Berghotels 1890–1930: Südtirol, Nordtirol und Trentino: Bauten und Projekte von Musch & Lun und Otto Schmid [2 ed.] 9783035625837, 9783035625820

Fundamentals of hotel design Fundamentals of hotel construction Around 1890, the advance of alpinism and Alpine tour

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Berghotels 1890–1930: Südtirol, Nordtirol und Trentino: Bauten und Projekte von Musch & Lun und Otto Schmid [2 ed.]
 9783035625837, 9783035625820

Table of contents :
Inhalt
Abkürzungen
Umrechnung historischer Währungen in Euro
Vorwort
Einleitung
Dank
„Vergleichende Betrachtungen über den Fremdenverkehr ...“
Der „Verein für Alpenhotels in Tirol“ und seine Akteure
Das Berghotel
Endnoten
Register
Bildnachweis
Impressum
Front matter 2
Inhalt
Bauten und Projekte von Musch & Lun und Otto Schmid (in chronologischer Reihenfolge) – Allgemeines
Abkürzungen
Umrechnung historischer Währungen in Euro
1892/1893 / Hotel Sulden für Theodor Christomannos und Otto Schmid, Sulden
1893/1894 / Hotel des Alpes, Speisesaal, An- und Zubauten für Franz Österreicher, Madonna di Campiglio
1893–1895 / Hotel Stötter für Carl Stötter, Sterzing
1895 / Dolomiten-Hotel Weisslahnbad, Erweiterung und Anbau eines Speisesaales für den „Verein für Alpenhotels in Tirol“, Tiers
1894–1896 / Hotel Trafoi für den „Verein für Alpenhotels in Tirol“, Trafoi
1894–1896 / Hotel Karersee für den „Verein für Alpenhotels in Tirol“, Welschnofen
1896/1897 / Rosengartenhof für Anton Dejori, Karerpass
1896–1899 / Hotel Pragser Wildsee für Eduard Hellenstainer, Prags
1898–1900 / Hotel Plätzwiese für Hans Leipold, Prags
1898–1900 / Pension Gudrunhausen für Marie Gröbner, Gossensass
1900–1902 / Hotel Brennerbad für die Brennerbad-Gesellschaft, Brenner
1900–1902 / Hotel und Pension Wenter für Amalie Wenter, Graun
1900–1903 / Hotel Kitzbühel für den Hotelbauverein Kitzbühel, Kitzbühel
1902–1904 / Hotel Stubai für Josef Riehl, Fulpmes
1902 / Hotel Langguth für Ferdinand Langguth (Projekt), Brenner
1905–1907 / Hotel Oberbozen (Hotel Holzner) für die Aktiengesellschaft Rittner Bahn, Oberbozen
1907–1909 / Dolomitenhaus Canazei für den „Deutschen Verein für Dolomitenhäuser“ Gesellschaft mit beschränkter Haftung
1908 / Hotel (Projekt), St. Anton am Arlberg
Anhang
Endnoten
Register
Bildnachweis
Impressum

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BERGHOTELS 1890–1930

BERGHOTELS 1890–1930

Südtirol | Nordtirol | Trentino Bauten und Projekte von Musch & Lun und Otto Schmid Band 1 | 2. Auflage Bettina Schlorhaufer

Birkhäuser Basel

Inhalt Abkürzungen 8 Umrechnungen historischer Währungen in Euro 9 Vorwort 10 Einleitung 12 Dank 20 „Vergleichende Betrachtungen über den Fremdenverkehr ...“ Grundlagen und räumliche Auswirkungen des Tourismus im 19. Jahrhundert mit besonderer Berücksichtigung Tirols 22 Das (Berg-)Hotel – Vorbote der Moderne 22 Großhotels und Kurzentren mit und ohne Anbindung an die Eisenbahn 25 Erholung von der Stadt: Reisen als Massenbewegung 26 33 Bautypologisches zum Thema Hotel und Hospiz bzw. Hospital Stichwort „Vernetzung“ – Eisenbahn 38 Standardisierte Verkehrsnetze – standardisierte Räume 40 „Gründerboom“ in Südtirol: Die Hotels Austria, Meranerhof und das Dolomitenhotel Toblach werden mit Mitteln aus Wien finanziert 43 Serienproduktion: von den Hotels „von der Stange“ bis zu „regionalisierten“ Baumodellen 44 Das Dolomitenhotel Toblach und der neu aufkommende Saisonbetrieb 47 Elise Überbacher 52 Wilhelm von Flattich 53 Johann Angerer 54

Die Entwicklung des Südtiroler Tourismus im Spiegel der Schriften seine Wegbegleiters Johann Angerer Vom Bauernhaus zum Palasthotel – der Wielandhof Gossensass „Vergleichende Betrachtungen über den Fremdenverkehr…“ 1887: In den österreichischen Alpenländern wird der Tourismus „amtlich“ Tourismus zwischen findigem Gewinndenken und Reform Nachweisungen über das Bergführerwesen und die Fremdenfrequenz in den Alpenländern 1885 bis 1887 1890 und 1892: systematischer Fremdenverkehr trotz anhaltender Kritik

55 57 60 62 62 63 66



Flucht aus der Stadt – prophylaktisch zur Erholung oder aus medizinischem Grund zur Höhenkur Peter Altenberg – Tuberkulose Diagnose Tuberkulose – ins Sanatorium oder ins Hotel? Touristische Neuausrichtung: Höhentherapie, Nachkur, Terrainkur und Vorbeugung Massenmedien und Bildbotschaften

68 71 74 75 78



Straßen und ihr Einfluss auf die Vermarktung der Bergwelten Südtirol-Trentinos Tourismus und Straßenbau Über Landschaft und „brillante“ Fernsicht – die „narrative Inszenierung“ Tirols in Reiseberichten In den Bergen baut der Blick! Über das im wahrsten Wortsinn fruchtbare Verhältnis von Landschaft und Unternehmertum Lucius Burckhardt über Landschaft und den Wandel ihrer Wahrnehmung Alpenverein und Straßenbau Die Dolomitenstraße Von den Dolomiten ins Ortlergebiet „Suldenbegeisterung“ und der Bau der Straße von Gomagoi nach Innersulden 1890–1892 Die Suldenstraße

81 83 84

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88 89 92 93 95 95 98

Der „Verein für Alpenhotels in Tirol“ und seine Akteure

100



Theodor Christomannos, Alpinist, Autor, Politiker und „Berghotel-Entrepreneur“ Jurist, Alpinist und später Privatier in Meran Soziale und politische Ambitionen Publikationen über Südtirol Bernhard Johannes Christomannos, der (Selbst-)Inszenierer Christomannos, der Alpinist und „Paternalist“

102 103 105 106 107 109 110



Otto Schmid, Architekt und Hotelier Schüler von Friedrich von Schmidt (zwischen „Gotik“ und „Denkmalpflege“) Schloss Enn: Konservieren oder weiterbauen? Nach Schloss Enn über die Fleimstalstraße Schloss Enn und seine Vorbildwirkung auf die späteren Berghotels „... mit Sulden wird’s nichts“ Schloss Enn als „Geburtsort“ der Südtiroler Berghotels Werkverzeichnis von Otto Schmid

111 112 113 114 118 122 122 124



Tony Grubhofer, Maler, Illustrator und Bildbotschafter des Tourismus Sophie und Tony Grubhofer und der „Verein für Alpenhotels in Tirol“ Bildbotschafter des Tourismus

126 127 129



Sebastian Huber, Arzt, Kurvorsteher und Politiker in Meran, Vizepräsident des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“

133



Hans Stainer, Jurist und Wirtschaftsexperte

135



Josef Riehl, Ingenieur, „Landes-Bohrwurm“ und Entrepreneur

136



Carl Lun und das „Bureau für Architektur und Ingenieurbau Musch & Lun“ in Meran Biografisches und Familienstruktur Josef Musch Musch & Lun Berghotels und technische Innovationen

138 139 140 140 144



Josef Lun, Ingenieur und Bauleiter

145



Der „Verein für Alpenhotels in Tirol“ und sein Verhältnis zu anderen Netzwerken und Entrepreneuren im Tourismusgeschäft Gründung eines gemeinnützigen Vereins und keiner (Aktien-)Gesellschaft Engmaschige Akteur-Netzwerke Statuten und Gründerjahre des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ Berghotels ersten Ranges, „Touristenhäuser“ und Kureinrichtungen Werbegemeinschaften und erfolgreiches Marketing über die Reproduktion architektonischer Leitmotive Nicht „alles Walzer“ – der „Verein für Alpenhotels in Tirol“ wird Gesellschaft mit beschränkter Haftung Steuervermeidung, 1905 „Verein für Alpenhotels in Tirol“ Ges. m b. H., Mitglieder und Einlagesummen, 31.3.1906 Die Akteure im „Verein für Alpenhotels in Tirol“ nach 1905 Der „Deutsche Verein für Dolomitenhäuser“ Gesellschaft mit beschränkter Haftung Der „Verein für Alpenhotels in Tirol“ wird „Società Alberghi Alpini“ Zur Überleitung: regionale Eliten und Architektur

147 147 150 151 152 152 155 156 159 162 163 164 165

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Das Berghotel Das Hotel als Bautyp und seine Entwicklung zum Berghotel in Südtirol

166



Das Hotel – eine „Synthese aus Klinik, Wagon-lits und Maschine“ Das Berghotel – urbane Modernität und innovative Interpretation von „Traditionsgebundenheit“ im Gebirge

168



August Prokop: „Über Österreichische Alpen-Hotels mit besonderer Berücksichtigung Tirols“ Kritik am (Schweizer) „Hotelkasten“

171 172



Vom „Hôtel-Dieu“ zum „Maison de Santé“ Vom Kurhaus zum „Hotelkasten“ Risikoreiches Tourismusgeschäft in Südtirol. Gründerzeitliche Serienproduktion im Hotelbau mit finanziellen Mitteln von außen

175 178 185



Nicolas Durand und die „Mechanisierung“ des architektonischen Entwurfs Von der Rationalisierung des Eisenbahnbaus zum „standardisierten Regionalismus“ Vom sogenannten Schweizer Holzstil zum „Hotel im Schweizerstil“ Vom „ethnographic turn“ zur Deutschtümelei im Tourismus Südtirols

187 188 191 191



Ingenieur Friedrich Eisenlohr, Wegbereiter des sogenannten Schweizer Holzstils und der Deutschtümelei in der „Tyroler“ Architektur 194 Blendfachwerk 198



Baumodelle zwischen urban und ländlich – Hotelkästen in H-Form und wenig „Volkstümelei“ in der Architektur von Hotels und Landgasthöfen in Südtirol vor 1900



Vom Stadt- und Kurhotel zum Berghotel. Die Hotelarchitektur in Trentino-Südtirol vor dem Hintergrund internationaler Entwicklungen Imperial Hotel Trento Die Projekte der „Österreichischen Baugesellschaft für Kurorte“: Hotel Austria, Hotel Meranerhof und Hotel Marienbad Dolomitenhotel Toblach – das erste „Alpen-Hotel“ in Österreich





Pittoreske „castellation“ als Prinzip und Wirkung in der Hotelarchitektur nach 1890 Otto Schmids letzter „Hotelkasten“ für den Gardasee Hotel Roseg in Pontresina – v-förmige Öffnung des Hotelkastens

170

201 204 204 205 208

Malerische „Hotel-Burgen“ nach 1890

213 213 213 214

Das Hotel Sulden von Otto Schmid Hotel mit unregelmäßiger Silhouette Unregelmäßigkeit als Programm für serielle Hotelerweiterungen Berghotels als „Weltanschauungssymbole“ August Prokop über die architektonische „Regionalisierung“ des Hotels Sulden

217 217 219 220 220

Unterschiedliche „Weltanschauungen“ – gemeinsame und getrennte Wege der Berghotel-Entrepreneure Über die Kommerzialisierung des Reisens

222 223

Zwei Berghotel-Serien Von der Repetition eines Bautyps zum modularen Bauschema – Hotel Sulden und Hotel Trafoi Vom modularen Bauschema zur Diversifikation touristischer Angebote – Hotel Karersee und Folgeprojekte „Architekturtransfer“ von den Dolomiten auf den Semmering Komponenten eines „Berghotel-Bausatzes“ Neuausrichtung der Berghotel-Architektur – Dolomitenhaus Canazei

224 227

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228 231 232 235

237 Die Innenräume der Berghotels – zwischen Anachronismen und Innovationen Souterrain mit Unterküche und Schwemme 237 Speisesaal 238 Speisesäle mit Holztonnengespärren 242 Speisesäle mit Hammerbalkengewölben 245 Table-d’hôte 246 Gesellschaftsräume 246 Hotelhalle beim Eingang 248 Berghotels und „ethnisches belonging“ 250 Korb- und Bugholzmöbel 253 Gästezimmer und technische Ausstattung 256 Das Fremdenzimmer, 1885 257 Badezimmer 261 Heizung Elektrizität

262 264

Resümee: Über den Anachronismus von Zeit und Zeitgeschmack in den Innenräumen der Berghotels

266

Endnoten Register Bildnachweis Impressum

268 300 302 304

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Abkürzungen Abb. Abbildung/Abbildungen Anm. Anmerkung Bd. Band BTV

Bote für Tirol und Vorarlberg (online: http://digital.tessmann.it/)

BZN

Bozner Nachrichten (online: http://digital.tessmann.it/)

BZZ

Bozner Zeitung (online: http://digital.tessmann.it/)

ca. circa Dat./dat. Datierung/datiert d. h.

das heißt

dt. deutsch Ebd./ebd. Ebendort/ebendort etc.

et cetera

Flückiger-Seiler (1)

Flückiger-Seiler, Roland, Hotelpaläste zwischen Traum und Wirklichkeit. Schweizer Tourismus und Hotelbau 1830–1920, 2. korr. Aufl., Baden 2005.

