
und die kleinsten die Agalics . ver unabhängig , üben
die Paschaliks,
Sie sind alle von einans
und die damit belehnten Statthalter
die oberste Gewalt
des
Monarchen
in ihrer
größten Ausdehnung aus. Sie vereinigen in sich alle Zweige der Staatsverfassung , ausgenommen die Gerichtsbarkeit in Streithändeln , die dem Kadi vorbehalten ist, and lassen mit der Kaltblütigkeit eines Fleischers , der ein Thier,abschlachtet , in ihrer Gegenwart einem Menschen den Kopf abschlagen , oder thun es wohl gar mit eigener Gewöhnlich verkauft die Pforte die StatthalHand terschaften an den Meistbietenden ; zuweilen werden sie Die Stelle auch als Gnadenbezeigungen verschenkt. dauert nur von einem Beiramsfest bis zum andern *), d. h.
*) Die Türfen feiern unter dem Nahmen Beiram zwey große en ersten drey Tagen Feste. Das erste fållt in den Monats Thawal gleich nach dem Fastenmonat Ramadan , Seiram . An diesem Feste pflegen sie und,heist der große gewöhnlich sich und ihre Leute zu kleiden. Der zweyte oder kleine wird den zehnten des Monats Sulhadsje gez feyert. Man nennt es gewöhnlic aber unrichtig das türkische Osterfest. Da die Mohamedaner nach Monde monaten rechnen, und diese abwechselnd dreyßig und neun und zwanzig Tage enthalten, so fallen diese Feste in allen
Jahrszeiten.
Topographie von Macedonien..
5
ein Jahr , man kann sie aber mit Geld auf zwey Beirams verlängern,
Ist eine Stadt mit ihrem Pascha oder iha
rem Muffelim nicht zufrieden , so bietet fie , um ihn los zu werden , eben so viele Beutel
) an , als er selbst
zu geben im Stande wäre , um die Stelle zu behalten, und dann wird die Sache nach dem höchsten Gebot ents schieden.
Auf dieselbige Art werden auch die Woiwodas
licks und Agalicks vergeben , nur ist mit diesen in manchen Gegenden ein Privilegium auf ewige Zeiten verbunden, was gewöhnlich Familien zu Theil wird , die dem Staat vorzüglich wichtige Dienste geleistet haben. z. B. die Ghavrinos ,
So besigen
die Macedonien erobert haben,
mehrere Agalicks auf ewige Zeiten.
In der Regel wers
den aber alle diese Stellen wie Meierhöfe von dem Meists bietenden in Pacht genommen , und seit der Regierung Abdul- Ahmid's, der eigentlichen Epoche von der das ottomanniſche Reich sich seinem Verfall mit schnellern Schritten nåherte, sind nicht selten folche Agalicks in Griechenland von albanischen Abentheurern mit Gewalt der Waffen erobert worden , und dann mußte ihuen die Pforte jedesmal die Belehnung , die sie ihnen nicht mehr verweigern konnte , aus scheinbarem freyem Willen ertheilen.
In
neuern Zeiten haben sogar mehrere solcher Agas sich auf dieselbige Art in den Besitz von Woiwodalicks gesezt , und wenn sieso fortfahren , so ist zu vermuthen , daß sie sich auch bald der Paschalicks bemächtigen werden.
Die Pa=
*) Große Summen rechnet man in Constantinopel nach Beus teln. Ein Beutel in Golde ist 15000 Zechinen oder Dukaz ten ; ein Beutel in Silber oder Piastern , die gewöhnliche Rechnung , beträgt fünfhundert Thaler.
Erster Abschnitt.
fchas von Scutari und Janina find schon wirklich auf diese Weise zu ihren Statthalterschaften gelangt , und es ist zu befürchten ,
daß sie ihre Lehne in erbliche Fürstenz
thümer verwandeln werden.
Die Beys von Seres und
von Melenik in Ober , und die von Zigna und Katherin in Untermacedonien besigen ihre Agalicks ebenfalls auf dieselbige Art. Alle heutigen Eintheilungen von Griechenland eriexis stiren daher nur in unsern Erobeschreibungen ;
es gilt
in der That gar keine , weil ihrer zu viele sind.
Um jes
doch mit einiger Ordnung zu Werke zu gehen , will ich hier die alten Eintheilungen angeben, und die vorzüglichften Unterabtheilungen , die sich in demselben befinden,
Macedonien bildet ein großes eingefaßtes Becken, in Form eines Halbcirkels , dessen Diameter vom Meer bespült und sehr unregelmäßig ausgeschnitten ist.
Gegen
Morgen und am Anfang des Halbcirkels ist der Berg Pangaus , von dem die Insel Thasos eine Fortsetzung it, und der sich von la Cavala bis in die Gegend von Soz phia erstreckt.
Nordwärts wird dieser Halbeirkel von
dem Scomius begrenzt , einem Berge, der eigentlich nur ein Arm von dem Pangaus ist, dieser letztere nimmt nörds, lich von Strumzza eine andere Richtung , und läuft von Often nach Westen bis nach Uskup . Hier senkt er sich, und bildet einen langen und schmalen Pag durch wel chen der Arius oder Verdar in Macedonien einfirömt, Auf dem rechten Ufer des Flusses erhebt sich der Berg Scardus, der in gerader Linie von Monastir nach Ochrida läuft, wo er sich in mehrere Zweige theilt , die verschie dene Richtungen nehmen ;
derjenige aber , der sich am
Topographie von Macedonien.
7
meisten gegen Süden hinzieht , vereinigt sich mit dem Olympus. Diese berühmte Gebirgskette , seht dann den Halbeirkel weiter fort , und schließt ihn endlich bey dem Thal Tempe , wo das Meer ihn scharf abſchneidet , so daß dadurch eine fünfhundert Klaftern hohe und jdhe Fels ſenwand entstehet.
Auf diesem Felsen steht das Schloß
Platamona, welches Macedonien gegen Westen schüßet, so wie es gegen Osten durch das Schloß in Cavala ge= deckt wird,
Die beyden Påffe bey Uskup und Ochrida
find nicht mit so starken Schuhwehren versehen ; wenn ke jedoch nur gehörig besetzt wåren, so würde es fast eben so schwer seyn durchzukommen , weil der Weg durch den Paß bey Uskup durch die Waldströme, die sich von den Gebirgen in den Verdar herabstürzen, gänzlich zu Grunde gerichtet , und der Paß bey Ochrida zum großen Theil durch die Gewäſſer überschwemmt ist , die sich in den lychnidischen See ergießen.
Durch den unregelmäßigen Ausschnitt des Diame ters werden gegen Süden zwey große correspondirende Meerbusen gebildet, nämlich der von Amphipolis und der ven Salonichi, auchnoch zwey kleinere auf beyden Seiten der Chalcidischen Halbinsel , diese Halbinsel erhält ihre Form durch eine Gebirgskette, die sich vom Scomins nòrdwärts von Strumzza abſondert, Macedonien von Norden nach Süden durchschneidet , und sich bey der Erdenge von Athos verliert. Der Berg Athos selbst, und die Inseln Scopoli und Sciatho sind weiter nichts als Verlängerungen dieser Gebirgskette, die man im eigentlichsten Verstande für das Gerippe , wodurch ganz Macedonien zusammen gehalten wird , ansehen kann.
Dieses Gebirg hat wies
Erster Abschnitt.
8
der verschiedene Aerme, von denen einige vstwärts gehen, und sich bey la Cavala mit dem Pangåus vereinigen, andere aber in parallelen Richtungen westwårts laufen, bis an die Berge von Vodina , von da durch den nördlichen Theil von Pierien streichen , und sich ebenfalls an den Olympus anschließen. Durch diese vielen Berge , die sich durchschneiden, entstehen in Macedonien eine Menge großer Ebenen. So findet man gegen Often die Ebene von Philippi , gegen Norden die von Seres , westwärts die Ebene von Katherin , und südlich die von Pella.
Die Chalcidische
Halbinsel ist ein rauhes, bergichtes Land ; die einzige darin befindliche Ebene von einiger Bedeutung ist die von Calamari, die sich in einer Menge Krümmungen von dem Innern des Thermäiſchen Meerbusens, oder des von Sas lonichi , bis auf die Halbinsel Caſſauder erstreckt.
Dieſe
Halbinsel ist der anmuthigste und reizendste Theil von ganz Macedonien ; die lieblichsten Tannenwälder schmücken fie mit ewigem Grün .. Die Eb ene von Philippi hat sechs Stunden von Norden nach Süden , und drey oder vier von Osten nach Es führen zwey Wege in dieselbe , der eine
Westen .
liegt , und der, s Vor andere geht südwestlich von Prava nach Salonichi . be di w Eb de Se dieser leztern e rühmte r ene urde ffnung kommt von Angistha , das nordwestwårt
Schlacht geliefert , gieng .
in der Roms Freyheit zu Grunde
Man sieht noch heut zu Tage die zwey Anhdhen ,
auf denen die Låger von Brutus und Caffius stunden ; die von Octavius und Antonius waren gegenüber , mehr westwärts .
Beyde Armeen waren durch einen kleinen
Topographie von Macedonien.
Bach von einander getrennt , der bey seinem Ausfluß ins
Meer einen Sumpf erzeugt.
An diesen Sumpf lehnte
fich der rechte Flügel des Antonius , und seine Linie ers streckte sich bis an die Straße von Salonichi.
Octavius
stüßte seinen linken Flügel an die Verge von Prava , und sein rechter stieß an die Linie des Antonius ;, ſein Centrum stand zwischen Gråben , die durch die von den Bergen herabstürzenden Ströme ausgeschwemmt werden, und ihm zu natürlichen Bollwerken dienten.
Nordwärts von
beyden Armeen waren unzugängliché Sümpfe und Mo. råste.
Brutus und Caffius hatten sich, man weiß nicht
warum , mit dem Rücken an den Pangåus gestellt.
In
dieser Stellung mußte nothwendig ihre Armee entweder fiegen , oder ganz aufgerieben werden ; und dies erflårt vielleicht die Verzweiflung dieser beyden Römer , die von so vielen Geschichtschreibern als höchst übereilt getadelt ist.
Octavius und Antonius hingegen konnten sich, im
Fall einer Niederlage auf der Straße nach Salonichi zuz rück ziehen , ohne daß ihr Marsch in diesen engen Paſſen, wo tausend Mann ein Heer von hundert tauſend aufhalten können , im mindesten beunruhigt werden konnte. Die Ebene von Seres erstreckt sich von dem See Amphipolis bis nach Melenik in einer Långe von mehr als funfzehn Stunden , und ihre Breite betrågt drey bis vier Stunden .
Dieses prächtige Thal , das in ganz Roman-
ien wegen des Reichthums an Produkten berühmt ist, wird durch den Strymon , der an dem Fuße des Scomius entspringt , in zwey Theile getrennt, Die Ebene von Katherin ist ostwärts durch die
Berge von Pydna verschlossen , gegen Westen durch den
Erster Abschnitt.
Olympus , gegen Süden durch das Meer und nördlich durch die Pierischen Gebirge,
die von Karaveria an sich
von Osten nach Westen bis an den Olympus erstrecken. Das Thal hat ohngefähr funfzehn bis achtzehn Stunden im Umkreis. Die Ebene von Pella endlich , durch deren Mitte der Verdar strömt, erstreckt sich von Salonichi bis an die Anhöhen um Jenidge. von Bergen
Nördlich wird sie durch eine Kette
verschlossen , die wie ein fester Wall das
Innere des Meerbusens umringt ,
und sich westwärts
bis nach Vodina , oftwårts aber bis an den See Amphia polis hin erstreckt.
Wo die Berge dem Meer am nächsten
find , beträgt ihre Entfernung nur eine Stunde ; die größte Breite der Ebene ist ohngefähr vier Stunden, Der Berg Kurtiach , der zwey Stunden nordöstlich von Salonichi liegt, ist der höchste unter allen nach Süden laufenden innern Bergen ;
er ist fünfhundert und funfzig
Klafter über die Meeresfläche erhaben.
Er wird stufens
weise niedriger , je mehr er sich dem östlichen Ufer des Thermäiſchen Meerbusens nähert, und verliert sich an demselben in einen sanften Abhang, auf welchem Salo· nichi, in Form eines halben Mondes , gebaut ist. Die Rhede, welche diesen halben Mond bespült ,
ist auf allen
Seiten verschlossen , ausgenommen gegen Südwest. Auf der Südseite liegen die beyden Vorgebürge Cara Burun, die auch gewöhnlich Cara Bernus heißen.
Der große
Burun liegt drey Stunden vom Hafen entfernt , und bile det einen über eine Stunde langen Vorsprung ins Meer; der kleine Burun, der sich nur auf dreyhundert Klafter 'ins Meer erstreckt, und eigentlich die Einfassung der Rhede
Topographie von Macedonien.
II
gegen Often ausmacht , ist anderthalb Stunden von Sas Jonichi entfernt .
Gegen Westen liegen große Haufen
pon Schlamm , die
der Werdar herbeyführt , der seit
Alexanders Zeiten das Land ,
das er durchströmt , fast
um zwey Stunden verlängert hat, Die Weite des Thermäiſchen Meerbusens beträgt pon dem Cap Pailluri bis an das Cap St. Georg ohns gefähr funfzehn Stunden ; er verengert sich aber gegen die Spitze von Caffander und ist nur noch acht Stunden breit.
Die Tiefe des Meerbusens , oder vielmehr seine
Långe, beträgt, von dem Cap Paillari bis an die Rhete ppn Salonichi , sieben und zwanzig Stunden. Salonichi liegt in 40° 41′ 10″ nördlicher Breite ; feine Långe , nach dem Meridian von Paris berechnet, ift 20° 28'.
Das Schloß Volo ist von Dapper zu hoch
angegeben ; es muß in 39° 25' bestimmt werden. Athen hat 37 58 1 Breite , und Corinth 37° 55′ 54". Die Oberfläche
von ganz Griechenland beträgt
sechstausend einhundert und funfzigQuadratmeilen ; hievon kommen zweytaufend auf Macedonien, tausend siebenhun dert auf Epirus von dem Meerbusen lo Dring an bis zu dem di Carta , und zweytausend vierhundert und funfzig aufdas südliche Griechenland. Die Volkszahl in Macedonien beläuft sich auf 700,000 Seelen ; es kommen also dreyhundert und sieb zig auf eine Quadratmeile.
Das Land Zagora ist unter
allen griechischen Provinzen am besten bevölkert , und Epirus und Morea am schlechtesten.
In dem erstern
kommen sechshundert und dreyzehn Menschen auf eine Quadratmeile, und in Morea nur preyhundert.
Die
12
Erster Abschnitt.
Bevölkerung von Theffalien beläuft sich auf 300,000 Seelen , und die von Epirus , das doch noch einmal so Aetolien, Phocis, Boes Attica hat
groß ist, nur auch 400,000 .
otten haben kaum 200,000 Einwohner.
nach der genauesten Berechnung nicht volle 24,900, und Morea, das doch tausend Quadratmeilen groß ist, hat Die ganze Bevölkerung
nicht 400,000 Einwohner.
von Griechenland kann nicht über 1,920,000 Seelen berechnet werden. Macedonien , Theffalien,
und der östliche Theil
von Phocis und Bootien find fruchtbare Länder.
Das
Erdreich in Attica ist äußerst leicht , und nur Gerste und Oehlbäume gedeihen darin.
In Morea hingegen kann
alles mögliche gebaut werden ; in seinen Thälern · wächst der schönste Weizen , und feiue Berge sind mit den treffs lichsten Viehweiden bedeckt.
Epirus hingegen ist durch-
gängig rauh und bergicht, und unter allen Provinzen die unfruchtbarste. Die Landesproducte von Macedonien allein betra gen so viel wie die aus den sämmtlichen übrigen Provin, zen Griechenlands .
Besser vertheilt sind jedoch die Pro-
ducte des Kunstfleißes .
Theffallen zeichnet sich vor allen
aubern Provinzen durch Industrie aus ;, dann kommen Epirus, Morea , Attica , und endlich Macedonien , der unter dem Namen Livadien bekannte Theil von Booz tien.
Das übrige Bootien , nebst Phecis , Locris und
Aetolien besitzen keine Art von Industrie,
Man findet in Griechenland vier große Paschalics, nämlich von Tripoliza ,
von Egripos oder Negropont, Das Paschalickfyon von
von Janina und von Salenichi,
Beschreibung von Salonichi.
13
Tripoliza begreift ganz Morea in sich , das von Egripos erstreckt sich über die Insel dieses Namens , über ganz Bdotien und den dftlichen Theil von Phocis,
Naupaċ-
tus oder Lepanto hat einen eigenen kleinen Pascha, Athen und Livndien stehn unter der Herrschaft von Woiwoden ; Larissa wird von einem Muſſelim regiert , und das Land Zagora , oder das alte Magnesien sieht unter seinen eiges nen Grafen. Dem Pascha von Janina gehört ganz Epirus *), und dem von Salonichi ist die ganze südliche Hälfte von Macedonien unterworfen.
Der nördliche Theil wird von
beſondern Beys regiert, und Pierien steht unter der Herrschaft des Agas von Katherin ; dieser kleine Erdengott ist in der Herrschaft über den Olymp an die Stelle Jupiters getreten.
Beschreibung von Salonichi.
Salonichi Bder Thessalonich war ehemals bis zur Regierung Caffanders unter dem Namen Therma bekannt ; dieser erweiterte aber die Stadt, und gab ihr den Namen von seiner Gemahlin Thessalonica , die Philipps zweyte Tochter und Alexanders Schwester war.
Sie liegt öft-
lich in der äußersten Tiefe des Thermäiſchen Meerbusens, und ist halb auf den Hang des Berges Kurtiach erbaut. Von der Rhede ausgesehen gleicht die Stadt einem halben Mond , sie hat die Gestalt eines Halbcirkels , dessen Durchmesser der Långe nach an dem Meere liegt , die Ich übergehe hier mit Stillschweigen die beyden kleinen Paschalicks von Aulon oder Valona , und von Delvino, die Zeit zu Zeit von dem Pascha von Janina überfallen und gebrandschaßt werden.
14
Erster Abschnitt.
Länge dieses Diameters beträgt neunhundert Klafter und die Circumferenz des Vogens , der gegen Norden sehr excentrisch ist , beläuft sich auf siebenzehnhundert Klafter. Die Mauern werden ringsberum von kleinen Thürmen bestrichen , und sind von Backsteinen auf einem Fundas ment von Quadern von ungeheurer Dicke erbaut.
Die
Häuser formiren auf dem Hang der Anhöhe ein Amphis theater; sie haben fast alle Gårten , und die ganze Stadt Allein wie gewährt von fern einen reizenden Anblick. erstaunt man bey dem Eintritt in dieselbe , wenn man nichts als enge und krumme Straßen , schlecht gebaute Häuser und nicht einen einzigen öffentlichen Plaß erblickt, δει gepflastert wåre. Salonichi ſieht in der That nicht beffer aus , als bey uns manche Dörfer ; dennoch aber ist es eine der schönsten Städte im türkischen Reiche. Es giebt Städte , die durch keine Revolution köns nen zu Grund gerichtet werden , weil sich alle günstigen Umstände vereinigen , um die Bevölkerung immer wieder zu vermehren. Unter diese gehören in der Türkey Constans tinopel und Alexandrien , die in der Mitte zwischen zwey Meeren liegen ; eben so ist auch Salonichi hieher zu recha ien , das durch seine Lage in einem weiten Meerbusen der Mittelpunct des Handels von der ganzen Europäischen Türken wird. alonichi äußerst wichtig ; aber als Festung ist es von Als Handelsstadt ist daher keiner Bedeutung .
Es hak
bloß ein Schloß , daß in der obern Mitte des Halbeirkels liegt , und zwey Bastionen an den beyden Seiten des Diameters , mit Batterien , die das Meer
bestreichen.
Dies sind alle Festungswerke ; es ist übrigens kein Graben
15
Beschreibung von Salonichi.
um die Stadt, und die Wälle sind nicht mit Mauern gez füttert.
Die Rhede könnte jedoch auf das vortrefflichste
vertheidigt werden ,
wenn auf der Spike des kleinern
Caps Burun eine Schanze angelegt würde , in dem gegens wärtigen Zustande iſt ſie aber der allerschwächsten Escader Preis gegeben ; jedes Kriegsschiff kann sich ungehindert nähern , und die Stadt beschießen , die zu ihrer ganzen Vertheidigung nicht vier Canonen ohne Lavetten , und nicht einen einzigen Canonier hat , der im Stande ist, sie zu richten.
Salonichi wird von einem Pascha von drey Ross schweifen und einem Mollah vom ersten Rang regiert ; der letztere genießt mit den Mollah's von Mecca und Das mascus gleichen Rang , und hat wie diese niemand über fich als die beyden Cazi - Asſkers, und den Scheik - Islam, oder großen Muphti.
Er empfängt von diesem aus Cons
ftantinopel die Investitur , und hat den Vorsig in allen Moscheen,
ohne einer davon insbesondere vorzustehen.
Der Pascha vereinigt in seinen Hånden alle Zweige der bürgerlichen Gewalt, ausgenommen die Gerechtigkeitss Seiner Beſtima mung nach in ollah vorbehalten ist. pflege, die dem er hier ganz despot , an der Stelle und nach Auftrag des Großsultans deſſen oberster Stellvers treter , in der Wirklichkeit aber kann er seinen Dess potismus nur über die Rayas ausüben , denn wenn er einen Türken seine schwere Hand will fühlen lassen, so wird sie ihm oft durch die Beys gelähmt.
Ueberhaupt
ist die ottomannische Staatsverfassung eine wahre miliz tåriſche Aristocratie ; wer nicht die Waffen trågt , ist vers Hammt, unter dem schmähligsten Druck zu seufzen.
Erster Abschnitt.
16 Die
*), rialabgabe führt den Namen Miri 77
und wird in Natur bezahlt ; sie beträgt den zehnten Theil des Ertrags .
Die Auflage auf Lebensmittel ist nochneu,
und war unter der Regierung Abdul : Hamid's noch ganz unbekannt.
Die übrigen Imposten sind in Griechenland ,
wie überhaupt 1 im ganzen Reich,
durch die berühmte
Commission eingeführt worden , die den Namen NisamDiedith führt. Ju dem Paschalick von Salonichi ist der Miri für vierhundert und funfzig Beutel verpachtet. Die neuen
Auflagen sind noch nicht lange genug eingeführt , um ihVon jedem Stüc ren Ertrag genau angeben zu können . kleinen Vieh wird ein Para bezahlt , von einem Ochsen ein Piaster , von der Ocke Wein zwey Para **) ; für alle übrigen Lebensmittel wird mit dem Einnehmer wegen der Abgabe gehandelt . Der Pascha zieht den Zehnten von ohngefähr zwanzig Dörfern , die unmittelbar ihm angewiesen sind, and vers pachtet ihn für sechszig bis siebzig tausend Piaster. Eben
* Miri ist eigentlich die Hauptstaatscaffe des türkischen einmal firirten Reichs , aus welcher alle gewöhnlichen`, Ausgaben bestritten werden . Die zweyte Hauptcaffe heißt Chasine , und ist eigentlich die Privatcaffe des Großfultans die häufig durch Confiscationen bereichert wird. Davon werden nicht einmal die Kosten der Hofhaltung bestritten, sondern diese wird aus dem Miri besoldet . Zuweilen schieft aber der Sultan bey außerordentlichen Vorfällen dem Miri große Summen vor , und so war diese Caffe 1776. ihm 45,500,000 Piafter schuldig .. ** So heißt eine kleine Silbermünze aus dreyliAspern bèstes hend. In Egypten heißt sie Medin , Meidin, und enthält nach deutschem Gelde zwischen acht und neun Pfenning .
Beschreibung von Salonichi.
17
so viel tragen ihm die die Accidenzien ein , und die Avas nien oder ungerechte Erpreffungen wenigstens 100,000 Piaster,
auch wohl 200,000 , wenn er unmenschlich 1 Iht er 1 habſüchtig und hart , so kann er in der kurzen Zeit von sechs Monaten das ganze Land zu gesinnt ist.
Grunde richten . Die städtischen Ausgaben werden son den drey Ge meinden , der türkischen , griechischen , und jüdischen bes ftritten.
Die türkische Gemeinde steht unter einen Math
von sechs Agas, die alle mächtige Beys find .
Derjenige
unter ihnen , ter den Vorsitz führt , ist Herr von der Stadt, und der Pascha hat sich sehr vor ihm zu fürchten. Die griechische Gemeinde wird hier , wie in allen ber ottomannischen Herrschaft unterworfenen Ländern. von Proefti oder Aeltesten regiert. hen unter ihren Rabbinen , Makami heißt ,
Die Juden aber stes
deren Vorsteher der große
und eine außerordentliche Macht besitzt.
Er begiebt sich gewöhnlich unter den Schutz von Franks reich oder England, und da sich alsdann die Türken nicht mehr au seiner Person vergreifen dürfen , so spielt er die Rolle eines wahren Königs der Juden.
In Rücksicht der Gerechtigkeitspflege sind die Griez chen und Juden eben so wie die Türken dem Mollah uns terworfen.
Allein gemeiniglich
unterwerfen fie
ihre
Streitigkeiten der Entscheidung ihrer geistlichen Ober häupter , als Schiedsrichter , und diese geben ihren Auss sprüchen durch den Bannstrahl Gewicht.
Auf diese Art
ist der Spruch des Bischofs oder des Rabbinen zwar nicht gesehmäßig aber doch in der That verbindlich und keiner weitern Appellation unterworfen, denn der Baunstrahl 23 Beaujours Beſchr,
Erster Abschnitt.
18
hat hier noch die nämliche Wirkung , die er ehemals auf uns in der finsterften Epoche des Mittelalters gehabt hat.. Der letztere Oberrabbiner stand unter dem Schutz von Frankreich, und der Fluch , den er aussprach , war so kräftig und verbreitete ein solches Entsehen , daß häufig Våter , von denen deshalb ihre Kinder weggelaufen wa ren , und Männer, die ihre Weiber verlassen hatten , zu mir kamen , und mich um Schutz gegen die schreckliche, Tyrannei des Rabbinen anflehten. Der Karatsch war eine Art von Kopffleuer, die von Griechen und Juden entrichtet wurde; die letztern hatten fich ein für allemal -um die Summe von 36 000 Piaster Darüber verglichen. Die Griechen hatten in den letzten Jahren fünftausend Karatschen bezahlt ; wenn man nun auf vier Köpfe einen rechnet , der dieser Steuer unterworfen ist , so muß hiernach eine Bevölkerung von 15 bis 20,000 Seelen angenommen werden. Auch wird man diese Rechnung ungefähr richtig finden , wenn man weiß, daß die Kinder in den Städten diese Steuer schon vom achten , und auf dem Lande vom fünften Jahre an bezahlen.
Wenn ein Vater über das Alter seines Kindes
streiten will, so meſſen die Einnehmer den Kopf des Kindes mit einer Schnur , die ihnen zum bestimmten Maaße. dient ; da sie aber die Schnur nach Willkühr kürzer machen können, so muß der arme Grieche jedesmal Unrecht haben.
Diese Einnehmer sind alte Männer , die einen
so geübten Blick haben, daß sie jedem Menschen an den. Gesichtszügen seinen Stand ansehen, und ihnen nie einer entwischen wird.
Dafür fordern sie aber auch niemals
von irgend einem den Karatsch zum zweytenmal,
Erster Abschnitt.
Beschreibung von Salonichi.
19
Alle türkischen Einwohner sind hier Janitscharen, und als solche wirkliche Soldaten. man in einem Lande ,
Nun aber rechnet
wo jeder Bewohner Soldat ist,
auf eineu jeden eine Frau und zwey Kinder; da nun in Salonichi siebentausend Janitscharen ausgehoben werden können , so würde hieraus eine Bevölkerung von 28 bis 30,000 Türken folgen.
In den Regiſtern der Janit-
scharen Ortas , oder Compagnien , find 13,000 Mann eingeschrieben; dies kommt aber auf die angegebene Ans zahl heraus , denn jeder Janitschar läßt seinen Sohn, sobald er geboren wird , in die Register eintragen. Die Anzahl der Juden kann nicht mit derselbigen Genauigkeit bestimmt werden ; die Berechnung , die mir am wenigsten unvollkommen schien, setzte sie auf 12,000 Seelen. Nach allen diesem kann die Bevölkerung von Salo nichi zu 60,000 Seelen angenommen werden. Hierunter befinden sich 30,000 Türken ,
15,000 Griechen , und
12,000 Juden ; der Rest von ungefähr 2000 Seelen besteht aus fränkischen Kaufleuten, aus Maminen , die halb Türken und halb Juden sind, aus Tschinghenesen, den Zigeunern in der Türkei , und aus schwarzen Sklas ven, die hier alle unter dem Namen Araber begrif fen werden.
B2
Zweyter
Artikel
Abschnitt.
der Ausfuhr.
Ich fange das Gemåhlde des griechischen Handels mit den Artikeln der Ausfuhr an, die ich sämmtlich nach eins ander anführen werde.
Baumwolle aus Macedonien.
Die Baumwolle , die in der Handlung unter dem Namen Baumwolle von Salonichi bekannt ist , insgesammt aus dem Canton Seres.
kommt
Diese macedoni
sche Stadt ist in der ganzen europäischen Türkei wegent ihres reichen Marktes berühmt. Sie liegt funfzehn Stunden nordwestlich von Salonichi , und mitten in einer gros Ben Ebene macht.
die der Strymon bewässert und fruchtbar
Dieser Fluß entspringt an dem Fuße des Sco-
mius , und fällt nach einem Lauf von zwanzig Stunden in den Meerbusen von Amphibolis. gestüm reißender Strom ,
Bald ist er ein uns
bald ein friedlicher , sanfter
Bach, nach der Verschiedenheit der Jahrszeiten.
Int
Frühjahr überschwemmt er die ganze Ebene, und bedeckt fie mit fruchtbarem Schlamm , den er von den benach barten Bergen losreißt ; im Sommer hingegen scheint er in seinem tiefen und gewundenen Bette sich mühsam forts zuschleppen.
Das Thal , das er durchströmt , ist von
allen Seiten verschloffen , ausgenommen gegen Süden,
Baumwolle aus Macedonien .
wo der Fluß sich ins Meer stürzt.
20
Die Berge gegen
Often find die höchsten Gebirge des Pangåus ; nordwärts zieht sich der Scomius hin , und westlich der Berg Cercina. Dieses ganze Thal ist ausschließend der Baumwolle ges widmet ; es liegen in demselben beynahe dreyhundertDdrs fer, die, wenn man von dem Gipfel des Cercina herabfieht, sich einander zu berühren , und nur eine ungeheuer große Stadt auszumachen scheinen. Alle diese Dörfer sind zu Big bis vierzig in Agaliks vertheilt , der Aga bezieht
von seinen Vasallen den Zehnten von der Baumwolle, und muß in Kriegszeiten eine gewisse Anzahl von Truppen zur Armee führen . Die bedeutendsten unter diesen Agaliks sind die von Drama , von Zigna und von Seres. Der Aga von Seres hat fünftausend Mann in seinen Diensten , und gilt für den mächtigsten Bey in ganz Macedonien . Die Agas leben in ihren Schlössern , umringt von einer albanischen Garde , und führen Kriege mit einans & der , wie unsere alten Ritter zur Beit Zeit des des Faustrechts. Der Sieger verbrennt die Pflanzungen des Besiegten, raubt ihm seine Weiber und sein Vieh , und seine verhees renden Streifereien werden nur durch gewisse Musulmånnische Feste unterbrochen , während welcher alle Feindseligkeiten durch eine Art von Gottes frieden aufhören.
Diese Feudalgebräuche ,
die sogar in dem schö-
nen Clima von Griechenland Wurzel gefaßt haben, be: ftätigen die Meinung , daß das gesammte Feudalsystem aus den Ebenen der großen Tartarei zu uns gebracht ist.
22
Zweyter Abschnitt.
Die ottomannische Pforte unterhålt ins geheim diese Streitigkeiten der Agas , und sieht sie sich einmal gendthigt , fich für irgend eine Parthie zu erklären , so übers schickt sie dem schwächern die Schnur , und dem stårs kern die Roßschweife.
Durch Straflosigkeit aufge-
muntert plündern die mächtigern Agas das ganze Land, und häufen schnell ungeheure Schäße auf.
Dann sucht
der Divan sie durch den Reis von irgend einer glänzenden Bedienung in die Stadt zu locken , und sobald er verſichert ist, daß sie ihm nicht mehr entwischen können , so läßt er ihnen durch einen Capidgi den Kopf oder den Beus tel abfordern. Auf diese Art fließen alle Erpressungen der Agas in den Schatz des Großherrn.
Ich werde bey Erwäh-
nung der Griechen noch öfters von diesen Agas reden múſsen , denn wenn man von der Heerde spricht , so kann man die Wölfe nicht mit Stillschweigen übergehen , die fie verschlingen.
Die Baumwolle ,
die in Macedonien gewonnen
wird , kommt von einer jährlichen Staude , die drey bis vier Fuß hoch wächst.
Ihre Frucht besteht aus einer
länglichten Capfel, deren Saamenkörner mit einem weis Ben, seidenartigen Flaum umwickelt sind.
Dieser Flaum
liegt so dicht und gedrångt in der Capsel , daß wenn man ihn einmal herausgenommen hat , es ganz unmöglich ist, In gutem Boden kann ihn wieder hinein zu bringen. man von dem Morgen jährlich zwen bis dreyhundert Olen Baumwolle ernoten ; wenn die Dke nun einen Piafter gilt, so giebt dieses einen Ertrag von zwey bis dreyz hundert Piastern.
Es ist kein Landesprodukt vorhanden,
Baumwolle aus Macedonien.
23
das einträglicher wåre ; daher breitet sich aber auch die Cultur der Baumwolle immer mehr aus , und seit einigen Jahren sind die besten Felder in ganz Macedonien darauf verwendet worden , obgleich die Ebene von Seres , weil fie gegen alle Winde geschätzt ist,
dazu am geschickte-
ften ist. Man unterscheidet in Macedonien fünferley Arten von Baumwolle , nämlich die Tſchesme , die Uchur , die Cantar ,
die Parili
und die Eira Baumwolle .!
Die
erste Sorte ist die allervorzüglichste, und wird aus der Mitte der Capfel genommen.
Die zweyte ist die Zehn-
tenbaumwolle, die der Aga aus den sämmtlichen Vorråthen der Bauern aussuchen läßt.
Die Cantarbaumwolle
ist diejenige , die von den Agas auf ihren eigenen Feldern gewonnen wird ;
weil diese Felder mit mehr Aufwand
bestellt werden, und die Baumwolle auch mit mehr Sorgfalt zubereitet wird , so ist diese Sorte fast eben so schön wie die vorhergehenden.
Den Namen Tarili führt die
Baumwolle von einer Dorfgemeinde ,
der eine gewiſſe
Quantität als Tare aufgelegt wird, um dem Aga die rückständigen Schulden zu bezahlen. Man sammelt fie in einem öffentlichen Magazin, und verkauft sie für Rechnung des Ganzen.
Alle andere Baumwolle wird unter
dem Namen Cira oder gewöhnliche Baumwolle begriffen. Sämmtliche Sorten werden in Bündeln verkauft, die mit zwey langen Strohfeilen zusammen ' gebunden sind , und sieben bis achthundert Drachmen *) Baum-
*) Hundert und achtzig Drachmen geben in Constantinos pel auf ein Notal , oder ein Pfund sechs Unzen französisch Gewicht.
24
Zweyter Abschnitt.
wolle enthalten.
Die Strohseile dürfen eigentlich nur
zwanzig Drachmen wiegen , allein oft werden sie aus Betrug dreyßig bis vierzig Drachmen schwer gemacht. Die Stadt Seres ist der gemeinschaftliche Marktplatz, wo fich im Winter alle Sonntage die Bauern aus dem ganzen Thal versammeln. Einige bieten ihre ſelba geerntete Baumwolle zum Verkauf an , andere suchen, die Baums wolle , die sie einzeln und in kleinen Quantitäten gekauft haben , jest wieder im Großen abzusetzen , nachdem sie Die dieselbe auf eine eigene Weise zubereitet haben. Käufer sind Kaufleute in Seres, die für entfernte Häuser Commission übernehmen ,
und Factoren ,
die von den
Fränkischen Kauflenten in Salonichi dahin geſchickt wers den.
Diese Factoren müssen mit großen Suninten Gela
des versehen seyn , denun ſie müſſen, drey Viertheile der gekauften Baumwolle noch vor der Ablieferung derselben baar bezahlen.
Sie kaufen die Waare, ohne sie gesehen
zu haben, und reisen nur in die Dörfer, um sie einpacken Auf diese Art werden ohne
und abführen zu lassen.
Mäckler , ohne schriftlichen Contract ,
ohne Garantie,
und bloß durch mündliche Accorde , die aber stets aufs' getreueste gehalten werden , unermeßliche Geschäfte ges macht.
Entsteht jedoch einmal ein Streit zwischen Kaua
fer und Verkäufer , so läßt sie der Bey von Seres vor sich kommen , und entscheidet ohne daß eine weitere Aps pellation Statt findet.
Der jebige Bey ist zwar ein
bloßer Tartar , allein er verbindet mit seiner Rohheit eis nen solchen geraden Sinn ,
daß in seinem Agalik aus
Furcht keine Betrügereien verübt werden.
25
Baumwolle aus Macedonien.
Die Abgaben von der Baumwolle an den Großherrn schränken sich auf das sogenannte Bedeat ein , das von der Oke Baumwolle einen Asper beträgt , und in Seres bezahlt wird , und einen Zoll von anderthalb Aspern, der zu Salonichi bey der Ausfuhr zur See bezahlt wird. Daher wird von der Baumwolle ,
die zu Lande nach
Leutschland und Dalmatien verführt wird ,
nur allein
das Bedeat entrichtet. Die jährliche Baumwollenerndte im Thal von Ses res wird zu 70,000 Ballen gerechnet.
Der Ballen entz
hält zwey Tengs, jeden zu sechzig Büudeln, und an Ges wicht ungefähr hundert Oten reine Baumwolle. Der Preiß ist zwischen achtzig bis hundert und sechs zig Aspern für die Ofe ; nimmt man den Mittelpreiß von hundert und zwanzig Aspern , oder einem Piaster an, so ergiebt sich , daß die bloße Baumwollencultur Macedonien jährlich ungefähr 700,000 Piaster einträgt.
Dies
ser Ertrag steht dem von den reichsten Colonien in den Antillen zur Seite, und macht die Grundlage von dem ganzen Handel mit Europa aus, durch welchen die maces donische Baumwolle in alle europäische Länder verschickt wird.
Die Leutschen allein führen jährlich über 30,000+
Ballen davon aus : die Franzosen 12,000 ; 4000 Bale len werden nach Venerig , 1500 nach Livorno, und eben so viel nach Genua verschickt.
Nach London gehen zwey
Schiffsladungen , und eine nach Amsterdam .
Im Gans
zen werden jährlich wenigstens 50,000 Ballen ausgez führt , deren Werth fünf Millionen Piafter beträgt. Ju Griechenland selbst werden
10,000 Ballen
verbraucht. Dies würde unglaublich viel scheinen , wenn
26
Zweyter Abschnitt .
man nicht wüßte , daß die Türken ihre Matrazen, Sophas und Bettdecken mit Baumwolle füllen ,
und daß
außerdem die Vorschrift ihrer Religion, nach welcher den Leichen von beyden Geschlechtern, ehe fie begraben wers den, alle Deffnungen und natürlichen Canale des Körpers mit Baumwolle müssen zugestorft werden , die Kons fumtion dieses Products noch sehr vermehrt. Der Ueberreft der gewonnenen Baumwolle wird ges sponnen, so wie alle die in andern Gegenden, als in dem Canton Seres geerntet wird , und die von dem griechis schen Bauer für seine häuslichen Bedürfnisse ausschlie Bend bestimmt ist. Diese Baumwolle ist gråber als die erstere, aber långer und deshalb geschickter zum Spinnen ; sie wächst vorzüglich bey Panomi und Mafilica in dem alten Chalcis , in den Pharsalischen Feldern und bey Caripa in Thessalien. Dieganz Masse der Baumwolle kann auf 20,000 Ballen geschätzt werden.
Hievon verbraucht Salonichi
zweytausend Ballen in seinen Fabriken von groben TůFabriken zu Karas Veria ebenso viel verarbeiten die chern; oder Veria oder dem alten Beroea , zu Pestemals, oder Bades tüchern , davon die Türken in ihren öffentlichen Bådern und zu ihren häuslichen Abwaschungen eine sehr große Menge brauchen.
Zwischen zwölf und funfzehuhundert
Ballen werden in Drama verarbeitet, und zehn bis zwölfhundert in den Fabriken von gröbern Cattun zu Seres, mit welchem fast alle Sophas in der gauzen Türkei überzogen sind.
Die meiste gesponnene Baumwolle wird je
doch in Toruovo, einer kleinen Stadt in Thessalien, drey Stunden nordwestlich von Larissa , verbraucht.
Baumwolle aus Macedonien.
27
Die Fabriken zu Tornovo find durch ganz Romanien wegen der Schönheit ihrer Aladjiats berühmt. Dieses sind leichte , aus Baumwolle und Seide gewebte Zeuge, die in dem europäischen Handel vortheilhaft bekanut sind. Sie werden besonders zu Kleidungen der echischen Damen gebraucht, und man rechnet, daß jährlich zwischen drey bis viertausend Ballen gesponnener Baumwolle darauf verwendet wird, Zehntausend Ballen werden in
den Fabriken in
Theffalien roth gefårbt , und nach Teutschland , Pohlen Rußland und in die Schweiz verschickt. Wir wissen aus Erfahrung , daß , wenn die rohe 6/ Baumwolle funfzig werth ist, so ist der Werth der gesponnenen hundert. Nun gehen aber nur höchstens zehn Pros cent hieben verloren , folglich gewinnt jedes Land , das feine Baumwolle selbst spinnt , vierzig Procent am Ara beitslohn. In Theffalien und Macedonien werden 20,000 Ballen Baumwolle gesponnen ,
und 10,000 gefärbt.
Der Gewinn des Färbens muß wenigstens zu zwanzig Procent angenommen werden : man kann ihn jedoch mit dem Gewinn von der Spinneren nicht in Vergleich stellen, er bereichert im Grunde nur einige Capitalisten , die Spinnerey aber trägt sehr wesentlich zum Wohlstand des Volkes bey.
Der große Vortheil der Spinnerey, besteht darin, daß die nämliche Hand , die die Baumwolle fået und erndtet, diesem Produkt der Natur durch eine so höchst einfache Kunst auch noch eine andere Form geben , und dadurch dessen. Werth erhöhen kann.
Sehr einträglich
28
Zweyter Abschnitt.
ist zwar diese Arbeit im Einzeln nicht , allein man hat sie beständig zur Hand , und kann damit alle leeren Augens blicke ausfüllen .
Man läßt sie ruhen, sobald man etwas
nüglicheres zu thun findet , und kehrt bey dem ersten rus higen Augenblick wieder zu ihr zurück. Die Spinnerey füllt alle sonst verlornen Minuten des Lebens aus , bes schafftigt schwache Greise und Kinder , und verschafft ih= nen den nöthigen Unterhalt ; -ſie ſchüßt in der That ein ganzes Land gegen den Müßiggang , Uebel , die aus ihm entspringen.
und gegen alle
In einem Lande, das weniger mißhandelt würde als Macedonien , könnte der Bauer, wenn er zugleich Spinner ist, sich zu einem gewiffen Wohlstand empor ar= beiten , weil er durch den Profit des Spinnens mehr in Stand gesetzt würde , mehr auf den Ackerbau zu verwen den, und folglich seine Erndten zu vermehren.
Allein in
Griechenland zieht nach der jetzigen Lage der Dinge der Bauer aus seinem doppelten Fleiß keinen weitern Nußen, als daß er nicht ganz so elend ist , als er ohne Spinnerey feyn würde , und daß die Agas eine Ursache mehr haben, ihn zu pressen ,
ohne ihn gerade Hungers sterben zu
lassen.
Cabal aus Macedonien. Nach der Baumwolle ist der Tabak der wichtigste r fe Arti der Ausfuhr von Griechenland. Frage a , ob der Getrais ufgewo Man hat die rfen mehr Nußen brächte als der ni beban den Macedon iern cht Tabakb ? Es ist nämlich zu bemerke , daß in jedem n au Boden , der zum Tabak tauglich ist , auch alle Getrai-
Tabal aus Macedonien.
dearten vortrefflich gedeihen.
29
Als in den letzten Jahren
des vorigen Jahrhunderts wegen der drückendsten Huns gersnoth wiederholte Empörungen in Conſtantinopel auss brachen, so hatte Mustapha II. die Absicht , Macedonien zu einer der Vorrathskammern des Reichs zu machen, und sein Divan verbot daher den Tabaksban. Seitdem wurde jedoch dieſes uneingeschränkte Verbot in eine sehr starke 2 Abgabe verwandelt , und hierbey ist es seitdem ges
blieben. Wåre bey dieser erlassenen
Verfügung nicht die
Rede von einem türkischen Disan, so könnte man von Mustaphas Rathgebern große Einsichten in die Landôkonomie vermuthen.
Die Labalspflanze gedeiht in der
That nirgends , als in dem allervorzüglichsten Erdboden, und auch dieser , wenn man ihn nicht über die Maaßedingt, wird sehr bald erschöpft.
Hiezu kommt noch,
daß die Pflanze so stark den Saft der Erde an fich zieht, daß sie auch den benachbarten Feldern ihre Fettigkeit ents zieht. Allein, ungeachtet der drückenden Auflagen , die auf dem Tabaksbau liegen , haben dennoch die macedoniz i schen Bauern sich nicht davon abhalten lassen. Sie glauben die Masse ihres Getraides verdoppelt zu haben, wenn fie den Gewinn von ihren Feldern durch die Art : der Cultur verdoppeln. Das Interesse ist hierin ihr Füh- i rer, und sie haben Recht, daß sie diesem Instinct folgen, : denn es ist kein Boden in der Welt so zuträglich dem Tabaksbau wie der ihrige.
Er ist so fett, daß er durchs
aus ſtark ſaugende Pflanzen nöthig hat ; die 看 dicke ſalpez terichte Luft,
die Lage am Fuß des Pangaus ,
des
Zweyter Abschnitt.
за
Olymps und anderer hohen Berge , welche unaufhörlich einen Kreis von Dünsten um das ganze Land herumziehen, ferner die beständigen Anschwemmungen des Meeres, des Strimons , des Agius und tausend andere Ursachen , ge= ben dem Thier
und Pflanzenreich einen solchen Reichthum
an Lebenskraft , daß man in keinem andern Laude einen Begriff davon hat.
Die Natur hatin Macedonien ein
Uebermaaß von Kraft , die Pflanzen haben zu viel Saft, und die Thiere zu viel Stärke. Ein mit Tabak bepflanztes Stück Land giebt einen doppelt so starken rohen Ertrag als ein mit Gerraide bes stelltes Feld ;
allein der Bau und die Behandlung des
Tabaks erfordert so viele Sorgfalt und Arbeit ,
daß der
Vortheil wieder beträchtlich dadurch vermindert wird. Auffallend ist es , daß die Bauern ,
die Tabak bauen,
selten wohlhabend ſind , und daß es weit schwerer ist, die Abgaben von ihnen zu erhalten , als von den Getraide bauern. Dieser Umstand spricht eigentlich nicht zum **** Vortheil des Tabakbaues ; er hat in der That nichts mit dem System dieses Zweiges der Cultur gemein, denn die Tabakspflanzungen werden allgemein den Getraidefeldern vorgezogen , und die Türken haben sich dieselben fast ausschließend vorbehalten, den Griechen aber die Ges traidefelder überlassen.
Sie stehen auch in einem weit
theurern Preis , und müssen doch folglich auch mehr eins tragen , als die lettern , denn sonst würde der Eigennuk das günstige Vorurtheil für dieselben bald zerstören. Man muß daher die Verschiedenheit zwischen der Lage anur in
des Tabaksbauern und des Getraidebauern ihrer persönlichen Industrie aufsuchen.
Die Griechen
Tabat aus Macedonien.
31
find nicht so schlechte Landwirthe als die Türken ,
mun
aber sind die Griechen die Getraidebauern , und die aller meisten Tabakspflanzungen befinden sich in den Händen der Türken. Die Güte des Tabaks ist verschieden , nach den Cantonen , worin er wächst.
Diese Cantone formiren
nordwärts von Salonichi einen halbeirkel, deffen Durch meffer ungefähr fünf und zwanzig Stunden lang ist.
Er
erstreckt sich von Westen nach Osien von dem Fluß Vers dar bis an den Fluß Mesto , jenseits Cavala. Der Canton Jenitza. (Jenidge) ist der erste am Ans fang des Halbcirkels gegen Westen , der vom der kleinen la Stadt Jenika , die dicht bey den Ruinen des alten Bel liegt , feinen Damen hat.
Er hat ungefähr zehn Stunz
den im Umkreis , und begreift zwölf Dörfer in fich , die fåmmtlich den Tabakbau treiben.
Dieser Tabak ist un,
ter dem Namen , Jenidge , Verdar im Handel bekannt. Sein Blatt ist klein , dem Blatt unseres Nußbaums in der Form ähnlich, goldgelb von Farbe, sehr wohlriechend und von einem angenehmen Geschmack .
Die Ofe von
Dieser Sorte kostet gewöhnlich siebenzig bis achtzig Aspern, und man kann den sämmtlichenErtrag des Cantons Jenika, jährlich auf fünftausend Vallen , jeden zu hundert Oken rechnen. Weiterhin in dem Halbcirkel liegt der Flecken KaraDagh, zu dem ungefähr dreyßig kleine Dörfer gehören, deren Bewohner in den fetten Aeckern, die zunächst ihre Wohnungen umgeben ,
ebenfalls Tabak bauen.
Der
Kara - Dagh ist aber nicht so gut wie der Jenidge ; die
Zweyter Abschnitt.
14
Oke davon kostet funfzig bis sechzig Aspern , und jährlich werden 12 bis 15000 Ballen geerndtet.
Neben Kara Dagh liegt der Flecken Jolbachi , zü dem nur vier oder fünf schlechte Dörfer gehören , die jährlich vier bis fünftausend Ballen Tabak produciren. Der Jolbachi hat sehr viel Aehnlichkeit mit dem Karas Dagh , und wird deshalb auch um den nåmlichen Preis verkauft , ob er gleich nicht ganz so gut ist. Man muß jedoch Keuner seyn, um ihn unterscheiden zu können. An den Canton Jolbachi grenzt der Canton Petrich, der funfzehn große Dörfer in sich faßt.
Diese haben eine
höchst angenehme Lage auf Auhöhen, die von hohen Bergen gedeckt werden,
und diese glückliche Lage ist dem
Labaksbau ausnehmend zuträglich.
Durch eine Menge
von Quellen wird der Erdboden beständig feucht erhalten, und der Tabak erhält eine Kraft, die er in den benachbarten Distrikten nicht hat.
Daher haben auch die Blåts
ter des Petrich eine andere Gestalt und einen ganz andern Geschmack , als alle übrigen Sorten von macedonischem Tabak.
Der Preiß dafür ist fünf und dreyßig bis viers.
zig Aspern für die Oke, und der jährliche Ertrag 20,000 Ballen. Strumzza ist eine kleine Stadt , die vier und zwane zig Stunden nordwärts von Salonichi, und in der Mitte des oben angegebenen Halbcirkels liegt.
Zu derselben
gehören ungefähr zwölf Dörfer , die sich sämmtlich auf den Tabakbau legen.
Diese Sorte ist die gemeinste , da
fie aber in dem einen Dorfe besser ist als in dem andern, so ist der Verkaufspreis sehr verschieden.
Die Oke foa
Tabat aus Macedonien.
33
kostet zwischen dreyßig bis funfzig Aspern, und die jährliche Erndte beträgt 15 bis 18000 Ballen.
In dem westlichen Theil des Halbcirkels ,
näher
bey Cavala als bey Salonichi liegen noch die Landschaf= ten Negrocomp, Prava , Muſtegna , Demioli , Cavala, und Jenidge - Kara. Mit Jenidge 3 Verdar fångt der Halbcirkel in Westen an , und Jenidge - Kara schließt ihn gegen Often .
Dieser Flecken liegt an dem Mesto , am
Fuß der dftlichen Berge des Pangaus , vier Stuyden nordwärts von dem alten Abbera, vou dem an der Küste 24 des Meeres noch einige Spuren vorhanden sind. Die Anhöhen, die Jenidge umringen , find im Frühjahr alle mit Tabakpflanzen bedeckt.
Ihre dunkelgrüne Farbe
slicht mit den kahlen Felsen des Pangaus und dem schlame migten Wasser des Mesto stark ab, und giebt einen sehr malerischen Anblick. Der Tabak aus dem Canton Cavala wird um fechsig bis achtzig Afpern für die Oke verkauft , und der jährliche Ertrag beträgt 40,000 Ballen.
Unter diesen
verschiedenen Sorten , die alle vorzüglich gut sind, zeichnet sich dennoch der Jenidge- Kara besonders aus. Er ist unstreitig der beste Tabak in ganz 4 Macedonien ; seine Blätter find klein , der Geruch ist sehr balsamisch , der Geschmack äußerst lieblich.
und
Der Preis diefer Sorte
zeigt auch schon , wie sehr ihn die Türken schäzen , denn die Oke davon wird für fünf bis sechs Piafter verkauft. Seine Güte ist jedoch fast von einem Felde auf das andere fehr verschieden , wie man eben dasselbe bey dem Tockayer Wein findet.
Dicht neben einem Feld , woraufdie auss
erlesenste Sorte von Tabak gewonnen wird , C Beaujours Beschr.
wächst oft
Zweyter Abschnitt.
34
der allermittelmäßigste , jedoch arter er im Ganzen gel nommen immer mehr aus , je weiter die · Felder von Jes nidge entfernt liegen.
Man darf daher kaum eine Quas
dratmeile rechnen , auf der diese auserlesene Sorte ges wonnen wird.
Er wird fast insgesammt nach Constans
tinopel geschafft , zum Gebrauch für die Großen. Aus allem bisher angeführten erhellet, daß die vers schiedenen Sorten von Tabak, wonnen werden ,
die in Macedonien gez
unter drey allgemeinen Benennungen
begriffen werden können , nåmlich : der Petrich , der Jes midge und der Kara : Dagh. schen Handel nur diese
Auch sind in dem europåi-
drey Namen bekannt.
Der
Petrich hat große Blåtter , und wird am häufigsten im Ausland gefunden ; der Jenidge hat fleine , unregelmas Big ausgeschnittene Blätter , und ist die mildeste, beste und kostbarste Sorte.
Der Kara: Dagh halt in Rücks
ficht der Größe und der Güte der Blåtter das Mittel zwischen jenen beyden.
Die Sorten von Labak aus den
andern Cantonen befinden sich zwischen diesen dreven, und werden nur nach geringen Verschiedenheiten von ihs. nen abgesondert.
Rechnet man nun die ganze Summe des Ertrags zusammen, so ergiebt es sich, daßjährlich gegen 100,000. 100 , ܘܘܘ Ballen Tabak in Macedonien gewonnen werden. Hie von wird bey der Ausfuhr ein Zoll von zwölf Aspern für die Oke bezahlt , und der Mittelpreis der Oke beträgt sum wenigsten sechs und dreyßig Aspern.
Hieraus folgt
nun , daß der Tabaksbau Macedonien jährlich vier Millionen Piafter einträgt , wovon ein Drittheil vermittelst des Zolles in den Schatz des Sultans fließt,
Tabat aus Macedonien.
35
Der Kauf des Tabaks geschieht auf zweyerley Art; entweder nimmt man seine Bedürfnisse in den Magazinen zu Salonichi , oder man schickt Handlungsdiener in die Distrikte, die mit den Pflanzern selbst handeln, und den Labak nach eigener Angabe behandeln lassen.
Bey dies
fer letztern Verfahrungsart können zwar zehn Procent ges wonnen werden , allein man ist auch einem starken Risi co unterworfen.
Vor der Ablieferung des Tabaks můs
sen nämlich drey Viertheile der Kaufsumme bezahlt were den, und man läuft Gefahr, diesen Vorschuß zu verliez ren , da der arme Bauer in diesem Lande , wo das Feudalsystem in seiner ganzen Strenge herrscht ,
den Ers
pressungen der Beys häufig unterworfen ist. Sonderbar ist übrigens der Gebrauch , daß Käufer und Verkäufer nur über die Quantität mit einander hans deln ; der Preis wird von dem Zolleinnehmer in Salonichi bestimmt.
Zu diesem Ende reist derselbe jährlich
gegen Ende Octobers in die Messe nach Doglia , einem Flecken nahe bey Petrich. Hier kommen Deputirte aus allen Gegenden, wo Tabak gebaut wird , zusammen, tragen dem Zelleinnehmer ihre Gründe vor , und dieser, oft ohne die Gründe angehört zu haben, bestimmt willkührlich den Preis , und schreibt ihn mit eigener Hand auf einen hölzernen Pfeiler,
der auf dem Marktplat
steht. Die Factoren packen hierauf den gekauften Labak in eine besondere Art von grobem Luch , das Abats heißt , und schicken ihn nach Salonichi. Hier wirs er in den Magazinen aufgeschüttet , bis er ganz aufhört zu € 2
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gåhren, und dann schifft man ihn für den Ort seiner Bes stimmung ein. Im Ganzen verbraucht die europäische Türkei jähra lich 40,000 Ballen von macedonischem Tabak; Egypten 30,000 , die Barbaren 10,000 .
Nach Italien werden.
20,000 Ballen geschickt , und noch vor kurzem gingen jährlich zehn bis 12,000 Ballen in die dstlichen Provins zen von Teutschland.
Allein feitdem der Tabaksbau in
Ungarn eingeführt , und so sehr begünstigt ist , haben die Sendungen nach Teutschland ganz aufgehört, und auch die nach Italien sind durch die Concurrenz mit dem Ungarischen Tabak sehr vermindert worden. Getreide aus Theffalien und Macedonien. Das hier folgende Gemåhlde von dem Getreidehan del wird die nöthigen Aufschlüsse über die Bevölkerung von Macedonien geben.
Diese Provinz ist wegen der
außerordentlichen Fruchtbarkeit des Bodens eine der am wenigsten entvölkerten in der Türkei.
Aus ihrer gerins
gen Bevölkerung wird man auf den jetzigen Zustand des türkischen Reichs schließen , und die Idee von der Macht desselben berichtigen können. Die Lage von Macedonien ist äußerst glücklich. Nordwärts wird es von dem Pangåns , dem Scomins und andern Bergen begrenzt dftlich umschließt es denBerg Athos , und westlich den Olymp. Gegen Süden wird es von dem Meer bespült , und hat durch deffen Abschwemmungen die Gestalt eines einwärts gebogenen Halbcirkels bekommen. Durch diese einem Hufeisen ähnliche Gestalt wird es von Natur in drey Theile ein
Getreide aus Thessalien und Macedonien.
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getheilt , die alle drey eine gleich vorzügliche Fruchtbarkeit haben , nämlich in den obern Theil des Halbcirkels, der das eigentliche Macedonien ausmacht, in den öftlichen Theil, den ich von dem Berg Athos benennen werde, und in den westlichen Theil Olymp.
oder die Gegend um den
Diese drey Theile von Macedonien übertreffen
an Fruchtbarkeit sogar die reichen Ebenen von Sicilien ; die Gegend um den Berg Athos ist unter ihuen wieder die vorzüglichste.
Ja die Felder von Panomi und Cas-
fander geben , wenn der Pflug kaum ihre Oberfläche umgeworfen hat , eine weit reichere Erudte als die besten Felder in den fruchtbarsten Gegenden von Europa , wenn sie mit dem größten Fleiß und der angestrengtesten Mühe bestellt werden , der Weizen hat daselbst einen Ueberfluß an Nahrungssaft, und würde darin ersticken , wenn man ihufnicht abschneiden oder durch Schafe abfreffen ließe. Diese drey Distrikte sind in Agaliks abgetheilt. Der Aga zieht einen mehr oder weniger beträchtlichen Zins von den Getreidefeldern ,
und der Großherr den
Zehnten von dem ganzen reinen Ertrag.
Zur Einsammlung
desselben wird jährlich von der Pforte ein besonderer Beams ter ernannt , der den Namen Iſtiradgi führt. Das Wort Iftira bezeichnet die Gegend , worin er sein Land zu verwalten hat , so wie auch den Gegenständ desselben, nåmlich die Abgabe.
Die Jftira von Salonichi begreift das
Land in sich, das zwischen dem Verðar und dem Sirys mon liegt ; sie erstreckt sich sogar noch jenseits des Verdar, über den ganzen Canton Jenidge hinaus, bis nach Karas Veria.
