Berlin [1 ed.]
 9783428494309, 9783428094301

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BERLIN

SCHRIFTENREIHE DER GESELLSCHAFT FÜR DEUTSCHLANDFORSCHUNG BAND 59

BERLIN Herausgegeben von

Karl Eckart und Manfred Wilke

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Berlin / hrsg. von Karl Eckart und Manfred Wilke. - Berlin : Duncker und Humblot, 1998 (Schriftenreihe der Gesellschaft für Deutschlandforschung ; Bd. 59) ISBN 3-428-09430-1

Alle Rechte vorbehalten

© 1998 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-5774 ISBN 3-428-09430-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97069

INHALT Vorwort .............................................................................................................. 7 Eberhard Diepgen Der Weg Berlins von der Vier-Mächte-Stadt zur wiedervereinigten Hauptstadt. ........................................................................................................... 9 Jens Hacker Der Rechtsstatus und die politische Praxis 1945 - 1989/90 ............................. 23 Markus Meckei Selbstbestimmung und Verantwortung. Von der friedlichen Revolution zur deutschen Vereinigung ............................ 57 Uwe Thaysen Wege des politischen Umbruchs in der DDR. Der Berliner und der Dresdner Pfad der Demokratiefmdung .............................................................. 69

C. Wolfgang Vogel Aktuelle Probleme und Entwicklungskonzepte in der Metropolregion BerlinI Brandenburg ..................................................................................................... 91 Manfred Kern-NeUe Aktuelle Probleme und Entwicklungskonzepte in der Wirtschaftsmetropole Berlin ............................................................................................................... 105 Klaus Schroeder Sozialökonomische Aspekte der gescheiterten Länderfusion BerlinlBrandenburg ................................................................................................................ 113

Verfasser und Herausgeber ............................................................................ 141

VORWORT Die vorliegende Publikation ist das Ergebnis der 19. Jahrestagung der Gesellschaft filr Deutschlandforschung, die in der Zeit vom 6. bis 7. März 1997 im Roten Rathaus in Berlin stattfand. Obwohl Probleme der Stadt Berlin in vielen vorhergehenden Veranstaltungen angesprochen worden waren, war das Thema Berlin selbst jedoch bis dahin nicht thematisiert worden. Infolge der jüngeren und jüngsten dramatischen, politischen und sozialökonomischen Veränderungen schien es deshalb dringend notwendig, sich mit "Berlin" als Thema auseinanderzusetzen. Nach Gründung des Deutschen Reiches 1871 war Berlin zunächst Hauptstadt des Kaiserreiches, dann der Weimarer Republik, dann des nationalsozialistischen Deutschland. Sie war kulturelles und wirtschaftliches Zentrum, in jeder Hinsicht dynamischer Wachstumspol, Vorbild für andere Städte, Schaufenster der Nation, aber auch die Metropole, von der 1914 und 1939 Krieg ausging und in der Terrorzentralen zweier Diktaturen ihren Sitz hatten. Nach 1945 wurde Berlin als Vier-Sektoren-Stadt Symbol für die deutsche Teilung. Zum Verlust der Hauptstadtfunktion für ein ganzes Deutschland kam die Spaltung der Stadt. Diese hatte für die beiden Teile Berlins unterschiedliche Konsequenzen. Der von den Sowjets besetzte Ostteil der Stadt wurde 1949 zur Hauptstadt der DDR, der Westteil der Stadt, das freie Berlin, wurde zum Unterpfand der Westbindung der Bundesrepublik. Angefangen von der Berlinblockade 1948/49 über die zweite Berlinkrise von 1958-1963, die im Bau der Mauer 1961 kulminierte, bis zum Vier-Mächte-Abkommen über den Transitverkehr nach West-Berlin, blieb die Stadt Berlin ein Brennpunkt des Ost-WestKonflikts. Mit dem Fall der Mauer Ende 1989, dem Untergang der DDR, der deutschen Vereinigung Anfang Oktober 1990 und dem Beschluß des Deutschen Bundestages im Jahre 1991, Parlament und Regierung von Bonn nach Berlin zu verlegen, änderte sich die Situation in Berlin völlig. Aus der hoffnungslosen Insellage von West-Berlin und der vom Weltmarkt abgeschnittenen DDRHauptstadt wurde über Nacht eine vielversprechende Mittellage in Europa. An die alte Brückenfunktion zwischen West- und Osteuropa kann wieder angeknüpft werden. Es ist ein Prozeß in Gang gekommen, bei dem sich Erfolg und Probleme der vergrößerten und veränderten Bundesrepublik zunehmend in

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Vorwort

Ber!in darstellen. Man kann erkennen, wie Deutschland zusammenwächst. Fortschritte und Schwierigkeiten werden sichtbar. Aber es wird wohl noch einige Jahre dauern, bis die "innere" Einheit erreicht sein wird. Es liegt auf der Hand, daß bei der Behandlung des Themas "Berlin" heute, die Geschichte seiner Teilung nach 1945 nicht ausgeblendet werden kann. Dazu gehört ein Rückblick auf die Besonderheiten Berlins als Vier-Mächte-Stadt. Und wer wäre wohl kompetenter als der Regierende Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen, der über viele Jahre hautnah mit diesen Problemen seiner Stadt konfrontiert wurde. Nicht aus der Praxis vor Ort, sondern als Wissenschaftler beschäftigte sich Prof. Dr. Jens Hacker von der Universität Regensburg mit dem Rechtsstatus und der politischen Praxis der Mächte in der Stadt, in der ihre Siegerrechte bis 1990 galten. Bürgerbewegungen und friedliche Revolution in der DDR waren Ende der achtziger Jahre eine wichtige Voraussetzung rur den Weg zur deutschen Vereinigung. Auch dieser Aspekt wird hier berücksichtigt. Ein Akteur von damals, der sich als hervorragender Kenner des Vereinigungsprozesses erwies, ist das Mitglied des Bundestages, Markus Meckel. Seine Ausführungen werden kontrastiert durch das Referat über die Entwicklung von der friedlichen Revolution zur deutschen Vereinigung von Prof. Dr. Uwe Thaysen, der den "Berliner" und "Dresdner" Weg zur Einheit vergleicht und damit die Deutschlandpolitik der Bürgerbewegung reflektiert. Neben der politischen Dimension sind jedoch auch ökonomische Aspekte berücksichtigt worden. Dr. Manfred Kern-Nelle von der Industrie- und Handelskammer zu Berlin befaßte sich mit aktuellen Problemen und Entwicklungskonzepten in der Wirtschaftsmetropole Berlin. Eine regionale Ausweitung dieses Themas auf die Metropolregion Berlin-Brandenburg behandelte dann Dr. Wolfgang C. Vogel, Ministerialdirektor im Bundesministerium rur Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Und schließlich wurde noch ein Beitrag von Priv.-Doz. Dr. Klaus Schroeder aufgenommen. Seine Ausführungen über die gescheiterte Fusion von Berlin und Brandenburg runden diese Publikation mit einem Themenkomplex ab, der - wie viele andere Aspekte - die Experten und eine interessierte Öffentlichkeit auch weiterhin noch beschäftigen wird. Kar! Eckart und Manfred Wilke

Eberhard Diepgen DER WEG BERLINS VON DER VIER-MÄCHTE-STADT ZUR WIEDERVEREINIGTEN HAUPTSTADT Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben einer großen Stadt gibt es in Berlin einiges zu berichten. Auch wenn uns die Vergangenheit manchmal beim Zusammenwachsen und in den Zukunftschancen zu behindern droht, so verdient doch eines der faszinierendsten und schrecklichsten Kapitel in der Geschichte unseres Jahrhunderts nicht vergessen zu werden. In den achtziger Jahren trat der sogenannte Kalte Krieg in sein letztes Stadium. Von nur wenigen Beobachtern bemerkt, veränderte sich das tektonische Gefüge dieser Epoche und damit die Gestalt Europas. Ich will aus Berliner Sicht einige Anmerkungen machen über den Weg von der Vier-Mächte-Stadt zur wiedervereinigten Hauptstadt Berlin. Die achtziger Jahre sind nicht nur im Rückblick eine besonders spannende Phase in den Beziehungen zwischen Ost und West. Der glückliche Ausgang der Geschichte, also die Aufhebung der Teilung, darf nicht vergessen machen, daß es auch anders hätte kommen können. Zwar funktionierte das "Lebensverhältnis" zwischen Berlin und den Westmächten - Schutz gegen Treue - bis zuletzt gut. Aber immer mehr, vor allem jüngere Bewohner Berlins, hielten das Auftreten alliierter Truppen in der geteilten Stadt und einige Details im Status für anachronistisch. Insofern hat man in den westlichen Sektoren einen Wettlauf gegen die Zeit gewonnen. Hätte Günter Schabowski seine folgenreichen Worte an jenem historischen Abend nicht gemacht - vielleicht wäre die Geschichte dann anders verlaufen. Denn in der Berliner SPD gab es schon Mitte der achtziger Jahre Bestrebungen, die sogenannten Geraer Forderungen von Erich Honecker zu akzeptieren und dem Berlin-Status insgesamt nur noch eine untergeordnete Bedeutung beizumessen. Ich will meine deutschlandpolitischen Betrachtungen über die achtziger Jahre mit meinem Vorgänger als Regierender Bürgermeister beginnen. Als Richard von Weizsäcker 1981 sein Amt in Berlin antrat, war man gespannt, welche Akzente er setzen und vor allem, wie er mit der höchst komplexen Materie des Berlin-Status umgehen würde. Denn hier trat jemand an, der in großen Perspektiven dachte, der nicht dem Trend folgte, sondern der eine Richtung vorgeben wollte.

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Richard von Weizsäcker gehörte zu den westdeutschen Politikern, die den östlichen Teil Deutschlands als Mitte verstanden und stets mitbedachten, wenn sie europäische oder Ostpolitik zu gestalten suchten. Als ehemaliger Kirchentagspräsident war er ftir Deutsche in Ost und West Repräsentant gewesen. Wo immer er konnte, hatte er deutsche Gemeinsamkeiten betont. Als prominentes Mitglied des Bundesvorstandes der CDU hatte er zudem Aufsehen erregt als BefUrworter der sozialliberalen Ostpolitik, als dialogbereiter Deutschlandpolitiker. Allein schon diese Kombination machte neugierig. Und das zu Recht: Denn bald wurde deutlich, daß von Weizsäcker entschlossen war, die Deutschlandpolitik auch von Berlin aus in Bewegung zu bringen. Konkret ging es natürlich immer wieder um kleine und kleinste Verbesserungen der Lebensbedingungen in der geteilten Stadt. Das sich abkühlende internationale Klima im Zuge der Nachrüstungsdebatte bereitete zusätzliche Schwierigkeiten. Doch Verhandlungen mit "der anderen Seite" begriff von Weizsäcker immer auch als Instrument, das die Bedeutung Berlins im Spiel der Kräfte zwischen Bonn, Washington, Paris, London, Moskau hervorhob. Die seit Jahrzehnten ummauerte Stadt mußte um ihrer Zukunft willen international und bundespolitisch Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Die ständige Sorge der Berliner, von der übrigen, insbesondere von der Freien Welt vergessen und an den Rand gedrängt zu werden, später angesichts sich verbessernder Ost-West-Beziehungen links liegengelassen zu werden, erforderte eine aktive Mitgestaltung der Deutschlandpolitik durch den Regierenden Bürgermeister von Berlin. Dabei mußte der Status gewahrt und den sich allmählich wandelnden Verhältnissen zugleich Rechnung getragen werden; auch das war eine Überlebensfrage. Denn trotz des Vier-Mächte-Abkommens blieb man in den siebziger und achtziger Jahren voreinander auf der Lauer, vermutete hinter jeder Aktion Finten, Fallen und ungute Präzedenzfälle, die womöglich die eigene Rechtsposition aushöhlen könnten. Das Vorgehen Richard von Weizsäckers war nicht ohne Risiko. Als Regierender Bürgermeister war er damals angehalten, bei jedem Schritt, den er auf innerdeutschem oder internationalem Parkett machte, auf feinste Abstimmung mit dem Bund einerseits und mit den alliierten Schutzmächten andererseits zu achten. Dabei bestand die hohe Kunst der Politik in der Durchsetzung eigener Ziele bei Wahrung der Interessen des anderen, in der Kombination von diskreten Kontakten, klarer Verhandlungssprache und dauerhaft wirksamer - weil gegenseitigen Interessen dienender - Ergebnisse. Spätere Generationen wird es amüsieren, weIche Lappalien damals hochqualifizierte Kräfte auf allen beteiligten Seiten immer wieder und über lange Zeit beschäftigten. Man wird darüber lächeln, in welchen Verschränkungen