Flückiger-Seiler (2)

Flückiger-Seiler, Roland, Hotelträume zwischen Gletschern und Palmen. Schweizer Tourismus und Hotelbau 1830–1920, 2. korr. Aufl., Baden 2005.

Flückiger-Seiler (3)

Flückiger-Seiler, Roland, Berghotels zwischen Alpweide und Gipfelkreuz. Alpiner Tourismus und Hotelbau 1830–1920, Baden 2015

Giedion

Giedion, Sigfried, Die Herrschaft der Mechanisierung. Ein Beitrag zur anonymen Geschichte, Hamburg 1994.

Guyer

Guyer, Eduard, Das Hotelwesen der Gegenwart, Zürich 1874, S. 139–142.

H.

Heft

Klasen

Klasen, Ludwig, Grundriss-Vorbilder von Gebäuden aller Art. Handbuch für Baubehörden, Bauherren, Architekten, Ingenieure, Baumeister, Bauunternehmer, Bauhandwerker und technische Lehranstalten, Bd. 2, Gasthäuser, Hotels und Restaurants, Leipzig 1884.

Knoch

Knoch, Habbo, Grandhotels – Luxusräume und Gesellschaftswandel in New York, London und Berlin, Göttingen 2016.

Lässer

Lässer, Adolf, 100 Jahre Fremdenverkehr in Tirol, Tiroler Wirtschaftsstudien, Nr. 40, Innsbruck 1989. 

MEZ

Meraner Zeitung (online: http://digital.tessmann.it/)

Mio.

Million/Millionen

Nr. Nummer o. O.

Publikation ohne Verlagsort

o. J.

Publikation ohne Jahr

o. S.

Publikation ohne Seitenangaben

Pevsner

Pevsner, Nikolaus, Funktion und Form. Die Geschichte der Bauwerke des Westens, Hamburg 1998 (1. Auflage der amerikanischen Erstausgabe: Ders., A History of Building Types, Washington D. C., 1976)

phil. Dipl./phil. Diss.

Diplomarbeit/Dissertation an einer geisteswissenschaftlichen Fakultät

Prokop

Prokop, August, Architekt, Prof. u. Rector der k. k. Techn. Hochschule in Wien (Hrsg.), Über österreichische Alpen-Hotels mit besonderer Berücksichtigung Tirol’s, Wien 1897. Sonderdruck bzw. veröffentlicht, in: Der Bautechniker. Centralorgan für das österreichische Bauwesen. Organ des Vereines der österreichischen Cement-Fabrikanten und des Vereines der Baumeister im Königreiche Böhmen und der Baumeister in Nieder-Oesterreich. Zeitschrift für Bau- und Verkehrswesen, Technik und Gewerbe, Wien 1897.

Rucki

Rucki, Isabelle, Das Hotel in den Alpen. Die Geschichte der Oberengadiner Hotelarchitektur ab 1860, Zürich 2012.

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SAM

Stadtarchiv Meran

Schmid

Schmid Klaus, Pionier des Tourismus in Tirol. Die Alpenhotels des Otto Schmid (1857 bis 1921), unveröff. Manuskript (2014), Touriseum.

Schmitt

Schmitt, Michael, Palast-Hotels. Architektur und Anspruch eines Bautyps 1870–1920, Berlin 1982.

Schwienbacher

Schwienbacher, Stefan, Theodor Christomannos – die Alpenhotels Sulden, Trafoi und Karersee, unveröff. phil.-Dipl., Wien 1997.

TESS

Digitales Archiv der Südtiroler Landesbibliothek Dr. Friedrich Teßmann, www.digital.tessmann.it

TLA

Tiroler Landesarchiv Innsbruck

TLMF

Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Ferdinandeumsbibliothek

TOUR/Touriseum

Touriseum – Südtiroler Landesmuseum für Tourismus, Meran

unveröff.

unveröffentlicht

Vasko-Juhász

Vasko-Juhász, Désirée, Die Südbahn. Ihre Kurorte und Hotels, Wien-Köln-Weimar 2006.

Vidler

Vidler, Antony, Confinement and Cure. Reforming the Hospital, 1770–1789, in: Ders., The Writing of the Walls, New York 1987, S. 51–71.

Vol. Volume z. B..

zum Beispiel

Umrechnung historischer Währungen in Euro Die historischen Währungen Gulden und Kronen wurden auf der Basis des „Historischen Währungsrechners“ der Österreichischen Nationalbank umgerechnet (vgl.: www.eurologisch. at/docroot/waehrungsrechner/#/, Datum der Umrechnungen: 27.7.2020, Angaben zum Teil gerundet). Der historische Währungsrechner vergleicht den Preis eines Bündels von Gütern und Dienstleistungen, des sogenannten Warenkorbs, im Ausgangsjahr und heute. Er basiert auf dem Verbraucherpreisindex und stellt nur eine Möglichkeit dar, historische Werte für heute vergleichbar zu machen. Ergebnisse von Umrechnungen historischer Preise und Währungen sind daher stets nur als Annäherungen zu betrachten. fl.

Gulden, Österreichische Währung (1 fl. ö. W. = 100 Kreuzer ö. W.), 1857 bis 1899

K.

Kronenwährung (1 K = 100 Heller), Währungsumrechnung: 2 K = 1 fl. Die Krone wurde im August 1892 eingeführt. Sie war von Januar 1900 bis Dezember 1924 allein gültiges Zahlungsmittel in Österreich.

Die Umrechnung von  Kronen in Lire (bzw. ab 1925 in österreichische Schilling) erfolgte auf der Basis eines 1919 festgelegten Kurses, ab April 1919 in einem Verhältnis von 100:40 bzw. ab November 1919 von 100:60, was zu schwerwiegenden Geld- und Kapitalverlusten in Südtirol führte. Zum Vergleich: Der Umrechnungskurs betrug 1914 noch 100:105. Vgl.: Steurer, Leopold, Südtirol zwischen Rom und Berlin 1919–1939, Wien-München-Zürich 1980, S. 121.

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Vorwort

Das Südtiroler Landesmuseum für Tourismus in Meran beschäftigt sich mit dem regionalen Tourismus und seinen vielseitigen Facetten: als Wirtschaftszweig, als gesellschaftliche Bewegung, als Feld kultureller Begegnung und Auseinandersetzung, als Resultat und Motor sozialer Veränderungen, als prägender Faktor der Landschaft und der Kultur. Es dokumentiert, ist Denkmal (denk-mal) und als Seismograf dieser Veränderungen zugleich ein Ort des Nachdenkens über das Erreichte und über künftige Entwicklungen. Im Rundgang des Touriseums werden seit der Museumseröffnung 2003 zwei bei Besuchern und Besucherinnen sehr beliebte Anschauungsexemplare gezeigt: Den Ausstellungsbereich der Belle Époque „erleuchtet“ ein detailgetreues Modell des auf 1.650 Metern über dem Meer gelegenen Grandhotels Karersee und in einer großen Vitrine daneben veranschaulichen 200 Tonfiguren in Miniatur die diversen Berufe im selbigen Hotel um 1900. Beide Inszenierungen stehen im Museum für eine beispielhafte Epoche des Aufschwungs im (Süd-) Tiroler Fremdenverkehr vor 1914. Hotelbedienstete und die regionale Hotelarchitektur sind aber auch zwei Bereiche, die von der alpinen Tourismusforschung bisher nur oberflächlich betrachtet wurden. Seit 2018 untersucht das Team des Touriseums mit einem auf mehrere Jahre ausgelegten Forschungsprojekt den Arbeitsalltag und die Lebensverhältnisse der Hotelangestellten in Tirol seit dem großen Aufschwung des Hotelwesens ab 1880. Damit und mit dem 2019 herausgegebenen Studienband konnten – zumindest was den Arbeitsbereich Hotel betrifft – zum einen Forschungslücken geschlossen werden. Zum anderen gelang es, einen ersten umfassenden Blick hinter die Kulissen der im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts boomenden Branche im südlichen Tirol/Südtirol zu werfen. Dabei war Tirol ein Spätstarter in der europäischen Tourismusentwicklung. Während an­dere Gebiete, etwa in der Schweiz, schon um 1800 erste touristische Erfolge verbuchten, konnte Tirol nur recht zögerlich am aufkommenden Fremdenverkehr teilhaben. Mit dem Wirt­ schaftsaufschwung der 1870er Jahre und dem Anschluss an das europäische Eisenbahn­netz erreichte im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts schließlich auch die Architektur der Hotels und Grandhotels Tirol. Zusammen mit den Hotelbauten in den Kurorten Meran und Gries entstanden in Tirol bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts weit über fünfzig „Hotels ersten Ranges“. Diese Hotels wiesen nicht nur die höchste Bettenzahl, sondern auch die modernste Ausstattung auf. Berghotels bzw. alpine Hotels unterscheiden sich ganz grundlegend von ihren Pendants in den Kurorten. Sie sind vergleichbar mit den Grandhotels in urbanen Zentren, doch liegt ihnen ein anderes Konzept zugrunde. Die Häuser im Gebirge waren in ihrer Funktion nämlich auf eine neue Klientel ausgerichtet. Sie vereinten erstmals Kurgäste und Alpinisten unter einem Dach. Ziel war es, außergewöhnliche Beherbergungsbetriebe zu entwerfen, die sich nach dem Credo des Tourismuspioniers Theodor Christomannos zum einen „mit allem modernen Comfort, jedoch ohne jeglichen Luxus“ in ihre Umgebung einbetten sollten. Zum anderen aber sollten sie, was ihre Architektur und Ausstattung anbelangt, so gestaltet sein, dass auch „arme Bemitleidenswerthe, die in Folge körperlicher Ungeübtheit nicht ‚kraxeln‘ können“, Anreize fanden, dort ihre Sommerfrische zu verbringen. Dabei dienten vor allem die atemberaubende Landschaft und die imposante Gebirgskulisse Südtirols als einzigartige „Bühne“ dieser neuen Hotelprojekte. Gerade der minutiös auserkorene Standort verlieh diesen Häusern – um

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einen modernen Marketingbegriff zu bemühen – die Unique Selling Proposition (USP), das Alleinstellungsmerkmal schlechthin. Die Akteure und Entrepreneure planten und entwarfen ein ganzheitliches Tourismuskonzept, nach dem sich die Gäste erstmals mit der Gegend, der Region identifizieren sollten. Auch wenn die Hochblüte dieser Prachtbauten im Gebirge nur sehr kurz dauerte – der Erste Weltkrieg machte dieser Glanzzeit ein abruptes Ende –, so fungierten die Berghotels in den vormals touristisch abgelegenen Gebirgstälern Südtirols doch nachhaltig als Triebfedern und Leuchttürme für eine langfristige Tradition der Gastlichkeit, die bis heute lebt und den Südtiroler Tourismus kennzeichnet. Wie wurden die Architektur der Berghotels in Südtirol und mit ihr die touristische Erschließung und Vermarktung der vormals entlegenen Berggebiete entwickelt? Welche Ideen standen dahinter, wer waren die Initiatoren und Impulsgeber, welche Ziele wurden damit eigentlich verfolgt? Die Geschichte(n) der Akteure und ihrer Hotelbauten in der Tourismusgeschichte Tirols im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts sind sehr vielschichtig. Bettina Schlorhaufer bringt nach Jahren der intensiven Forschung und Recherchen nun neue, bis heute völlig im Verborgenen gebliebene Erkenntnisse und Zusammenhänge an die Oberfläche. Gemeinsam mit bisher der Öffentlichkeit weitgehend unbekannten Quellen und einmaligen historischen Architektur­ plänen aus Privatarchiven sowie noch nie publiziertem Bildmaterial erscheint nun erstmals ein vollständiges Bild des frühen (Berg-)Hotelbaus in Südtirol, in Nordtirol und im Trentino.