Dieses Land wurde im Jahr der Hegira 830.
oder 1427. der christlichen Zeitrechnung von Murad II.
Zweyter Abschnitt .
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an Gazi : Ghavrinos , einen seiner Generale abgetreten. Feldzuge ganz Macedo Dieser hatte in einem einzigen nien erobert, und Salonichi, die Hauptstadt, mit Sturm eingenommen.. Weil nun Macedonien das Was terland Alexanders gewesen ist,
so glaubte Murad in
der Eroberung desselben einen ganz besondern Ruhm zu finden , und wollte daher auch den Sieger großmüthig bes Johnen.
Zu diesem Ende schenkte er ihm alles Land,
das er von einer Morgenröthe bis zur andern durchreiten könnte.
Ghasrinos befand sich gerade tamals zu Je-
nidge ; von diesem Punkt gieng er also aus , hielt sich zuerst füdwärts und ritt dann wieder gegen Norden, fo daß er ungefähr einen Cirkel beschrieb.
Er hielt zu Co.
lakia stille , einem Flecken auf dem linken Ufer des Vers dar , vier Stunden von Salonichi ; hier warf er seinen Topus
) zur Erde , um gleichsam die Grenze seiner
neuen Besitzungen dadurch zu bestimmen.
Er war schon
durch sechs und neunzig Dörfer gekommen ,
und nach
einer Tradition würde er noch weiter haben reiten können, und wahrscheinlich würde ihm Salonichi selbst noch zu Theil geworden seyn, wenn er nicht wäre durch das Krås hen eines Hahnes betrogen worden , der vor der Zeit den Morgen ankündigte.
Dieses geschenkte Land wurde von
allen Abgaben befreyt, ausgenommen von der Istira, und es gehört noch heutiges Tages mit allen ursprünglichen Befreyungen der Familie Chavrinos , die eine der vora
* Der Topus ist eine Art kleiner Keulen , welche die Türken an ihrem Sattel tragen, und der bey ihnen ein Ehrenzeis chen ist ; auf der einen Seite bángt der Sábel , und auf der andern der Topus.
Getreide aus Thessalien und Macedonien.
nehmsten in ganz Griechenland ist.
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Kein Glied derselben
kann durch die Schnur umkommen , und bey schweren Verbrechen haben sie das Privilégium des Muphti , daß fie in einem Mörser zerstoßen werden. Wo die Iftira von Salonichi aufhört , 爵 da fångt gegen Westen die von Idolo an, und begreift die ganze Gegend um den Olymp, ferner den Canton Zagora, der das alte Magnesien ist , die Meerbusen von Idolo und von Zeiton , und überhaupt den Theil von Theſſalien, der zu dem Muffelimlik von Larissa gehört.
Dieses
Muffelimlik erstreckt sich über das ganze Land , das die Alten unter den Namen Phocis und Pelasgien kannten, und das zwischen Macedonien, dem Meer, dem Berg Deta und einer von Süden nach Norden gezogenen Linie liegt, welche bey dem alten Hypate anfängt , sich durch die Pharsalische Ebene zieht , und bey Oloofson endigt.
Ez
ist die fruchtbarste Gegend in 4Thessalien. Die Istira von Orphano begreift den östlichen Theil
von dem Distrikt des Athos in sich,
und erstreckt sich
Längs der Seeküste hin von der Spitze dieses Gebirges bis an die Insel Thasos, einige Stunden jenseits Cavala. Landeinwärts macht sie einen halbcirkel , dessen Mittelpunkt bey Orphano , nahe bey den Ruinen von Amphis polis if , und dessen halber Durchmesser ungefähr zehn bis zwölf Stunden betragen kann. In den Distrikten von Wolo und von Salonichi iſt die Abgabe der Iftira ein für allemal fest bestimmt , in dem Distrikt von Orphano aber richtet sie sich nach dem Ertrag der Erndte.
Der Regel nach muß sie jedoch den
Zehnten des jährlichen Ertrags in allen drey Distrikten
40
Zweyter Abschnitt.
ausmachen ; in der That aber beträgt sie überall nur den Zwölften.
Das Getreide wird in Macedonien nach Quilots gemessen , welche den Namen Quilots von Stambul füh Ein jeder wiegt zwey und zwanzig Oken , und ihe
ren.
rer vier können ungefähr einem Pariser Septier (ein Septer der zwölf Scheffel oder Boisseaur enthält) gleich geschäßt werden.
Wenn der Iftiradgi das Getreide ems
pfångt , so zahlt er dem Eigenthümer zwanzig Paras für das Quilot , und erhält Den so viel von dem Groß, herrn wieder vergütet.
Auf den Preis macht er also
keinen Gewinn , desto mehr aber aufdas Gemäß ; dieses ist gehäuft voll , wenn er Getreide einnimmt , aber tief gee strichen , wenn er es in die Magazine nach Constantinos pel schickt.
Außerdem erhebt der Iftiradgi noch 20,000
Quilots für seine eigene Rechnung , und bezahlt zwanzig Para für den Quilot , den er wieder für zwey Piaster verkauft.
Hieran allein macht er einen Gewinn von
30,000 Piastern.
Der Distrikt Salonichi giebt jährlich für die Istira 120,000 Quilots Getreide ; das von Idolo nur 80,900. In beyden ist diese Summe unter die steuerbaren Unters thanen nach einem alten Cataster bestimmt vertheilt , und leidet weder in guten noch in schlimmen Jahren die mins deste Abänderung.
In dem Landstrich von Orphano
hingegen richtet sich die Abgabe nach der Verschiedenheit der Erndten ; doch kann man sie, ein Jahr ins andere gerechnet , zu b0,000 Quilots angeben. Nach diesen Angaben , die aus den Registern der Iftira selbst gezogen sind , ist es leicht , bie ganze Maffe
Getreide aus Theffallen und Macedonien.
41
von Getreide zu berechnen , die jährlich in diesem, dem kaiserlichen Zehnten unterworfenen Theil von Macedos nien und Theffalien gewonnen wird. Die 120,000 Quilots von Salonichi , die 80,000 von Idolo und die. 60,000 von Orphano machen zusammen 260,000 Quis lots ; da nun diese augenommene Quantität nur
der
zehnte oder eigentlich nur zwölfte Theil von der jährli chen Erndte ist, so folgt daraus , daß alle mit einander 3,120,000 Quilots , oder ungefähr 800,000 Pariser Sestern (leptiers) gewinnen. Die Quantität eines ausgeführten Products kann Allein diese
nur nach Zollregistern bestimmt werden.
werden hier schlecht geführt , und man kann sich nicht Sobald jedoch die Rede. durchaus auf sie verlassen. von Artikeln ist , die für die ottomannischen Håfen ausgeführt werden , so hat man keinen Grund , vorsetzliche Verfälschungent anzunehmen. fern
daher
die Zollregister
In dieser Hinsicht lies einen vollständigen
Bes
weis , und gewöhnlich beweisen sie noch mehr , denn es ist natürlich, daß manche Artikel der Aufsicht der Zolls beamten theils entgehen , theils gefliffentlich vor ihnen verheimlicht werden. Nun findet sich aber in den Zollregistern nichts von dem Getreide, das vermittelst der Iftira außer Landes gehet ; allein außerdem geben sie an , daß jährlich unges fähr dreyßig
Schiffsladungen Getreide aus den Has
fen von Idolo , Salonichi nnd Orphano nach Constantis nopel, und vierzig Ladungen nach andern ottomannischen Håfen ausgeführt werden. j Man kann überdies anneh men, daß wenigstens zehen Ladungen heimlicher Weise
Zweyter Abschnitt .
42
aus den Håfen von Zeiton und Cassander fortgeschickt werden, in welchen gar kein Zollbeamter angestellt ist, und wo die Schleichhändler sogar oft durch die bewaffne werden. Dies ten Schiffe des Großherrn selbst unterstüßt beträgt also zusammen achtzig Schiffsladungen. Schwerer zu bestimmen ist die Getreideausfuhr nach europäischen Håfen ,
denn sie ist nach türkischen Ges
sehen streng verboten.
In den europäischen Handelsta:
bellen werden diese Ladungen gewöhnlich unter dem Ausdruck Rimessen nach Frankreich oder nach Italien en versteckt; nun erhellt aber aus den Auszüg die inder französischen und italianischen Consularçanzley verfer tigt sind ,
daß diese Rimessen ein Jahr ins andere ges
rechnet, 200,000 Piaster für Frankreich, und 600,000 für Italien betragen,
Dies macht nach dem Marktpreis
des Getreides ungefähr vierzig Schiffsladungen ; nimmt man hierzu die obigen achtzig Ladungen für die ottomans nischen Hafen, so beträgt die gesammte Ausfuhr ungefähr hundert und zwanzig Schiffsladungen .
Auf jede Schiffsladung können 10,000 Quilots gerechnet werden ;
die hundert und zwanzig Schiffsla-
dungen betragen also 1200,000 Quilots.
Den jähr 20,000
lichen Ertrag der Ernte habe ich oben zu n, diesem der Istira Quilots berechnet , folglich werden niin, unterworfenen Theil von
Thessalien und Macedonien
1,920,000 Quilots Getreide oder ungefähr 500,000 Pariser Sester (Septiers) perzehrt. Gewöhnlich rechnet man auf einen Menschen im Durchschnitt jährlich anderthalb solcher Sester , allein in
Getreide aus Theffalien und Macedonien. einem Lande ,
43
wo die Bauern einen großen Theil des
Jahres bindurch sich mit Gerste und Mais nåhren , und wo sie überhaupt weit weniger essen , als die 1 Bauern in unsern nördlichern Gegenden , kann man höchstens einen Sefter annehmen. Hierzu kommt noch, daß in den Ländern wo Sklas verey herrscht, nur die Herren sich satt eſſen , die Bauern aber arbeiten und hungern. Man wird also nicht viel von der Wahrheit abweis chen, so wenig es nämlich bey solchen Rechnungen mögs lich ist , wenn man für die jährliche Consumtion eines jeden Menschen einen Sester rechnet ; hieraus aber folgt eine Bevölkerung von 500,000 Seelen.
Die Richtigs
keit dieser Angabe scheint wirklich außerZweifel zu seyn. Es ist übrigens in der Türkei nicht möglich, eben so genaue Angaben der Bevölkerung zu liefern wie in Europa , denn die Gebornen werden dort nicht wie bey uns , in öffentliche Register eingetragen .
Die Zahl der
Unterthanen , die nicht Muselmanner sind , könnten nach δρυ Karatsch berechnet werden , den sie bezahlen müſſen ; da jedoch nicht nur die Juden , sondern auch die meisten griechischen Gemeinden mit dem Einnehmer dieser Abgabe für eine gewisse jährliche Summe übereingekommen sind, und immerfort dieselbige bezahlen , so kann man auch hierauf keine gewisse Rechnung bauen. In mehrern Landschaften hat sich sogar die Anzahl der Karatschzettel feit der Zeit der Eroberung durchaus nicht verändert ; nur der Preis eines Zettels ist gestiegen und gefallen, zwis schen zwey bis zehn Piaster ,
denn es muß jährlich die
nämliche Summie von dieser Abgabe in den kaiserlichen
Zweyter Abschnitt,
44
Schatz geliefert werden ,
die Anzahl der Unterthanen,
die dieser Kopfsteuer unterworfen find, mag nun zu- oder abnehmen.
Daher kommt es auch,
daß in Cypern
zwölf Piaster für den Karatsch bezahlt werden, und hingegen in • manchen Kreisen von Thessalien mur hundert Para, denn diese beyden Länder stellen die beyden Ertres me der ottomannischen Bevölkerung dar. In Salonichi werden an Griechen undJuden 10,000 folcher Zettel ausgetheilt ; in dem ganzen Paschalik Ma= cedonien aber bringt der Karatch jährlich dem Großherrn und seinen
300,000 Piaster , 100,000 Piaster ein.
Abgeordneten
noch
In dem Muſſelimik Lariſſa er-
trågt er für den Großherrn und seine Beamten zusammen 100,000 Piaster.
Berechnet man nun diese Abgabe
nach einem Mittelanschlag , etwa sechs Piaster auf den Kopf, so ergiebt sich eine Bevölkerung von 80,000 Seelen, die dem Karatsch unterworfen sind. Wenn man 4 jedoch bedenkt, daß diese Abgaben nur von dem männli chen Geschlecht , und zwar erst von dem Alter von fünf und acht Jahren an , bezahlt wird , so sieht man , daß in den nicht muselmännischen Familien, die dem Karatsch unterworfenen Köpfe sich wie eine zu vier verhalten, und folglich bezeichnet der Karatch eine Bevölkerung von 320,000 Seelen.
Von den 500,000 Seelen ,
die
nach der Consumtion des Getreides angenommen werden, bleiben also 180,000 übrig, die auf die Türken zu rechnen sind. Diese Berechnung stimmt auch mit den militärischen Recrutirungslisten zusammen ,
dem einzigen Maaßstab,
am mit einiger Genauigkeit die ottomannische Volksmenge
Getreide aus Theffalien' und Macedonien. zu berechnen.
45
Das Pafchalick von Salonichi hat nebst
dem Musselimlic von Larissa in den gewöhnlichen euros päischen Kriegen funfzehn tausend Mann zu stellen.
Aus
den Familien , die zu militärischen Corporationen gehd ren, wie z . E. zu den Ortas der Janitschaaren oder zu den Compagnien der Spahis , werden nach dem Mittels fuß von zehn Seelen eine ausgehoben ; hiernach beträgt die Volkszahl der Türken 150,000 Seelen.
Die Anz
zahl derjenigen Muselmanner , die zu keiner militärischen
beläuf t sich höchste ren Corporation gehören und30,00 0 Seelen. Beledis führen, ns , auf den Namen Im Ganzen beträgt also diese Rechnung die oben angenommene Summe von 180,000 Seelen. 180,000 Muselmanner
und 320,000
Nicht:
Muselmanner machen zusammen 500,000 Seelen , und dies ist die Volksmenge , in deren Bestimmung die jährz liche Consumtion an Getreide, der Karatsch und die milia tärischen Aushebungen ſåmmtlich übereinstimmen.
Jeder
von diesen drey Maaßstäben liefert für sich allein betrachtet nur Wahrscheinlichkeiten ,
und keinesweges zuverlässige
Angaben , wenn aber aus allen dreyen die nämlichen Refultate hervorgehen, so gewinnt die Berechnung der Volksmenge einen Grad von Autoritát , der nur durch Man darf pofitive Thatsachen widerlegt werden kann. daher für gewiß annehmen , daß in dem Theil von These falien und Macedonien , welcher der Istira unterworfen ist, die Volksmenge sich nicht über 500,000 Seelen bes läuft.
Das Paschalick von Salonichi , das ganz Unter-
Macedonien in sich begreift , enthält siebenhundert Quadratſtunden, und das Muſſelimlick von Larissa dreyhundert ;
ter
Zwey
46
t
hnit
Absc
.
es kommen also in beyden Statthalterschaften fünfhundert Menschen auf eine Quadratstunde.
Man vergeffe jedoch
nicht, daß hier bloß von dem bevölkertsten Theil von Macedonien die Rede ist , denn Obermacedonien und Epirus sind wahre Eindden *)).. Diese Volksmenge ist nun auf folgende Art vers theilt:
In Salonichi ſind 60,000 Seelen ;
1 30,000 ;
in Larissa ,
alten Edessa , 12,000 ; achttausend ;
in Seres,
20,000 ; in Vodina , oder dent in Kara - Veria ,
in Jenidge , sechstausend ;
oder Beroca, in Turnavos,
sechstausend ; in Pharsale , fünftausend ; in Zeiton, viers tausend; in Cavala, dreytausend , tausend.
und gold , drey=
Dies macht zusammen 157,000 Seelen , die
in Städten wohnen , und diese Volkszahl verhält sich zu den 343,000 Seelen , die auf dem Lande wohnen , wie I zu 3. Diese unverhältnißmäßige Vertheilung der Eine
wohner ist abscheulich.
In denjenigen ' von unsern euro
päischen Staaten , worin das Volk mit indirecten Aufs lagen überladen ist, und wo die Regierung die Städte mit ihren Beamten vollstopft, verhält sich demohngeachtet die Bevölkerung der Städte zu der des platten Landes nur wie 1 zu 5 , und es ist außer Zweifel , daß ein Land, worin die Bewohner der Städte nur den sechsten oder den fiebenten Theil von der Bevölkerung des Ganzen ausmachten , eine weit größere Volksmenge enthalten würde, denn die weise Vertheilung der Volksmenge ist eines von *) Wenn man die Bevölkerung von Untermacedonien mit der von Obermacedonien zusammen berechnet, so kommen kaum dreyhundert und siebzig Seelen auf eine Quadratstunde.
Getreide aus Thessalien und Macedonien. ben großen Mitteln , sie zu vermehren.
47
Man kann von
dieser Vertheilung der Einwohner in Macedonien auf den elenden Zustand des Landes schließlu .
Die Wuth , in
den Städten zu leben , herrscht hier wie bey uns , nur mit dem Unterschied ,
daß unsere Landleute
Gewinn,
Wohlstand und Vergnügungen in den Städten ſuchen, die griechischen Bauern hingegen ihre Dörfer verlassen, um der Wuth und den Expreſſungen der Beys zu ents gehen.
Wenn man Macedonien nach seinen natürlichen Vors zügen betrachtet , so kann man sich kein Land in Europa denken, wo die Einwohner mehr Mittel in Hånden hårten glücklich zu seyn.
Wirft man aber einen Blick auf seine
politische Verfassung , so findet man , daß sich alle Greuel einer barbarischen Regierung vereiniget haben , um ein Land , das durch die Fruchtbarkeit des Bodens und den Reichthum seiner mannigfaltigen Produkte
eines der
ſchönſten und glücklichſten auf dem Erdboden ist, zu zera fiören und zu verwüsten.
Die Hälfte von Macedonien liegt wüste , das dritte Viertel wird wegen des bösartigen Systems der Brache nicht angebaut, und der Ackerbau ist bey den Griechen in einem solchen elenden Zustande, daß das wirklich bes stellte vierte Viertel nicht den dritten Theil von den Produkten liefert , die man bey besserer Bearbeitung daraus gewinnen könnte. Demohngeachtet producirt dieses Land, noch in ſeinem jeßigen elenden Zustande, jährlich 809,900 Sester Getreide, 100,000 Ballen
Tabak , 80,000 ,
er
Zweyt
48
nitt
Absch
.
Ballen Baumwolle, und mehr als die Hälfte von diesen baare Bezahlung außerhalb Landes, Nachr Produkten geht Nach dieser hichst beträchtlichen Ausfuhr zu urs theilen , könnte man leicht den Zustand des Landmannes für glücklich halten ;
allein man würde sich sehr irren.
Dieser scheinbare Ueberfluß an Produkten giebt keinen Beweis für das Glück der Unterthanen , denn er ist nicht der Ueberschuß über ihre Bedürfnisse.
In denjenigen
Ländern , wo die Bauern ihre staatsbürgerlichen Rechte in der vollsten Ausdehnung genießen , wie in dem größten Theil von Europa dieses der Fall ist, werden nicht eher Produkteverkauft, als bis man die eigenen Bedürfnisse bes friediget hat,
und dann ist dasjenige was ausgeführt
wird, der wahre Ueberfluß.
Allein wenn in einem Lande
die Unterthanen beynahe den Negern gleich gehalten wers den , die durch Peitschenhiebe von einigen wenigen Weiſſen zur Arbeit angetrieben werden , so kann nie ein ganz richtiges t Verhältniß zwischen der Ausfuhr und den Vors n it habe . Tausende müssen arbeiten , damit E råthen schwelgen können; das Produkt der Arbeit eines ganzen Distrikts wird von etlichen. kleinen Tyrannen vers schlungen;
sie lassen dem unglücklichen Arbeiter nicht
einmal das Nöthigste zur Befriedigung seiner Bedürfnisse, und was sie nicht selbst verzehren können , das verkaufen fie, um ihre Fantasten zu befriedigen.
In Macedonien
sterben die Bauern vor Hunger , während die Großen in Gold und Ueberfluß schwelgen. Nach allen noch vorhandenen Zeugnissen der alten Schriftsteller scheint der Theil von Griechenland , von or die Red ist , unt Alexa , e er der Regieru dem hier nders ng
49
Getreide aus Thessalien und Macedonien.
über eine Million Einwohner ernährt zu haben.
Heut-
zutage leben nicht über 500,000 Menschen darin , und auch über diese in der That ſtarke Volksmenge muß man noch erstaunen , wenn man bey der großen Menge unangebauter
oder
wieder verlassener Felder die ungeheure
Quantität der Ausfuhr in Erwägung zieht, wodurch den Einwohnern nur äußerst wenig zum Lebensunterhalt übrig bleibt. Allein in diesem Lande ist die Natur unaufhörlich beschäfftigt, den Fehlern der Regierung entgegen zu ars beiten.
Das Clima ist bewunderungswerth ; es außert
feinen mächtigen Einfluß nicht nur auf das Menschengeschlecht , dem es mehr Feuer und Fruchtbarkeit giebt, fondern es wirkt auch im Allgemeinen auf die animalische und vegetabilische Natur ,
indem es sie lebendiger und
zum Zeugen und Hervorbringen geschickter macht.
In
den nördlichen Theilen der Erdkugel darf eine Regierung nur eine einzige fehlerhafte Vorkehrung treffen , um sogleich eine Abnahme der Volkszahl zu bewirken , und fallen dergleichen wiederholt vor, so wird das Menschengeschlecht bald dünne gefået seyn; dahingegen in den südlichen Lans dern durch die unvernünftigfte unter allen denkbaren Verz fassungen es noch nicht zur Ausrottung der Bevölkerung, die immer wieder aufs neue empor keimt , hat gebracht werden können.
Die Siege Carls XII, haben Schweden
zur Eindde gemacht , aber weder die sinnlosen Thorheiten der Regierung , noch der Unsinn des Fanatismus und des Aberglaubens haben es dahin bringen können, die lachenacedoniens za entvölkern. den Thäler Siciliens und Man lebt hier in dem Lande von Pyrrha und Deucalion ; die Menschen wachsen hervor wie die Bäume im Walde, Beaujours Beschr.
D
Sweyter Abschnitt .
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und die Steine, die man zur Erde wirft , verwandeln fich in Menschen. Bey allen den herrlichen Provinzen, aus denen das ottomannische Reich besteht, kann man aunehmen , daß in ihnen die Natur alles aufs vortrefflichste geschaffen, die Regierung aber alles verdorben hat !
Wolle aus
Macedonien und Albanien. 1
Der Ackerbau kann nur unter guten Regierungs verfassungen in Flor kommen ; er liegt folglich in Gries chenland durchaus zu Boden.
Der am wenigsten verz
nachlässigte Zweig der Landökonomie ist die Viehzucht, denn auch ohne Cultur trägt der Boden Futterkräuter Griechenland ist gleichsam wieder in feine heroischen Zeiten zurück gekehrt ; es ist voll von Schäfern und Räubern, aber zum Unglück wird kein Hercules oder Theseus mehr geboren. Das Land ernährt eine große Menge Vieh , denn drey Viertheile desselben liegen ungebaut.
Unwissenheit
und Barbarey können die Fruchtbarkeit unterdrücken , die nur Belohnnug des Fleißes und der Cultur ist, aber keis nesweges die, von der Natur freywillig hervorgebrachte. Ein guter Boden , sey er auch ganz vernachläſſigt, wird doch unfehlbar Viehweiden geben.
Griechenland hat unter allen Ländern des Erdbo dens die anmuthigste Mannigfaltigkeit des Clima's ; es ift ein Inbegriff von allen Himmelsstrichen.
Alle Pflans
zen die zwischen den Wendecirkeln wachsen , gedeihen in seinen Ebenen und auf seinen Hügeln; auf den Bergen aber kommen auch die Pflanzen der nördlichsten Gegens
Wolle aus Macedonien und Albanien. den fort.
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Der Olymp , der Vindus, der Parnaß und
die Berge Arcadiens unterhalten auf ihren Seiten und Gipfeln eine ewige Kühlung ; dahingegen in den Thälern, ein beständiger Frühling die zu ihren Füßen liegen , angeba uten Gefilde bringen von Alle nicht herrscht. felber Thimian , Quendel , Majoran und alle aromatis schen Pflanzen hervor.
Man sieht, wie sehr dieses Land
sur Viehzucht geschickt seyn muß ; auch findet man wirke lich zahlreiche Heerden darin , und sogar werden sechs Monate im Jahr alle Heerden der benachbarten Länder darin ernährt.
Wenn bey herannahendem Winter die.
albanischen Schäfer ihre Berge verlassen müssen , so trein ben sie ihre Heerden in das schönere Griechenland , wo sie kräftigere und reichere Weiden finden.
Nach einem gez
schloffenen Vergleich haben sie das Triftrecht auf allen unangebauten Låndereyen , und ob sie gleich von den tys rannischen Beys oft unbarmherzig gebrandschatt werden,' so kostet ihnen im Ganzen dieses Ueberwintern doch sehr wenig.
Unter den byzantinischen Kaisern waren durch die Vermischung mit afrikanischen und asiatischen Schafen die griechischen Rassen veredelt worden ;
aber seitdem
man diese Methode nicht mehr befolgt , find sie wieder aus der Art geschlagen.
So sehr man sie aber auch verz
nachlässiget, so haben sie doch keinesweges alle ihre Schönheit verloren . Ein griechischer Hemmel ist im Durchschnitt dreyßig
bis achtzehn bis sechs und dreyßig Zoll lang , fünfzehn Zoll hoch, und wiegt wenigstens dreyßig , oft sogar bis funfzig Pfund ,
Die Raffe in Livadieni D2
noch schöner
Zweyter Abschnitt.
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als die in Theffalien und Macedonien ; ihre Wolle ist Die äußerst kraus , aber sehr weich und seidenartig. große Mannigfaltigkeit von Hügeln , Thälern , Seen und Bächen macht Livadien zu einem reizenden Lande : bis andie Meeresküste hin wächst Pimpernell und Heilig - Heu, und alle Hügel sind mit wohlriechenden Kräutern bedeckt. Ueberall findet das Vieh die herrlichste Weide und das mildeste Klima.
Die vorzüglichsten unter diesen Triften
find wieder die auf dem Deta und dem Parnaf; die Schafe, die darauf weiden , haben ein ganz besonders wohlschmeckendes Fleisch,
und tragen eine vorzüglich
schöne Wolle. Am meisten sind die Schafe in Attica aus der Art geschlagen ; dies ist das Land der Ziegen und der Helden. Seine ganze Schönheit aber scheint das Schafvieh in den Bergen Arcadiens beybehalten zu haben.
Es wird aber
auch besonders sorgfältig gepflegt und sehr reinlich gehalten ; dafür vereiniget es in sich alle Vollkommenheiten der benachbarten Rassen , ohne irgend einen von ihren Fehlern zu haben.
Man erkennt hier noch heut zu Tage
die schönen Heerden , die im Alterthum so berühmt was ren , wie ihre Hirten.
• Die Halbinsel Morea ist überhaupt sehr geschickt zur Viehzucht ; doch ist es seltsam , daß in einigen Ges genden die Schafe sehr gut gedeihen , in den dicht an= grenzenden aber höchst elend sind.
An den Ufern des
Alpheus und des Panisus weiden die vortrefflichsten Schafheerden , da hingegen die Ufer des Eurotas und die Seeküsten von Argos kaum elende Ziegen kümmerlich nåhDie albanische Revolution hat Morea den uners
Wolle aus Macedonien und Thessalien.
53
fehlichsten Schaden zugefügt , und besonders wird der Ackerbau sich sobald nicht wieder erholen. ermordeten die Männer, Heerden fort.
Die Albaner
und führten die Weiber und
Auf dieses Unglück folgte wie gewöhnlich
ein zweytes ; nach dem Krieg entſtund eine schreckliche Hungersnoth , wodurch die Schäfer genöthigt wurden, Da auch das Land nur
Fleisch anstatt Brodt zu effen.
wenig Früchte lieferte , weil es ' an Hånden fehlte, sie zu bearbeiten , so wollten sich die Beys an den Waldungen erholen, und ließen ohne Schonung so ungeheure Schläge fällen, daß es die verderblichsten Folgen nach sich zog. Die dürren Landstriche wurden häufiger , die Viehweiden nahmen ab , und die Schafe fanden keinen Schuß mehr gegen die brennende Sonnenbike.
Daher entstand der
Verfall der Rasse , und überhaupt Hat Morea jeht nicht mehr den vierten Theil seiner ehemaligen Heerden. Die Viehzucht ist derjenige Zweig der Oekonomie, den man in der Türkei am wenigften vernachlässigt hat ; es mag dieses eine Folge der Barbarey oder eine maschinenmäßige Anhänglichkeit an alte Sitten und an das Hirtenleben , das einzige Gewerbe der Tartaren seyn.
Auch
hat sich durch die Methode der Wanderungen die Feinheit der Wolle erhalten , und durch Beybehaltung des, Hürdens schlags ist die Auŝartung der Raſſen verhütet worden. In Griechenland läßt man , wie in Spanien , die Heerden reisen , um sie das ganze Jahr hindurch in ima mer gleicher Temperatur zu erhalten ; fie bringen den Winter in den Thälern und den Sommer auf den Bergen " Bortheil in Hieben hat man deu zul. Griechenland , daß dieWanderungen weder ſo lang dauern
54
Sweyter Abschnitt.
noch so mühsam sind, weil das ganze Land in allen Richtungen von hohen Bergen durchschnitten wird.
Auch zwängt man hier die Heerden nicht in enge bumpfige Ställe zusammen , wo die feuchte und verdors bene Luft ihnen faulichte Krankheiten und Entzündungen zuzieht.
Die Natur hat sie ja nicht vergebens durch
warme Pelze gegeu rauhe und unfreundliche Witterung geschützt !
Auch wird durch die freye Luft , den Thau,
den Regen und die Sonnenstralen die Wolle viel weißer, weicher, feiner und elastischer.
Unsere Schäfer fürch
ten sich noch immer vor der großen Kålte , und doch bleis ben den ganzen Winter hindurch mitten unter Schnee und Eis die Heerden auf den Gipfeln des Olymps und des Athos inimer unter freyem Himmel. Die griechische Wolle wird in dem Handel nach ihs rer Qualität in verschiedene Sorten eingetheilt ; die vors züglichsten davon sind die Surge : Wolle (die unges waschene , wie sie von den Schafen kommt ) und dies Pelade- Wolle , die durch eine Beize von den Fellen abgelöst wird.
Bey der erstern unterscheidet man wieder
dreyerley Grade der Feinheit, nämlich ganz feine, grobe und Bajawolle ; die letztere ist die von den Schenkeln und Schwänzen.
Im Handel ist alle Wolle eine Mischung
von diesen dreyerley Sorten , schwarze Wolle kömmt.
wozu noch ein Zehntel
Der Grad der Mischung , die
nach den Jahrgången bald mehr oder weniger feine, mehr oder weniger grobe Wolle enthält , bestimmt jedes Mal bie Güte der in den griechischen Häfen gekauften Surges Wolle.
Bolle aus Macedonien und Theffalien.
55'
Die Peladewolle kommt von Schafen, an Krankheiten sterben oder geschlachtet werden.
die Sie
wird durch eine Kalkbeize von den Fellen abgesondert , ist kurz und mager, und ob man sie gleich wäscht , so wie fie von den Fellen herab gemacht wird , so kann man sie doch niemals ganz von den Kalktheilen reinigen , die sich barin festſehen und ihr Gewicht vermehren.
Die Bastardwolle iſt diejenige, die den lebens digen Schafen ausfällt ; sie ist kurz, rauh und unrein. Die Schäfer mischen sie zwar unter die Surgewolle, aber bey dem Auslesen wird sie unter die grobe geworfen. Gewaschene oder Gunwolle heißt endlich diejenige, die abgeschoren wird ,
uachdem man die Schafe vorher zu
wiederholten Malen in ein fließendes Wasser getrieben hat. Sie ist lang und schön , aber nicht in großer Menge zu bekommen.
Auch wird sie noch einmal so theuer vera
kauft, als die beste von den übrigen Sorten , weil durch das Waschen die Hälfte verlohren geht.
Dieser Verlust
ist jedoch nicht so bedeutend, wenn die Wolle auf dem Rücken des Thieres selbst gewaschen wird.
Der größere und beſſere Theil der Surgewolle kommt ans Albanien und den Ebenen von Larissa ;
es werden
jährlich 4 bis 500,000 Oken davon nach Salonichi ges bracht.
Diese gehen sämmtlich durch die Häfen von .
Dalmatien nach Venedig.
Es
wird zwar eine noch
weit größere Quantität von den Heerden gewonnen , allein 200,000 Oken bleiben zu Mayada , einem Flecken, in dem
jährlich aus dieser
Wolle
70,000
Stúde
er
Zweyt
56
Abats
itt
Abschn
verfertigt werden.
.
Alle Wolle, die jenseits
des Strymons und in dem östlichen Macedonien gewonnen wird, geht nach Cavala oder nach Adrianopel.
In
Philipopoli werden 50,000 Dken in einer Abatsfabrik verbraucht , die jährlich 15000 Stücke liefert.
Diefe
Abats gehen alle nach Smyrna , und werden von da nach Anadolien , Syrien und Arabien verschickt. sowohl Surge
Alle Wolle,
als Peladewolle, die aus Livadien kommt,
wird auf den Küsten von Zagora zur Fabrikation von Cas putrdchen verbraucht.
Morea verbraucht die seinige bey-
nahe ebenfalls ganz ;
es werden aufdieser Halbinsel nicht
über 12,000 Cantaar Wolle gewonnen , und hievon ge hen eine, höchstens zwey Schiffsladungen aus dem Has fen von Patras , oder dem von Coron ins Ausland.
1 Salonichi ist der große Marktplaß der griechischen Wolle ; hieher wird sie von Jenidge, Doiram, Strumzza und Seres geliefert.
Der ganze Vorrath , der aus die-
fen verschiedenen Orten hier zusammen kommt , beläuft fich auf 300,000 Oken , und die herrlichen Ebenen um Salonichi liefern`allein 200,000 Oken für den europäis schen Handel.
fen.
Alle macedonische Wolle ist dem Hum unterwor Diese Abgabe ist verpachtet ; die ganz Anstalt
heißt Beylik , und wird von einem Juden administrirt, der den Namen Beylikgi führt.
Dieser hat das Recht,
den fünften Theil von aller Wolle für eine Entschädigung von vier Para für die Oke wegzunehmen.
Dieses Pris
vilegium ist ein Tribut , den die ottomanische Unwissen *) Eine Art von grobem Luch. packung des Tabaks.
Siehe oben S. 35 bey Vers
Wolle aus Macedonien und Theffalien.
57
heit der Industrie bezahlt ; es wurde nämlich der jüdischen Nation zugestanden ,
als sie von Ferdinand und
Isabelle aus Spanien vertrieben wurde , und unter der Regierung Vajazeds II. in Salonichi Schuß und freye Religionsübung erhielt.
Damals waren die castilis
schen Wollmanufacturen die vorzüglichsten in ganz Euros pa, und die Juden , die fast vou allen die Direction hats ten , kannten das ganze Verfahren und alle Geheimniſſe t Diese Kenntnisse boten sie dem Sultan an,
derselben.
und machten sich auheischig , alle Tücher zu verfertigen, die zur Kleidung der Janitscharen , seiner Garde, erfors derlich wären. Man bestimmte dafür die jährliche Quantität von tausend Stücken blauen Tuch , und zweyhundert Stücken rothen.
Diese Tücher werden durch den
Pascha auf Kosten der Regierung zu Lande nach Conſtan= · tinopel geschickt ; ihre Quantität bleibt immer dieselbige, allein die Qualität wird von Jahr zu Jahr schlechter, ein. Betrug, den die Schwachheit der Miniſter zuläßt.
Der
Beylikgi erhält jährlich 25000 Piaster für die Kosten . der Fabrikation , und ein türkischer Beamter , der aber mit der jüdischen Habsucht einverstanden ist ,
hat die
Aufsicht darüber.
Ursprünglich durfte der Beylikgi dieses Recht nur bis auf 30,000 Oken ausdehnen , er gab aber zu verste= hen, daß diese Quantität nicht hinreichend wäre, und ers hielt deshalb die Erlaubniß , 50,000 Oken voraus wegzunehmen.
Heut zu Tage maßt er sich über alle Welle
ohne Unterschied das schändlichste Monopol an.
Unter
dem Vorwand, daß ihm noch an der Quantität die er nde thig hat etwas fehle, kauft er immer ført, deun er weiß,
Zweyter Abschnitt.
58
daß er die Wolle an die fränkischen Kaufleute mit großem Vortheil wieder verkaufen kann , und wenn diese sich mit der türkischen Compagnie, die diesen Hagtreibt,
oder auch numittelbar mit den Schäfern in einen Handel einlassen wollen , so fordert der Beylikgi von dem Käufer eine besondere Abgabe, dafür daß er von seinem Rechte absicht.
Sie wird zwischen ihnen wie eine Waare behan
delt , und beträgt zwischen fünf und zwölf Aspern für die Oke, je nachdem das Verlangen nachWolle dringend, und dieser Artikel mehr oder weniger selten ist.
Der Preis der Wolle beträgt zwischen funfzehn bis fünf und zwanzig Paras für die Ole. Schiffsladung davon nach Venedig ,
Es
geht
eine
eine andere nach
Ancona , und ziven bis drey nach Genua und Livorno. Nach Marseille gehen dreytausend Ballen , jeder von einhundert Oken ; die Franzosen haben hiebey den dop= pelten Gewinn , daß sie von den Türken die rohe Materie nehmen
und sie ihren in Zücher verarbeitet wieder zus
rück schicken.
Jede Schiffsladung kann zu sechshundert
Ballen gerechnet werden , Die ist zwanzig Paras.
und der Mittelpreis für die Es kommt also durch die Wolle
eine sehr bedeutende Summe Geldes nach Griechenland. Venedig schickt jährlich 35,000 Piaster dahin , Ancona, 25,000 Genua und Livorno, 60,000 ; und Marseille, 150,000 ; die Totalsumme beträgt 270,000 Piaster. Die Engländer und Holländer haben sich auf die griechiz sche Wolle nie eingelassen.
Bienen und Honig vom Berg Hymettus.
59
Bienen und Honig vom Berg Hymettus. Honig und Del sind die zwey vorzüglichsten Artikel der Ausfuhr aus Attica.
Das Verfahren bey der Bie-
nenzucht ist viel einfacher als bey uns , und nähert sich dem im Alterthum gebräuchlichen ;
es wird daher nicht
uninteressant seyn , wenn ich hier eine kurze Nachricht bavon mittheile.
Attica ist das wahre Land der Bienen. ,
Thymian,
Majoran , wilder Quendel bedecken alle ſeine Hügel, und feine Thaler sind mit Salbey , ausgelegt.
Ginster und Rosmarin
Gerade diese aromatiſchen Kräuter sind, wie
bekannt , die Lieblingsnahrung der Bienen. Die Athenienser haben eine ganz eigenthümliche Art von Bienenkdiben ; sie haben eine cylindrische Gestalt, gebrannter Erde, und haben drey Fuß Höhe, find on zwey im Durchmesser und dabey einen beweglichen Deckel. Die Außenseite und der Boden im Innern find mit einem Firniß überdeckt ; das ganze Innere bleibt übrigens rauh, weil die Bienen sonst Mühe hätten ihre Waben zu bes festigen.
Die Körbe werden so viel als möglich gegen Osten oder gegen Westen gesetzt.
Die Stellung gegen
orden
ist wegen der kalten Winde , die von den Gebirgen her wehen , den Bienen im Winter äußerst schädlich ;
und
die gegen Süden ist ihnen, wegen der drückenden Hitze, im Sommer nicht weniger verderblich. In einigen Mos nte nate besonders im Julius und August , müssen sogar die Körbe mit Laubwerk überdeckt werden , um sie gegen die Sonnenstrahlen zu schüßen.
60
Zweyter Abschnitt.
Man kennt dort unsere Art nicht , die Bienenkörbe an einem Orte beysammen zu haben, sondern sie sind überall auf den Feldern aufgestellt , so wohl in Thälern als auf Anhöhen.
Die einzige Vorsicht , die man anwendet, ist,
daß man sie gegen einen Zaun oder eine Mauer anstellt. Die stillsten und am wenigsten bevölkerten Gegenden , wie 3. E. die Klöster, sind die wo die Bienen am allerbesten gedeihen ; sie lieben in diesem heißen Clima die einsamen, kühlen Orte und die schattigen Thäler.
Ich selbst habe
beträchtliche Schwärme in alten Baumstämmen , mitten unter den düstern Tannen und den Lauinen des Parnaſſes gefunden.
Auch halten sie sich gern in der Nähe von
Nasenplätzen und von Wasser auf, und die Griechen has ben so viel Gefälligkeit für sie ,
daß sie aus den Bächen
in den Feldern kleine Teiche ableiten , die ihnen zur Tränke dienen ; sie werfen sogar Stückchen Holz hinein oder leichte Steinchen ,
damit die Bienen sich darauf sehen können,
ohne Gefahr zu laufen.
Die Art wie dieses Insect vermehrt wird , ist höchst einfach.
Die Bauern nehmen einen leeren Korb , legen
einige Honigwaben hinein , reiben ihn mit Meliſſenkraut, und während die Bienen aus einem alten Korb schwäre men, sehen sie den neuen Korb an die Stelle des alten. Die Bienen werden bey ihrer Rückkehr durch die Aehn= lichkeit getäuscht , kriechen in diese fremde Wohnung, die fie für die ihrige hatten und auf diese Art bekommt man zwey Körbe anstatt eines einzigen.
Diese Verfahrungs-
art ist schon vorlängst durch Hrn . Schirach angerühmt worden ; sie kommt von dem Berge Hymertus ,
und
61 Bienen und Honig vom Berg Hymettus. die neuern Griechen haben sie von den alten gelernt, wie man aus Plinius und Columella bereifen könnte. Um
die Bienenkörbe zu verstärken , werden die
schwächern Schwärme mit einander vereinigt.
Dies ist
sehr vortheilhaft , denn die Erfahrung hat gelehrt , daß ein Korb, der aus viertausend Bienen beſleht, sechs Pfund Honig giebt, daß er hingegen vier und zwanzig Pfund Honig liefert , wenn er aus achttausend Bienen besteht. Ein Korb also , der noch einmal so viel Bienen enthält, liefert viermal mehr Honig. Die Bienen schwärmen in Griechenland zwey , drey und wohl gar viermal im Jahr ,
allein selten gedeihen .
mehr als die beyden ersten Schwärme , denn die andern kommen durch frühzeitige Kälte oder Mangel an Nahs rung häufig um.
Auch sind diese letztern Schwärme
bey weitem nicht so theuer , als die Frühlingsschwärme; ein Schwarm, der vor der Hälfte des Junius entstanden ist, gilt drey bis vier Piaster , einer aber von September ist nicht zwey werth.
Die verderbliche und in der That grausame Methode, die Schwärme zu tödten um die Körbe zu leeren , ist ein barbarischer Gebrauch , den die nordischen Völker aufges bracht haben , und der bey den Griechen nie bekannt war. Nach Italien wurde er durch die Gothen gebracht , und es erforderte ein eigenes Strafgesetz eines Großherzogs von Toscana , um ihn in diesem Lande wieder abzus schaffen. Da die Bienen nicht selten aus Mangel an Lebensmitteln im Winter sterben, so wird in einigen Theilen von Griechenland , und besonders zu Damala , dem alten
62
Zweyter Abschnitt.
Trözene, die in Mesopotamien übliche Methode befolgt, daß die Körbe während dieser Jahrszeit in dunkle und von allem Geräusch entfernte Winkel aufgestellt werden. In dieser dunklen Ruhe fallen sie in eine Art von Betäus bung , die sie vom Hunger befreyt , und in der sie äußerst wenig Nahrung zu sich nehmen.
Daher haben sie im
Frühling noch hinlänglich starke Vorråthe ', um ihre erste Brut zu besorgen und zu ernähren.
Der Attische Honig und besonders der vom Berg Hymettus, haben ihren alten Ruhm bis jezt erhalten, und verdienen ihn auch vollkommen.
Der beste Honig , den
wir in Europa kennen , der von Mahon und von Nars bonne, kann weder in Rücksicht seiner Süßigkeit , noch seines Parfüms mit dem Attischen verglichen werden. Er ist zwar röthlich von Farbe, aber demohngeachtet von der helleften Durchsichtigkeit.
Am meisten unterscheidet
er sich dadurch von unserm Honig , daß er dick ist ohne Körner zu haben oder fest geronnen zu seyn. Das Attische Wachs hingegen ist nicht so gut wie das unsrige ; auch wird es schlecht gereiniget , und, wenn es im Kessel geschmolzen ist , nicht sorgfältig genug alle heterogene Materie davon abgesondert. Dievier ansehnlichsten Klöster auf dem BergHymets tus unterhalten ohngefähr dreytauſend Bienenkörbe. Ein anderes , das nicht unter diesen vier begriffen ist , hat Deren allein zwölfhundert.
Alle diese Klöster besitzen
mehrere Meyerhöfe , die sie durch ihre Mönche verwalten laffen ; die Zahl der Bienenkörbe , die in diesen erhalten werden , nehme ich nur zu zweytausend an ; dies macht zusammen sechstausend zweyhundert Körbe. Eben so viele
Bienen und Honig vom Berg Hymettuk. mögen ohngefähr die Bauern in Attica besihen ;
63 folglich
kann man annehmen , daß ohngefähr zwölftausend Körbe im Lande unterhalten werden.
Jeder Korb liefert ein
Jahr ins andere gerechnet , · dreyfig Pfund Honig und zwey Pfund Wachs ; das Land gewinnt also jährlich 360,000 Pfund
Honig und 24,000 Pfund Wachs.
Diese Berechnung stimmt mit der von den Kaufleuten ans genommenen überein ;
nach derselben werden in guten
Jahren dreptausend türkische Cantaars Honig, und zweys hundert Cantaars Wachs gewonnen.
Der Canfaar wiegt
vier und vierzig Oken, und die Ofe vierzig Unzen ; wors aus man ungefähr das obige Resultat erhält. Das Pfund Honig kostet acht bis zehn Paras, und das Pfund Wachs einen Piaster ;
der Geldertrag für
Attica beläuft sich demnach auf 114,000 Piaster. Atheu. berbraucht aber selbst dreyhundert und fünfzig Cantaars Honig und zwanzig Cautaars Wachs , das heißt etwas über den zehnten Theil von dem ganzen Ertrag des Lans des ; es müssen alfo dafür von der obigen Summe wieder eilf bis zwölftausend Piaster abgerechnet werden. Man anuehraen , um kann also wenigstens 100,000 m die durch diesen Artikel die Bilanz der Ausfuhr erhöht wird. Attica muß in mittelmäßigen Jahren den vierten Theil von seinem zur Consumtion nöthigen Getreide eins führen ; ich habe aber berechnet ,
daß diese Einfuhr durch
den einzigen Artikel des ausgeführten Honigs gedeckt. wird.
Man sieht leicht ein, daß der Athenienfische Henig
nur darum in einem so hohen Preise steht , weil er in dem griechischen Handel zu den Artikeln des Lurus gehört,
Zweyter Abschnitt.
64
Der größte Theil davon geht nach Conftantinopel , wo er in dem Pallast des Kaysers und in den Serails der Großen verzehrt wird.
Loudon und Marseille sind außerdem die einzigen europäischen Städte , wohin eine kleine Quan:
tität geschickt wird, und diese kommt nicht in den Handel, fondern die Kaufleute verschenken sie an ihre Freunde. Dieser Zweig der Landökonomie ist demnach dem kleinen Ländchen Attica von äußerstem Nußen.
Es ent-
hålt nur zwanzigtausend Seelen auf einer Oberfläche von neunzig Quadratſtunden ,
das Land ist äußerst bergicht,
und taugt wenig zum Ackerbau.
Auch ist von jeher die
Bienenzucht darin begünstigt worden.
Unter den Pas
låologen war in einer besondern Verordnung dem gries chischen Bauer , der einen Bienenſchwarm erzöge , eine Prämie versprochen ; dieselbige Verordnung hat Kayser Joseph II. in unsern Tagen für seine Erbstaaten wieder erneuert, allein er hatte sie aus alten italieniſchen Geſetzs büchern geschöpft, die solche aus den Verordnungen der griechischen Kayser entlehnt hatten.
Noch heutzutage ist
die Bienenzucht in Griechenland sehr begünstigt ; durch eine Verordnung von Suleyman II , die in mehrern Pros schen Reichs , besonders aber in vinzen des Attica noch in voller Kraft ist , dürfen die Bienenkörbe zur Abzahlung der rückständigen Auflagen nicht confiscirt werden , so wenig wie in manchen andern Låndern die Werkzeuge des Ackerbaues . Wenn man in Attica den Getreidebau und die Cul-
tur der Obstbäume mit einander vergleicht, so findet man, daß ein Morgen Land , der mit Getreide bestellt ist , ohns gefähr hundert Piaster abwirft, daß er hingegen ein huns
a.
3
Oliven und Deht aus Attica:
65
bert und sechszig bis ein hundert und achtzig Piafter eins trågt, wenn er mit Obstbäumen bepflanzt und mit Kraus tern, die nach dem Geschmack der Bienen sind , bejået Die Cultur der Obstbäume und die Bienenzucht era
ist.
fordern zwar eine strenge Aufsicht , und geben täglich viele Arbeit allein die Obstcultur verschafft dem Lands mann so viele Früchte, daß er andere Lebensmittel dadurch ersparen , und einen großen Theil des Jahres hindurch feine Familie damit ernähren kann *).
Oliven und Dehl aus Attica. Die Cultur des Dehlbaums war von jeher Liebs lingsbeschäftigung der Athenienser.
Unter Cecrops und
seinen Nachfolgern erhielten die Pflanzer für jeden Baum eine Prämie von einer Drachme , Groschen.
oder ungefähr vier
Während der ganzen Dauer der Republik
war es bey schwerer Strafe verboten , in einem fremden Felde einen Oehlbaum umzuhauen ; ja man durfte sogar auf seinem eigenen Felde jährlich nicht mehr als zwey umhauen ,
wenn es nicht zu einem besondern von den
Göttern bestimmten Gebrauch geschah.
Die Folge von
diesen Gesetzen war , daß alle Anhöhen in Attica mit Oehlbäumen bedeckt waren , und noch heut zu Tage exis stiren die Abkömmlinge derselben.
Sie beschatten die
Seiten der Anhöhen mit ihrem blaſſen Grün , das mit dem dunkeln Grün der Wiesen und der graulichschwarzen *) Der Geschmack der Athenienser ist ihrem Lande angemess fen. Sie effen außerst gern Obst , machen sich aber nicht viel aus Fleischspeisen. Auch ist ihr Tisch gewöhnlich sehr arm an Gerichten , aber reich an Nachtisch, Beaujours Beschr.
&
Zweyter Abschnitt.
66 Farbe der
obern
Felsen einen
angenehmen
Abstand
macht. Es giebt in Griechenland sehr viele verschiedene Arten von Oliven ; die drey vorzüglichfien idarunter find die Colymbaden , die Raphas , und die Coros 7 neiden. Die erstern haben ungefähr eine Länge von н деб Linien und eine Breite von sieben bis acht Linien ; die Raphas sind kaum halb so groß , und die Mitte zwiz schen beyden halten die Coroneiden. Die Colymbaden haben unter allen Sorten am meis sten Fleisch, und bey ihrer Größe sind sie auch von vors züglichem Geschmack.
Sie werden alle eingemacht, und
find für die Tafeln der Großen bestimmt. Die Raphas find rund und haben ein festes Fleisch ; sie geben nur wenig , aber ein sehr feines Del.
Die Coroneide ist die
allerfruchtbarſte Sorte , und enthält am meiſten dhlichte Substanz.
Der Baum , der sie hervorbringt , gedeiht
auf den Vorbergen der höchsten Gebirge ; so lange er jung ist , trägt er regelmäßig Früchte, wenn er aber alt wird, fo kann man nicht mehr in jedem Jahr bestimmt auf te Erudte rechnen. eine Die Kunst , die Oliven einzumachen , versteht man
zu Athen in der höchsten Vollkommenheit .
Diese Frucht
hat von Natur einen bitterlichen Geschmack ,
der ihr
durch das Einweichen in Salzwasser benommen werden muß. In diese Salzbrühe werfen die Griechen Fenchel, mel , Coriander , s und andere wohlriechende Blåtter; ja fie thun sogar manchmal Rosenholz hinein, wenn sie den Oliven einen angenehmen Geruch geben wollen.
Oliven und Deht aus Attica.
67
Die Cultur des Oehlbaums ist dem attischen Gebiete ganz besonders vortheilhaft.
Ein mit diesen Bäumen bes
pflanzter Morgen Landes trägt ein Drittheil mehr ein, als jeder anderer Morgen ; man kann sich hievon durch folgende Berechnung überzeugen.
Wenn man annimmt , daß ein Morgen neunhuns dert Ruthen enthält, und daß die Entfernung eines Baus mes vom andern fünf Ruthen beträgt, so können auf einem Morgen hundert und achtzig Olivenbäume wachsen. Es sind zwar nicht alle Stellen immer genau ausgefüllt, und sie können es nicht seyn wegen der Unebenheit des Erdbodens.
Beläuft sich aber auch der Abgang auf ein
Drittheil des Ganzen , so bleiben immer noch für den Morgen hundert und zwanzig Bäume übrig.
In guten Jahren trägt ein mittelmäßiger Dehlbaum ein Maaß Oliven, aus dem zwanzig Pfund Dehl gewonnen wer den; da aber die Erndten nicht in jed em Jahr so ergiebig so kann man den jährlichen Mittelergiebig find , eines Baumes auf zehn Pfund Deht annehmen.
Hiernach
gewinnt man vom Morgen zwölfhundert Pfund Sehl. Das Pfund kostet sechs bis acht Paras , was ungefähr nach sächsischem Geld einen Groschen drey Pfennige macht ; folglich besteht der ganze Ertrag von einem mit Sehlbåus men bepflanzten Morgen Landes in fünfund siebenzig Rthl. sächsischen Geldes.
Der beste Morgen hingegen , wenn
er mit Getreide bestellt ist , bringt nicht mehr als funfe zehn bis zwanzig Centner Weizen hervor , was nach dem Werth desselben im Lande kaum .funfzig Rthlr. ausmacht. Hieben ist noch zu bemerken , daß die Cultur des Dehla Baumes nicht kostspieliger ist als die des Weizens.
&$ 2
68
Zweyter Abschnitt .
Die Cultur des Oehlbaumes schickt sich überdies auch ganz vorzüglich für den politischen Zustand von Attica , denn eine verlassene Olivenpflanzung geht nicht sogleich zu Grunde, wie z. B. ein Weinberg, und ist durch einige Sorgfalt auch bald wieder in Ordnung zu bringen.
Für die griechischen Bauern' ist dieses ein
schäzbarer Vortheil , denn wenn sie gendthigt sind , der Rache oder der Laune eines Türken durch die Flucht zu entgehen , so können sie, sobald der Zorn ihres Despoten besänftigt ist, wieder zu ihren Feldern zurückkehren , die ihnen zuverlässig sogleich wieder den nöthigen Unterhalt für sich und ihre unglückliche Familie liefern. Die Oliven sind wie alle Producte des Ackerbaues dem Zehnten unterworfen.
Sultan Selim II. wollte
noch überdies einen Para auf jeden Baum legen , allein ich habe Bauern gesehen, die ihre Bäume lieber umhieben, als daß sie die neue Abgabe bezahlten.
Der athenienfis
sche Bauer ist auf so vielerley Art gedrückt,
und sein
Eigenthum ist ohnehin schon so schwankend , daß eben damals manche von ihnen ihre Oehlbäume um zwey Piaster für das Stück verkauft haben ,
das heißt um einen
Preis , der geringer ist , als der jährliche Ertrag des Baas beste Dehl wird aus der grünen , das heißt noch nicht vollkommen reifen Olive gewonnen ; dies ist das Sommerdhl, das bey den Alten so berühmt war. Allein diese noch grüne Olive giebt nur wenig Dehl , und der Pflanzer muß wegen der Quantität seine Entschädis gung in der Qualität finden. Je reifer überhaupt die Oliven sind , desto setter und desto weniger angenehm
69
Oliven und Dehl aus Attica.
wird das Dehl ; je grüner hingegen die Olive noch ist, id desto vorzüglicher wird dasselbe , und desto mehr hat es den Geschmack der Frucht, der von allen Liebhabern fo sehr geschikt wird. Dasjenige Dehl , das durch das bloße Pressen aus den Oliven gewonnen wird, ist das klarske und reinste ; inan kennt es unter dem Namen Jungferndhl. Das gemeine Dehl ist dasjenige , so sich von dem schon gepreßten Kuchen nur vermittelst eines Aufguffes von Wass fer absondert.
Dieses Wasser muß siedend heiß seyn,
und man ſchöpft es daher aus einem, Keffel , unter dem beständig
ein starkes Feuer
unterhalten wird.
Auf
Diese Art kommen beyde Flüssigkeiten mit einander vers mischt in den Bottich , können aber leicht von einander getrennt werden, weil das Oehl vermöge feiner geringern specifischen Schwere oben schwimmt. So wie das Dehl gepreßt ist, wird es in große Urs nen von gebrannter Erde gefüllt , und diese reihenweis in gewölbte Keller , unter den Häusern gestellt.
Zur Aufs
bewahrung des Dehls werden durchaus kühle Orte erfors seineHitze mosphäre in , wodurch feinsten Gährung dert , weilgeråth es sonst durch die der Atmosphäre in Theile verduns sten.
Deswegen werden auch die Urnen auf das sorgs
fältigste verstopft.
In jede Urne wird ein Schwamm
geworfen , weil dieser die Eigenschaft hat , die fettesten und måſſerigten Theile des Oehls an sich zu ziehen. Das attische Oehl ist das beste in Griechenland ; auch wird es mit der meisten Sorgfalt zubereitet.
Ein
Theil davon geht nach Constantinopel, Salonichi und Smyrna , wo es in den Serails verbraucht wird ; der
Zweyter Abschnitt .
70
andere Theil wird nach Marseille transportirt, wo man es mit Provencerdhl vermischt , und dann für die Tafeln der reichen Pflanzer in die Antillen schickt.
Es wird in kleinen Maaßen zu zwölf Pfund vere kauft.
In Attica werden jährlich 200,000 solcher athes
niensischer Maaße gewonnen , und der Mittelpreis eines Maaßes ist zwey Piaster.
In Attica selbst werden
30,000 Maaß Dehl für den Tisch, und 20,000 Maaß in den Fabriken verbraucht ; im Ganzen also 50,000 Maaß.
Folglich werden
* 450,000 Maaß Dehl
ausgeführt , welche zusammen 300,000 Piafter werth Es ist die stärkste Summe in dem Verzeichniß der
find.
atheniensischen Ausfuhrartikel. Dieser Handel ist jetzt fast ausschließend in den Hånden eines italianischen Arztes.
Es ist lobenswürdig
an ihm , daß er lieber Geld verdienen, als Menschen umbringen will , allein ich nehme es ihm in meiner Eigenschaft als Consul höchst übel , daß er ein Monopol damit treibt ,
und manchem ehrlichen Franzosen ,
der
ebenfalls mit Dehl handeln möchte, den größten Schaden zufügt. Der Transport des Dehls geschieht in Fässern, und da in Griechenland keine verfertigt werden , so müſſen Die Laduns sie von Marseille herbey gebracht werden. Igen geschehen in allen Jahrszeiten ; da aber das Dehl wes gen des milden Clima's nie gerinnt oder dick wird , To müssen die Fässer genau verkittet werden , um das Auslaufen zu verhindern. Die fremden Kaufleute dürfen übrigens nicht auf das Wort kaufen , wie es zuweilen geschieht , denn die
Corinthen oder kleine Rosinen.
71
neuern Athenienser sind in Rücksicht auf Betrügereyen so L
gewandt wie ihre Våter.
Ich habe selbst den Fall ers
lebt , daß sie ihr Oehl` verfälschten;
sie vermischen es
nåmlich mit einem Decoct von Gurken, der sich leicht mit allen dhlichten Substanzen vermischt.
Doch ist diese
Art von Betrug nicht allgemein genug , um der Nation einen Vorwurf deswegen zu machen.
Corinthen , oder kleine Rosinen. Der corinthischeWeinstock ist eine vier bis fünfFuß hohe Staude; er ist folglich kleiner als der unfrige, aber das gegen dicker und reicher an Holz , Wurzeln und Schößlinge.
er treibt auch mehr
Seine Blätter sind größer,
Stumpfer , weniger ausgeschnitten ,
und oberhalb von
einem zartern Grün , unterhalb aber weißlichter.