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gedacht wurde, und erstaunt sein, wie weit diese Stadt in jener Zeit noch von Nonnalität entfernt war. Hier war nichts einfach und zugleich das Unmögliche möglich. Wie ein sittsames, auf seinen Ruf bedachtes Mädchen hatte Berlin deshalb bei seinen Kontakten zum Ostblock oder nach Berlin (Ost) stets auf schützende Begleitung durch einen Vertreter der Bundesregierung zu achten. Denn statusrechtlich blieb kaum etwas so umstritten und prekär wie die Frage der Zugehörigkeit Berlins zum Bund. Da konnte man sich mitunter einer großen Allianz europäischer Legalisten gegenübersehen. Der Regierende Bürgenneister Richard von Weizsäcker hatte diesen Feinheiten 1983 bei seinem Besuch Erich Honeckers ausgerechnet in Berlin (Ost) nicht die bisher nötige Aufmerksamkeit gewidmet. Berlin war wegen des Vier-Mächte-Status von ganz Berlin ausdrücklich nicht als Hauptstadt der DDR anerkannt. Weizsäcker hat ohne die Begleitung des ständigen Vertreters der Bundesrepublik Deutschland, HansOtto Bräutigam, beim SED-Generalsekretär und· Staatsratsvorsitzenden vorgesprochen, wohl aber in Anwesenheit des fUr Berlin (West) zuständigen Abteilungsleiters des Ministeriums fUr Auswärtige Angelegenheiten der DDR, Dr. Müller. Daraufhin hatten die drei alliierten Schutzmächte und die Bundesregierung am 25. 10. 1983 ihre Besorgnis über dieses Vorgehen und über mögliche negative Auswirkungen fUr den Status der Stadt zu Protokoll gegeben. Eine Woche später belehrte der fUr die Berlin- und Deutschlandpolitik in der Senatskanzlei zuständige Abteilungsleiter Gerhard Kunze den Regierenden Bürgenneister Richard von Weizsäcker über Zusammenhänge und Hintergrunde des Status von Berlin und befand, daß eine Fortsetzung des Kontaktes in naher Zukunft nicht zweckmäßig sei: "Sollte es dennoch zu einem derartigen Gespräch kommen, empfehle ich zwecks Venneidung einer Wiederholung des ersten Gespräches folgendes: - Vorbereitung ohne Zeitdruck mit dem Bundeskanzleramt und unter Einbeziehung des Auswärtigen Amtes und der Alliierten, - Begleitung der VerhandlungsfUhrer auf beiden Seiten lediglich durch einen Mitarbeiter aus dem Persönlichen Büro oder aus dem Parteiapparat. Kunze fuhr in seinem Vennerk fort: "Außerdem ist zu erwägen, ob gegen die vorgenannten Aktivitäten Verwahrung oder Protest einzulegen und damit der Leiter der Ständigen Vertretung, Dr. Bräutigam, zu beauftragen ist. Eine solche Aktion wäre auch ein geeignetes Mittel, der Kritik an der bisherigen Nichtbeteiligung Dr. Bräutigams öffentlichkeitswirksam zu begegnen." Richard von Weizsäcker hatte rasch bemerkt, daß die Art seines Auftretens äußerst ungewöhnlich war. Das Auswärtige Amt beschwerte sich umgehend

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über die Art und sah einen Präzedenzfall, der im Falle eines Besuches des Regierenden Bürgermeisters in Moskau die Begleitung durch den deutschen Botschafter verhindern würde: "De facto geben wir eine Linie preis, die wir bisher gehalten haben", hieß es in einem entsprechenden Schreiben des Auswärtigen Amtes. Darüber hinaus führe die "zunehmende Neigung deutscher Politiker, die politische Substanz protokollarischer Fragen dieses Landes zu unterschätzen", zu einem Verfall der innerdeutschen Regeln. Auch der französische Präsident ließ den Regierenden Bürgermeister von Weizsäcker kurz darauf anläßlich eines Paris-Besuches im Elysees-Palast ungebührlich lange warten, der deutsche Botschafter hatte gar draußen bleiben müssen - das wurde bisher nur in kommunistischen Ländern angedroht. Und auch die östliche Seite machte schnell klar, daß man nicht davon abweichen wollte, das Vier-Mächte-Abkommen in Abwandlung der Frank-Falin-Formel "voll einzuhalten und strikt anzuwenden". Insofern gewann man durch schnelles Vorgehen im Osten nicht viel mehr dazu, im Westen lief man aber Gefahr, das Bewährte zu verlieren. Dies war auch der Ausgangspunkt für die Politik der etwas größeren Schritte, die nach dem Wechsel Richard von Weizsäckers in die Villa Hammerschmidt folgte. Die Zeit schien also reif für vorsichtige Experimente, gleichzeitig ging es darum, Fehler im Verfahren zu verhindern. Mein Bestreben in der Berlin- und Deutschlandpolitik war es von Anfang an, die Bindungen und Verbindungen zwischen Berlin (West) und dem übrigen Bundesgebiet zu stärken und zu entwickeln, so wie es das Vier-MächteAbkommen von 1971 als möglich ansah. Gleichzeitig war mit dem Abkommen noch einmal von den Westalliierten der Status quo festgeschrieben worden, nicht zuletzt, weil man von der nach wie vor geistig expandierenden Sowjetunion eine weitere statusrechtliche Landnahme befürchtete. Berlin galt den vier Alliierten weiterhin nicht als konstitutiver Bestandteil der Bundesrepublik Deutschland und durfte nicht direkt von ihr regiert werden, was die Übernahmenotwendigkeit aller Bundesgesetze durch das Abgeordnetenhaus, wenn auch in einem formalen Akt, erforderte. Diese Bindungen und Verbindungen zu vertiefen und unumkehrbar zu machen und gleichzeitig die Folgen der Teilung für die Deutschen erträglicher zu machen, waren Sinn und Ziel meiner Berlin- und Deutschlandpolitik. Aus der Insel sollte eine Halbinsel werden, damals ein großes Ziel, heute ist sie bereits Festland. Die Linie des Senats wurde in einem Vortrag Wilhelm Kewenigs vor der Juristischen Gesellschaft zu Berlin am 15. Februar 1984 beschrieben und neun Tage später von mir in der Regierungserklärung vor dem Abgeordnetenhaus interpretiert: Berlin ist nicht nur, sondern hat auch eine nationale Aufgabe - dies

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der Tenor seiner Überlegungen. Die Stadt müsse vielmehr "Vorposten mit Erkundungs- und Erprobungsaufträgen" werden. Dafür müßten "gewisse Erstarrungen" abgeschmolzen werden. "Berlin selbst muß aus seinem Rollenverständnis als bloßes Objekt der Bonner Deutschlandpolitik vorsichtig, aber beherzt heraustreten." Am 3. Mai 1984 hielt ich anläßlich eines Abendgesprächs bei Dr. Gerhard Schröder eine Rede zum Thema "Atmosphäre und Substanz - Anmerkungen zur Deutschlandpolitik aus Berlin". Ich kennzeichnete Berlin als einen Ort, an dem sich Fortschritte oder Rückschritte im deutsch-deutschen Verhältnis am deutlichsten für die Menschen auswirken. Wörtlich fuhr ich fort: "Daraus leite ich eine besondere Verantwortung für Berliner Politik in Richtung auf das übrige Bundesgebiet ab. Diese Verantwortung sehe ich darin, auszuloten, gemeinsame Interessen aufzuspüren, festzuhalten, wo man Fortschritte erzielen kann, und unter diesem Gesichtspunkt dann die Linie der deutsch-deutschen Politik, die von der Bundesregierung weitgehend verantwortet wird, mitzubestimmen. Dies wollen wir Berliner aber nicht gewissermaßen vor der Linie, sondern in der Linie tun. Im ganzen scheint mir am wichtigsten zu sein, was ich hier einmal als Atmosphäre, die Substanz hat oder bewirkt, bezeichnen möchte." Als Beispiel für eine solche "substanzgeschwängerte" Atmosphäre nannte ich die Ereignisse um den Tod des Transitreisenden Burkert, den Milliardenkredit oder auch die Verbesserung im Transit-Reise- und Besucherverkehr, aber auch das Durchbrechen der Schallgrenze von sowjetischen Düsenjägern über Berlin (West). Abschließend verwies ich noch auf die Renaissance deutscher Themen in Ost und West, beispielsweise die Rezepierung von Martin Luther oder Friedrich dem Großen in beiden Teilen Deutschlands, eine deutsch-deutsche Annäherung an das Nationale. Es ist interessant, daß in diesem Zusammenhang auf den Begriff der Nation eingegangen wurde, aber. in Berlin dachte man natürlich immer das ganze Deutschland mit. Im übrigen war auch das Referat 210 im Auswärtigen Amt für "Fragen, die Berlin und Deutschland als Ganzes betreffen", zuständig. In diesem Spannungsfeld von weltpolitischer Verwicklung, nationaler Verantwortung und kommunaler Notwendigkeiten vollzog sich die "Deutschlandpolitik" Berlins, die in enger Abstimmung mit Bundesregierung und alliierten Stadtkommandanten, aber zunehmend selbstbewußt die Regelungen mit der DDR traf.