Patrick Gasser und Leo Andergassen Direktion Touriseum – Südtiroler Landesmuseum für Tourismus, Oktober 2020

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Einleitung

Dem ersten Kapitel dieses Buches ist ein Statement über „Das Hotel, ein Bauproblem“1 aus dem Jahr 1909 vorangestellt. Schon damals wurde das Hotel mit einer technischen Apparatur verglichen, die in ständiger Wiederholung „wie eine Maschine“ temporäre Beherbergung „produziert“. Standardisierung ist demnach ein Prinzip, das mit dem Hotel bzw. dem Hotelbau schon früh in Verbindung zu bringen ist.2 Der Autor des Texts, Joseph August Lux, war ein eloquenter und gut vernetzter Teilnehmer des Architektur- und Kunstdiskurses um 1900, aber nicht nur ein Freund des Maschinenzeitalters. Seine ambivalente Haltung zeigt sich darin, dass er durch die industrielle Produktion zwar die „individuelle Freiheit des Künstlers“3 bedroht sah, sich aber zugleich für die „IngenieurÄsthetik“ der neuen Verkehrsmittel Ozeandampfer, Flugzeug und Automobil „begeisterte“4. Das „Problem“ der Hotelarchitektur sah er daher „nicht in den Fragen des guten Geschmackes oder der künstlerischen Gestaltung“, sondern „lediglich in der technischen und konstruktiven Durchführung, in der Grundrißlösung, und in der Forderung des höchsten Komforts, erreicht mit dem geringsten Aufwand von Zeit und Mitteln“5 – eben in der Systematisierung. Man ist geneigt, Phänomene wie frühe Formen von Standardisierung eher dem urbanen Bereich zuzuordnen als Regionen wie Tirol, die in vielerlei Hinsicht an der „Peripherie“ der Habsburgermonarchie lagen. In diesem Buch kann aber gezeigt werden, wie früh der Entwurfsprozess bei Hotelprojekten, von Vorbildern aus dem Hochbau der Eisenbahn beeinflusst, z. B. auch in Südtirol6 rationalisiert wurde. Hier lässt sich am Beispiel der Bauaufgabe Hotel bzw. Berghotel demonstrieren, welche räumliche Reichweite architektonische Innovationen aus Großstädten wie Wien hatten und wie sie sich im Lauf der Zeit bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs weiterentwickelten. Bereits in den 1870er Jahren wurden im südlichen Tirol an verschiedenen Orten Hotels errichtet, die nach einem Schema in unterschiedlicher Größe ausgeführt wurden. Doch nicht nur Architekten, die von Wien aus agierten, realisierten in diesem Landesteil Hotels „mit dem geringsten Aufwand von Zeit und Mitteln“ wie am Reißbrett. Es lässt sich später auch an den von Otto Schmid und Musch & Lun verwirklichten Berghotels nachweisen, dass ihr Entwurf ebenfalls in Serie bzw. auf der Basis von Baukastenmodellen erfolgte. Unter anderem dienten die modularen Programme dazu, den Projekten – vergleichbar mit denen heutiger Hotelketten – ein wiedererkennbares Gesamterscheinungsbild zu verleihen. Nach 19047 wandelte sich diese Entwurfspraxis unter dem Einfluss von aus München stammenden Architekten und Büros bzw. der zunehmenden Abkehr von einer (Hotel-)Architektur in „historischer Maske“8. In Verbindung mit dem Wiederaufbau des Hotels Karersee nach dem Brand von 1910 und dem Dolomitenhaus in Canazei lässt sich diese Neuausrichtung besonders anschaulich darstellen. Überdies entstand nahe der Herberge im Fassatal um 1930 das erste und bisher einzige bekannte Motel im Alpenraum.

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Joseph August Lux, Das Hotel, ein Bauproblem, in: Der Architekt, Wien 1909, S. 17

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Aufbau der zwei Bände des Buches Den Anknüpfungspunkt für dieses Buch bildete das Archiv von Musch & Lun „Bureau für Architektur und Ingenieurbau“ in Meran. Die in Privatbesitz befindliche Sammlung wurde im Rahmen eines mehrjährigen Forschungsprojekts aufgearbeitet.9 Unter den Plänen, Skizzen und Zeichnungen fanden sich auch bemerkenswerte Blätter zu mehreren Hotelprojekten, die in einem erweiterten Kontext der Anlass für Folgeuntersuchungen zum Thema „Berghotels 1890–1930: Südtirol, Nordtirol, Trentino“ wurden.10 Eine Reihe von Architekturdarstellungen aus dem Archiv von Musch & Lun werden in diesem Band zusammen mit umfassenden Dokumentationen und neuen Forschungsergebnissen zum Teil das erste Mal der Öffentlichkeit vorgestellt. Nachdem Musch & Lun aber nicht nur die Architektur einer Reihe von Berghotels unterschiedlicher Größe gestaltete, sondern zusammen mit Otto Schmid und anderen auch am „Verein für Alpenhotels in Tirol“ beteiligt war, determinierte diese Ausgangslage den interdisziplinären Aufbau und die methodischen Ansätze dieser Publikation. Zudem war unter diesen Voraussetzungen eine Eingrenzung des Bandes auf die Bauten und Projekte von Musch & Lun und Otto Schmid naheliegend. Das zweiteilige Buch umfasst vier große Kapitel, von denen jedes auch unabhängig von den anderen gelesen werden kann. In „Vergleichende Betrachtungen über den Fremdenverkehr ...“ geht es um die Grundlagen und räumlichen Auswirkungen des Tourismus. Im anschließenden Abschnitt werden der „Verein für Alpenhotels in Tirol“ und seine Akteure beleuchtet. Der „Verein für Alpenhotels“ lässt sich als exemplarisches Beispiel einer Entrepreneurship des späten 19. Jahrhunderts betrachten. Das Unternehmen agierte auf regionaler Ebene, verfolgte aber über seinen reinen Betriebszweck hinaus auch (tourismus-)politische Ziele und solche, die eine frühe Form von Gemeinwohlorientierung repräsentieren. Im Unterschied zu diesen sozial- und wirtschaftsgeschichtlichen Teilen des Buchs behandelt der daran anschließende Abschnitt, „Das Berghotel. Das Hotel als Bautyp und seine Entwicklung zum Berghotel in Südtirol“, spezifische architektonische und bautypologische Fragen zum Hotelbau des 19. Jahrhunderts. Den Ausgangspunkt bilden hier der Bautyp Hotel und seine Verwandtschaft zum Hospital, ferner die serielle Architekturproduktion vor dem Hintergrund des Hochbaus der Eisenbahn, insbesondere aber der Aspekt der Ethnisierung und politischen Aufladung des Tourismus in den Berggebieten entlang der italienischen Sprachgrenze in den Dolomiten und im Ortlergebiet – weil dieser die Gestaltung der Hotels unmittelbar beeinflusste. Der Band endet mit einem Katalogteil, in dem ausgewählte Bauten und Projekte von Otto Schmid und Musch & Lun aus der Ära vor dem Ersten Weltkrieg vorgestellt werden. Wo es möglich war, wurde die Baugeschichte des jeweiligen Objekts zeitlich so weit wie möglich verfolgt  – zum Teil bis in die jüngste Vergangenheit. Nachdem sich die Bauprojekte nicht nur auf das heutige Südtirol eingrenzen ließen, wurden auch solche in die Analysen mit einbezogen, die im Trentino oder in Nordtirol entstanden. Einen besonderen Teil stellen hier unverwirklicht gebliebene Projekte dar, weil sich an ihnen veranschaulichen lässt, wie man die Entwicklung des Tourismus in manchen Gebieten Nord- und Südtirols einschätzte. Beispiele sind das Hotel Karersee, wo Musch & Lun 1936 eine bemerkenswerte Freibadanlage plante, und ein Hotel in St. Anton am Arlberg aus den Jahren 1908 bzw. 1911, dessen Realisierung für den heutigen Wintersportort eine bedeutende urbane Festlegung dargestellt hätte.

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Zusammen mit den Texten, Plänen und Abbildungen wird in diesem Buch auch viel kontextuelles Material präsentiert. Hervorhebungen beinhalten Leseangebote mit humorvollen, literarischen oder landschaftsbezogenen Inhalten, ferner Tabellen, Listen und nicht zuletzt Biografien von TourismusunternehmerInnen, Architekten, Ingenieuren etc. Interdisziplinärer Forschungsansatz – kontinuierlicher Perspektivenwechsel Adolf Lässer, der mit „100 Jahre Fremdenverkehr in Tirol“ (Innsbruck, 1989) ein Standardwerk zur Tourismusgeschichte veröffentlichte, schreibt am Ende des Kapitels über Kurorte und „Badln“: „Mit dieser etwas ausführlichen, aber lange noch nicht vollständigen Schilderung des Tiroler Badewesens vor 100 Jahren sollte aufgezeigt werden, dass die Anfänge unseres Fremdenverkehrs auf zwei Säulen ruhten, auf dem Erlebnis der Bergwelt und auf der Gesundung durch deren natürliche Ressourcen. Leider verkümmerte die zweite Säule, nicht nur bei uns, auch in anderen Alpenländern. Man sollte ihre Bedeutung nicht außer acht lassen und dem Vorkommen einer Heilquelle mindesten den Wert einer Sesselbahn beimessen […].“11 Das Resümee Lässers bildete einen wichtigen Ansatz für dieses Buch. Denn eine Folge des nach 1800 prosperierenden Kurwesens war eine Intensivierung der Bautätigkeit. In den damals entstehenden Kur- und Beherbergungskomplexen mit ihren „klinischen“12 Anforderungen liegt einer der Ursprünge für das spätere Berghotel. Darüber hinaus spielten die Heilbäder und „Badln“ im aufsteigenden Fremdenverkehr allgemein eine große Rolle, weil Hydrotherapien und andere naturheilkundliche Ansätze auch einen neuen Zugang zur Natur förderten. Ihr „unsichtbarer Beschützer“, so der Architekturhistoriker Sigfried Giedion, wurde Jean-Jacques Rousseau (1712–1778), der „zu einer Wesenskraft der ganzen romantischen Zeit geworden war.“13 Das Zitat stammt aus „Mechanization Takes Command“ (Oxford 1948, dt.: Die Herrschaft der Mechanisierung. Ein Beitrag zur anonymen Geschichte, Frankfurt am Main 1987). Hier schreibt Sigfried Giedion über die „Mechanisierung“ des Bades, dass sich dieses im Lauf des 19.  Jahrhunderts von einer Einrichtung, in der der Körper „von außen gereinigt“14 wurde, zu einer wandelte, die der Regeneration dient („Das Symbol dieser Form des Badens ist die Badewanne.“15). In weiterer Folge spannt er einen Bogen von der Entwicklung des Badezimmers zur Kur bzw. spezifisch zur ortsunabhängig praktizierbaren Kaltwassertherapie, um das neue Bedürfnis nach Erneuerung „als Ausgleich gegen städtische Abnutzung“16 zu beleuchten. Das von der Naturheilkunde herkommende therapeutische „Eingehen auf die menschliche Natur als Ganzes“17 bewirkte darüber hinaus einen weiteren Wandel. Denn mit der gesamtheitlichen Sicht auf den Menschen veränderte sich auch der Blick auf seine Umwelt. Über den erwachenden Bezug zwischen Reise und Landschaft, der in der Folge zu einer bestimmenden Kategorie im Fremdenverkehr wurde, schreibt Isabelle Rucki in „Das Hotel in den Alpen. Die Geschichte der Oberengadiner Hotelarchitektur ab 1860“ (Zürich 2012), dass es die Gäste der Kurbäder waren, welche die Landschaften im Umfeld der Gesundbrunnen erkundeten und bereits früh in den Alpen reizvolle Bergkulissen „entdeckten“.18 Auch wenn sich Giedion im Unterschied zur Schweizer Kunsthistorikerin nicht explizit mit dem Reisewesen beschäftigt, lassen sich seine Analysen dennoch auf die Genese der – ebenfalls holistischen – Phänomene Erholung und Urlaub übertragen. Beispielsweise resümiert er über das parallele Aufkommen von Mechanisierung (des Bades), Heilkunde und Natureinstellung: „Das neunzehnte Jahrhundert hat, wie wir immer wieder betonen möchten, nicht nur eine Seite. In vielen seinen Äußerungen lebt, besonders in der ersten Hälfte, ein Stück Universalismus weiter.“19