Seine
Früchte sind von der Größe der Johannisbeeren ; zuerst sind sie grün , dann werden sie roth, und wenn sie ganz reif find , so haben sie eine dunkelpurpurne fast schwarze Sie sind füß von Geschmack, und sogar, wenn Farbe. fie zu reif oder getrocknet sind, eben so wie die Muskatellertrauben gelinde reizend ; frisch haben sie jedoch eine liebliche, angenehme Säure. niger Kerne ,
Sie haben übrigens wes
und mehr Saft als unsere Weintrauben..
Die ersten Corinthen , die man in Europa zu sehen bekam , wurden im Anfang des vorigen Jahrhunderts von Corinth dahin gebracht ; aus diesem Grund nannte man sie corinthische Trauben. Allein The find in Morea selbst nicht einheimisch;
denn vor dem sechzehnten Jahr-
hundert erwähnt ihrer kein einziger Schriftsteller , und durch die aufmerksamsten Untersuchungen , die ich theils
Zweyter Abschnitt .
72
in Griechenland , theils in den ionischen Inseln darüber angestellt habe , bin ich überzeugt worden, daß der corinthische Weinstock gegen das Jahr 1580 von Naria nach Morea gebracht ward.
Zwar findet man heut zu
Tage auf dieser Insel des Archipels keinen einzigen Stock mehr , allein auch aus dem corinthischen Gebiet ist er gänzlich verschwunden , ob es gleich außer Zweifel ist," daß er zur Zeit der Venetianer sehr häufig daselbst anges baut wurde. heut zu Tage wird er vorzüglich in den Gebieten
Er gedeiht auf der son Vostika und Patras gebaut. ganzen Meeresküste von Achaja , und auf der jenseitigen
Küste in einigen Gegenden von Aetolien und -Locris . Auf der Küste von Elis ist er aus der Art geschlagen ; dagegen kommt er auf der gegenüber liegenden Jusel Zante, und auf den Inseln Ithaca und Cephalonien fort. Er verlangt einen leichten , dürren und steinigten Boden, 4: und gedeiht in einem festen, feuchten und fetten durchaus Besonders liebt er die Nachbarschaft des Meeres, nicht. und in den Berggegenden , wo die salzigte Luft ihn nicht Außer in berühren kann , ist er nicht fortzubringen . Morea und den Jonischen Inseln hat man noch nirgends gesucht ihn anzubauen ; er könnte jedoch ohne Zweifel in mehrere Gegenden des südlichen Europa's verpflanzt wers den , vorzüglich aber in die Gegend von Syracusa , und Sie haben mit Morea einerley Clima in die von Cadir. und Temperatur , ihr Boden ist leicht und steinicht , und fie liegen ebenfalls am Meer . Bey der Cultur des corinthischen Weinstocks wird im Ganzen daffelbige Verfahren beobachtet wie bey dem
Corinthen oder kleine Rosinen.
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unsrigen, in einigen Puncten weicht es jedoch von diesem ab. In Columella findet man eine vollständige Bes schreibung davon , die noch ganz auf unsere Zeiten paßt, so wenig ist seit zweytausend Jahren daran geändert wors den.
Ich will nicht behaupten , daß dieses Verfahren
das vorzüglichste ist ; ich habe es jedoch aufmeinem Landgute bey Pella selbst befolgt, und meine Weinstöcke find vortrefflich fortgekommen.
Ich weiß noch nicht, ob der
Boden ihnen auch in der Länge zuträglich seyn wird, aber ich hoffe es.
Ich werde dadurch das Land bereicheru,
das Alexandern hervorgebracht hat , und wenn ich meine Corinthen nicht alle selbst zu genießen bekomme, so werde ich doch die Freude haben , daß sie mir von den Enkeln des Antiochus uud Seleucus gestohlen werden, die, wenn fie mit Lumpen bedeckt und barfuß sich auf meinen Wies fen herum balgen , sich von dem Ruhm ihrer Ahnen gewiß nichts träumen laſſen. Dieser Weinstock fångt erst in seinem siebenten Jahre an Trauben zu tragen ; seine eigentliche Fruchtbarkeit erhält er aber nur im zwölften Jahr.
Dagegen
dauert er aber auch wenigstens achtzig Jahr , und wenn er recht gut unterhalten wird , über
ein Jahrhundert.
Auf der Insel Zante versteht man sich auf seine Behand lung vorzüglich gut.
Dort eriflirt noch der Weinberg,
aus dem der große Schulenburg Trauben gegessen hat ; er ist noch gegenwärtig sehr fruchtbar. Die Trauben werden gegen Ende des Julius reif und gut, zum Effen ; die Weinlese ist aber doch erst zu Ende Augusts , wenn nämlich die rothe Farbe der Beeren fich in ein dunkles Purpurroth verwandelt hat.
Dieſe
Zweyter Abschnitt.
74
Weinlese geschieht von Weibern und Kindern ; die Traus ben werden in Körben gesammelt und auf die Lenne ge= tragen ,
deren eine in jedem Weinberg angebracht ist.
Diese Tennen formiren ein länglichtes Viereck , das ein wenig abhängig ist, damit das Wasser ungehindert abs laufen kann.
Der Boden der
Tennen ist
von Erde,
aber so fest gestampft , daß er ganz glatt und glånzend ist. Auf diese Tennen werden die Trauben eine neben der andern hingelegt ;
hier bleiben sie Tag und Nacht
liegen, müſſen aber alle vier und zwanzig Stunden sorgfältig umgewendet werden.
Ist die Witterung schön,
so trocknen die Trauben in acht bis zehn Tagen ; fällt hingegen Regenwetter ein , so werden zwanzig bis dreyßig Tage dazu erfordert.
Wenn der Regen anhålt , so geht
die ganze Erndte zu Grunde , und solten sich auch die Trauben erhalten, so verlieren sie doch ihre Güte und können nur um
einen sehr geringen Preis
verkauft
werden.
Sind die Trauben gehörig getrocknet , so werden die Beeren vermittelst kleiner hölzerner Rechen davon ab gesondert, sorgfältig von allen etwa hineingefallenen frems den Körpern gereinigt , und in Körben in die Magazine ng ffnu , getragen. Diese Magazine haben oben ine De und unten eine kleine Thüre ; sonst sind sie ringsum hermetisch verſchloſſen.
Aber auch diese Thüre wird nur zur
Zeit des Verkaufs geöffnet, und die Körbe mit Corinthen werden durch die obere Oeffnung , im Dache , hineinges hoben, und auf einander gehäuft , bis das Magazin ganz voll ist.
Wenn man die Corinten nachher in Tonnen
Corinthen oder kleine Rosinen.
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füllt, so werden sie mit bloßen Füßen hineingeſtampft, damit sie theils weniger Platz einnehmen , theils von der äußern Luft nicht berührt werden , und sich beffer halten. Auf diese Art können sie bis an das Ende der Welt vers schickt werden. Man macht aus diesen Trauben auch einen guten Wein,
der ausnehmend stark ist; allein sie geben nur
äußerst wenig, so daß kein Weinbergbeſitzer ſeine Trauben auf die Kelter schicken mag.
Hiezu kommt noch, daß
dieser Wein sehr leicht fauer wird , und sich durchaus nicht transportiren läßt. Die meisten sogenannten kleinen Rosinen gehen in das nördliche Europa ; die Engländer beſonders verbraus chen eine ungeheure Quantität davon, nicht nur an viele Speisen, besonders in ihren Puddings , sondern sie braus chen sie auch in den Brandtweinfabriken , und man hat mich sogar versichert, was ich jedoch nicht bestimmt sagen kann , daß fie in mehrern Manufakturen sich ihrer zum Reinigen der Wolle und Seide bedienen.
Die Franzosen
brauchen sie nur in den Apotheken , und die Italiåner zu einigen wenigen Speisen. Sonderbar ist es , daß die Marseiller Kaufleute, die doch einen so starken Handel nach Morea treiben , sich mit diesem Artikel nie haben abgeben wollen.
Kaufleute
von Livorno und Triest kaufen die Rosinen an Ort und Stelle , auf Rechnung von Häusern in London , Amster dam und Hamburg. Zu diesem Commissionshandel ho man die Franzosen ohngeachtet aller Zuredungen und des Ueberaugenscheinlichen Vortheils nie bewegen können. haupt hat seit langer Zeit die französische Regierung ihre
ter
76
Zwey
nitt
Absch
.
Niederlassungen in Morca sehr vernachlässigt ; auch find die Comptoire zu Patras , Modon und Navarin schon ganz eingegangen , und in denen von Napoli und Coron nehmen die Geschäfte immer mehr ab. Die jährliche Corinthenerndte in Morea kann man im Durchschnitt auf zehn Millionen Pfund berechnen. Hievon liefert Patras mit seinem Gebiet vier Millionen, und der Canton Vostika zwey ; die übrigen vier Millionen werden auf den Seeküsten von Achaja und Aetolien ges wonnen.
Von diesen Früchten werden im Lande selbst
wenige verzehrt, und man kann gewiß annehmen , daß jährlich acht Millionen Pfund verkauft werden; welches acht Zehntheile des ganzen Ertrags ausmacht. nehmen die Engländer fünf Achttheile ,
Hieson
Holland , die
Niederlande und Dänemark zwey Achttheile , und in das lezte Achttheil theilen sich Frankreich und Italien. In den lehtern Jahren haben tausend Pfund Corin.י then , mit Inbegriff aller Abgaben und Kosten , achtzig Piaster gekostet. ungeheuer ,
Allein diese Abgaben und Kosten sind
und verdoppeln beynahe den Ankaufspreis,
denn da in den türkischen Zollstädten kein bestimmter Tarif vorhanden ist, so ist man gänzlich der Willkühr des Zollbeamten überlassen und wird von diesem auf gut türkisch geprellt.
Wollte man jedoch bey diesen starken Abgaben es für vortheilhafter halten, in den ionischen Inseln und besonders in Zante Corinthen einzukaufen , wo sie wenige stens eben so gut als in Morea find , so würde man sich gewaltig irren.
Es müssen nicht nur daselbst fast die
nämlichen Arten von Abgaben bezahlt werden, sondern
77
Fårberrsthe oder Aly , Zari aus Bootien.
man fordert noch eine Abgabe von zwey Zechinen für tauſend Pfund mehr als in Morea , und hiezu ist ganz neuerlich noch eine andere Abgabe von zwey Zechinen gekommen, welche beyde die Zollbeamten zu Santa Maura la dogana nova und noviſſima nennen.
Wenn in Morea
das tausend Pfund Rosinen bey dem ersten Ankauf funfzig Piaster kostet, so kommt es mit den Abgaben und Kosten über achtzig Piaster zu stehen ; in Zante hingegen kommt. es bey dem nämlichen Ankaufspreis gegen neunzig Piafter.
Färberröthe oder Aly Zari aus Bootien. Die levantische Fårberröthe führt in der Handlungss sprache den Namen Aly- Zari ; sie ist eine Abart von der unsrigen , und unterscheidet sich von dieser bloß durch den schwächern Stengel , durch glättere Blåtter und durch das zartere Mark der Wurzeln, Sie wird erst im vierten oder fünften Jahr ausges graben , und hat folglich Zeit dick zu werden , und sehr viele und schöne Wurzeln zu treiben.
Hierin liegt auch
das ganze Verdienst der levantischen Fårberrdthe.
Ein mit diesem Produkt besåeter Morgen Landes Berlauf von vier Jahren 4,000 Oken frischer giebt nach Wurzeln , die getrocknet sich ohngefähr auf sechshundert Oken vermindern .
Von der getrockneten
Fårberröthe
wird die Oke um dreyßig bis vierzig Paras verkauft. Der ganze Ertrag beläuft sich alſo anfſechshundert Piaster, oder jährlich auf ein hundert und funfzig Piaster , und kommt folglich dem des Getreides vollkommen
gleich,
Hierbey muß aber noch bemerkt werden, daß die Färbera. röthe bey weitem nicht so viel Aufwand erfordert , und
78
Zweyter Abschnitt.
in Länder gepflanzt werden kann , worin kein Getreibe fortkommt.
Ihr Anbau ist daher sehr vortheilhaft , und könnte gewiß auch in den südlichen Gegenden von Europa mit Erfolg betrieben werden , wodurch diese Länder von dem Tribut befreit würden , den sie durch den Handel mit Färberröthe nach Smyrna und nach Bootien bezahlen můffen. Durch ihren wohlfeilen Preis wird die Färberröthe ausnehmend nüßlich für unsere Fårbereven ; sie giebt eine sehr dauerhafte rothe Farbe , die der Wirkung der Luft, der Sonne und aller Proben widersteht, und den zusam mengesetzten Farben Haltung giebt.
Sie ist jedoch nicht
ganz rein , sondern fållt ein wenig in das Rothfahle, was allen Wurzelfarben, eigenthümlich ist.
Man sucht
diese falsche Farbe durchWaschen in starker Lauge zu vers treiben , oder durch allerhand Mittel zu verbessern. In der großen Ebene von Bootien werden jährlich zwölfhundert
Säcke Aly- Zari
eingeerndtet.
Hievon
werden in Griechenland zum Färben der gesponnenen Baumwolle siebenhundert Såcke gebraucht ; die übrigen fünfhundert Säcke werden nach Livorno, Triest und Marseille verführt.
Der Sack hålt hundert Oken , und die
Oke kostet zwanzig bis fünf und zwanzig Paras.
Scharlachbeeren oder Kermes. Der Kermes , der in dem Handel auf dem mittel ländischen Meer unter dem Namen Scharlachbeeren bes kannt ist , ist ein Gallinfect , das auf einer kleinen Art von Steineichen lebt , wie die Cochenille aufdem Nopal.
Scharlachbeeren oder Kermes.
79
Man findet diese Steineiche in erstaunender Menge auf der ganzen Küste von Bootien und Phocis , so wie auf den Auhdhen , die gegen den Helicon und den Parnaß zu liegen.
Sie wächst nur in steinigtem , unfruchtbarem
Boden , und macht , nebst einigen elenden Weinbergen, fast den ganzen Reichthum von allen den Dörfern aus, die in den Gegenden liegen , wo ehmals Delphos, Crissa, Cypariffa - Daulis, Anticyra, Bulis und andere merkwürs dige Orte stunden.
Ascra ,
die
Vaterstadt
Hesiods,
Hippocrene, die Grotte und der heilige Hain der Musen find heutzutage ganz versteckt unter dichten Gebüschen von dieser Steineiche. Der Kermes entsteht aus einem En, und hat nach feiner Verwandlung eine spherische Gestalt , ungefähr wie die Affeln oder Kellerläuſe ;
er nåhrt sich nicht von den
Blåttern , indem er sie zeruagt wie die Raupen , sondern er saugt nur mit seinem Rüſſel den Saft aus ihuen. Das Männchen ist kleiner als das Weibchen ; Flügel und springt1 so schnell wie ein Floh.
es hat zwey Im Früh-
ling läuft das Weibchen von Ast zu Ast; sobald aber der Sommer herbeykommt , so bleibt es auf einem Punkt des Baumes festliegen, und wird in diesem Zustand der Unbeweglichkeit von dem 'Männchen befruchtet. Hierauf Sein Aeußeres behält aber legt es Eyer und stirbt. nachher nicht mehr die thierische Gestalt, wie die Cochenille, sondern nach und nach verschwinden alle animalische Züge, und man sieht bald nichts weiter als einen kleinen Gallapfel , worin die Eyer enthalten sind. Die Kermeserndte, die im Frühjahr statt hat, ist mehr oder weniger ergiebig, je nachdem der Winter ftrenger oder
Zweyter Abschnitt.
80
gelinder war , denn diese Thierchen sind äußerst empfind lich gegen die Kålte ; daher auch die schönsten von den Eichen gewonnen werden ,
die nahe am Meer stehen.
Das Geschäft des Einsammlens geschieht durch Weiber, die die Kermes mit den Någeln von den Zweigen abkraßen . Wenn die Blätter des Baumes durch den Chau ers weicht werden , so ist es leichter die Insecten herabzus bringen ; daher geschieht das Einsammeln vor Sonnens aufgang. Wenn es vorüber ist , so besprengt man die Kermes mit Weinessig , um die kleinen Männchen , die in den Eyern stecken , zu tödten , denn ohne dieſe Vorsicht urden sie davon flegen.
Hierauf werden sie getrocknet,
und in einem Sack gerieben , um sie glänzend zu machen. Durch dieses Reiben erhalten sie die Gestalt von kleinen Beeren , die unter dem Namen Scharlachbeere bekannt find.
Sie geben die schöne rothe Farbe,
die vor dem
Gebrauch der Cochenille so geschäßt und berühmt war.
Der Canton Livadien , der ungefähr einen halben Durchmesser von sechs bis sieben Stunden um die Stadt dieses Namens herum enthält , bringt im Durchschnitt jährlich sechstausend Oken Kermes hervor.
Hievon wer-
den an Ort und Stelle , in den dortigen Fabriken von Kattun und groben Tüchern ,
zweytausend Oken vers
braucht , und viertausend Oken werden nach Italien und. Frankreich verschickt.
Die Oke kostet im Ankauf sechs
bis sieben Piaster ; Livadien gewinnt also in jedem Jahr fünf und zwanzig bis dreyßigtausend Plaster durch den Kermes.
Set de Seide. Thessalien liefert den größten Theil
aller Seide,
die als Handelsartikel nach Salonichi kommt, und zwar ist Zagora der Cauton von Theſſalien , der am meisten hervorbringt.
Dieſer Landftrich iſt das alte Magnesien,
und besteht aus vier und zwanzig Dörfern , die an dem Fuß des Pelions und des Offſa liegen , und der Sultanin Valide zugehören.
Das Clima in diesem Canton ist so
gelind und die Luft so rein , daß die Seidenwürmer in Kammern aufbewahrt werden , die von allen Seiten offen sind.
die sie hervorbringen,
Auch würde die Seide,
ausgezeichnet schön seyn , wenn die Einwohner mit mehr Sorgfalt die Blätter aussuchten , der Würmer dienen sollen.
die zur Nahrung
Zagora
liefert
jährlich
25,000 Oken Seide ; hievon werden im Lande zu Vers fertigung von Schnupftüchern fünftausend Olen vers braucht , fünftausend gehen in die Manufacturen von Turnavos , ſechstausend nach der Insel Scio , eben so viele werden zu Lande nach Teutschland ausgeführt, und dreytausend aus den Häfen von Dalmatien nachh Venedig.
Mehrere Nationen, z. E. 1 die Franzosen, has
ben jedoch ganz aufgehört , sich mit diesem Artikel aba zugeben , weil er zu einem unsinnig hohen Preise gesties gen ist. Die Oke Seide wird heut zu Tage mit funfzehn bis achtzehn Piaster bezahlt, und doch ist die Seide aus Zagora für die meisten europäiſchen Fabriken , z. E. für alle Gazefabriken ,
viel zu rauh und bey weitem
nicht so gut wie die Seide aus Sicilien und Calabrien.
Beaujours Beschr.
$
Zweyter Abschnitt.
82
Wachs. Die chalcidische Halbinsel bringt jährlich zwischen 30 und 40,000 Oken Wachs hervor , die Insel Thasos . 25000, und aus den ottomannischen Provinzen an der Donau kommen 90,000 Oken. Die Oke wird um. sechzig bis achtzig Paras verkauft.
Es werden jährlich
15000 Ofen nach Marseille, und 40,000 nach Venez dig geschickt ; alles übrige Wachs geht in die verſchiedene Handelsståbte Italiens.
Hafenfelle. In Albanien , Theffalien und Macedonien werden jährlich ungefähr 10,000 Oken Hafenfelle gesammelt. Hievon wird die Hälfte von den Griechen selbst nach Triest und Venedig verführt , die andere Hälfte aber in Salonichi von den frånkischen Kaufleuten aufgekauft. Die Franzosen ischicken
jährlich acht bis neunhundert
Oken davon nach Marseille.
Die Winterfelle sind die
besten , denn sie haben långere, dickere und ſeidenartigere Haare.
Neun oder zehn Felle machen eine Oke, und tr zwey Felle kosten zehn bis zwölf Paras. Man sieht, daß dieses keinesweges ein wichtiger Artikel ist, allein die Huthfabriken haben die macedonischen Haasenfelle doch unumgänglich nöthig.
Daher haben auch die Engläns
der neuerlich angefangen , sich mit dieſem Artikel zu versehen.
Kreuzbeeren .
(Graine d'Avignon) .
Dieses Product kommt aus Albanien und Theffalien nach Salonichi.
Es ist die Frucht des Wegedorns
83
Opium.
oder der Creuzbeerstaude ; die Beeren sind von der Größe der Pfefferkörner , haben einen zusammenziehenden bita tern Geschmack, und sind von Farbe grüngelb.
Man
braucht sie zum Gelbfärben , allein wenn sie auch die als lervorzüglichste Zubereitung bekommen ,
so erhält sich
dennoch die Farbe nicht , sondern verſchießt bald. Sie werden jedoch zu gewöhnlichen Farben immer gebraucht und gesucht werden, denn ſie ſind außerordentlich wohls' feil; die Ofe davon kostet in Salonichi nicht mehr als funfzehn Paras.
Die Franzosen haben sich mit diesem
Artikel weniger abgegeben als die Engländer ; man kann annehmen , daß die erstern jährlich ungefähr für 10,000 Piaster , und die lehtern für 15000 Piaster solcher Bees xen ausgeführt haben.
Opium. Die Franzosen nehmen von Salonicht für 12,000 Piaster Opium , und die Italiåner für 18000 Piafter, Die schlechteste Sorte wird in Griechenland gewonnen, und die reinste kommt aus Anadolien.
Die Türken bes
halten zu ihrem eigenen Gebrauch dasjenige Opium, was von Natur aus den Mohnköpfen heraustropft , und vers kaufen nur das an Fremde , so durch Einschnitte oder durch Auspreſſung aus den Pflanzen gewonnen wird.
In der ganzen Türkei wird das Opium theils wie ein einschläferndes , theils wie ein reizendes Mittel ge, braucht.
Diejenigen Türken , die täglich davon gebraus
chen , heißen Theriakis.
Die meisten suchen sich durch
dasselbe in eine Art von angenehmer Lethargie zu vers setzen , in der sie zwischen Leben und Tod zu schweben F
2
Zweyter Abschnitt, 84
scheinen.
Dieser Zustand , in dem die Dentkraft ges
lähmt , das Empfindungsvermögen aber nicht unters drückt ist , hat für die Türken so Große Reize , daß es viele Theriakis giebt , die in ihrem Leben nichts weiter thun , als Caffee trinken , Tabak rauchen und Opium einnehmen .
Einer meiner Dollmetscher hatte Umgang
mit einem Effendi ,
der täglich dreyßig Tassen Caffee
trank , eben so viele Pfeifen Tabak rauchte , und drey Drachmen Opium verschluckte ; seine ganze übrige Nahrung bestand tåglich in vier Unzen Reis. Ich hatte die Neugierde , diesen sonderbaren Mann kennen zu lernen und fand in ihm eine wandelnde Mumie, deren Muskeln ganz eingetrocknet schienen . Bu bemerken ist noch, daß allen Theriakis das Rücks grad ganz krumm gebogen ist. Andere Türken suchen sich durch diesen Saft zu dem Genuß der Liebe anzureizen , oder auch sich in eine fröhliche Trunkenheit zu verſetzen .
Die Janitscharen,
wenn sie ins Treffen gehen, nehmen Opium ein , wie unsere Soldaten Brandtewein trinken.
Das türkische
Opium reizt die Sinne oder beruhigt sie , je nachdem es eine Zubereitung erhalten hat. Das in dow Handel gewöhnliche Opium muß, wenn es gut ist , im frischen Zustande hart , etwas schleimig, und glänzend seyn , sobald es trocken wird.
Es wird
oft mit mancherley Harzen , auch wohl mit Mehl verschte der m wirdistvia leicht Betrug mischt allein das ver,fäl Spiu Gr zu entdecken , denn recht hart , und wenn man es entzwey bricht , so zieht es keine Fåden,
85
Gummi Tragant. Gummi Tragant.
Es fließt entweder von Natur oder durch gemachte Einschnitte
aus der
Tragant staude,
oder dem
Bocksdorn , die in den Thälern Griechenlands ſehr Man braucht es in den Apos Es wer theken, den Fabriken und bey den Mahlern.
häufig angetroffen wird.
den jährlich aus Griechenland durch fränkische Kaufleute fünftausend Oken von diesem Gummi ausgeführt.
Die
Oke kostet im Ankauf fiebenzig bis achtzig Paras ; das Ganze beträgt also eine Summe von Fern
10,000 Pias
86
Dritter
Abschnitt.
Berarbeitete Artikel der Ausfuhr.
Diese bestehen in rothem Baumwollengarn ,
Saffian,
Teppichen , seidenen Frauenkleidern und einigen groben Tüchern, die unter den Namen Cajots bekannt sind.
und Abats
Es verlohnt sich der Mühe , fie einzeln
hier durchzugehen.
Rothes Baumwollengarn,
oder Türkischgarn. 1
Die schöne rothe Farbe , die man in dem ottomans nischen Reich dem Baumwollengarn giebt , ist unter dem Namen Türkischroth in Europa bekannt.
Da man
allgemein dafür hält , daß durch das Verfahren bey dent Färben dieses eigenthümliche Roth hervorgebracht wird, so wird es nicht uninteressant seyn , wenn ich dieses Ver fahren , so wie es in den griechischen Fabriken beobachtet wird , hier mittheile, und bemerke nur vorläufig , d in diesen Fabriken gewöhnlich so viel Strången Garn, als fünf O dreyßig Oken wiegen, zu gleicher Zeit bear
beitet werden ,
Das erste Verfahren ist das Kochen der gesponnes nen Baumwolle, um sie zum-Fårben geschickt zu machen. Hiezu werden anderthalb Oken Sode in zwanzig Oken Wasser aufgelöst; dann wird die Baumwolle fünf bis
Nothes Baumwollengarn oder Türkischgarn .
sechs Stunden darin gesotten ,
87
und hierauf in reinem
Waffer wieder ausgewaschen. Das zweyte Bad, worein die Baumwolle geworfen wird, besteht aus Sode und Schafmist , die im Wasser aufgelöst werden.
Um die Auflösung
zu erleichtern,
wird die Sode und der Mist in einem Mörser zerstoßen. Diehierbo beobachtete Proportion ist eine Oke Mist und Wenn diese sechs Oken Sode zu vierzig Oken Waſſer. Ingredienzen sich gehörig vermischt haben , so wird das Ganze durch ein Haarfieb , in ein Laugenfaß gegossen ; hier that man noch sechs Oken Olivendhl dazu ,
und
rührt es so lange um, bis es so weiß geworden ist wie Milch. Hierauf wird die Baumwolle in dieses - Wasser getaucht , und wenn sie gehörig davon durchdrungen ist, so ringt man sie aus und läßt sie wieder trocknen.
Die
ses Bad muß drey bis viermal wiederholt werden , denn durch dasselbe erhält eigentlich die Baumwolle die zur Farbe erforderliche Güte.
Jedes Bad besteht aus den
nämlichen Ingredienzen , und muß fünf bis sechs Stuns den dauern.
Zu bemerken ist , daß nach demselben die
Baumwolle jedes Mal getrocknet werden muß, ohne vorz her ausgewaschen zu werden.
Nur nach dem letzten Bad
darf man sie ausspülen , und dann ist die Baumwolle so weiß , wie wenn sie auf der Wiese wåre gebleicht worden. In unsern Fårbereyen ist dieses Mistbad ganz unbes kannt.
Zur Firirung der Farben kann es zwar nichts
beytragen , allein diese Excremente enthalten bekannters maßen eine Menge von flüchtigem Alkali , das die Eis genschaft hat, die rothe Farbe herauszutreiben.
Wahr-
Dritter Abschnitt.
88
scheinlicher Weise hat daher das türkische Roth hauptsächs lich diesem Ingredienz seine Lebhaftigkeit und seinen Glang zu verdanken , so viel ist wenigstens gewiß , daß man auch den türkischen Saffian mit Hundsmiſt zubereitet, weil man gefunden hat , daß die Farbe durch ihn erhöht wird. Auf das Miftbas folgt die Galläpfelfarbe.
Man
wirft nämlich die Baumwolle in laues Waffer ,
worin
fünf Oken fein zerstoßene Gallåpfel
abgefotten find.
Diese Operation macht die Baumwolle geschickter , sich mit den Farben zu fåttigen , und giebt diefen mehr Fes ftigkeit und Körper. Hierauf folgt die Alaunbereitung, die darin besteht, daß die Baumwolle zweymal in einem Zwischenraum von zwey Tagen in ein Wasser gelegt wird , worin fünf Oken Alaun und fünf Oken Waffer , die durch eine von der Sode alkalisirte Lauge gemischt sind. Diese Operation muß mit Sorgfalt behandelt werden, denn durch sie wird eigentlich der Farbestoff mit der Baumwolle verbunden, und gegen die zerstörende Wirkung der Luft gesichert. Wenn das Garn zum zweyten Mal aus diesemBade kommt, fo wird es ausgerungen , und in einem Sad von dünner Leinwand in fließendes Waffer gelegt. Nach allen diesen Operationen wird endlich zum Färben geschritten , und die Farbe auf folgende Art zus bereitet.
Man thut in einen Kessel hundert Oken Wass
fer und fünf und dreyßig Oken Aly zari , oder Färbers rdthe.
Diese wird vorher gepülvert, und mit Ochsens
oder Schaafblut übergoffen. Farbe verstärkt,
Durch das Blut wird die
und je nachdem man sie heller oder
Rothes Baumwollengarn oder Türkischgarn.
89
Dunkler haben will , wird mehr oder weniger Blut darůz ber gegossen.
Unter dem Kessel wird beständig ein mås
Big starkes Feuer unterhalten , und wenn die Mischung anfängt heiß zu werden, so taucht man das Garn hinein, damit das Feuer es nicht erwische.
Hierauf wird es auf
Stricke gehängt , die an kreuzweis über den Keffel angebrachten Ståben befestigt werden , und sobald die Farbe vollkommen siedet , so werden die Ståbe weggenommen, . Hier läßt man es so daß das Garn in den Keffel fällt. fo lange, bis die Farbe auf ein Drittheil verzehrt ist. Hierauf wird das Garn herausgenommen und in reinem Waffer gewaschen. Die letzte Vollkommenheit bekommt die Farbe in einem durch Sode alkalisirten Wasserbad.
Dieſe lette
Operation ist die allerschwerste und delikateste, denn durch fie bekommt die Farbe ihren eigentlichen Ton. Das Garn wird in dieſem Bade über einem anhaltenden Feuer so lange gefotten, bis die Farbe so ist, wie man sie vers Die ganze Kunst besteht darin , daß man den
langt.
wahren Zeitpunct trifft, wo das Garn vom Feuer genommen werden muß , und sorgfältige Arbeiter wenden daher alle Aufmerksamkeit an, um den wahren Augenblick nicht zu verfehlen.-
Die vorzüglichsten Fabriken von türkischem Garn in Griechenland sind in Theffalien , und zwar zu Boba, Kapsami , Turnavos , Larissa , Pharsala, und in allen Dörfern , die an dem Fuße des Ossa und des Pelion liegen.
Unter den Thålern , die um diese Berge herum
liegen ,
war von jeher das von Tempe wegen seiner
Schönheit berühmt.
Es wird durch eine Menge von
90
Dritter Abschnitt .
ten deren Wasser in den , spiegelhellen Bächen du Fårbereyen vorzüglich gut zu gebrauchen ist ; es sind daher auch eine Menge Fabriken in diesem Thale angelegt, unter denen jedoch die zu Ambelakia die allerberühmtesten und merkwürdigsten sind. Das Dorf Ambelakia liegt auf dem Abhang des Offa und auf dem rechten Ufer des Peneus, zwischen Lariffa und dem Meer.
Es gleicht durch die lebhafte Thắ-
tigkeit , die darin herrscht ,
mehr einem holländischen
Flecken als einem türkischen Dorse.
Es verbreitet durch
seine Industried Leben und Bewegung in der ganzen Ges e n la iss n nFleiß en , und durch seinen gend umher tritt Teutschland t eh h l t iec it unfz ge erhä n e n r e S f . V i G e Jahren ist seine Bevölkerung auf das dreyfache gestiegen, und beträgt gegenwärtig viertausend Seelen.
Alle Ein-
wohner leben in und von Fårbereyen , und man kennt unter ihnen den Müßiggang nicht. Auch ist die Stlaveren, die rings um fie in den Ebenen , die der Peneus bewässert , ihre Geißel schwingt , nie bis zu ihnen vorgedrungen ; fie dulden gar keine Türken unter sich, und werden nach der Weise ihrer Vorfahren durch selbst ge= wählte Obrigkeiten regiert.
Zweymal haben die rohen
Muselmanner von Larissa aus den Versuch gewagt , ihre Berge zu ersteigen und ihre Häuser zu plündern , aber beyde Male sind sie von den Einwohnern , die schnell den Weberstuhl verließen , um die Musquete zu ergreifen, zus rückgeschlagen worden. Jedermann , auch sogar die Kinder , sind hier mit der Färberen beschäfftigt , und während die Männer das Garn fårben , spinnen und bereiten es die Weiber.
Rothes Baumwollengarn oder Türkischgarn.
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Ich werde in der That nie diesen merkwürdigen Ort bera geffen, wo alle Einwohner von dem Ertrag ihrer Fabriz ten leben , und sämmtlich nur eine Familie von Brüdern und Freunden bilden. Die schöne Verfassung , die von den Jesuiten in den Wäldern von Paraguay gestiftet wer A den sollte , findet man hier auf dem beschneiten , felfig= ten Offa wirklich eingeführt. Es scheint Sauberey zu feyn, wenn man auf einmal in den Griechen ganz ans dere Menschen findet ; sie sind fleißig und nachdenkend, an die Stelle der Nationaleitelkeit sind großmüthige Ge= fiunungen getreten , und hohe Ideen von Freyheit keimen auf einem Boden , den seit zwanzig Jahrhunderten Sklas Der ganze Charakter der alten Griechen
verey entehrt.
zeigt sich wieder mit seiner vorigen Energie ,
und alle
Talente , alle Tugenden des alten Griechenlandes erwaz chen wieder in diesem wilden , neuern.
entlegenen Winkel des
Man findet in Ambelakia vier und zwanzig Fabriken ,
in denen jährlich
2500 Ballen
türkisch Garn,
jeder Ballen von hundert Oken gefärbt werden.
Diese
2500 Ballen gehen sämmtlich nach Teutſchland , und zwar über Pest und Wien nach Leipzig , Dresden , Ansa bach, Bayreuth u. s. w.
In den meisten dieser Städte
haben die Kaufleute von Ambelakia eigene Comptoire, worin sie das türkische Garn unmittelbar an die teutschen Manufakturiſten abſeßen. Man hat auch in Europa vielfältige Versuche gemacht , das Baumwollengarn roth zu fårben , und sos gar haben sich griechische Färber in der Mitte dieses Jahre hunderts in Montpellier niedergelassen , und solche Fas
Dritter Abschnitt.
32
briken auf griechischem Fuß errichtet.
Die französischer
Fårber lernten ihnen bald ihre Handgriffe ab , und jetzt wird in Languedoc , Bearn , Rouen , Mayenne u. f. w. eine Menge Garn auf levantische Art roth gefärbt. Dema ungeachtet hat man die rothe Farbe , die dem türkischen Garn, so aus der Levante kömmt, eigenthümlich ist, noch nicht nachmachen können ; sie behålt immer einen Glang und eine Lebhaftigkeit , die von der unsrigen nicht ers reicht wird.
Es fragt sich aber , woher denn dieser Vors
zug eigentlich kommt ?
Viele Färber behaupten , der
Schafmist trage am meisten dazu bey ;
andere sagen,
das türkische Roth erhalte hauptsächlich daher seine Schöns heit, daß man das Garn jedes Mal, wenn es aus einem Bade kommt, wieder sorgfältig ausspühlt ,
indem die
Farbe dadurch desto leichter eindringe und sich inniger mit dem Garn vermische.
Auch scheint das vollkoms
mere Austrocknen nach jedem Bad ein wesentliches Erz forderniß zu seyn , es mag geschehen auf welche Art es wolle, im Schatten oder in der Sonne. In vielen Fabriken wird auch Urin Waffers genommen ,
anstatt des
allein im Sommer geht dieser zu
bald in Fanlniß über.
Anstatt der Gallapfel wird in
manchen Orten Sumach oder ein 1: anderes gemeineres zus fammenziehendes Mittel genommen , wie z. E. Granas tenrinde, oder Wurzeln von Nußbäumen , Erlen und Eichen. Ueberhaupt ist das Verfahren der Griechen äußerst zusammengesetzt ; sie brauchen zu ihrer Farbe über funfa zehn
verschiedene Ingredienzen,
und jede Quantitåt
Garn, die gefärbt wird, kostet über einen Monat Arbeit,
Saffian
93
Es ist daher äußerst schwer , die ganze Fabrication richtig zu beschreiben , und ich will mir nicht anmaßen , daß nicht auch in meiner Darstellung sich Fehler sollten einges schlichen haben,
Gaffian. Die Art wie der türkische Saffian zubereitet wird, ist bey uns ganz unbekannt , und man wird sie auch so bald noch nicht vollkommen kennen lernen , weil die Saffianmacher eine Innung ausmachen , in der alle Mitz glieder durch einen Eid zur Beobachtung des. strengsten Geheimnisses verpflichtet werden.
Ich habe, um das
hinter zu kommen , weder Mühe noch Geld gespart, und doch kann ich nur unvollständige Nachrichten darüber mits theilen , denn ungeachtet des Ansehens , das mir meine Stelle gab , war es mir doch nicht möglich, die Fabriken zu besuchen, und ich mußte mich daher bloß mit den Rapporten von unwiſſenden Türken begnügen , die noch -überdies von meinen Dolmetschern , die keine Idee von Kunstfleiß hatten , vielleicht unrichtig überseßt sind. Aber dennoch halte ich diese Nachricht für zulänglich , Sachverständige auf den wahren Weg zu leiten.
um
Voll-
ständigere Nachrichten darf man bey der jeßigen Lage der Dinge zuverläſſig von keinem Reisenden erwarten , denn wenn diese auch Geduld genug håtten , um mit den groz ben und argwöhnischen Arbeitern sich in das Detail der Fabrication einzulassen , so fehlen ihnen doch die erfors derlichen Localkenntnisse. Besonders excelliren die Türken in der Verfertigung des rothen Saffians.
Es werden hiezu Bocks
und
Dritter Abschnitt .
94
Ziegenhåute genommen , und um Zeit , Arbeit und Farbestoffe zu sparen , immer sechs und dreyßig Stück zugleich zubereitet.
Man hat in Europa lange behauptet,
daß zum Abhäten der Haute in der Levante nur Salz . und Gallåpfel gebraucht würden ;
allein dies ist grund-
Zwar erfordert dieses Abhåren in einem Lande, falsch. wo die oLuft so außerordentlich trocken ist nur eine leichte Beike ; es ist jedoch ganz außer Zweifel , daß man sich in allen türkischen Gerbereyen des Kalks dazu bedient, Die Felle werden , immer zu sechs Stück zusammengebunden , in eine Kalkgrube geworfen, und hierauf wieder in klarem Wasser ausgewaschen, und im Schatten ge trocknet.
Dann legt man sie auf einander und läßt sie
so lange liegen , bis sie sich erhitzt haben , und die Haare leichter losgehen.
Diese werden hierauf mit der Hand
oder mit einem besonders dazu bestimmten Messer ausgeriffen ; dies muß jedoch sehr geschickt verrichtet werden, denn die Schönheit des Felles hångt nicht nur davon ab, sondern auch die Haare selbst werden vortheilhafter vers kauft , wenn sie gut ausgerissen und lang sind.
Hierauf werden die Haute aufs néue in die Kalkum sie auch auf der Seite gegen das
grube gelegt ,
Fleisch zu reinigen , wie man sie durch die vorige Beite auf der äußern Seite gereinigt hat. Auf diese Art schai 4 ben die türkischen Gerber die Haute auf beyden Seiten, ohne das weitläuftige Verfahren nöthig zu haben , das die unsrigen hierbey beobachten . Auch nach dieser zweyten Kalkbeite werden die
Haute wieder in fliessendem Wasser ausgewaschen , und Zur daun in ein Decoct von Huudsexcrementen gelegt.
Saffian.
95
Zubereitung dieses Decocts werden dreyßig Pfund solcher Excremente und dreyßig Pfund Waffer in einen großen Kessel gethan, und diese Mischung , wenn sie anfängt zu kochen , mit hölzernen Ståben fleißig herumgerührt. Ist das Decoct fertig , so werden die Haute hineingetaucht ; dies geschieht jedoch mit großer Vorsicht und nur allmählig.
Der Arbeiter faßt zu diesem Ende jede Haut
einzeln an beyden Enden , und fährt damit ganz leicht Guf der Oberfläche des Decocts verschiedene Male hin und her.
Wenn auf diese Art die Häute nach und nach eins
getaucht worden sind , so wirft man sie endlich ganz in die Kufe und läßt sie zwölf Stunden darin liegen. Hiera auf werden sie in fliessendem Wasser vom Unrath gesäus bert , und drey Tage lang zur nochmaligen Reinigung in einen Absud von Kleien gelegt.
Durch diesen Absud wer-
den die Häute wieder weicher und geschmeidiger ,
und
dadurch die übermäßige Zusammenziehung , die eine Wir kung des Decocts von Hundsexcrementen ist , wieder gut gemacht.
Wenn die Haute aus diesem Kleienbad herauskommen, so werden sie abermals in klarem Wasser gewaschen, stark ausgerungen um sie weicher zu machen, und dann eingesalzen,
Man streuet nämlich eine Schichte fein
gestoßenes Salz auf die Seite der Häute, die zum Färben bestimmt ist , und legt sie daun sämmtlich auf Haufen ; je långer sie so liegen bleiben , desto besser werden sie, denn das Salz stärkt das Leder und macht es geschmeidig. Dies ist eine so wesentlich wichtige Operation , daß die guten Gerber und die nicht gerade nöthig haben , ihre
ter
Drit
96
t
hnit
Absc
,
Auslagen bald wieder zu gewinnen , die Hånte oft zwey Monate lang in dieser Salzbeißze liegen lassen.
Zuleht kommen endlich noch die Haute in ein Des coct vou trockenen Feigen.
Man läßt nämlich in einem
Kessel für jede Haut vier und zwanzig Unzen Feigen, und also für die ganze Maffe vier und funfzig Pfund kochen, und schüttet den dadurch gewonnenen Syrup überdie Haute.
Hierin müssen sie so lange liegen bleiben,
bis sie unmittelbar darauf gefärbt werden sollen.
Der
Feigensaft , der in die Haute dringt , soll nicht nur das Leder weich und geschmeidig , sondern auch besonders gez schickt machen, die Cochenille und andere Farbestoffe ans zunehmen. Wenn die Haute aus dem Feigenbad herauskomも men , so werden sie noch in Alaun getaucht , und dann gestreckt oder ausgedehnt.
Dies ist die lehte Zubereitung, e arbe. und es fehlt ihnen nun nichts weiter als Di F
feinen
Die schöne rothe Farbe , die dem türkischen Saffian vorzüglichsten Werth giebt, besteht aus einer
Mischung von verschiedenen Ingredienzen , wovon auf sechs und dreyßig Häute folgende Proportionen genoms men werden :
130
Cochenille
Curcuma, oder Gelbwurz
45
Gummi = Gutte
15
Arabisches Gummi
ΤΟ
Weiffer gepülverter Algun Granaten Rinde
10
Citronensaft Wasser
120 Pfund,
Quentchen,
IO
Saffian,
97
Der Alaun wird nur nach und nach in die Miſchung gethan, und zwar zuerst drey bis vier Quentchen ; dann wird die Dosis immer vermehrt bis zu zehn oder zwölf Quentchen.
Alle übrigen Farben werden in den ange=
führten Proportionen in einen Kessel geschüttet und etwa zwey Stunden lang sehr stark gekocht, bis daß das Waffer um ein Zehntheil vermindert ist.
Hierauf fångt die ei-
gentliche Operation des Fårbers an, woben zu bemerken ist , daß das Farbewasser möglichst gespart werden muß, um für die ganze Masse von Häuten damit auszulangen. Man schöpft deshalb das Wasser in kleinen Quantitäten aus dem Kessel, und gießt es in ein daneben befindliches großes Gefäß, in der das Fårben vorgenommen wird. Zuerst legt der Arbeiter die Haut einfach zusammen , so daß die Seite, wo das Haar geseffen , auswärts kommt, und taucht sie ganz fachte in das Farbewasser , indem er fie an den beyden äußersten Enden hålt.
Hierauf spannt
er sie auf den Schabebock , und dreht sie stark mit den Händen.
Unterdessen wird abermals Farbewaffer in das
Gefäß gegossen , und die Haut noch einmal eingetaucht. Diese Operation wird so lange wiederholt , bis man die Haut für gefärbt genug hålt , oder bis sie, wie die Türs ten sagen, Farbe genug getrunken hat. Hier auf låßt man sie abtropfen, und wirft sie dann aufs neue in eine Kufe mit Waffer, worein Sumachblätter und puls Auf zwey Hänte verifirte Galläpfel gethan werden. werden drey Pfund Sumach , ein Pfund Galläpfel und drey Pfund Waffer genommen. Das Wasser muß sehr heiß, jedoch nicht siedend seyn , wenn der Sumach und bie Galläpfel hineinkommen . Maricheinlich for durch G Beaujours Beschr.
Dritter Abschnitt.
diese Operation die aufgetragene Farbe befestigt und ihre Lebhaftigkeit erhöht werden . Sind die Häute von diesem Wasser gehörig durchs 10 werden sie gestreckt und mit einem in reinem weicht, Hierauf wird Wasser durchnåsten Schwamm gerieben.
der Saffian polirt, und erhält durch verschiedene hölzerue äußerst glatte Instrumente den nöthigen Glanz; zugleich werden dadurch die überflüssigen Partickeln von Sumach und Galläpfeln , die sich darin festgesetzt haben können, Zuletzt wird das Leder aufeinem
vollends weggeschafft.
glatten Marmor mit Bimsstein gerieben, Narben zu geben . Dies ist das Verfahren , d
um ihm die
bey dem Zubereiten
und dem Färben des rothen Saffians beobachtet wird. Einige Färber rühmen sich zwar ,
daß sie noch besondere
Geheimnisse besitzen , allein diese schränken sich bloß dars daß durch Beymischung einiger Pflanzensäfte der Farbe stärkere Schattirungen gegeben werden können. auf ein ,
Wenn 3.. E. das Roth etwas zu schwach ist, so mischen urbe , um sie zu verstärken , und fie Curcuma in die ist es zu dunkel, so erhellen sie es durchBorar. In der Färberen , wie in der Mahlerey , hat man den Vortheil, , che sie aufgetragen daß man die Farben werden . Der gelbe Saffian wird eben so zubereitet wie der rothe; uns liefert zu diesem die Cochenille den Haupts farbestoff und zu jenem die Kreuzbeere.
Die Türken ges
ben dem Saffian auch andere Farben , allein nur in dem rothen und gelben haben sie ihre eigentliche Stärke, Ihre schwarze Farbe hat weniger Glanz als die unsrige , ihre
Saffian.
99
grüne hält nicht, und ihre blaue verschießt noch schneller.
Saff in ian annehmen Türken man uns zu machen, daß un ImdeGanzen rken r Kunst,kann s die Tü eben so sehr übers treffen, als wir ihnen in der Zubereitung aller übrigen Lederarten überlegen sind. In Macedonien, so wie in allen an der Donau ges
13 Provinzen hat man vortreffliche Büffel und Ochsenhåute ; allein man versteht es nicht, sie zu gerben,
legenen
Man legt sie zwar wie bey uns in Gruben , und bestreut fie mit Lohe allein diese Gruben find schlecht eingerichtet, nicht tief genug und die Häute werden nicht lang genug darin gelaffen. Die stärksten Häute erhalten in der Türket nur zwey oder drey Lohen , dagegen ihnen bey uns fünf bis sechs gegeben werden.
Das türkische Leder bleibt
daher immer roh, weil es nicht genug Nahrung bekommt ; aus dieser Ursache zieht es sich , wird nicht wasserdicht, und fault sehr leicht. En anderes Fehler der türkischen Gerber besteht
barin , daß sie ohue Unterschied alte und neue Lohe nehmen. Je frischer jedoch die Lohe ist, desto mehr Stärke hat fie , denn ihre vorzüglichste Wirksamkeit liegt in ihrer adftringirenden Eigenſchaft ;
es ist also natürlich, daß
Die alte Lohe weniger wirksamt ist. Auch verfertigen die Türken diese Arten von Leder nur zu ihrem Gebrauch, dagegen fie eine außerordentliche der im Handel den Nahmen Corduan Quantität führt, ins Ausland verkaufen.
Die vorzüglichsten gries
chischen Fabriken , die diesen Handel unterhalten, sind die zu Larissa in Theffalien , zu Janina in Epirus und zit Salonichi in Macedonien .
Nur allein die Teutschen
Dritter Abschnitt.
100
kaufen jährlich für sechzigtausend Piaster Saffian in diesen Fabriken.
In Conftantinoper werden aus diesem Saffian Brieftaschen , Gürtel , tartarische Gewehrgehänge , Schabe racken und noch viele andere allerliebste Arbeiten verfertigt. Die Stickerey auf denselben , ist so künstlich gemacht, littern und Plättchen bedeckt zu daß sie mit goldenen seyn scheint , und doch sind es nur mehr oder weniger platte Goldfäden
mit denen dort so fein und zierlich in
Leder gestickt wird , wie bey uns in seidenen Zeugen. Es ergiebt sich aus meiner obigen Beschreibung von der Zubereitung des Saffians , daß die vorzüglichsten venommen Operationen , die in der Levante dabey
indem werden, in den Kalkgruben , in dem Decoct von Hundsexcrementen ,
in dem Kleien- und Feigenbad , und in
der Alaunbereitung bestehen , durch welche letztere die Haute unmittelbar zur Farbe tüchtig gemacht werden. Heutzutage wird zu dieser Farbe Cochenille genommen, da aber die türkischen Saffianfabriken schon zur Zeit der Araber geblüht haben , so ist wahrscheinlich in frühern Zeiten Kermes dazu genommen worden . Zur Grubenbereitung bedient man sich der Käppchen oder Kelche der Eicheln , oder auch der Gallåpfel.
Zu
Uskup in Servien nimmt man dazu die Rinde von einer Fichte die auf den höchsten Gipfeln des Scardus wächst, vertrit Sumac der Galläpin Die fel. die Stelle der vertrittt der Griechenland Gårbereyen inheinigen und hat den Vorzug, daß er weniger adstringirende Theile enthält , und Deshalb das Leder nicht so austrocknet..
101
Saffian
Ehe man den gelben Saffian fårbt , wird er ins Treibfaß eingesetzt ,
um die Farbe zu bekommen ;
rothe hingegen wird vorher gefärbt.
der
Dies ist die kas
racteristische Verschiedenheit zwischen beyden Arten von Zubereitungen ;
der Grund davon ist schwer einzusehen,
denn wenn durch das Treiben die rothe Farbe lebhafter und dauerhafter wird, wie man angiebt , so sollte auch in den Baumwollenfärbereyen die rothe Farbe erst nach der Galläpfelfarbe aufgetragen werden , was jedoch nicht geschieht.
Die gelbe Farbe besteht hauptsächlich in Kreuzbeeren, Alaun ', Curcuma , Citronensaft und Granatrinde.
Die
Türken behaupten , daß die beyden letztern Ingredienzen dieser Farbe ihre eigenthümliche Schönheit geben.
Eine Bemerkung muß ich indessen beyfügen,
die
in der Beschreibung von dem Verfahren der Türken bey ihrer Saffianbereitung von wesentlicher Wichtigkeit ist. Sie find dabey weniger verschwenderisch mit den Flußarbeiten als wir , und dies ist vielleicht eine der vorzugs lichsten Ursachen von der großen Geschmeidigkeit ihres Leders.
Das Wasser hat die Wirkung , das Leder zu
hårten , und ihm die Consistenz und Steifigkeit des Pers gaments mitzutheilen. Daher haben die Türken an die Stelle des gewöhnlichen Waschens im Wasser das Eins tauchen der Häute in dhlichte Flüssigkeiten eingeführt, und hierdurch weich.
wird ihr Saffian so äußerst sanft und
102
Dritter Abschnitt . Türkische Teppiche. Die in Salonichi fabricirten Teppiche haben zwar
nichtt ganz die Schönheit der Smyrnischen , sind durchaus von derselbigen Güte. Handel
unter
allein sie
Man kennt sie im
dem Namen türkischer Teppiche.
Die
Stühle, worauf sie verfertigt werden , gleichen im Kleiz nen denen , worauf man unsere haute - liffe Tapeten Sie sind aus den nämlichen Theilen zusammenz webt. gesezt , allein man beobachtet ein ganz anderes Verfah ren, um das Sammtartige hervorzubringen,
und die
Zeichnung hineinzuwirken . Die Türken verfertigen alle ihre Teppiche stückweise, und dann sehen sie diese Stücke einzeln zusammen wie Theile einer eingelegten Arbeit , und verfertigen ein Ganzes daraus , worin die Zeichnung durch die lebhaftes
ge wird i Farben ausgedrückt ist. Auch ausgesuchtest sten ena und rti en von on ihnen auf eine ganz andere das Art gewirkt , und hierdurch unterscheiden sich die oriens talischen Teppiche von den unsrigen ; allein es ist nicht ihr wesentlichster Vorzug, fon wenn die türkischen Teppiche ihren alten Ruhm noch fortdauernd. verdienen, so haben sie ihn einzig der außerordentlichen Schönheit der Farben und der Wolle zu verdanken. Die Türken gehen bey der Auswahl der ersten Mas terien mit ausnehmender Sorgfalt zu Werke. Die Fåden werben genau ausgesucht , gleich sind ,
damit alle einander möglichst
und eben so sorgfältig suchen sie auch die
markigste Wolle aus , damit der Sammt ihrer Teppiche elastischer und zur Auffassung der Farbeschattirungen ges schickter werde.
Auch betreiben sie das Weben selbst mit
103
Türkische Teppiche. einer Aufmerksamkeit ,
die ins Kleinliche geht ,
damit
burchaus keine lose , durchsichtige Flecken hineinkommen. Hierin besteht auch die wahre Schönheit der türkischen Teppiche, denn die Farben werden desto vollkommener in einander verſchmelzt , und der Teppich selbst erhält den hohen Grad von Elasticitat , der es so angenehm macht, barauf zu treten.
Man geht auf einem solchen Teppich
wie auf der weichsten grünen Wiese herum.
Freylich werden durch diese firenge Auswahl der Materie und durch die höchstgenaue Sorgfalt bey der Berarbeitung derselben die Preise der Teppiche sehr erhöht und wirklich verdoppelt.
Auch können sie in Rücksicht
der Wohlfeilheit mit den englischen Teppichen nie in Cons currenz treten. kauft,
Ich habe dergleichen in Salonichi gez
die ziemlich unter die mittelmäßigen gehörten,
und dennoch kamen sie mir höher zustehen , als die allervorzüglichsten aus andern europäischen Fabriken.
Sie
machen daher in dem Handel' einen bloßen Artikel des Lurus aus , denn man wird ſie in Europa nie anders als zu Decorationen brauchen , wie z. B. das japanische Porcellain. Es läßt sich daher auch nichts genaues über diesen Gegenstand , als Handelsartikel anführen , denn unter allen europäischen Handelsplähen find London und Marseille die einzigen, welche jährlich ungefähr hundert solcher Teppiche einführen, und auch diese wenige machen keinen eigentlichen Handelsartikel
aus , sondern
die
Schiffsofficiere und Matrosen nehmen sie nebenher für eigene Rechnung mit,
104
Dritter Abschnitt.
Seidene Frauenzimmerkleider , oder Chemisen: In dem südlichen Theil von Macedonien werden. jährlich funfzehn bis zwanzigtausend Oken Seide gewons nen ; diese Seide ist weit schöner als die von Zagora und wird sämmtlich im Lande selbst gesponnen und verarbeitet. Aus einem Theil davon wird eine Art von Shawls be reitet , die Pochs heißen , und mit denen die Janitscharen ihre Turbans zu umwickeln pflegen;
aus dem andern,
Theil werden Frauenzimmerkleider fabricirt , die man als einkostbares Ueberbleibsel aus dem schönen Zeitalter des griechischen Kunstfleißes ansehen kann.
Wenn man mit
diesen Zeugen dasjenige vergleicht , was uns die Alten von ihrer Gaze aus Cos erzählt haben , so glaubt: man, daß in den neuern Zeiten nur die Seide an die Stelle des Flachses getreten ist
Diese Kleider bestehen.
aus den feinsten , dünnesten Gewebe , und find dabey. von einer elastischen Weichheit , die in keiner europäischen Fabrik nachgemacht wird. Die Alten legten dieſem zars ten Gespinnste die Namen : gewebter Wind , Wolke von Linnen , Luftgewand bey ; find in der That faracteristisch ,
diese Ausdrücke .
und die anacreontischen
Dichter erhoben in ihren Versen mit besonderm Vergnigen die Durchsichtigkeit dieser Gewänder,
Unter allen Dichtern wollte nur allein der alte Horaz nicht zugeben,
daß seine Lycina ihm wie ein Schatten erschiene, und obwohl bekleidet dennoch nackend sich zeigte ; referunt jam tibi purpurae.
nec cose
Es war jedoch bloß Eifers
sucht , die ihn so sprechen machte.
In der That mahlen
die griechischen Chemisen das Nackende beffer , als alle Leinwand , und zeichnen bestimmter die Umrisse ab ; fie
Abat
aus Macedonien.
105
scheinen von den Händen der Grazien für Liebesgötter gewebt zu seyn. Aus Salonichi werden
jährlich 10.000 solcher
Chemisen ausgeführt, t und das Stück wird mit acht bis zehn Piaster bezahlt. äußerst
In allen türkischen Städten werden sie
geschäßt , denn sie übertreffen bey weitem an
Schduheit und Güte alle , welche jezt in Smyrna und auf der Insel Chio gewebt werden.
Die allerfeinsten werden
nach Constantinopel geschickt, wo sie von den Damen im Serail , und auch von den vornehmsten Griechinnen zum großen Staat getragen werden. Bey uns sind sie bis jetzt nur ein Gegenstand der Neugierde gewesen , und nie in den Handel gekommen. Abats aus Macedonien. Dies sind grobe Tücher, die zur Kleidung für die Armen bestimmt sind ; sie halten gewöhnlich sechs Ellen in der Länge und eine halbe in der Breite.
Man braucht
sie auch zum Einpacken der beffern Sorten von Tabak. Sie werden von den Yeuruks verfertigt , selbst darein kleiden. der alten Colonisien ,
die sich auch
Diese Yeuruks find Abkömmlinge die zur Zeit der Eroberung von
Macedonien aus Turkomannien dahin verpflanzt worden find, um die besiegten aber nicht unterjochten Griechen im Zaum zu halten.
Sie bewohnen noch heutzutage die
Dörfer, die ihnen damals angewiesen wurden , dieſe lies gen alle auf Anhöhen, von denen sie die Ebenen be herrschen.
Bey dem geringsten Ausbruch von Unruhe
bewaffnen sich die Veuruks und gehen in die Dörfer hins ab , um die Ordnung darin wieder herzustellen.
Das
Dritter Abschnitt.
106
griechische Bolt ist nicht wie manche andere Völker der Sklave von einem oder mehrern Despoten , sondern son einem ganzen Volk ,
das beständig das Schwerd über
feinem Haupte schwingt.
Die Yeuruks find sämmtlich
Ackerbauer oder Schäfer , und haben die einfachen und wilden Sitten der Turkomannen , ihrer Vorfahren , nach Griechenland verpfanzt.
In Kriegszeiten dienen sie bey
den Armeen als Schanzgråber ; in den beyden lezten Kriez gen hat man sie auch in regulirte Compagnien organisiren wollen , allein es ist nicht gelungen ,
denn sie können
durchaus an keine Disciplin gewöhnt werden.
Auch
herrscht die größte Abneigung zwischen ihnen und den Janitscharen , denn diese sind fast alle von griechischer Herkunft , und fürchten und verachten jene groben Bergbewohner. Uebrigens find diese Veuruks die arbeitsamste Mens schenklasse in Macedonien.
Die Fabrikation der Tücher,
womit sie ihre Freistunden ausfüllen , und die sie als eine. Nebensache zum Vergnügen treiben, giebt ihnen einen bez deutenden Verdienst neben dem Ertrag ihres Feldbanes und ihrer Heerden.
Sie verfertigen jährlich zwischen
70 und 80,000 Stücke solcher Tücher, wovon jedes für zwey Piaster verkauft wird.