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Dabei hieß es stets, vorsichtig zu sein, daß man die DDR-Position von drei Staaten in Deutschland nicht unterstützte. Unverändert kam dabei der von Brandt und Bahr ersonnenen "agree-to-disagree"-Formel großes Gewicht zu. Wo es in den Protokollen der Senatskanzlei hieß: "Gespräch des Regierenden Bürgermeisters und Mitglieds des Vorstandes der CDU Deutschlands mit dem Generalsekretär der SED", versuchte die DDR-Seite stets, die Besuche als "Staatsbesuche" erscheinen zu lassen. Diese Schwierigkeiten wurden schon 1979 in der Senatskanzlei gesehen, als in einem Vermerk vom 13. September die Möglichkeiten eines RBm-Besuchs in "Berlin(Ost)/DDR" erörtert wurden, in dem als Option ein rein privater Besuch mit oder ohne größeren Bevölkerungskontakt erörtert wurde, ein offizieller Staatsbesuch auf Einladung der DDR-Regierung von vornherein aber ausschied. Abschließend hieß es: "Von der Zielsetzung her könnte es hilfreich sein, wenn der Besuch zu einem Kontakt mit DDR-Offiziellen fUhrt, ohne auf der anderen Seite DDR-Empfindlichkeiten hervorzurufen." Erwogen wurde ein Zusammentreffen mit DDR-Offiziellen wie Joachim Hermann, Hermann Axen, Herbert Häber oder dem Stoph-Vertrauten von Berg im Rahmen eines Herrenessens bei Staatssekretär Günter Gaus. In einem Vermerk vom 15. Dezember 1982 faßte der Abteilungsleiter in der Senatskanzlei, Gerhard Kunze - der Beauftragte des Senats fUr "Reise- und Besuchsangelegenheiten" mit "der anderen Seite" - noch einmal die Position des Senats zusammen: Rechtlich bestünden die Schwierigkeiten und Vorbehalte Berlins fort. Allerdings hatte das Bundesverfassungsgericht im Grundlagenvertragsurteil die Möglichkeit offengehalten, daß Berlin eigene Verträge mit alliierter Ermächtigung abschließen kann, wenn der Gegenstand in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fällt, soweit aufgrund alliierter Vorbehalte der Bund nicht tätig werden kann oder wenn ein besonderer alliierter Auftrag vorliegt. Zu den Gesprächsmöglichkeiten hieß es: "Die vorstehend dargelegten Grundsätze gelten rur den Bereich des Abschlusses von Verträgen. Rechtliche Regelungen über Kontakte von Politikern oder Regierungsmitgliedern des Landes Berlin mit Politikern und Staatsfunktionären der DDR existieren expressis verbis nicht, wenngleich etwa das Gebot der Bundestreue gewisse Grenzen setzt. Eine rechtliche Beschränkung derartiger Kontakte aufgrund alliierter Vorschriften existiert allenfalls insoweit, als die Alliierten vor Aufnahme von Kontakten mit der DDR konsultiert werden müssen. Dies ergibt sich aus dem BKIL (73)46 vom 20. 11. 1973 betr. Senat-DDR/Kontakte. Diese Vorschrift stellt zwar expressis verbis auf Kontakte im Zusammenhang mit beabsichtigten Verhandlungen über lokale Probleme ab. Aber aus der Überschrift und aus dem Zusammenhang muß jedoch geschlossen werden, daß die Alliierten auch dann

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eine Konsultation erwarten, wenn Kontakte anderer Art - insbesondere politischer Art - beabsichtigt sind." Ich möchte aus meiner politischen Praxis berichten, zu welchen Ergebnissen und mitunter auch Verwicklungen dies führen konnte. Die Besuchsdiplomatie des neuen Regierenden Bürgermeisters Diepgen begann kurz nach dem Amtsantritt im Februar 1984. Schon im März traf ich auf der Leipziger Messe mit Günter Mittag zusammen. Das war protokollarisch und statusrechtlich ein völlig unbedenklicher Vorgang, da Leipzig unstreitig auf dem Gebiet der DDR lag. Schwieriger war eine Wiederholung des Treffens eines Regierenden Bürgermeisters mit Erich Honecker, nachdem der Besuch Richard von Weizsäckers 1983 hohe Wellen geschlagen hatte. Im Unterschied zu meinem Vorgänger wollte ich die deutschlandpolitischen Feinheiten beachten und dementsprechend vorsichtig und sozusagen auf ordnungsgemäßem Dienstweg die Vorbereitungen meines Messebesuches in Leipzig beginnen, wo ich am 16. März 1986 mit Honecker zum ersten Mal sprach. Dem vorausgegangen waren einige Besuche meinerseits, so zum Beispiel bei Günter Mittag anläßlich der Leipziger Frühjahrsmesse 1984, Ende September 1985 auf einem Empfang der "Neuen Ruhrzeitung" am Müggelsee oder einen Monat später die Teilnahme an der zentralen Veranstaltung aus Anlaß des Hugenotten-Edikts in der Potsdamer Nikolaikirche. All diese Besuche wurden von der Senatskanzlei vorbereitet. Die damalige Abteilung 11 war für Berlin-Politik zuständig. Das Referat 11 A (Bruch) für Statusfragen und die Beziehungen zum Bund, das Referat 11 B (Kabiseh) für Transitfragen und das Referat 11 C (Hinkefuß) für den Reise- und Besucherverkehr. Auch meine Mitarbeiter bekamen alle atmosphärischen Störungen - sei es Wind aus dem Westen oder Sturm aus dem Osten - mit. So protestierten die Sowjets schärfstens beispielsweise gegen jeden internationalen Kongreß, der mit Bundesbeteiligung im ICC stattfand, aber auch die Alliierten zeigten ab und zu ihre "Folterwerkzeuge", wenn ihnen die Richtung der Berliner Bemühungen nicht paßte. Überhaupt wachten auch die Westalliierten sehr eifersüchtig selbst im Binnenverhältnis über ihre eigenen Grenzen und Rechte. Anläßlich eines Staatsbesuches des französischen Präsidenten Mitterrand, der vor dem Maison de France am Kurfürstendamm (britischer Sektor) eine französische Musikkapelle spielen lassen wollte, spielte sozusagen als Ausgleich an der Grenze zwischen dem französischen und dem britischen Sektor eine britische Militärkapelle einen Willkommensgruß, als der französische Präsident vorbeifuhr. Atmosphärisch gab es in den achtziger Jahren eine ganze Reihe von Verbesserungen bei fortbestehenden Differenzen in der Stadt. Protokollfragen klärten sich beispielsweise mehr im Sinne einer gleichberechtigten deutschen

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Position. Dabei durfte die oberste Gewalt der Alliierten in der Vier-MächteStadt nicht in Frage gestellt werden. Aber aus der Berichterstattung des Regierenden Bürgenneisters bei monatlichen Kommandantentreffen wurde immer mehr ein Treffen zur Diskussion anstehender Fragen. Im Jahre 1989 - noch vor dem Fall der Mauer - lud der Regierende Bürgenneister selbst zu diesen Runden ein und empfing die Alliierten als Gastgeber im Schöneberger Rathaus, während bis dahin diese Treffen demonstrativ und symbolisch bei den Stadtkommandanten stattfanden. Der Vorrang alliierter Protokolloffiziere beim Empfang von Staatsgästen blieb unbestritten, aber umgangen. Der Regierende Bürgenneister - der erwartete Gastgeber des Staatsgastes - stellte sich auf seiner hinteren Position der Begrüßungslinie auf die Mitte des Teppichs. Damit ging der Staatsgast zunächst auf ihn zu. Das berlintypische Protokoll- und Teppichproblem war gelöst. Die Frage, ob die Wehrgesetzgebung ein Stück weit auf das Land Berlin ausgedehnt werden würde, wenn deutsches Verwaltungsverfahrensrecht bei der Zustellung von Einberufungsbescheiden im übrigen Bundesgebiet zur Anwendung gelangte, spielte bei den zwei Divisionen von Wehrflüchtlingen in den Westsektoren eine nicht ganz unwichtige politische Rolle. Die Frage, ob der maschinenlesbare Personalausweis auch in Berlin eine gewisse Ähnlichkeit mit dem "westdeutschen Personalausweis" haben könnte, führte zu langwierigen ornithologischen Auseinandersetzungen über die Größe des abgebildeten Bundesadlers und den Namen der Druckerei. Kurz nach meinem Amtsantrit 1984 zeigten mir die Vorgänge um die zu erneuernde Glienicker Brücke, daß auch die Westalliierten um des globalen Friedens willen nur begrenzt bereit waren, Berliner und bundesdeutsche Positionen gegenüber sowjetischen Ansprüchen zu unterstützen. Die östliche, also an Zehlendorf anknüpfende Hälfte der bauflilligen, nur von den Alliierten benutzten und für Deutsche gesperrten Glienicker Brücke war bereits renoviert worden, die DDR hingegen wollte sich zur Renovierung der westlichen, also der Potsdamer Hälfte, nicht bereitfinden. Entgegen der Position des Berliner Senats, die von der Bundesregierung gedeckt wurde, forderten auch die Westmächte die Finanzierung der gesamten Renovierung durch Berlin (West) und damit durch den westdeutschen Steuerzahler, eine Forderung, der ich nur wegen meiner bisherigen äußerst kurzen Amtszeit und erst kurz vor Ablauf eines Ultimatums nachgekommen bin. Eine solche Regelung widersprach allen grenzüberschreitenden Gepflogenheiten und war ein gefährlicher Präzedenzfall für andere grenzüberschreitende Berliner Brücken. Unter den Sachfragen, die im Verhältnis zur DDR eine große Rolle spielten, waren es vor allem die vielen technischen Fragen, die im Vordergrund standen und die in der Regel gegen Geld konstruktiv gelöst werden konnten. Es war eine Frage des Preises und des Zustandes der Ost-West-Beziehungen: Wenn die

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Nachrüstung anstand, dann kostete das Wohlverhalten etwas mehr und die Verhandlungen dauerten dementsprechend länger. Die Erfolge dieser Politik, aus der Insel wenigstens eine Halbinsel zu machen, waren gerade in den achtziger Jahren aber beachtlich. Ich erinnere hier nur an Berlins Anbindung an das internationale Stromverbundsystem, an die Schnellbahnverbindung, an die Erdgasverbindung, an die Schleuse Spandau, an die Vereinbarung des Berliner Senats mit der Deutschen Reichsbahn über die SBahn, an das Berliner Gewässerschutzabkommen, an die neue Autobahn Hamburg-Berlin, an den Ausbau des Bahnhofs Zoologischer Garten, an den Gebietsaustausch, zuletzt verwirklicht 1988 am sogenannten Lenne-Dreieck in der Nähe des Potsdamer Platzes und an die noch kurz vor der Maueröffnung verabredete Öffnung eines weiteren Transitüberganges im Süden Berlins am Schichauer Weg. Gleichzeitig ging es uns darum, die vielen kulturellen Fragen zwischen Berlin (Ost) und Berlin (West) im konstruktiven Geist zu regeln. Ich nenne hier nur die SchloßbTÜckenfiguren, das Ephraimpalais, das Schillerdenkmal, die 750-Jahr-Feier, die Philharmoniker, die KPM- und die Humboldt-Sammlung. Schließlich ging es stets um wirtschaftliche Fragen, um den Ausbau des Handels und die stärkere Einbeziehung Berlins in den Ost-West-Austausch. Denn immer wieder gab es Versuche, Berlin aus den Fortschritten der Entspannung auszuklammern. Humanitäre Fragen lagen uns in Berlin naturgemäß am Herzen, denn vor jedem Treffen mit Vertretern der DDR wurden mir Listen überreicht von Menschen, die ausreisen wollten oder keine weitere Haft mehr ertragen konnten. Für die DDR-Seite ging es bei allen Verhandlungen vor allem um Devisen, aber auch um internationale Anerkennung und Aufwertung 1987 wurde schließlich zum deutschlandpolitischen Schlüsseljahr der Berliner Politik. Die Protokolle meiner Treffen mit Honecker sind kürzlich veröffentlicht worden und lesen sich heute noch spannend. Sie sind zusammen mit anderen Dokumenten über diese Zeit in Heinrich Potthoffs Buch über die "Koalition der Vernunft" enthalten,. neben Timothy Garton Ash der wohl bedeutendste Beitrag über die Deutschlandpolitik der achtziger Jahre. 1987 war ein Schlüsseljahr und natürlich auch deshalb so wichtig rur unsere Stadt, weil der 750. Geburtstag auf der Tagesordnung stand und dies zu einem ganz wichtigen Gradmesser ftlr den Zustand der innerdeutschen Beziehungen wurde. Über viele Monate trafen sich der Chef der Senatskanzlei Detlev Stronk und der Senatssprecher Winfried Fest mit Staatssekretär Kurt Löffler, um über gemeinsame Geburtstagsaktivitäten nachzudenken. Im öffentlichen Interesse stand besonders die sogenannte Einladungspolitik. Würde es abgestimmte 2 Eckart/ Wilke