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Die Abhärtung des Körpers und eine naturnahe Lebensweise wurden bald auch von Gesunden aufgegriffen.20 Aus diesem Grund kommt dem Übergang von der Krankheitsbehandlung zur Regeneration in der Entwicklung des systematischen Tourismus eine zentrale Bedeutung zu. Nicht zuletzt entstanden aber auch einige Sportarten bzw. der Alpinismus vor dem Hintergrund dieser Prämisse. Demnach waren mehrere Vorbedingungen dafür ausschlaggebend, dass die Berghotels speziell in Südtirol in vorher vom Tourismus noch nicht erschlossenen Höhenlagen angesiedelt wurden. Doch selbst in exponierten Landschaftsräumen gelangten innovative Methoden der architektonischen Planung und Ausführung zum Einsatz. Eine Zielsetzung des Forschungs- und Buchprojekts zum Thema „Berghotels“ war, die Entwicklung von Fremdenverkehr und Hotelbau mit südtirolspezifischen Aspekten und solchen aus Geschichte und Theorie der Architektur zusammenzuführen. Um den interdisziplinären Ansatz stringent zu verfolgen und den komplexen Phänomenen Reisewesen und Architektur gerecht zu werden, wurde vor allem im ersten Band jeweils von beiden wissenschaftlichen Disziplinen herkommende Literatur zitiert. Ein besonderer Stellenwert kam dieser Herangehensweise in Verbindung mit der Deutsch­ tümelei in der Tourismusarchitektur Südtirols zu. Die Berghotels wurden als demonstrative Zeichen gegen die Italianisierung alpiner Räume strategisch an ihren Standorten platziert und in ihren Erscheinungsbildern sollten sie die Superioritätsansprüche ihrer Erbauer reflektieren. Dadurch wurden die vielschichtigen Interaktionen zwischen Tourismus, Politik und Berghotelbau zu einem zentralen Forschungsgebiet im Vorfeld dieser Publikation. In diesem Rahmen spielten große künstlerische Strömungen wie das Gothic Revival und dessen Niederschlag in kleinen geografischen Räumen wie Südtirol ebenso eine Rolle wie die Übertragung von „deutscher“ Identität in die regionale Architektur. Eine Auseinandersetzung mit soziokultureller Konstruktion und ihrem reziproken Verhältnis zur Tourismusarchitektur und ihren Auftraggebern im Zeitraum zwischen 1890 und 1930 war nur auf der Basis der wichtigen Arbeiten von Hans Heiss über die bürgerlichen Lebenswelten im Umfeld der Wirtschafts-, Stadt- und Fremdenverkehrsentwicklung (in Südtirol) möglich. Der Historiker verfasste nicht nur mehrere Überblickswerke zum Thema, sondern widmete sich in anderen Arbeiten spezifisch dem „Grandhotel Toblach – Pionier des Tourismus in den Alpen“ (Bozen-Wien 1999) und im Band „Ortler – Der höchste Spiz im ganzen Tyrol“ (Bozen 2004) der schillernden Figur des Berghotel-Entrepreneurs Theodor Christomannos. „Die Umwandlung von Natur in Landschaft zeigt eindeutig ideologische Elemente“, schreibt der Architekturtheoretiker Ákos Moravánsky in „Das entfernte Dorf“ (Wien 2002), „sie wird als Karte der nationalen Geschichte lesbar“21. Gerade in die „Karten“ der Südtiroler Gebirge an den Sprachgrenzen zu Italien wurde mit den Berghotels auch viel deutschnationale Ideologie implementiert. Der Artikel „Tourismus und Nation. Zur Politisierung des Reisens in der späten Habsburgermonarchie“ von Michael Wedekind in der Festschrift für Hans Heiss22 und der Band „‚Für Gott, Kaiser und Vaterland‘: Nationale Identität der deutschsprachigen Bevölkerung Tirols 1860–1914“ von Laurence Cole (Frankfurt am Main-New York 2000) bildeten in diesem Zusammenhang wichtige Grundlagen für die Beschreibung der Bezüge zwischen Weltbildern und architektonischen „Entwürfen“. Der diesem Buch zugrundeliegende interdisziplinäre Ansatz ermöglicht in seinem kontinuierlichen Perspektivenwechsel eine Neupositionierung des regionalen (Berg-)Hotelbaus in der Forschungslandschaft und trägt zur Erschließung von wissenschaftlichem Neuland bei.

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Auch ein Blick auf die relevante Literatur im Forschungsgebiet veranschaulicht, wie wichtig gerade in Verbindung mit Untersuchungen über Planung, Bau und Betrieb von regionalen Berghotels vor dem Ersten Weltkrieg ein fachübergreifender Ansatz ist. Fast jede Untersuchung über Bautypologien geht von Nikolaus Pevsners Standardwerk, „A History of Building Types“ (Princeton 1976, dt.: Funktion und Form. Die Geschichte der Bauwerke des Westens, Hamburg 1998), aus. Die meisten nachfolgenden Arbeiten über die Bauaufgabe Hotel  – auch die mit regionalem Bezug  – bauen auf Pevsners Grundlagen auf, wenngleich der deutsch-britische Forscher aus seinen Betrachtungen über temporäre Beherbergungsformen die im wahrsten Wortsinn „historischen“ Entwicklungen auf dem Gebiet von Transport und Mobilität fast gänzlich ausklammert. Pevsner widmet in seiner Publikation neben dem Hotel auch dem Hospital ein umfangreiches Kapitel. Dabei handelt es sich um zwei Bautypologien, die als „temporäre Herbergen“ in enger Verwandtschaft zueinander stehen. Gemeinsam bildeten sie den Ausgangspunkt für die Entwicklung des späteren Hotels – als „Synthese von Klinik, Wagon-lits und Maschine“23, wie Joseph August Lux schreibt. Weitere wichtige Aspekte zur Entwicklung des Krankenhauses als zunehmend bedeutende zivile Bauaufgabe bietet der Essay „Confinement and Cure. Reforming the Hospital, 1770–1789“ des britisch-US-amerikanischen Architekten und Theoretikers Antony Vidler (in: Ders., The Writing of the Walls, New York 1987, S. 51–71). Erst vor dem Hintergrund dieser Publikationen wird im dritten Kapitel dieses Buches deutlich, warum Sigfried Giedions Analysen über Therapieformen um 1800 und ihre Nachwirkung im sich entfaltenden Fremdenverkehr ein wichtiges Leitmotiv für dieses Buch bildeten. Zur weiteren wichtigen Basisliteratur zählen die Bände „Palast-Hotels. Architektur und Anspruch eines Bautyps 1870–1920“ (Berlin 1982) von Michael Schmitt, „Die Südbahn. Ihre Kurorte und Hotels“ (Wien-Köln-Weimar 2006) von Désirée Vasko-Juhász und das oben bereits genannte Buch von Isabelle Rucki. Im Unterschied zu diesen Publikationen von KunsthistorikerInnen wurden die Bände „Hotelpaläste zwischen Traum und Wirklichkeit. Schweizer Tourismus und Hotelbau 1830–1920“ (Baden 2005), „Hotelträume zwischen Gletschern und Palmen. Schweizer Tourismus und Hotelbau 1830–1920“ (Baden 2005) und „Berghotels zwischen Alpweide und Gipfelkreuz. Alpiner Tourismus und Hotelbau 1830–1920“ (Baden 2015) vom historisch versierten Architekten und Denkmalpfleger Roland FlückigerSeiler verfasst. Er regte überdies mit dem Schweizer Hotelarchiv eine wichtige Initiative zur Bewahrung des kulturellen Gedächtnisses über historische Hotels an.24 Neben den oben angeführten Publikationen mit Regionsbezug spannt der Historiker Habbo Knoch in „Grandhotels. Luxusräume und Gesellschaftswandel in New York, London und Berlin“ (Göttingen 2016) einen Bogen von der Unterkunft zum Hotel in einem weiten geografischen Rahmen. Der Blick in die USA ist deshalb von Bedeutung, weil hier die Hotels „public palaces“ waren, in denen gesellschaftliche Distinktion keine so große Rolle spielte wie in Europa. Hier war das Hotel bzw. dessen „bar-room“ ein in die Stadt integrierter, halböffentlicher Ort der Kommunikation, in dem sich „das republikanische Gleichheitsideal eines Landes“ spiegelte, „das über keine Fürstenhöfe verfügte“.25 Diese Situation änderte sich erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Einführung von „Luxusräumen“, die soziale Abgrenzung am Reisesektor förderten. Dennoch, und darauf verweist auch diese Publikation über Berghotels, bildete das Hotel noch bis um 1900 einen Rahmen, in dem sich die Gesellschaft  – zumindest „probeweise“  – neu strukturieren konnte. In diesem Zusammenhang spielte die architektonische Konfiguration von temporären Begegnungszonen wie den Hotelhallen und Speisesälen eine nicht unbedeutende Rolle.

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Einen Kontrapunkt zu diesen Publikationen stellt das ältere Werk „Mechanization Takes Command“ dar. Wie oben bereits bemerkt, unterscheidet es sich vor allem in Bezug auf die von Sigfried Giedion erörterten Fragestellungen. Beispielsweise bezieht der Architekturhistoriker in die Geschichte des Bades die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sprunghaft in Mode gekommenen Kaltwassertherapien ein, was vordergründig nicht notwendig erscheint. Erst im Lauf seiner Analysen gelangt er zur eigentlichen Kernfrage, warum das Badezimmer ein derart enges Verhältnis zum Thema „ganzheitliche Regeneration“ aufweist – d. h., woher die Verbindung vom „harten“, „mechanischen Raum“ zum „weichen“, emotional aufgeladenen Komplex „Erholung“ rührt. Giedion betont aber schon im Vorwort, dass sein Band die Kluft überbrücken soll, „die seit dem Beginn der Mechanisierung unser Denken von unserem Fühlen getrennt hat.“26 Die wachsende Diskrepanz zwischen Mensch und Raum bzw. Mechanisierung wurde im Umfeld von Industrialisierung und Verstädterung nach 1800 besonders spürbar. Aus diesem Grund fanden holistische „Heilsversprechen“ wie die Kaltwassertherapien beim Publikum besonders großen Anklang – nicht zuletzt, weil sie teilweise bei Quellen im Freien durchgeführt wurden und auf diese Weise den Kurgästen auch einen emotionalen Rückbezug zur Natur ermöglichten. Giedions Analysen nachhaltiger Entwicklungen verloren bis heute nicht an Gültigkeit – z. B. wenn man in Verbindung mit der Identifikation von Urlaub mit „Erneuerung“ an das Reisemotiv „Wellness“ denkt. In „Mechanization Takes Command“ veranschaulicht Giedion historische Entwicklungen anhand von Neuerungen. Er betrachtet diese aber abseits technokratischer Zugänge als Ansätze für eine „anonyme Geschichte“, um nicht nur „Tatsachen und Zahlen zusammenzutragen, sondern um zu zeigen, welchen Einfluss auf die Kultur und welche Bedeutung sie für uns haben.“27 Beispielsweise beleuchtet er neben der „Regeneration“ mit dem „Komfort“ eine weitere, in Hinsicht auf den sich entfaltenden Tourismus wichtige Begriffswelt. Im Lauf des umfassenden Kapitels über „Die konstituierenden Möbel des neunzehnten Jahrhunderts“28 leitet er eine Verbindung zwischen innovativen Patentmöbeln, die verstellbar waren und aus diesem Grund z. B. rasch von den Eisenbahnen aufgenommen wurden, und den Themen Bequemlichkeit und Luxus her. Der Bezug scheint offensichtlich, er entfaltet seine eigentliche Bedeutung aber erst vor dem Hintergrund der Verwirtschaftlichung des Reisekomforts, d. h. der Ökonomisierung von „Luxus“.29 Beispielsweise bedeutete „Komfort“ für Bahnreisende ab der Mitte der 1860er Jahre in den USA die Möglichkeit, die siebentägige Fahrt über den Kontinent nicht nur im Sitzen, sondern im Schlaf- oder Hotelwagen zu verbringen. Die Erfindung solcher „gehobener“ Segmente im Tourismus brachte Vordenkern wie George Mortimer Pullmann (1831–1897) ein Vermögen ein, zudem wurden sie unmittelbar mit „Luxus“ konnotiert und in diesem Sinn zur Gewinnmaximierung laufend weiter verfeinert.30 Übernachtungen in Hotels waren immer schon teuer und nur wenige Reisende konnten sich einen Aufenthalt in einem „Haus ersten Ranges“ leisten.31 Doch wie an anderer Stelle in diesem Buch beschrieben wird, wohnten noble Gäste in der Frühzeit des Hotelwesens noch privat und nicht in einer der „Übernachtungs-Maschinen“, die man ab dem späten 18. Jahrhundert „Hôtel“ nannte  – übrigens war der Begriff für den Beherbergungstyp damals noch so neu, dass ihn zuerst nur die verstanden, die des Französischen kundig waren.32 Naheliegend wäre es, in einem Buch wie diesem das Hotel als eine Weiterentwicklung des Gasthauses zu betrachten, was gerade in Verbindung mit einem traditionsreichen Transitland wie Südtirol Sinn ergeben hätte. Doch das Hotel ist eine architektonisch zu spezifische Bauaufgabe und -typologie. Sie wird neben ihrer Funktion (Bewirtung und Beherbergung)33