Der größere Theil davon
geht nach Smyrna und nach Anadolien ; nach Italien werden fünftausend Stück geschickt , und ehemals giens gen 7 bis 8oao nach Marseille,
die von hier weiter
nach den Antillen zur Kleidung der Neger versandt wurz ben. Durch übertriebene Speculationen stieg diese Quans titat im Jahr 1788 auf 30,000 Stück , und im Jahr 1789 noch höher.
Allein durch dieses Uebermaaß vers
107
Caputrocke aus Zagora.
loren die Tücher ihre Preise , und viele Kaufleute büßten große Summen dabey ein.
Die Folge davon war , daß
fie den Artikel ganz aufgaben ; im Jahr 1790 wurden kaum zweytausend Stücke Abats nach Marseille geschickt, und im Jahr 1791 nicht funfzehnhundert.
Durch den
Krieg ist das Gleichgewicht wieder hergestellt worden, und hoffentlich wird beym Frieden dieser Handelsartikel seinen vorigen Gang wieder einschlagen.
Caputrocke aus Zagora.
Diese Ueberröcke sind in allen Häfen des mittellåns bischen Meeres sehr berühmt. groben Plüsch verfertigt, Dörfern fabrizirt.
Sie werden aus einem
den man in den zagorischen
Er ist so gut und dicht gewebt , daß
er ganz undurchdringlich gegen Wasser ist.
Die Caputs
rode gehen aus Zagora nach Salonichi oder auch nach Wolo, und werden aus benden Plähen weiter verschickt. Jährlich gehen davon über fünftausend in die Häfen des Archipels , nach Gorien und Egypten ungefähr zweytaus fend, und den übrigen Håfen des mittelländiſchen Meeres, und eben so viel nach dem adriatischen Meere,
Jeder
Caputrock kostet, je nachdem er fein ist, zehn bis zwanzig Piaster, und dieser Artikel ist für die Schiffscapitáns, die ihn nebenher für eigene Rechnung laden , größten Wichtigkeit.
von der
108
ierter
Abschnitt.
Einfuhr fremder Waaren.
Bis hieher habe ich die Ausfuhr aus Griechenland nach ihren einzelnen Artikeln beschrieben ;
auf dieselbige Art
will ich jetzt auch das Gemälde von der Einfuhr aufstellen , und dabey den griechischen Handel mit den verschiedenen europäischen Nationen einzeln durchgehen. Ich mache mit dem englischen Handel den Anfang .
Englischer Handel.
Die Franzosen and Engländer sind
unter allen
frånkischen Nationen *) die einzigen, die in Salonichi eine eigene, haben.
vollkommen eingerichtete Verfassung
Sie halten nicht nur einen Consul daselbst , der
öffentlich diesen Zitel führt , sondern dieser besitzt auch eine bestimmte Gerichtsbarkeit, die sich über alle Comptoire der Nation erstreckt , und diese zusammen genommen bilden eine Art von Colonie , die nach ihren Nationalgesetzen regiert wird.
Sind aber wohl die bürgerliche Eristenz
und die Unabhängigkeit , deren sich diese beyden Natio= *) Man giebt in der Levante allen Europäern den Namen, Franken , und Nation heist dort das Corps der Kaufs leute aus einem Lande. So sagt man , die französis sche Nation , die englische Nation u. s. w.
109
Englischer Handel.
nen zu erfreuen haben, der Kosten werth , die sie verurs sachen ? Und wenn sie bloß unterhalten werden, um dem Nationalstolz zu schmeicheln, find sie dann nicht vielmehr drückend für den Handel ?
So viel ist wenigstens gewiß,
daß Frankreich seine consularischen Administrationen in der Levante zu sehr vervielfältigt hat, und es wäre sehr zu wünschen, daß die Regierung alle Confuls in den fleis nern Seestädten abschaffte , und nur die in den größern mit allen Vorrechten und Auszeichnungen , die den Vors sichern des französischen Handels zukommen , hielte.
beybes
Alle englischen Confuls sind weit besser befoldet
als die französischen ,
und leben mit einem gewissen
Glanz ; dieser Glanz entscheidet aber den Rang der Nation nen in den Augen der Unwissenden und Thoren , die in allen Ländern der Welt die größere Anzahl ausmachen. Wenn man überdies unter den auswärtigen Agenten gute Subjecte haben will , so muß man deren so wenige haben als möglich ist, damit fie arbeiten , aber man muß sie reichlich bezahlen , damit sie gut arbeiten. Die Englän= der haben aus dem nämlichen Grunde gute Confuls, aus dem sie gute Handarbeiter haben. Der englische Handel nach der Levante ist in den Hånden einer Compagnie, die unter König Jacob I. im Jahr 1606 errichtet worden ist.
Jeder protestantische
Engländer kann sich darin aufnehmen lassen,
wenn er
bey seinem Eintritt zwanzig Guineen bezahlt ,
und noch
eine Guinee und einige Schillinge für kleinere Kosten und Nebengebühren.
Die Mitglieder der Compagnie , deren
jest vierhundert sind , dürfen allein in die Häfen der Les vante Handlung treiben, und zwar nur mit Schiffen, die
IIO
Bierter Abschnitt.
der Compagnie zugehören.
Sie müssen bey ihrem Eine
tritt einen Eid ablegen , daß sie niemand zu solchen Spes culationen ihren Namen leihen wollen ; auch machen sie sich durch eben diesen Eid verbindlich, die türkischen Pros ducte nur im Tausch gegen Nationalproducte anzuneh men *). , Alle baaren Nemessen sind ihnen untersagt, und fie dürfen nur von einem Hafen in den andern für ges kaufte Waaren Geldsummen auszahlen lassen.
Kein
englischer Kaufmann , der nicht Mitglied der Compagnie ist, darfnach der Levante Handel treiben , außer wenn er eine Abgabe von zwanzig Rthl. an die Compagnie bezahlt ; was also eben so viel als eine förmliche Ausschließung von diesem Handel ist **).
Die Compagnie steht unter eis
*) Es ist wirklich unbegreiflich , wie sich eine solche Unges reimtheit in eine englische Verordnung eingeschlichen hat, denn wenn die englischen Waaren keinen Abfah finden, oder mit Verlust verkauft werden, so müßten sich die Kaufs leute entweder zu Grund richten oder alle Handelsoperatios nen ganz einstellen. Der Grundsah , niemals um Gold zu kaufen, damit die Bilanz nicht zum Nachtheil ausfällt, ist eine von den alten Schimären, von denen senst die Han, delsverfassung aller Nationen angesteckt war. **) Die Existenz dieser Compagnie ist eine der vorzüglichsten Ursachen, warum der englische Handel in der Levante nie recht empor kommen kann. Die kleine Anzahl von Mit, gliedern derselben können alle ihre Capitalien auf die sicherste und vortheilhafteste Art in den alten gewohnten Handels; 3weigen unterbringen , und brauchen sich keine große Mühe zu geben , um uene aufzusuchen oder erloschene wieder zu beleben. Es liegt in den Geist von allen Compagnien, deß sie einen mittelmäßigen aber sichern Vortheil einem sehr großen Gewinn , der aber noch ungewig ist , vorziehen, und mit diesem Geiste treibt man gewöhnlich morgen die nämlichen Geschäfte wie gestern. Wenn einer oder mehrere Kaufleute einen ganz neuen Handelszweig eröffnen , so is
Englischer Handel,
III
nem Gouverneur , der auf Lebenszeit ernannt wird, und hat einen Schatzmeister und einen Sekretär , deren Stels len jedoch nicht lebenslänglich dauern.
Ein Ausschuß
von dreyzehn Mitgliedern beſorgt die Direction der Geschäfte , und legt zu gewissen
bestimmten Zeiten den
fämmtlichen Mitgliedern in einer allgemeinen Versammzs lung Rechenschaft ab.
Es ist kein Handelsvertrag gål-
tig, wenn ihn nicht die dreyzehn Commissarien unters Die Compagnie ernennt und besolder schrieben haben. den Gesandten und die Confuls , und der König ertheilt ihnen das Patent.
Hievon ist nur allein der Conful in
Alexandrien ausgenommen , der von dem König ernannt und besoldet wird , denn weil dieser hauptsächlich dafür zu sorgen hat, daß sich der Handel mit Jndien nicht durch die Meerenge von Sues ins mittelländische Meer zieht, so ist er eher ein Agent von der ostindischen Com pagnie als ein Aufseher über den engliſchen Handel. Die
es billig,daß fie für ihre geitagte Unternehmung auf einige Zeit ein Monopol erhalten , damit fie für die bestandene Gefahr Erfah bekommen, und die Früchte ihres gemachten Aufwandes , ohne sie mit andern zu theilen , einerndten können : es ist für sie ein Erfindungspatent. Wenn hingegen die Dauer dieses Monopols uneingeschränkt ist, fo wird der Zweck verfehlt, und nur eine einzelne Familie. dadurch bereichert , anstatt die ganze oder ein anſehlicher Theil der Nation. In der Cammér der Lords ist auch dies se Frage schon zu verschiedenen Malen verbandelt, aber noch nie unter ihrem wahren Gesichtspunct angesehen worden. Man hat immer die levantische Compagnie mit der ostindis schen verglichen , allein dieſe legtere ist nicht nur eine Hans delsgesellschaft, sondern auch eine souveräne Macht. Sie henust Indostan eben so unumschränkt , wie Djezzar Pas fcha sein Paschalik von Acre.
Bierter Abschnitt.
112
übrigen Consuls find alle Mitglieder der levantischen Compagnie; fie legen den gewöhnlichen Eid ab , auch geloben sie noch durch einen den Testeid *), und über beſondern Eid , daß sie schleunig und nach den Geſetzen, auch ohne alles Ansehen der Personen ,
Recht sprechen
wollen. Die Engländer haben ihre Comptoire in der Bevante T feit langer Zeit nicht durch neue verniehrt , aber jedes von ihren Häusern setzt ansehnliche Capitalien um , die brey französische Häuser nicht aufzubringen im Stande find.
Das Verfahren ist äußerst weise und ökonomisch,
denn es ist mit Handelsunternehmungen wie mit der Bes nutzung von Feldgütern ; die größten geben immer am meisten Gewinn, und bey den kleinern verschlingen die Kosten den Ertrag.. Die Waaren, welche die Engländer in Griechenland absetzen, bestehen in Lüchern, Chalons , Leinenwaaren, Zinn , Bley , rohem und verarbeiteten Eisen , Juwelen und einigen Coloniewaaren.
Uhren,
Ich will diese vers
schiedenen Artikel einzeln hier durchgehen.
Luchwaaren. Ehemals waren die englischen Luchwaaren in der Levante äußerst beliebt.
Im Jahr 1731 fiengen sie an
*) Dieser Eid ward 1673 unter der Regierung Carl II. eine geführt , und jeder der in England ein Amt bekleiden will, muß vorher den König als Oberhaupt der englischen Kirche anerkennen , in Gegenwart zweyer Zeugen in einer Episcopalkirche communiciren , und vermittelst dieses Eides die Transsubstantion abschwören.
113
Tuchwaaren.
ihren Credit zu verlieren', unter bem erften Minifter von Maurepas, der den französischen Fabriken alle mögliche Aufmunterung verschaffte, und auch die vorherige Aufs ficht darüber in ihrer ganzen Kraft wieder herstellte. Seit dieser Zeit sind die englischen Tücher immer mehr und mehr gefallen.
Der Absatz der sogenannten Londres
nahm von Jahr zu Jahr mehr ab , denn sie konnten die g vonmit den französischen Londrins, die eine Nachs ahmun Concurrenz
nicht aushalten. Die Londres ahmung von jenen find , Lucher, und haben↑ daher ihren find leichte und grobe Namen, weil die ersten Fabriken davon in London errichs tet waren.
Anfänglich bestund das Assortiment eines
Ballen davon in einem Drittheil grüner , einem Drits theil blauer und einem Drittheil rother , mit Krapp ges · färbtr Tücher. Heut zu Tage werden aber Assortimente bestellt , die ganz aus blauen Tüchern bestehen. Von diesem Artikel werden jährlich nach einem uns gefähren Ueberschlag , für 15,200 Piafter verbraucht. Besser haben sich die Mahouds erhalten, eine Sorte von Zuch, die die Londres an Güte übertrifft.
Sie sind
sehr schon gewebt , und von einer Leichtigkeit , die von ben Franzosen noch nicht hat können nachgemacht werden. Auch sind sie feiner gefärbt , und haben einen Glanz, wodurch sie noch schöner aussehen.
Die Türken machen
aus diesem Tuch ihre Frühlings- und Herbstkleider , und es würde noch weit mehr davon abgesegt werden , wenn fie nicht so ausnehmend theuer wåren. Der Verbrauch dieses Artikels beträgt jährlich uns gefähr 74,520 Piaster.
Beaujours Beschr.
Bierter Abschnitt.
114
Chalous.
Der englische Chalon ist eine Art von dichtem Sarsch, und erst vor kurzem in der Levante in Aufnahme gekommen.
Er übertrifft an Güte des Gewebes die
'allerschönsten französischen Sarsche , und dieses Zeug hat die Engländer wegen des abnehmenden Credits ihrer aren t Tuchwa en er hat dem französischen Handel mi denn geracht , ein Tücher tödtlichen Streich verseßt.
Der
englische Chalon nimmt es mit dem von Angora auf, denn dieser hat zwar ohne allen Vergleich ein noch schdneres Gewebe, aber in Rücksicht auf Glanz steht er jenem weit nach. Der wohlfeile Preis der Chalons hat sehr wesents lich zu ihrem starken Absatz beygetragen.
Dieser beträgt
jährlich eine Summe von 180,000 Piaster.
Indianische Baumwollen waaren. Es wird in der Levante eine große Menge von ins dianischen Nesseltüchern und andern Waaren verbraucht. Die erstern braucht man daselbst zu Leibgürteln und Turs bans , auch zu Schleiern für Frauenzimmer , und zu der mit ndfich wos Art von Scherpen , die Macrama heißen , ufie n e n hin n ken die Griec ihren Buse bedec eu,gewenn sie fich dfa. nz e l l h c n n wo fentli zeige . Die Baum diene zur Kleic n e n n n n ten e e i dung für die reich Türk den schöns ; sie werd n e g n o e n r z n e seide Zeuge vorge , weil sie leicht sind und n e t z r fich besse wasch lassen . Ihr Absat nimm jedoch ima
äßt nd um mer mehr ab , ob sie gleich noch sehr gesch u z en h c n i e l n n g t t e e a n n a ß d i r e e a o r t g l r t e i e e g S g w ; al fie ig d ß r ä n r e m a e b r m find so übe theu , daß nie als die Wei
Indianische Baumwollenwaaren.
115
der Beys und der Aga's im Stand find sie zu tragen. Die weniger reichen Frauenzimmer nehmen zu ihrer Kleis dung Zeuge, die in den vorzüglichsten Städten des Reichs fabrizirt werden, und besonders in Constantinopel, Aleppo und Damascus.
Sie sind nach dem Master der india-
nischen Zeige verfertigt, und wenn gleich diese noch einen großen Vorzug vor ihnen haben in Rücksicht auf Güte und Feinheit, so kommen sie ihnen doch, was Zeichnung und Geschmack aubelangt, vollkommen gleich. In Aleppo und Damascus giebt es sogar einige Fabriken , worin Baumwollengarn, das in Indien gesponnen ist, verars beitet wird , und wo so ausnehmend schöne Zeuge verfers tigt werden, daß ſie , auch in Rücksicht auf das Gewebe den allerbesten Zeugen aus Bengalen den Rang streitig machen.
Wenn jedoch der Gebrauch der indianischen Zeuge in der Türkei abnimmt , so wird dagegen der von Nef= feltüchern täglich stärker.
Die Engländer haben in dies
fem Artikel den größten Absah.
Sie schicken sie zur See nach Smyrna, und von da ' gehen sie weiter in
die übrigen Häfen der Levante.
Einige in Indien an-
fäffige säſſige englische Kaufleute hatten den Versuch gemacht, diesen Handel durch Egypten zu treiben ; fie wurden aber durch das unglückliche Schicksal, das in Jahr 1779 die Caravane auf dem Weg von Sues nach Cairo erlitt, davon abgeschreckt. Es wird allgemein dafür gehalten *), 52
*) Ich hatte sehr gewünscht , daß der Ritter Ainslie fich wer gen des Verbrechens gerechtfertigt hätte, das ihm ganz
116
Bierter Abschnitt.
englischer Gesandter zu Gülfe der Araber die Constantinopel selbst war , der mit
daß es der Ritter Ainslie ,
Caravane plündern ließ , um die Kaufleute in Bengalen in Schrecken zu sehen , weil sie sonst wahrscheinlich ihren Plan , sich diese leichte und kurze Communication mit Conftantinopel zu eröffnen ben.
nicht würden aufgegeben has
Seit dieser Zeit werden alle indianischen Neffeltus
cher , die nicht durch armenische Kaufleute und den Weg von Bassora in die Türkei kommen , auf englischen Schif Holland sowohl Allein kommen zu in fen dahin gebracht , oder Land aus
Holland als in durch Teutschland . England müssen so beträchtliche Abgaben davon bezahlt werden , daß weder Engländer noch Holländer in diesem Handelszweig je einen wesentlichen Vorzug vor den Ars meniern erhalten können .
Wenu Frankreich nach dem
Frieden seinen Handel nach Ostindien wieder anfängt , so wäre es allein im Stande , mit dieſen drey Nationen ju wetteifern , und sogar den Sieg davon zu tragen , denn es würde seine Ladungen nach Marseille schaffen , und von da wären sie sehr leicht in die türkischen Häfen zu verschicken . Der ganze jährliche Verbrauch von indianischen Zeugen beträgt in Salonichi eine Summe von fünf bis sechsmal, 100,000 Piaster , und hievon macht der Antheil der Engländer ungefähr 100,000 Piafter aus. Allein diese Summe ist unbedeutend gegen die Consums tion dieses Artikels in Constantinopel ,
wo sie gewiß
Europa vorivirft , denn es ist ein schrecklicher Gedanke, daß ein Mann von Ehre das blinde Werkzeug der Rache von einer Compagnie von Kaufleuten hat werden können .
inn.
117
an acht bis zehn Millionen Piaster beträgt ,
und in
dem ganzen ottomannischen Reich zuſammen genommen macht sie eine unermeßliche Summe aus,
3 in n. Es werden jährlich zu Salonichi fünf bis sechshuns bert Cantaars englisches Zinn abgesetzt , und der Cans tar um achtzig bis hundert Piaster verkauft.
In Fries
denszeiten wird dieses Zinn unmittelbar hieher geschickt, in Kriegszeiten aber kommt es über Livorno. Es wird in Fäßchen gebracht , die alle , einmal wie das andere, hundert und achtzig Oken wiegen.
Das englische Zinn wird hier wie überall äußerst hoch geschäßt.
Das beste kommt aus den Grafschaften
Cornwallis und Devonshire.
Auch wird im Nothfall
aus Spanien , durch Italien oder über Marseille , eine Art von Zinn genommen , das sehr weich ist und aus Amerika kommt.
Es wird in Mulden von Merzig Oken
nach Salonichi gebracht. Es kommt ferner eine ziemliche Quantität deutsches Zinn nach Griechenland.
Dasjenige , so que den Berg-
werken zu Schlackenwald in Böhmen und zu Altenberg in Sachsen kommt , wird für das beste gehalten und am meisten gesucht. Das Zinn, das aus Hamburg kommt , wird in Mulden zu zwey und zwanzig Oken, oder in ganz kleinen Stangen gebracht , die die Form von Backsteinen haben ; daher es auch Backstein- Zinn genannt wird.
Bierter Abschnitt.
118
Die jährliche Consumtion von Zinn beträgt unges fähr acht und funfzigtausend sechshundert und sechs und sechzig Piaster.
Blei.
Die englische Factorey setzt jährlich tausend Cantaars Bley *) in Platten ab. Der Preis eines Cantaars ist siebzehn Piaster. Sie verkauft auch Pürschbley oder Schrot ;
man
kann aber die Quantität davon nicht wohl bestimmen, weil sie von Jahr zu Jahr verschieden ist.
In strengen
Wintern ist der Absatz davon sehr stark , weil die Bauern sich alsdann nicht auf dem Felde beschäftigen können, und sich daher ganz dem Vergnügen der Jagd widmen.
Die Franzosen können es in diesem Artikel den Engländern nie gleich thun , denn ihre Bleyminen sind sehr arm , und das meiste Bley , das in Frankreich selbst ge= braucht wird , kommt in Mulden aus England.
Der
große Vorzug des englischen Bleyes besteht in seiner ausnehmenden Reinigkeit ; man findet es nur selten mit ans dern Materien vermischt. Die Consumtion des Artikels beträgt
17,000
Piaster.
*) Hawkins , der 1787 in der Levante war , berechnet die brittische Einfuhr an Bleykugeln und Schrot nach der Le: vante auf 2800 Centner, G. Comparative Eltimate of the advantages Great Brittain would derive from Commercial Alliance with the Ottomann Port in Preference to Ruffia. London 1791.
Eisen.
Uhren.
119
Rohes und verarbeitetes Eifen. Die Engländer verkaufen hier jährlich für zehn bis 15,000 Piaſter rohes und verarbeitetes Eisen. fern in die Levante,
Sie lies
wie in ganz Europa, die feinften
und best gearbeiteten Stahlwaaren ; allein die Türken find hierin leicht zu befriedigen, und ziehen die teutſchen Stahle waaren , wegen ihrer wohlfeilen Preiſe jenen vor. Seit wenigen Jahren haben die griechischen Klemps ner Geschmack an dem englischen Eifen gewonnen , weil es ſich unter dem Hammer am leichteſten ziehen läßt; doch ist dieser Handelsartikel erst im Entstehen. Die Consumtion dieses Artikels beträgt ungefähr 10,000 Piafter.
Uhren. Dieser Artikel ist von ausnehmender Wichtigkeit, und die Engländer gewinnen durch denselben so ungeheure Summen, daß sie gewiß jede Idee übertreffen, die man Sie sehen
fich in Europa davon gemacht haben kann.
jährlich in Salonichi dreyßig Dußend Uhren ab ; eben so viele in Morea ; dreyhundert Duhend in Constantinopel; vierhundert Dußend zu Smyrna , hundert und funfzig Egypten. Jede Uhrzweyhundert ist achtzig bis Dutzend in Syrien, und funfzig Dugend in hundert und zwanzig Piaster werth , wenn man sie aber im Durchschnitt zu hundert Piaster annimmt , so trågt dieser einzige Artikel den Engländern eine Summe von 1,332,000 Piaster ein. In Salonichi beträgt die Summe des Absatzes 36,000 Piaster.
120
Bierter Abschnitt.
Man begreift nicht recht , wie jährlich eine so uns geheure Menge Uhren in der Türkey können verkauft werden.
Der englische Uhrenmacher Prior , der die stärk
ften Lieferungen davon macht , gab selbst einmal gegen einen meiner Freunde sein Erstaunen darüber zu erkennen, und sagte im Scherz : die Straßen in den türkischen Städten müßten alle mit englischen Uhren gepflastert seyn.
Man wird sich jedoch über diese starke Consumtion von Uhren weniger wundern, wenn man bedenkt, daß in der Türkei, wo fünfmal im Tag die Stunde des Gebets mit der größten Genauigkeit bestimmt werden muß , der Ge= brauch der Sonnenuhren ganz unbekannt ist , und auch nirgends öffentliche Stadtuhren angetroffen werden. Alle Uhren , die für die Levante bestimmt sind, has ben einen türkischen Stundenzeiger ,
und drey Gehäuse,
wovon zwey von Silber , und das dritte , äußerste von Schildkrötenschaale sind.
Dieses Schaalengehäuse ist so
äußerst schön und vortrefflich gearbeitet, daß es einen der größten Vorzüge der englischen Uhren ausmacht.
Man
Fann übrigens nicht bestimmen , aus welchem Grunde die Türken drey Gehäuse über ihre Uhren verlangen , ob es wegen der Dauerhaftigkeit geschieht, oder bloß aus Laune. Sie tragen die Uhren in einen kleinen seidenen Beutelchen im Busen , und sagen , das äußerste Gehäuse schütze die 1hr gegen den Schweiß ; allein der Schweiß verdirbt weit leichter die Schildkrötenschaalen als das Silber.
Wahrs
scheinlich wollen sie die dreyfachen Gehäuse , weil es der Gebrauch ist , und der Gebrauch macht bey ihnen die Mede.
121
Uhren.
Die großen , flachen Uhren werden von den Türken am meisten gesucht; wenn sie dergleichen kaufen , so mas chen sie sie nicht auf wie wir , um das Werk
besehen,
fondern ſie beurtheilen ihre Güte bloß nach dem Gewicht. Sogar die türkischen Uhrenmacher , die im Großen eins kaufen , und dann im Einzelnen wieder verkaufen, sind nicht viel bessere Kenner ; sie sehen sich bloß nach dem Namen des Meisters um , der auf dem Zifferblatt steht. Am meisten Ruf haben bey ihnen Georg Prior, Benjamin Barber und Perigal.
Prior ist in ganz Europa bekannt,
und verdient seinen Ruhm.
Er setzt seinen Nameu nur
auf die ganz guten Uhren , die in ſeiner Werkstatt gemacht werden; die übrigen erhalten irgend einen angenommenen Namen, und zwar gewöhnlich Georg Karl.
Auch Ben-
jamin Barber braucht für seine Fabrikuhren eines anges nommenen Namens , und da er oft den Namen, Georg Karl darauf schreibt,
eben , so wie Prior , so hat dieses
einen schon lange dauernden Proceß zwischen beyden Künstlern veranlaßt. Perigal arbeitet weit zierlicher als Prior und Bars ber, aber weniger dauerhaft und gründlich.
Markwick
und Markham sind heutzutage bloß idealische Namen ; ehemals gab es ein solches Haus , und da es erlosch, so borgten einige Uhrmacher in London diesen Namen , um die Türken nicht durch ihre eigenen, ihnen fremde Namen abzuschrecken.
Diese verschiedenen Meister haben an dem levantis schen Uhrenhandel folgenden Antheil.
Prior liefert vier
Zehntheile , Barber zwey Zehntheile , Verigal ein Zehns
122
Bierter Abschnitt.
theil , Markwick und Markham eben so viel , und noch einige andere Meister zwey Zehntheile.
Goldene Uhren gehen wenig ab ; sie betragen kaum den zwanzigsten Theil von dem ganzen Absatz , denn die Mujulmänner halten sie nach ihrer Religion für einen überflüssigen Staat.
Repetiruhren werden höchstens nur
von Paschas und Bey's gekauft ; will sich einer eine solche Uhr anschaffen , so giebt er gewöhnlich einem in seiner Residensstadt ansåßigen englischen oder französischen Kaufmann den Auftrag, und bestimmt namentlich den Kunstler , von dem sie feyn soll , z. E. Georg Prior zu London, Die emaillirten und Berthond oder Breguet zu Paris. oder mit Zierarthen versehenen Gehäuse haben bey ihnen allgemein den Vorzug , und sehr häufig lassen sie dieselben mit Brillanten einfassen. Die Engländer haben in ihrem levantischen Uhrenhandel keine andern Nebenbuhler als die Genfer , allein diese können nicht gegen sie aufkommen , weil sie sich nicht eben so sclavisch wie die Engländer nach dem schiefen, wunderlichen Geschmack der Türken richten , und weil sie auch das Schildkrötengehäus , das die beyden silbernen Capseln einschließt , fertigen können.
nicht eben so schön und zierlich vers
Die Versuche , die man in Frankreich
gemacht hat , sind noch weniger geglückt. Fm Grunde ist aber die wahre Ursache von dem schlechten Credit ,
worin die französischen und Genfer-
uhren ungeachtet ihrer wohlfeilen Preise stehen , in ihrem. unzuverlässigen Gang , Arbeit zu suchen.
und der gar nicht dauerhaften
Juwelen und Goldarbeiten.
123
Durch schlechte Waare werden endlich die Käufer abgeschreckt , und so dumm auch der Türke ist , so läßt er fich doch in die Länge nicht betrügen. Seit funfzig Jahren hat sich der Handel mit Uhren in Europa wenigstens verdoppelt, und wahrscheinlich wird er mit den Fortschritten der Cultur immer mehr zunehmen, denn für den gebildeten Menschen ist die Zeit ein kostbares Eigenthum und ihr Werth macht das Instrument , das fte eintheilt , zum Bedürfniß. Dieser Zweig des Handels verdient daher die Aufmerksamkeit einer jeden
weisen
Regierung.
Die Franzosen haben sehr viele vortreffliche Arbeiter, in dieser Kunst geliefert , und wenn deffenungeachtet die Engländer und Genfer diesen ganzen Zweig von Industrie ausschliessend an sich gezogen haben, so liegt der Grund davon in der, den Franzosen von jeher eigenthümlichen Thorheit , alle diejenigen gering zu achten , die sich mit mechanischen Künsten abgeben.
Daher haben sich ihre
vorzüglichsten Künstler immer genöthigt
gesehen , ihr
Vaterland zu verlassen. Juwelen und Goldarbeiten. Gewöhnlich schicken die Engländer mit ihren Uhren auch einige Kostbarkeiten an Dosen, Ketten, Armbändern u. dergl.
Sie müssen sich aber sehr in Acht nehmen, daß
fie lauter glatt gearbeitete Waaren liefern ; denn die mit erhobener Arbeit werden im Lande selbst fabricirt. Die Kunst in Gold zu arbeiten ist noch jest in Gries chenland wie sie zur Zeit Homers gewesen ist. Wir übertreffen die Griechen und Türken bey weitem in allen sol-
Bierter Abschnitt.
124
chen Arbeiten , wo es auf Schönheit
der Form , Ges
schmack in Zeichnung und Zierlichkeit der Arbeit ankommt ; dagegen verstehen sie sich vortrefflich darauf, die verz schiedene Metalle in einander zu verschmelzen und mit einander zu verbinden , und man sieht auf ihren Gürteln, Säbelgriffen und Dolchscheiden äußerst schöne, von ihnen selbst verfertigte Arbeiten, die in der That mit der so gerühm ten Kunst auf dem Schild des Achilles verglichen werden können. Man kann sich eine richtige Idee davon machen, wenn man uralte Golbarbeiten betrachtet, besonders frans zösische, die zu Paris ungefähr zur Zeit Earls IX, vera fertigt wurden , sie stellen mehrere Gegenstände dar , die bloß durch die mannichfaltige Verbindung von Gold und Silber herausgehoben sind. Die Kunst dieser Arbeiten besteht in einer Menge . kleiner , zusammengelöteter Stücke, die durch die Vera schiedenheit der Farben die Zeichnung aus der Fläche hers vorheben , und ein sehr angenehmes Gemählde bilden.
Auch auf Filigranarbeiten verstehen sich die Türken sehr gut , und nur die in Venedig verfertigten können den ihrigen an die Seite gestellt werden. In den letztern Jahren sind von Paris und London einige Edelsteine hieher geschickt worden , die wegen der unglücklichen Ereignisse in Europa aus dem Occident wies der nach dem Orient zurück giengen ; allein diese Specus lation ist nicht geglückt , denn man hatte dabey zu wenig auf den Geschmack derer , die sie kaufen sollten , Rückficht genommen.
Die Türken tragen keine andere Dias
manten als weiße , die als Rosetten und Brillans ten geschliffen sind.
Allein ungeachtet dieses herrschens
Juwelen und Goldarbeiten.
125
den Geschmacks habe ich dennoch in der Türkei wenig reine und ganz fleckenlose Diamanten gesehen; dies kommt wahrscheinlich von der Ungeschicktheit der türkischen Juwelirer her,
die beym Zerspalten des Gesteines den
rohen Diamanten Nisse beybringen.
Zu den allerschönsten türkischen Diamanten , die das hellefte Wasser haben, sucht man vergebens das Feuer und den Glanz , den ihnen die europäischen Steinschneider zu geben wissen.
Der Kayser trägt zwar einige ganz
außerordentlich schöne Diamanten, allein sie sind alle von französischen Juwelirern geschliffen worden.
Aus
dem Saphir , dem Amethist , dem Topas und einigen andern harten und durchsichtigen Steinen , die die befondere Eigenschaft haben , daß sie im Feuer ihre Farbe verlieren, werden eine Menge falscher Diamanten gemacht, und in der Türkei für ächte verlauft.
Dies Geschäft
wird besonders von den Juden getrieben, die hier wie überall die Augen zu blenden suchen, um das Geld der Betrogenen ungestraft stehlen zu können. In den türkischen Bezesians , oder Hallen, wo die Waaren zum Verkauf ausgelegt werden , verkaufen bie europäischen Kaufleute mancherley kleine Arbeiten von Email , und ich habe sehr schlechte Producte von dieser Art in den Hånden von Beys gesehen, die durch den bloßen Glanz des Emails entzückt waren.
Man könnte
ohne Zweifel hierin noch viel weiter kommen, wenn nur die Künstler keine Figuren auf ihre Arbeiten mahlten , die durch die mohamedanische Religion verboten find, sondern bloß Landschaften und Blumen.
Einige teutsche Künst
ler haben sehr glückliche Proben damit gemacht ; beson-
Bierter Abschnitt.
126
ders mahlen sie Nelken und Rosen, die äußerst geschmacks voll emaillirt sind.
Noch vor ihnen hatte ein Schwede,
Namens Zink , durch seine schönen Zeichnungen und die Pracht seiner Farben Aufsehen. erregt; er scheint in der That nicht nur ein ganz eigenes Verfahren gekannt, sondern auch besondere Substanzen zu seinen Farben genoms men zu haben , denn sonst hätten seine Arbeiten nicht in dem hohen Grade Lebhaftigkeit , Wahrheit und Freyheit des Pinsels athmen können, wodurch sie die Annehmlichkeit der Natur und ihr Colorit so täuschend vorstellen.
Die Consumtion dieser Artikel beträgt ungefähr 30,000 Piaster. Coloniewaaren. Die Coloniewaaren , die von den Engländern in Griechenland abgesetzt werden ,
bestehen in folgenden :
vier Fäßchen weißen Ingwer , neuntausend Piaster, dreyßig Ballen Pfeffer , sechstausend Piaster, 1 vier FässerZucker in Hüten, zweytausend Piaster,
zwölf bis
funfzehn Fässer Indigo, zwanzigtausend Piaster,
drey
bis vier Fässer Cochenille, zehntausend P. Diese Cochenille ist weit schöner als die von Havanna, und wird immer fünf und zwanzig Rthlr. theurer verkauft.
Hiezu kommen
noch zwey bis dreytausend Oken Campescheholz, und einige Fässer Caffee aus Granada und Jamaica.
Der
letzte Artikel ist ein ganz neuer Handelszweig , von dessen Aufnahme sich jedoch nicht viel versprechen läßt. Man zieht diesem Caffee , der große , gelbe Bohnen hat , den von Martinique vor , weil dieser an Gestalt und Farbe dem Caffee von Mokha , der der erste in der Welt ist, am
Coloniewaaren.
nächsten kommt.
127
Der Geschmack ist in dem Handel nur
der zweyte Sinn , und das ſicherste Mittel die Käufer zu locken, ist, wenn die Waare dem Auge gefällt.
Darum
wird in der Türkei der Caffee von Martinique fast eben so theuer wie der von Mokha verkauft. Auch haben in den lehtern Jahren die Eugländer Proben mit Zucker von Jamaica gemacht ; allein es läßt Sie habe fich ebenfalls nicht viel davon erwarten. achtzehn Fåffer mit Syrup nach Griechenland geschickt, allein die ungeheuren Kosten , die davon bezahlt werden müſſen, und in gar keinem Verhältniß mit seinem Werth stehen, ferner der beträchtliche Abgang an der Waare, wodurch sie nothwendig äußerst theuer werden muß , und Aberhaupt die Schwierigkeit des Abſaßes laſſen einen uns glücklichen Ausgang diefer Speculation vorher sagen.
Consumtion dieser Coloniewaaren : 47,000 Piafter. Generalſumme aller bisher angeführten Artikel der Einfuhr:
558,320 Piaster. Ich füge nun hier noch einen Brief bey , den ich in
frühern Zeiten an einen Kaufmann in Marseille geschrieben habe, und der , um den Gegenstand ,
wovou hier die
Rede ist, zu erschöpfen , durchaus hieher gehört.
Man
wird daraus sehen , daß es den Franzosen nicht sehr schwer fallen würde , den Engländern den Handel mit indischen Zeugen gan aus den Händen zu reißen.
Ich weiß zwar
recht wohl , daß der Handel nach Indien einen Theil unseres baaren Geldes unwiederbringlich verschlingt, und daß für alle europäischen Nationen Indien ein Abgrund ist , der alles an fich reißt , oh ohne je wieder etwas heraus zu geben.
Allein ich weiß auch,
daß die einzige Art,
Bierter Abschnitt .
128
diesen Handel mit dem wenigsten Nachtheil zu treiben, darin besteht, daß er durch Commiſſionen geschieht, denn Dies ist das einzige Mittel unsere Consumtion durch den Profit von unsern abgefeßten Waaren zu bezahlen.
Die
Franzosen werden diese Art von Handel leichter treiben können, als die Engländer , wenn sie nur erst ihre Vore Handels darf keiner Der Flor Des theile kennen lernen. Bleichgültig seyn , oder sie wird durch Armuth Nation In der Verfassung , worin und Mangel dafür bestraft. fich gegenwärtig Europa befindet, hört man zwar häufig auf den Lurus schmålen , aber man findet niemand , der geneigt ist , demselben zu entsagen.
So lange wir aber
auf die Produkte von Indien nicht vollkommen Verzicht thun können und wollen, so müssen wir entweder den Engländern zinsbar ,
oder ihre Nebenbuhler in dieſem
Handel werden.
Schreiben an einen Kaufmann in Marseille über den Indischen Zeughandel. Ich sende Ihnen , mein Bester ! auf Ihr Verlans gen, einige Muster von indianischen Zeugen und Nessels tüchern, die jest in der Levante am meisten abgehen. In Griechenland ist zwar die Consumtion davon nicht sehr stark, aber in Constantinopel, diesen Wohnsitz des Musule männischen Lurus und der wollüftigsten Trägheit, machen die Engländer und Holländer
große Geschäfte damit.
Der Gewinn von beyden Artikeln ist sehr beträchtlich, und ich freue mich, daß Sie den Entschluß gefaßt haben, ihn nach dem Frieden mit den Kaufleuten von London
Schreiben über den Indischen Zeughandel. und Amsterdam zu theilen.
129
Sie fürchten sich jedoch, wie
Sie sagen, vor der Concurrenz mit ihuen, und besonders vor der mit den Armeniern , die diesen Handel über Bas= fora treiben ; besonders aber fürchten sie sich vor dem ersten Bersuch, und verlangen deshalb meinen Rath. Es kommt mir vor , mein Bester ! als wenn Sie es für råthlicher hielten , mit den Engländern in Concurrenz zu treten, als mit den Armeniern ; allein Sie haben Unrecht, und ich will Ihnen beweisen , daß Sie mit eben so viel Gewißheir eines guten Erfolgs sich mit dem einen wie mit dem andern in
einen Wettstreit einlassen können.
Es
tommt alles barauf an , daß Sie Ihre Speculation gut berechnen, und in den Sendungen der Waaren mitKluge heit zu Werke gehen ; dann kann man Ihnen den besten Erfolg prophezeihen , und daß Sie sogar Ihre Nebenbühler hinter sich zurüď laffen werden.
Selbst die Kauf.
leute in Constantinopel werden durch den Erfolg ihrer ersten Unternehmungen aufgemuntert werden , Ihrem Beyspiel nachzuahmen , und Sie werden dann die Freude haben, daß Sie dem Handel dieser Nation einen neuen Weg öffnen , der durch Ihr eigenes Vaterland gehen, und es bereichern wird. Es ist eine erprobte Erfahrung , daß je mehr Dekos nomie bey dem Handel beobachtet wird , desto vortheils hafter ist er ; man kann alsdann wohlfeiler verkaufen, und die größere Wohlfeilheit ist in dem Handel derHaupts grund des Vorzugs. Wenn die französische Regierung in Zukunft noch irgend einen Anspruch auf den ostindischen Handel mas chen will, so wird ſie höchstwahrscheinlich ihre Befizuns Beaujours Beschr.
Bierter Abschnitt.
J30
gen in Asien nicht aufgeben und darauf bestehen ,
daß ihr
Chandernagor wieder zurückgegeben werde , denn durch diese Niederlassung bekommen wir im Kleinen die name lichen Handelsartikel ,
die England aus Calcutta , dem
Marktplatz von Bengalen im großen zicht. Wir dürfen also mit Recht Gleichheit in der Güte und im Preis der Baums wollenwaaren voraussehen, und es ist bloß noch die Frage von der Art, wie diese Waaren auf die ökonomischste Art an die Orte ihrer Bestimmung gelangen können. So lange der indische Handel nicht durch Egypten getrieben wird, was übrigens sein eigentlicher , naturs licher Weg ist , se bleibt der Weg um das Vorgebirg der guten Hoffnung der allervorzüglichste, weil er nicht nur der sicherste, sondern auch am wenigsten kostspielig ist. Hievon will ich Sie durch eine kurze Darstellung zu übers zeugen suchen. Constantinopel ist der Sitz des armenischen Handels mit diesen Waaren , wie London es für den englischen Handel , und Amſterdam für den holländiſchen ist.
Die
Armenier senden die Zahlungen, die sie für ihren indischen Handel bestimmen , in eine ihnen gelegene türkische Hans delsstadt , gemeiniglich nach Constantinopel oder Smyrna, Diese Zahlungen bestehen zu drey Viertheiten in baarem Gelde , und zu einem Viertheil in Waaren.
Durch bes
foudere Umstände wird manchmal von diesem Verhältniß abgewichen , allein im Allgemeinen muß in allen Zahlun gen das baare Geld über die Hälfte betragen.
Aus
diesen Handelsplågen werden Waaren und Gelder mit Caravanen nach Diarbekir,
von da nach Bagdad und
von Bagdad nach Bassora geschickt ; von hier gehen sie
Schreiben über den Indischen Zeughandel.
131
dann zu Wasser nach Calcutta , das die Niederlage aller Baumwollenwaaren , und folglich der Ort ist, mit dem Constantinopel unter allen andern indischen Städten am meisten in Verbindung steht..
Seitdem die englische Compagnie den Kaufleuten ihrer Nation
den indischen Zwischenhandel frey
ge=
geben hat , nehmen die Armenier ihren Rückweg von Calcutta durch den persischen Meerbusen , und zwar unter englischer Flagge.
Diese Flagge ziehen sie vor , weil sie
Gelegenheit haben, engliſch- ostindische Compagnieſchiffe, die gerade müßig liegen , für sehr mäßige Sammen zu miethen.
Auf diesen Schiffen bringen sie ihre Waaren
bis nach Mascate , Ormus , Bender - Abaſſi oder sonst einem Hafen im perſiſchen Meerbusen.
Von hier wer
den sie in sogenannte Saiken, eine Art von Schiffen, die nur in dem levantischen Handel bekannt find, gela= den, und den Fluß aufwärts bis nach Bassora gebracht. Bassora ist der große Stap elor t der indiſchen Waas t führ rden . e Türkei einge e e i n d w Sren, i die Nur wenige bis nach Sues , feitdem die Engländer den Handel alle auf dem rothen Meere an sich gerissen haben ; gen kommen nach Bassora, und werden vou hier auf drey verschiedenen Wegen weiter geschickt , nämlich über Diars bekir, Aleppo und Damascus. Der Weg über Diarbekir ist der gewöhnlichste. Die Ballen werden zu Bassora in Kähne geladen , und den Tiger aufwärts bis nach Bagdad oder Mosul geführt ; wel von hier gehen sie mit Caravanen nach wo sie umgepackt und auf Mauleseln geschickt werden.
32
nach Constantinopel
Bierter Abschnitt.
132
Die zweyte Straße führt immer längs der Wüste t und den Krümmungen des hin ; die Caravanen wagen es nicht, aus Furcht vor Wassermangel ; sich von dem Fluß zu entfernen .
Die Waaren werden auf
Cameelen von Bassora nach Aleppo , und von dort nach Alexandrette gebracht ,
wo sie wieder eingeschifft und an
den Ort ihrer Bestimmung verfandt werden. Die Straße über Damascus ist die allerkürzeste, denn fie führt mitten durch die Wüste ; fie wird jedoch 2 am seltensten gewählt , weil die Caravanen Gefahr laus fen vor Durst umzukommen.
Man geht von Damascus
nach Berytus oder Baruth , einer Rhede auf der syris schen Küste , die von den Schiffen, welche Ladungen nach Constantinopel einnehmen wollen, häufig besucht wird. Bilden
Sie sich
aber nicht ein , daß diese drey
Straßen so kurz find , als man sich vielleicht vorstellt. Es gehören drey Monate dazu , um von Calcutta in den Schiffen das Inne . mit Ben ; re persischen Meerbusen zu kommen kann man aber nicht in
dieses Meerbusens
einlaufen , und muß daher die Waaren ausladen , und arabische Kähne miethen, um sie den Fluß aufwärts zu bringen. Man rechnet einen Zeitverlust von einem Monat, um gegen den reißenden Strom fich fortwinden zu laffen, benn Segel können hieben gar nicht gebraucht werden. Die Reise zu Land von Bosfora nach Constantinopel erfordert wenigstens sechs Monate , folglich muß auf die ganze Reise ein Jahr gerechnet werden, und die Hinreise erfordert nicht viel weniger Zeit. zwey Jahre dazu ,
Es gehören also fast
um eine solche Speculation auszus
führen, während welcher Zeit die Waaren unaufhörlich
Echreiben über den Indischen Zeughandel.
133
auf der Straße sind , und zwar bloß auf Gefahr des Eigenthümers , denn an Affecuranzen ist hierbey gar nicht zu denken, Auch find unglückliche Ereignisse teine Seltenheit. In dem perſiſchen Meerbusen wird die Schifffarth durch eine Menge Untiefen erschwert ; der Tiger ist ein äußerst reißender Strom, besonders nach seiner Vereinigung mit dem Euphrat ; hieraus folgt ,
daß die Saiken , die zum
Transport der Waaren gebraucht werden , häufig Gefahr laufen Schiffbruch zu leiden.
Auf dem Weg , den die
Caravaneu nehmen , find nicht weniger Gefahren zu überstehen.
Die Schaaren von Reisenden , die mit ihren Mauleseln und Cameelen die • Wüsten von Arabien und
Mefopotamien durchziehen ,
. werden nicht selten unters
wegs ganz oder zum Theil geplündert, und wenn fie das Glück haben , den räuberischen Horden der Araber, Kurs deu und Turkomannen zu entgehen , so fållt es ihnen eben so schwer, fich den Avanien oder Brandschatzungen der Paschas und Beys zu entziehen, welche unter den Namen Geleit
und Durchpassirungsgeld versteckt,
oft auch
ohne allen weitern Vorwand geradezu eingefordert werden.
Könnten sie aber nur dann , wann sie diese wills
führlichen Abgaben bezahlt haben, ihre Reise ungebins dert weiter fortsetzen ;
allein sehr oft werden die Cara-
vanen durch die Unruhen in Anadolien gezwungen, ganze Monate lang auf einer Stelle liegen, zu bleiben. Zu allen diesen Nachtheilen kommit nun noch, daß durch den Transport zu Land die Waaren mehr bes schädigt werden, als durch den zur See.
Der Weg ist
so außerordentlich weit, und die Ballen müssen so oft ums
Bierter Abschnitt.
134
gepackt werden , daß man den Schaden , der dadurch vers ursacht wird, wenigstens auf fünf Procent rechnen kann.. Der Weg über Bassora ist überhaupt so kostspielig , daß was im ersten Ankauf in Calcutta hundert Piaster kostet, auf hundert und siebzig Piaster zu stehen kommt , bis es n den Gez nach Constantinopel geschafft ist, und wenn man winn der Armenier auf ein Jahr nur zu funfzehn und auf zwey Jahre zu dreyßig Procent annimmt , was doch in der That außerst wenig ist , so sieht man , daß die Waare vom ersten Ankauf bis zum Verkauf um hundert Procent im Preise steigt, und daß alle Artikel in Constantinopel, zum wenigsten noch einmal so theuer verkauft werden müſſen , als sie in Calcutta gekostet haben. Aus der beyliegenden Factur können Sie Sich iüberzeugen , daßf Sie Sich meine Rechnung vollkommen richtig ist ; Sie werden finden , daß blos die Frachtkosten von dem Eingang in den persischen Meerbusen bis nach Bassora 1 Procent kostet ; hier müssen zehn Procent an Zoll bezahlt werden , zwölf Procent zu Diarbekir oder zu Mosul, und zwölf Procent Geleit oder Durchyarungsgeld auf dem übrigen Theil. des Weges.
Ich will die Transportkosten, welche steigen
und fallen , nicht in Rechnung stellen , so wenig wie die außerordentlichen Abgaben , die in allen Paschalicks bes zahlt werden müssen, und auf die man doch im voraus mit Gewißheit rechnen kann ,
weil sie einem niemals era
laffen werden. Erlauben Sie mir nur noch einige nåhere Erläutes rungen, und Sie werden mit mir eingestehen , daß der Weg zur See weit ökonomischer und sicherer ist als der zu Lande.
Schreiben über den Indischen Zeughandel .
135
Seit dem Decret der constituirenden Nationalvers ſammlung , wodurch alle privilegirte Compagnien abge= schafft wurden , ist es Ihrer Willkühr überlassen , aus welchen unter allen französischen Hafen Sie ihre Waaren abschicken wollen , Interesse folgen.
und Sie dürfen hiebey ganz Ihrem Wenn Sie in Marseille eben so gut
wie sonst irgendwo Ihr Sortiment zusammenbringen kön nen, so ziehen Sie gewiß diesen Hafen wegen der Nähe der Levante vor.
Sie
können
miethen , das unmittelbar nach
dafelbst ein Schiff Chandernagor fährt ;
hier wird ihr Correspondent die Ladung in Empfang nehmen, das Schiff mit indianischen Waaren befrachten und es wieder nach Marseille zurückgehen lassen.
Bey
seiner Ankunft werden Sie Sorge tragen , daß die neue Ladung sogleich in die Schiffe gepackt wird , die nach der Levante beſtimmt ſind.
Ich sehe hieben voraus , daß Frankreich und die Türkei in ihrem Handel nachIndien einen gleich schnellen Absatz ihrer Waaren haben.
Ich könnte jedoch ohne
Bedenken uns hierin den Vorzug zugestehen ,
und es
würde ihn uns schwerlich jemand streitig machen wollen, denn es weiß jedermann , daß in Bengalen das Bedürfs niß nach den Producten unseres Kunstfleißes weit größer ist als nach denen des türkischen , und daß auch außers dem unsere Sendungen halb in baarem Geld, und halb in Waaren bestehen , da hingegen die Türken fast nichts als gemünzte Metalle dahin schicken.
Es ist wenigstens
außer allem Zweifel, daß durch die Geschicklichkeit und Thätigkeit unserer Correspondenten unsere Handelsges
Bierter Abschnitt.
136
schäfte in Indien weit schneller und vortheilhafter getries ben werden. Ferner muß man bemerken, daß der Weg zur See weit wenigern unglücklichen Zufällen unterworfen ist, und daß , wenn auch diese Unfälle auf beyden Wegen einans der gleich wären , man doch bey diesem den wichtigen Vortheil hat, daß man sich vermittelst der Affecuranzen gea gen sie sicher stellen kann. Auch bleiben auf diesem Wege die Waaren nie so lange unterwegs, es müßte deun seyn, daß die Schiffe ganz außerordentlich durch Stürme gemißs handelt würden. Die Schiffahrt ist in unsern Tagen sehr Bervollkommnet worden , und Sie wissen
daß wenn eine
Meise ein Jahr dauert , sie schon für sehr lang gehalten wird.
Von Marseille nach der Levante dauert die Fahre
nur einen Monat, und durch diesen Umweg werden Waas renbeschädigung ,
willkührliche Auflagen und die unges
heuren Kosten des Landtransports vermieden. Ganz unwiderleglich wird jedoch der große Vorzug, ben der Weg zur See bor dem zu Lande hat , dadurch erwiesen , daß die Engländer und Holländer auf allen Märkten in der Levante gemeinschaftlich mit den Armes niern ihre ostindischen Waaren verkaufen ,
und fie oft
noch wohlfeiler ablaffen als die lettern , ob fie gleich in Holland und England mit ungeheuern Abgaben belegt find. Die vorzüglichsten unter diesen Abgaben " find in beyden Ländern die Kosten für die Direction der Coms pagnien , die Auflagen auf den baaren Ertrag des Vera kaufs, die jährlichen Abgaben an den Staat für die Rechte ber Compagnie, die Dividenden der Actionnåre ,
die
Provifion des Commissionårs in Europa , der Gewinn
Schreiben über den Indischen Zeughandel
197
besjenigen, der die Expedition der Waaren in die Les vante besorgt, und endlich noch die Abgaben an das Cons Sie sehen wohl , daß höchstbedeutende Summen
sulat.
auf die ersten Ankaufspreise der Waaren geschlagen wers den müffen.
Sie werden in der That dadurch verdops
pelt, und die Sache ist so wichtig , weil in ihr der eins sige Grund zu fuchen ist,
warum die Engländer den
Handel der Armenier nicht schon gänzlich zu Grunde ges richtet haben , daß ich Sie bitte, noch einen flüchtigen Blick auf das folgende Verzeichniß dieser Abgaben zu werfen : Schiffsfracht von Calcutta nach Umſterdam oder London
2 Proc.
Affecuranz Kosten für die Direction der Compagnien -
12
Bölle
18
86
4
Dividende der Actionnåre
6
Schußgeld
15
Provision des Commiſſionårs
4
Gewinn für den Geschäftsführer, der die Ers pedition der Waaren in die Levante bes
8
forgt Schifföfracht von London oder Amſterdam nach der Levante Affecuranz
Abgaben an die Confuls Summa 74 Proc.
Fügen Sie nun zu diesen Kosten noch die Provis fion des Commissionårs in der Levante, die schweren türs
Vierter Abschnitt.
138
Fischen Zölle , und einige kleinere Unkosten , hinzu, so ist es leicht begreiflich, daß der Handelmit Baumwollenwaaren aus Bengalen wegen ihrer außerordentlich hohen Preise durchaus nicht sehr weit getrieben werden kann. Nunmehr kehre ich von dieser langen , aber nothwendigen Entwickelung wieder zu Ihnen zurück , mein Bester!
und frage Sie, ob Sie nicht zuverlässig im
Stande wåren, mit weit geringern Kosten diesen Hanbel zu treiben ? hältnissen ,
Sie befinden sich in ganz andern VerKals und hätten nichts weiter zu bezahlen , als
eine Abgabe von fünfProcent in l'Orient oder in Toulon, und zwar nach einer höchstmäßigen Schätzung der Waaren, ferner zwey Procent an das Confulat zu Marseille, und eine Provision an den Correspondenten in tem Hafen , worin ihre Schiffe bey der Rückkehr aus Indien landen werden . Die übrigen Kosten sind ebenfalls nicht bedeutend, und können , aufs höchste berechnet, zwölf Procent ausSie werden folglich im Stande seyn , wohl.
machen.
feiler zu verkaufen, ats alle ihre Concurrenten, und wenn Ihre erste Speculation mit Klugheit ausgeführt. wird, so kann man Ihnen einen höchst ansehnlichen Gewinn das von dersprechen.
Diefen Gewinn zahlen Ihnen bloß
Fremde, er ist die Frucht Ihrer Kenntnisse,
und Sie
können sich seiner ohne Gewissensbisse erfreuen.
Die
Kaufleute des Sites , wo Ihr Hauptcomptoir ist, werden zwar sobald als möglich Ihrem Beyspiel folgen, und durch die Concurrenz mit diesen wird Ihr Gewinn geschmälert werden. Allein Sie werden die Freude erleben, Ihren Landsleuten einen neuen Handelszweig eröffnet zu Haben, sind west haben , und wenn Sie einmal an Ihrem prächtigen Ha=
Fünfter Abschnitt.
Teutscher Handel.
139
fen spazieren geben , und hören , daß nm Sie herum mit indischen Baumwollenwaaren Geschäfte gemacht werden, fo können Sie mit inniger Zufriedenheit ausrufen : dies fen Handels zweig . habe ich eröffnet ! Leben Sie wohl , mein Bester ! 1 Ich habe Sie schon manchmal zu einer guten Handlung aufgefordert , heute fordere ich Sie zu einer großen auf.
Fünfter
Abschnitt.
Teutscher Handel. Der Kaiser hat zwar eine Factorey und einen Eonsul zu Salonichi ; da aber der türkische Handel in seinen Staaten ganz frey ist , so haben ihn die Griechen an sich n rey macht sehr wenis Seriffe , und die Facto Geschäfte. Unter allen Ländern , die mit der europäischen Türkey Handel treiben, hat Teutschland unstreitig den größten und ausgebreitetsten.
Die Leutschen ziehen aus Maces
donien eine ungeheure Menge Baumwolle, die in mehs reren Candlen durch das ganze nördliche Europa verbreiz tet wird.
Diese Baumwolle geht zu Laude nach Sems
lin , und von da auf der Donau bis nach Wien.
Von
Wien wird sie durch ganz Teutſchland und in die nördliche Schweiz von dem Veltlinerland bis nach Constanz , und
Die übrigen ns Stapelstädte für die macedonische Baumwolle fi Orfos
von da weiter bis nach Basel geschickt.
wa in dem Temeswärer Bannat , das in der nämlichen Linie wie Semlin liegt, und hinter dieser Linie Hermanns stadt und Brossau (Broos) in Siebenbürgen,
teutsche Handel erstreckt sich über alle Theile von Griechenland;
er beschäftigt • sich jedoch mir einer
Menge so mannigfaltiger Gegenstände , daß er bis jetzt
Fünfter Abschnitt.
140
vor den Augen des handelnden Europa's fast ganz vers borgen geblieben ist.
Man hat ihn erst in dem letztern
Krieg zwischen Desterreich und den Türken genauer ken= nen gelernt , denn weil damals alle innere Communicaz tion abgebrochen war , so wurde nothwendig Salonichi der Stapelort für alle türkischen Waaren, die über Trieste giengen anstatt sonst auf der Donau.
Nunmehr konnte.
man erft die verschiedenen Artikel der teutschen Ausfuhr mit einiger Genauigkeit berechnen , und man fand nach den zuverlässigsten Angaben, daß sie sich auf eine Summe von 5,000,000 Piaster belaufen.
Den dritten Theil
von dieser Summe bezahlen die Zeutschen in Producten ihres Kunstfleißes , und besonders in Lüchern und Leins wand; die beyden übrigen Drittheile werden in Thalern und Zechinen bezahlet.
Ihre Waarenlieferungen betras
gen nie mehr als 2,000,000 ,
und manchmal nur
1,500,000 Piaster; sie bestehen immer in Tüchern, Leins wand , Glaswaaren , Eisen und Stahlwaaren, und in Bergoldeten Arbeiten.
Zücher. Nur die leichten Tücher , die nach den englischen Londres. gemacht sind ,
und deshalb auch den Namen
Londres führen, finden in der Levante Absatz.
Es giebt
zweyerley Arten davon , die sogenannten ersten und zweyten Londrins . In Frankreich werden die ersten Londrins ganz aus spanischer Wolle verfertigt, das heißt der Eintrag sowohl als der Aufzug oder Zettel. In Leutschland aber wird schlesische Wolle , und in England Landeswolle darunter
Tücher.
gemischt.
141
Der Aufzug besteht aus dreytauſend Fåden in
Rinden oder Blättern , die zwey Ellen breit sind , damit noch eine Breite von einer und einer viertel Elle übrig bleibt, ohne das Sahlband oder den Anschrot, wenn das Luch aus der Walkmühle zurück kommt.
In den zweys
ten Londrins ist der Aufzug von gemeiner Wolle, und der Eintrag, in Frankreich, von der
zweyten spanischen
Sorte, in andern Låndern aber von der zweyten gewöhnes lichen Sorte.
Der Aufzug enthält zweytauſend ſechsa
hundert Fåden in Rinden zu zwey Ellen weniger ein Sechstel, damit das Tuch nach der Walkmühle noch eine Breite von einer Elle und ein Sechstel habe. Die in Teutschland fabricirten Tücher sind in der Levante unter verschiedenen Namen bekannt ; ſie ſind jes doch alle Nachahmungen von den französischen Londrins, und weichen
darin
von
ihnen ab,
daß fie in dem
Gewebe beffer, aber weniger Güte in Rücksicht der Bereis tung und der Farben haben.
Es fehlt den französischen
Lüchern an Dichtheit , weil der Aufzug nicht gehörig ges webt, und zu dem Eintrag nicht Wolle genug genommen wird; daher sind sie alle zu locker, und man kann diesen Fehler sogleich an ihnen bemerken.