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Geburtstagsfeierlichkeiten mit gegenseitigen Besuchen geben oder würde die 750-Jahr-Feier von der DDR-Führung genutzt, um Berlin (Ost) als sogenannte Hauptstadt der DDR und Berlin (West) als sogenannte selbständige politische Einheit darzustellen, als zwei Städte also, die nichts oder möglichst wenig miteinander zu tun haben. Im Ergebnis gab es kaum Gemeinsamkeiten. Wie sooft war die Solidarität mit dem freien Berlin aus dem Westen nicht immer überzeugend. Man beteiligte sich, mitunter ohne Rücksicht auf die Position von Berlin (West), an Veranstaltungen im Ostteil der Stadt. Meine Besuche in den östlichen Bezirken und meine Teilnahme an einzelnen Jubiläumsveranstaltungen wurden bis zur Groteske vom Ostprotokoll vor den DDR-Repräsentanten abgeschirmt. Bei den vorrangig von der Kirche organisierten Veranstaltungen kamen und gingen die Bürgermeister durch unterschiedliche Türen. Für Aufregung sorgte eine Einladung des Berliner Senats an Erich Honecker. Für kurze Augenblicke schien ein solcher Besuch nicht ausgeschlossen, und einige im Senat fUrchteten sich schon vor den daraus resultierenden Sicherheitsproblemen. Nach einem langen Tauziehen nutzte der SED-Generalsekretär schließlich einen Brief des Regierenden Bürgermeisters an die Ministerpräsidenten der Bundesländer zum Vorwand, die Einladung kurzfristig auszuschlagen und seine Teilnahme an den Feierlichkeiten im ICC abzusagen. Überzeugend war die Begründung nicht. In dem Brief stand nicht sehr viel mehr, als daß das Land Berlin die übrigen Bundesländer darum bat, Besuche im Ostteil der Stadt nicht zu übertreiben; denn damals hatte ein richtiger Wettlauf eingesetzt, wer am häufigsten bei Honecker auf dem Sofa Platz nehmen und sich dann im "Neuen Deutschland" auf Seite 1 wieder finden durfte, ein Wettrennen, an dem sich auch ausländische Staatsgäste beteiligten, mitunter sogar noch nach der Maueröffnung. Das konnte den Berlinern im Westteil nicht recht sein. Im Mai 1987 folgte eine mehrmonatige Verstimmung der DDR. Das "Neue Deutschland" schäumte vor Wut über die "revanchistischen" Äußerungen des Regierenden Bürgermeisters und des Bundeskanzlers anläßlich des Festaktes am 30. April. Die "Einladungspolitik" ftlhrte trotz ""äußeren Scheiterns" jedoch zu einem wichtigen Erfolg der Politik, nämlich zur "Stärkung der Bindungen Berlins an den Bund". Der Bundespräsident Richard von Weizsäcker empfing im Jahre 1987 erstmals offiziell ausländische Staatsoberhäupter in seinem Berliner Amtssitz, dem Schloß Bellevue. Das waren die britische Königin, der amerikanische und der französische Präsident. Zuvor war Richard von Weizsäcker nur anläßlich anderer Veranstaltungen als Bundespräsident mit Staatsgästen in Berlin zusammengetroffen, so beispielsweise bei der Internationalen Tourismus-

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Börse oder anläßlich eines Besuchs des italienischen Staatspräsidenten Cosiga in der Gedenkstätte Plötzensee. Im Ergebnis rückten die Westalliierten von den einst ehernen Grundsätzen ihrer Berlin-Politik ab. Die Zeit, in der ein deutscher Bundeskanzler Helmut Schmidt bei der Ankunft des französischen Staatspräsidenten Francois Giscard d'Estaing den Flughafen klammheimlich durch einen Nebeneingang verlassen mußte, war damit endgültig vorbei.

Gleiches galt filr die Versuche, den deutschen Außenminister auf eine Nebentür des Rathauses Schöneberg zu verweisen, wenn er Staatsgäste zum Empfang in der Brandenburg-Halle begleiten wollte. Der Weg zu dieser Veränderung oder neuen Interpretationen der Rechtsauffassung der Alliierten erschien mir etwas verschlungen. Kritisch sahen die Alliierten die Aktivitäten des Senats zur 750- Jahr-Feier. Sie wollten oder konnten die Einladung Honeckers durch den Senat nicht einfach verbieten - sie wollten die Annahme durch die DDR aber verhindern. Deshalb forderten sie, die DDRFührung müsse dann die Zugehörigkeit von Berlin (West) zur Bundesrepublik Deutschland und die Anwesenheit der Repräsentanten der Bundesrepublik bei den Feiern zum Stadtjubiläum akzeptieren. Der Senat hat im Laufe der Vorbereitungen filr das Jubiläumsjahr 1987, vor allem in den manchmal durchaus komplizierten Gesprächen mit dem französischen und dem britischen Außenminister, die Chancen einer sich ändernden westlichen Statuspolitik erkannt und seine "Einladungspolitik" durchaus mit dem Ziel fortgesetzt, der deutschen Position einer stärkeren Bindung Berlins an den Bund zum Durchbruch zu verhelfen. Das Schloß Bellevue, der Amtssitz des Bundespräsidenten in Berlin, erhielt dabei eine zusätzlich Bedeutung. Es war deshalb folgerichtig, daß der Bundespräsident nach der Wiedervereinigung als erster und höchster Repräsentant der Bundesrepublik Deutschland seinen Amtssitz von Bonn nach Berlin verlegte. Ich will hier nicht die Berliner Enttäuschungen nach 1989 beschreiben. Festzuhalten aber bleibt, daß seit Kriegsende aus dem ursprünglichen Besatzungsregime der drei Westalliierten eine Souveränität von Bündnispartnern, also aus Feinden Partner und Freunde geworden waren. Diese Bindungen und Verbindungen zwischen dem freien Berlin und dem Westen wurden in den achtziger Jahren gestärkt. Berlin war auch ohne Regierungs- und Verwaltungszentrum die Hauptstadt der deutschen Nation geblieben. Diese Sicherung des freien Berlins als Unterpfand der deutschen Einheit und der Freiheit durch den Westen ist eine Erfolgsgeschichte, die seinesgleichen sucht. Schon der Mauerfall 1989, erst recht die deutsche Wiedervereinigung 1990 und der Umzugsbeschluß des Deutschen Bundestages 1991 haben Berlin für die meisten unerwartet früh die alten Aufgaben und Rollen zurückgegeben. 2*

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Trotzdem ist nicht alles so wie früher, nicht nur, weil Berlin das während der fast 50jährigen Teilung Verlorene nicht einfach zurückholen, sondern nur Rahmenbedingungen fllr den Aufbau von Neuem geben kann, sondern auch, weil Berlin als Stadtstaat über viel weniger Rückhalt als die preußische Hauptstadt in der Kaiserzeit und der Weimarer Republik verfllgt. Während der Teilung wurde der Ostteil der deutschen Hauptstadt als selbsternannte Hauptstadt der DDR sehr zum Leidwesen der übrigen DDR-Bewohner bei der Verwaltung des Mangels bevorzugt und überdurchschnittlich gefördert und ausgebaut. Der Westteil der Hauptstadt, das eingemauerte Berlin (West) wurde als Schaufenster des Westens mitten im Ostblock politisch und militärisch gesichert, wirtschaftlich, wissenschaftlich und kulturell gefördert und als Hinweis auf die offene deutsche Frage und damit als Garant der ausstehenden Wiedervereinigung unterstützt. Im Nachkriegsdeutschland wurde diese Förderung allgemein verstanden und akzeptiert, während des Wirtschaftswunders und angesichts scheinbar voller öffentlicher Kassen überwiegend, wenn auch mit abnehmender Bereitwilligkeit klaglos geduldet oder zähneknirschend hingenommen. Für beide Stadthälften wurden die Sonderzuwendungen nach der Wiedervereinigung im Laufe ganz weniger Jahre abrupt und vollkommen abgebaut. Der Zentralstaat DDR machte Platz fllr finanzschwache, im Grunde wirtschaftlich nicht lebensfllhige neue Länder, die sich an historischen Grenzen orientierten und sich auf ihre während des DDR-Sozialismus vernachlässigten oder sogar unterdrückten regionalen Besonderheiten besannen. Diese Besonderheiten und Eigenständigkeiten wurden dann mitunter auch zur Ablenkung von der wirtschaftlichen Misere und in einer übertriebenen Abgrenzung zu den Nachbarn kultuviert. Die westdeutschen Länder, teilweise auch der Bund, meinten, nicht zuletzt wegen der mit einiger zeitlicher Verzögerung auch Deutschland erfassenden wirtschaftlichen Stagnation, mit der Wiedervereinigung und dem nur sehr schleppend umgesetzten Regierungs- und Parlamentsumzug ihre Schuldigkeit Berlin gegenüber getan zu haben. Sie übersahen dabei, daß das einzige, aus Ost und West zusammengesetzte Bundesland, insbesondere nach einer jahrzehntelangen spezifischen Förderung beider Teilstädte, eine Anpassung an die globalisierte Wirtschaft aus eigener Kraft nicht schaffen konnte, schon gar nicht in ihrer Rolle als deutsche Hauptstadt. In dem in seinen Grundzügen durchaus föderativen zweiten deutschen Kaiserreich oder in der Weimarer Republik konnte Berlin nur deswegen seine Aufgaben als deutsche Hauptstadt erfllllen, weil es gleichzeitig die Hauptstadt des weitaus größten, reichsten und mächtigsten Bundeslandes, nämlich Preußens, war. Mit der Zerschlagung Preußens nach dem Zweiten Weltkrieg

Der Weg Berlins von der Vier-Mächte-Stadt zur wiedervereinigten Hauptstadt

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sind nun die Berliner, umgeben von sich abkapselnden Brandenburgern, auf sich allein gestellt und mit diesen Aufgaben überfordert. Das ist nicht nur eine große Anfrage an die Bundesrepublik, sondern auch an den Föderalismus der Länder, der hier vor einer harten Bewährungsprobe steht. Berlin muß und will daher seine neue Rolle als größte deutsche Kommune, als eines der vergleichsweise kleinen Bundesländer und als deutsche Hauptstadt annehmen und ausfilllen, doch benötigen diese Anpassungen, sollen sie sozialverträglich laufen, sicher mehr Zeit und Unterstützung als von vielen erhofft und erwartet. Ein Rückblick wie der heutige aber ermöglicht es, den enormen Umstellungs- und Anpassungsbedarf zu ermessen und daraus auch die notwendigen flankierenden Maßnahmen abzuleiten. Trotz des enormen Anpassungs- und Veränderungsbedarfes freuen sich die Berliner jeden Tag aufs neue über die deutsche Einheit in Freiheit, ich persönlich muß jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit die ehemalige Sektorengrenze mindestens zweimal überqueren, übrigens ganz in der Nähe des Potsdamer Platzes und des Reichstages, wo sich zahlreiche Kräne über der größten innerstädtischen Baustelle Europas drehen. Berlin also hat gewaltige Chancen, seine klassische Bedeutung im Herzen Europas, auf dem Verknüpfungspunkt der transeuropäischen Verkehrswege gelegen, wiederzuerlangen und sich als Tor des Westens in den Osten und des Ostens in den Westen weiter zu entwickeln. Die enge Verknüpfung der reich verzweigten Wissenschafts landschaft mit Entwicklung, Produktion und Vermarktung, das gut ausgebildete, aus beiden Teilen des ehemaligen Kontinents stammende Fachkräftepersonal mit seinen Erfahrungen aus Ost und West und nicht zuletzt die quirlige Kulturlandschaft werden Berlin eine große Zukunft ermöglichen. Der tUr die lahrtausendwende terminierte Umzug von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung wird weitere Impulse setzen und nicht nur Geist und Geld, sondern Entscheidungszentren nach Berlin bringen. Vielleicht gehört es zum Schicksal Berlins, stets zu werden und niemals zu sein.