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vor allem von ihrer systematischen Gestaltung und ihrer Größe bzw. Baumasse bestimmt.34 Das war der Grund, weshalb sich schon früh der Begriff „Grandhotel“ einbürgerte. Er wird aber in vielen Publikationen architekturhistorisch gesehen zu früh mit der Ideenwelt einer Sphäre des „Luxus“ in Verbindung gebracht. Für Nikolaus Pevsner war die architektonische Qualität vieler Hotelprojekte noch bis weit ins 19. Jahrhundert fragwürdig, weshalb sich für manche Häuser schon bald die Bezeichnung Hotelkasten, Strafanstalt und Kaserne einbürgerte.35 In diesem Buch wird demgegenüber dargestellt, dass sich die Architektur der frühen „Touristenkasernen“ nach 1890 zu einer wandelte, die konkrete Bezüge zur Region aufweisen sollte. Der Umschwung wurde nun von lokalen Akteuren eingeleitet, die mit ihren Entrepreneurships die Regionalentwicklung vorantreiben wollten.36 Das Selbstbewusstsein bildungsbürgerlicher Unternehmer erstarkte nicht nur in Gebieten an der Peripherie der Habsburgermonarchie wie Südtirol, sondern z. B. auch im schweizerischen Engadin.37 Sie wurden die Auftraggeber für Herbergen in einem neuen Erscheinungsbild, wobei die Architektur ihrer Berghotels ebenso „Weltanschauungssymbol“ wie frühes Marketinginstrument war. In der Entstehungszeit dieser Häuser waren die wichtigsten Grundlagen im Hotelbau bereits geschaffen und in Großstädten wie Wien ausgebildeten Architekten konnten sich an Handbüchern orientieren, unter anderem an den Nachschlagewerken „Das Hotelwesen der Gegenwart“ von Eduard Guyer (Zürich 1874) und „Grundriss-Vorbilder von Gebäuden aller Art, Bd. 2, Gasthäuser, Hotels und Restaurants“ von Ludwig Klasen (Leipzig 1884). Doch kein Autor dokumentierte die Neuausrichtung im regionalen Hotelbau in vergleichbar Form wie August Prokop im Band „Über Österreichische Alpen-Hotels mit besonderer Berücksichtigung Tirols“ (Wien 1897). Diese Basisliteratur bildete mit den erhaltenen Bauplänen, Zeitungsberichten, sonstigen Dokumenten und Bildquellen das Ausgangsmaterial für eine erste umfassende interdisziplinäre Analyse einer Auswahl an Berghotels in Südtirol, dem Trentino und in Nordtirol vor dem Ersten Weltkrieg. Der auf diese Epoche folgende Wandel der Tourismusarchitektur in der Ära nach dem Großen Krieg wurde bereits in der Ausstellung mit wissenschaftlicher Begleitpublikation „Architektur wird Region/Dall’architettura alla regione/Architecture becomes Region“ (Basel 2017) dargestellt.38 Mit diesem zweiten Band entstand nun ein weiteres Schau- und Lesebuch, das die Forschung im Fachgebiet bereichern und zu weiteren Untersuchungen anregen soll. Bedauerlicherweise sind nur wenige Zeugnisse dieser frühen Tourismusarchitektur in Südtirol, dem Trentino und in Nordtirol in einer Form erhalten, die das einstige Aussehen der Projekte noch erkennen lässt. Daher erschließt sich heutigen Gästen historischer Hotels auch nicht mehr auf den ersten Blick, dass sie nach „Programmen“ entworfen wurden. Es ist nicht (nur) glücklichen Umständen und dem Einsatz des Denkmalschutzes zu verdanken, dass Häuser wie das Hotel Pragser Wildsee, das Parkhotel Holzner in Oberbozen, das Hotel Dolomiti in Canazei und das Grandhotel Kitzbühel erhalten sind. Vielmehr sind es engagierte BesitzerInnen bzw. Besitzerfamilien, die ihre Häuser mit viel Sinn und Gespür als kulturelles Erbe pflegen, damit diese nach wie vor Gastlichkeit in „historischer Hotelatmosphäre“ vermitteln. Die große Leistung der HotelbetreiberInnen besteht darin, dass sie nicht zuletzt auch mit hohem Aufwand die Bausubstanzen und ihre Interieurs laufend architektonisch und wirtschaftlich den heutigen Anforderungen anpassen und weiterentwickeln. Ihnen und allen InteressentInnen und LiebhaberInnen historischer Hotels ist dieses Buch gewidmet. Bettina Schlorhaufer, Oktober 2020

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Dank

An erster Stelle gilt es, den Partnern des Projekts „Berghotels 1890–1930: Südtirol, Nordtirol, Trentino“ zu danken, namentlich Patrick Gasser und Leo Andergassen, den Direktoren des Touriseums in Meran, Bart Lootsma, dem Leiter des Arbeitsbereichs Architekturtheorie des Instituts für Architekturtheorie, Baugeschichte und Denkmalpflege an der Universität Innsbruck, sowie Peter Assmann, dem Direktor des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum, und Roland Sila, dem Leiter der Ferdinandeums-Bibliothek in Innsbruck, für die Bereitstellung von bemerkenswertem Bildmaterial aus ihren Sammlungen. Ferner sei den Kolleginnen Karin Maringgele und Evelyn Reso vom Touriseum für ihre Hilfe bei der Suche nach Informationen und Abbildungen gedankt. Das Zustandekommen des Werks förderte die frühere Direktorin des Betriebs Landesmuseen, Karin Dalla Torre. Ihr und dem Fachbeirat des Touriseums gilt an dieser Stelle ebenfalls Dank. Für die Bearbeitung eines so großen interdisziplinären Überblickswerks bedarf es auch fachlicher Hinweise und Anregungen, weshalb an dieser Stelle Hans Heiss besonderer Dank gilt, der das Projekt mit seiner Expertise förderte und ihm viel Zeit und Mühe widmete. Esther Pirchner war als Lektorin eine wichtige Begleiterin dieses Werks. Das grafische Konzept für die Publikation stammt aus dem Atelier für visuelle Kommunikation von Martin Caldonazzi. Anna Luison war für den Satz verantwortlich, rekonstruierte Baupläne und zeichnete Architekturdarstellungen. Ihnen und dem Verlagshaus Birkhäuser gilt ebenfalls großer Dank.

Diese Publikation entstand mit Unterstützung des Betriebs Südtiroler Landesmuseen, der Fakultät für Architektur und des Vizerektorats für Forschung der Universität Innsbruck, der Stiftung Fürstl. Kommerzienrat Guido Feger in Liechtenstein sowie den folgenden Subventionsgebern und Sponsoren:

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Besondere Erwähnung sollen auch die Personen finden, die mit Informationen und Bildmaterial zur Entstehung des Buchs beigetragen haben, allen voran Thomas Kinkelin, der die meisten in diesem Buch abgebildeten Pläne und Zeichnungen von Musch & Lun zur Verfügung stellte, ferner (in alphabetischer Reihenfolge): Frieda Astner, Südtiroler Landesmuseum für Volkskunde, Dietenheim Stephan Bertagnolli, Handelskammer Bozen Paolo Bisti, Madonna di Campiglio Markus Dejori, Bürgermeister der Gemeinde Welschnofen Giovanni Dellantonio, Soprintendenza per i beni culturali, Trient Ludwig Eimannsberger, Innsbruck Florian Ellmenreich, Hotel Adria, Meran Günther Ennemoser, Gossensass Markus Gamper, Stadtarchiv Meran Arnold Gapp, Schlanders, Sulden Christine Geiger, Welschnofen/Karersee Peter Goller, Universitätsarchiv Innsbruck Walter Hauser, Bundesdenkmalamt, Abteilung für Tirol Caroline Heiss, Hotel Pragser Wildsee Petra Hesse, Universitätsarchiv Leipzig Jutta Heugl-Christomannos, Wien Maria Holzner und Familie, Parkhotel Holzner, Oberbozen Franz J. Illetschko, Brand-Nagelberg Reinhold Kruse, Sektion Rheinland des Deutschen Alpenvereins Alois Lageder, Margreid Gabriele Neumann, Bundesdenkmalamt, Abteilung für Tirol Monica Nicolodi, Hotel Dolomiti, Canazei Hanspeter Pardeller, Bauamt der Gemeinde Welschnofen Hans Reimer, Lübeck Giovanni Rubin de Cervin Albrizzi, Venedig, Schloss Enn Klaus Schmid, Mils René Schober, Kupferstichkabinett der Akademie der bildenden Künste, Wien Frank Schröder, Museum Boppard Wido Sieberer, Museum und Stadtarchiv Kitzbühel Notburga Siller, Amt für Film und Medien, Bozen Barbara Sträuli, Zürich Alessandro Giannelli Viscardi, Este Johanna Wimmer und Arthur Schmid sen., Baden bei Wien, Wien

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„Vergleichende Betrachtungen über den Fremdenverkehr ...“ Grundlagen und räumliche Auswirkungen des Tourismus im 19. Jahrhundert mit besonderer Berücksichtigung Tirols Der Kunsthistoriker, Journalist und Schriftsteller Joseph August Lux schrieb 1909 über „Das Hotel, ein Bauproblem“: „Das sind die drei Prinzipien, auf denen das Problem beruht: Daß das Haus funktioniere maschinenmäßig, wie ein tadellos konstruierter Apparat; daß es in den Einrichtungen auf der Höhe des Wagon-lits stehe; daß es in bezug auf Hygiene und Reinlichkeit, auch was die Gebrauchsgegenstände betrifft, klinischen Anforderungen entspreche. Also eine Synthese von Klinik, Wagon-lits und Maschine.“39 Lux bezog sich dabei auf die zukünftigen Anforderungen an die Gestaltung von großen Beherbergungsbetrieben, doch genau genommen fasste er die Parameter zusammen, welche die architektonische Entwicklung des Bautyps Hotel schon ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts beeinflussten – und später auch die Entstehung der Berghotels in Südtirol begleiteten.

Das (Berg-)Hotel – Vorbote der Moderne Im architektonischen Sinn ist ein Berghotel ein Hotel wie jedes andere, es entspricht also keinem spezifischen architektonischen Schema. Dennoch wurde der Begriff Berghotel in Verbindung mit dieser Publikation gewählt, um Geschichte und Architektur einer Serie von mehrheitlich überdimensioniert wirkenden Beherbergungsbetrieben zu analysieren, die zum Teil in sehr entlegenen Berggebieten Südtirols errichtet wurden. Zu ihrer Entstehungszeit mussten die großen Baukörper wie Ozeandampfer40 gewirkt haben, die zwar als autark funktionierende, aber doch fremd anmutende Gebilde an einsamen Orten im Gebirge quasi verankert wurden. In Verbindung mit dem Großhotel ist der Vergleich zum Ozeandampfer deshalb angebracht, weil beide genauso wie die Eisenbahn Vorboten der Moderne darstellen. Im Zusammenhang mit ihnen spielten Industrialisierung und technische Innovation ebenso eine Rolle wie Rationalisierung, Standardisierung und Systematisierung  – z. B. in Bezug auf ihre „Architektur“.41 Hinzu kommt, dass sowohl das Hotel als auch der Ozeandampfer und die Eisenbahn als Baumodelle im weitesten Sinn zusammen mit einem ebenfalls neuen Phänomen auftraten, nämlich dem der Masse bzw. des Massentransports. Als Massenerscheinung stellt der Tourismus  – nicht zuletzt in den Alpen  – eine Verdichtung von Menschen und Ereignissen dar, die sich nur vor dem Hintergrund des rasanten Wachstums der Städte entfalten konnte.42 Denn erst die facettenreichen Urbanisierungsprozesse, die zeitgleich erfolgende Verbürgerlichung vieler Aspekte von Lebenswelt und Lebensraum und damit einhergehend die Popularisierung des Reisens bewirkten diesen „Take-off“43.

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Tony Grubhofer, Umschlaggestaltung für einen Prospekt des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ mit dem Hotel Karersee (links) und dem Hotel Trafoi (rechts), lithografiert von der Grafik-Werkstatt Chiattone in Bergamo, um 1896

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Großhotels und Kurzentren mit und ohne Anbindung an die Eisenbahn Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts stieg unter anderem in Großbritannien die Zahl der verwirklichten Hotelprojekte sprunghaft an, was in Verbindung mit dem Großhotel als Bauaufgabe die Annahme unterstützte, es sei eine Parallelentwicklung zur Eisenbahn.44 Zu diesem Schluss führte vor allem die Zahl der sogenannten „Railwayhotels“, deren Errichtung zeitlich und örtlich mit der Fertigstellung von Eisenbahnstrecken zusammenfiel. In Südtirol kann das Dolomitenhotel Toblach nicht nur als das erste Berghotel bezeichnet werden. In seiner Frühzeit war es auch ein Beispiel für ein sogenanntes „Passagierhotel“ der Südbahn-Gesellschaft, die zwischen 1869 und 1871 die Zugverbindung durch das Pustertal rea­ lisierte und mit dem Beherbergungsbetrieb ihr Reiseangebot in die österreichischen Alpen erweitern wollte. Das 1878 eröffnete Hotel wurde mit Wilhelm von Flattich (1826–1900) von einem ihrer Ingenieure entworfen. Die Railway- oder Passagierhotels waren in der Regel große Baukörper, weshalb sie im Unterschied zu anderen Formen der Beherbergung besonders häufig als „Großhotels“ bezeichnet wurden.45 Dabei handelte es sich übrigens um eine Bezeichnung, aus der später die Begriffswelt des „Grandhotels“ als Synonym für „Hotel ersten Ranges“ hervorging. Diese Hotels wurden auch immer mit sogenannten Passagierzimmern ausgestattet. Dabei handelte es sich um einfacher eingerichtete Einzelzimmer, in denen die Gäste rasch wechselten.46 Doch so naheliegend die Verbindung der Eisenbahn zum Großhotel auch sein mag, manch stattlich dimensionierter Beherbergungsbetrieb wurde unabhängig von in der Nähe liegenden Zugstrecken realisiert. Rückblickend auf die Entwicklung des systematischen Tourismus in Südtirol hieß es daher schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts: „Ganz irrig wäre aber die Ansicht, daß wir den Eisenbahnen allein die Eröffnung dieser neuen Erwerbsquelle verdanken.“47 Exemplarische Zeugnisse für Hotelbauten abseits von Zugverbindungen finden sich in Kur­ zentren, wo insbesondere um die Mitte des 19. Jahrhunderts auch vermehrt in den Alpenregionen größere, in die Gesundbrunnen integrierte Hotelkomplexe realisiert wurden.