Unter dem ersten Ministerium von Maurepas wurs den in der Levante die englischen Tücher von den franzis fischen verdrängt; ihr Flor dauerte vom Jahr 1750 bis 1782.
Von dieser Zeit an gerieth der Handel damit
immer mehr in Verfall.
Im Jahr 1783 seßten die
Engländer große Quantitäten von Chalons ab; sogleich schrieb jemand in die Welt , daß die englischen Chalons dem französischen Luchhandel Eintrag thäten, und jeders
Fünfter Abschnitt.
142
mann wiederholte es. Im Jahr 1785 kamen die ersten teutschen Tücher in die Türkey , und es hatte den Anschein, als wenn sie leicht und schnell würden abgesetzt werden können . Allein der Krieg , 7 der darüber auss brach, verhinderte ihren Verkauf, und erst nach dem Gefchäfte gest Frieden konnten mit diesen Tüchern
macht werden .
Sie kamen bald sehr in Ausnahme,
und nun rief wieder jedermann , nach der Versicherung eines Reisenden , daß die teutschen Tücher die franzöſiz schen Londrins verdrängt hätten. Hätte i dieses nur als Muthmaßung geånßert , so wäre in der That einiger Grund dazu da gewesen ; allein man mußte auch zugleich dabey sagen , daß durch die Unruhen in Frankreich die Fabriken in nordnung gefonimen sind , und daß wäh rend des Krieges der Verkauf unserer Fabrikate ins Ausland nothwendig flocken mußte. In Ermangelung fran zösischer Tücher versah man sich daher mit teutschen, und nur auf diese Art sind die französischen Manufacturen von den teutschen verdrängt worden. Dagegen ist aber auch nicht zu leugnen , daß wegen
der übermäßigen
und
fortdauernden Betrügereyen der
französischen Fabrikanten die Türken schon im Jahr 1782 angefangen haben , einen Widerwillen • gegen die franzö fischen Tücher zu fassen ; daß alle freniden Wollenwaaren in Aufnahme kamen , so wie die unsrigen ihren Credit verloren ; und daß dieser noch immer mehr sinkende Credit, nebst denZerrüttungen , die durch den Krieg bewirkt werden, die eigentliche Ursache von der totalen Stockung ist, in welcher sich gegenwärtig der französische Tuchhandel befindet.
Twoch ear.
143
Eben so wehr ist es , daß er sich nicht mehr von dem Schlag erholen wird , den ihm die fremden Tücher verseht haben , wenn die Regierung ihn nicht besonders aufmuntert , und wenn nicht die alten Verordnungen über die Inspection der Tuchfabrication , die seit dem Jahr 1782 so schändlich übertreten und seit der Revolution ganz und gar vergessen sind ,
wieder erneuert werden;
Vorzüglich muß die Fabrication der zweyten Londrins aufgemuntert werden , denn dieſe ſind so wohlfeil , daß auch der große Haufen fie kaufen kann, und folglich sind fie der wesentlichste Artikel für den Luchhandel nach der Levante.
Alle übrigen Tücher gehören nur zum Sortis
ment ; nun ist es aber äußerst beschwerlich, die Bestel lungen zu theilen ,
um das Sortiment vollständig zu bes
kommen , und man wird daher für die Nebenartikel ders jenigen Nation immer den Vorzug geben , die den Haupts artikel liefert. Wir müssen uns nur durch den Mißcredit nicht abz schrecken lassen , in den unsere Tücher gekommen find. Es wird zwar mehr Zeit erfordert, den Schaden zu heilen. als ihn hervorzubringen ; allein durch Versuche mit recht guten Waaren kommt man doch ans Ziel, und keine Art von vorgefaßter Meinung kaun lange gegen Erfahrung und Thatsachen Stand halten. legenheit des unglück
Ich kann jedoch bey Ges
Schicksals , das unser Tuch-
handel in der Levante erlitten hat , die Bemerkung nicht unterdrücken, daß die Verfahrungsart der Luchfabrikans ten in Languedoc auf eine empfindlich fühlbare Art bes wiesen hat, daß derjenige Fabrikant ,
der viel gewinnen
will , nicht lange gewinnt , daß durch schlechte Waaren
Fünfter Abschnitt.
344
die Manufacturen in übeln Nuf kommen , und daß durch die Betrügereyen einiger Individuen dem Handel einer ganzen Nation ein tödtlicher Schlag beygebracht werden kann.
In Frankreich haben Regierung und Privatleute
mit zu viel Gleichgültigkeit auf unsere Manufacturen hers abgesehen , die doch die Hauptgrundlage von dem Reich, thum der Staaten find ; es ist endlich einmal Zeit, daß der Nationalgeist den schamlosen Unternehmungen der Habe fucht einen Zaum anlege , daß die öffentliche Meinung den schlechten Bürger brandmarke , der den allgemeinen Credit seinem Privatvortheil aufopfern zu dürfen glaubt, und daß die Regierung der öffentlichen Meinung zu Hülfe komme , und denjenigen Manufacturiflen, der nicht genug rechnen kann , um dauernde Vortheile einem vorüberge= henden Gewinn vorzuziehen , und der durch vorseßliche Betrügereyen die Manufacturen der ganzen Nation in. Mißcredit bringt, aufdas strengste und unerbittlich strafe. Es steht bey uns , die ersten Tuchmanufacturisten in Eus ropa zu werden.
Keine Nation versteht besser als wir
das Weben, und keine besser das Färben; der ArbeitsJohn ist bey uns gering , und wenn unsere Wolle wegen ihrer Seltenheit theuer ist, so hängt es von uns ab, auf unsern vielen Weiden unsere Schafheerden zu vermehren. Wenn diese Vorzüge, die wir besigen, nicht gehörig gee. nugt werden , so ist es einzig und allein die Schuld der Regierung. Man begreift in der Türkei die teutschen Tücher, von denen die unſrigen verdrängt worden sind , unter der
allgemeinen Benennung :
Leipziger Tücher , weil
fie gewöhnlich auf der Messe zu Leipzig eingekauft werden .
Tücher..
145
Sie sind derb, kernhaft, wollreich und doch dabey fanft anzufühlen.
Die Sortimente beſtehen aus Tüchern von
den ungewöhnlichsten und seltsamsten Farben ; allein diese Farben gefallen den Türken , weil sie in die Augen fallen. Die leipziger Tücher kommen nicht in Ballen an , sondern Stückweise, und werden ohne Muster und Factur , bloß mit Einwilligung beyder Theile verkauft.
Diese Art pon
Handel ist sehr vortheilhaft für den kleinen Kaufmann, der nicht immer Vermögen genug hat , um ganze Ballen auf einmal zu kaufen ;
auch dem Verkäufer ſelbſt iſt ſie
sehr zuträglich, denn er kann gegen baare Bezahlung vers Laufen, oder ist doch wenigstens nicht genöthiget, langen Credit zu geben... Die schönsten. Leipziger Tücher werden zu Achen fabricirt , und besonders werden die von den Ges brüdern Clermont mit Recht hochgeſchäßt.
Die Uchener
Fabriken sind vorzüglich durch ihre schönen Farben und ihre gut gewählten Sortimente in die Höhe gekommen. Die Befiher derselben haben sich immer nach dem Ges schmack des Käufers gerichtet , und wenn nur die Farbe gefällt , so untersucht dieser gewöhnlich nicht sehr genau die innere Beschaffenheit des Tuches.
Dies ist besonders
der Fall mit den Türken , die nur einen einzigen Sinn, und das Gefühl ganz in den Augen zu haben scheinen. Auch werden in Achen Mahuds verfertigt , die den Englischen nachgemacht sind; allein die Copien werden nie den Originalen gleich kommen , weil sie ihnen in der Farbe nachstehen. Dies ist jedoch ein sehr wesentlicher Pankt; denn ein Sortiment von Mahuds besteht aus den lebhaftesten und delicatesten Farben, wie z. B. auss Beaujours Beſchr.
Fünfter Abschnitt .
146
Rosenfarb,
Himmelblau , 1 Feuerfarb,
Zeifiggelb und
Blaßgrún. Mit befferm Erfolg hat man die venetianischen Sahen nachgemacht.
Die achener Saven haben auch
dem Absatz der venetianischen großen Schaden gethan, ohne ihn jedoch ganz zernichten zu können, denn sie koms men ebenfalls , wie bey den Mahuds , in den feinen Far= ben ihrem Vorbild nicht gleich. Die venetianischen Sayen werden, ungeachtet ihrer ausnehmend hohen Preise, noch sehr lange in 1 der Levante den Vorzug vor allen übrigen Lebhafs behalten , denn sie übertreffeu alle andern in derr tigkeit ihres Scharlachs und der Schönheit ihres Hoch-
roths , oder ponceau ; und gerade diefe beyden Farben brauchen die Türken am meisten und liebsten zu ihren Caftans. Ehe ich diesen Artikel über den teutschen Tuchhandel endige, muß ich die Frage noch berühren , die jetzt, wo ein Theil dieses Handels zu unsern Eroberungen gehört, wesentlich wichtig ist, ob es nämlich vortheilhafter für Frankreich wäre , die niederländischen oder die langues dockischen Fabriken aufzumuntern und zu begünstigen ? oder , was ganz dasselbe ist , den Tuchhandel nach der Levante über Marseille und das Meer , oder durch Teutschland und auf der Donau zu führen ? - Die Frage ist nicht schwer zu beantworten, wenn man bedenkt, daß bey jeder Art von Handel die Fracht den reinsten Gewinn eintrågt , in dem einen von den obigen Fällen aber kommt@ Diese Fracht den Teutschen , und in dem andern den Eina wohnern der Provence zu gut.
Es ist hier der Ort nicht,
um dieGründe auseinander zu setzen , warum es vortheilsa
Leinenwaaren.
Cattune. 147
hafter für uns ist, die Einfuhr der spanischen Wolle , die man in den Fabriken des südlichen Frankreichs braucht, als die der schlesischen Wolle, die in den nördlichen Pros vinzen verarbeitet wird *), zu begünstigen ; ich will nur noch die einzige Bemerkung beyfügen , daß die großen verschiedener Art in einem und demselbigen Fabriken einande r gegenseitth Land sichvon schädlich sind, und daß daher die Franzosen in ihren neuen Departementen vors zugsweise vor allen andern Fabriken die Leinwandfabriken begünstigen und unterstüßen müſſen , denn sie sind den Ländern eigenthümlich, die an den Ufern der Maas und des Rheins hin liegen. Uebrigens beträgt die Confumtion des Artikels, von dem hier die Mede war, eine jährliche Summe von 809,800 Piaster **).
Leinen waaren, Der teutsche Linnenhandel begreift Cattune, Muffes Tine und verschiedene Sorten von Leinwand in sich , von welchen drey Artikeln hier einzeln gehandelt werden soll,
Catfun e. Die Cattune, die in der Türkei am meisten gesucht werden, konimen aus den österreichischen Fabriken; auch
Hr. Beaufour muß unter schlesischer Wolle , die in Franks reichs nördlichen Fabriken verarbeitet wird , etwas anders verstehen. Denn bekanntlich wird diese Wolle nicht auss geführt, sondern in den Landesfabriken verarbeitet. **) Wie sehr sich ber teutsche Suchhande aus den oben ans geführten Ursachen vermehrt hat, beweißt das Jahr 1776. in welchem nur für sechstauſend Piaſter nach Thessalonich giengen.
148
t Fünfter Abschnit .
die sächsischen sind zu Constantinopel sehr beliebt, allein in Griechenland wird nur die besondere
Art abgesetzt,
die unter dem Namen Calanca bekannt ist , und zu Plauen im Voigtlande fabricirt wird . Vor der Revolution wurde aus Marseille sehr viele gedruckte Leinwand nach Griechenland geschickt , die der teutschen weit vorgezogen wurde , weil sie feiner im Ges spinnste war, und lebhaftere Farben hatte ; auch war die Seit dem Zeichnung richtiger und besser ausgeführt . Krieg haben aber die Marseiller Fabriken ihre Arbeiten eins
gestellt , die Leutschen hingegen die ihrigen fortgesetzt Beym Frieden dürfen wir
jedoch
die größten
Fort-
schritte in diesem Zweig der Industrie hoffen , denn man kann nichts Schöneres sehen , als die Cattune und die Leinwand , die zu Avignon und in Bearn gedruckt wurs den.
Man hat sich schon seit langem in Europa viele Mühe gegeben , um die Kunst zu entdecken , die Farben zu firiren und ihnen die unveränderliche Dauerhaftigkeit zu geben , die man in den in Bengalen verfertigten Zeugen n Glanz , denn anstatt daß diese ihre so sehr bewundert n eit h as aschen erliere den c önh r h u c , v wer W d d " S en h c r s und gali meh ner nd ie arben er d F u imemt schö viel die Bener s t t p f u bin e e a a n , daß dies fest Ver Ma hat beh . lebh e g ben it en Zeugen daher entsteh , daß die d m dun der Far n en ter ben n ndien it dem Saft von gewiss räu K m I i Far n cht in t hse den ema . Alle , die bey uns nich tweüc wür ang l e s o h u h c r a u en ch s n de ch hab Ver fals , den wie dies ist dur e a en ben o nd op s e wår im Sta wir in eEur igt t geze fte , das f n a n e n h t e e i r i b a e e d h r s d r al in In zu be Fa un dau leb
Musseline oder Nesseltücher.
149
geschieht , daß aber durch die darauf zu verwendendeZeit,. und Arbeit der Preis unserer Waaren außerordentlich hoch kommen würde.
Der wahre Vorzug der indischen Mas
nufacturen besteht daher nicht , wie man geglaubt hat, in einer größern Geschicklichkeit der Arbeiter , einzig und allein in ihrer geringen Bezahlung .
sondern Zehn Ars
beiter in Bengalen kosten nicht so viel wie einer bey und. Auch die Zeit ist in Europa theuer , in Indien aber so wohlfeil wie das Leben der Menschen.
Muffeline oder Neffeltücher. Es werden zwanzigtauſend Stück Muſſelin in Griechenland verkauft , die in Sachsen , Böhmen , Vorder= dsterreich, und in den Schweizer Cantonen , St. Gallen und Appenzell , fabricirt werden. Auch in diesem Artikel könnten wir den Leutschen den Rang ablaufen , denn die gemeinen Muffeline, die allein auf den Märkten in Griechenland Absatz finden, werden alle von Baumwolle aus der Levante gemacht ; nun ist aber der Transport dieser Baumwolle für nns, da wir sie zur See kommen lassen , bey weitem nicht so kostspielig als für die Teutſchen , die die Fracht auf der Achse bezahlen müſſen.
Man könnte die Art von Manu-
facturen in der obern Provence und in dem Delphinat mit Vortheil einführen , denn ſechs Monate im Jahr sind die dortigen Einwohner ohne Arbeit , und folglich für einen geringen Lohn zu bekommen.
Der Fabrikant ,
der die
ersten Weberstühle auf diese hohen Berge brachte , würde in ein Land , das heutzutage das Bild des Todes ist, Leben und Thätigkeit bringen.
150
Fünfter Abschnitt.
Leinwand. Glatte und andere L Ehemals consumirte Griechenland eilf bis zwölfs hundert Stück glatte Leinwand aus Schlesien und Böh men; allein diese Leinwand fångt jest an in Mißcredit zu kommen , weil zu viel schlechte Waare dahin geschickt wird. Man giebt heutzutage der Leinwand aus Kär then und Niederösterreich, die über Triest dahin kommt, den Vorzug ; ob sie gleich nicht so weiß und so schön von Ansehen ist , so ist sie doch in der That nühlicher und trägt sich beffer. * Ueberhaupt ist aber die glatte Leinwand nur ein sehr geringer Handelsartikel ; cinen weit wichtis gern machten die andern aus.
Man verbraucht in Griechenland für funfzigtausend Piaster damastene geföperte und auf mancherley Art gos modelte Leinwand.
In Wien, Triest und Venedig wers
den Tischtücher von solcher Leinwand mit buntſchäckigten Einfassungen verfertigt , und noch andere sonderbare Ars beiten , die in der Türkei für außerordentlich schön gehals ten werden.
Allein alle diese gebildete Leinwand , venes
sianische sowol als teutsche ,
muß der französischen und
holländischen nachstehen, denn sie vereinigt nicht wie diese Feinheit, blendende Weiße , und Mannichfaltigkeit der Zeichnung mit Dauerhaftigkeit.
Wenn die teutsche Leins
wand auf den türkischen Märkten vor der unsrigen den Vorzug hat , so ist es allein auf Rechnung ihres wohls feilen Preises zu schreiben.
Der Artikel beträgt übrigens 385.750 Piafter.
eine Summe vou
Glaswararen.
151
Glas waaren. Der Ruhm der böhmischen Gläser ist in Europa vollkommen gegründet.
Sie haben überall die venetia-
nischen verdrängt , und man zieht sie wegen ihrer glans zenden Durchsichtigkeit allen andern Glåfern vor.
Nur
Frankreich seht noch seine schwarzgrünen Bouteillen in Griechenland ab , denn sie sind weit beffer, als man sie fouft irgendwo finden kann. Die böhmischen Glåſer werden auf der Achse nach Griechenland gebracht, und find so gut eingepackt , daß fie ohne Gefahr diese vierhundert Stunden weite Reife machen können.
Gewöhnlich werden sie von herumzies
henden Kauflenten einzeln verkauft ;
wenn eine Provinz
hinlänglich damit versehen ist, so ziehen ſie in eine andere, und dies so lange ,. bis sie das ganze Land durchreift haben ; dann fangen sie wieder von vorn an. Der Absatz besteht in folgendem :
Quantität.
Sortiment.
Preis.
120 Kisten vergoldete Gefäße 600 Piafter die Kiste. 150
gemeine Gefäße
150 P....
140
Fensterscheiben
300
Hiezu kommen noch Kronleuchter, Erd- und Himà • melskugeln , Schiffs- und andere Laternen , und einige kleinere Artikel. Die Caraffinen und Trinkglåser werden wenig gekauft weil die Türken weder Wein noch Brandtewein trinken.
Die Griechen aber, die den Ruhm
haben , daß sie unmåßige Trinker sind , kennen die vers feinerte Sitte, für jeden Gast ein eigenes Glas auf den
Fünfter Abschnitt.
152
Tisch zu stellen , noch nicht ; ein einziges Glas reicht für alle zu , und sie haben nicht den mindesten Widerwillen, em goldenen Mom Die emaillirten Gläser d die mit ein un wechselsweise daraus zu trinken. find ihnen die liebsten. Ueberhaupt geben alle Einwohner der Levante denjenigen Waaren den Vorzug , die stark in die Augen fallen, und man wird allgemein zwischen den Consumtionen eines bars barischen und eines civilisirten Volkes den Unterschied bemerken, daß das eine in allem, was zu seinem Gebrauch dient , den åüßern Glanz der innern Güte vorzieht , das andere hingegen dem wesentlich beffern den Vorzug vor den Flitterzierrathen giebt , ' die nur durch die Launen der Mode oder einen phantaſtiſchen Geſchmack auf kurze Zeit is Aufnahme gekommen fiud. , Die Kaufleute sollten auf diesen verschiebenen Geschmack der Nationen mehr Rück ficht nehmen, wenn sie ihre Sortimente für das Ausland besorgen.
Wenigstens müssen sie dabey mit der Klugheit
zu Werke gehen, die eine Frucht der Erfahrung ist , denn im Handel kann ein einziger übereilter ober unüberlegter Schritt die schlimmsten Folgen haben.. Hievon hat Marseille in den letzten Jahren ein res
bendes Beyspiel geliefert, denn es kamen Waaren dorther nach Griechenland , die mit der albernsten Unwissenheit afſortirt waren.
Weit beffer kennen die Leutschen , in
Rücksicht auf Glaswaaren , den Geschmack der Türken, und liefern ihnen in der That äußerst schöne Arbeiten. Die Böhmen verstecken das Glas unter einem glänzenden, äußerst polirten Firniß, und geben ihm den Anschein von Porcellån, nicht in Rücksicht auf seine Bestandtheile, sons dern durchdie feinen Umrisse der Fabrikate , die Schöns
Glaswaaren.
53
heit ihrer Zeichnungen , die Lebhaftigkeit der Farben und ben hohen Glanz der Glasur.
Ich habe solche Gefäße 1 gesehen, die so kunstreich überfirnißt waren , daß man fie für das schönste sächsische Porcellån gehalten hätte. Sie würden diesem auch ,
wegen ihrer Durchsichtigkeit
in der That vorzuziehen seyn , wenn sie nicht so zerbrechlich wären.
In dieſen Gefäßen wird in der Levante ge-
wöhnlich den Gästen nach der Mahlzeit Waffer gereicht ; auch werden ihnen bey Ceremonienbefuchen Sorbet , Roz feneffenz und Confituren darin pråsentirt.
Man hat das
her solche Gefäße von aller Größe and von den mannichfaltigsten Formen ; sie dienen zugleich zum Ausschmücken der Zimmer, wo sie aufmannshohen Geſtellen ſymmetrisch aufgestellt werden. Die Consumtion des Artikels beträgt ungefähr 140,000 Piaster.
Porcellá n. Das Porcellán von Seves übertrifft an eleganten Formen, correcten Zeichnungen , Schönheit der Farben und Glasur , alles was man in dieser Art Schönes und Vollkommenes sehen kann ; allein es ist viel zu theuer und. geht daher wenig ins Ausland. ihrige meist aus Teutschland , telemäßigen Fabriken.
Die Türken ziehen das und zwar aus sehr mits
Das Dresdener und Berliner Pors
cellån findet zwar in Conftantinopel selbst einigen Abſatz; aber in den Provinzen durchaus nicht.
In Griechenland
fieht man nichts als Frankenthaler und Wiener Porcels lån, und auchdies macht keinen wichtigen Artikel aus.
Fünfter
154
Abschnitt.
Das zu Frankenthal in der Pfalz verfertigte Porcellan wetteifert mit dem såchsischen in Rücksicht des Glanzes, und ist um ein gutes Drittheil wohlfeiler. Besonders tragen sie zu Frankenthal das Gold so äußerst geschickt auf,
daß man Gefäße ,
die damit überzogen
find, für gediegenes Gold halten könnte. Auch die Zeich, hungen find correct , und die Figuren voll Stärke und Wahrheit des Ausdrucks ; allein die Glasur ist nie so rein und glänzend weiß , wie sie in dem vollkommen schönen Porcellán als charakteristisches Zeichen seyn muß.
Das Wiener Porcellán hat den meisten Absatz in Griechenland , weil es das allerwohlfeilste ist.
Seine
Masse ist schmutzigweiß ; auch fehlt es ihm an Formen und Mahlerey ; die erstern sind durchaus nicht elegant, und die Zeichnungen find geschmacklos.
Der Hauptab C saß dieser Fabrik geht nach der Türkei , und die Türken Find keine Freunde von Veränderungen.
Diese Gewißs
heit des Abjaßes ist vielleicht der Grund von den Mångeln , die der Wiener Porcellånmanufactur , ungeachtet der außerordentlichen Unterstützungen und Aufmunteruns gen, die fie von dem Kaiser erhält , mit Recht vorges worfen werden.
Man behauptet , der Monarch unters
halte darin achtzig Mahler.
Wenn dieses wahr ist,
wendet er in der That sein Geld schlecht an , denn die schönsten Arbeiten, die die Manufactur liefert, find höchs ftens nur wegen ihrer Größe und ihrer sonderbaren Formen bemerkenswerth.
Der Artikel beträgt jährlich ungefähr Piaster.
40,000
Grahlwaaren.
255
Stahlwaaren. Der beste Stahl kommt aus England und Zeutsche land; der erste ist jedoch der vorzüglichste wegen seines feinen Kornes.
Seine Fläche ist glänzend eben, und
selten sieht man brüchige Stellen oder Adern darin.
Der
teutsche Stahl hingegen ist voll von Adern und brüchigen Stellen , dschericht und mit blaffen Flecken überzogen, die besonders ins Auge fallen , wenn er polirt und ges schliffen wird.
Er kann daher nicht sauber verarbeitet
werden, und die Schneide von allen daraus verfertigten Instrumenten bleibt ungleich und weich , fie gleicht ims mer einer Såge, und kann nie vollkommen gut ſchneiden.
In Griechenland braucht man den teutschen Stahl vorzüglich zu Ackerbauinstrumenten ,
denn man hat ges
funden, daß er zu groben schneidenden Werkzeugen besons ders gut ist.
Zu allen feinen und scharfen Instrumenter
aber wird englischer Stahl genommen , der sich besser hämmern läßt.
In Salonichi wird jährlich für 30,000 Piafter ros her , und für 24,000 Piafter verarbeiteter Stahl aus Leutschland verkauft.
Seit
einiger Zeit fangen die
Wiener Stahlfabriken an, in guten Ruf zu kommen ; einer ihrer Arbeiter , Namens Schwarz , hat einen Des gen mit einer geheimen Feder verfertigt , an dem eine so meisterhafte und vollendete Arbeit angebracht ist, daß er für 10,000 Gulden an den König von Neapel verkauft ward.
Der Artikel beträgt 54,000 Piafter.
Fünfter Abschnitt.
156 Kupfer
und Goldarbeiten.
Nach Salonichi kommit sehr viel verarbeitetes Kupferaus Teutschland , z. E. große Kessel , breite und tiefe Vecken , und vielerley Hausgeråthe.
Auch Küchenges
schirre nehmen die Türken aus Leutschland, die besonders in Wien und Neuwied fabricirt werden.
Die Wienerfas
briken liefern jedoch weit bessere Waaren als die Neuwiedter , weil jene aus einem Stücke bestehen , diese hingegen Alle diese aus mehreren zusammen geldtet werden. Waaren werden okenweise verkauft, und kosten weit mehr, wenn sie verzinnt sind , gewöhnlich werden sie aber in Griechenland selbst verzinnt , und es ist nicht zu lengnen, daß die Türken hierin weit geschickter sind als wir Europåer. Die lacirten Waaren gehen ebenfalls sehr stark ab ; man klagt jedoch, daß der Lack nicht dauerhaft sey. Ferner werden in Wien Gold- und Silberdrat, Treffen und Nete verfertigt , die den Lyoner starken Abbruch thun.
Die teutschen Golbarbeiten kommen jedoch
den unsrigen bey weitem nicht gleich, sowohl in Rücksicht des Geschmacks als der Dauerhaftigkeit ; wegen der wohlDie wallachischen
feilen Preise gehen sie aber stark ab.
Bauerinnen, die man in allen Dörfern von Obergriechens land antrifft , tragen an den Sonntagen Halstücher, die mit solchen Nehen eingefaßt sind , und die Griechinnen aus allen Ständen brauchen sie zum Kopfschmuch an ihs ren Hochzeittagen. Die Kunst zu lachiren hat in Teutschland einen hoheu Grad der Vollkommenheit erreicht ; besonders werden Waaren ven Eisenblech auf das lieblichste lackirt , unb
Factoren und Caråle des teutschen Handels.
157
auch in Griechenland sind dieselben sehr beliebt. Der Absat davon ist jedoch nur auf die Städte eingeschränkt ; auf dem Lande kennt man diese Art von Waaren noch gar nicht. Die Confumtion des Artikels beträgt ungefähr 115,000 Piaster.
Alle bisher angeführten Artikel der teutschen Einfuhr machen ujumnien genommen ungefähr eine
Summe von 1,544,559 Plaster aus.
Factoren und Canale des teutschen Handels, おい Der Handel Teutschlands mit der Türkei ist fast gang in den Händen der Griechen , die in beyden Reichen
zerstreut sind ; diese geschmeidigen, intriganten und kühnen. Menschen, die anfänglich nur die Mackler bey diesem Handel machten , ſind jeßt die privilegirten Eigenthümer desselben.
Sie haben in den ansehnlichsten Städten von
Teutschland Comptoire errichtet, and führen den teuts schen Handel auf dieselbige Art , wie die Franzosen und Engländer den türkischen betreiben, sie haben ihn ganz an sich gerissen. Wien auf der einen und Salonichi auf der andern Seite sind die beyden großen Niederlagen für den Handel Die Canåle,
zwischen Griechenland und Leutschland.
Do und die Douau vermittelst deren er getrieben wird , sind Die Der Weg auf der Donau ist. das adriatische Meer. lange der D frequenteste gewesen ; er war zwar koſiſpieliger, aber dafür auch deste kürzer. denselben viele Umwege gespart ,
Es wurden durch und überhaupt alle
Waarensendungen beträchtlich erleichtert , denn die Dos nau kann theils an und für sich, theils durch die Flüsse, die sie aufnimmt , für die große Arterie von Teutschland
158
Fünfter Abschnitt.
angesehen werden.
Hiezu kommt noch, daß die Oesters reicher damals noch keine Seemacht hatten, die doch zur Führung eines Seehandels und zur Beschützung desselben durchaus erforderlich ist.
Auch konnte der Weg über das
adriatische Meer nur von einem unbedeutend kleinen Theile von Teutschland benugt werden, so lange Desterreich bloß den künstlichen Hafen von Trieste besaß, der in zu großer Entfernung von den Ländern des ottomannischen Reiches liegt. Heut zu Tag hingegen, wo diese Macht die Küste von Dalmatien besigt , die mit den vortrefflichsten Håfen überfået ist, und einen Theil der europäischen Türkei ume ringt ; heut zu Tage wo Desterreich sich eine Seemacht erschaffen wird , um seinen Seehandel beschüßen zu kön nen
bin ich vollkommen überzeugt ,
daß sich der
Handel auf dem kürzesten Wege , das heißt über das adriatische Meer in das mittelländische hinziehen wird. Die meisten Gründe , die dem Weg auf der Donau den Borzug geben , existiren nicht mehr ; folglich wird man die damit verbundenen Schwierigkeiten , die groß und in Menge vorhanden sind , desto stärker fühlen.
Die Dos
nau hat einen äußerst trummen , gewundenen Lauf, fie fließt fast immer zwischen Felsen hin, und ist mit einer Menge Inseln und Untiefen bedeckt.
Es ist bekannt, wie
reißend ihr Lauf ist, und hiezu kommen sehr viele ges fährliche Klippen , die sich unter ihrer Oberfläche verbers gen; und zwischen denen der Strom Wirbel bildet , die zur Zeit des niedern Wassers die Schiffarth unmöglich machen.
Wenn man den Fluß hinauf fährt , so kann
man nur selten die Ruder brauchen, und die Segel durchs gus nicht.
Alle Schiffe müssen durch Ochsen fortgezos
Factoren und Candle des teutschen Handels.
159
gen werden, was sehr langsam und kostspielig ist. Auch liegt für die Farth auf der Donau ein großes Hinderniß in der schlechten Bauart der Schiffe.
Sie bestehen blog
aus einem Haufen von elenden Tannenbrettern , die nur durch hölzerue Pflöcke mit einander befestigt werden. Sie find kaum im Stande , den Weg von Ulm oder Regensa burg , wo
sie erbaut werden , bis nach Belgrad oder
Semlin , wo sie landen , zurückzulegen , und laufen in jedem Augenblick Gefahr unterzugehen.
Je tiefer man
nach Ungarn kommt , desto beschwerlicher wird die Schiffs farth auf der Donau , wegen der häufigen Sandbänke, der großen Bäume, die aus den angrenzenden Walduus gen darauf fortgeflüßt werden , der vielen Mühlen, die ſich auf den beyden Seiten des Fluffes befinden , und der Menge von Pfählen , die zur Treibung von Maschinen und Werken bis in die Mitte des Flusses eingerammelt Man hat es zwar in neuern Zeiten versucht, nicht ges dein es ist nich allein Schiffe von Eichenholz zu erbauen , allein
werden.
glückt , dennn auf allen Flüſſen , wo die Schiffe nicht mehr den Strom hinauffahren können , muß man sie leicht verz kaufen können, und daher müſſen ſie dußerst wohlfeil ſeyn. Von der angeblichen Fregatte, die ein gewiſſer Taufferer erbaut hat , ist zwar viel in Europa gesprochen worden ; allein ſie war nichts weiter , als ein sehr schlechtes, flaches Fahrzeug, das man sehr mit Unrecht für vier und zwanzig Kanonen eingerichtet hatte.
Man konnte durchaus keinen
Gebrauch davon machen, denn wenn sie auf dem schwars zen Meer håtte Dienste leisten sollen , so mußte sie einen viel tiefern Kiel bekommen.
160
Fünfter Abschnitt. Alle diese angeführte Gründe machen es mehr als
wahrscheinlich , daß die Oesterreicher wohl den Weg auf der Donau ganz aufgeben werden , und daß überhaupt dieser
Fluß niemals so vortheilhaft für den teutschen
Handel werden kann , als der Rhein und die Elbe es find.
Geldzahlungen und Wechselgeschäfte. Die Summe der Einfuhr aus Teutschland nach Griechenland beträgt , wie
wir gesehen haben ,
nar
1,544,5,50 Master , und steigt in den allerbesten Jahren nicht über 2,000,000 Piaster.
Die Ausfuhr hingegen
ast in jedem Jahr gegen 5000,000 Piaſter *). Die Bilanz ist folglich wenigstens um drey Millionen zum Vortheil der Türken. Diesen Saldo muß nun Desterreich entweder mit baarem Geld, oder mit Papier bezahlen, und daher kommt der Geld
und Wechselhandel , der
zwischen Wien und Salonichi getrieben wird.
Er ist sehr
beträchtlich, denn Oesterreich **) läßt ein Jahr ins andere
Diese Berechnung beweist überhaupt das Steigen des tents schen Handels nach der Levante, denn der Auffah über dieses Berkehr, der 1776. einem österreichischen Minister übergeben berechnete die teutsche Einfuhr nach Salonichi nur wurde, berech 120,000, und die Unsfuhr daher 1,948,000 Piaster. S. Bene er Olterkunde. Il. Th..S. Ette 2c. .2 zurvert **) Nach den Verzeichnissen, die ich in die Hände bekommen habe, während ich Legationssekretát in Teutschland war, sind in den sämmtlichen öfterreichischen Staaten vom Jahr 1741 bis 1770 hundert und vierzig Millionen Gulden für en werden. Von dem den Handel mit der Türkei gefchlagen bis 1797 iſt dieſe Summe in demselben Verbålts 1770 r Jahr niß gestiegen , wie der Handel zugenommen hat, und nach jenen Verzeichnissen hat der Handel um zwey Fünftheile zugenommen.
Geldzahlungen und Wechselgeschäfte.
161
gerechnet , für 6,030,000 Gulden an Thalern und Zes chinen schlagen , um sie in die Türkei zu fchicken ; hievon geht wenigstens ein Drittheil nach Griechenland für die unermeßliche Menge von Baumwolle, die aus Macedos nien nach Wien gebracht wird. Der Banquier Fries macht hierin die meisten Geschäfte, und soll hauptsächlich sein ungeheures Vermögen dadurch erworben haben.
Diese
Geldzahlungen werden manchmal durch ausländische Abrechnungen , oder durch Scontriren mit dem Ausland, noch vermehrt. Desterreich muß in solchen Fällen mehr baares Geld nach Griechenland schicken ;
allein dieses
kommt keinesweges alles auf tentsche Rechnung.
Kauf-
leute in Frankreich , Holland oder Italiev, die Waaren nach Teutschland geschickt, und nunmehr Zahlungen in der Türkei zu machen haben, geben einem Wiener Hanse den Auftrag , ihre Rechnung mit den Türken zu faldiren. Dieses Verhältniß von Handelsplaß zu Handelsplaß, das fich durch ganz Europa erstreckt , und sich auf der einen Seite in Wien und aufder andern zu Salonichi endigt, veranlaßt einen
beträchtlichen Wechselhandel zwischen
Teutschland und Macedonien. Wien ist deshalb der Ort, der für ganz Europa den Curs von Salonichi bestimmt. Dieser Curs war in den letztern Jahren besonders verån derlich; er wechselt aber überhaupt so schnell und häufig ab, daß man in europäischen Handelsplågen kein Beyspiel davon hat.
Der Grund von diesen plöhlichen Vers
änderungen des Curses scheint mir theils in der Ungewißheit über den Zustand der Geldcirkulation zu liegen, worin man sich in der Türkei befindet , und zum Theil in der Geschicklichkeit der griechischen Kaufleute, die den Curs Beaujours Beschr.
362
Fünfter Abschnitt.
in Hånden haben , und wenn sie insgeheim mit einander einverstanden sind , ihn bestimmen können , wie ihr Ins teresse es erfordert.
Dem sey jedoch wie ihm wolle,
genug , diese Abänderungen haben wirklich statt, und die fränkischen Kaufleute haben sich deshalb eingebildet, 1. der Curs sey ihnen bald vortheilhaft , bald nachtheilig. Gewissermaßen scheinen sie hierin Recht zu haben , denn fie urtheilen über den Wechselcurs nur nach ihrem Ins mit den Preiscursen tereffe , d. h. fie vergleichen ihn イタ ihrer Waaren. Allein in der Realität ist der Curs ima mer zum Vortheil von Salonichi gegen alle europäischen Handelsplätze, und dies folgt auch schon aus der Natur des Handels, der zwischen Griechenland und Leutschland geführt wird.
Am Ende müssen jedoch immer die Waas
ren, die ich mehr nehme als der Betrag meiner eigenen Waarensendungen ausmacht,
in baarem Gelde bezahlt
werden , was man nämlich die Bilanz nennt, und diese Bilanz ist immer wenigstens zu drey Fünftheilen zum Vortheil der Türken.
Der Curs ist so sehr vortheilhaft
für Salonichi , daß der Piaster, der nur vier Drachmen wiegt, zwey und ein viertel Drachmen Legirung enthält, und nach seinem wahren innern Werth nur acht und zwanzig französische Sols (acht und einen halben Groschen Sächsisch) gelten sollte, gegenwärtig 1 im Handel für sieben und dreyßig Sols (etwas über eilf Groschen Sachs Sächſ.) genommen wird, und daß er in dem Wechselcurs sogar auf fünf und dreyßig bis vierzig Sols (zehn und ein halb bis zwölf Groschen Sächsisch) steht.
Der türkische Sul-
tan besikt den reichsten Boden auf der ganzen Welt, und
Italienischer Handel. Tücher.
163
um seine Territorialreichthümer, in Zeichen vorzustellen; hat er das allerschlechteste Geld auf der Erde,
Sechster
Abschnitt.
Italienischer Handel. Der Handel der Italiener nach der Levante ist ganz frey, und keiner Art von Regulativ unterworfen.
Ves,
nedig und Livorno haben den größten Theil davon an sich gezogen. In Salonichi hält sich ein Consul von Venedig und einer von Neapel auf.
Der kaiserliche Consul ist
zugleich auch der Toscanische, und der französische Cons sul ist es auch von Rom , Genua und Piemont. Die Waaren, die aus Italien nach Griechenland gebracht werden , bestehen in Lüchern , Feuergewehren, Glaswaaren , Seidenwaaren ,
Papier- und
wollenen
Mützen.
Tücher. Die Tücher werden von den Venetianern eingeführt, und sind in der Levante unter verschiedenen Namen gez kannt.
Die allerschönsten sind die sogenannten Sayen,
diesichbesonders durch ihren dichten Kern und ihre Feinheit vortheilhaft auszeichnen. Sie ſind ſo dicht, daß der stärkste く Regen nicht durchdringen kann, und werden daher haupts sächlich zu Mänteln gebraucht. Sie sind überdies außers ordentlich schön gefärbt , so daß man es, ungeachtet aller Versuche, noch nirgendswo hat dahin bringen können, ihr Hochroth , oder Ponceau in seiner ganzen Schönheit nachzuahmen.
Die Venetianer verfertigen auch sogenannte zweyte Loudrius , nach Art der französischen , allein die Farben £ 2
Sechster Abschnitt.
164
derselben sind bey weitem nicht so schön und dauerhaft. Dies ist aber auch der einzige Vorzug , den wir noch vor den Venetianern voraus haben, und sie werden uns durch ihre wohlfeilen Preise am Ende ganz verdrängen , wenn unsern Fabrikanten nicht eingeschärft wird , daß sie ges
wissenhafter fi
die Breite ihrer Tücher sorgen , ihnew
durch stärkeres Walken mehr Kern geben , und sie nicht Idem Rahmen ziehen, denn hierdurch werso unmäßig den die französischen Tücher alle zu dünne und locker. Die venetianischen Loudrins werden gewöhnlich gez gen die allergemeinsten Landesproducte vertauscht , und haben daher einen sehr beträchtlichen Absatz. Die Confumtion dieses Artikels beträgt jährlich uns gefähr 28,800 Piafter.
Feuergewehre. Die Manufacturen zu Brescia schicken dreyßig Kie sten. mit Feuergewehren auf die Märkte von Griechenland ; unter diesen sind zwölf Kisten mit Flinten , und achtzehn mit Pistolen angefüllt. Der Mittelpreis für eine Flinte ist sechs bis acht Piaster , uns für ein paar Pistolen zehn bis zwölf Piaster.
Die Türken haben die
Laufe gern weiß gefeilt , und ziehen darum die venetias blauck nischen Flinten den unsrigen vor, weil diese hma ange c s Ge zu 5 Dies scheint ein sonderbarer laufen find. feyn , allein er hat einen guten Grund , ihre Büchsenschäfter können keine Flinte pußen , ohne mit der Feile oder den Bimstein über den Lauf zu fahren , wodurch der blaue Anlauf von demselben abgestrichen , ganz unscheinbar gemacht wird.
und er
Eine wahre Sonderbar.
Glaswaaren.
165
keit des Geschmacks zeigen sie aber darin , daß sie die Zündpfannen lieber mit einem harten als sanften und Lichten Ueberschlag verlangen.
Am allerbesten gehen die
Läufe ab , die hinten mit gegrabener Arbeit verziert oder damascirt sind.
Unter den Schäften ziehen sie diejenigen
vor, die mit Gold und Silber belegt , oder mit gegras bener Arbeit verziert sind. Der Artikel beträgt ungefähr 25,000 Piafter.
Glaswaaren, Venedig lieferte ehemals ausschließend alle Arten von Glaswaaren nach der Levante ; in den neuern Zeiten ist ihm aber ein Theil dieses Handels von den Leutschen und Franzosen entzogen worden. Die legtern liefern heut au Lage die Spiegel , und die Tentschen die Gefäße und Schaalen.
Aus Venedig kommen nur noch die allerges
meinsten Fensterscheiben nach Griechenland, und diese find außerst schlecht, grünlich von Farbe, dünne und ungleich. Die Kunst, Spiegel zu
fertigen, war bey den
Venetianern lange ein Geheimniß ; gegen Ende des voris gen Jahrhunderts glückte es aber den Franzosen, dasselbe zu entdecken, und seitdem wurden diese in diesem Zweig der Industrie glückliche Nebenbuhler von den Venetianern, denn fie kommen ihnen im Gießen der Spiegelgläser gleich, und übertreffen sie im Belegen derselben.
Bey dem jest
in Europa herrschenden Ton wird die Spiegelfabrikation immer der einträglichste Zweig von der Glasmacherkunſt bleiben , so wie er 7 ohne Widerrede der industries reichste und angenehmste ist.
In dieser doppelten Rück-
166
Sechster Abschnitt .
ficht verdient er von der Regierung alle mögliche Unters flüßung.
Die ganze Summe dieses Artikels beläuft sich auf 31,500 Piaster.
Glasperlen , Glasforallen. Der einzige Zweig des Glashaudels , den die Ve= netianer ausschließend behalten haben , ist der mit GlasSie schicken jährlich für 40,000 Piaster kleine Glasforallen , die auf mannichfaltige Art gefärbt sind,
perlen.
nach Griechenland ; diese werden in Schnüren aufgereiht, und die gemeinen Weiber trag. ?sie zum Puß in den Haa ren und am Hals.
Diese Glaskorallen werden von aller
Größe und allen Formen verfertigt; es giebt deren , die aussehen wie Perlen , und ihnen an Wasser , Glanz und Farbe gleichen.
Diese Eigenschaften werden aber in den
falschen Perlen durch einen Firniß hervor gebracht, dahins gegen die åchten von Natur dieses herrliche Wasser has ben , das allein ihren Werth bestimmt.
Seitdem man jedoch in Griechenland Geschmack an Edelsteinen bekommen hat, nimmt der Absatz dieser Glass perlen auffallend ab. Si werden jest größtentheils nur noch gekauft , um sie wieder nach Egypten zu verschicken, wo man sie wieder nach Arabien und über das rothe Meer nach Persien versendet,
Die Summe dieses Artikels beträgt etwa 40,000
Piaster.
167
Seidenwaaren.
Seidenwaaren. Die Italiener treiben in Griechenland und in der ganzen Türkei einen sehr beträchtlichen Handel mit Seis denwaaren ,
und keine Nation hat ihr bis jetzt diesen
Zweig der Industrie entreißen können.
Sie führen ihn
mit dem glänzendsten Erfolg seit der Regierung Muhas meds II. , unter der alle Künste und Wissenschaften aus Griechenland weg nach Italien flohen , wo sie unter dem Schuß der Medicis wetteifernd blühten. Auf dem Markt zu Salonichi werden jährlich fies ben bis achthundert Stücke Florentiner Atlas verkauft. Dieser Atlas ist der schönßte unter allen , die in Italien Er kommt in Kiften an , die mehr.
fabricirt werden .
oder weniger Stücke , nach Gutdunken des Fabrikanten oder des Kaufmanns , enthalten. Das Sortiment besteht aus den allerschönsten und lebhaftesten Farben.
Neapel liefert in die Levante Tabin und Moor. Der Tabin ist eine Art von gewåffertem Taffet , wird nach dem Grad seines Glanzes geschätzt.
und
Im We-
ben muß er mit der größten Sorgfalt gekörnt werden, denn je besser dieses geschehen , desto mehr bekommt er durch das Pressen oder Walzen einen der Wasserfläche ähnlichen Glanz. Unter den Mooren sind die von Messina am meis ften in Griechenland beliebt ; jedoch scheint diese Art von Seidenwaaren gegenwärtig nicht mehr so starken Abgang zu finden.
Man zieht jeßt ihnen und dem Atlas die
Gros de Tour vor, weil sie sich besser tragen und nůßlicher find.
Der wesentlichste Unterschied zwischen dent
At as und dem Gros de Tour besteht darin , daß der
168
Sechster Abschnitt.
erstere nur von einer Farbe seyn darf, im Gros de Tour hingegen die Kette von einer , und der Einschlag von einer andern Farbe ist, wodurch eine Menge vort verschiedenen Farbenmischungen bewirkt wird.
In der
Lebhaftigkeit und Beweglichkeit dieser Mischungen besteht Die r Gros de Tour. die vorzüglichste Schönheit schönsten davon werden in Neapel verfertigt , und heißen daher auch Gros de Naples. Es werden jährlich zweys hundert und funfzig Stücke davon in Griechenland abs gesetzt.
Aus Florenz kommt eine Art von Taffet nach Grie chenland , der unter dem Namen Mantini bekannt ist, und dessen Absatz täglich zunimmt.
Er wird befenders
auf dem Lande sehr gesucht , und die Bäuerinnen machen. alle ihre Hochzeitkleider davon.
In den letzten Jahren
find vierhundert Stücke davon verkauft worden. Seitdem sich der europäische Lurus in die Serails eingeschlichen hat , wird der Damast von Genua sehr stark in der Türkei abgesetzt.
In den Provinzen wird jedoch
nur wenig davon verkauft , weil er zu theuer ist. Salonichi ist die einzige Stadt in Griechenland , wohin unge fähr hundert Stücke versandt werden, die eine Einfaffung von goldenen Fraugen haben , und in den Harems der Beys zu Thürvorhängen , Tapeten und Ueberzügen der as verbraucht werden.
Von Bologna kommt über Venedig für 100,000 Piaster Gaze, den die Griechinnen zu ihrem Kopfputz Sie wickeln denselben wie Schnupftücher um Aachen. den Kopf; eines von den Enden kommt unter die Haar: flechten zu liegen , das andere aber hångt nachlässig über
Seldenwaaren,
169
bie Schulter herab, so ungefähr wie man die Ariadne zu mahlen pflegt, wie sie mit ihren Gespielinnen auf der Insel Naros tanzt. Ehemals kamen auch sehr viele seidene Borten , mit und ohne Goldfåden , ferner Schnupftücher für Zurbans, Brocate für türkische Westen und für Mintans oder Jacken a la Galiondgi , nach Griechenland ;
allein die Lyoner
Fabriken haben den italienischen mehrere von diesen Zweis gen des Seidenhandels entriffen.
Sie hätten ihnen auch
noch die übrigen alle entziehen können, hätten sie es nur recht angegriffen.
Die französischen Fabricate find den
italienischen an Schönheit der Arbeit im Ganzen übers legen ; wenn man sich auch noch bemühte, die Schönheit ihres Gewebes nachzumachen, so würde man sie weit übera treffen.
Der wohlfeile Preis der italienischen Waaren
würde dann durch die größere Vollkommenheit der frans zösischen wieder ersetzt ; Marseille håtte den Vorzug vor Genua, Livorno und Venedig gehabt , daß es seine Sors timente ohne Mühe hätte 4 vollständig machen können, und die Folge davon würde ohneZweifel die gewesen seyn, daß wir nach kurzer Zeit eine vortheilhafte Handelsbic lanz erlangt håtten. Die Damaste sind der einzige Artikel , worin die Staliener noch entschiedene Vorzüge vor den Franzosen haben.
Der genuefische Damast wird überall dem Lyoner
vorgezogen , weil er in jeder Rücksicht wesentlich beſſer ift. Diese Vorzüge erhält er jedoch nicht durch die größere Geschicklichkeit der Arbeiter , sondern durch das ganze Vers fahren bey der Fabrication.
Die Staliener zetteln ihre
Ketten beffer an, und wenden mehr Sorgfalt auf die
370
Sechster Abschnitt.
Auswahl der Organ
Ist diese zu fein , so füllt
fie den Stoff nicht gehörig aus , ist sie aber zu grob , so macht sie ihn rauh und spröde.
Die vorzüglichste Eigens
schaft des genuesischen Damastes, welche dem französischen durchaus fehlt , besteht darin , daß er weich und sammits artig ist, wie eine schöne , zarte Haut. sicht des broschirten Taffets haben die Lyoner In Rück ärtig ie ennefer ganz verdrängt , und dies, d G schon gegenw icher ewinn denn die leichten Brocate , G ist ein sehr wesentl nland mmer ehr eliebt leiben und e n h e c d e i r , n r b b s i i G we t z n h t e e r c e Die Türken werd . folgli in große Meng abges n ge Stoffe , die in die Augen fallen und nicht theuer verlan ahn e find ; aus diesem Grund geben sie den mit Goldl
rten affeten en orzug , denn diese Art von Goldd V T broschi n Glanz , und ist am wenigften theuer . e t t i s e n t i b e e a r h d m a en schen ölker wollen mit wenig Unkost V Alle barbari n glänze , G
mmet.
Die Türken confumiren keinen andern als glatten Sammt, und dieser kommt. sämmtlich aus den Manufacturen von Genua, Lucca und Pisa .
Die Italiener
find von jeher im alleinigen Besit des Handels mit glat tem Sammet gewesen ;
sie versorgen die vorzüglichsten
Marktplähe von Europa damit, und selbst die Franzosen haben , ungeachtet der sonstigen Ueberlegenheit ihrer Manufacturen, es ihnen dennoch in diesem Artikel noch nicht gleich thun können.
Die beyden Ursachen des Vorzugs,
den die italienischen Manufacturen mit Recht verdienen find ihre Güte und Wohlfeilheit,
Sammet.
*71
Der italienische Sammet hat weit mehr Leichtigkeit, Glanz und Zartheit, als der französische.
Besonders ist
der schwarze Sammet so außerordentlich schön , französische ihm weit nachstehen muß.
daß der
Er hat mehr Få-
den in der Kette, als der französische , und weniger in dem Eintrag ; hierdurch wird er viel leichter und erhålt einen Glanz , dem der unsrige nie beykommt.
Ueberdies
ist er auch beträchtlich wohlfeiler , erstens, weil die Seide` in Italien wohlfeiler ist als in Frankreich, und zweytens, weil dort der Arbeitslohn geringer ist.
Vor der Revos
lution kostete die Elle zu Lyon vier Livres ( 1 Rthlr. Sächſ.) Macherlohn ; in Genua hingegen kostete sie nur drey Lib. (achtzehn Groschen) und in Lucca gar nur funfzig Sols, oder vierzehn Groschen sächsisch.
Seitdem muß freilich
in beyden Ländern dieser Preis gestiegen seyn , aber diese Vermehrung war doch gewiß verhältnißmäßig.
Durch
- dieſen måßigen Arbeitslohn und durch den niedrigen Preis der inländischen Seide wird in Italien dieser Zweig der Industrie sehr befördert. Ich halte es daher für sehr schwer , daß die Franzosenihn je an sich ziehen können ; allein wenn fie beffere Waare lieferten , so könnten sie wenigstens ihre eigene Consumtion damit bestreiten , wos durch beträchtliche Summen im Lande blieben , und den Manufacturen zu gut kámen , die jest alle ins Ausland gehen , und die italieniſchen Fabriken erhalten helfen. Man weiß bestimmt, daß der fremde Sammet , der vor der Revolution in Frankreich eingeführt wurde , jährlich über drey Millionen Livres , (750,000 Rthlr. sächsisch) betrug ; und dies ist nur nach den Lyoner Zollregistern berechnet ,
und ohne die Contrebande mit in Anschlag zu
Sechster Abschnitt.
372 bringen.
Es äußerte einmal jemand , daß wenn man es
in Lyon dahin bringen könnte , den Sammet und den Das mast eben so gut zu verfertigen wie in Genua, so müßte man eine neue Stadt neben der alten aufbauen.
Dieser
Mann hatte in der That Recht , denn wenn man den Verbrauch dieser beyden Artikel im Lande selbst nur äußerst gering anschlägt, so beträgt er über fünf Millionen Livres (1,250,000 Rthlr. sächsisch) die den neuen Fabriken zu gut kommen würden.
Rechnet man nun eintausend Liv.
oder zweyhundert und funfzig Rthlr. für den Unterhalt einer Familie, die aus fünf Köpfen besteht , so folgt daraus , daß die neuen Fabriken einer neuen Volksmenge von fünf und zwanzigtausend Seelen den nöthigen Unters halt verschaffen würden.
Dieser ganze wichtige Artikel beträgt jährlich eine Summe von 376,350 Piaster.
Papier. Benedig treibt den stärksten Handel mit Papier nach der Türkei.
Das Papier , so von daher geliefert wird,
ist weiß , dick und sehr eben.
Die Türken können das
dünne nicht brauchen , weil sie sich zum Schreiben eines wie eine Feder geschnittenen Rohres bedienen. Das Fioretto
und drey Monden Papier
find die gesuchtesten Sorten, weil sie sehr stark und schwer find ; denn in der Türkei wird alles nach dem Gewicht geschäßt , Weiber , Uhren und Papier.
Besonders aber
geht das Fioretto Papier stark ab, weil es nicht sehr theuer ist.
Die Türken tränken es noch mit aufgelöstem
173
Papier.
Gummi, und geben ihm dann mit dem Polirstein Glanz Nach Venedig schickt unter
allen
italienischen
Städten Genua das meiste Papier nach Griechenland. Das genuesische Papier ist leichter und wohlfeiler, als das venetianische.
Es wird im Winter sehr häufig aus
Spar amkeit zu Fensterscheiben gebraucht. Im Ganzen schickt Italien für mehr als 100,000 Piafter Papier nach Griechenland, und für mehr als eine Million in die ganze Türkei.
Der Artikel ist so beträchts
lich, daß alle Papierfabrikauten sich bestreben sollten, ihn mit den Italienern zu theilen. Marseille ist der einzige Handlungsort , der noch einiges Papier nach der Türkei schickt. Man kennt diese Sorte unter dem Namen Raiſin Papier ; es ist weit vors züglicher als das italienische, das ausdrücklich nach dem Geschmack der Türken verfertiget wird , und es fonte auch in der Türkei die nämliche Zubereitung erhalten; allein dessenungeachtet kann es die Concurrenz mit dem italienischen nicht aushalten, denn es ist viel zu theuer. Der hohe Preis des franzöfifchen Papiers wird durchzweyerley Ursachen hervorgebracht.
Erflens muß
dasselbe bey der Ausfuhr allzustarke Abgaben bezahlen, In vorigen Zeiten , wo diese Abgaben noch leidlich waren, befanden sich alle Papierfabriken in den südlichen Provins zen von Frankreich in einem blühenden Zustande.
B
gab deren damals wenigstens funfzig in der Provinz Ane goumois und eben so viele in der Grafschaft Avignon und der Provence.
Heutzutage find aber alle diese Fabriken
eingegangen, oder doch in einem elenden Zustande.
Die
Regierung muß daher die Abgaben auf das Papier durch-
$74
Sechster Abschnitt.
aus vermindern, und sogar auf eine Zeitlang Prämien auf die Fabrication desselben sehen, wenn es auf den turs kischen Märkten Absatz finden soll. Die zweyte Ursache dieser Theurung ist der hohe Preis der ersten Materie. In Frankreich sind die Lumpen weit seltener und folglich weit theurer als in Italien. Bey den ganz vorzüglichen Sorten von Papier verschwindet jedoch dieser hohe Preis der ersten Materie , wegen der Schönheit ihrer Fabrikation ;
in den mittlern Sorten
hingegen ist er zum Nachtheil von Frankreich äußerst fühlbar. Die Franzosen müssen daher vor allen Dingen darauf denken, wie dieser Preis der ersten Materie vers mindert werden kann. Dasjenige Papier, das hauptsächlich in der Levante abgeht, sind die gemeinen Sorten , sowohl die gummira ten als die nicht gummirten , und ferner die ganz groben Sorten , die zum Verpacken und zum Ersatz der Fensterscheiben verbraucht werden.
Zur Verfertigung dieser
Papiere hat man in Ermanglung der alten ersten Materie sich mehrerer neuer bedient.
Da die Lumpen so
theuer sind , so hat man in mehreren Fabriken sehr glückliche Versuche gemacht , um ihre Stelle durch mancherlen Vegetabilien und durch Rinden von verschiedenen Baus men zu ersetzen, und es sind schon mehrere Bücher auf dieser neuen Art von Papier
gedruckt worden.
Der
Vortheil, der aus der Vervollkommnung dieser neuen Erfindung für den Handel entstehen würde, ist groß und leuchtet von selbst in die Augen. Die Consumtion dieses Artikels beträgt ungefähr 108,000 Piaster,
175
Wollene Müßen. Wollene
Múßen.
Dies ist einer der einträglichsten Artikel des Hans dels mit Griechenland .
Die Müße ist hier das Haupta
stud des Kopfpußes , sie vertritt in der Levante die. Stelle des Hutes.
Die Griechen tragen sie ohne weitere
Verzierung, die Türken aber umgeben sie mit dem Tura bau, und die Weiber von allen Stånden und Claſſen vers zieren sie mit Tüchern, Franſen und anderm Kopfschmuď. Sie find in der Levante unter dem Namen Fez bekannt, weil in dieser Stadt der Barbarey die ersten Fabriken davon errichtet waren.
Heut zu Tage sind die Fabriken
von Tunis die berühmtesten.
Sie werden von da nach
Coron und Modon gebracht , wo sie gegen türkische Rea kruten und Kermes vertauscht werden.
Aus Morea wer
den sie auf die vorzüglichsten Märkte in Griechenland gez schickt, und durch ganz Macedonien häufig verkauft. Vor kurzem verbrauchte noch Griechenland iährlich fünf und zwanzig bis dreyßigtausend Dußend tunesische Tag Mützen, heut zu aber nur noch fünf bis sechstausend Dußend.
Durch die letztere Peft in der Barbarey
hat dieser Zweig der dasigen Industrie einen Schlag bes kommen , von dem er sich schwerlich wieder ganz erholen Fabrikanten verloren durch diese schreckliche Die
wird.
Krankheit ihre Arbeiter , und mußten daher mit der Fas brikation inue halten ; Menge Bankerutte.
hierdurch entstanden aber
eine
Dieses Unglück der Tuneſer mach-
ten sich die Italiener zu Nuge, und durch ihren Verlust bereicherten sich diese.
In Genua , Livorno und Ve-
nedig wurden Müßenmanufacturen errichtet ,
und aus
176
Sechster Abschnitt .
land diesen Manufacturen erhält heut zu Tag Griechen nd use a t h g c en a sse Bedürfni feine e yßi nu mm . ährli s ns Du dre au Ge j ko Be Es Mützen dahin , worunter die aus der Fabrik Alb ug haben . durch ausend Duzend, rno schic kt fünft Vorzbesonders den Livofeines die sich Gewebe unso gute Farben auszeichnen , und aus Venedig kommen jährlich dreytausend Duzend , und zwar aus der vortrefflichen Manufactur von Raut. Das Sortiment bey den Müßen besteht nur aus zwey Farben, nämlich roth und weiß.