Jens Hacker DER RECHTS STATUS UND DIE POLITISCHE PRAXIS 1945 - 1989/90

1. Vorbemerkung Die über 40 Jahre währende politische und administrative Teilung Berlins ist ein in der Geschichte einmaliger Vorgang. Obwohl die sowjetische Führung unter Josef Stalin und Nikita S. Chruschtschow sowie die politisch maßgeblichen Kräfte in der SBZ und späteren DDR mit den ihnen hörigen Staats- und Völkerrechtlern den 1944/45 festgelegten Vier-Mächte-Status rur ganz Berlin mit wechselnden Argumenten in Frage gestellt haben, haben sie es nicht vermocht, ihn aus den Angeln zu heben. Mit dem Abschluß des Vier-Mächte-Abkommens über Berlin vom 3. September 1971 mußten Moskau und Ost-Berlinmit dieser Bezeichnung ist keine Anerkennung des Hauptstadt-Anspruchs der DDR verbunden - endgültig einsehen, daß der Westen - ich betone der Westen: neben den drei Westmächten die politisch Verantwortlichen in Bonn und Berlin (West) und die Nato - nicht bereit war, den freien Teil Berlins aufzugeben und dem von der UdSSR dominierten Ostblock zu überantworten. Der 3. September 1971 bildet nach dem 13. August 1961 die wichtigste Zäsur in der Entwicklung der Berlin-Frage bis zum 9. November 1989, dem Tag der Öffuung der Mauer. Die Geschichte des geteilten Berlin sinnvoll zu periodisieren ist nicht einfach und davon abhängig, welche Kriterien man dabei anlegt. "Das Berlin Problem" - so hat der Schweizer Politikwissenschaftler Alois Riklin 1964 seine "Historisch-politische und völkerrechtliche Darstellung des Vier-Mächte-Status" überschrieben -, übrigens eine der maßgeblichsten Arbeiten zum Thema, darf nicht isoliert, sondern muß im Zusammenhang mit dem Ost-West-Konflikt, dem 1947 einsetzenden Kalten Krieg und im Rahmen der "deutschen Frage" betrachtet werden. Nimmt man die Haltung der Vier Mächte zum Maßstab, dann gelangt man zu dem Ergebnis, daß die Westmächte an ihren rechtlichen Grundpositionen konsequent und permanent festgehalten haben, während die sowjetische Seite und im Gefolge die DDR ihre Auffassung häufig modifiziert haben. Als weiterer Maßstab bietet sich die Einbeziehung des Ostsektors in die SBZIDDR und Berlins (West) in den Bund an, die sich unter sachlichen und zeitlichen Aspekten sehr unterschiedlich vollzogen hat. Ich bin bemüht, die seit ~er Zeitenwende von 1989 bis Ende 1991 erschienene Literatur zur Berlin-Frage heranzuziehen. Dabei geht es weniger um die nun zugäng-

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lichen DDR- und SED-Archive als um die von führenden Politikern in Ost und West in den letzten Jahren publizierten Memoiren und Monographien, soweit in ihnen Fragen zu "Berlin" erörtert werden. Bei meinem Thema läßt es sich nicht vermeiden, an einige wichtige Fakten erinnern zu müssen, die den meisten von Ihnen sicherlich noch präsent sind. Zunächst geht es darum, den 1944/45 von den Hauptalliierten festgelegten Rechtsstatus für ganz Berlin kurz zu skizzieren, wie er bis zum Inkrafttreten des Zwei-plus-Vier-Vertrags vom 12. September 1990 bestanden hat und wie er von den Beteiligten und Betroffenen interpretiert worden ist. Anschließend werden wichtige Etappen der politischen und administrativen Auseinanderentwicklung Berlins dargestellt - u.a. das Verhältnis des Ostsektors der Stadt gegenüber der SBZIDDR und Berlins (West) gegenüber dem Bund. Die Teilung Deutschlands fand ihren markantesten Kristallisationspunkt in Berlin. In der Geschichte der Stadt spiegeln sich wichtige Phasen des Ost-WestKonflikts und des Kalten Krieges wider. Stereotyp vorgetragene westliche Formeln lauteten, Berlin sei die "Achillesferse des Westens", der "Prüfstein der Entspannung" und der "Test für den Stand des Ost-West-Verhältnisses". II.Die Festlegung des Rechsstatus Berlins 1944/45

Die Qualifizierung Deutschlands als "Feindstaat" mit dem Dispens der Siegermächte von der Verpflichtung, sich der Androhung und Anwendung von Gewalt nach Art. 2 Ziffer 4 UNO-Charta zu enthalten, befreite die "Anti-HitlerKoalition" nicht von der Aufgabe, darüber nachzudenken, was mit "Deutschland" nach dessen militärischer Niederringung geschehen solle. Die ersten offiziellen und gemeinsamen Verlautbarungen über die Behandlung Deutschlands verkündeten die Außenminister der drei Großmächte auf der Moskauer Konferenz vom 19. - 30. Oktober 1943. Hull, Eden und Molotow einigten sich darauf, eine "Europäische Beratende Kommission" - die European Advisory Commission" (EAC) - mit Sitz in London zu errichten. Die Kommission, der Vertreter Großbritanniens, der USA und der UdSSR und ab 27. November 1944 auch Frankreichs angehörten, sollte den drei Regierungen Vorschläge über die Probleme ausarbeiten, die mit der Beendigung des Krieges in Europa in Zusammenhang stehen. Dazu gehörte vor allem die Behandlung Deutschlands nach dessen militärischer Niederlage. Die EAC, die nur technische Vorfragen behandeln und den drei Regierungen entsprechende Empfehlungen vorlegen sollte, war "das entscheidende - und auch einzige - Instrument zur Vorbereitung und Festlegung der alliierten Nachkriegspolitik in Deutschland"l. I So Ernst Deuerlein: Die Einheit Deutschlands. Band I: Die Erörterungen und Entscheidungen der Kriegs- und Nachkriegskonferenzen 1941-1949. Darstellung und Dokumente. 2., durchges.

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Obwohl Churchill, Roosevelt und Stalin auf der ersten Konferenz der "Großen Drei" in Teheran vom 28. November - 1. Dezember 1943 die Teilung Deutschlands ernsthaft diskutiert hatten, einigte sich die EAC, die am 14. Januar 1944 ihre Arbeit in London aufgenommen hatte, frühzeitig auf ein Konzept, das die Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen und nicht die Teilung des Landes in Einzelstaaten oder staatsähnliche Gebilde vorsah. Festzuhalten gilt dabei vor allem, daß der Plan, Deutschland in Besatzungszonen einzuteilen, zuerst auf britischer Seite entworfen worden ist. Am 15. Januar 1944 trug die britische Delegation der EAC ihre Vorstellungen vor, die denen der UdSSR so sehr entsprachen, daß sie sich ihnen in ihrem Entwurf eines Abkommens zwischen den drei Hauptalliierten vom 18. Februar 1944 fast vorbehaltlos anschloß2 • Die Abkommen aus den Jahren 1944/45 stellten ganz Berlin unter einen Sonderstatus. Wichtig waren vor allem die von der EAC erarbeiteten Abmachungen vom 12. September und 14. November 1944. Der entscheidende Passus des Londoner Protokolls vom 12. September 1944, der bis 1991 Rechtsgrundlage der alliierten Präsenz in Berlin war, lautete: ,,1. Deutschland, innerhalb der Grenzen, wie sie am 31. Dezember 1937 bestanden, wird zum Zwecke der Besetzung in drei Zonen eingeteilt, deren je eine einer der drei Mächte zugewiesen wird und ein besonderes Berliner Gebiet, das gemeinsam von den Mächten besetzt wird." Dabei wurde das Gebiet von Groß-Berlin nicht geändert. Das Londoner Protokoll vom 12. September 1944 ordnete an, "das Gebiet Berlin (unter diesem Ausdruck wird das Gebiet von Groß-Berlin im Sinne des Gesetzes vom 27. April 1920 verstanden) wird gemeinsam von den durch die entsprechenden Oberkommandierenden dazu bestimmten Streitkräfte der USA, des Vereinigten Königreichs und der UdSSR besetzt"3. und erw. Aufl. Frankfurt M., Berlin 1961, S. 36. Vgl. dazu mit weiteren Nachweisen Jens Hacker: Die Fremdbestimmung: Übernahme der obersten Gewalt und Potsdamer Konferenz, in: Eckart Klein und Karl Eckart (Hrsg.): Deutschland in der Weltordnung 1945-1995. Berlin 1996, S. 13-36 (S. 24 f). 2 Vgl. dazu und über den weiteren Verlauf der Verhandlungen die instruktive Studie von Tony Sharp: The Wartime Alliance and the Zonal Division ofGermany. Oxford 1975, S. 56-89. J Die Texte der alliierten Abkommen und Absprachen sind in zahlreichen Dokumentationen wiedergegeben. Zu den verdienstvollsten gehört die von Dietrich Rauschning bearbeitete Dokumentation "Die Gesamtverfassung Deutschlands - Nationale und internationale Texte zur Rechtslage Deutschlands". Frankfurt M.lBerlin 1962, S. 75 f. (76); ders.: Rechtsstellung Deutschlands Völkerrechtliche Verträge und andere rechtsgestaltende Akte. 2., erw. Aufl. München 1989. Weitere Nachweise bei Jens Hacker: Die deutschlandrechtliche und deutschlandpolitische Funktion der Vier-Mächte-Verantwortung, in: Dieter Blumenwitz und Boris Meissner (Hrsg.): Staatliche und nationale Einheit Deutschlands - ihre Effektivität. Köln 1984, S. 75-96 (77, Anm. 6).

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Nach dem preußischen "Gesetz über die Bildung einer neuen Stadtgemeinde Berlin" vom 27. April 1920, ergänzt durch eine Novelle vom 30. Mai 1931, war Berlin zugleich Stadtkreis, Regierungsbezirk und Provinzialverband. Mit dem Gesetz wurde die noch bis heute bestehende dezentralisierte Aufgliederung der Kommunalverwaltung in 20 Verwaltungsbezirke (Bezirksämter) formuliert. An dieser rechtlichen Situation änderte sich nichts gravierend, als mit dem "Gesetz über die Verfassung und Verwaltung der Reichshauptstadt Berlin" vom 1. Dezember 1936 die nationalsozialistische Deutsche Gemeindeordnung mit gewissen Abweichungen auch in Berlin gültig wurde. Die "Staatsaufsicht über Berlin lag beim Lande Preußen, unbeschadet dessen, daß nach dem 'Gesetz über den Neuaufbau des Reiches' vom 30. Januar 1934 die Hoheitsrechte der Länder auf das Reich übergegangen waren und im Falle Preußens die Aufgabe der Landesregierung, die in den anderen Ländern der Reichsregierung unterstanden, von dieser selbst wahrgenommen wurden. Der Stadtpräsident war unmittelbarer, der Oberbürgermeister mittelbarer Landesbeamter."4 Mit der Verhaftung der Reichsregierung Dönitz am 23. Mai 1945 hatte auch die preußische Landesregierung zu bestehen aufgehört. Rechtlich wurde das Land Preußen aber erst durch das Kontrollratsgesetz Nr. 46 vom 25. Februar 1947 aufgelöst. Art. 11 ordnete an, daß die Gebiete, die ein Teil des Staates Preußen waren und derzeit unter der Oberhoheit des Kontrollrates standen, die Rechtsstellung von Ländern erhalten oder Ländern einverleibt werden sollten. Da Groß-Berlin als Gebietskörperschaft nicht angetastet worden war, wurde es damit zu einem Land, ohne seine Eigenschaft als Stadtgemeinde zu verlierens. Gemäß dem Londoner Protokoll vom 12. September 1944 wurde - um es zu wiederholen - Berlin, getrennt von den drei Besatzungszonen als besonderes, den Siegermächten gemeinsam unterstelltes Gebiet bezeichnet. Von den 20 Verwaltungsbezirken der Stadt wurden zwölf - die Westsektoren - den beiden westlichen Alliierten, acht - der Ostsektor - der sowjetischen Besatzungsmacht zugeordnet. Auch bei der Umschreibung der Grenzen der sowjetischen Besatzungszone wurde Berlin, das ganz von der Sowjetzone umschlossen war, ausdrücklich aus dieser Zone herausgelöst. Die drei Alliierten änderten das Londoner Protokoll vom 12. September 1944 am 26. Juli 1945 dahingehend ab, daß Frankreich eine eigene Besatzungszone in Deutschland und einen eigenen Sektor in Berlin ausschließlich auf Kosten der fUr die beiden angelsächsischen Mächte vorgesehenen Besatzungsräume er4 So Siegfried Mampel: Der Sowjetsektor von Berlin - Eine Analyse seines äußeren und inneren Status. Frankfurt M.lBerlin 1963, S. 42; Theodor Maunz und Reinhold Zippelius: Deutsches Staatsrecht - Ein Studienbuch. 26., neubearb. Aufl. MUnchen 1985, S. 434. ~ So S. Mampel, ebenda.