In einem weiten Bogen führte der Weg vom Bahnhof zum Dolomitenhotel Toblach, um 1880 (linke Seite) Kurbad Alt-Prags (rechts)

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Erholung von der Stadt: Reisen als Massenbewegung Die um 1800 international steigende Nachfrage nach Hydrotherapien war darauf zurückzuführen, dass „Natureinstellung und Heilkunde“48 zunehmend miteinander verbunden wurden. Die Industrialisierung, das Bevölkerungswachstum in den Städten und die damit einhergehenden (sozialen) Veränderungsprozesse zogen nach sich, dass viele alte oder nun neu auftretende Krankheiten die Aufmerksamkeit der Ärzte erregten. Vor dem Hintergrund der „Medikalisierung“ vieler Lebensbereiche gewann die Heilkunde an gesellschaftlicher Deutungsmacht. Zugleich entstand  – nicht zuletzt aus einer kritischen Haltung gegenüber der Schulmedizin – aber auch die Forderung nach ausschließlich „natürlichen Heilmitteln“. In diesem Zusammenhang nahm das Wasser traditionell eine besondere Rolle ein49, weshalb die Zahl der Badeorte auch im Alpenraum während des 19. Jahrhunderts sprunghaft anstieg – alleine in Tirol und Vorarlberg bis 1893 auf einen Höchststand von 133.50 Doch dies kann nicht nur auf die Zugkraft von Balneotherapien (Bäderkuren) zurückgeführt werden. Die einschneidenden Entwicklungen führten auch zu einem neuen Bedürfnis nach körperlich-geistiger Regeneration, in deren Umfeld mehrere ganzheitliche Heilmethoden besonderere Anziehungskraft gewannen. Unter den genannten Voraussetzungen verändern sich aber auch bestimmte Lebensräume. Bautypologisch entstanden nach 1800 die ersten Hotels51, zugleich fällt in diese Ära der Beginn der langen Entwicklungsgeschichte des modernen Badezimmers.52 Auf den ersten Blick mögen Hotel und Badezimmer zwar keine Berührungspunkte aufweisen, im architektonischen Sinn stellen aber beide Sphären bzw. „Räume“ dar, die mit dem Thema Regeneration eng in Verbindung stehen. Unter den ganzheitlichen Heilmethoden wurde vor allem die Kaltwasserkur des schlesischen Landwirts Vincenz Prießnitz (1799–1851) weit über den deutschsprachigen Raum hinaus bekannt.53 Prießnitz lehnte die Verabreichung von Medikamenten ab und kurierte seine Patienten alleine durch „einfaches Wasser“. Seine Sichtweise stand der Begriffswelt der sogenannten „romantischen Medizin“54 der ersten Hälfte des 19.  Jahrhunderts nahe, in der Natur- und Selbstheilung bzw. die Abhärtung des Organismus eine wichtige Rolle spielten. Die Therapien des dilettierenden „Wasserdoktors“ wurden durch sein Eingehen auf die ganze menschliche Natur populär und fanden ab den 1820er Jahren weite Verbreitung. Unter den alternativen Heilmethoden mit kaltem Wasser wurde wenig später auch die des bayerischen Priesters Sebastian Kneipp (1821–1897) besonders erfolgreich.55

Die therapeutischen Methoden des dilettierenden „Wasserdoktors“ Prießnitz wurden bald Gegenstand von Karikaturen, aus: George Cruikshank (1792–1878), The cold water cure Vincenz Prießnitz praktizierte in Gräfenberg (Lázně Jeseník, Tschechien), Plakat, um 1860 (rechte Seite)

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Die Kaltwasserkuren waren strapaziös und die Gäste mussten die ersten Therapien schon zeitig in der Früh über sich ergehen lassen. Bald wurden sie Gegenstand satirischer Darstellungen. Hier ein Beispiel aus London von 1870

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„Der Prießnitzsche Ansatz wurde bald auch von Gesunden aufgegriffen, als Ausgleich gegen großstädtische Abnutzung. Damit vollzieht sich ein Übergang von der Krankheitsbehandlung zur Regeneration“, schreibt der Architekturhistoriker Sigfried Giedion zusammenfassend über das wachsende Interesse an körperlicher und geistiger Erholung, das zur Entstehung des Tourismus als Massenbewegung wesentlich beitrug. 56 Letztlich verweist die Verschiebung des Reisemotivs von der Kur zum Urlaub aber auch darauf, warum bautypologisch im modernen Hotel immer auch ein Stück Spital – bzw. die eingangs erwähnte „Klinik“ – enthalten ist.57 Im Wettbewerb mit den Heilbädern waren die Kaltwassertherapien schon deshalb von Vorteil, weil sie ortsunabhängig angeboten werden konnten. Überdies waren sie auf preisgünstige Weise in bestehende „touristische“ Einrichtungen integrierbar. Die Übergänge zwischen Balneotherapien und Kaltwasseranwendungen waren insgesamt fließend, sie gewannen aber auch im heimischen Fremdenverkehr zunehmend an Bedeutung. Das dürfte damit zusammenhängen, dass sie, von ihrem Ursprungsland Großbritannien herkommend, längst vor Prießnitz in der Habsburgermonarchie bekannt waren.58 Britische Heilkundige verordneten nämlich schon seit der ersten Hälfte des 18.  Jahrhunderts Bäder in kaltem Wasser, kalte Packungen und Trinkkuren, wenngleich „it was left to Priessnitz and his followers to crystallize the three traditions into a system, to devise the wet and dry pack methods, to invent the douche, to discover (as Priessnitz declared) ‚Man muss Gebirge habe‘, and to embody his assertion ‚I do not cure diseases, I cure the man.‘“59

Wharfdale Hydropathic establishment and hotel in Ben Ridding bei Leeds, um 1860. Das Bauschema in H-Form wurde richtungweisend in der Hotelarchitektur

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Bereits ab 1804 wurden Kaltwassertherapien in Wiener Krankenhäusern „ausprobiert“60, wo sie auch der später in Meran praktizierende Mediziner Bernhard Mazegger sen. (1798– 1876) kennengelernt haben dürfte. Mazegger, der als „Mitbegründer“ der späteren Kurstadt an der Passer gilt, eröffnete hier schon im Jahr 1840 eine „Kaltwasser-Heilanstalt“ und eine Fremdenpension, „namentlich für italienische Familien, die die Kaltwasserkur gebrauchten.“61 Da Mazegger aber bereits vorhersah, dass die Popularisierung von neuen Kur- und Heilmethoden maßgeblich von deren Kommunikation nach außen abhängt, wurde er auch Autor des ersten Werbeprospekts des Kurortes und gab diesen in deutscher und französischer Sprache heraus.62 Trotz früher Pioniere wie Mazegger scheint die Kaltwassertherapie noch um 1890 in Südtirol ein ausbaufähiges Geschäftsfeld gewesen zu sein. Sonst wäre es nicht zu folgender Feststellung gekommen: „Die Balneotherapie nimmt in der Medicin eine so bedeutende Stellung ein, daß dieselbe für den Fremdenverkehr die größte Beachtung verdient, und es ist bezeichnend, daß unter den vielen Cur- und Badeorten Tirols keine den modernen Anforderungen entsprechende Kaltwasserheilanstalt besteht, obwohl eine solche zweifellos sich sehr gut rentieren würde.“63 Auch im Schweizerischen Engadin hätte die Entwicklung des systematischen Tourismus ohne die hier schon bestehenden Kurbäder viel später eingesetzt. Um die Jahrhundertmitte, am Übergang von der zweckorientierten Gesundheitskur zur Vergnügungsreise, begann das erholungsbedürftige Publikum die gebirgige Umgebung der Gesundbrunnen anders wahrzunehmen, als dies vorher üblich war. Die Kunsthistorikerin Isabelle Rucki schreibt: „Häufig sind es gerade die Kurgäste eines Heilbads, die am Rande des Kurrituals die Schönheiten der Landschaft entdecken und als erste die Bäderkur zugunsten eines zweckfreien Erholungsurlaubs aufgeben. So ist beispielsweise die ferientouristische Eroberung des Engadins innerhalb weniger Jahrzehnte ohne die ältere Bädertradition in Bad Tarasp und St. Moritz kaum denkbar.“64 In die aufkommende Synthese von „Raum und Vergnügen“65 wurden mit dem Spaziergang, der Wanderung, der Berg- und Klettertour bald auch neue Arten körperlicher Betätigung eingebunden, die bislang als vulgär galten.66 Auf touristischem Gebiet gab es durchaus schon früh wirtschaftliche Beziehungen zwischen Südtirol und Schweizer Regionen wie Graubünden. Beispielsweise wurde ab 1887 ein Kurdirektor aus Bad Tarasp auch in Bozen-Gries tätig. Er ließ sich dort vom Nordtiroler Architekten Josef Adam Irschara (1848–1925) das Hotel Sonnenhof erbauen.67

Wasserfall bei St. Moritz, um 1850

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Hospiz in St. Christoph am Arlberg (oben) Großer Armensaal mit Kapelle, HôtelDieu, Beaune, Burgund. Tonnengewölbe aus Kastanienholz, um 1450. Derartige Holztonnengespärre waren Vorbilder für die Dachwerke der späteren Speisesäle der Berghotels (rechte Seite)

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Bautypologisches zum Thema Hotel und Hospiz bzw. Hospital Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass bei der Entwicklung der Hotellerie in den Alpenregionen die bautypologische Verbindung des Hotels mit dem Hospiz bzw. dem Hospital oder der Kuranstalt eine Rolle spielte. Hier war nicht nur die Eisenbahn mit ihren „Railwayhotels“ ausschlaggebend für die Entwicklung des Großhotels, sondern auch der Kurbetrieb. Beide Arten der Beherbergung führten schon früh zu „industrialisierten“, auf Rationalisierung und Systematisierung fußenden Formen der architektonischen Gestaltung, weshalb sich in ihrem Umfeld der Begriff „Fremdenindustrie“ herausbildete. Diese Bezeichnung war dann gebräuchlich, wenn vom Tourismus als Massenphänomen die Rede war – und somit ein neuer Marktprozess in der Wirtschaft, den man von Beginn an nicht immer nur positiv sah. Die entsprechende Situation in Südtirol wird in diesem Buch noch an mehreren Stellen beleuchtet. Das Großhotel in den Alpen in seinen beiden Erscheinungsformen als Eisenbahn- und Kurhotel führt aber zunächst zur Frage nach der typologischen Herkunft beider Baumodelle. Das Eisenbahnhotel wurde schon in seinen ersten Ausprägungen als Stadthotel konzipiert. Architektonisch ging es aus dem „hôtel particulier“ (herrschaftliches Stadthaus, Patrizierhaus68) hervor und wandelte sich erst später auch bildlich zum „Palasthotel“ (Hôtel „palatial“69 für Hotel „de 1ère ordre“).70 In urbanen Ballungsräumen wurden häufig bestehende Wohnhäuser oder Palais in Stadthotels umgewandelt, z. B. an der Ringstraße in Wien im zeitlichen Umfeld der Wiener Weltausstellung von 1873.71 Nachdem viele von ihnen (in einem Garten) frei standen und nicht in einen Häuserverband eingebunden waren, bürgerte sich der Begriff „Hotelkasten“ schon bald im Sprachgebrauch ein. Im Unterschied dazu lässt sich das Kurhaus mit angeschlossenem Hotel auf das „HôtelDieu“ („domus dei“, „Herberge Gottes“72) und das Hospiz zurückführen. Viele Hospize waren ursprünglich meist in einsamen Gegenden gelegene Klosterherbergen73, in denen Mönche Pilgern und Reisenden unabhängig von ihrer sozialen Stellung Unterkunft boten.74 Allmählich wurde der Begriff Hospiz zu einem Synonym für Spital bzw. Sanatorium, obwohl es tatsächlich

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Jacques-François Blondel (1705–1774), Idealplan für ein „hôtel particulier“