Die rothen haben
alle einerley Form , und es werden von dieſen weit größere Quantitäten geschickt , weil die Männer insgesammt keine andere tragen.
Die Form der weißen bingegen ist vers
ånderlich , nach dem Geschmack der reichen Frauen , zu Die Damen in Cone deren Gebrauch sie bestimmt sind. ftantinopel geben den flachen Müßen den Vorzug ; in Griechenland aber ist es Mode, sie spit zu tragen , uns gefähr wie die jonischen Mützen , chinnen ihre Köpfe schmückten.
womit die alten Grie
Nur allein in den Inseln
des Archipels tragen die Weiber rothe Mützen von uns geheurer Größe, und begnügen sich, fie mit einer gols denen Treffe und Fransen einzufassen . übrigen Griechenland
In dem ganzen
werden die Mützen mit
einem
Basma, dem Turban der Weiber , umwickelt , und mit einer Menge von kleinen Zierrathen verschönert.
Die
Frauen der Beys schmücken sie vorn mit einem halben Mond von Perlen. Frankreich ist in Rücksicht des Müßenhandels ein
glücklicher Nebenbuhler von Italien , und vor dem Krieg
Wollene Mügen .
177
fiengen die französischen Mützen schon an , auf allen gries chischen Märkten den Vorzug zu erhalten , aller Glanz gegeben wird ,
weil ihnen
und die Bauern hieran fo
vielen Geschmack fanden , daß sie keine andern mehr kans fen wollten.
Die besten französischen Fabriken sind zu
Orleans, Carcassonne und Marseille, und die beyden vors züglichsten Fabrikanten zu Orleans waren Michel und Henri; der erstere besonders hat es zu einem so hohen Grad von Vollkommenheit gebracht , daß seine Mützen. denen von Tunis an die Seite gestellt werden können. 7 In Carcassone war Forron der beste Fabrikant , und unter denen zu Marseille zeichneten sich Roffel und Bonhomme Im Jahr 1790 wurden funfzehns vortheilhaft aus. taufend Duzend französische Mützen nach Griechenland gebracht, was damals beynahe die Hälfte von allen eins geschickten fremden Mützen ausmachte. Es trägt in Frankreich alles dazu bey , die Mühens Fabrication in einen hohen Flor zu bringen , und die Res gierung kann diesen Zweig der Industrie nicht genug. bes günstigen.
Wir bekommen die rohe Materie in der vors
züglichsten Güte aus der ersten Hand ; die Levante schickt uns ihren Kermes , Spanien seine Wolle , und Amerika alle seine Farbestoffe.
Die Fabrikanten in Italien und
der Barbarey kaufen zu Marseille den größten Theil der Wolle und des Kermes , beiten.
die sie in ihren Fabriken verara
Folglich haben wir einen Vorzug vor ihnen in
Rücksicht der Preise dieser ersten Materien.
Auch dert
Arbeitslohn könnten wir wohlfeiler haben, wenn unsere Fabrikanten die Müßen auf dem Lande und besonders in denjenigen Departementen stricken ließen , wo der Preis M Beaujours Beschr
Sechster Abschnitt.
178
*der Lebensmittel gering ist.
Dieser Zweig der Juduſtrie
würde für das Land von dem äußersten Nußen ſeyn, und es gehörten vielleicht nur einige geringe Pråmien dazu, um unsere Fabrikanten zur Anlegung neuer Stühle aufs zumuntern.
Es giebt in der That keine einzige manufacturirende Nation , die es uns in der Müßenfabrication gleich thun könnte , wenn sie nur einigermaßen bey uns begünstigt würde.
In England ist der Arbeitslohn zu theuer, in
Spanien fehlt es überhaupt an Arbeitern , und alle übris gen Lånder von Europa haben keine hinlänglich feine Wolle.
Die Teutschen haben Versuche mit diesem Zweig
der Industrie gemacht ,
sie sind jedoch nicht geglückt.
Die Qualität der Müßen war zwar ganz leidlich, aber die Farben waren unter aller Critik.
Die Teutschen wer-
den nie gefährliche Nebenbuhler in diesem Artikel werden, denn sie haben keine andere als schlesische Wolle zu vers arbeiten , und diese giebt ihren Müßen nie den Grad von Feinheit und Kern , durch den sich die franzöſiſchen , aus castilianischer Wolle fabricirten Mügen so vortheilhaft auszeichnen.
Der Artikel beträgt übrigens für Italien ungefähr eine Summe von 465,000 Piafter..
Alle bisher
angeführten Artikel der italianischen
Einfuhr nach Griechenland machen zusammengenommen eine Summe von 1,074,000 Piaster aus.
Holländischer Handel.
179
Holländischer Handel. Auch den holländischen Handel führen allein die Griechen.
Der holländische Conſul in Salonichi ist ganz
ohne Geſchäfte; er hat Fremde in seinem Schuß , aber mit seiner eigenen Nation hat er nichts zu schaffen.
Die
Griechen von Salonichi kaufen in Amsterdam in Coms miſſion Tücher ein , die unter dem allgemeinen Namen, holländischer Tücher, bekannt sind.
Sie halten das
Mittel zwischen den Londrins und den leipziger Tüchern; Sie sind stärker als die erstern , und feiner als die andern. Wegen der Güte ihres Stoffes , und ihrer vorzüglichen Derbheit sind die holländischen Tücher von jeher von den wohlhabenden Janitscharen und den reichen Albanesern geſchätzt und vorzüglich
gesucht worden.
Die Janita
scharen brauchen sie besonders zu ihren Caftans , und die Albanier zu ihren Westen und Beinkleidern.
Allein alle
diese Tücher sind schlecht gefärbt, obgleichdie Farbe beym ersten Anblick einen gewiffen Glanz und Schönheit hat. Die Schlechtheit der Farbe äußert sich bey den holländis schen Tüchern weit auffallender,
als bey irgend ane
dern, denn da sie zur Kleidung der Türken genommen werden, die sehr weit ist, so sieht man die Farbe sehr bald in den Falten durch das beständige Reiben verschwinden. Ueberdies können die türkischenKleider wegen ihrerWeite, auf keine andere Art gehörig gemacht werden , als wenn ' das Tuch vorher geneßt und dann mit einem heißen Eisen geglåttet wird, um seiner wellenförmigen Bewegung mehr Festigkeit zu geben.
Hiezu gehdren aber äußerst
dauerhafte Farben, denn es geschieht sehr oft, daß, wenn MR 2
Sechster Abschnitt
180
der Schneider mit dem Biegeleisen über die Nähte fährt, die einfachen Farben, als z. E. Blau , Grün , Zimmtfars ben u. dergl. ganz verschwinden, die gemischten hingegen, wie Violet und Purpur , sich in ganz andere Farben ums åndern. Die Summe dieses Artikels beträgt jährlich funfzigs tausend vierhundert Piaster. Andere Produkte ihrer Industrie schicken die Holz e ſſ länder nicht nach Salonichi ; dagegen aber nü liefern sie jähr= n te lich für funfzigtausend Piaster Gewürze , z . E. Pfeffer, ca s d n Mu u 5 und BluNelken , Zimmt , Ingwer ten. Hiezu kommt noch eine geringe Quantitat Zucker undCaffee, mold sie bloß beyfügen, um mit diesen Waas ren eine oder zwey Schiffsladungen von macedonischer Wolle bezahlen zu können.
Ruffisher Handel.
Der Russische Handel nach der Türkei nimmt täglich zu.
Das schwarze Meer und die Donau sind die beyden
Candle deffelben und Conftantinopel ſein Stapelort. Was hier nicht niedergelegt wird , geht durch die Moldau und Wallachei nach Rumelien , und wird durch die Messen 1 Selivrea und Ozongiova durch dassh Land süds wärts der Donau ausgebreitet.
Die Griechen treiben
diesen Handel ganz allein , denn die Russen sind noch viel ริน
unwissend und
uncivilifirt, um Theil
daran zu
nehmen. Es kommen aus Rußland Seidenwaaren von aller Art nach Griechenland , z. E. Taffete, Gaze, Borten .
181
Rusischer Handel,
ferner Golddrath ,
und goldene Spiken.
Auch wird
Eammet dahin geschickt, allein er findet keinen starken Abſatz , denn es hålt überhaupt schwer , irgend eine neue Waare in Aufnahme zu bringen.
BiharJedoch wird durch die Concurrenz mit diesem Sams met der Preis des genuesischen in Zukunft ohne Zweifel fallen müssen.
Der gemeine russische Sammet ist in Rüd-
ficht der Qualität dem genuesischen ganz gleich , und das bey um ein beträchtliches wohlfeiler, weil die erste Materie in Rußland nicht so theuer ist als in Italien.
Die
Russen verarbeiten nicht nur ihre Seide aus Casan und Aftraçan , sondern sie kaufen heutzutage auch noch die aus dem nördlichen Persien , und besonders aus Ghilan und Mazanderan , die ehemals
durch die Caravanen
von
Erzerum und Teflis nach Smyrna gebracht wurde.
Der
russische Sammet könnte beffer seyn.
hat nur einen Fehler ;
seine Farbe
Das petersburger Cabinet soll jedoch
vor kurzem italianische Fabrikanten ,
die den Ruhm von
vorzüglichen Coloristen besitzen , nach Rußland berufen haben.
Es werden
ungefähr in Salonichi zwanzig bis
fünf und zwanzig Kisten mit russischem Sammet abgesetzt. Man sieht hieraus , daß der Artikel erst im Entstehen ist; er verspricht jedoch den besten Fortgang.
Die Summe des ganzen Handels beträgt ungefähr fechzigtausend Piaſter.
182
Sechster Abschnitt. Welzhandel.
Die Pelzwerke machen den Hauptartikel des russie schen Handels nach Griechenland, so wie überhaupt nach der Türkei aus.
Man weiß in dem übrigen ( Europa
nicht , welch eine Quelle des Reichthums dieſer Handelsz zweig ist.
Ich will ſuchen eine richtigere Idee davon zu
geben. Die Pelze find in Griechenland ein Hauptgegenstand Sie vertreten in der Türkei die Stelle der
des Lurus.
Tressen ; sie sind das Merkmal des Reichthums, das anständ ler ig gekleiKennzeichen der Größe. Man ist nicht col t a a h det, wenn man keine iten ean z o r n e b ll Sa s fo wie auch in a die Pelze zum großen Staat. Ihr Gebrauch ist daher ganz allgemein, und es wird eine ungeheure Menge davon abgefeßt. Diea sen unermeßlichen, immer in gleichem Grade fortdauern denHandel haben die Mächte, die den Norden von Europa inne haben, bis jest immer vergebens gesucht den Russen zu entreiffen . Die besten Pelzwerke kommen aus dem Innern von Rußland.
Die Griechen kaufen ſie in den südlichen Pros
vinzen dieses Reichs ,
auf den Märkten in der Ukråne
und in Pohlen , und verkaufen ſie nachher wieder auf den Messen zu Selivrea und Ozongiova , woher sie durch ganz Rumelien verschickt werden. Die übrigen Provinzen ve des türkischen Reichs holen ihre Bedürfnisse in diesem Artikel aus Constantinopel, wohin die Pelzwaaren von Akermann, Oczakow , Casan und Astracan über das schwarze Meer gebracht werden..
Zobel.
Pelshandel.
Auf den
Märkten
183
von Griechenland wird für
900,000 Piaster Pelzwerk verkauft ; allein dies wird nicht alles im Lande selbst verbraucht.
Salonichi schickt
den dritten Theil davon nach Syrien und Egypten, um damit den Ueberschuß zu bezahlen , der dieſen beyden Pros vinzen aus dem gegenseitigen Handel zukommt. Man nennt rohe Pelzwerke diejenigen , die weder Form noch irgend eine Art von Zubereitung bekommen haben ,
und die gerade noch so sind , wie sie von dem
Körper des Thieres kommen.
Das verarbeitete Pelzwerk
hingegen ist dasjenige , so durch die Hände des Kürschners gegangen ist , und von ihm irgend eine Form erhalten hat. Die gemeinen Pelze werden in der Türkei erst zugerichtet; die reichern aber kommen schon ganz zubereitet dahin. Siberien ist das große Magazin von den allerschönſten Sorten von Pelzwerk. Am meisten hålt man in Griechenland auf folgende Sorten
auf Samur ,
Grauwerk,
oder
schwarzen Fuchs oder Baranken.
Susamur oder
siberische und
Zobel,
Eichhörnchen,
ungeborne Lammer,
Bobel. Man giebt in der Levante dem Zobel Marder den Namen Samur , und dem gewöhnlichen russischen Mars der, der von dem unſrigen nur durch die Farbe der Haare verschieden ist, den Namen Susamur.
Dieser gewöhns
liche Marder lebt unter allen nördlichen Himmelsstrichen ; der Zobel hingegen , der viel kleiner ist , und den man eben wegen seiner Kleinheit die moscowitische Maus ges
184
Sechster Abschnitt.
nannt hat, febt nur in den unermeßlichen Wäldern Sia Sein Fell ist glatt , glänzend und schwarze beriens V braun . Sie werden mit Flinten geschoffen , und zwar bloß für Rechnung des Kaisers , der nicht nur durch die Verbrecher, die zum Eril verdammt find, biefe Jagd treiben läßt, sondern der auch dazu manchmal ganze in Tobolsk cantonnireude Regimenter abschickt ). Die unters jochten Samojeden zahlen ihm ihren Tribut in Mardern, Zur Zeit der Eroberung wurde jeder Kopf zu zwey Fellen taxirt.
Die schwärzesten Zobelfelle werden am meiſten gez fchätzt.
Allein unter dem Polarcirkel werden so gut Bes
trügereyen berübt , wie in der gemäßigten Zone.
Die
Einwohner von Siberien haben die Kunst erfunden **), die gewöhnlichen rothen Marder zu fårben, und sie fo schön alänzend ſchwarz au niachen, als wenn sie von Natur so wären.
Durch Eitronensaft wird diese nach
gemachte Farbe weggefressen, und der Betrug am fichera ften entdeckt
*) Dies längst widerlegte Mährchen ist wahrscheinlich daher entstanden , daß die aſiatiſcheh Nationen dem Kaiser ihren Eribut in Zobels und anderm Pelzwerk erlegen müssen, Jest werden die Zobel meistens in Schlingen gefangen. Aus dem eigentlichen Siberien haben sie sich meistens vers loren , und die besten Felle erhält man nur aus Dauriem oder Gegend von Nertschinsk und Jrkuzk. øder der Gege Man hat mich versichert, daß ein zu Moskau anfäßiger Kaufmann aus Siberien auf diese Art ein unermeßliches Vermögen erworben babe. Er nahm an feinen Operatios neu Saft von Nußbäumen , den er in Wasser auflößte,
Bebel
83
Am allerhöchsten aber werden die Zobelfelle geschäßt, Die bloß aus den Spißen der Schwänze bestehen *). * Dieser Theil des Felles ist der weichſte , kernhafteste und glänzendſte ; es läßt sich aber auch leicht begreifen , wie boch ein Pelz , der bloß aus diesen Theilen zusammenges setzt ist, imPreise zu stehen kommen muß.
Daher trågt
der Großherr bey öffentlichen Feyerlichkeiten Pelze , die bis dreyßigtausend Piaster werth find. Man behauptet, daß die zwey reichen Pelze, die Catharina I. mit ihren ſåmmts lichen Edelsteinen dem Großvezier Baltadgi Mehemet zum Geschenk gemacht habe, um Peter den Großen in dem unglücklichen Feldzug
am Pruth vom gänzlichen
Verderben zu retten , und den türkischen Feldherrn zur Unterzeichnung des Tractats zu Falczyn zu bewegen, mehr als 100,000 Piafter werth gewesen wären , und noch jezt im Serail aufgehoben würden, wo man ſie eina mal im Jahr , nåmlich an dem Tage, wo der Sultan
*) Von allen Schriftstellern , welche den Zobelfang und den russischen Pelzhandel beschrieben haben, erwähnt kein einzis ger diesen Umstand. Indeffen werden von den besten Fet len nur die Rückenstücke genommen , und der Bauch wird PelzeNur , ihrdie dichtesten vorgeben abgeschnitten. Männchen geben die die besten und Werth hängt von den langen schwarzen Haaren ab, die von einerley Länge feyn müssen. Denn die Zobel hátt man für schlecht , bey denen diese Haare röthlich , gelb oder gar weiß sind. Da nun die Da nun die besten Zobel auf der Stelle mit hundert Rubel und darú? ber bezahlt werden, so kann des Großherrn Pelz wohl 30,000 türkische Piaßter gekostet et haben, wenn man zu obigem Preise die Menge der Zobel zu einem Staatspels , den weiten Transport , und den Gewinn der russischen und griechis schen Kaufleute rechnet. S. Friebe über Rußland Th. II, S. 409.70
186
Sechster Abschnitt.
feinen Gemahlinnen ein Fest zu geben pflegt , dffentlich zur Schau legt. Die Zobelfelle haben keine große Zubereitung nde thig.
Der Kürschner hat bloß dafür zu sorgen , daß die
Haare gehörig von einander abgesondert werden, und daß fie sich noch weicher und seidenartiger als von Natur an: fühlen lassen.
Diese köstlichen Pelze werden kistenweiſe
verkauft, die Kiste enthält ein Sortiment von zehn Pas keten, die numerirt find , und von Nr. 1 bis 10 in Schönheit immer abnehmen.
Jedes Paket besteht aus
zwanzig Paar , oder aus vierzig Fellen , und wird für dreyhundert bis auf - dreytausend Piaster verkauft,. der Mittelpreis ist jedoch fünf bis sechshundert Piaster.
Ip
Griechenland werden jährlich sechzig bis siebenzig solcher Pakete oder Zimmer abgesetzt.
Aus einem Paket werden
gewöhnlich neun türkische Westen gemacht , nämlich vier aus den Rückenstücken,
die den Namen Arka führen,
vier aus den Beinen , die Ternak heißen , und eine aus den Hälfen , die Samurpacha genannt wird.
Hermelin.
Hermelin wird gemeiniglich zu den Sommerpelzen genommen , und zwar vorzüglich zu Frauenzimmerkleidern. Seine Schönheit besteht in der weißen Farbe; ollein t zum Unglück ist diese nicht von Dauer , denn die allerschönsten Hermolinpelze werden in freyer Luft gelblich.
Dessenüngeachtet haben sie immer ein ſchöneres
Weiß , als die Felle von den weißen Caninchen , womit man zuweilen jene Pe Die Kürsch zu ersehen sucht. ver in der Levante machen schwarze Fleckchen in die Hers
Grauwert.
187
melinfelle, um die weiße Farbe hervorstechender zu mas chen ; auch befestigen fie mit vieler Geschicklichkeit die Schwänze der Thiere an das Pelzkleid , so daß fie zu Zierrathen dienen , mit denen die Türken beständig spies len , und woran ſie einen ganz eigenen Gefallen finden ; es ist nämlich zu bemerken , daß die reichen Türken den ganzen Tag über auf dem Sopha fißen , die Pfeife im Munde haben und nichts anders thun als sich den "Bart oder den Pelz streichen.
Lott mahlte einmal mehrere
Türken in dieser lächerlichen Stellung, und schrieb unter die Carricatur: türkische Promenade. Auch diese Hermelinpelze werden in Paketen vers kauft, die Soroks heißen,
Ein Sorok enthält vierzig
Felle, und kostet zwanzig bis vierzig Piaster. Der jährs liche Absah mag ungefähr auf acht bis neunhundert Sos roks steigen.
rauwerf Das sogenannte Grauwerk kommt von dem ſiberis schen Eichhörnchen , das aschgraue Haare hat.
Es ist
von dem unsrigen dadurch verschieden, daß es wie diese aber grau wird. Auf dieſes Rücken ist dem im Sommer roth ist , im Binter aber so weiders schön ; am Bauch die Haare Grau find wie die am Hermelin. Wenn ein Pelz abwechselnd aus Fellen vom Rücken und aus Fellen vom Bauch zusammengesezt ist , so ist er Ein Sortiment von desto schduer und desto theurer. Grauwerk besteht aus tausend Fellen ; jedes Laufend ist numerirt , und die kleinsten Nummern bezeichnen immer die ſchönſten Felle.
Die Türken verbrauchen ausnehmend
Sechster Abschnitt.
188
Biel Grauwerk, denn die Mannspersonen füttern thre Lartaren oder Ueberrdce damit , und die Frauenzimmer ihre Djube's , eine Art von Kleidung, die unsern ehemaligen Polonoisen ähnlich sieht.
Zu jedem Pelz
werden eilf Felle gebraucht , nämlich fünf Rückenstücke, die den schönsten und kostbarsten Theil des Felles ausmas chen, und sechs Bauchstücke , die weniger geachtet wer den.
Das Grauwerk wird auch mit Caninchenfellen, die
grauliche Haare haben , nachgemacht ; allein diese Pelze find bey weitem nicht so theuer und so vorzüglich schön, wie die von achtem Grauwerk.
Die Consumtion des
Grauwerks beläuft sich in Griechenland jährlich auf fünfs hundert Sortimente , feden fo Fellen , und ein folches Tausend kostet zwischen dreyhundert bis fünfhunz bert Piafter.
Schwarzer Fuchs. Der schwarze Fuchs ist das allerkostbarste Pelzwerk, und wird sogar theurer bezahlt als der Zobel.
Deshalb
ist er auch in den hohen Reichsämtern das Symbol der Macht ; der Großherr und die Pascha's mit drey Roßschweifen
tragen bey öffentlichen Ceremonien
Pelze von schwarzem Fuchs.
Die vorzüglichsten davon
kommen aus der kleinen Tartarei ; Azow
man kauft sie zu
Caffa und Akermann , und braucht sie vorzüglich.
warm sit zu Winterkleidern , weil sie sehr warm sind . Felle ,
Es giebt
die folche lange seidenartige Haare haben, man bequem ein Hünerey darin verbergen kann.
daß
Salonichi werden jedoch wenige davon
und
In
nur von der gemeinsten Sorte werden jährlich einige das
189
Ungeborne Lammerfelle. selbst untergebracht.
Die schönsten kommen nach Cons
ftantinopel, wo ein einziger solcher Pelz bis auf 50,000 Piaster zu stehen kommt.
Ungeborne Lammerfelle.
Diese ungeborne Lämmerfelle machen in ganz Gries chenland einen sehr reichen Zweig des Pelzhandels aus. Die schönsten werden zu den Calpak's genommen ,
einer
Art von Kopfput , dessen sich der sogenannte griechische Adel bedient, und der zugleich auch das Symbol der geistlichen Würde von allen Claffen ist ; die Popen von allen christlichen Sekten tragen einen solchen Calpak auf dem Kopfe.
Die Lämmer, von deren Häuten man dieses
Pelzwerk macht, werden vor der Zeit der Reife den Müttern aus den Bauchen genommen. Man unterscheider darunter zweyerley Arten, schwarze und graue.
Die erstern kome
men aus der kleinen Tartarei und von den Ufern der Wolga.
Die Wolle davon ist äußerst kraus, kurz, weich
und glänzend schwarz.
Man braucht sie zum Futter der
gemeinern Mützen und zum Verbråmen der Kleider. Das . Paar von solchen Fellen kostet zwischen funfzehn bis funfa sig Piaster , nach dem größern oder geringern Grad ihrer Feinheit; und zum Futter einer Müße wird ein Paar erfordert. Die grauen Felle kommen aus Persien , und stes hen in weit höherm Werth als die schwarzen.
Sie find
noch weit feiner und feidenartiger ; auch sind sie schöner und in kleinere Locken gekräuselt ; allein sie sind so theuer, oge eis daß man nur die weißen Calpak's und niger Ceremonienkleider damit verbråmt.
Die Fürsten
Sechster Abschnitt.
190
von der Wallachei und der Moldau , die Dragomans der. Pforte und aller europäischen Mächte tragen dergleichen Pelzwerk an ihren Calpaks.
Das Paar solcher Felle kos
ftet funfzig bis hundert , ja sogar zweyhundert Piaſter. Auch aus Egypten werden Lämmerfelle nach Sas Ionichi geschickt ; allein sie stehen den vorigen weit nach. Der Verbrauch von diesen verschiedenen Arten von unges bornen Lämmerfellen kann für Griechenland auf 80,000 Piaster gerechnet werden.
Es ist noch nicht lange her, daß auch England Pelzwerke aus Canada nach der Levante schickte.
Ferner kas
men einige Sorten aus Teutschland dahin, die aus Nords amerika geholt waren , und auf den frankfurter und leips ziger Messen gekauft wurden. Allein seit einigen Jahren hat Rußland diesen ganzen Handel an sich gerissen , und der , den andere Nationen nach der Türkei führen , ist so unbedeutend, daß es sich nicht der Mühe verlohnt, ihn einmalIzu zu schäßen. Als man in England merkte , daß man mit den canadischen Pelzwerken auf den griechischen Märkten die Pelzwerke aus dem nördlichen Europa nicht würde verdrången können , so faßte man die Idee , wenigstens den Handel mit russischen Pelzwaaren den Griechen zu ents reiſſen , und man hoffte sie dadurch zu realisiren , daß man diesem Handel die Richtung ins weiße Meer und nach dem Hafen von Archangel zu geben suchte.
Da die Enge
coneinf en mit Producten mehrere Schiffladung ühren , so håt ten sie ihrer Industrie in diesen
länder jährlich
Pelzwerke zur Rückfracht genommen und sie dann weiter in die Levante geschickt.
Hierdurch hätten sie beträchts
191
Ungeborne Låmmerfelle.
liche Kosten gespart , weil sie nicht wie die Griechen die schweren Zölle bey der Einfahrt in Constantinopel, ferner im Lande der Cofacken , in der Tartarei und in Rußland hätten bezahlen müſſen.
Der Transport zur See schien
ihnen überdies weniger kostspielig , als der Transport zu Lande , und fie rechneten in der That sehr richtig ; der ganze Plan war vollkommen gut ausgedacht, und deffens ungeachtet konnte er nicht ausgeführt werden.
Ich vere
muthe, daß man durch den hohen Preis der Affecuranzen bavon abgeschreckt wurde. der langen Seereise , stehen gekommen.
Dena diese wåren ,
wegen
wenigstens auf drey Procent zu
Da nun Pelzwerke eine sehr feine
Waare ist , die wenig Raum einnimmt, so håtten für eine gewöhnliche Kiste , die zweytausend Piaster
werth ist,
sechzig Piaster bezahlt werden müffen ; es kostet aber nicht mehr als fünfzig Piafter,
um zu Lande eine solche Kiste
von Moskau nach Conſtantinopel transportiren zu laſſen. Diese Ersparniß macht äußerst viel aus ,
und hat allers
dings in Erwägung gezogen werden müſſen. Dieser Artikel beträgt übrigens jährlich an 900,000
Piaster. Alle übrigen Artikel der ruffischen Einfuhr nach Griechenland zusammengenommen belaufen sich auf eine Sunime von 960,000 Piafter.
192
Siebenter
Abschnitt
Französischer Handel, n sche ng s s zösi pru del zug in die vor Han des fran er Urs sten äfen er evante erliert ich n en eiten er lich H d L s 12 ii d Z d v h uge ch rst del on alonic uzz o r n t e d e a a r e h e j S H D K . umv en s eri en tnfang enommlich ist er olbert n n t i i n e a M C s derA g dent z n ror in hte n inem ahrhu J so auße ite E alle er mac it e del er rs elle ortschr nah di e dem Han , daß er bey schn F e t n h n nich e c a glei kam . ften Håf Salno hat in deetrenLev eit che r l i b l e n r e r e e d e Lag zu feaifnter natü dies Han aeunsg eilh ank te t h d n n h t r n y e c r köchen . Die vo unkt se ve , di ni s p i l ä t e ei p t t d k o er eur , Tür lieg fast im Mit Sta e d g n e e h t r n c e d h t e n r e s r e , bi fic bi in di Mindis un ka ih Me dus ä t ipel n en m ittell reck des Arch erst , mit alle Håf i nmg e du men n re uf ie eichtest bin . kom Art in Ver a d l sche Mee
Diese Stadt ist die Niederlage des ganzen französ fischen Handels nach Griechenland , und der Ort wo die ansehnlichsten Comptoire, bieser Nation errichtet sind. Diese
Comptoire
verkaufen
Tücher , Müßen , Golde
waaren , Caffee, Zucker , Indigo und andere Produkte der Colonien, Rucher
Aus Marseille werden zweyhundert und funfzig Ballen Tücher nach Salonichi geschickt.
Der Baller
wird für tauſend bis zwölfhundert Piaster verkauft,
und
Tücher.
Müßen.
193
dieser Artikel beträgt also eine Summe von 250,000 Piaster. Unser Tuchhandel nimmt täglich ab, je mehr die sogenannten leipziger Tücher in Aufnahme kommen ; es hångt jedoch von der Regierung ab,
dem Tuchhandel
wieder aufzuhelfen , wenn sie nur die sonstige Aufsicht darüber wieder herstellen will .
Bey gleichen Preisen
werden die Türken immer unsere leichten Londrins wegen der Schönheit und der Lebhaftigkeit ihrer (Farben , allen andern Tüchern vorziehen.
Múken. Ehemals schickten wir funfzehntausend Dußend Müßen nachGriechenland, durch deren Verkauf 100,000 Piaster in die Caſſen unserer Comptoire kamen ;
allein
ſeit demKriege hat dieſe Quantitåt gewaltig abgenommen. Die italienischen Handelsplåße haben sich durch unsern Berluft bereichert. Unsere Mützenfabrication ist jedoch des größten Lobes werth , und die Fabriken zu Orleans stehen denen zu Tunis nicht nach.
Sie sind ihnen sogar im Striden, in
dem festen Gewebe der Maschen , und in der Schönheit der Farben gleich gekommen.
Ihr einziger Fehler liegt
in der Form , die sie den Müßen geben.
Die Türken
find große Kinder , die bloß darum die Müßen von Tunis den französischen vorziehen , und die letztern Copien sind.
weil die erstern Originale Wir müssen ihre Augen
täuschen , wenn wir aus ihren Beuteln schöpfen wollen,
Beaujours Beschr.
n
194
Siebenter
Abschnitt.
Gold wa are en. Der Absatz unserer Goldwaaren nimmt immer mehr ab, anstatt zu steigen, weil die Lyoner Fabrikanten sich nicht nach den Launen der Griechen bequemen wollen. Sie verlangen lauter kleine Fransen, Spißen und ane dere dergleichen Zierrathen ; die großen Galonen werden nie ihr Glück machen.
Der Grund davon ist höchst einfach;
überall find die Galonen hauptsächlich zum Gebrauch der Frauenzimmer , und diese wollen hier nichts anderes has ben , als Dinge, die recht glänzen und in die Augen fallen.
Daher haben die Galonen aus Venedig und Cons
stantinopel, die unåcht aber sehr glänzend sind, die frans zösischen verdrängt.
Es werden jezt im Ganzen nicht
über 40,000 Piaster für solche Lyoner Goldarbeiten ges wonnen , da ehemals der Absatz davon beynahe 100,000 Piafter eingetragen hat.
Caffee.
Wir verkaufen jährlich nach Griechenland zwölfs tausend Cantaars Eaffee, die eine Summe von 500,000 Piaster ausmachen ; dies ist aber unser vorzüglichster Ars tifel. Unter allen Caffeeforten aus den Aytillen ist der von Martinique der beliebteste. Er hat eine kleine, runde Bohne, die dunkelblau aussieht. Das davon bereitete Getränk hat einen balsamischen Geruch , und einen töst
der türGeschmack kischenRe lichen Die . gi e Einfuhr dieses Caffees wird von begünstiget , ob er gleichge bar ihren Verhältnissen mit Mekka und Djedda, welche durch Die Religion geheiligt sind ; Eintrag thut.
Der Grund
Zucker.
195
Bavon mag wohl der feyn , weil der Caffee aus unsern Jufeln immer durch Waaren bezahlt wird , die wir aus der Türkei nehmen ; dagegen die Türken den Mokacaffee in baaren venetianischen Zechinen bezahlen müssen.
3uder. Unsere Comptoire zu Salonichi verkaufen jährlich zwölfhundert Cantaars Zucker ,
theils roh , theils in
Hüten, und der Ertrag davon beläuft sich auf 40,000 Piaster. Der Zucker der aus Egypten kommt , thut der Cons fumtion des unsrigen Abbruch. Er ist zwar nicht so schön von Ansehen, aber er ist süßer. In Egypten wächst unstreitig das beste Zuckerrohr in der Welt ; dagegen hat die Trägheit und Unthätigkeit der Einwohner den höchsten Grad erreicht, und wird durch die Tyrannei der Regierung noch mehr befördert. Sollten einmal die Egyptier mehr Zuckerplantagen anlegen , und sich die Mühe geben , ihren Zucker selbst zu raffiniren, so werden sie im Staube seyn , die ganze Levante damit zu verfolgen. Das Frühjahr ist die Jahrszeit , wo unser Zucker absatz am stärksten ist, denn alsdann bereiten die Griechen und Türken ihren unvergleichlichen Rosenzucker.
Auch
nehmen die Einwohner der Levante französischen Zucker zu ihrem Sherrbet ; es ist Schade , daß fie nicht auch zu ihrem Caffee Gebrauch davon machen , denn unser Absatz würde nicht nur dadurch verdoppelt werden , sondern der Caffee selbst würde auch angenehmer zu trinken seyn. Sie haben aber nie dazu gebracht werden können , dieſen Ges 1 2
196
Siebenter Abschnitt.
brauch von uns anzunehmen.
Durch das häufige Tabaks
rauchen wird der Gaumen hart und abgeſtumpft ;
wahrs
scheinlich wollen nun die Türken , die starke Raucher sind, dem Caffee feinen ihm eigenthümlichen bittern Geschmack, der in dem Gaumen einen angenehmen Kikel erregt, nicht durch den Zucker entziehen.
Indigo.. Wir verkaufen in Griechenland jährlich dreyhundert Cantaars Indigo ,
die
ungefähr
120,000 Piaster betragen.
eine
Summe von
Der Indigo von Jamaica
und St. Domingo wird hier am meisten gesucht. Der schöne Indigo muß aus flachen Stückchen von mittlerer Größe bestehen , mit Silberflittern überzogen und entzündbar seyn ;
ferner muß er auf dem Wasser
schwimmen und eine schöne blaue oder violette Farbe has ben.
Die Wahl der Farbe muß sich nach der Qualität
des Wassers richten , das in den Orte, wohin der Indigo kommen soll , zu haben ist , denn nicht für jede Art von Die blaue Wasser sind beyde Farben gleich zuträglich. vermischt sich leichter mit dem Wasser von Salonichi, die violette hingegen besser mit dem in Lariſſa, und in Livadia muß man einen violetten Indigo wählen , der ins dunkels fupferfarbige fållt. Der Indigo ist übrigens die Waare , die hier unter allen am meisten verfälscht wird.
Außerdem daß schon
bey der ersten Bearbeitung durch zu starkes Auspressen dettes aus dem der Indigo gewonnen wird , und durch Vermischung desselben mit Schieferstaub und anz
Sndigo.
197
dern ähnlichen Materien , Betrügereyen vorgehen , ' wird er auch noch von den Juden in Griechenland mit geraspels tem Bley vermischt.
Dieses Bley verbindet sich mit dem
Indigo , nimmt seine Farbe an , und gleicht ihm im Aeußern ganz vollkommen.
Es hilft nichts, daß die
türkischen Kadis die Juden auf die Bibel schwören laffen, daß ihr Indigo nicht verfälscht ist ; die Juden schwören ohne Bedenken falsche Eide, und die türkischen Kaufleute werden nach wie vor betrogen. Das einzige Mittel , es nicht zu werden , besteht darin, daß man beym Einkaufen des Indigos in den jüdischen Magazinen nicht nur seine Farbe und fein Gewicht untersucht, sondern auch seine Zertheilbarkeit oder Auflöslichkeit.
Zu diesem Ende muß er ins Waffer ges
legt werden , und derjenige Indigo ist der vorzüglichste, der sich am besten auflöſt und in die kleinsten homogenen Theile zertheilen läßt.
Derjenige ist folglich der schlech
teste, der am meisten Unreinigkeiten auf dem Boden des Gefäßes absetzt.
Ist er aber verfälscht , ſo ſondern sich
die heterogenen Theile davon ab , und find ganz unaufs Idsbar. Die Juden in Salonichi machen Indigo , wie unsere Wirthe Wein.
Sie nehmen dazu zehn Theile Mehl,
einen Theil reinen Indigo , und fünf Theile Indigo
der
in Tafeln und schon ganz verfälscht von Constantinopel kommt ; diese fremdartigen Materien werden untereinander gemischt, zu einem feinen Pulver zerstoßen und dieses alsdann durch eine Auflösung von arabiſchem Gummi in einen Teig verwandelt.
Aus diesem Teige machen fie
hierauf kleine Kuchen oder Tafeln , laſſen diese in der
Siebenter Abschnitt.
198
Sonne trocknen, zerbrechen sie wieder in kleine Stückchen, die sie zu einem groben Pulver zerreiben , und bestreuen endlich
dieses
künstliche Gemengsel mit einer geringen
Quantität von åchtem Indigo Pulver. Im Jahr 1789 kam eine ve Menge Indigo von St. Domingo nach Salonichi ,
daß der Preis desselben
auf einmal um fünf und zwanzig Procent fiel.
Et
mußte wieder nach Marseille und Genua zurückgeschickt werden , wo er noch immer besser verkauft werden kounte als in der Levante ,
und mehrere Kaufleute gewannen
durch diese Wiederausfuhr über zwanzig Procent.
Hier
auf schloffen die französischen Kaufleute unter sich einen Verein ab,
um dem immerzunehmenden
Fallen des
Preises Einhalt zu thun ; es wurde ausgemacht , daß der Indigo auf dem Markt zu Salonichi nicht anders als um neun Procent über den Preis , den er in Marseille gålte , abgelassen werden sollte , und um auch jedem Un= terschleifzuvorzukommen, wurde zu gleicher Zeit verboten, ihn gegen andere Waaren umzutauschen.
Der Seeminis
ster , dem damals die Direction über den auswärtigen Handel übertragen war , genehmigte diese seltsame Uebers einkunft , ungeachtet der Consul die dringendsten Vorstellungen dagegen machte , und voraus sagte , daß wenn der Verein aufrecht erhalten würde ,
die Levantiner ohne
allen Zweifel den Indigo in Livorno einkaufen , und die französischen Kaufleute den ihrigen alsdann in den Magaz zinen behalten würden. traf auch buchstäblich ein. Fremde, die ließen.
Die Prophezeihung des. Consuls Die Käufer wandten sich an
ihnen den Indigo weit wohlfeiler übers
Französischer Handelsgewinn.
199
Einige andere Artikel Aus Marseille werden jährlich siebzig Cantaar Cos chenille ungefähr 60,000 Piaster an Werth , nach Sas Ionichi geschickt ; ferner funfzig Cantaar Pfeffer von Goa und aus Holland , die
fünftausend Piafter betragen ;
einige andere Specereien für achttausend Piaster ; Fers nambuck- und Campescheholz für 10,000 ; Arzneywaas ren , gebrannte Wasser, Syrup von allerley Art, Papier, Bley , und Schrot für 30,000 Piaſter.
Französischer Handelsgewinn. Alle Artikel der französischen Einfuhr machen zus sammengenommen eine Summe von 1,163,000 Piafter aus ; die Ausfuhr 1,310,000 Piaſter ;
nach Frankreich hingegen beträgt nämlich 1,000,000 in Baum-
wolle, 150,000 in Wolle , 60,000 in Wachs, Abats, Caputriden, Hafenfellen , Creuzbeeren, und 100,000 in Getreide.
Die Summe der Einfuhr , so wie die der
Ausfuhr , bleibt immer dieselbige ; denn wenn der eine Artikel abnimmt, so nimmt dagegen ein anderer zu. Die Verschiedenheit in der Bilanz , beträgt daher fast immer hundert und funfzig bis zweyhunderttausend Piaſter , und felten weicht sie hievon ab.
Ist sie jedoch beträchtlicher,
so find Getraideladungen die Ursache davon, und in einem folchen Fall muß dieses Mehr durch baares Geld oder Wechsel berichtiget werden.
Constantinopel schickt als-
dann einen Theil dieses Geldes nach Salonichi , das es durch den Ueberschuß seiner Ausfuhr gegen die Einfuhr gewonnen hat.
Es ist überhaupt ein seltener Fall , daß
200
Siebenter
Abschnitt.
das Scentriren in den verschiedenen Handelsplåten der Türkei zum Nachtheil von Salonichi ausfällt; es ist fast immer zu seinem Vortheil ,
und man kann hieraus die
günstige Lage dieses Plates kennen lernen. Es ist nicht wohl möglich , von dem jährlichen Ges winn aus dem französischen Handel nach Griechenland mit Genauigkeit eine Mittelsumme anzugeben , denn die mans cherley dem Handel eigenthümlichen Zufälle machen den Gewinn steigend und fallend , und diese Zufälle treten in Salonichi häufiger ein als anderswo , wegen der allge= meinen Unzuverlässigkeit des Vermögensstandes.
Man
kann indessen , wie ich glaube, doch eine ungefähre Bez rechnung darüber anstellen ,
wenn man die Geldzinſen
zum Maaßstab nimmt. Diese richten sich im Steigen und Fallen nach dem Gewinn , den der Handel abwirft.
Es ist billig , daß.
von diesem Gewinn die Hälfte zur Bezahlung der Zinsen voraus erhoben wird.
theil des Kaufmanns.
Die andere Hälfte ist der Vors In den barbarischen Ländern,
wie in der Türkei , stehen jedoch die Interessen immer, hds her als in civilifirten Staaten , weil in denselben der Ges ngern winn, der aus der Industrie fließt, wegen der Seri Concurrenz weit größer ist. Auch sind darin die Lände htet reyen wohlfeiler , und dessenungeac fruchtbarer und r einträgliche , weil in diesen Ländern nur der allerfruchtte barste bestgelegens Boden urbar gemacht und angebaut aßen en wird; nun stehen aber die. Geldintereſſ bekannterm immer in gleichem Verhältniß mit dem Ertrag der Låna Dereyen,
Franzosischer Handelsgewinn. Diese
201
Interessen find also in Griechenland der
wahre Maaßstab von dem Gewinn , den der Handel abs wirft, wie sie überhaupt in allen Ländern der Thermos meter des Reichthums und der Armuth sind.
Der tus
gendhafte Brutus , der nach dem Zeugniß seines Freuns des Cicero in seiner Statthalterschaft Cypern Geld zu acht und vierzig Procent ausleiht , erinnert mich an den barbarischen Diezzar, der in seinem Paschalik Acre zu eben so viel Procenten leiht , und diese ungeheuren Zinsen geben keine beffere Idee von der römischen Regierung als von der türkischen, und von dem Zuſtand des neuern Ch. perns als von dem des alten Italiens. Je mehr man 1 reist, desto mehr wird man überzeugt, daß die meisten
Wie will man alten Geschichtschreiber Betrüger find . die Welt belehten , wenn man sie hintergeht ! Im Durchschnitt find in Griechenland die gewöhnlichen Zinsen zwanzig Procent ; man kann folglich den reinen Gewinn vom Handel auf zehn Centner rechnen. Die hingeschickten Waaren geben einen Profit von fünf ( und zwanzig Procent , dagegen beträgt der Verlust auf die dort wieder eingekauften funfzehn Centner. Ich folge in dieser Angabe des Verlustes der Sprache derKaufleute, die nicht immer die Ideen richtig ausdrücken.
Der Ver-
lust von funfzehn Procent entsteht eigentlich nicht aus dem Ankauf der Waaren , denn diese werden ja von dem auf die eingeführten Waaren gemachten Gewinn bezahlt ; sondern er wird durch den Wechselcurs verursacht , weil man in der Türkei mit Piastern einkauft , und in Frankreich gegen Thaler wieder verkauft.
Um nun die Piaster
in Thaler umzusetzen , verliert man funfzehu Procent,
202
Siebenter Abschnitt.
was jedoch bloß seinen Grund in der Verschiedenheit des Geldes hat. Desfenungeachtet hat man in Marseille geklagt, daß Schaden als Mußen n Griechenlandiemehr der Handel inach fe e e n l r e ´ ch re brachte, üg ist keinesweges toungegründet. en rs und diese d Klage r e c nn t r t n a ö e e n u d k F B 6Die U
die Kaufleute einer Nation zu Grunbe richten , ohne daß die Nation aufhört , einen vortheilhaften Handel zu führen. Wenn der Factor einen unrechtmäßigen Gewinn zieht , so wird dieser von dem rechtmäßigen Gewinn des Kaufmanns genommen , und jenter wird reich , während dieser zu Grunde geht.
Wenn freylich der Kaufmann
immer verliert , so wird er es überdrüssig, und auf diese Art können die Betrügereyen der Factoren am Ende auch den Handel einer ganzen Nation
zu Grunde richten,
Diese Bemerkung ist in der That so wichtig ,
daß jede
weise Regierung fie immer vor Augen haben sollte ; bes sonders muß die unfrige mehr Sorgfalt und Behutsamkeit bey der Auswahl der Personen auwenden , die nach der Levante geschickt werden.
Es werden hiezu erprobte
Grundsähe und eine unerschütterliche Rechtschaffenheit erfordert ,
denn man hat es unaufhörlich mit Gries
chen und Italienern zu thun , den beyden verdorbens ften Nationen auf dem ganzen Erdboden. Nicht minder verderblich für den Handel ins Ausland ist die Habsucht einiger Kaufleute.
Ueberhaupt ira
ren sich alle Kaufleute, die ihre Kunden prellen , gewals tig in ihrer Rechnung .
Sie vertreiben sie durch unmås
BigePreife oben so gut wie durch eine grobe Behandlung, und sie realisiren die Fabel von der Henne mit den goldes
Französischer Handel.
203
nen Eyern , indem sie ein måßiges , aber beständig forts dauerndes Einkommen dem Reiz eines augenblicklichen, vorübergehenden Gewinnes aufopfern.
Um die bisher gegebenen Nachrichten von dem gries chischen Handel ganz zu vollenden , und ſie ſåmmtlich in ein Ganzes zusammen zu fassen , füge ich hier noch ein Generalverzeichniß aller Einfuhr- und Ausfuhrſummen ben , mit Bemerkung der Nationen , die diesen Handel führen.
Man kann dadurch desto leichter den Flor der
Handlung der verschiedenen Nationen von einander bes rechnen , und der Unterschied in den Totalsummen giebt die Bilanz des griechischen Handels.
Generalverzeichniß. Ausfuhr aus Griechenland.
Europäischer Haus Fel.
Einfuhr nach Griechenland.
558,320 P.Englischer Handel. 558,320 P. Türkischer Handel 1,544,559 4,063,000 Italienischer Han del 1,150,000 644,400 HolländischerHan: 140,000 del 100,400 1,000,000 Russischer Handel 960,000
1,310,000
Französischer Handel 1,163,000
8.821.320 V. 13,691,920
P.4,970,670 P.
Siebenter Abschnitt.
204
Aus dieser Tabelle sieht man , daß die Totalsums me der fränkischen Ausfuhr aus Griechenland beynahe neun Millionen Piaster ausmacht. Diese neun Millio nen werden theils mit baarem Gelde , theils mit Waaren bezahlt.
Die Engländer und Ruſſeu sind die einzigen,
die alles ohne Geld faldiren ; die ersteren nämlich mit ihs ren Uhren , ihren Muſſelinen und Chalons , und die andern mit ihren Pelzwerken.
Die Teutschen bezahlen ein
Drittheil mit Leinwand und mit ihren Leipziger Tü 1 chern, die andern zwey Drittheile aber in Zechinen und kaiserlichen Thalern.
Die Italiener bezahlen die eine
Hälfte mit Coloniewaaren , Müßen und Seidenwaaren, und die andere Hälfte in venetianischen Zechinen.
Die
Holländer bezahlen den kleinsten Theil in Zechinen , den weit größern aber in Specereyen.
Die Franzosen endlich bezahlen vier Fünftheile mit Waaren , und das andere Fünftheil in Thalern, die von den Tentschen über Augs-
burg nach Marseille geschickt werden, um ihre Bilanz mit Frankreich dadurch zu saldiren. Die Summe der Einfuhr nach Griechenland beläuft sich nicht über fünf Millionen ; die Bilanz ist folglich um ungefähr vier Millionen zum Vortheil von Griechenland. Wenn in den übrigen Provinzen des türkischen Reichs die Bilanz eben so nachtheilig ist , so muß der Handel nach der Levante, so wie der nach Indien, nach und nach alles Geld in Europa verschlingen.
Die Preise für die eingeführten Waaren sowohl, als für die ausgeführten richten sich durchgängig nach denen, die auf den Märkten zu Salonichi festgesetzt werden. Ich habe in meiner obigen Tabelle die Transportkosten nicht
Französischer Handel.
205
mit begriffen , denn sie sind zu wandelbar ; man kann fie jedoch nach einer ungefähren Schäßung zum
zehnten
Theil von dem Preis der Waaren berechnen.
Die
Hälfte dieser Waaren geht auf der Donau und durch Leutschland, die audere nimmt den Weg zur See.
Der
Ertrag des Transportes zu Land wird von den Türken und den Teutschen gewonnen ; der Ertrag des Seetranss portes wird unter die Griechen , Franzosen und Italies ner vertheilt.
Die Bewohner der griechischen Inseln ges
winnen die Hälfte davon , die Franzosen ein Viertel, und die Ragusaner und Sclavonier das andere Viertel. Gewöhnlich hält man dafür , daß der Handel nach der Levante vortheilhafter für die Franken als für die Türken ist , weil ihn erstere activ treiben , und die andern passiv. Bey näherer Untersuchung findet man jedoch diese Idee durchaus falsch. Der Handel nach der Les vante ist im Gegentheil für die einen eben so vortheilhaft wie für die andern , denn bey jedem freywilligen Um tausch gewinnen beyde contrahirende Theile zu gleicher Zeit.
Es ist nicht wahr , wie man gesagt hat, daß der
Activhandel immer vortheilhafter sey als der Passivhans del. Die Natur hat keine Preise der Dinge festgesetzt ; sie sind stets das Resultat vom Ueberfluß oder Mangel, fo wie auch von dem größern oder geringern Verlangen nach den gegenseitigen zum Lausch vorgelegten Artikeln.
Je
mehr folglich der Handel paffiv ist, desto nützlicher muß er werden , denn derjenige , der das Anerbieten macht, ein Product gegen ein anderes auszutauschen, zeigt ein größeres Verlangen das andere Product zu befißen , und läuft daher Gefahr , mehr dafür geben zu müſſen. … Ich
206
Siebenter
Abschnitt.
weiß wohl , daß wenn listige Verschlagenheit mit Unwifs senheit unterhandelt, diese natürliche Ordnung der Dinge zuweilen umgekehrt wird ;
allein wir sind doch in der
That den Türken nicht so außerordentlich überlegen , daß wir im Stande wåren , ihnen Glaskugeln Ifür Goldftaub zu verkaufen.
Folglich ist die Theorie von Activ- und
eine wahre Schimåre.
Jeder Handel ist
nüßlich , in so fern er die Nationalthätigkeit vermehrt, allein er ist es gewiß immer für beyde Nationen, die mit einander handeln , denn sonst würde er nicht statt haben ; nur ausgemachte Narren laſſen ſich lange betrügen , und wer wollte ganzen Nationen den Menschenverstand ab sprechen ?
Wenn man vielleicht diefe ganze Materie
recht gründlich untersuchte , so. würde man finden , daß alles was man Gewinn des Handels nennt, sich doch am Ende ganz allein auf den Gewinn reducirt, der auf dem Transport gemacht wird.
Hieraus würde folgen , daß
nur diejenigen Nationen wahre Handelsnationen sind, die fich ein Geschäft daraus machen , Waaren zu verführen. So viel ist wenigstens ausgemacht , daß den Franzosen in dem Handel nach der Levante der Transport den reins ften Gewinn abwirft.
Um übrigens nur einigermaßen
richtig zu beurtheilen , wer in dem Handel nach der Les vante am meisten gewinnt , ob die Türken oder, die fråns Fischen Nationen , die mit ihnen handeln ? so müßte man vor allen Dingen den Werth der Arbeit *) in beyden Låns
*) Die Arbeit ist der wahre Werth aller Dinge ; das Geld ist nur ihr Nominalwerth. Nach Smith ändert sich die Subsistenz des Arbeiters , oder der wahre Werth der Ars
Franzosischer Handel.
207
bern genau kennen , der zuverlässig der einzige Maasstab ist ,
um den wahren Werth aller Dinge bestimmen zu
beit, nach den Umständen ; sie ist überflüffig reichlich in feinem Staat, der sich zu hohem Wobisland erhebt , gerine ger in einem folchen , der still steht und nicht vorwärts tommt , noch weit geringer in dem , der zurückgeht und in Verfall geráth. 1 Durch den Werth der Arbeit in Gries chenland wird aber diese Theorie nicht bestätigt. Die Tags arbeit des Bauern trägt ihm nicht mehr als zwanzig bis fünf und zwanzig Paras ein , dagegen die eines Künstlers mit drenßig bis vierzig bezahlt wird. Eine Oke Rindfleisch kostet sechs Paras, und eine Oke Hammelfleisch zwölf. Dieser Unterschied in dem Preise des Rind ፡ und des Hammelfleisches entſpringt aus der Natur derselben, das Hammelfleisch ist nämlich in Griechenland von vorzüglicher Güte , das Rindfleisch aber záhe. Die Oke Brodt kostet vier Paras , folglich gilt eine Oke Hammelfleisch drey Oken Brodt , und eine Oke Rindfleisch gilt anderthalb Oken Brodt. Der Preis des Getreides steht in Verhältniß mit dem Preiſe des Brodtes ; das griechische Quilot kostet dritthalb Piaster und wiegt zwey und zwans zig Oken. Ein Bauer kann jährlich ungefähr ſechs bis ſies ben Quilots Getreide effen : hieraus ergiebt sich , daß ein Taglöhner auf dem Lande in sechs und dreyßig bis vierzig Arbeitstagen so viel Brodt verdienen kann , als er auf das ganze Jahr nöthig hat. Dieser Taglöhner ist nur an ho, hen Festtagen Fleiſch , nämlich an den Festen des heil. Georgs und des heil. Demetrius , ferner Weihnachten und Ostern. Für andere Nahrungsmitel als , für Sardellen, Caviar , Früchte und Gemüſe , giebt er im Jahr höchstens achtzehn bis zwanzig Piaster aus , folglich kann er in achts zig Arbeitstagen seinen ganzen Unterhalt verdienen , und in hundert und sechzig Tagen verdient er mit dem feinigen auch noch den für ſeine Frau. Auf den Unterhalt eines Kindes, das noch nicht vermögend ist zu arbeiten , rechnet man gewöhnlich die Hälfte von dem für eine erwachsene Person ; er verdient folglich in zweyhundert Tagen auch noch den Unterhalt seines Kindes. Auch arbeitet wirklich ein griechischer Bauer nicht mehr als zweyhundert Eage
Siebenter Abschnitt.
208
können .
Man müßte wissen ,
in welchen Verhältniſſen
der Arbeitslohn in beyden Ländern gegen einander steht ; allein wer getranet sich,
diese Kenntnisse P zu besitzen ?
Man müßte ferner genau wissen , welcher Summe von Arbeit jede auszutauschende Waare gleich kommt.
Wenn
man nun nach allem diesem auch noch die Quantität dieser Waaren genau erführe, dann erst würde man im Stande feyn , mit einiger Zuverlässigkeit von dem Gewinn oder Verlust der einen oder der andern Nation zu sprechen. Allein ich wiederhole es : keine von beyden verliert , sonst hörte der Handel auf.
Für uns
ist es jedoch jest weit intereſſanter zu
wissen , auf welche Art die große Masse von Waaren, die
im Jahr; außer hundert Festtagen , die er fenert , bringt er seine ganze übrige Zeit damit zu , daß er duf der Either spielt und den Romeca tanzt. Seine Frau siht vom Morgen bis auf den Abend auf ihrem Sopha , und steht nicht auf, als um ihr Mittagessen und Henne zu holen, um sich die Augenbraunen und die Nägel damit zu fårben. Der übermäßige Gewinn der Männer rührt von der Trågs heit der Weiber her. d henlan entsteht Dieser hohe Werth der Arbeit in Griec ley rsachen ämlich us angel n rbeitern aus zweyer U , n a M a A s und aus der großen Menge von Festen , die in dem griechi er e feben Calend stehen . Ein Griech kann in drey Tagen h n en nur an znweye arbeit ; folglic muß er in zweyen so viel ne ls r n reyen erdienen ürde verdie a e i d v w . Wenn die kas e hen tholisc dLänder wegen ihrer vielen Festtag es nie zu dem ie an n r t t s s l r u m h d o d r een Fl Wo un sd de In bringe können, n funden rden anti ch r t s e e d t n o e ä n r e e i p L d i g w , so müſſen sche eligion ingeführt n e die Länder , in welche die griechi R . hen e ist , aus dem nämlicben Grund noch weit hinter den kas i hen urückble tholisc z .
Französischer Handel.
200
burch den fränkischen Handel in Griechenland bleibt, im Lande vertheilt wird. Die französischen erhält ,
bleiben
Waaren ,
welche
Salonichi
nicht lange dort, sondern der Hana
del bemächtiget sich ihrer, zertheilt sie, und verbreitet sie bur
ganz Griechenland, Die Consumtion davon in Salonichi selbst ist sehr gering ; die genauesten Berecha nungen geben nicht mehr an als jährlich 30,000 Oken Caffee, fünf und zwanzig Ballen Tücher ,
Müßen , und 12,000 Oken Indigo.
21,000
Der Zucker hins
gegen, der schon mehr ein Artikel des Lurus ist, und die Cochenille , deren Verarbeitung nur in großen Städten Statt haben kann , werden hier in größern Quantitäten verbraucht, und selten weiter verschickt, außer etwa nach Seres , Lariffa, Janina oder in eine andere benachbarte Stadt ; höchstens gehen sie zuweilen wegen der höhern Preise nach Adrianopel ,
Smyrna und Constantinopel.
Ju Salonichi allein werden jährlich wohl tausend Cents ner Zucker conſumirt ; der größte Theil davon wird jedoch von den Zuckerbeckern zum Einmachen der Früchte verbraucht, das Uebrige aber in den Serails der Beys. und in den Caffeehäusern zum Sherbet. M Cochenille werden nicht über achthundert Oken serbraucht ; sie wird zum Färben der Pochs verwendet , die zum Köpfschmucď der Janitscharen gehören , vorzüglich aber braucht man sie zum Färben de
berühmten rothen Saffians , dessert
Fabrikation in den Hånden von funfzig türkischen23 Meis stern ist , die durch ihr Meisterrecht in dem Befih17 groBer Privilegien stehen , und mit ihren Gesellen und Ars beitern ein der Landesregierung sehr oft furchtbares Corps Beaujours Beschr.
Siebenter Abschnitt.
210
Es ist immer von der Parthey desjenigen
ausmachen.
Beys , der es am besten bezahlt, und man sucht es das her gewöhnlich bey allen geheimen Planen zuerst auf seine Seite zu ziehen. die Gerberp
Die sämmtlichen Meister , so wie alle treibenden , find macedonische Berge
bewohner, die den Namen Arnauten führen ; unter Alexander bestand diese ganze Nation aus lauter Helden, heut zu Tage sind sie aber nichts weiter , als die besten Lasttråger in der Türkey. Die verschiedenen Märkte in dem Innern der euros päischen Türkey find die Candle ,
durch welche die in
Salonichi nicht consumirten Waaren weiter geschafft were den. Durchdie M zu Zeiton , die zu Anfang Aprils J Statt hat, werden die fränkischen Waaren durch Thessa lien verbreitet ; durch die Messe zn Selimia , * die im Junius anfängt,
kommen fie in die an der Donau
gelegene ottomannische Provinzen ,
und die Meſſen zu
Negrocomp, Olooson und Ozongiova, die zu Ende Seps tembers und im Anfang Octobers fallen , Servien ,
versorgen
Albanien und ganz Obergriechenland mit dies
sen Artikeln.