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hielt6• Am 14. November 1944 wurde das Protokoll vom 12. September durch das Londoner Abkommen über die Kontrolleinrichtungen in Deutschland ergänzt, dem Frankreich am I. Mai 1945 in einem Zusatzabkommen beitrat. Es sah vor, daß die vier Oberbefehlshaber, als einheitliches Organ handelnd, das Oberste Kontrollorgan, den Kontrollrat bildeten. Diesem oblag u.a. die Aufgabe, "die Verwaltung von Groß-Berlin mit Hilfe der hierzu bestellten Organe zu leiten". Zur gemeinsamen Verwaltung Berlins wurde eine interalliierte Regierungsbehörde (Kommandantur) errichtet. Daß Berlin als ein von den übrigen Zonen unabhängiges Gebiet zu betrachten war, ergab sich nicht nur aus dem Wortlaut des skizzierten Abkommens, sondern auch aus den Karten, die dem Protokoll vom 12. September und dem Ergänzungs!lbkommen vom 14. November 1944 beigegeben worden waren. Diese Karten waren wesentlicher Bestandteil der Drei- Mächte-Abkommen. Auf allen Karten wurden die verschiedenen Besatzungszonen Deutschlands durch rote Markierung abgegrenzt, während Berlin, wie die anderen Zonen, rot umrandet war; Berlin sollte also ohne Einschränkungen als selbständige Sonderzone behandelt werden7 • Auf der zweiten Konferenz der "Großen Drei" vom 4. - 11. Februar 1945 in Jalta genehmigten Roosevelt, Churchill und Stalin die von der EAC getroffenen Vereinbarungen, die am 5. Juni 1945 von den Oberbefehlshabern in Deutschland auf der Vier-Mächte-Ebene in Kraft gesetzt und völkerrechtlich verbindlich wurdens. In der Berliner Feststellung über die Besatzungszonen in Deutschland vom 5. Juni 1945 stellten die Alliierten nochmals fest: "Das Gebiet von Groß-Berlin wird von Truppen einer jeden der vier Mächte besetzt. Zwecks gemeinsamer Leitung der Verwaltung dieses Gebietes wird eine interalliierte Behörde ... errichtet, welche aus vier von den entsprechenden Oberbefehlshabern ernannten Kommandanten besteht." Die drei Westmächte und die Bundesrepublik Deutschland haben immer die Auffassung vertreten, daß sich das Recht der Westmächte, in Berlin als Besatzungsmächte zu fungieren, unmittelbar aus der militärischen Okkupation und der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands ergab. Das Besatzungsrecht der drei Westmächte in Berlin war ein originäres, nicht ein von der Sowjetunion abgeleitetes (derivatives). Eine andere Schlußfolgerung ließ sich aus den Abmachungen der Siegermächte von 1944/45 nicht ziehen. Aus ihnen ergab sich 6

Text bei D. Rauschning, a.a.O. (Anm. 3), S. 80-82.

Dies hat Alois Riklin in seiner fundierten Darstellung "Das Berlinproblem - Historischpolitische und völkerrechtliche Darstellung des Vier-Mächte-Status". Köln 1964, S. 244-246, gut herausgearbeitet; S. Mampel, a.a.O. (Anm. 4), S. 15-22. I Text der Amtlichen Verlautbarung über die Konferenz von Jalta vom 11. Februar 1945 bei E. Deuerlein, a.a.O. (Anm. I), S. 325-327 (326). 7

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abgeleitetes (derivatives). Eine andere Schlußfolgerung ließ sich aus den Abmachungen der Siegermächte von 1944/45 nicht ziehen. Aus ihnen ergab sich darüber hinaus eindeutig, daß Berlin ein besonderes, von den übrigen Besatzungszonen getrenntes Gebiet unter gemeinsamer Besetzung der vier Siegermächte war. Daraus folgte zwingend, daß Berlin kein Bestandteil der sowjetischen Besatzungszone war. 9 Am 7. Juli 1945 faßte die Konferenz von Vertretern der Alliierten Oberkommandos einen Beschluß über die Gemeinsame Verwaltung Berlins, in dem es hieß: " Der Oberste Militärkommandant wird die Verwaltung aller Sektoren Berlins ausüben und dabei Konferenzen der Alliierten Militärkommandanten einberufen, um Grundsatzfragen und die allen Sektoren gemeinsamen Probleme zu lösen. Die auf diesen Konferenzen gefaßten Beschlüsse müssen einstimmig angenommen werden." Die erste Konferenz der Interalliierten Militärkommandantur fand am 11. Juli 1945 statt. Einen Tag zuvor hatte sich die Konferenz von Vertretern der Alliierten Oberkommandos darauf geeinigt, eine Interalliierte Militärkommandantur für Berlin zu schaffen. Dazu stellte das Kommunique fest: "Die drei Vertreter einigten sich entsprechend der interalliierten Vereinbarung betreffend den Kontrollapparat in Deutschland über die sofortige Schaffung einer interalliierten Militärkommandantur - einer interalliierten administrativen Macht rur die gemeinsame Verwaltung des Gebietes von 'Groß-Berlin'." Die Interalliierte Militärkommandantur hat die Kontrolle über die Verwaltung der Stadt Berlin am 11. Juli 1945 übernommen und dabei nochmals die Aufteilung der 20 Berliner Verwaltungsbezirke auf die Besatzungsmächte wiederholt, wie sie im Londoner Protokoll vom 12. September 1944 beschlossen worden war lO • Auch diese Dokumente ließen nur den einen Schluß zu, daß Berlin ein besonderes, von den übrigen Besatzungszonen getrenntes Gebiet unter gemeinsamer Besetzung der vier Siegermächte und kein Bestandteil der sowjetisch besetzten Zone wurde. Da neben der Alliierten Kommandantur auch der Alliierte Kontrollrat seinen Sitz in Berlin nahm, "schien, wenigstens äußerlich be• Die dazu vorliegende umfangreiche Literatur kann hier nicht rekapituliert werden. Vgl. dazu A. Riklin, a.a.O. (Anm. 7); Ernst R. Zivier: Der Rechtsstatus des Landes Berlin. 4., erw. und aktualisierte Aufl. Berlin 1987; Dieter Mahncke: Berlin im geteilten Deutschland. München und Wien 1973, S. 33-39. Die beste und detaillierteste Darstellung der rechtlichen Problematik des Berlin-Status haben im angelsächsischen Bereich die britischen Juristen I. D. Hendry und M. C. Wood 1987 vorgelegt: The legal status ofBerlin (Cambridge, Großbritannien). 10 Texte der Dokumente vom 7., 10. und 11. Juli 1945 in: Dokumente zur Berlin-Frage 19441966. Hrsg. vom Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft ftlr Auswärtige Politik, Bonn, in Zusammenarbeit mit dem Senat von Berlin. 3., durchges. und erw. Auflage. München 1967, S. 1416.

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trachtet, die Stadt ihren politischen Charakter als Hauptstadt des gesamten deutschen Besatzungsgebiets gewahrt zu haben" 11 . IIf. Wichtige Etappen der politischen, rechtlichen und administrativen Teilung der Stadt (1945-1949)

Überblickt man die Geschichte Berlins von 1945 bis 1989/90, dann bilden neben dem 13. August 1961 und dem 3. September 1971 die Jahre 1948, 1949, 1955 und 1958 die wichtigsten Einschnitte. Nach der Einnahme Berlins durch die Rote Armee am 28. April 1945 unterstand die Stadt zunächst der sowjetischen Militär-Administration (SMAD)12, bis gemäß dem Londoner Protokoll vom 12. September 1944 mit dem späteren Einschluß Frankreichs das Stadtgebiet in vier Besatzungsgebiete (Sektoren) aufgeteilt wurde. Mit der Bildung eines Magistrats hatte es die Sowjetische Militärverwaltung außerordentlich eilig. Nachdem am 16. Mai die Bildung einer Berliner Städtischen Selbstverwaltung bekannt gegeben worden war, teilte der Oberbürgermeister der Stadt Berlin, Arthur Werner, einen Tag später die Bildung des Magistrats der Stadt Berlin mit: "Mit Anerkennung des Militärkommandos der Roten Armee wurde der Magistrat der Stadt neu gebildet." 13 Aus der 1995 herausgegebenen Dokumentation "Die Sitzungsprotokolle des Magistrats der Stadt Berlin 1945/46" geht hervor, daß "der Magistrat ... auf den ersten Blick als ausgewogen erscheinen" mochte: "Sechs Kommunisten standen drei Sozialdemokraten, zwei Mitgliedern der CDU und sieben Parteilosen gegenüber, unter letzteren die Fachleute Sauerbruch und Scharoun, die rur bürgerliche Reputierlichkeit sorgen sollten. Auch Heinz Rühmann stellte sich den neuen Herren zur Verftlgung. Nun mimte er den Antifaschisten; Ulbricht notierte, RUhmann sei 'sowjetfreundlich gesinnt'. Oberbürgermeister Werner war nur eine repräsentationssüchtige Null. Der einzige SPD-Stadtrat von politischer Statur ging bald zu den Kommunisten über, so daß nur Andreas Hermes, der Leiter der Abteilung rur Ernährung, einer der Berliner CDU-Gründer, als politischer Gegenspieler verblieb. Deshalb konnte er sich nicht lange halten."14 So Theodor Maunz und Reinhard Zippelius, a.a.O. (Anm. 4), S. 434. Text des Befehls Nr. 1 vom 28. April 1945 in: Berlin-Dokumente, a.a.O. (Anm. 10), S. 8. n Text, ebenda, S. 9. 14 So Henning Köhler in seiner Rezension mit dem Titel "Heinz RUhmanns antifaschistische Periode" der Dokumentation "Die Sitzungsprotokolle des Magistrats der Stadt Berlin 1945/46". Band 2, Teil I: 1945. Herausgeber: JUrgen Wetzei, bearbeitet und eingeleitet von Dieter Hanauske. Berlin 1995, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 27. März 1996. Die "Historische Einleitung: Der Magistrat der Stadt Berlin im Jahr 1945" (S. 23-78) informiert umfassend unter Heranziehung der vorliegenden Literatur und Auswertung der Quellen Uber die allgemeine politische Entwicklung bis Ende 1945, die Etablierung und den parteipolitischen Charakter des Magistrats, die 11