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eine, dem eigentlichen Hotel ähnliche, „rationelle“ Form der temporären Beherbergung darstellt. Zudem impliziert das Hospiz aufgrund seiner klösterlichen Wurzeln Einfachheit, Gleichheit bzw. Gleichberechtigung oder – mit einem anderen Begriff – Standardisierung. Gerade in entlegenen Alpentälern, schreibt Isabelle Rucki, wo Urbanisierung und Industrialisierung noch keine Spuren hinterlassen hatten, wurden „die Kurhäuser zu den unmittelbaren Vorbildern der Beherbergungsarchitektur für Vergnügungsreisende“75. Funktionalität war einer der wichtigsten Aspekte bei der Errichtung der Komplexe, wenngleich im Zeitraum der Entstehung größerer Kuranlagen im Alpenraum der Bautyp des (gehobenen) Hotels bereits architektonisch vorgeprägt war. Es ist kaum mehr ein Hotel aus dieser Ära in seiner ursprünglichen Form erhalten, aber es war nur folgerichtig, dass die ersten zweckmäßigen (Kur-)Hotels in den Bergregionen auch in ihrem Erscheinungsbild sachlich gestaltet wurden. Das macht schließlich auch nachvollziehbar, weshalb der Schriftsteller Peter Rosegger (1843– 1918) die erste Baustufe des Südbahnhotels am Semmering noch für eine „Kaserne“ hielt.76 Auf die bautypologischen Zusammenhänge wird an anderer Stelle in diesem Buch noch detailliert eingegangen. Hier sei nur vorweggenommen, dass die ersten „Großhotels“, wie der Name schon sagt, vor allem in Bezug auf ihre Baumasse groß waren. Beispielsweise gehörte das 1884 eröffnete Hôtel Kursaal de Maloja (später: Hotel Maloja Palace) zusammen mit so prominenten öffentlichen Einrichtungen wie dem Eidgenössischen Polytechnikum in Zürich zu den größten Profangebäuden der Schweiz. Das auch als Beherbergungsbetrieb gigantische Unternehmen ging aber schon 1885 in Konkurs, unter anderem weil es zu einseitig für die Aristokratie gedacht war, die hier ganz unter sich sein sollte. Sein Erbauer, ein belgischer Adeliger, hatte nicht damit gerechnet, dass infolge einer Choleraepidemie im nahegelegenen Oberitalien die Gäste von einem Besuch in seinem Hotel am Silsersee lieber Abstand nahmen.77 Irgendwann mutierte der Begriff Großhotel zum Grandhotel für „Haus ersten Ranges“. Die ersten Großhotels  – darunter auch die Berghotels in Südtirol  – waren aber aus verschiedenen Gründen noch keine „Paläste“, denn die Erwartungen der Reisenden an ihre Unterkünfte waren allgemein niedrig.78 Das betraf auch die funktionale Einrichtung der Häuser. Beispielsweise verfügten die Berghotels in Südtirol in ihrer Frühzeit noch über Ausstattungen, die Hospizen oder Kasernen eher glichen als denen komfortabler „Luxusherbergen“ heutiger Vorstellung. Das dokumentiert nicht nur erhaltenes Planmaterial, sondern auch eine Formulierung von Theodor Christomannos (1854–1911). Er wählte nämlich in Verbindung mit der Einrichtung der Berghotels in Sulden und Trafoi nicht ohne Grund die (später oft wiederholte79) diplomatische Wendung „… mit allem modernen Comfort, jedoch ohne jeglichen Luxus“80. Denn der teilweise von ihm geprägte Beherbergungstyp sollte zwar über alle Annehmlichkeiten eines Hotels verfügen, war im Prinzip aber eher als „Alpenhaus“ gedacht. Seinen Ausgangspunkt bildete die Idee einer komfortabel eingerichteten „Groß-Berghütte“.81 Die Berghotels boten wahrscheinlich nicht zuletzt aus ökonomischen Gründen alles, was zu einer gut ausgestatteten Unterkunft gehörte. Aus der Sicht ihrer Erfinder sollten sich aber insbesondere in ihrer Anfangszeit die aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten stammenden Bergfreunde und Alpinisten unter den Gästen hier zwangloser bewegen als in den sonst vor allem in Städten gelegenen „Häusern ersten Ranges“. Wie in dieser Publikation an späterer Stelle dokumentiert wird, mutierten manche der Hotels wie das Hotel Karersee von einem Weltanschauungssymbol für eine neue Gesellschaft bald zu einer Herberge, in welcher der von den illustren Gästen betriebene Luxus schon um 1910 einer nuanciert protokollierten Kritik unterzogen wurde.82

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Hôtel Kursaal de Maloja, um 1890 (linke Seite) und um 1900 (oben)

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Stichwort „Vernetzung“ – Eisenbahn Das 19. Jahrhundert war eine Epoche, in der die Vernetzung von (geografischen) Räumen auf den Gebieten Verkehr, Kommunikation und Energie zunehmend an Bedeutung gewann. In Europa wurden alleine die Bahnverbindungen zwischen 1850 und 1880 von 23.500 auf 168.000 Kilometer und in den USA von 15.000 auf 171.600 Kilometer ausgebaut. Am Beispiel der Eisenbahn lässt sich aber auch gut veranschaulichen, wie viel Zeit die Entwicklung von den ersten Verkehrslinien zum eigentlichen Schienennetz in Anspruch nahm: 1825

Das britische Eisenbahnnetz gilt als das älteste der Welt. 1825 wurde in Nordostengland die erste öffentliche Bahnstrecke für den Güter- und Personenverkehr eröffnet, auf der wenig später auch Dampflokomotiven eingesetzt wurden. Die hier verwendete Gleisspurweite wurde später als „Normalspur“ bekannt.

1826–1830

Die Pferde-Eisenbahn St. Étienne–Lyon war die erste öffentliche Zugverbindung auf dem europäischen Festland. Die Passagiere nahmen noch in Waggons Platz, die zuerst für den Transport von Kohle vorgesehen gewesen waren. Ab 1831 wurden im regulären Fahrbetrieb auf dieser Strecke Dampflokomotiven eingesetzt.

1827–1836

Die Pferde-Eisenbahn Budweis (České Budějovice)–Linz–Gmunden war die erste Bahnlinie in Österreich.

1830

Zwischen Manchester und Liverpool nahm die erste Bahn zwischen zwei Großstädten ihren Betrieb auf.

1837

Der Personenverkehr von Paris nach Le Pecq bei Saint-Germain-en-Laye ging in Betrieb.

1838–1857

Bau der Südbahnstrecke Wien–Triest (1854 Fertigstellung der Strecke über den Semmering Wien– Gloggnitz–Mürzzuschlag)

1838

Eröffnung der Strecke Braunschweig–Wolfenbüttel als erste staatliche Eisenbahn in Deutschland (1.12.1838)

1838–1855

Errichtung der Eisenbahnstrecke Mannheim–Basel (1840 Fertigstellung des Streckenabschnitts Mannheim–Heidelberg)

1844

Eröffnung der Eisenbahnstrecke Straßburg–Basel

1847

Fertigstellung des Eisenbahnabschnitts Zürich–Baden

1853–1858

Bau der Eisenbahnstrecke von der bayerischen Grenze bis Innsbruck (28.11.1858)

1853–1859

Bau der Eisenbahnstrecke Verona–Bozen (17.5.1859)

1856–1860

Bau der „k. k. priv. Kaiserin Elisabeth-Westbahn“ von Wien über Salzburg nach München

1864–1867

Bau der Eisenbahnstrecke Innsbruck–Bozen (24.8.1867)

1869–1871

Bau der Pustertalbahn (Umsteigebahnhof: Franzensfeste)

1869

Zusammentreffen der beiden großen transatlantischen Bahnstrecken der USA. Die von Osten aus gebaute Union Pacific wurde mit der Central Pacific verbunden, die von San Francisco ausging. Die erste durchgehende Reise dauerte sieben Tage.

1873

Unmittelbar vor der „Eisenbahnpanik“ und dem Ausbruch der „Long Depression“ wurde in Nordamerika eine Rekordzahl an Eisenbahnkilometern gebaut. 1871 waren es mehr als in den ersten zwanzig Jahren des Eisenbahnbaus zusammengenommen (7.500 Meilen).

1881

Fertigstellung der Nebenlinie Bozen–Meran

1890

Fertigstellung der Teilstrecke der Rhätischen Bahn Landquart–Davos (Schmalspurbahn)

1906

Fertigstellung der Vinschgaubahn Bozen–Meran–Mals (1.6.1906)

Quellen: Giedion, Sigfried, Die Herrschaft der Mechanisierung – Ein Beitrag zur anonymen Geschichte, Hamburg 1994, S. 491f. Artl, Gerhard, Gürtlich, Gerhard H., Zenz, Hubert (Hrsg.), Mit Volldampf in den Süden. 150 Jahre Südbahn Wien–Triest, Wien 2007. Knoch, Habbo, Grandhotels – Luxusräume und Gesellschaftswandel in New York, London und Berlin, Göttingen 2016, S. 51. Wikipedia. www.deacademic.com/dic.nsf/ dewiki/516448#Vorgeschichte (10.12.2017). de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Eisenbahn_ in_Frankreich#Literatur (12.2.2018).

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1841

1854

1873

Bodenbach

Dresden

Breslau Krakau

1900

Lemberg

Prag Brünn

Nürnberg

Czernowitz Linz

Wien

München Salzburg

Budapest

Bruneck

Meran

Jassy

Gr. Wardein

Innsbruck

Graz

Bozen

Arad

Trient Mailand

Hermannstadt Verona

Agram Venedig

Triest Bazias Bukarest

Belgrad

Das österreichische EisenbahnNetz, um 1900, nach: Matis, Herbert, Österreichs Wirtschaft 1848–1913, Berlin 1972

Sarajevo Nisch

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Standardisierte Verkehrsnetze – standardisierte Räume Die ersten Hotels im heutigen Sinn waren keine „Luxusetablissements“ und boten rund um Bett und Tisch noch wenig Abwechslung. Denn noble Gäste logierten auf ihren Reisen noch lange bei Familienmitgliedern, Freunden oder in privaten Unterkünften.83 Daher hieß es um 1800 sinngemäß, dass gewöhnliche Menschen während ihrer Kuren in Hotels wohnten, während „Herren von“ ein hübsches kleines Häuschen mieteten. Gemeint war wohl Marienbad (heute: Mariánské Lázně, Tschechien), von wo auch Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) berichtete, dass man nur so lange in einem Hotel abstieg, bis ein passendes Privatquartier frei wurde.84 Dennoch entwickelte sich das Reisen schon um 1800 zu einer „Art Epidemie“85. Eine wichtige Voraussetzung für diesen Aufbruch war, dass sich die Durchquerung von Räumen bereits vor dem Einsetzen der Ära der Eisenbahn erheblich beschleunigte, weil die dafür benötigte Zeit kalkulierbarer und der Geschwindigkeit ein immer höherer Stellenwert beigemessen wurde.86 Dank verbesserter Fahrpläne, der Einführung von Schnellkutschen und Eilpost, der Expansion der Dampfschifffahrt, des Ausbaus von Fernstraßen und nicht zuletzt der Bildung von Knotenpunkten wurden die Weichen für die modernen Verkehrs-, Transportund Kommunikationsnetze gestellt. Die Reiseplanung wurde einfacher und verlässlicher, wodurch die Erkundung größerer geografischer Gebiete möglich wurde. Parallel zur systemischen Verflechtung von Wegen, Räumen und Leitungen entstanden aber auch viele der heute noch gängigen Standards in den Kurhäusern und Hotels, darunter die austauschbaren Elemente in ihren Raumprogrammen.87 Der wesentliche Schlüsselfaktor für die Expansion des Reisemarkts zum systematischen Tourismus war aber die Eisenbahn. Alleine in Europa wurden die Liniennetze zwischen 1850 und 1880 von 23.500 auf 168.000 Kilometer erweitert und von „der Schaffung zusammenhängender Wirtschaftsräume und politischer Einflusssphären profitierte der Personenverkehr nachhaltig.“88 Eine wichtige Voraussetzung dafür war ein sich zwischen 1849 und 1854 auf dem ganzen Kontinent entfaltender Konjunkturaufschwung. Dieser setzte in Österreich zwar zeitverschoben ein, aber auch hier wurde der Eisenbahnbau das „ausschlaggebende Moment für die konjunkturelle Aufwärtsbewegung“89. 1854 standen rund 70 Prozent des österreichischen Eisenbahnnetzes unter staatlicher Kontrolle. Im selben Jahr wurde mit einer Privatisierung des Schienenverkehrs begonnen, der 1858 abgeschlossen war und „vor allem französischen Finanzgruppen zu einer bedeutenden wirtschaftlichen Position verhalf.“90 Mehrere Hauptstrecken wurden in dieser Zeit in Angriff genommen, darunter die „k. k. priv. Kaiserin Elisabeth-Westbahn“ von Wien nach Salzburg und München (1856–1860) mit ihrem Anschluss nach Innsbruck (1853–1858).91 Darüber hinaus förderte die so genannte „Franzosenzeit“ im österreichischen Eisenbahnwesen nicht zuletzt die Rationalisierung und Standardisierung ihrer Hochbau-Projekte, was in weiterer Folge die Entwurfspraxis von Hotels maßgeblich beeinflusste.92 Daraus erklärt sich auch, weshalb ihre architektonische Gestaltung ebenfalls schon früh auf wiederkehrenden Schemata bzw. Elementen beruhte  – und was letztlich Joseph August Lux zur eingangs erwähnten Formel führte, nämlich, dass der Bautyp Hotel zusammen mit klinischen Aspekten eine „Synthese von Wagon-lits und Maschine“ darstellte.93 Zwischen 1866 und 1873 wurden das Schienennetz der Monarchie verdoppelt und die Wertschöpfung der Eisenbahn versechsfacht, was auch vielen weiteren Zweigen in Industrie und Gewerbe nützte.94 „An der Börse“, so der Wirtschaftshistoriker Roman Sandgruber, „zeigte sich der Boom vor allem im Bereich der Baueffekten und Bahnwerte sowie in einer ungeheuren

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Zunahme der Aktienemissionen. Nicht weniger als 530 Aktiengesellschaften waren von Januar 1872 bis Mai 1873 an der Wiener Börse neu eingeführt worden. […] Die Gründerzeit war eine Zeit verstärkter, ja überhasteter Bankgründungen, viele davon als Spekulationsunternehmen […]“, die schwindelerregende Dividenden ausschütteten.95 In diese von großer Dynamik gekennzeichnete Periode von 1867 bis 1873 fällt auch der Bau vieler öffentlicher Gebäude und Paläste an der Wiener Ringstraße. 1873 endete diese Ära im unmittelbaren zeitlichen Umfeld der Eröffnung der Wiener Weltausstellung abrupt. Der sogenannte Wiener Börsenkrach führte zum schlagartigen Zusammenbruch vieler „Gründerträume“. Hinzu kam eine schwere Choleraepidemie mit 2.983 Toten in Wien und 436.000 in Österreich-Ungarn.96 Die Inbetriebnahme der Wiener Hochquellenleitung sollte zwar die Ausbreitung von Infektionskrankheiten in der Hauptstadt verhindern, die neue technische Einrichtung wurde dazu aber zu spät im Jahr 1873 fertiggestellt. Dem kurzen, hochspekulativen Boom der Gründerjahre folgte die Große Depression, die von schlechten Ernten, einem Rückgang der Konsumkraft, einem Niedergang des Eisenbahnbaus und – mit einer geringen Zeitverzögerung – einer Rezession auf dem Bausektor begleitet wurde.97 Die Rahmenbedingungen für die weitere Entwicklung des Tourismus und die Verwirklichung bzw. Fertigstellung von begonnenen Hotelprojekten waren denkbar ungünstig.