Es ist noch nicht lange her, daß die fränkischen Kaufleute selbst Faktore auf alle diese Messen schickten ; allein diese wurden nicht nur von den Agas schrecks lich in Contribution gesezt,
sondern auch sehr häus
Aus dieser Ursache hat fig von Räubern geplündert . heut zu Tag die Beschickung der Meffen ganz aufgehört, und alle Geschäfte werden sogleich in Salonichi mit ins ländischen Kaufleuten getrieben , die jedoch nicht anders
Französischer Handel,
211
als in Terminen bezahlen, und daher bloß Zwischenhända
ler find. Gut verkaufen heißt in der Levante nicht wie bey uns, um hohe Preise verkaufen, sondern es heißt, an Leute vers Taufen, die bezahlen können. Bey dem levantischen Handel weiß der allergeschickteste Kaufmann weit weniger als ein bloßer Handlungsdiener, der eine genaue Kenntniß der Pers fonen besigt. Denn das allerschwerste Fach in diesem Hans Man kann es in del ist das Eintreiben der Schulden. Griechenland , so wie in Egypten ,, nie dahin bringen, daß man von einem Schuldner eine Forderung einkaffirt, ihm zugleich für
ohne
eine neue
Summe Credit zu
geben.
In einem gut regierten Lande ist die Eintreibung der Schulden ein sehr leichtes Geschäft , weil alle Vers träge pünktlich erfüllt werden müssen : allein in Griechens land belasten die Gesetze den Schwachen , und binden den Stärkern nicht.
Der Reiche besticht sie mit seinem Gelde,
und der Mächtige übertritt fie mit offenbarer Gewalt. Die türkische Regierungsform mag in Constantinopel dess potisch seyn ; aber so viel ist zuverlässig , daß sie in den Provinzen eine wirkliche militärische Aristocratie ist , die sich mehr oder minder der zu Tunis und Algier nähert, aber im Grunde überall dieselbige ist.
Der Janitschar
zahlt , wenn er will ; und wenn er nicht will , so kann emit Gewalt dazu gezwungen werden; die Gewalt nur aber ist in seinen Händen. Man hat also gegen den inländischen Kaufmann keine andere Garantie, als seine eigene Moralitat ; diese 5 2
Siebenter Abschnitt
212
ist aber sehr schwach , denn die Pest der Beyspiele richtet Der Janitschar, der Kaufmann ist,
fie zu Grunde.
zahlt nur wenn sein Interesse es erfordert , deß er seinen Credit erhalte, auf den er entweder die Hoffnungen seis nes Standes, oder auch die Projecte seiner Ehrfucht grüns det.
Sobald man aufhört ihm zu verkaufen, so hört er
auf zu bezahlen.
Der folgende Vorfall , der mir ſelbſt
neuerlich begegnet ist, kann zum Maaßstab seiner Treulos figkeit dienen.
Ich drang in einen Janitscharen ,
der
für einen der reichsten Kaufleute gehalten wurde , daß er einem Franzosen seine Schuldforderung bezahlen möchte. Den Gründen, die ich anführte , setzte er läppische Auss flüchte entgegen , und ich mochte sagen was ich wollte, so beharrte er auf seiner Weigerung.
Endlich wurde ich
böse , und drohte ihm mit dem Pascha und der Schnur. Er hörte mich mit der allergrößten Kålte an, und gab endlich zur Antwort : „ Ich weiß , daß Sie mich können ftranguliren lassen, aber ich weiß auch , daß Sie es ,,nicht thun werden ; denn im Grunde , was könnte Ihr „ Kaufmann dadurch gewinnen ?
Che ich stürbe, würde
,,ich mich für Fallit erklären , und dann liefe er Gefahr, e fein ganze Forderung zu verlieren ; dahingegen, wenn ,,er fich mit mir verstehen will, er nur einen Theil davon ,,verlieren kann." Die Treulosigkeit der Türken ist jedoch nicht die eins zige Ursache, warum es so äußerst schwer ist , seine For derungen bezahlt zu bekommen ;
ein anderer wichtiger
Grund davon liegt in der schrecklichen Verarmung des Landes , die eine nothwendige Folge der schlechten Res gierungsverfassung ist,
Franzosischer Handel.
213
Der Despotismus macht jedes Vermögen unsicher, denn am Ende wird es fast immer von ihm verschlungen. Er seht der Induſtrie Grenzen, denn es liegt einem nicht batan zu gewinnen , wenn man nicht versichert ist , daß man das Erworbene behalten darf; er hemmt endlich die Circulation des Geldes , denn es häuft sich bey denen auf, die es beſitzen, weil sie das höchste Jutereſſe haben es zu verbergen.
Durch den Mangel der Circulation
wird aber der Verkauf in Terminen defto nothwendiger und gefährlicher. Wenn man nicht bezahlt wird, so kann man selbst nicht bezahlen. Die nämlichen Ursachen, wodurch die Schwierigkeit entsteht , ſeine Schulden einzukaſſiren , find auch die wes fentliche Veranlassung der außerordentlich hohen Geldzins sen.
Natürlich fordert der Darleiher desto größere Zins
sen, je weniger er wegen der richtigen Rückzahlung ſeines Capitals gesichert ist. In einem Lande, wo das Vermögen gleichförmiger vertheilt ist, wird weniger Mangel an Geld verspürt ; und wo die Nachfrage geringer ist, da ist auch das Geld wohlfeiler.
Der Despotismus hingegen giebt den Einen
Alles , und nimmt Alles den Andern ; er befördert mehr als irgend eine andere Verfassung die Ungleichheit der Reichthümer.
Dies ist der Grund , warum in den asias insen weit höher stehen als in tischen Ländern die den europäischen. Man könnte sogar zum Maaßstab für diese Zinsen den höhern Grad des Despotismus anneh men; fie betragen z. B. zwanzig Procent in der Türkei, fünf und zwanzig in Perfien und dreyßig in Indostan, øder , um bestimmter zu reden , die Geldintereffen stehen.
Siebenter Abschnitt.
214
zwar in den angeführten Staaten in der genannten Pros greffion , allein sie haben keinen eigentlichen festen Maaßstab, sondern richten sich wie überall nach den augenblicks lichen Bedürfnissen.
In dem frånkischen Handel in der
Levante werden zwölf Procent Intereffen bezahlt , außer dem Handel aber zwanzig bis fünf und zwanzig ,
und
sehr oft wird nicht anders als gegen Pfänder geliehen. Sobald nicht eine solche Art von bestimmter Sicherheit gegeben wird , so ist es ein seltener Fall , wenn man das Capital wieder zurück erhält , es mag aus Unvermögen oder aus bösem Willen geschehen.
Die Interessen were
den im Anfang ziemlich pünktlich abgetragen ; bald aber wird auch hiermit inne gehalten, und zuletzt verschwinden Capital und Zinsen. Die Franken bekommen immer Geld für geringere Interessen geborgt, denn man ist überzeugt, daß es nebst den Zinsen wieder zurück bezahlt wird.
Dessenungeachtet
müssen sie weit höhere Zinsen geben als in Europa , denn man fürchtet sich hier sehr vor Unglücksfällen.
en ist. That selt Geld Hiezu in der kommt nun noch,Die in Griechenland das daß rth Seltenheit kann uns ter zweyerley Gesichtspuncten betrachtet werden, als zuDie erstere fällige und auch als absolute Seltenheit. entsteht durch die Abänderungen , denen fich die fremden Münzen, die zu Folge der Bilanz eben so häufig und gangbar
sind ,
als
die
inländischen , in der Türkei
unterwerfen müssen. Steht nach der Meinung des Divans eine
oder die
andere
dieser Münzen
zu hoch ,
so
bestimmt der Grosherr durch einen Firman ihren Werth. Die Firmans werden befolgt, in sofern es den Paschas
Französischer Handel.
215
gefällig ist, daher werden fie in einigen Provinzen volls zogen , und in andern nicht.
In jedem Lande muß sich
die Verordnung des Fürsten in Betreff des Werthes der Münzsorten , nach dem Werth richten , den ihnen der Handel beylegt.
Der Münztarif der Pforte hat daher
keine andere Wirkung, als daß die fremden Münzsorten fich in einer immerwährenden Fluctuation befinden , ins dem sie nämlich da zusammenströmen, wo sie hoch stehen, und aus den Provinzen , in denen fie fallen , gleichsam verschwinden ; sie wandern beständig zwischen Smyrna, Alexandrien und Salonichi hin und her.
Daher entstehen
manchmal an dem einen Orte Momente von gänzlichem Mangel an fremdem Gelde , während an dem andern der größte Ueberfluß herrscht.
Hiezu geſellt sich gewöhnlich
noch der Wucher des Aufwechſelns , der seine Rechnung bey diesen Abänderungen vortrefflich findet ; dieſer Wucher ist überhaupt eines von den größten Uebeln , durch die der Handel mit der Türkei erschwert wird.
Er ist
auch zum großen Theil schuld daran, daß man so dußerst schwer zu seiner Bezahlung gelangen kann . Die absolute Seltenheit des Geldes ist die Wirkung von allen diesen Ursachen, und von noch mehrern andern. Mit Gold könnte man den ganzen Divan erkaufen ; das ས her kommt der allgemeine Gebrauch aller Beys und aller Agas, daß fie in den Provinzen fich Schätze sammeln, um sich damit zur Zeit der Noth von der Schnur loszus kaufen, oder auch sich Paschaliks damit zu erhandeln, Durch dieses. Schäßefammeln wird eine ungeheure Menge von baarem Geld der Circulation entzogen , und liegt todt in den Coffern der Großen ,
während es in dem
Siebenter Abschnitt.
216
Handel aufs nüglichste könnte verwendet werden..
Cia
anderer Grund , wodurch diese Seltenheit vermehrt wird, ist, weil der türkische Sultan einer der größten Falsche münzer unter allen Fürsten in Europa ist, und man daher bey jeder Veränderung in den Münzen ihre Verfälschung zu befürchten hat.
Bey jeder neuen Regierung werden
pie Münzen verändert , und jedes Mal schlechter.
Die
alten Piaster werden dann sorgfältig aufgekauft ; allein die Privatleute finden ihre Rechnung beffer dabey , folche zu behalten, als in die Münze des Grosherrn zu schicken, und lassen sie daher von den Goldschmieden einſchmelzen, oder schicken sie heimlicher Weise nach Teutschland.
Seit
zwanzig Jahren ist der innere Werth des Piafters um die Hälfte verringert worden. Man kann in der That sagen,, der Großherr hat keine reelle , fondern bloß eingebildete Münzsorten, Man sollte glauben, in der Verfaſſung liegen ,
diese vielen Mißbräuche, die müßten nothwendig die Maſſe
des Handels immer mehr vermindern , allein man würde ſich ſehr irren.
In dem Handel vermehrt sich der Ges
winn nach Maaßgabe der Gefahr.
Handelnde Nationen
lassen sich von baukerutten Völkern nicht so leicht hinter das Licht führen, wenn sie mit ihnen Gefahr laufen, fo verkaufen sie ihnen auch desto theurer ,
und für einen
Berluft, den fie leiden , halten sie sich durch einen dope pelten Gewinn schadlos.
Der Handel muß abnehmen,
fagt man , weil das Land verarmut ; und das Land vers armt, weil die Masse der Erzeugnisse abnimmt.
Dies
ist vollkommen richtig ; allein mit der Masse der Erzeugniffe nimmt auchimmer die Bevölkerung ab, und es bleibt
Französischer Handel.
217
daher der nåmliche Ueberschuß zurück.
Wenn die Beys
wenigerGetreide haben , so ernåhren sie weniger Menschen aufihren Gütern, denn sie schaffen piel lieber ihre Bauerk als ihre Pferde ab.
Mit dem Lurus der Pracht haben
fie, seitdem der europäiſche Geschmack und europäiſche Ideen bey ihnen Eingang gefunden haben, Lurus der Bequemlichkeit verbunden .
auch den
Diese neu anges
nommene Bedürfnisse haben die Folge , daß sie, anstatt vorher die Subsistenz eines Districts, jeßt die von zweyen verzehren. Darum aber nimmt die Consumtion von europäischen Waaren nicht im mindesten ab.
Sie hat im
Gegentheil durch die Fortschritte des Lurus ſeit zwanzig Fahren um ein Drittheil zugenommen, wie man fich leicht. überzeugen kann , wenn man einen Blick auf die Register des europäischen Handels wirft.
Diese Zunahme kann
jedoch nicht von Dauer seyn , denu es ist nicht möglich, Haß man mit einem Lande , das immer mehr in Verfall und Armuth geråth , lange eineu vortheilhaften Handel führen kann.
Schon jetzt merkt man hier und da eine
wirkliche Abnahme, und Salonichi felbst stellt ein Beya spiel davon auf.
Zwar beruht die Abnahme des Handels
von Salonichi hauptsächlich auf andern Ursachen , die ich hier ausführlicher angeben will, allein zuverlässig hat die Verarmung des Landes auch großen Theils das ihrige dazu beygetragen. Bis ins Jahr 1775 hat der Handel von Salonicht beständig zugenommen , und von da bis ins Jahr 1781 hat er sich in gleichem Flor erhalten.
In der erstern
Epoche wurden für Bulgarien , für Servien , Bosnien, Albanien und Morea , das durch die albanische Revolus
Siebenter Abschnitt.
218
tion alle ſeine fränkischen Niederlassungen
verloren que
durchaus die nöthigsten Waaren aus Salonichi geholt. Im Jahr 1778 wurden Ausgang
und Transitozölle anges
legt, von denen zuvor der Handel in das Innere des Landes
verschont
gewesen war
Dies war der erste
Schlag , der dem Flor biefer Handelsstadt_beygebracht wurde.
Unmerklich aber machte auch der Handelsgeist
größere Fortschritte , seine Canåle.
und vermehrte seine Quellen und
Die fränkischen Kaufleute zu Abrianopel
wurden es überbrüssig , daß sie immer nur die Factoren von denen in Constantinopel seyn sollten , und da sie nåe here und beffere Gelegenheit hatten , als die Kaufleute in Salonichi ,
die 1 vorzüglichsten Meffen in Rumelien zu
besuchen, besonders die zu Ozongiova und zu Selimia, welche die Hauptmeffen in der ganzen europäischen Türkei find , so fiengen sie an , für eigen Rechnung Handel zu treiben.
Sie besuchten nunmehr alle diese Meffen , und
thaten den Kaufleuten in Salonichi durch ihre Concurrenz den größten Abbruch.
Die Lage
von Abrianopel ist
äußerst vortheilhaft ; durch die Nähe des Hafens von Enos , und durch die Schifffarth auf der Marizza wird . der Transport der Waaren nicht nur sehr erleichtert, sondern verursacht auch weit weniger Kosten als der Transport auf der Achse.
Wenn die Kaufleute zu Adrianopel
ihre Vortheile zu benußen wissen, so kann man ihnen mit vollem Recht den glänzendsten Wohlstand prophezeien; indem sie den fränkischen Handel aus dem Hafen von Salonichi weg , und in den von Enos hinziehen , werden fie fich auf Kosten aller frånkischen Kaufleute in Griechens land unermeßlich bereichern.
219
Französischer Handel.
Der Handel von Salonichi hat aber nicht nur im Norben und Often der europäischen Türkei abgenommen, sondern auch im Süden und Westen.
Morea hat nach
hergestellter Ruhe seinen Handel wieder von neuem anges fangen.
Zu Arta, zu Prevesa und auf der ganzen Küfte
von Albanien sind neue Comptoire errichtet worden. Aus den Håfen des vormals venetianischen Dalmatiens wers den heutzutag in alle türkische um sie herum liegende. Proz vinzen die Waaren geliefert , die dort verbraucht werden, und Ragusa verſieht seit einigen Jahren Bosnien damit. Diese neue Richtung , die der Handel nimmt , Natur angemessen ; aber,
ist der
auffallend und unbegreiflich ist es
daß Teutschland , das alle Coloniewaaren aus
Hamburg zieht , seit einiger Zeit die ottomannischen Pres vinzen , die an der Donau liegen , damit überschwemmt, und daß sie von da bis in das Innere von Griechenland hineingeschafft werden. Dies sind die wahren Ursachen , die den Handel von Salonichi eingeschränkt haben , und die noch weit mehr zu seinem Verfall beytragen ,
als die Verarmung des
Landes, Es ergiebt sich aus allem , was ich bisher angeführt habe, daß der europäische Handel in der Levante eben so abnehmen wird , wie es mit dem Handel in Indien der Fall ist.
Die Europåer werden in Zukunft immer wenia
ger baares Geld in die levantiſchen Håfen schicken , allein sie werden stets die nämliche Quantität von ihren Waaren dort abseßen , weil die Gewohnheiten und der kurus bleis bend sind.
Es wird also eine richtigere Bilanz zwischen
Einfuhr und Ausfuhr statt haben, bis endlich die levans
220
Siebenter Abschnitt.
tischen Länder so gan
werden zu Grunde gerichtet seyn,
daß sie nicht mehr im Stande sind ,
die ausländischen
Waaren zu bezahlen , und dann wird aller Handel aufe hören.
Türkischer Handel , Gewichte, Maaße und Münzen.
5. Ich kann diese Schilderung von dem griechischen Handel nicht beschliessen , ohne noch einige Nachrichten über den Handel von Salonichi mit den andern Städten der Türkei beygefügt , und die Maaße, Gewichte und Münzen dieses Reiches angezeigt zu haben. Salonichi erhält aus Egypten Mokacaffee , Flachs, Leinenwaaren , Gummi ,
Weihrauch , Salmiack , Mas
terialwaaren und Hennepulver *). Artikel zusammengenommen
Diese verschiedenen
betragen ungefähr
eine
Summe von 800,000 Plaster ; die Bezahlung derselben geschieht durch 20,000 Ballen Tabac, und der Uebers ßt schuß , der auf 150,000 Piaster geschä wee kann, wird mit baaren Thalern oder Zechinen saldirt. Syrien schickt nach Salonichi für 200,000 Piaster Galläpfel , Eisenplatten , und grobe Zeuge von Aleppo Damascus, Für diese Waaren holt es aus Salos und nichi Abats, Cochenille, und 100,000 Piaster an baarem Gelde , womit de Ueberschuß seiner Sendungen faldirk wird.
*) Die Henneftaude gehört zu der Familie des Purpurweides Die Blätter werden gepulvert, richs oder Blutkrautes. und mit Limonienſaft in einen Teich verwandelt , den man als ein cosmetisches Mittel braucht,
Türkischer Handel, Gewichts, Maaße u . Münzen.
221
Von Smyrna kommen Seife, Aly- zari , und ges trocknetes Obst ; diese werden gegen Abats und Caputs röcke umgetauscht.
Den wichtigsten Zweig des Handels
zwischen Smyrna und Salonichi machen die Wechselge schäfte,
die durch die beständigen Abänderungen
des
Werthes der Geldſorten unausgesezt im Gang sind , und immer von neuem Nahrung bekommen, Aus derInsel Candien werden Dehl , Seife, Citros nen , und Orangen geliefert.
Dies alles wird theils mit
Sode, theils mit baarem Geld bezahlt ; der ganze Artikel beträgt 100,000 Piafter. Von den Inseln des Archipels und besonders aus Chio werden Baumfrüchte , Weine und allerhand Seidenwaaren, z. E. Taffete , dergl. eingeführt.
Gürtel ,
Schnupftücher und
Dagegen giebt Salonichi rohe Seide,
und Abats zurück, und saldirt den Rest mit baarem Gelde. Die Waarenlieferungen aus Chio können zu 800,000 Viaster berechnet werden. Nach den Dardanellen werden Caputröcke und Abats verschickt , und man bekommt von daher Eicheln (Knoppern) von einer besondern Art von Eichbäumen , die auf der Küste von Troja wachsen ; die Käppchen davon wers den in den türkischen Gerbereyen gebraucht. Aus der Barbaren kommen schwarze Sklaven und tunesische Mützen.
Diese leztern werden in die Håfen
von Morea geschickt , mit denen die Barbarey wegen der Rekrutirung ihrer Miliz in starkem Verkehr steht , und dort gegen Kermes ausgetauscht.
Aus Morea kommen
fie auf die Messen von Theffalien und Albanien ; hier wers
222
Siebenter Abschnitt.
ben sie gegen andere Waaren umgehandelt , und bis nach Salonichi gebracht . Von Conftantinopel zieht endlich Salonichi seidene Stoffe, Gold- und Silber - Brocate
gelben Saffian,
verarbeiteten Bernstein , kostbare Tobackspfeifen , einige Circaſferinen , Juwelen und Galanteriewaaren und überhaupt alle Artikel die zum türkischen Lurus gehören. Der Werth dieser Einfuhr, der beynahe aufeine Million Piaster steigt , wird mit Getreide, Taback, und seidenen Frauenz zimmerkleidern saldirt.
Mit Getreide wird gewöhnlich
allein die ganze Schuld bezahlt ;
zieht hingegen Cons
ſtantinopel seine Bedürfnisse an Getreide über das schwarze Meer, so muß Salonichi mit baarem Geld oder mit Rie messen jene Schuld bezahlen.
Gewichte. Die türkischen Ole und die Dragme. vierzig Oken,
Gewichte sind der Cantaar , die Der Cantaar wiegt vier und
und die Oke hat vierhundert Dragmen.
Die Dragme, die das Element des türkischen Gewichtes ist, kommt ganz unserm Queutchen gleich, und betrågt den achten Theil einer Unze.
Der Cantaar wiegt folglich
hundert sieben und dreyßig Pfund acht Unzen nach Tafels gewicht * ) ,
und die Oke drey Pfund ,
zwey Unzen.
*) Tafelgewicht ist ein besonderes , in den füblichen Provinzen von Frankreich gebräuchliches Gewicht , das zwar auch wie das Markgewicht sechzehn Unzen bat , die ungen sind aber nicht so schwer, indem sechzehn Unzen Tafelgewicht nach Verschiedenheit der Orte ungefähr dreyzehn bis vierzehn Unzen Markgewicht ausmachen.
Gewichte.
Maaße.
Silbermünzen .
223
Nach dem alten französischen Gewicht betrug das Pfund nach Markgewicht zwölf Unzen , und das Pfund Tafels gewicht sechzehn Unzen, ſo daß zwischen beyden ein Unters schied von fünf und zwanzig Procent Statt hatte.
Ra a te. Die türkischen Maaße sind der Pic, zur Ause messung von Tüchern , Zeugen c. und das Quilot, für Getreide und andere Såmereyen.
Der Pic ist fünf
und zwanzig Zoll groß ; ein und drevviertel Pics machen eine französische Elle.
Ein Quilot von Salonichi hålt
drey und drey Viertel Quilots von Constantinopel , das im gemeinen Leben nur der Quilot von Stambul heißt.
Vier und ein halbes Quilot von Stambul machen
eine sogenannte Marſeiller Last , und einen und ein Fünfe theil Pariser Sefter aus. Genauer wird man jedoch die türkischen Maaße bes urtheilen können , wenn ich noch ihre Verhältnisse mit Das Quilot von Salonichi den Gewichten beyfüge. wiegt fünf und achtzig Oken , und das von Stambul zwey und zwanzig.
Die Marseiller Last kann zu drey=
hundert Pfund und der Pariser Sester zu zweyhundert und funfzig Pfund berechnet werden.
ilber mú n´ze ¤. Die in der Türkei gangbaren Münzen find theils diejenigen , die der Grosherr selbst prågen läßt ,
theils
ausländische , die ausdrücklich für den Handel nach der Levante, geschlagen werden.
Siebenter
224
Abschnitt.
türkischen Münzen Zum Maaßstab aller übrigen s ig h erz Para wert ist . Sie i n v e dient eine Silbermünze, die heißt bey den Türken
in der gewöhnlichen Sprache
Grusch, und Aslanli in der Kunstsprache.
Dies
ist der eigentliche türkische Thaler , den man in dem europäischen Handel unter dem Namen des türkischen Piasters kennt , und der nach dem gegenwärtigen Wechselcars uns gefähr zwölf Gr. sächsisch, oder zwey französische Livres gilt.
Der Para, deren vierzig einen Piaster ausmachen,
hat folglich den Werth von einem französischen Sols, oder viertehalb Pfennige sächsisch. Ehemals
wog
der Piaster sechs Dragmen , und
wurde wie die meisten europäischen Münzen aus eilfLoth feinem Silber geprägt.
Sultan Achmed III, der zu Aus
fang dieses Jahrhunderts regierte, war der erste Gross herr , der es wagte , die Münzen zu verfälschen , und neue Abgaben aufzulegen.
Er mußte jedoch mit beyden
Unternehmungen inne halten , weil soust eine Empdrung unausbleiblich erfolgt wäre.
Die türkischen Kaiser köns
nen zwar ihrer Raubsucht gegen alle und jede Beamte des Reichs den Zügel schießen lassen , denn diese sind doch nichts weiter als ihre Sklaven ;
allein sie können die ane
dern Musulmanner weder an ihrer Ehre angreifen und beleidigen , noch auch ihres Vermögens berauben , denn diese stehen unter dem Schuß der Gesetze.
Achmed III. verfälschte den Piaster um ein Zehns theil; seitdem haben alle,
die in den Münzstädten zu
Cairo und Constantinopel geprägt wurden , nie mehr Zus fat bekommen , als die Piaster von Achmed , bis auf die Regierung Muhammeds , in der Mitte, dieses Jahrhuns
Silbermünzen,
225
derts; dieser aber verringerte das Gewicht und zu gleicher Zeit auch Schrot und Korn derselben.
Seine Piaster
wiegen nicht mehr als füuf und ein halb Dragmen , und haben ein Drittheil Zusatz.
Seit dieser Epoche ist die
Verfälschung immer årger geworden.
Deshalb find auch
alle alten Piaster durchaus verschwunden , und man sieht heutzutag keine mehr in der Circulation als die von den drey lettern Regierungen.
Der Piaster von dem Sultan
Mustapha, der auch anfångt selten zu werden , wiegt fünf Dragmen ; er enthält zwey und ein halb Dragmen in feinem Silber , und zwey und ein halb Dragmen Zua fat, oder , nach unserer Art zu reden , ihr Korn ist zu sechs Loth. Der Piaſter von Abdul -a Ahmed wiegt eine halbe Dragme weniger , als der von Mustapha , ¡ und enthält wie jener die Hälfte fein Silber und die Hälfte Zusah; folglich ist er bloß durch den Unterschied im Ges wicht um ein Zehntheil schlechter.
Die Sarrafs, oder
Wechsler, kaufen die Piaſter von den Sultanen Mustapha und Abdul- Ahmed um einen etwas höhern Preis
ein,
als der gewöhnliche Piaster gilt , und schicken sie in die Münze nach Constantinopel , wo sie umgeschmolzen wera den.
Hierdurch verſchwinden auch diese Piaster in solcher
Menge, daß man in dem türkischen Handel bald gar nichts mehr wird zu sehen bekommen , als die Piaster von der jetzigen Regierung , die wahre Kupfermünze find.
Diese Piaster von Selim III. wiegen vier Dragmen, und enthalten ein und dreyviertel Dragmen fein Silber, " und zwey und ein viertel Dragmen Zusak. Die Dragme feines Silber kostet sechzehn Paras , nach dortigem Geld ; Beaujours Beschr.
Siebenter Abschnitt.
226
folglich hat der Piaster einen innern Werth von acht und zwanzig Paras.
Der Sultan gewinnt also zwölf Paras
durch die Ausmünßung. Die Dragme ist bey uns einem Quentchen gleich; acht Quentchen machen eine Unze und. acht Unzen eine Mark; wenn man nun die Mark fein Sila ber zu vier und funfzig Livres , oder dreyzehn Rthlr. zwölf Gr. sächsisch annimmt , was sie ungefähr kostete, als ich Frankreich verließ , und folglich die Unze zu sechs Pfund funfzehn Sols , oder 1 Rthlr. sechzehn Gr. sächsisch, und die Dragme zu sechzehn Sols acht Den. , oder fünf Gr. sächsisch , so ist der Piaster seinem inneren Gehalt nach"
r acht Gr. sächsisch in dep aber jetzt Daß er Sols werth. , oder 1 Den. acht und zwanzig Curs auf fünf und er eilf bis zmore in steht, dreyßig bis vierzig Sols , z hat seinen Grund bloß darin , daß die Handelsbilan durchaus zum Vortheil der Türkei ist.
Der Asper ist das Element aller türkischen Münzen. Er gilt ungefähr vier Den. oder ungefähr ein drey achtel Pfennig , wenn man den Piaster zu zwey Livres oder zwölf Gr. rechnet.
Drey Aspern machen nämlich einen
Para , und vierzig Para machen einen Piaster.
Folgens
des sind die gewöhnlichsten Münzsorten : Der Asper, als erstes Element , ist eine kleine Kupfermůnze, so wie auch der Para , der drey Aspern gilt , eines Pfennigs ist.
und von der Größe
Der Bechlik ist die kleinste
Silbermünze , und von einerley Korn wie der Piaster ; er gilt fünf Paras ;
der Onluk gilt zehn Paras.
Der Virmilik gilt zwanzig Paras ; dreyßig Paras.
der einfache Izlote,
Der neue Izlote, oder der Grusch,
Silbermünzen.
Goldmünzen.
227
und in dem fränkischen Handel der eigentlich sogenannte Piafter, sechs und vierzig Paras. - Der Altmichlik, sechzig Paras. - Der Ikilik , achtzig Paras. -Der Yusluk , hundert Paras.
Diese lettere ist die größte
Silbermünze von dem nämlichen Korn wie der Piafter, so wie der Bechlik die kleinste ist.
Den Yusluk nennen
die Franken auch den türkischen Thaler , weil er vor seiner leßten Umprågung die größte Aehnlichkeit mit den öfterreichischen Thalern hatte.
Dies sind die türkischen Silbermünzen , die zu den fremden, in der Türkei gangbaren, gehören, sind der dents sche Thaler, der in der Türkei Caragrusch, in Egypten Pas take , und in dem frånkischen Handel Taleri heißt.
Er
ſteht gegenwärtig auf drey Piaster , dreyzehn Paras ; er wiegt acht vierzehn ſechszehntel Dragmen, und beſteht aus eilflöthigem Silber.
Der spanische, oder sogenannte sevillanische Piaster , ist von feinerm Korn als der Thaler , und ob er ſchon nur acht achtſechzehntel Dragmen wiegt , so gilt er -doch drey Plaster und zwölfParas. Der sächsische Thaler gilt drey Piaster acht Paras ;
der venetianische Ducaten,
drey Piaster, zwölf Paras ; und der raguſiſche , zwey Piaster, fünf Paras,
Go I d m úu zen. Die türkischen Goldmünzen sind : Die Fundukli die Zermahbub
und die Meshir - Zechinen,
P 2
228
Siebenter Abschnitt.
Die Fundukli Zechine wiegt ein und ein sechszehntel Dragme.
Das Gold wird in der Türkei nach Metis
calen und nach Karaten verkauft. Sechszehn Karate machen eine Dragme , und vier und zwanzig Karate ein Metical.
Das Meticalgold kostet neun Piafter , und ein
Karat funfzehn Paras ; folglich kostet eine Dragme sechs. Piaster.
Wir haben oben gesehen , daß die Dragme
Silber sechszehn Paras gilt, die Proportion, zwischen Gold und Silber ist folglich in der Türkei wie eins zu funfzehn.
In Europa ist sie jedoch wie eins zu vierzehn.
Das Gold muß auch nothwendigerweise in der Türkei theurer seyn als das Silber , schon darum weil größere Summen vor der Raubsucht der Regierung verborgen werden können. Wer hier baares Vermögen besitzt, sucht es in Gold umzusehen !
Die Fundukli Zechine wiegt siebzehn Karat ;
fie
enthält dreyzehn Karat reines Gold und vier Karat Zufat, oder, nach unserer Art zu reden , sie hat ein Korn von ungefähr neunzehn Karat.
Diese Zechine hat folg
lich nur einen innern Werth von hundert fünf und neunzig Paras, oder von vier Piastern, fünfund dreyßig Paras. Allein der Großherr hat ihren Werth auf sieben Piaster bestimmt , und sie wird auch dafür im Handel und Wana del genommen .
Die Zermahbub - Zechine, die auch Stambuli Zechine genannt wird , um sie von denen in Cairo ausges prägten , die Meshir
Zechinen heißen, zu unterscheia
den , wiegt dreyzehn Karat,
Sie enthält zehn und ein
Goldmünzen.
229
achtel Karat feines Gold , und ihr innerer Werth beträgt. drey Piaster ein und zwanzig Paras ;
allein der Grosz
herr verkauft sie für fünf Piaster.
Eben so ist es nur Wille des Sultans , daß die Meshir Zechine, die in Cairo geprägt wird, vier Piaster
·
gilt , denn sie wiegt nur dreyzehn Karat , und enthält nicht mehr als acht und ein halb Karat feines Gold, wornach ihr wahrer Werth nur drey Viaſter acht Paras ift.
Von ausländischen Goldmünzen sind in der Türkei gangbar:
Die ungarischen und venetianischen Zechinen,
Die ungarischen Zechinen heißen Madgiar und gelten sieben Piaster.
Sie wiegen eine Dragme und ihr
Korn ist drey und zwanzig Karat,
Die venetianische Zechine , die fieben und ein halb Piaster gilt, und ein und ein ſechszehntel Dragme wiegt, ist die beliebteste Geldsorte in der Türkei , und wird übers haupt im ganzen Orient für die erste unter allen Münzen gehalten.
Sie hat das allerfeinste Korn ,
das man
kennt , und das nur möglicher Weise verarbeitet werden Nach dieser venetianischen Zechine find die hol-
kann.
ländischen und toscanischen Zechinen die gesuchtesten Goldmünzen.
Alle andern Geldforten werden in der Levante blos als Waare behandelt ,
und wenn ihr Korn vorher ge
Siebenter Abschnitt.
230 hörig
erprobt
worden ,
Goldmünzen.
nach dem Gewicht verkauft.
Große Summen werden in der Türkei nach Beuteln berechnet.
Ein Beutel ist ein idealisches Maaß,
fünfhundert Piaster enthält.
das
Der Zoll zu Salonichi ist
für siebenhundert Beutel verpachtet , und der zu Larissa für dreyhundert Beutel.
Bemerkungen
über
die
Maratten,
porzüglich
ihre Verfassung und Kriegsmacht ;
W.
H.
Tone.
Bemerkungen über die erdi
Maratten,
vorzüglich ihre Verfassung
W.
H.
und Kriegsmacht ;
Tone.
b wir gleich über dieſes ſeit etwa hundert Jahren bes rühmte Volk wegen ſeiner Kriege mit England und dermas Kigen Verbreitung über den ansehnlichsten Theil von Hindostan mancherley Nachrichten besigen , so erschöpft doch Feiner, welcher uns diese glücklichen Räuber kenntlich zu machen suchte, die Geschichte und heutige Verfassung der Maratten.
Ihre alte Geschichte ist in Dunkelheit vers
hüllt, und ihre neuere so verwickelt , daß wir nicht eins mal die Namen aller Fürsten wissen , welche die eroberten Provinzen Hindostans unter sich getheilt haben, brits tische Heere find als Feinde und Alliirte durch ihr Ges biet gezogen, aber ihre Tagebücher haben uns nur die Namen der vornehmsten Städte und Festungen erhalten, Die fiee auf ihrem Zuge berührten oder in der Nähe und in der Ferne erblickten.
Die Maratten selber scheinen auch
234
Bemerkungen über die Maratten.
Fremben so viel möglich ihre Einrichtungen zu verbergen. Daher wurden die brittischen Truppen, welche fich 1790 mit den Maratten vereinigten , um Tippo Saheb zu bez kriegen, auf ihrem Hin - und Rückmarsch durch das Gebiet des Peischwa nie durch ansehnliche Städte, sondern immer in einer Entfernung derselben z so daß sie blos Dorfschaften und kleine Orte zu sehen bekamen.
So lange wir uns also mit fragmentarischen Bey-
trägen über diese Hauptzertrümmerer des mogolischen Reichs in Hindostan begnügen müssen, so werden fols gende Bemerkungen an Ort und Stelle gesammelt *), von einent Verfasser , der noch unter den Maratten lebt, und selbst beym Pejschwa in Kriegsdiensten steht , hier nicht am unrechten Orte stehen , um so mehr , da er über ihre Sitten und Einrichtungen manches bisher Unbekanns ie frühern Schilderun diefer Nas te erzählt, und die tion) fo mannigfaltig berichtigt. Tone indiefem
Ich habe zwar Hrn.
Aufsatz gewöhnlich selbst reden lassen,
jedoch zuweilen ihn abgekürzt,
wenn er sich in Wies
derholungen oder Discuffionen verlor , welche ihn von Auch habe ich zuweilen. feinem genstande abführten, kleine Einschiebsel gewagt, wenn mir seine Bemerkungen nicht jedermann verständlich schienen, oder er in Indien bes An-, kannte, und mit den dortigen Staatseinrichtungen, Ans ftalten und Gebrauchen, vertraute Leser vorausfeste, Was ren dergleichen Aufklärungen und Zufäße im Terte nicht
* Seine kleine bey Debrett in London 1799 gedruckte Schrift ticular Inftitutes of the fo be ne particular heißt Attempt to illuftrate frate to Mahrattah People principally relative to their Syftem of Finance and War. 8. diode
Bemerkungen über die Maratter
235
möglichy, so sind diese von mir in den Anmerkungen ans gebracht. Zu den indischen Einrichtungen voriger Zeiten gehört unter andern die Absonderung der alten Bewohner durch Rang und Ansehen von einander. Die alte Eintheilung in vier Hauptkaſten iſt långſt erloschen, oder durchHeirathen, und Vernachlässigung der alten Vorschriften , so zerrůts tet , daß es kaum möglich ist, die daher entstandenen Volksklassen zu unterscheiden
oder einmal
anzugeben,
Kaiser Acbars Landbuch, das sein Bezier Abul Fazel in den ersten Jahren des siebzehnten Jahrhunderts zusammentrug , bemerkt unter andern , daß die Unterschiede des Vaterlandes , der Gewerbe , und des Ranges der Vorfahren, so unendliche Nuancen in den Kasten gemacht has ben, daß es unmöglich ist, alle Unterabtheilungen zu' nen= nen. An einer andern Stelle fagt eben dieser Verfasser bey dem Kehteries, der Kriegerkaste, zu denen die ersten Großfürsten der Maratten gehörten , man zähle damals schon fünfhundert Abstuffungen , und es gebe eigentlich keine wahre Kehteries mehr , einige wenige ausgenommen, welche aber zu ſeiner Zeir keine Waffen führten *) .
Die Maratten oder der ursprüngliche Theil dieses Volks stehen auf keiner hohen Stuffe der indischen Rangordnung, und sind nur einige Grade über die Kasten erhos Sie folgen nach den
ben , die man für unrein hålt.
Kasten , die man Daira oder Perwarri
) nennt.
Da
*) L. Ajeen Akbery. Vol. III . S. 84. 87. **) Da Herr Lone diese Kaste nicht näher erklärt hat , so habe ich über die Bedeutung ihres Namens nichts Auffla-
Bemerkungen über die Maratten .
236
fie aber wegen ihrer niedrigen Kaſte von den höhern Ståns den nicht geehrt werden, so haben sie sich durch Tapferkeit in Kriegsdiensten Achtung verschafft , und diesem Eis fer sich auszuzeichnen , muß man zum Theil den bewun bernswürdigen Fortgang
marattiſcher Unternehmungen
zuschreiben. Die Hindus beobachten vorzüglich bey ihren Speis fen besondere Vorschriften.
Die Braminen dürfen nichts
anrühren was Leben hat *).
Die andern Kasten , je
weiter sie sich von dieser obersten entfernen, find weniger eins geschränkt bis auf die untersten, welche alle Speisen, außer Rindfleisch genießen können.
Die höhern Kasten dürfen
nur zu bestimmten Zeiten und unter besondern Umständen effen.
Sie müssen ihre Speisen selbst bereiten , oder wes
nigstens von Leuten ihrer Kaste bereiten lassen, doch dies ist nicht überall eingeführt.
Sie dürfen nicht zweymal
von den zubereiteten Gerichten effen , müssen sich bey ihren Mahlzeiten entblößen, wenn jemand von einer andern
Da aber zur dritten indischen rendes finden können. Hauptkaffe Bies , Wafflar , auch Hanianen' genannt, Ackerleutee und Hirten H gerechnet werden , ſo ſcheinen die Maratten zu ihr zu gehören. Ihre Glieder dürfen auch die heilige Schnur der Braminen tragen. *) Auch davon finden sich Ausnahmen. Herr Dalrymple, der im ersten Stück des oriental Repertory E. 49.Beine Menge Kasten aufführt , und dabey bemerkt, fie Fleisch effen dürfen oder nicht , nt unter den ersten die Worrias und Gundabraminen. Diese dürfen Fische, Wildprett , Hammelfleisch aber kein Geflügel effen. Ein Gleiches fagt Kaiser Acbars Landbuch. Th. III. S. 247. daß sonst auch Braminen in den Häusern der Kehteries, und Bies gespeiset , und diese wieder in den Häusern der Braminen gegessen hätten.
Bemerkungen über die Maratten.
237,
Kaste in den Cirkel tritt , worin ein Bramine sein Effen kocht, so werden dadurch für ihn die Speisen unrein. Es giebt noch eine Menge religidser Anordnungen beym Waschen , Beten 2c., welche sehr låstig sind , und bey eia ner kriegerischen Lebensart nachtheilige Folgen haben köns
nen.
Glücklicher Weise ist der Maratte von allen dies
fen Ceremonien befreyet. Er kann alle Speisen genießen, nur Rindfleisch nicht.
Er kann sein Mahl zu allen Zeis
ten bereiten , und alle Speisen genießen , die für höhere Kasten eingerichtet sind.
Beten und Waschen werden
von ihm nicht nothwendig erfordert , er kann beydes zu allen Zeiten verrichten , oder auch nach Belieben aufschie " Diese Vortheile verglichen mit den mancherley
ben.
Einschränkungen , welche andere Kasten von einander aba sondern , machen die Maratten zum militärischen Leben vorzüglich geschickt.
Seine Kaste, nach welcher er zur
arbeitenden Klaſſe gehört, bildet ihn, Strapahen und den Einfluß der Witterung auszuhalten , erhebt ihn aber auf der andern Seite wieder , um mit Braminen ungehindert umgehen, und ihre bessern Kenntnisse benutzen zu können. Endlich ist der Marattenstamm ſehr zahlreich, und wegen seiner Menge kann er erwarten , in ſeinen Kriegsuntere nehmungen glücklich zu seyn.
Mehrere ; · Geſchichtschreiber haben bemerkt ,
daß
Nationen, die sich noch im Hirtenzustande befinden, gute Krieger abgeben.
Dies paßt vorzüglich auf die Marat-
ten , die sich meist von Feldarbeiten nåhren.
Die drey
großen Stämme, woraus die Maratten fast einzig bestes hen, sind die Koonby ober Ackerslente, die Dungu oder
238
Bemerkungen über die Maratten .
Schäfer *) , und Cowla oder Kuhirten.
Von dieser Abs
stammung kann man die große Simplicitât der Sitten herleiten , die überall unter den Maratten herrscht. mer erzählt,
Ho=
daß Prinzessinnen zu seiner Zeit an den
Fluß gegangen waren, um ihre Kleidung selbst zu wa= schen.
Ich habe es selbst gesehen , daß die Tochter eines
mächtigen Marattenfürsten , der eine größere Armee ins Feld stellen konnte , als alle Griechen vor Troja zusam menbrachten , Brot mit eigenen Hånden backte, und alle Haushaltungsgeschäfte besorgte.
Ich habe selbst einen
andern berühmten Marattenfürsten gesehen , selber das Feuer beforgen, um sich für die Nacht zu erwärmen, und eben denselben zu einer andern Zeit blos auf einer Satteldecke ruhend seinen Schreibern Antworten und Befehle diktiren ,
und übrigens in dieser Lage alle Staatsge=
fchäfte handhaben.
In ihren Ideen ,
Begriffen und
Kenntnissen ist der geringste Maratte nicht über den vors nehmsten erhaben,
Es scheint unter ihnen eine Gleichheit
*) Co gehörte der 1793. verstorbene Marattenfürst . Madaji Scindiah , der mächtigßte unter allen , zu der Klaſſe der Patel oder Ackerleute , er behauptete aber den Rang der aus dem Kehteries. Sein Nachbar Tukaji Holkar war Stamm der Schäfer entsproffen . Afiatic. Mifcellany VII, n. I. S. 103. Die Familie der Marattenfürsten in Gu acrarte leitet ihren Ursprung vom Stamm der Hirten (her. Moores Narrative of Captain Littles Detachment, 6.430. Hingegen gehört der Rajah von Berar zur Fas und ist ein Cheterie milie des Stifters des Marattenstaats , und oder Rasbutte , und Purseram Bhow, dessen Gebiet in den südlichen Districten des Peischwa liegt , ist ein Bramine wie der Peischwa.
Bemerkungen über die Maratten.
239
des Karakters obzuwalten , und der unterste kennt und braucht keine andern Ausdrücke als der Oberſte *) Im Ganzen sind die Maratten ein ungelehrtes Volk. Daher sind sie gezwungen , in Regierungs- und Finanzgeschäften Braminen zu brauchen.
Diese
ehemaligen
Staatsdiener sind allmählig zur Oberherrschaft gelangt, und jetzt stehen Braminen an der Spike einer jeden marat= tischen Regierung.
Der alte Einfluß der Nation in die
wichtigsten Geschäfte hat aufgehört , seitdem der Ab. kömmling des ersten Oberhaupts des berühmten Sevagi als Gefangener in Setterah lebt , und die Regierung in Punah von Braminen verwaltet wird **).
Diese sind
Was Herr Tone oben erzählt , wird ebenfalls von andern bestätigt, welche die Maratten in ihrer gewöhnlichen Lebenss weise zu beobachten Gelegenheit hatten. So pflegte souf der Peischwa , der erste unter allen Marattenanführern, so lange das wirkliche oder vermeinte Oberhaupt , in der Fes frung Setterah nach indiſcher Weise gefangen ist , beym Abmarsch der Truppen jeden der geringsten Oberbefehlsbas ber öffentlich zu umarmen , und jedermanu fonnte ohne Umstände zu ihm fømmen. Dies ist aber ſeit geraumer Beit abgeschafft , weil einer von den niedern Officieren sich wirklich .an der Person des Pesciva vergriffen haben soll. (W. Chambers Account of the Marattah State, Lond, 1787. S. 37.). Doch unterscheiden sich die Oberhäupter durch orientalische Pracht auf ihren Feldzugen von den niedern, und Purſeram Bow, einer von den kleinern Fürsten , der 1790 die Maratten gegen Tippo Sulton befehligte . wollte lieber einem Mannóvre der englischen Truppen nicht beys wohnen , weil er ſeinen Elefanten verlaſſen, und ein Pferd besteigen folite , um die Evolutionen anzusehen , oder sich von den Vorzügen der europäischen Waffengeschicklichkeit, vor der indischen zu überzeugen. *) Unbedingt kann man unmöglich des Verfassers Meynung benpflichten. Der lehte von Sevagis Nachkommen oder ch in Setterah, und wird als das Obers Verwandten lebt noch
240
Bemerkungen über die Maratten.
allerdings geschickter , die öffentlichen Angelegenheiten zut besorgen.
Ihr höfliches Betragen , ihre ausgezeichnete
Gewandtheit , ihr lebhafter Verstand , ihr scharfer Blick und vor allen ihr Gleichmuth zeichnen sie bey allen dis plomatischen Geschäften aus. Seite.
Dies ist aber ihre beste
Im übrigen besitzen sie keinen Funken von Zus
verlässigkeit , sie haben alles Gefühl von Mitleid verloren, Dankbarkeit kennen sie nur dem Namen nach , sind Sklaven der unersättlichsten Haabsucht , und mit einem Wort, für sie sind alle Empfindungen der Moralitåt vera Ioren.
Man glaubt gemeinhin, die Braminen hätten einen unbegrenzten Einfluß auf die indische Nation. fie besitzen dieses Uebergewicht keinesweges.
Allein
Ich weiß
es, daß sie häufig als Verbrecher oder Schuldige hart ten bingerichtet bestraft, ja auf Befehl der Marattenfürs A find. Es ist freylich das Verbot gegründet, das Blut eis es Braminen, zu vergießen , aber sie werden auf andere Weise getödtet.
Der verstorbene Marattenfürst Lucaji
Holkar, der den westlichen Theil von Malwa beherrschte, der zur Zeit nach seinem Nachfolger Caffey Row gehört, ließ seinen braminischen Minister auf folgende Art hine richten , daß er ihn in Del getunkten Zeugen einwickeln, und so verbrennen ließ.
Sonst ist ihre gewöhnliche
Strafe, ihren Körper ſo lange in kaltes Waſſer zu halten,
haupt der ganzen Nation angesehen , auch sind die machtigsten Marattenfürsten , der Peischwa und einige geringere Oberhäupter ausgenommen, wirklich marattiſchen Ursprungs. Er zeigt auch bald hernach , daß A die Braminen doch dem Willen der Fürsten unterworfen sind.
Bemerkungen über die Maratten.
245
bis er zu schwellen anfängt , wonach der Lod`nicht lange auszubleiben pflegt.
Andere oder geringere Miſſethåter werden bey den Maratten auf mancherley Weise bestraft.
Nase und Oh
ren abſchneiden fållt häufig vor , wird aber auf Lodesz Strafe erkannt , so pflegt man den Verurtheilten so lange von einem Elefanten schleifen zu laffen , bis er das Leben berliert.
Eine andere Art besteht darin , den Kopf des
Verbrechers in einen Sack zu stecken ,
und mit einem
schweren Hammer zu zermalmen. Doch ist die allgemeinſte Todesstrafe, dem Verurtheilten Arm und Beine abzus hacken , und ihn in diesem Zustande liegen zu laſſen , bis er seinen Geist aufgiebt.
Dies geschieht meiſtens auf die
grausamste martervollste Art mit einem gemeinen Scheers messer ,
und der Scharfrichter gehört
Volksklasse.
zur niedrigsten
Wenn man dergleichen Todesstrafen mit
angesehen hat , so bedenkt man sich keinen Augenblick der gewöhnlichen Meinung zu widersprechen, die Hindus wåe ren von Natur nicht blutdürſtig,
Jeht darf man nicht mehr die Braminen als blos geistliche Personen betrachten.
Sie beschäftigten sich
vielleicht ehemals mit Andachtsübungen , und blos relia gidsen Verrichtungen ,
aber gegenwärtig hat diese ura
sprüngliche Absonderung aufgehört , und man findet jest Braminen , die Kaufleute , Banquiers , Kriegszahlmeis ster und Soldaten sind.
Der einzige wirkliche Geistliche,
oder blos mit religiösen Geschäften Beschäftigte, von dem ich je in Hindostan gehört, und den ich selber bort ges Lone Bemerk,
1242
Bemerkungen über die Maratten.
troffen habe , war der Guru *) , aber nicht von der bras minischen , sondern von der Byragtaste.
Vielleicht ist die Toleranz anderer Religionspars thehen der edelste Theil des braminischen Karakters.
Ein
Hindu kann sich nicht vorstellen , daß es möglich sey, ans dere wegen blos fpeculativer Grundsätze zu verfolgen. In Punah , der Hauptstadt der Maratten , und der Resis denz des Peischwa , findet man mehrere Moscheen und eine christliche Kirche , wo die Bekenner beyoer Religionen ihren Gottesdienst ohne Hinderniß abwarten können. DieMaratten **) waren vor etwa vierzig Jahren ein kaum dem Namen nach bekanntes Volk, dessen Vater
*) Was für eine Art indischer Geißtlichen Herr Tone unter diesem Namen verfteht , wird von ihm nicht näher erklärt. Fra Paolino de San Bartholomeo , der in seiner Reise nach Ostindien so treffliche Aufschlüffe über die Küste Mas labar gegeben hat , nennt S. 295 diejenigen Bramine Guz ruh , welche die Moral und andere philosophischen Wiſſens schaften lehren. Sonst hießen die er ersten zehn Oberhäupter Auch nennt man in Bengalen die Gifs Guru . schiedenen tibetanischen Lamen Guru .
vers
**) Der Name der Maratten ist in Indien sehr alt , ob er gleich später in Europa bekannt wurde. Ferishta nnennt in seiner Geschichte von Dekan translated by J. Scotr. Vol. I. S. 32.) schon ums Jahr 1370 einen Fürsten der Marats Baglana durch feine ten Namens Geodeo , der sich e påter fömmt der Name Streifereyen berühmt machte. bey ihm auch hâäufig vor, ob gleich die Maratten , eben fo oft Bergies und selbst Sevagis Anhänger mit dem Nas men Bergies bezeichnet. Auch in Kaisers Akbars Lands buch erscheint der Name der Maratten schon. Hier wird (Vol. III. S. 89.) gelegentlich unter den verschiedenen indischen Mundarten , der Marattehdialect aufgeführt, ohne etwas von dem Volke anzumerken, das sich desselben bes diente.
Bemerkungen über die Maratten.
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land bald nach dem eigentlichen Hindostan verseßt ward. Allein sie sind ursprüngliche Bewohner der Halbinsel Des kan, obgleich ihre Fürsten , unter denen die Nation so furchtbar wurde, von den Rasbutten oder der Kriegerkaste stammten , und zu ihren Anherrn , die alten berühmten Rajas von Chitor in der Provinz Agimere zählten.
Die
alte Heimath der Maratten bestand aus den Provinzen Kandeisch und Baglana , nebst der Küste Konkan.
Ges
gen Norden begrenzte der Nerbuddafluß ihr Gebiet , und jenseit desselben wohnen die råuberischen Völkerschaften, die Gracias und Bills * ), und man wird schwerlich weiter nordwärts wirkliche Maratten finden.
Gegen Westen
erstreckt sich das alte Gebiet der Maratten längst der Seeküste von Suratte bis an die Grenze von Canara. Gegen Süden macht Zippos ehemaliges Gebiet die Grenze, und hier scheinen sie außer auf ihren Streifzügen nicht über den Fluß Tombadra gekommen zu seyn , weil dort die Einwohner Telingas **) stud. Des Nizams von Des 2.2
*) Beydes find Namen wenig bekannter roher Völkerschaften, welche in dichten Waldungen oder gebirgigten Gegenden zers freut leben und die Caravanen plündern, Bills findet man vom Fluffe Nerbudda bis im äußersten Nordea von Agis Anquetil du Peron , der 1756 von Anrungabat mere. nach Suratte durch das Gebiet der Maratten reisete, fand an mehreren Orten dieffeit des Nerbudda Haufen von Bills. Von den Gracies , f. meine Geschichte der Marats ten. S. 27. Die Dichaten , welche weiter unten vorkoms men , wohnten ehedem in Guzeratte, und nachher in Agra. Sie waren von 1760 bis 1770 berühmter als gegenwårs tig f. Sullivan. S. 227. **) Nach indischen Traditionen wohnten ursprünglich sechs 1 vers schiedene Völkerschaften oder Stämme in Dekan. Malas
244
Bemerkungen über die Maratten .
kan Länder machen die östliche Grenze.
Hier wohnen.
ebenfalls Telingas, die von den Maratten in der Sprache und Karakter verschieden sind.
In diesem ziemlich an-
fehnlichen Bezirk von funfzehn bis ein und zwanzig Grad, nördlicher Breite liegen die alten Wohnplähe der Maratten , ehe sie in unserm Jahrhundert ihre Herrschaft so weit, vorzüglich nordwärts ausdehnten.
Sie sind von
Natur befestigt, und bestehen aus Gebirgen und engen Pässen, alle durch Festungen pertheidigt, in welchen man die ersparten Schäße verwahrt , und die als Zuflucht bey unglücklichen Feldzügen oder Niederlagen dienen.
Kein
Land ist für einen Vertheidigungskrieg so gut beschaffen, so daß wenn die Maratten auch auf ihren Streifzügen geschlagen oder zurückgedrängt werden, sie dennoch in ihrem eigenen Lande unüberwindlich find.
Ich habe auf
einem Marsch durch die Provinz Candeisch an zwanzig Ein Festungen nach verschiedenen Richtungen gezählt. so beschütztes Land ist unbezwinglich , und von dieser Wahrheit ward Kaiser Aurung zwar überzeugt , als er es zu erobern versuchte.
Allein selbst auf dem Gipfet
feiner Allgewalt in Dekan hielt ers für besser, den das mals noch unbedeutenden Sevagi , den eigentlichen Stifa ter des Marattenstaats laufen zu lassen , als diesen Feind ſeiner neuen Eroberungen zu verfolgen , dessen flüchtige Schaaren er freylich zerstreuen , aber nie überwältigen konnte.
Diesen anfänglich unbedeutenden Räuberschwärs
men ist es zuletzt geglückt, die Verwirrungen zu benugen,
bar, Carava, Merhat, Telinga , Oriah oder Oriffa und Gundiyansia.
Bemerkungen über die Maratten.
245
welche nach Aurungzebes Ableben entstehen mußten , um die besten Provinzen von Hindostan zu erobern , oder zu brandſchaßen und auszuplündern , wenn solche von ihren neuen Eroberungen zu entfernt lagen. Diese pldßlichen unerwarteten Glückszufälle bey den Thronstreitigkeiten , unter den kaiserlichen Prinzen und den Empörungen der Statthalter in den Provinzen , has ben den Maratten unverdient einen Ruf verschafft, und - daher haben Gelehrte sich Mühe gegeben , die Etymologie ihres Namens zu entwickeln.
Holwell leitet ihren
Namen vom indischen Worte Maha , groß , und Rattor dem Namen einer beſondern Kafte her , und glaubt , die Maratten gehörten zu den Rasbutten, von denen jedoch, der große Volkshaufen ganz und
gar verschieden ist.
Denn die Rasbutten , oder die angesehenſten der indiſchen Kriegerkaste, (Cheteries ) unterscheiden sich durch Statur und äußeres Ansehen von den Maratten , da diese im ganzen unterscht ,
und meistens schlecht geformt sind.
Ihre Schriftzüge ſind auch ganz und gar verschieden, fie bedienen sich des in Dekan allgemein üblichen Alphabets, dahingegen die Rasbutten die Marwarri öder nördlichen Schriftzeichen brauchen. Herr Major Rennel , dem die Geographie von feften Lande von Hindostan und Dekan, ihre ganze heutige Kenntniß verdankt , leitet den Namen der Maratten von einem District Mehrut *) ab.
Ich habe nie gefun-
* Mebrut ist allerdings der alte Name eines Distrikts in der Provinz Baglana , welche fich sonst in Dekan vom Fluffe Tapti , bis in die Nachbarschaft von Puhna erstreckte, Fes rihta nennt dieſe Provinz häufig in seiner Geschichte von Des
246
Bemerkungen über die Maratten.
den, daß die Hindus als Volk ihren Namen von ihrem Wohnort entlehnen.
Ihre Kaste, oder ihr Stamm borgt
nie den Namen seines Wohnorts , sonst müßten wir auch die Länder aufsuchen , worin Gracias , Bills und Dsha: ten (Jautes) wohnen , oder ehedem herumzogen. Die Verfassung der Maratten ist weder monarchiſch noch aristocratisch oder democratisch. Der Peischwa kann nicht geradezu befehlen , es giebt keinen erblichen Adel unter ihnen , und das übrige Volk nimmt an der Landess regierung oder der gesetzgebenden Gewalt keinen Antheil. Der Marattenstaat läßt sich daher mit Teutschland vergleichen , er ist eine wahre militairische Republik , de= ren Hånpter von einander unabhängig sind , jedoch den der Peischwa in Punah für ihren Obern anerkennen , wiederum als der erste Minister des in Satterah gefans genen Kaja anzusehen ist.
Ihre Abhängigkeit ,
von
dem Großfürsten (Maha Raja) in Setterah ist aber blos
ལ
dem Scheine nach.
Der unglückliche Nachfolger des
Sevagi, ob er gleich aller Gewalt beraubt ist , genießt indessen gewisse einmal hergebrachte Vorzüge. Der Peischwa wird nur von ihm eingesetzt , indem er von seiz
kan. Die erste Meldung derselben fällt in das Jahr 1374. Mehrut würde gewiß auch in Akbars Landbuch vorhanden feyn , båtte dieser Kaiser seine siegreichen Waffen so weit Dekan als seine Nachfolger verbreitet. Der Verfasser des verfiſchen Geſchichtbuchs Rbazanah e Naamerah, woraus Herr W. Chambers 1786. im N. I. B. II. des Afiatic. Mifcellany die Geschichte der Maratten übersehte , nennt ihr Vaters land ebenfalls Mehrat , welches nach ihm ein Theil der als ten Proving Deogir war , die hernach Dewlatabad genannt ward
Bemerkungen über die Maratten.
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ner Hand des Khelat oder orientalische Staatskleid ems pfångt.
Zieht der Peischwa zu Felde , so muß er vorher
von dem gefangenen Rajah um eine Abschiedsaudienz ans suchen.
Das Land um Setterah herum ist von allen
Kriegskosten und Beschwerden frey.
Betritt ein Marats
tenfürst den zu dieſer Vestung gehörigen Bezirk , so muß er alle Zeichen seiner Würde ablegen , und darf diegroßen Heerpauken , die ein Elefant immer im Gefolge indischer Fürsten trägt, nicht rühren laſſen.