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Zum Geltungsbereich der Erlasse, Bestimmungen und Veröffentlichungen des Magistrats der Stadt Berlin stellte die Alliierte Kommandantur der Stadt Berlin in ihrer Anordnung vom 21. Januar 1946 über den räumlichen Geltungsbereich von Gesetzen und Verordnungen klar, daß diese "im gesamten Stadtgebiet Berlins Gültigkeit" haben, "insofern sie auf deutscher Gesetzgebung vor dem 30. Januar 1933 oder irgendwelcher späteren Gesetzgebung basieren, die nicht durch das Gesetz des Kontrollrates Nr. 115 widerrufen oder abgeändert wurde, und vorausgesetzt", daß sie nicht Befehlen der Alliierten Kommandantur zuwiderliefen 16. Mit ihrer Anordnung vom 13. August 1946 setzte die Alliierte Kommandantur eine "Vorläufige Verfassung von Groß-Berlin" in Kraft, die zweitälteste Verfassung nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches und die einzige, die die Besatzungsmächte einer Gebietskörperschaft auferlegt haben. Die älteste Verfassung ist die Vorläufige Verfassung Hamburgs vom 15. Mai 1946 17 • In der Vorläufigen Verfassung von Groß-Berlin vom 4. September 1946 wurde Berlin "noch nicht als Land bezeichnet ... Immerhin wuchsen in der Verfassung der Gebietskörperschaft Berlin alle Kompetenzen zu, die nach früherem Recht einem Land zugestanden hatten. Berlin wurde bereits in der Vorläufigen Verfassung so behandelt, als ob es ein Land wäre, obwohl vom Zeitpunkt ihres Erlasses Preußen de jure noch nicht aufgelöst war."18 Die Stadtverordnetenversammlung wurde gemäß Art. 35 beauftragt, den Entwurf einer neuen Verfassung tUr Groß-Berlin auszuarbeiten. Dieser Entwurf sollte den Alliierten Mächten bis zum 1. Mai 1948 zur Genehmigung vorgelegt werden. Das Verhältnis zur Alliierten Kommandantur umschrieb Art. 36: "Soweit nicht seitens der Alliierten Kontrollbehörden anderweitig besonders bestimmt wird, untersteht die Selbstverwaltung Groß-Berlins der Alliierten Kommandantura und in den Sektoren der Militärregierung des betreffenden Sektors. Alle gesetzlichen Bestimmungen, welche von der Stadtverordnetenversammlung, sowie Verordnungen und Anweisungen, welche vom Magistrat angenommen bzw. erlassen werden, müssen in Einklang mit den Gesetzen und Rechtsgrundlagen und Struktur und schließlich die Tätigkeit des Magistrats bis Ende 1945. Bedauerlicherweise ist diesem herausragenden Band kein Namensregister beigeftlgt. IS Text der Proklamation Nr. 1 des Alliierten Kontrollrats vom 30. August 1945 zur Übernahme der obersten Gewalt in Deutschland in: Berlin-Dokumente, a.a.O. (Anm. 10), S. 28. 16 Text der Anordnung der Alliierten Kommand!/l1tur der Stadt Berlin vom 21. Januar 1946, ebenda, S. 31 f. Vgl. dazu ausftlhrlicher S. Mampel, a.a.O. (Anm. 4), S. 43 f. 17 Vgl. über die Entstehung und Entwicklungen der Landesverfassungen nach 1945 die detaillierte Übersicht bei Christian Pestalozza: Einftlhrung in die Dokumentation "Verfassungen der deutschen Bundesländer". Textausgabe mit ausftlhrlichem Sachverzeichnis. 5. Aufl. München 1995, EI-52 (5 f.). 18 So S. Mampel, a.a.O. (Anm. 4), S. 46 f. (47).

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Anordnungen der Alliierten Mächte in Deutschland und der Alliierten Kommandantura Berlin stehen und von der letzteren genehmigt werden."19 Die Etappen, die zur politischen und administrativen Spaltung Berlins ge-

filhrt haben, können hier nicht im einzelnen nachgezeichnet werden. Erinnert sei zunächst daran, daß der Chef der SMAD mit seinem Befehl Nr. 2 vom 10.

Juni 1945 die Bildung und Tätigkeit aller "antifaschistisch-demokratischer Parteien" erlaubte, obwohl erst die "Großen Drei" auf ihrer dritten und letzten Zusammenkunft, der Potsdamer Konferenz vom 17. Juli - 2. August 1945, die Zulassung politischer Parteien gestatteten. Außerdem hielt es die sowjetische Besatzungsmacht nicht rur nötig, die Errichtung der Alliierten Kommandantur am 7. Juli 1945 über die gemeinsame Verwaltung Berlins abzuwarten 2o• Im Befehl Nr. 2 des Obersten Chefs der SMAD vom 10. Juni 1945 hieß es:

1. Auf dem Territorium der sowjetischen Besatzungszone in Deutschland ist die Bildung und Tätigkeit aller antifaschistischen Parteien zu erlauben, die sich die endgültige Ausrottung der Überreste des Faschismus und die Festigung der Grundlage der Demokratie und der bürgerlichen Freiheit in Deutschland und die Entwicklung der Initiative und Selbstbetätigung der breiten Massen der Bevölkerung in dieser Richtung zum Ziel setzen; 2. Der werktätigen Bevölkerung der sowjetischen Besatzungszone in Deutschland ist das Recht zur Vereinigung in freien Gewerkschaften und Organisationen zum Zweck der Wahrung der Interessen und Rechte der Werktätigen zu gewährleisten ... 21 Schon einen Tag darauf, am 11. Juni 1945, wurde die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) zugelassen, es folgten die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) nach ihrer Auflösung 1933 am 17. Juni 1945, am 26. Juni 1945 die Christlich-Demokratische Union Deutschlands (CDU) und am 5. Juli 1945 die Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDP). Diese vier Parteien bildeten am 14. Juli 1945 die Einheitsfront der antifaschistisch-demokratischen Parteien, die bald als "antifaschistisch-demokratischer" Block apostrophiert wurde. Frühzeitig wurde als einzige Organisation zur Vertretung der Interessen der werktätigen Bevölkerung der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB) am 13. Juni 1945 gegründef2. 19 Text (Auszug) der Vorläufigen Verfassung von Groß-Berlin vom 13. August 1946, in: BerIin-Dokumente, a.a.O. (Anm. 10), S. 32-37 (34 f.); S. Mampel, ebenda, S. 46-50. 20 Vgl. dazu den Nachweis oben in Anm. 10. 21 Text bei Herrnann Weber (Hrsg.): DDR - Dokumente zur GeSChichte der Deutschen Demokratischen Republik 1945-1985. München 1986, S. 31 f. (31). 22 Die umfangreiche Literatur über die Gründung politischer Parteien in der SBZ kann hier nicht rekapituliert werden. Vgl. dazu S. Mampel, a.a.O. (Anm. 4), S. 50-54; Herrnann Weber (Hrsg.): Parteiensystem zwischen Demokratie und Volksdemokratie. Dokumente und Materialien

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Der Befehl Nr. 2 vom 10. Juni 1945 galt nicht nur in der SBZ, sondern auch in Groß-Berlin, da er - wie dargelegt - vor Bildung der Alliierten Kommandantur erlassen worden war. Auch nach dem 7. Juli 1945 blieb der SMAD-Befehl in Kraft, und die zuvor zugelassenen Parteien durften in ganz Berlin tätig bleiben. Die Alliierte Kommandantur war von nun an lediglich für die Zulassung neuer Parteien in Groß-Berlin zuständig. Daraus "ergab sich der eigentümliche Zustand, daß Berlin wohl ein besonderes, von der SBZ getrenntes Besatzungsund Verwaltungsgebiet war, die Parteien aber, die von der SMAD bereits zugelassen waren, und der FDGB sich Organisationen einheitlich für die Zone und Groß-Berlin aufbauen konnten. Die westlichen Vertreter in der Alliierten Kommandantur erhoben hiergegen keine Einwände. Die Berliner Organisationen der Parteien unterstanden so den gleichen zentralen Vorständen, denen auch die Organisationen in den Ländern und Provinzen der SBZ unterstanden. "23 Angesichts der klaren und zielgerichteten Vorstellungen der sowjetischen Besatzungsmacht über die totale Umgestaltung der SBZ und ihrer kommunistischen Helfershelfer war der Konflikt mit den drei westlichen Besatzungsmächten vorprogrammiert. Die Zwangs fusion von SPD und KPD zur SED am 20./21. April 1946, über die die nun zugänglichen Dokumente der SED genauer informieren 24 , hatte nicht nur weitreichende Auswirkungen auf die Entwicklung in den vier Besatzungszonen, sondern auch in Berlin. Bei der Urabstimmung hatten sich in den Westsektoren Berlins am 31. März 1946 82 % der Mitglieder gegen den Zusammenschluß beider Parteien ausgesprochen. Dennoch wurde im Ostsektor der Stadt am 21. April 1946 die SED nicht nur für die SBZ, sondern zum Funktionswandel der Parteien und Massenorganisationen in der SBZIDDR 1945-1950. Köln 1982; Siegfried Suckut: Blockpolitik in der SBZIDDR 1945-1949. Die Sitzungsprotokolle des zentralen Einheitsfront-Ausschusses. Quellenedition. Köln 1986. Über die Entwicklung der Parteien in Berlin liegt neuerdings eine fundierte Untersuchung unter Heranziehung der nun zugänglichen Quellen, vornehmlich des Zentralen Parteiarehivs der SED mit einer umfangreichen Bibliographie von Gerhard Keiderling vor: Scheinpluralismus und Blockparteien - Die KPD und die Gründung der Parteien in Berlin 1945. In: Vierteljahrshefte fllr Zeitgeschichte, Jg. 45/1997, S. 257296. 23 So S. Mampel, ebenda, S. 63. 24 Nach wie vor ist umstritten, ob die Formel "Zwangsvereinigung" der Situation angemessen ist. Vgl. dazu die Sammelrezension von Franz-Josef Hutter: Die Gründungsjahre der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), in: Neue Politische Literatur, Jg. XLI/1996, S. 417-432 (425): "Von einem freiwilligen Zusammenschluß von SPD und KPD zu sprechen, wie dies in DDR- und SED-Veröffentlichungen gang und gäbe war, wäre also völlig verfehlt. Ebenso zweifelsfrei aber gab es starke Einheitssehnsüchte auf Seiten vieler Sozialdemokraten, nicht nur in Berlin und nicht einmal nur in der sowjetischen Besatzungszone ... hat jüngst Wolfgang Leonhard von einer 'Betrugsvereinigung' gesprochen, womit jedoch wieder nur ein Aspekt des Beziehungsgeflechtes beleuchtet wird. Noch fehlt ein treffender Begriff zur Charakterisierung des eigentümlichen Gemisches von Repression, Manipulation und Einheitsstreben." Grundlegend zu dieser Problematik neuerdings Beatrix Bouvier: Ausgeschaltet! Sozialdemokraten in der sowjetischen Besatzungszone und in der DDR 1945-1953. Bonn 1996.