Dies sind die einzi-
gen Ehrenbezeugungen, welche dem titulåren Oberhaupt der Maratten von seiner ehemaligen Würde übrig geblieben sind, der sonst als Staatsgefangener von geringen Eins künften lebt.
Der gegenwärtige Maharaja war vor
etlichen Jahren ein bloßer Reuterofficier , weil er aber von Sevagis Geblüte stammte, so ward er nach dem Lode des letzten Fürsten aus seiner glücklichen Dunkelheit auf den Thron im Kerker erhoben.
Alle Einrichtungen dieses sonderbaren Volks reißen die Neugierde, weil sie eben so sehr von den orientaliſchen, Die Länder der als den europäischen verschieden sind. verschiedenen Fürſten liegen untereinander zerstreuet und vermischt.
Das Gebiet des Peischwa erstreckt sich långst
der Küste von Concan, aber ihm gehören auchProvinzen, welche nordwärts von Delhi liegen.
Es ist gar nicht
ungewöhnlich, daß Districte oder einzelne Städte, zweyen oder mehreren Fürsten gehören , ja der Peischwa und sein Nachbar der Nizam von Dekan besitzen einige gemeins schaftlich.
Ein so zerstückeltes Gebiet, scheint die Stärke
des Ganzen zu schwächen , ich weiß aber nicht ob sie abs fichtlich oder zufällig so vertheilt sind,
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Bemerkungen über die Maratten.
Der Peischwa, ob er gleich als Oberherr des ganzen Marattenstaats anerkannt wird , besitzt für sich kein ans fehnliches Gebiet.
Die Stadthalterſchaft Ahmedebad in
der Provinz Guzeratte ist die größte von seinen Låndern, und trägt ihm etwa sechs Millionen Rupien ein. Mehrere von den hohen Staatsbeamten in Puhna besiten in dens füdlichen Gebiet des Peischwa ,
ansehnliche Lehne ganz
von ihm unabhängig wegen ihrer hohen Stellen.
Purs
seram Bow , der die Maratten im vorleßten mysorischen Kriege befehligte , und dessen Residenz Taigon (Tafgon) heißt , hat drey Millionen Einkünfte , Rastia und andere Marattenfürsten der zweyten Klasse besigen ebenfals in den Ländern des Peischwa ansehnliche Districte.
Daher
find die Einkünfte des Peischwa von seinen Laudbesitzungen unbeträchtlich.
Allein feine vornehmste Einnahme
besteht aus den Contributionen oder Geldunterstützungen, -die ihm die ander Marattenfürsten zahlen müssen , so daß man sie jährlich auf vier Crore oder vierzig Millioneu Rupien ſisäßt. In dem Reichsrath von Punah sind alle hohen Stellen erblich.
Der Dewan oder Minister , der Furs
navese oder Schahmeister der Chitnavese oder Staatsfecretair , selbst die Befehlshaber der Truppen oder der Führer des Reichspaniers
),
besitzen diese Aemter für
sich und ihre Nachkommen , und kein Peischwa hat es
* Diese Fahne heißt bey den Mavatten Ferriput , und ist eigentlich eine kleine in der Mitte ausgeschnittene Standarte von Goldstoff. Sie wird nur bey der Armée geführt wenn der Meischwa mit ins Feld zicht.
Bemerkungen über die Maratten.
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noch gewagt hierin eine Veränderung zu machen , die niedrigen Stellen werden aber nach Verdienst oder nach Billkühr vergeben. Bey der marattiſchen Regierung ist dieses merks würdig , daß sie beſtändig ſich im Kriegszustande befindet. Dies rührt vorzüglich von der schwankenden , Staatsverfassung her ,
unsichern
und daß die neueroberten Pros
vinzen nur durchs Schwert im Gehorsam erhalten werden. Sie müssen überdem den Chout oder den vierten Theil der Landeseinkünfte , den die Nachbaren nur gezwungen bes zahlen, mit den Waffen in der Hand eintreiben , überdem ist der Krieg für sie eine reichliche Erwerbsquelle , daher. sie die verschiedenen Provinzen beständig ansplündern, die fich ihnen noch nicht unterworfen , oder welche sie noch nicht ganz wie die Fürstenthümer der Rasbatten in Agia mere , die Provinzen Bundelkund , haben.
Gohud , uuterjocht
Diese militairische Streifzüge heißen bey den
Maratten Mulukghere ,
vom persischen Worte Muluk
Land , und Ghere Besitz nehmen.
Die Kriegszüge find
mit großen Kosten verknüpft , daher die Fürsten in diesem Fall häufig ihre Territorialeinkünfte zu anticipiren pflegen. Diese werden reichen Banquiers verpfändet , welche den Vorschuß in dem schlechtesten Gelde bezahlen, uad wenigIn solchen ftens dreyßig Procent Provision nehmen. Districten ,
welche unter der Verwaltung der Fürsten
ſtehen་ , werden die Abgaben nach uralter Weise gehoben. Die Zölle von den eingeführten Waaren steigen nicht über fünf Procent , von der Butter aber follen fie funfzig bez tragen.
Die Einkünfte von den Låndereyen , oder die
Hälfte des reinen Ertrages, der Chout den der Nizom bea
250
Bemerkungen über die Maratten.
zahlen muß , und die Beute welche die Maratten von dem Mulukghere heimbringen , sind die vorzüglichsten Geldquellen ihrer Regenten.
Sie betragen zwar jährlich
ungeheure Summen , allein ihre Ausgaben übersteigen die Einnahme gar sehr. Das von ihnen eroberte durch Streifereyen und Plünderungen erschöpfte Hindostan ist außer Stande
eine einzige Rupie aufzubringen.
Die
großen Reichthümer dieser ehemals so blühenden Provinzen sind für die Circulation ganz verloren, und in den Schatzkammern einzelner Großen vergraben. mangel ist
Der Geld-
in den nördlichen Provinzen so groß , daß
Scindiahs Nachfolger der Oberherr derselben seit zwey Jahren Geld von der Stadt Punah hat erpreffen müffen, um seine zahlreichen Truppen zu besolden. In den verschiedenen indischen Staaten hat der eis gentliche Landesherr wenig zu sagen , außer wenn dieser Sein erster Minister hat ein Mann von Lalenten ist. alle Gewalt in Händen, und diese Stelle erhält derjenige, der das ansehnlichste Geschenk darbringen oder in Nothfällen Geld schaffen kann.
Ein indischer Minister der in solchen Fällen eine leere Kaffe34hat , wird sicher seiner Dienste entlassen.
Nachdem der Fürst das Geſchenk ers
halten , welches oft einige Lac Rupien beträgt , so sucht Der Käufer dieser Stelle fich wegen seiner Auslagen zu entschädigen , und jetzt sind Bestechungen aller Art Thür und Thore geöffnet.
Ein jedes Amt noch so klein wird
dem Meistbietenden überlaſſen ,
ohne auf die Person' des
neuen Käufers oder deſſen Geſchicklichkeit zu ſehen. Posten der
Steuereinnehmer ,
Die
Vestungscommendanten
und Dorfschulfen werden alle öffentlich verkauft.
Ders
Bemerkungen über die Maratten.
251
jenige der eine solche Stelle gekauft hat weiß nicht ob er fie das nächste Jahr noch inne hat , daher sucht er nur feine Habsucht zu befriedigen.
Er erpreßt von dem uns
glücklichen Landmann , den Schweis seiner Arbeit , und plündert die Unterthanen aus.
Wird ein solcher Tyrann
abgesetzt , so hören damit die Leiden der Unterdrückten nicht auf, denn sein Nachfolger der ebenfalls für ſeine Stelle bezahlt hat , ist eben so raubgierig und ohne alle Grundsätze . 1 Daher befißt der größte Theil der Einwohner ganz und gar kein Vermögen.
Sehr wenige von den Marat-
ten haben Gelegenheit Geld zu erwerben , die Braminen ausgenommen , welche die ersten Staatsämter bekleiden. Ihr Geiz ist grenzenlos ,
und wenn ja das gierige Geld-
anhäufen eine Thorheit ist, so finder diese bey ihnen statt. Denn wenn der Fürst auch den Braminen ihre Gelders pressungen Jahre lang hingehen läßt ,
so erregen ihre
schnell erlangten Reichthümer doch zuletzt seine Aufmerkfamkeit , und fie müssen ihm am Ende ihre Schäße auss liefern , und vielleicht ihr Leben in irgend einer Weftung, als Staatsgefangene beſchlieſſen.
Stirbt er in seinem
Posten , so wird sein Vermögen zum Besten des Fürsten confifcirt , doch erhält seine Familie alsdann eine Penſion, oder wird auf andere Weise versorgt.
Dieser Gebrauch
das Bermögen reicher Staatsdiener an sich zu ziehen, gea hört zu den zufälligen Einkünften der Fürsten , und die Maratten bezeichnen diese Einnahme mit einem besondern Namen.
Im Ganzen giebt es wol keine Regierung als die marattische , unter welcher die Unterthanen alles Schutes
Bemerkungen über die Maratten .
252
Unter einer Regierung bloß auf Raub-
beraubt sind.
fucht , Bestechung und Unsicherheit gegründet , läßt fich noch öffentliche Sicherheit ers Daher rührt auch das unbeschreibliche Elend
weder häusliches Glück , warten.
des gemeinen Volks , und Unterdrückung , Armuth und Hunger scheinen zu den Eigenthümlichkeiten des Landes zu gehören.
Wenn man die große Fruchtbarkeit Indiens
bedenkt, so ist es fast unerklärlich , daß deſſen Provinzen fo oft von Hungersnoth heimgesucht werden, da der Boe den des Jahres zwey bis dreyfältig trägt , so sieht man leicht daß das Uebel in den Erpressungen und der Habsucht der Regenten liegen muß.
In einem Lande wo
Revolutionen so häufig sind , verschwindet allmählig jes der Sporn zur Industrie.
Der Landmann, der seinou
Boden dies Jahr anbauet, ist nicht versichert, daß er ihn das kommende behalten werde.
Oder bleibt er im Befik
seines Guts, so ist es wahrscheinlich , daß ein Truppencorps in seiner Nachbarschaft Quartier erhält.
Kaum
kann ihn ein größeres Unheil treffen , denn ein Haufen Maratten richtet gleiche Verwüstungen als Myriaden Heuschrecken an.
Das Eigenthum der Freunde ist ihren
Räubereyen eben so ausgesetzt als das feindliche.
Daher
erzeugt der Landmann nicht mehr Getreide als er zu seinem nöthigen Unterhalt braucht ,
da nun gar keine
Magazine oder Vorrathshäuser vorhanden sind , so ents steht bey großer Dürre , oder wenn zu viel Regen fällt, alsbald eine Hungersnoth.
Die Einwohner verlassen
ihre Wohnungen und flüchten sodann nach der Käfte oder in audere o wo der Mangel nicht so groß ist. Die Menge Menschen , die dort auf einmal ankommen,
Bemerkungen über die Maratten.
253
veranlassen bald Theurung und endlich ebenfalls Hungerős noth , und nun verbreitet sich die Plage allgemein.
Zu
dieser Zeit erblickt der Reisende den höchsten Grad des menschlichen Elends.
Hunger, Nacktheit , und Seus
chen, und das Ende von allen den Tod. find mit Leichnamen ,
Die Straßen
und die Landwege mit Todtens
gerippen bedeckt , und jeder Ueberlebende ist ein Bild des äußersten Elends und der Verzweifelung.
Wegen dieser
so oft entstehenden Hungersnoth , find die indiſchen Pros vinzen, so schlecht bevölkert , und man kann sicher bes haupten, daß in dem ganzen Lande, Bengalen und Bahar ausgenommen von funfzig Morgen kaum einer angebauet ist, und das angebaute Land dient, zum sichern Zeichen der guten oder schlechten Bevölkerung.
Es ist nicht uns
gewöhnlich , daß große Städte, bey einer solchen Landplage dreyviertel ihrer Einwohner verlieren ,
und das
platte Land eben so viel , daher werden ganze Districte menschenleer,
und die Felder bewachsen mit Gesträuch
und Dornen. Oben ist bereits bemerkt worden , daß die Maratten im beständigen Kriege leben.
Am Feste Dussera, welches
jährlich zu Ende des nordwestlichen Monſuns fällt , wird des Fürsten Hauptpanier aufgesteckt , seine Staatszelte werden aufgeschlagen, und es wird schnell ein Lager for: mirt.
Hier werden die Operationen des kommenden
Jahres bestimmt , ob man wirklich Krieg anfangen , oder bloß den Tribut eintreiben , oder auf Streifereyen ausgehen will.
Lehteren sind vorzüglich die Länder der
Rasbutten , der nördliche Theil von Guzeratte, nebst andern kleinen Bezirken ausgefeßt , da der übrige Theil
254
Bemerkungen über die Maratten.
von Hindostan und Dekan entweder von den Maratten. erobert , oder in den Hånden der Engländer und ihrer Aliirten ist. Wenn die ganze vereinigte Macht der Maratten ins Feld zieht wie 1794. in dem Kriege mit dem Nizam von Dekan geschah , so wird die Armee in drey Abtheis lungen abgesondert , von denen jede eine besondere Stele lung nimmt.
Die erste besteht aus der Avantgarde und
ihrer ganzen Infanterie.
Ihr Befehlshaber ist der Fah-
nenträger des Peischwa , obgleich jedes Oberhaupt ſeine eigenen Truppen anführt.
Das Centrum dient eigents
lich zum Reservecorps und ist bloß mit der nothwendige ften Bagage und Artillerie versehen.
Das Hintertreffen
befehligt der Peiſchwa in Person , und bey demſelben bez findet sich der ganze Artilleriepark, nebst der Bagage der Armee. Die Maratten greifen den Feind nicht leicht an, bes vor sie mit ihm unterhandelt haben ,
und kann der Zwift
mit Geld ausgeglichen werden , so ziehen sie eine ansehns liche Summe allemal den militärischen Operationen vor. Selbst wenn sie in der Nachbarschaft der feindlichen Armee stehen , lassen sie sich selten in ordentliche Gefechte ein, sie müßten denn selbst angegriffen werden, sondern sie bleis ben lange Zeit in ihrem Lager stehen , suchen nur ihren Gegnern die Zufuhr abzuschneiden , und das umherlies gende Land auszuplündern. Die Hauptstärke der Maratten besteht in ihrer zahls reichen Cavallerie, welche man in vier verſchiedene Klaſſen eintheiten kann , die erste Klaſſe heißt bey ihnen Baugiers. Sie bestehen aus den Haustruppen der Fürsten ;
diese
Bemerkungen über die Maratten.
255
liefern und unterhalten auch die Pferde. Mannschaft und Pferde sind vortrefflich , und der Reuter bekömmt etwa acht Rupien monatlichen Sold. Helen Die zweyte Klaſſe wird von den sogenannten Sillas bars oder schwer bewaffneten gestellt.
Sie machen mit
den Fürsten einen Kontract, so und so viel Pferde und Reuter zu stellen , so gut fie mit ihm einig werden köns nen, und erhalten gewöhnlich fünf und dreyßig Rupien monatlich, den Sold des Reuters mit eingerechnet. Zur dritten Klaſſe gehören die Freiwilligen , die ihre eigenen Waffen und Zeug mitbringen ,
und monatlich
vierzig bis funfzig Rupien Sold nach dem Werth und der Beschaffenheit ihres Pferdes erhalten. Die vierte Abtheilung der Reuterei besteht aus den sogenannten Pindarins.
Dies find bloß Räuberhaufen
die keinen Sold bekommen, nur von Plündern leben, und dem Fürsten den vierten Theil der gemachten Beute abgeben müssen.
Sie sind aber so schlechte Soldaten , und
so schwer in Ordnung zu halten , daß man diese Pins darins
nur bey den Armeen einzelner Marattenfürsten
findet. Die auf diese Weise zusammengebrachte Armee steht unter gar keiner Zucht.
Keiner dient eine gewiſſe be=
stimmte Zeit , sondern kann das Heer wieder verlaſſen, wenn es ihm beliebt. Sie leisten auch keine andere Dienste als in wirklichen Gefechten , und daß man eins zelne Reuter als Pikete ausstellt , oder auf Kommando ausschickt.
Die Reuterei der Maratten wird sehr unor" dentlich und schlecht bezahlt. Selbst die erste Klaſſe ders selben erhält statt des Soldes im Felde alle Tage eine
256
Bemerkungen über die Maratten. welche kaum hinreicht ihren
Quantitat groben Mehls ,
Die Silladars stehen sich nicht beffer.
Hunger zu stillen.
Nach seinem Kontracte mit der Regierung ist ihm ein Stück Landes angewiesen seine Pferde zu weiden.
Dort
lebt er mit seiner Familie wenn er nicht zum Dienst bes rufen wird , und sucht seine Pferde zu vermehren , vore züglich Staten zu ziehen , aus denen größtentheils die Reuterpferde der Maratten bestehen.
Es ist nicht unges
wöhnlich, daß ein Silladar, der bloß nebst einem Pferde Dienste nimmt ,
in wenigen Jahren Befißer einer an
fehnlichen Stuterey ist.
Sie befißen mancherley Mes
thoden ihre Stuten fruchtbar zu machen , und dreffiren ihre Füllen sehr früh , daher fie schnell die zum Reuten erforderlichen Kräfte erlangen.
Diese anhaltende Sorge
die Pferde zu pflegen ,
und zu warten , ist die
falt ,
Felds Hauptursache der ungeheuren Menge womit sie ihre en word züge eröffnen. Aber außer ihrer eigenen Zucht nach den indischen Jahrmärkten eine Menge Pferde von Caudahar und den nördlichen Provinzen gebracht , doch dergleichen bekommt man bey den gemeinen Maratten` nicht viele zu sehen .
Bey einem Kriegsaufbruch muß
der Silladar seine Pferde vorher muſtern laſſen. Musterung besorgt ein Bramine,
Die
der aber vorher durch
ein Geschenk gewonnen werden muß ; sonst würde er nicht die kleinsten elendsten Gåule für Reuterpferde passiten lassen , und Futtersäcke und Stricke, womit die Maratten ihren Pferden auf der Weide die Füße zusammenbinden, statt wirklicher Pferde aufzeichnen, die sich vorgeblich auf der Grafung befinden sollen.
Die Fürsten werden bey
dieser Gelegenheit auf alle mögliche Art betrogen , und
Bemerkungen über die Maratten.
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fie suchen sich wieder von ihrem Verlust durch schlechte und unregelmässige Bezahlung zu erholen.
Denn wenn
ein Reuter vom Rückstande ſeines Soldes auf ein ganzes Sahr endlich die Bezahlung von sechs Monaten erhålt, fo glaubt er recht gut bezahlt zu seyn , und kann es auch glauben , da ihm Pferde bezahlt werden , die nur auf der Musterrollé existiren. Die Freywilligen stehen sich noch schlechter, weil man den Sold von den Maratten , wie unten gezeigt werden soll , mit Gewalt erpreffen muß. Ein anderer großer Fehler bey der Marattischen Cavallerie besteht darin ,
daß die Pferde den Reutern
größtentheils eigenthümlich gehören.
Sie wagen fich
daher nicht leicht in Gefahr , weil sie nach dem Verlust thres Pferdes nicht länger dienen kdunen.
Dies erstickt
bey ihnen alle Bravour und den Trieb sich auszuzeichnen, weil sie nur auf die Erhaltung ihres Pferdes bedacht sind. Es wird freilich dem Reuter so bald er Dienste nimmt fein Pferd taxirt , aber hat er es einmal auch in einer wirklichen Schlacht verloren , fo erhält er entweder keine Schadensersetzung, oder eine so geringe, die dem Verlust keinesweges angemessen ist.
Wird daher ein Silladar
disgustirt, so kann er ohne alle Hinderniß selbst im Ans gesicht des Feindes die Armee verlassen.
Auch ist es
nicht ungewöhnlich, daß reiche Silladars Reuter zum Dienst nicht bloß bey einem, ſondern verfchiedenen, Marats tenfürsten stellen , felbst wenn diese mit einander in Fehben verwickelt sind.
Um den rückständigen Sold gewiß zu erlangen , ist bey allen indischen Truppen, Maratten, sowohl als Mos hametanern der sogenannte Dherna eingeführt,
Bones Bemerf.
R
Dieser
258
Bemerkungen über die Maratten.
besteht darin , daß man den Schuldner , er mag seyn wer er will , in Arrest seßt , oder auf andere Art seiner Freyheit beraubt , bis entweder Unterpfand gegeben , oder die Schuld bezahlt wird. Jeder , der in den Diensten indischer Fürsten oder dortigen Großen steht , kann auf diese Art feine Forderung von dem Fürsten selber , ster oder Zahlmeister eintreiben.
deſſen Minis
Der geringste Soldat
wird daran nicht gehindert , noch weniger sein Betragen als Meuterey betrachtet , und er verliert dadurch in den Augen seines Befehlshabers nicht das mindeſte. Defters dauert der Dherna eine ziemliche Zeit, und es ist einerley ,
ob man damit den Fürsten oder seinen
Minister belegt, weil der Erfolg immer derfelbe bleibt; denn wenn der Minister im Dherna siht , so macht sich der Fürst eine Ehre daraus während dieser Zeit nicht zu 19 effen und zu trinken. Der Minister muß gleiche Fasten halten, er darf weder sichwaschen noch beten, oder sich von dem Platz bewegen wo er sich befindet , auch wird er zus weilen mit bloßem Kopfe in die Soune gestellt *), bis der Schuldner befriedigt ist.
Diese Art zu seinem Rechte zu
gelangen , ist so allgemein ,
daß ich glaube, die meisten
Marattenfürsten, welche überhaupt schlechte Bezahler find, müssen beynahe die Hälfte ihrer Zeit in einer Art von Dherna zubringen. *) Nujufkhan einer der letzten Minister und Feldherren des Grosmoguls , welcher 1782. starb, ward nach der Erobes rung von Agra von seinen unbezahlten Soldaten in den Oberna gefeßt , und mußte an einem heißen Tage in der brennenda ften Sonnenbiße mit bloßem Kopfe stehen , sie befreyeten ihn aber wieder , als er ihnen einen Theil des rückständigen Goldes bezahlte.
Bemerkungen über die Maratten.
Es
giebt
259
noch andere Arten des Dherna gegen
Schuldner oder Ehrenschänder.
Bey der ersten geht der
Gläubiger an die Thür seines Schuldners und fordert Bezahlung.
Erhält er diese nicht , so hat er zu diesem
Behuf ein schweres Gewicht bey der Hand , das er sich auf den Kopf legt, und dabey schwört , diese Stellung nicht eher zu ändern , als bis er befriedigt worden.
Zu
gleicher Zeit stößt er gegen den Schuldner die hårteßen Verwünschungen aus , wenn er in dieser Stellung seinen Geist aufgeben sollte. Dieses Mittel verfehlt selten seinen Zweck, and die Bezahlung erfolgt gewöhnlich. Sollte aber der Gläubiger in diesem Dherra wirklich sterben, so wird das Haus des Schuldners niedergeriffen , und er nebst seiner ganzen Familie zum Besten der Erben des Gläubigers als Sklaven verkauft. Die zweyte Art von Dherna ist viel schrecklicher, und wird daher sehr selten ausgeführt.
Bezahlt der
Schuldner nämlich auf die mündliche Erinnerung des Gläubigers nicht , so thürmt dieser einen großen Holzhaufen vor deffen Hause auf.
Oben auf demselben wird
eine Kuh oder Kalb gestellt, auch wohl eine alte Frau, die Mutter oder eine andere Verwandte des Gläubigers, ge setzt , die den Haufen anzuzünden droht , wenn keine Zah lung erfolgen sollte.
Sie belegt den Schuldner nyt Flüs
chen und Verwünſchungen , jener Welt zu verfolgen.
und droht ihn in Liefer und Dieser Dherna ist in Dekan
unbekannt , findet aber bey den Maratten statt, der Civil
die wes
noch Kriminalgesetze haben.
Außer den Reutern haben die Maratten auch In-
fanterie bey ihren Armeen.
Sie selber dienen nur im
R 2
Bemerkungen über die Maratten .
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äußersten Nothfall als Jufanteristen , und überhaupt find die wenigsten Soldaten bey ihren Armeen wirkliche Mas ratten.
Die Seapois unter den Truppen der verschies
denen Fürsten laffen fich meistens in Hindostan anwerben, und sind größtentheils Rasbutten oder von der Purvias taste.
Sie sind stark und athletisch gebauet, und gehören
dem Ansehen und der Figur nach zu den schönsten Mannse personen.
Sie besitzen schnelle Fassungskraft , Lapfers
keit und Sparsamkeit, find aber dabey untändig und zum Eigentlich sind sie Abentheurer die Aufruhr geneigt. jedem dienen , der sie gut bezahlt , und ziehen daher von Hindostan nach Dekan wo sie Purbasics , d. i. Fremde genannt werden.
Vaterlandsliebe kennen sie gar nicht,
und sie würden ohne Bedenken und Gefühl ihren eigenen Geburtsort ausplündern . Auch dienen viele Muselmånner unter den Márat: ten, und sie erlangen ansehnliche
Befehlshaberstellen .
Durch den Umgang mit den Hindus nehmen sie nach und nach ein gefälliges höfliches Betragen an, das sonst ihrem Karakter ganz fremb ist.
Sonst ist die Infanterie der
meisten Marattenfürsten nicht zahlreich, und hat, Scins hostes Ansehen. diahs Brigaden ausgenommen, einsehr
Dieser verstorbene Fürst war der einzige , der ein starkes en oßenpäisch Fuß errichtete. Korps Infanterie ganzgrauf Er war ein Mann von großen Talenten und sein Ehrgeiz war diesen gleich.
Als er 1791. wieder nach Dekan
zurückam , war er Vezier des Großmoguls oder vielmehr wirklicher Kaiser von Indien ,
und er kam nach
Punah um zugleich erster Minister beym Peischwa zu werden. Hätte er diese Würde erlangen können , so wäre
1961
Bemerkungen über die Maratten,
ſein Ansehen , und ſeine Macht größer geweſen als je ein indischer Kaiser in der glänzendsten Periode seiner Herrs fchaft besaß.
Ein Mann der so ausgedehnte Plane ents
warf, konnte nur große Thaten verrichten , und der Auss gang entſprach seinen Entwürfen.
Er legte Stückgieſſes
repen in Agra an , ließ in eigenen Fabriken alle seine Ges wehre verfertigen , und ermunterte verdiente europäische Offiziere in seine Dienste zu treten. Unter andern war er ſo glücklich Hrn. de Boigne ſeinen nachherigen General der Infanterie in seine Dienste zu bekommen ,
einen
Mann von den erſten militärischen Talenten und ausges breiteten politischen Kenntniſſen,
Er war unermüdet,
im Kriege so wohl als bey Unterhandlungen , zeigte ſeine glänzenden Eigenschaften auf einem großen Schauplage erweiterte Scindias Beſizungen , nach allen Seiten , und erwarb für sich ein ansehnliches Vermögen.
Die Armee
welche de Boigne für seinen Herrn zuſammenbrachte, bes ftand aus etwa 20,000 Mann regulärer
Infanterie,
zehntausend Nezibs die gleich beschrieben werden sollen, und sechszigtauſend gut geübter Reuter nebst einem ans fehnlichen Train Artillerie , welcher mit allen Erforder= nissen versehen war. Die Nezibs find mit Luntenflinten bewaffnet , und bestehen aus Indiern und Rohillas , lektere haben nach der Zerstörung ihrer Staaten in den nördlichen Gegenden von Auhd, meist bey dem Scindia Dienste genommen. De Boigne hat diese in Indien sehr gewöhnlichen Flinten noch mit Bajonetten versehen.
Man braucht zwar låns
gere Zeit diese Gewehre zu laden, aber sie schieffen weiter und die Kugel trifft gewisser.
Jedoch nach langer und
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Bemerkungen über die Maratten.
vieler Uebung haben die Nezibs
dahin gebracht , daß
fie auch geschwind feueru können.
Sie sind außerdem
mit Schilden und Schwertern bewaffnet , und bedienen fich beym Angriff vorzüglich des Säbels . Diese furchtbare Armee verschaffte dem Scindia in Hindostan ein größeres Ansehen , seiner Nation besaß.
als irgend ein Fürst
Aber sein Nachfolger Dowlut Row
Scindiah besitzt seines Vaters Klugheit und Ansehen nicht. Seitdem er seinen ersten Minister ins Gefängniß gewors fen, hat
er keinen andern wieder ernannt , und seine
Rathgeber sind unerfahrne junge Leute ,
die sich als Bes
dienten und Sclaven bey ihm eingeschmeichelt haben. Scindias Ausgaben übersteigen seine Einnahme sehr weit, sein Land ist erschöpft und bringt jezt beynahe nichts hers vor, weil es so lange der Schauplaß von Räubern und Unterdrückern war.
Jetzt ist diesem Fürsten um seine
zahlreiche Armee zu erhalten kein anderes Mittel übrig ges blieben , als die Großen in Punah anszüplündern.
Dies
hat ihm zwar große Summen eingebracht , allein dieser Zufluß kann nicht lange dauern , und ist diese Quelle eins mal erschöpft , so muß sein Reich zerfallen. Bisher kos Truppen fete ihm der Theil seiner , mit dem er vor kurzem in Dekan stand , monatlich fünf und zwanzig Lac Rupien , die in Hindostan befindlichen lebten bloß vom Rauben , und seine Unterthanen erliegen unter der Last der mannichfaltigsten Erpressungen. Von den übrigen Marattenfürsten scheint der Raja von Berar Modaji Bonſulo , ein Abkömmling vom bes rühmten Sebagi sein Land vernünftig zu regieren , und ein guter Haushalter zu seyn.
Er beherrscht ein ansehns
Bemerkungen über die Maratten.
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liches Gebiet , das aber nicht von andern marattiſchen Ihm gehört auch die Küste
Besizungen zerstückelt ist.
von Oriſſa, und er mischt sich wenig in die Streitigkeiten von Punah oder die Händel der andern Marattenfürften. Er schränkt sich daher auf ſein Gebiet ein, iſt aber mächtig genug keinen Angriff fürchten zu dürfen.
Seine Kriegs,
macht ist der Zahl nach die zweyte im Range der übrigen Marattenfürßten.
Er hålt zehntausend Mann Fußvolk
auf den Beinen ,
die aber schlecht bezahlt werden , und
daher ein zugellofer Haufe find. er aber zusammenbringen ,
Destomehr Reuter kann
weil er feinen großen Schatz
in seinen Bergvestungen aufbewahrt.
Von Karacter ift.
er ein schwacher muthloser Prinz,
Hollar war so lange er lebte unter den Marattens fürsten seines unter ihnen berühmten Vaters wegen ges achtet.
Ihm gehörten ansehnliche Provinzen in Dekan
und Hindostan , und im leßtern Reiche ein großer Theil von Malwa, daher er auch Subah von Malwa genannt ward.
Sein Vater Malhar Row Holkar mit dem Beys
nahmen des Großen , war einer von den ersten Marattenanführern, welche gegen Norden Eroberungen machten. Sein Sohn konnte, so lange er reglerte, funfzigtausend Reuter marschiren lassen, und hielt au sechstausend Ine fanteristen die ziemlich in Ordnung waren.
Aber gegen
Ende seiner Regierung gerieth er in Verfall, theils wes gen einer Fehde mit Scindia theils wegen der Streitige feiten in seiner Familie.
Ihm folgte sein Sohn Coffey
Row in der Regierung, ein schwacher Prinz der sich ganz von seinen Verwandten leiten läßt.
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Bemerkungen über die Maratten , Der Peischwa wird freylich als das Oberhaupt der
ganzen Nation angeſehen, aber seine Kriegsmacht ist nicht so furchtbar, als die der vorher genannten Fürften. Seine Residenz ist Punah , in welcher Stadt der Reichthum als ler Marattenfürsten zusammen fließt.
Sie ist schlecht
gebauet, und ist nur durch ihre gute Policei merkwürdig, welche einige tausend Mann beschäftigt.
Des Abends
um zehn Uhr nach dem Kanonenschuß , darf sich niemand auf der Straße blicken lassen, oder er wird von den Paz ten aufgeg riffen , und die ganze Nacht im Arrest behalten , bis ihn der Policeipräsident den andern Morgen wieder frey, läßt.
Es wird so strenge Ordnung ges
halten , daß der Peischwa selber einmal die ganze Nacht im Arrest bleiben mußte, weil er sich zur Nachtzeit außer seinem Pallast gewagt hatte. Der Peischwa will 20,000 , Mann Infanterie im Dienste haben, aber die meiſten ſind bloß in den Musterrollen vorhanden, oder werden als Policenwächter in Punah gebraucht , find aber in einer so. elenden Verfassung und so schlecht bewaffnet ,
daß fie
schwerlich einem einzelnen Bataillon regulårer Seapois, Widerstand leisten können. ist dagegen portrefflich.
Die Reuterey des Verschwa Sie besteht aus den sogenann
ten Maunkarries , oder den Contingenten mehrerer Elefa neu Häuptlinge in Dekan, oder dem eigentlichen Gebiete des Peischwa, welche im vorigen Jahrhunderte das Joch. des Großmoguls abwarfen , und dem Sevagi vorzüglich behülflich waren , den Marattenstaat zu gründen.
Sie
werden am Hofe in Punah sehr hervorgezogen , und ges nießen befondere Vorzüge, unter andern muß der Peischs wa immer aufstehen, oder sich von seinem Musnud, einer
Bemerkungen über die Maratten.
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Art von Thron erheben , wenn einer von ihnen zu ihm kömmt.
Bey feyerlichen Aufzügen stellen fie fich dems
Peischwa gleich.
Sißt er auf einem Elefanten , so bes
steigen fie auch die ihrigen , und reitet er , so seßen sie fich auch zu Pferde.
Eigentlich bezeigen fie nur dem gez
fangenen Großfürsten in Setterah ihre Ehrfurcht , und ziehen dann persönlich ins Feld , wenn der Peischwa beg der Armee ist *). Der Marattenfürft von Guzeratte , Govind Now Guicawar mag ein Crore #) oder zehn Millionen Rupien Einkünfte haben, und kann bey einem allgemeinen Mas rattenkriege
30,000 Reuter zusammen bringen.
Der
Halbbruder des leßtverstorbenen Peischwa plündert jezt Bundelcund , bas Land der Diamanten in der Provinz Agra aus.
Er hat aber nur eine precåre Eriſtenz , und
an Macht und Ansehen steht er weit unter den vorher gea nannten Fürsten.
Die übrigen Heerführer der Maratten
besitzen bloß einzelne Lehne im Gebiet des Peischwa, und können die Hauptarmee nur mit kleinen schlecht bewaffnes ten Haufen verstärken.
Dies ist ein treues Gemahlde
Der gereinigten marattischen Kriegsmacht , die gehdrig disciplinirt, beffer befoldet, und ganz von einem Obers haupte abhängig , den Engländern und andern Mächten
Sie wohnen vorzüglich in den füdlichen Gegenden feines Gebiets, und 1791 war in den weßlichen Ghauts ein solcher Häuptling vorhanden , dem der Distrikt Panella gehörte, (Moores Narrative of Captain Littles Detachement 6, 12, Die Indier berechnen große Summen nach Lac und Erore, ein Lac bedeutet 100,000 , und ein Crore hundert Lac oder zehn Millionen.
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Bemerkungen über die Maratten.
wohl Besorgnisse erregen könnte.
In dem Kriege, den
die Maratten 1794 mit dem Subah von Dekan führten, war ihre Armee über zweymal hundert tausend Maun stark.
Aber in יןEuropa hat man von diesem Kriege zur
Zeit keine Nachricht,
Bey den Maratten besteht die Infanterie aus zweyen verschiedentlich unterhaltenen
Corps.
Zur ersten und
besten Art gehört Scindias Infanterie , deren Geschütz, Gewehre, A mmunitio , Kleidungsstück und uorige Ges n e råthschaften dem Fürsten gehören.
Er seht und besoldet
die Befehlshaber. Aber bey andern Fürsten unter andern dem Holkar ist das ganze Korps nebst allen Geräthschaften das Eigenthum edes n Befehlshabers, der dafür von seinem idi t zieh , und i * Subs Besoldung seiner Manns schaft selbst besorgt.
Diese Einrichtung ist eben so feh-
lerhaft als die bey der marattischen Reuterei gewöhnliche, indem schwerlich ein Befehlshaber seine Pflicht so treu und thatig erfüllt, deffen Existenz von der Erhaltung seis ner Mannschaft abhängt.
Denn sollte diese in einem Ger
fecht geschlagen werden ,
oder nur ansehnlichen Verlust
leiden , so sind alle seine Hoffnungen getäuscht, weil der Fürst den erlittenen Schaden aufkeine Weise ersetzt. Sonst wird die Infanterie im Ganzen beffer als die Reuterei bea zahlt , und ein Musketier erhält in Hindostan monatlich sechs und in Dekan neun Rupien, Die Maratten haben jezt die Vorzüge der Infantes rie einsehen gelernt , und geben daher den diſciplinirten Bataillons Vorzüge vor ihrer Reuterei.
Nur hålt es
schwer , die benöthigten Gewehre in den Niederlassungen zu einem festgesetzten Preise zu kaufen.
Da die engs
Bemerkungen über die Maratten,
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lische ostindische Gesellschaft den Verkauf aller Gewehre und selbst der unbrauchbaren in ihren Besitzungen verbos ten hat , so kann diese Anordnung zwar die Vermehrung der indischen Infanterie einige Zeit aufhalten , aber fie wird die Fürsten nöthigen , selbst Gewehrfabriken anzus legen , wie Scindiah schon mit großem Vortheile vers sucht hat.
Seine Gewehre find vortrefflich und viel bess
ſer als die gewöhnlichen europäiſchen. Verbot für sehr unpolitisch.
Ich halte jenes
Denn Gewehre werden ima
mer den Indiern verkauft werden , solange sie solche gut bezahlen, und in diesem Fall wäre es für die Geſellſchaft vortheilhafter , diesen Gewinn zu ziehen, als ihn Privat: personen zu überlassen.
Die Waffen , welche man im
Junern von Hindostan verkauft ,
find gewöhnlich uns
tauglich oder zum Dienſt nicht brauchbar,
daher ift
es gleichviel, in welchen Hånden fie find ,
und wers
den sie dennoch von indiſchen Fürſten gekauft , so kdunen fie ihnen wenig * nüßen , weil sie keine Waffenschmiede haben , unbrauchbare oder schabhafte Gewehre wieder in Stand zu setzen. Da nun die Gesellschaft die Einrichtung getroffen hat , die Läufe zu zerschlagen und nach Europa zurück zu ſchicken , so verliert sie dadurch auf ihren Schiffen Raum, könnte.
der mit bessern Waaren angefüllt werden
Aber ich behaupte auch gerade zu , es erfordert
das Intereſſe der oftindiſchen Geſellſchaft , den indiſchen Fürsten alle ihre alten Gewehre zu verkaufen.
Könnten
diese Gewehre in hinlänglicher Menge erhalten werden, fie würden gewiß eine zahlreichere Infanterie im Verhalts niß ihrer Reuterei zu errichten suchen.
In jedem fünftis
gen Kriege würde die Gesellschaft davon ansehnliche Vors theile ziehen , weil sie dem Feinde besser auf den Leib
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Bemerkungen über die Maratten.
gehen , und dadurch die gewöhnlichen kostbaren , lange dauernden Feldzuge, vermeiden würde , welche sich wegen der Menge indischer Reuter so sehr in die Länge ziehen, indem sich diese nicht leicht in ein ernsthaftes Gefecht eins lassen.
Bestånden die indischen Heere aus einer größern
Menge Fußvolks als gegenwärtig , so würden sie das Gebiet der Gesellschaft nicht so schnell überschwemmen können , als sie jeht mit ihrer leichten Reuterei ungehins dert thun können , und bey Gefechten würde sich bald die Ueberlegenheit des brittischen Fußvolks vor dem ins dischen zeigen. Der Befehlshaber der Artillerie bekleidet einen wichtigen und sehr einträglichen Poften.
Die Kanonen der
Maratten find zwar ziemlich gut gegossen, allein die Rås der sind plump , bestehen gewöhnlich aus einem ganzen oder mehrern zusammengefeßten
Stücken Holz,
und
nußen sich, da sie nicht beschlagen sind, auf den Märschen so ab, daß sie mit der Zeit oval werden.
Doch habe ich
auch bey einigen Armeen sehr gute Lavetten gesehen. Die Kanonen haben kein festgesetztes Kaliber, und sie sind von fehr verschiedener Größe , und die Kugel wird nach jeder Kanone eingerichtet.
Sie brauchen aber nie gegossene,
sondern geschmiedete Kugeln ,
welche durch ihre rauhe
Oberfläche das Geschütz verderben, man kann auch damit nicht so ficher als mit andern Kugeln schießen.
Von dies
fem Geschütz führen ihre Armeen immer eine große oft unnöthige Menge mit sich, weil sie auf die Artillerie sehr viel halten , ob sie gleich nicht verstehen eine Kanone or bentlich zu richten.
Ihr Pulver ist schlecht, wiewohl sie
alle dazu 'nöthigen Ingredienzen besigen,
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Bemerkungen über die Maratten.
Ein marattiſches Lager ist ohne allen Plan und Ordnung aufgeschlagen ,
uud nintmt einen gewaltigen
Raum ein. Sobald das Zelt des Oberbefehlshabers auf, gerichtet ist , so erscheint vor demselben ein förmlicher Markt, wo man alles nöthige kaufen kann , und alle Gewerbe und Handwerke getrieben werden.
Der Fürst
oder Oberbefehlshaber zieht von diesen Krämern, Künstlern and Handwerkern große Summen .
Jede Bude, deren
im Lager auf tauſend gefunden werden , muß ihm etwas gewiffes zahlen ,
und jeder Handwerker ihm´monatlich
fünf Rupien erlegen.
Dieser Abgabe ſind ſelbst die Läns
zerinnen , die bey hunderten bem Lager folgen , unters worfen.
Selbst die Diebe stehen unter seinem Schutz,
wenn ſie dafür monatlich bezahlen.
Des Ministers Zelt steht neben dem fürstlichen. Die andern Befehlshaber wählen ihre Plähe nach Belie ben , haben aber ihre Fahne aufgesteckt, damit ihr Gefolge sich an sie anschließen kann.
Die Menge der Leute
die ein indisches Heer begleiten, ist außerordentlich groß, und man kaun wirklich drey Personen aufjeden wirklichen Soldaten annehmen. 6 DieMe, auf einem best sondern Plaße, gemeinhin auf einer Flanke, aufgefahren Die Infanterie schlägt ihr Lager immer in der Fronte auf, und die Cavallerie wird meist nach allen Richtungen ausgeschickt den Feind zu beobachten , oder Poſten ums Lager zu besetzen. Wenn gleich der Fürst im Felde steht, s ruhen dess wegen die Staats- und andern Geſchäfte nicht.
Jeden
Abend versammelt er sowohl auf Mårschen als an Ruhetagen seine Minister, and alles wird eben so pünktlich und
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ordentlich besorgt, als in seinem Pallast.
Ein jeder,
selbst der niedrigste , kann Audieng erhalten.
Soll die Armee aufbrechen , so bestimmt der Obera befehlshaber den Ort , wo sie sich den folgenden Tag las gern soll.
Diese Nachricht wird von den Leuten des Ges
neralquartiermeisters auf dem Marktplatz bekannt gemacht. Die Infanterie,
welche immer die Avantgarde macht,
bricht vor Aufgang der Sonne auf.
Die Reuterei ist
selten vor neun Uhr Morgens marschfertig , weil sie vors her ihr Frühstück oder . ihre ganze Mahlzeit einnimmt. Die Artillerie setzt sich zuletzt in Bewegung , marschiert ee hr it tfernt er Arm se we en . ganz allein, und ist oft n d Der Oberbefehlshaber zieht mit vielem Pomp einher. Seine Paradeelefanten ,
diejenigen welche seine Fahnen
tragen , seine Handpferde gehen voran, und er folgt von einem auserlesenen Korps Reuter begleitet.
Auf dem
Marsche nimmt er wieder ansehnliche Summen ein , denn feder Ort im Gesichte der Armee , er mag in seinen eiges nen oder fremden Ländern liegen , muß ihm ein Geschenk berehren.
Eben deswegen hålt sich der Artilleriepark so
weit von der Armee , denn dieser fordert nach uraltem Herkommen von jedem Dorf für jede Kanone eine Quans tität Butter , ein Schaaf und eine Ruple , und läßt es selten bey dieser Forderung bewenden.
Ueberdem müssen
die Dörfer Leute stellen das Gepäcke fortzuschaffen, Was gen und Zugochsen liefern , wäre es auch nur um von den Einwohnern Geld zu erpreſſen.
Diese Lieferungen
und andere Erpressungen, seßt der Dorfschulz oder Steuers einnehmer auf die Rechnung des Landesherrn, und zieht
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fie ihm wieder zum Besten der Einwohner bey Berech nung der Steuern und Gefälle ab.
Die marattische Reuterei kann sehr schnelle und lange dauerndeMärsche aushalten,und weder dieMonsuns noch die üngünstigste Witterung kann sie auf ihren Zügen aufhalten. Bey außerordentlichen Fällen kann ein marattischer Reu ter große Strapazen ausdauern.
Er hält den ganzen
Tag über keine ordentliche Mahlzeit, kömmt ein Kornfeld, so streift er einige Aehren ab , die er auf dem Pferde mit seinen Hånden zerreibt, und sich damit nährt.
Sein
Pferd frißt was es unterwegens findet , doch bekommt es auf langen Märschen etwas Opium.
Führt die Ars
mee etwa einen Train schwerer Artillerie , so wird fie dadurch nicht aufgehalten ,
weil die voraus geschickten
Reuter überall Zugvieh zusammen treiben die Artillerie fortzuschaffen.
Doch so schnelle Mårsche sind außeror-
dentliche Fälle; gemeinhin legen die Marattenheere tågs lich nur zwölf englische Meilen zurück,
Eine Marattenarmee braucht allerdings sehr viel Lebensmittel, aber ihre Fürsten denken nicht daran Mas gazine anzulegen, oder Vorråthe anzuschaffen.
Ein jeder
muß für sich sorgen.
Die Getreidehändler ſchicen ges meinhin ihre Leute mit den Streifpartheyen aus, um in
den benachbarten Ortschaften , dürfnisse einzukaufen ,
Getreide und andere Bes
daher leidet ein indisches Lager
felten Mangel an Lebensmitteln, auch sind diese nur fünf Procent theurer als auf den Marktplågen der Städte. Aber außerdem werden die Armeen von herumziehenden
Bemerkungen über die Marattens
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Getreidehändlern versorgt,
welche Banjaries *) heißen,
und ein besonderer Stamm zu sein scheinen. Diese führen auf Ochsen Getreide aus den entferntesten Gegenden hers bey.
Sie siehen in großen Caravanen mit Weib und tet , Provinz daß fiezur andern , und wurden sonst geach fo sehr Kind von einer
ungehindert mitten durch die streitenden Heere mit ihren Vorråthen zogen ,
aber seit
kurzem haben sie vieles von ihrer alten Unverleßlichkeit verloren , und Tippo hat ihre herumwandernde Magas zine
bisweilen
ausplündern lassen.
Indessen da die
Männer dieses Stammes immer gut bewaffnet reisen, und ihre Caravanen bloß an Lastthieren aus funfzig bis achtzigtausend Ochsen bestehen , so sind sie für sich allein im Stande Streifpartheyen abzuhalten.
Für Getreide
nehmen fie andere Waaren aus Dekan nach Hindostan zurück.
Sie weben auch aus Hanf ein grobes dichtes
Beug, das allgemein gesucht, und zu Kornsäcken und Kas meeldecken verbraucht wird,
Zuweilen beschäftigen fich
diese Banjaries auch mit dem Feldbau , und ich habe ſels ber in einem wüsten Theil von Guzeratte eine ziemliche Anzahl derselben damit beschäftigt gefunden, die sich von ihrer Arbeit reichlichen Gewinn versprachen.
Die Infanterie der Maratten wird immer von euros päischen Offizieren commandirt.
Diejenigen welche Bes
* Sie geboren zur dritten Klaffe , oder der Kafte der Bies Akbars Landbuch neunt Bunniah, und bemerkt dabey, daß zu dieſem Kornhändlerstamm vier und achtzig Unters abtheilungen gehören. Ausführlicher beschreibt diese Bans farries , welcke mit beladenen Lastochfeti umberzichen . 3 More's Account of Captain Littles Detachment , S. 129.
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Bemerkungen über die Maratten.
fehlshaber ganzer Brigaden sind, haben ansehnliche Bea soldung nebst andern Vortheilen.
Der Oberste Perron,
der dem vorher genannten de Boigne als Oberbefehlöa haber der ganzen Infanterie des Scindiah folgte,
und
hernach Generalfeldmarschall des Nizams wurde, hatte monatlich fünftauſend Rupien.
Andere europäische Bea
fehlshaber im Dienste dieses Fürsten erhalten alle Monate eintauſend bis dreytauſend Rupien , eben so reichlich , werden sie von andern indiſchen Fürſten befoldet. Holkar bezahlt dem Befehlshaber seiner Infanterie monatlich breytausend Rupien , und eben so viel erhielt der Oberste Boyd vom Peischwa. Dem verstorbenen Raymond , Bes fehlshaber der Infanterie des Nizam, war ein Lehn zur Bezahlung seines ganzen Korps angewiesen , das jährlich brey Millionen Rupien eintrug.
Europåer die als Sub-
alternoffiziere den Maratten dienen , bekommen monats lich von zweyhundert bis fünfhundert Rupien.
Die Bes
zahlung geschieht zwar nicht pünktlich, sie ist aber ges wiß und kein Verlust dabey zu befürchten ,
auch vers
langt der gewöhnliche Dienst in Friedenszeiten wenig Kosten.
Doch ist im Ganzen für Europåer, welche fich
entschließen indischen Fürsten zu dienen , wenig zu gewins nen ; weil dieſe in ewigen Kriegen verwickelt sind , und die Offiziere ihr Feldgeråth , Laftthiere und Knechte bes ständig bey der Hand haben müssen. welche ein großes Korps kommandiren ,
Nur diejenigen, können etwas
zurücklegen. Wird aber ein Europder krauk oder durch Wunden zum Dienſt untüchti so hat er keine weitere Belohnung zu erwarten. Es ist daher einem jedem Glückss sucher zu ratyen, 上 lieber sein Fortkommen in ben euron
Cones Bemerk.
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Bemerkungen über die Maratten.
päischen Niederlassungen , als Dienste bey einem indischen Fürsten zu suchen. Ich schätze, daß überhaupt in Indien bey den Armeen der verschiedenen , regulåre Truppen haltenden, Fürsten, etwa dreyhundert Europäer angestellt ſeyn mögen. Von dieſen haben etwa ſieben das Oberkommando anſehnlicher Korps, audy Gelegenheit einiges Vermögen zu erwerben. Sechzig andere dienen als Offiziere , und die übrigen meist Ausgetretene aus den europäiſchen Niederlaffungen oder von Schiffen sind als Unteroffiziere und Artilleristen hin und wieder angestellt ; und die meisten dieser Ueberläufer fino Franzosen.
Da sie unter keiner Diſciplin ſtehen , ſo
machen sie ihren Landsleuten durch ihr zugelloses Betras gen wenig Ehre, zeichnen sich aber durch Muth und Unerschrockenheit in Gefechten aus.
Bey den Marattens
fürsten geniessen alle Europäer Vorzüge , welche sie den Hindus nicht verstatten.
Alle europäischen Bedürfniffe,
welche sie verlangen gehen durch das ganze Land zoll und abgabenfrey.
An den indischen Höfen darf sich keiner
ohne Erlaubniß eines Palankins bedienen, aber ein Euros påer braucht diese Vergünstigung nicht.
Unter den Mas
hometanern kann ' er sich frey eines gelben Elefantenfißes bedienen, welche Farbe sonst nur den Nabobs verstattet ist.
Reist er durchs Land, so wird sein ganzes Gepåde
von einem Ort zum andern kostenfrey weiter geschafft, and er genießt in Absicht seiner Person und seines Eigens thums völlige Sicherheit.
Diese lettern Vorzüge ers
laubt man überhaupt allen indischen Militairpersonen.
Zum Besten derer, die künftig Indien bereisen , wi n ll ich hier noch einige dem Lande eigenthümliche Anstalten
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Bemerkungen über die Maratten.
anführen.
Die Gutmüthigkeit der Hindus ist von jeher
für die Bequemlichkeit der Reisenden besorgt gewesen. Dahin gehören die von Privatpersonen erbauten Hers bergen und Rüheplåte , wie auch die am Wege gegrabes nen Brunnen.
Die Wohlthätigkeit der Judier zeigt sich
auch bey andern von jeher gemachten Einrichtungen.
In
jedem Dorfe werden bloß zum Besten der Reisenden drey Personen auf öffentliche Kosten unterhalten.
Der erste
von diesen ist der Ifhkaur einer von den niedrigen Klaffen, der die Coolies oder Träger zur Fortschaffung der Reisenden und ihres Gepäcks besorgt.
Findet er diese nicht
unter den niedern Kasten , so sucht er sie unter den Golds schmieden aus , und geht auf diese Art alle Volksabthei lungen durch, bis er die erforderliche Mannschaft zusam menbringt, und kann er die nöthige Anzahl nicht erlans gen, so muß zuweilen der Schulze als Lastträger dienen. Ich habe selber mehr als einmal gesehen , daß sich Braminen dieser Last unterwerfen müssen. Jedoch pflegt man nicht leicht einen Muselmann zu diesem Dienst zu zwingen, er mag noch ſo arm und unbedeutend ſeyn .
Dieſe
Träger wechseln am nächsten Orte mit andern ab, und fie erhalten für ihre Bemühung nichts weiter als etwas groz bes Mehl , an ordentliche Bezahlung ist nicht zu denken. Die zweyte Person ist der Wegweiser gewöhnlich einer von den Bills oder wilden Waldbewohnern , welche wie oben bereits gesagt worden , rohe Barbaren sind , mit Pfeil und Bogen bewaffnet umherziehen , und unter dem Schutz irgend eines Fürsten stehen , dem sie einen Theil Von diesen werden zwey bis ihres Raubes abgeben. drey in jedem Dorfe auf Kosten des Ganzen unterhalten.
Bemerkungen über die Maratten.
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Der dritte gehört zu einer so angesehenen Kaste , daß jeder Indier das von ihm zubereitete Effen geniessen kann, ft u n ht erricdies Geschä kann ein Man so wohl , als eine Fra vund Sie kaufen für den Fremden Victualien auf
verrichten.
dem Markte ein , bereiten sie und erwarten dafür keine Belohnung. Ueberdem kann ein Reisender in jedem Dorfe, son dem Schulzen etwas Salz , Korn , Holz und einen Topf fordern sein Essen zu kochen. Bisher habe ich die militärische Verfassung der und auchzu Maratten beschrieben wird aber nöthig zu , es Armeen sie große warum , seyn halten zeigen, wozu sie solche gebrauchen.
Die Länder , welche sich der Herra
schaft dieser Räuberbande unterworfen haben , so werden. fle nou allen indischen Schriftstellern genannt ,
find neu
eroberte Provinzen meist von kriegerischen bisher unaba hängigen Völkern bewohnt , welche mit ihren neuen Herren höchst unzufrieden sind.
Der ehemalige Kaiser
von Delhi war nur ihr Oberherr dem Nahmen nach, und fie bezahlten ihm geringeru Tribut, als den jeht die Maz ratten von ihnen erzwingen. neueroberten,
Jede Rupie muß diesen
aber nicht überwältigten Ländern abges
preßt werden , und daher sind zum Eintreiben der Abs gaben große Heere nöthig.
Die Rasbüttenfürsten halten
es unter ihrer Würde, den auferlegten Tribut gutwillig zu bezahlen.
Ob sie gleich gewiß sind von den Maratten
geschlagen zu werden, so wagen sie doch lieber einen Felda zug um vielleicht ihre alte Independenz wieherstellen zu können.
Ihr Stolz wird bey dem Gedanken verwundet,
einem Volke unterworfen zu seyn , vor dem fie doch als Glieder einer höhern Kaste Rang und Vorzüge besitzen.
Bemerkungen über bie Maratten.
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Um fo unruhige, wiederspeuftige Provinzen im Gehorsam zu erhalten , ist
die ganze Kriegsmacht der Maratten
immer beschäftigt, und ich zweifle ob die Eroberungen in Hindostan die Kosten einbringen, welche die großen Armeen verursachen. Von allen Fürsten, die den Maratten - Tribut zahlen müssen, könnte sich der Rajah von Iyepor, der måchtigste der Rasbutten in Agimere am ersten von dieser Last befreyen.
Er besitzt große Reichthümer, und seine Unters
thanen gehören zu den tapfersten in Hindostan.
Aber
der jezt regierende Rajah iſt ein unbedeutender Prinz, der seine Zeit mit Frauenzimmern im Zenana tödtet , daher ſonſt Scindiah und Holkar ſein Gebiet mit ihren Heeren zu überschwemmen pflegten. Vor etlichen Jahren zwang ihn Scindias Feldherr de Boigne vor den Thoren seiner Hauptstadt sieben Millionen Rupien zu zahlen , und er gab lieber diese große Summe her, ehe er sich in seiner Vestung belagern ließ.
In der unten versuchten Skizze habe ich von den Einkünften und den Truppen , welche die vornehmsten Marattenfürsten stellen können , eine Uebersicht gegeben . Die ganze Mannschaft ist gerade nicht allezeit vorhanden, aber ich bin überzeugt , daß sie so viel und noch mehr zus fammenzubringen im Stande sind. Ihre Einkünfte bes tragen ebenfalls nicht alleJahre die hier berechnete Summe. Diese richten sich nach den Jahren des Ueberflusses und Mangels, und wenn das Getreide zu ſehr im Preiſe fällt, so hält es schwer die Abgaben vom platten Lande zu erz halten .
Nach meiner Schäßung haben nachstehende Fürs
Bemerkungen über die Maratten.
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ften folgende Einkünfte ,
und können an Reutern und
Jufanterie zusammenbringen :
Rupien. Cavallerie. Infanterie. Zusammen. 40,000 20,000 60,000 Manu , Der Teischwa 4 Crore
Scindiah Bonsulo Holkar Guicamar
60,000
30,000
90,000
solac 10,000 I so Lac 30,000 1 Crore C 30,000
10,000 4,000
60,000 34,000
6
30,000
16 Crore Rupien. 210,000 64,000 274,000 Mann.
Außer diesen ansehnlichen Einkünften von hundeft und sechzig Millionen Rupien oder deutschen Gulden, verwahren manche Fürsten in ihren Bergschlössern einen ungeheuren Schatz,
der aber ganz für die Circulation
verloren ist , und den sie nur bey der dringendsten Gefahr anzugreifen wagen.
Welche große Summen auf diese
Weiſe bey den Marattenfürsten und ihren erstenTh Beams atfas folgenden ten vergraben liegen , kann man aus r Nana der Staatssekretai Koum lett cen schließen.
Peischwa , der im December 1797 gestürzt wurde , und in Guzeratte gefangen saß, aber das Jahr darauf alle feine Würden wieder erhielt, gab selber seine Schätze auf zwanzig Crore, oder zweyhundert Millionen Rupien an, und versicherte, daß im Schaße des Peischwa noch grö ßere Summen verwahrt würden. Betrachtet man nach dem vorher gesagten den Maz rattenstaat im Ganzen , dessen ungeheuren Umfang , aber sehr geringe Bevölkerung , den rastiofen , unbezahmten Geist der eroberten Provinzen , und die Spaltungen un ter den Oberhauptern ,
und Staatspartheyen , so kann
Bemerkungen über die Maratten.
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man ihn unmöglich für so furchtbar halten , als man ihn gewöhnlich in Europa und Judien anzusehen gewohnt ist. Der Marattenstaat ist eine Verbindung ohne Einigkeit, nicht auf Vertrauen , sondern auf Eiferſucht und Mißtrauen gegründet ,
die Oberhäupter find unfähig zum
allgemeinen Besten zu handeln , Privatabsichten geleitet.
und werden nur von
Ihre Regierung ist in den
Hånden habsüchtiger Braminen ,
den treulosesten und
bestechlichsten unter dem ganzen Menschengeschlechte. Ich wünsche meinem Vaterlande keinen Krieg mit den Maratten , sollte es aber dazu kommen, so kann ich ihm den glücklichsten Erfolg vorhersagen,
Inhalt des dritten Theils.
I. Graffet Saint Sauveur Beschreibung der ehemaligen venetianischen Besigungen auf dem festen Lande und an den Küsten von Griechenland. II. Felix Beaujour Schilderung des Handels von Griechens land , besonders der Stadt Theffalonich. III. Cones Bemerkungen über die Maratten , vorzüglich ihre Verfassung und Kriegsmacht.