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auch ftlr Berlin gegründet. Ebenso wie sich der Berliner Landesverband der SPD bereits vor der Fusion vom Zentralausschuß dieser Partei losgesagt hatte, trennte sich der Berliner Landesverband der eDU im März 1948 von der einheitlichen Organisation der SBZ, während schon zuvor, im Januar 1948, der Berliner Landesverband der LDP vom Zonenvorstand ausgeschlossen worden war, da er sich geweigert hatte, an der Volkskongreß-Bewegung teilzunehmen. Die SED blieb in den Westsektoren Berlins erlaubt und bildete sich am 24. November 1962 zu einer zumindest der Form nach selbständigen Partei um, der "SED-Westberlin", "ohne daß dadurch faktisch an der Abhängigkeit von der Parteileitung im Sowjetsektor etwas geändert wurde. Die Ostberliner Bezirksverbände der SPD wurden vom Landesvorstand nach dem Bau der Mauer im Herbst 1961 aufgelöst."25 Es gehörte schon beachtlicher Mut dazu, daß es die SED wagte, sich - gemäß Art. 3 der Vorläufigen Verfassung vom 13. August 1946 - an den allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlen in Groß-Berlin zu beteiligen, die am 20. Oktober 1946 stattfanden und rur die Einheitspartei eine vernichtende Niederlage brachten. Von den insgesamt 130 Sitzen in der Stadtverordnetenversammlung erhielt die SED nur 26. Mit massiver Hilfe der Besatzungsmacht, die die Sowjetisierung in der SBZ massiv vorantrieb und auch die Entwicklung in ihrem Sinne in Berlin zu forcieren suchte, vollzog die SED 1948 die administrative Spaltung der Stadt. Spätestens zur Jahreswende 1947/48 waren die drei Westmächte und die UdSSR endgültig zu der Einsicht gelangt, daß ihre Vorstellungen über ein einheitliches Deutschland nicht auf einen Nenner zu bringen waren. Während der abrupte Abbruch der 5. Konferenz des auf der Potsdamer Konferenz beschlossenen Rats der Außenminister in London am 15. Dezember 1947 das Scheitern der Vier-Mächte-Politik gegenüber Deutschland manifestiert, markiert der 20. März 1948 - an diesem Tag verließ die sowjetische Delegation den Alliierten Kontrollrat in Berlin - das Ende der Vier-Mächte-Verwaltung rur Deutschland. Stalin wußte das Verhältnis zu den drei Westmächten noch insofern erheblich zu belasten, als er am 24. Juni 1948 - am 16. Juni hatte die UdSSR ihre Mitarbeit in der Alliierten Kommandantur eingestellt - die vollständige Blockade der drei Westsektoren Berlins mit dem Ziel anordnete, die drei westlichen Alliierten aus der Stadt zu vertreiben26 . Stalin hatte die entschiedene Haltung der drei Westmächte, vor allem der USA, und den Selbstbehauptungswillen der Berliner Vgl. dazu im einzelnen S. Mampel, a.a.O. (Anm. 4), S. 62-65. Texte der einschlägigen Dokumente in: Berlin-Dokumente, a.a.O. (Anm. 10), Kap. VIII und IX. Vgl. zur Entstehung und Arbeit des Kontrollrats die grundlegende Studie von Gunther Mai: Der Alliierte Kontrollrat in Deutschland 1945-1948. Alliierte Einheit - deutsche Teilung? München 1995. Er verdeutlicht, daß keine der Vier Mächte am Wiederbeginn seiner Arbeit interessiert gewesen sei. 2S

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Bevölkerung falsch eingeschätzt, so daß er sich im New Yorker Abkommen der USA, Großbritanniens, Frankreichs und der UdSSR vom 4. Mai 1949 genötigt sah, die Berliner Blockade aufzuheben und den Status quo ante wiederherzustellen27 . Neben der gescheiterten Blockade Berlins bedeutete der 20. März 1948 der größte Fehler in Stalins Deutschland-Politik seit 1945, da er sich mit der Lahmlegung des Kontrollrats des entscheidenden Mittels beraubte, auf die Entwicklung in den drei westlichen Besatzungszonen, also auf ganz Deutschland, Einfluß zu nehmen. Während die drei Westmächte das von Stalin provozierte Ende der Arbeit des Alliierten Kontrollrats hinnahmen, erklärten die Kommandanten der Westsektoren von Groß-Berlin am 21. Dezember 1948, daß mit dem Rückzug der Sowjetbehörden von der Alliierten Kommandantur diese nicht zu bestehen aufgehört habe. Außerdem hieß es in der Erklärung vom 21. Dezember 1948: "Die Weigerung der Sowjetbehörden, an den Sitzungen der Alliierten Kommandantur teilzunehmen, darf nicht länger die ordentliche, gesetzmäßige Verwaltung Berlins verhindern. Die Alliierte Kommandantur wird daher ihre Tätigkeit ab sofort wieder aufnehmen. Wenn die Sowjetbehörden sich jetzt oder später entschließen sollten, sich an die Abkommen zu halten, an die die Vier Mächte gebunden sind, könnte die Tätigkeit der Vier-Mächte-Verwaltung Berlins wieder aufgenommen werden. Während ihrer Abwesenheit werden die drei westlichen Alliierten die Funktionen der Alliierten Kommandantur ausüben, obwohl klar ist, daß es ihnen aufgrund der sowjetischen Obstruktion zur Zeit nur möglich sein wird, ihre Entscheidungen in den westlichen Sektoren durchzuführen."28 Auf der Drei-Mächte-Basis hat die auf der Vier-Mächte-Ebene konstituierte Alliierte Kommandantur der Stadt Berlin kontinuierlich weitergearbeitet. Hier zeigte sich frühzeitig, wie sehr die drei westlichen Alliierten Wert darauf legten, daß trotz der völkerrechtswidrigen Haltung der UdSSR der Vier-Mächte-Status rur ganz Berlin fortbestand. Den später von sowjetischer Seite ausgelösten Krisen um Berlin konnten die drei westlichen Alliierten stets mit dem Hinweis begegnen, daß die UdSSR einseitig den gemeinsam vereinbarten Status für ganz Berlin weder in Frage stellen noch gar aushebein konnte. Am 18. Juni 1948 hatten die westlichen Alliierten, nachdem zuvor Verhandlungen mit der UdSSR gescheitert waren, in den von ihnen besetzten Zonen die Durchführung einer Währungsreform verkündet. Wegen des Vier-Mächte-Status war Berlin zunächst nicht in die Währungsreform einbezogen worden. Die 27 Texte des New Yorker Abkommens und des Vier-Mächte-Kommuniques vom 4. Mai 1949 in: Berlin-Dokumente, ebenda, S. 108 f. Vgl. dazu auch D. Mahncke, a.a.O. (Anm. 9), S. 40-45. 28 Text in: Berlin-Dokumente, eben da, S. 105.

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Hoffnungen auf eine gemeinsame Regelung rur Groß-Berlin, die ein erster Schritt zur Wiederherstellung der Wirtschaftseinheit Deutschlands hätte sein können, wurden allerdings enttäuscht. Die sowjetische Militärverwaltung beschloß am 22. Juni 1948, eine Währungsreform in der Sowjetzone und im Gebiet von Groß-Berlin einzufilhren. Um ihr Mitspracherecht in der Währungspolitik Berlins zu behalten und um die wirtschaftlichen Verbindungen mit den drei westlichen Besatzungszonen nicht abreissen zu lassen, ohne die die Stadt nicht lebensfähig bleiben konnte, mußten die Westmächte am 23. Juni 1948 die DM-West in ihren Sektoren einruhren 29 • Mit der Geltung unterschiedlicher Währungen in beiden Stadthälften Berlins wurde jene Entwicklung eingeleitet, die schließlich zur Errichtung deutscher Staatsorgane filhren sollte, deren Hoheit nur im Gebiet der elf westdeutschen Länder unmittelbar effektiv werden konnte. Gleichzeitig begann die SED, in den Sitzungen der Berliner Stadtverordnetenversammlung eine sachgemäße Arbeit unmöglich zu machen. Den Störaktionen am 23. Juni und 26. August folgte am 6. September 1948 die endgültige Spaltung Berlins. Kommunistische Demonstranten hatten das im sowjetischen Sektor gelegene neue Stadthaus umstellt und teilweise besetzt. Die Stadtverordnetenversammlung wurde daher durch ihren Präsidenten, Otto Suhr, rur den Abend desselben Tages in das Studentenheim der Technischen Hochschule in Charlottenburg einberufen. Die Abgeordneten der SED blieben der Sitzung fern. Darauf beschloß die Einheitspartei, an keiner Sitzung der Stadtverordnetenversammlung teilzunehmen, die nicht im Stadthaus, sondern in den Westsektoren stattfmden werde. Damit war die faktische Spaltung Berlins abgeschlossen 3o . Knapp drei Monate später wurde die administrative Teilung Berlins durch den Gewaltakt vom 30. November 1948 endgültig vollzogen. An diesem Tag erklärten die in die Berliner Stadtverordnetenversammlung gewählten 26 Abgeordneten der SED den Magistrat rur "abgesetzt" und bestellten "zur Sicherung der einheitlichen Verwaltung und zur Vorbereitung allgemeiner demokratischer Wahlen in ganz Berlin" einen "provisorischen demokratischen Magistrat", eine Pseudo-Stadtverordnetenversammlung, der jede Legitimation durch das Volk fehlte. Im Ost-Berliner Admiralspalast wurde am 30. November 1948 außerdem "das Primat der SED im Ostsektor stabilisiert und damit die Voraussetzung rur die Umwälzung der rechtlichen, ökonomischen und gesellschaftlichen VerhältTexte der einschlägigen Dokumente in: Berlin-Dokumente, ebenda, S. 69-72. Vgl. dazu S. Mampel, a.a.O. (Anm. 4), S. 67-70; O. M. von der Gablentz: Die Berlin-Frage in ihrer weltpolitischen Verflechtung 1944-1963. München 1963, S. 10-14. Die ausftlhrlichste Darstellung aus DDR-Sicht lieferte der Historiker Gerhard Keiderling mit seiner Studie "Die Berliner Krise 1948/49 - Zur imperialistischen Strategie des kalten Krieges gegen den Sozialismus und der Spaltung Deutschlands". Berlin (Ost) 1982. Vgl. dazu aus "westlicher" Sicht Hannes Adomeit: Die Sowjetmacht in internationalen Krisen und Konflikten - Verhaltensmuster, Handlungsprinzipien, Bestimmungsfaktoren. Baden-Baden 1983, Kap. C "Die Berlin-Krise 1948". 29

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nisse in diesem Teile der Stadt gesetzt. Während in den Westsektoren die freiheitlich-demokratische Ordnung systematisch weiterentwickelt wurde, errichteten die Machthaber des Sowjetsektors dort Schritt fllr Schritt eine volksdemokratische Ordnung."31 So ermangelte der "provisorische demokratische Magistrat", der ohne Legitimation in sein Amt gelangt war, zunächst jeder Rechtsgrundlage. Zwar setzte er die Vorläufige Verfassung von Groß-Berlin vom 13. August 1946 nicht ausdrücklich außer Kraft, behandelte sie aber so, "als ob sie es nicht mehr gäbe. Es fehlte ja auch ein Organ, das von ihr zwingend vorgeschrieben war und erhebliche Befugnisse hatte: die Stadtverordnetenversammlung. Sie nur filr den Bereich des Ostsektors neu wählen zu lassen, scheuten die Machthaber."32 Der Magistrat ersetzte am 29. März 1950 die Vorläufige Verfassung durch eine Geschäftsordnung und am 8. Juni 1950 durch eine Hauptsatzung filr die Verwaltung von Groß-Berlin, und am 19. Januar 1953 gliederte er die Verwaltung Ost-Berlins dem neuen sowjetzonalen Verwaltungsapparat ein: "Die Schaffung der Grundlagen des Sozialismus in Groß-Berlin nach dem Beispiel der Deutschen Demokratischen Republik setzt die weitere Demokratisierung der Organe der Staatsrnacht der Hauptstadt und die Verbesserung ihres Aufbaues und ihrer Arbeitsweise voraus.'