Hotel Austria in Bozen-Gries (rechts hinten) mit vorgelagerten Villen, in denen Wohnungen an Kurgäste vermietet wurden

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Hotel Austria in Bozen-Gries, Hauptansicht

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Gründerboom in Südtirol: Die Hotels Austria, Meranerhof und das Dolomitenhotel Toblach werden mit Mitteln aus Wien finanziert „Der Fremdenstrom verlief entlang der Bahnlinien. Wie eiserne Fangarme erschlossen sie die Fremdenverkehrsorte“, schreibt der Historiker Roman Sandgruber.98 Doch nicht nur die Reisenden brachten Geld von außen nach Tirol. Viel Kapital gelangte auch durch Investoren ins Land, was unabhängig davon, ob es in städtische Agglomerationen oder ländliche Gebiete floss, maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung des systematischen Tourismus im Allgemeinen hatte. 1872 wurde noch gegen Ende der gründerzeitlichen Hochkonjunktur in Wien die sogenannte „Österreichische Baugesellschaft für Kurorte“ ins Leben gerufen, „welche es sich zur Aufgabe machte, in einigen der durch Lage, Naturschönheiten und Klima hervorragenden Plätze Österreichs Hotels großen Stils zu errichten“99. Die Gesellschaft erwarb Baugründe, z. B. in Marienbad, Görz, Gmunden, Bad Sliač (auch: Szliács, Sliačske kúpele, Slowakei), Abbazia sowie in Toblach, Bozen-Gries und Meran, wo 1872 die sogenannten Spitalsgründe am Südufer der Passer für den hohen Betrag von 160.000 Gulden (ca. 1,9 Mio. Euro) den Besitzer wechselten.100 In Bozen-Gries und in Meran wurden relativ baugleich nach Plänen von Emil von Förster (1838– 1909) 1872 das Hotel Austria und das Wiener-Hotel errichtet (auch: Wiener-Gebäude, später Meranerhof bzw. Grandhotel Meranerhof101). Förster, der mehrere Kurhotels nach einem ähnlichen Schema entwarf, fungierte auch als „Verwaltungsrath“ bei der „Österreichischen Baugesellschaft für Kurorte“.102 Kennzeichnend für seine Planungen war, dass er häufig reich dekorierte, monumentale Bauten (auch Blockrandbauten) ausführte, die er manchmal über mehrere Parzellen zog. Stilistisch orientierte er sich wie viele seiner Wiener Zeitgenossen gerne an der Florentiner Renaissance, weshalb diese Stilrichtung auch unter dem populärwissenschaftlichen Begriff „Neue Wiener Renaissance“ in die Geschichte einging.

Hotel Meranerhof, Gartenseite, Meran

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Diese architektonische „Geschmackswelt“ aus der Großstadt übertrug Emil von Förster auch auf Südtirol.103 Das war aber nicht der einzige Grund, weshalb der aufgrund seiner Dimensionen massiv wirkende, in einem Park situierte „Kasten“ des Meranerhofs keine Akzeptanz fand. Das gesamte Projekt war ein Fiasko, denn seine Umsetzung fiel in die Zeit des Wiener Börsenkrachs. Der Bau wurde zwar vollendet, aber nicht eingerichtet und ging daher auch nicht als Großhotel in Betrieb. 1882 wurde das fast eine Dekade leer stehende Gebäude im Zug der Liquidation der „Österreichischen Baugesellschaft für Kurorte“ von ihrem Großaktionär, dem Chemiker George André Lenoir (1825–1909), gekauft.104 Als findiger Geschäftsmann verstand es Lenoir, den infolge des Wiener Börsenkrachs entstandenen Preisverfall bei Immobilien geschickt zu nützen. Er hatte vor, das im Bereich der heutigen Meraner Therme angesiedelte Hotel in einen „Palast“105 zu verwandeln. Den unfertigen Bau stempelten viele zeitgenössische Beobachter aber auch als „Koloss“106 ab und sahen seiner lang erwarteten Eröffnung dann doch mit Bangen entgegen. Der Komplex war so groß, dass seine Inbetriebnahme die finanziellen Kapazitäten des Investors Lenoir bald weit überstieg, weshalb man den Bau in Abschnitte unterteilte. Die Seitentrakte wurden im aufstrebenden Kurort, in dem stets Bedarf an Wohnraum war, in sogenannte „Jahreswohnungen“107 umfunktioniert und nur der Mitteltrakt als Hotel eröffnet.108 Der wirtschaftliche Erfolg blieb jedoch aus und Partien des im Stadtbild wie ein Fremdkörper wirkenden Gebäudes wechselten immer wieder ihre Besitzer: „Später pachteten Frau Euchta und Frau Becker je zur Hälfte das Gebäude und übte die eine im linken, die andere im rechten Trakte das Pensionsgewerbe aus, bis Frau Elise Ueberbacher [Überbacher, Anm.] aus Dobbiaco das ganze Haus in Pacht nahm und bescheiden einrichtete. Einen Grossteil der Möbel hatte sie im Sommer in den Toblacher Südbahnhotels, im Winter hier in Benützung. Nach drei Jahren löste sie jedoch den Pachtvertrag, da sie nicht auf ihre Kosten kam.“109 Das ist insofern von Bedeutung, als mit Elise Überbacher (1848–1926) eine der erfolgreichsten Tourismusunternehmerinnen in Meran tätig wurde, die es in Südtirol je gab. Doch es zeigt auch, wie risikoreich das Hotelgewerbe war. Bleibt nur noch zu erwähnen, dass das Hotel Meranerhof um 1900 noch einmal seinen Besitzer wechselte. Friedrich Freytag (1860–1938)110 aus Bad Homburg bei Frankfurt am Main ließ zwischen Juni 1905 und Februar 1906 das ohnehin schon große Hotel noch einmal durch einen Anbau mit 108 neuen Gästezimmern und 18 Bädern erweitern.111 Er und seine Architekten H. W. und Adolf Müller aus Frankfurt am Main (biografische Daten unbekannt) feierten die Neueröffnung des spätestens jetzt so bezeichneten „Grandhotels“ mit einer pompös inszenierten Festfolge und einer umfassenden Berichterstattung in der Meraner Zeitung.112 1953 wurde der Bau abgerissen. Abgesehen von den Erinnerungen an seinen schönen Park im Stadtzentrum blieb vom ehemaligen Baukomplex nur der Steg von der heutigen Therme zum Kurhaus auf der gegenüberliegenden Seite der Passer erhalten. Serienproduktion: von den Hotels „von der Stange“ bis zu „regionalisierten“ Baumodellen Die beiden von Emil von Förster stammenden und im selben Zeitraum in den 1870er Jahren realisierten Hotels Austria (1969 abgerissen113) und Meranerhof wurden unter den oben beschriebenen Voraussetzungen bereits in Serie gestaltet. Das Hotel in der Passerstadt war größer, Förster hatte aber lediglich die Zahl der Fensterachsen erhöht. Anhand einer schematischen Aneinanderreihung von publizierten Plänen wird an anderer Stelle in diesem Buch veranschaulicht, auf welche Weise schon im architektonischen Entwurfsprozess  – wie bei den späteren Hotelketten – Rationalisierung durch Standardisierung angestrebt wurde.

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Spaziergänger am neu errichteten Tappeinerweg mit der letzten Baustufe des Meranerhofs (Mitte rechts)

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Hotel Austria, Postkarte (oben) Situationsplan von Bozen-Gries, 1884 (unten)

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Der Wiener Architekt brachte damit aber auch eine Form von Tourismusarchitektur nach Südtirol, die von der Haltung bestimmt war, dass ein Hotel als städtisches Bauwerk zu interpretieren sei. Die Eisenbahn brachte die Städter aufs Land, demnach sollten sie in urbanen „Palästen“ beherbergt werden  – selbst wenn diese, wie das Hotel Austria in BozenGries, an der Peripherie eines Ballungsraums angesiedelt wurden. Wie viele Architekten und Baumeister der Zeit differenzierte Förster noch nicht zwischen städtischen und stadtähnlichen Agglomerationen (oder gar ländlichen Regionen). Es ist heute nicht mehr nachvollziehbar, ob Emil von Förster die Südtiroler Kurorte vor der Umsetzung seiner Planungen besuchte, aber im architektonisch-städtebaulichen Sinn behandelte er Wien und Meran bzw. Gries als gleichrangige Siedlungsräume. Bildlich gesprochen sah er vor den Toren von Meran nicht das „Dorf“ Mais bzw. in Gries nicht den an Bozen grenzenden „Vor-Ort“. Städtebaulich trennte er noch nicht den urbanen vom suburbanen Raum, der sich insbesondere vor dem Hintergrund der neuen Formen von Massenmobilität verstärkt herauszubilden begann. Die suburbanen Räume des 19. Jahrhunderts sind nicht mit („wild“ gewachsenen) Stadtrandsiedlungen gleichzusetzen, denn sie gruppierten sich nicht nur um die Städte herum. Sie entwickelten sich insbesondere entlang der Bahnstrecken, wo es selbst in entlegenen Landstrichen wie dem Pustertal zur Entstehung neuartiger, „stadtnaher Sphären“ kam. Diese metaphorisch an die Städte herangerückten (touristischen) „Zentren“ waren „weder eindeutig städtisch noch als ländlich zu charakterisieren“114 – mit der Konsequenz, dass für sie bald auch eigene architektonische Formen des Bauens entwickelt werden mussten. Von den Agglomerationen in die suburbanen Zonen transferierte Bauaufgaben sollten dort nur „ländlich“ wirken, weshalb ihre Architektur „regionalisiert“ wurde. Im Tourismusbau fanden diese „Regionalisierungen“ insbesondere in den Hochbauten für die Eisenbahn ihre architektonischen Vorbilder – weniger hingegen im städtischen (Palast-)Hotel. Diese Entwicklung lässt sich auch in Südtirol nachverfolgen, weshalb in den Katalog der Berghotels auch das Bahnhofshotel Stötter in Sterzing aufgenommen wurde, das an der Peripherie der Kleinstadt liegend in seiner charakteristischen Gestaltungsform einer der Ausgangspunkte für die Architektur weiterer Häuser wurde. Zur Regionalisierung der Hotelarchitektur siehe im Kapitel „Das Berghotel. Das Hotel als Bautyp und seine Entwicklung zum Berghotel in Südtirol“ in diesem Buch. Das Dolomitenhotel Toblach und der neu aufkommende Saisonbetrieb Ein weiteres Großhotel, dessen erste Baustufe mit Kapital von außen in Südtirol verwirklicht wurde, war das Dolomitenhotel Toblach, das 1877/1878, wie bereits bemerkt, nach Entwürfen des Ingenieurs Wilhelm von Flattich entstand. Die Südbahn-Gesellschaft war die Auftraggeberin dieses „Passagierhotels“, das zu den direkten Vorläufern der späteren Berghotels in Südtirol gehört. Der Bau wurde in nächster Nähe und in werbewirksamer Sichtverbindung zum ebenfalls von Flattich gestalteten Bahnhof Toblach platziert.115 Das Hotel unterschied sich von anderen städtisch anmutenden „Kolossen“, die wenig früher errichtet wurden. Anhand seiner Baugeschichte lässt sich dokumentieren, dass sich die Realisierung von „Hotelruinen“ wie dem Meranerhof in Südtirol nicht wiederholen sollte. Zudem wurde die Umsetzung des Hotels in Toblach zu einer Zeit in Angriff genommen, als der markante wirtschaftliche Abschwung nach dem Wiener Börsenkrach unter anderem auch dazu führte, dass der Bau dieses Hotels in mehreren Etappen erfolgen sollte. Man eröffnete zuerst einen Abschnitt des Hotels und wartete den Erfolg oder Misserfolg des Projekts ab.

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Dabei handelte es sich um eine Vorgangsweise, die vom Schweizer Hotelbau herkam und die in einschlägigen Handbüchern propagiert wurde. Details dazu siehe im Kapitel „Das Berghotel“. Die geplanten Kosten für die erste Baustufe beliefen sich auf 50.000 Gulden (ca. 614.170 Euro). Zum Vergleich: 1879 veräußerte die marode „Österreichische Baugesellschaft für Kurorte“ das viel größere Hotel Austria in Bozen-Gries für 130.000 Gulden (ca. 1,66 Mio. Euro) bei einem „Verlustsaldo von 719.826“ Gulden (ca. 9,2 Mio. Euro).116 Die auf die Bautätigkeit der Südbahn-Gesellschaft spezialisierte Kunsthistorikerin Désirée Vasko-Juhász schreibt über das Dolomitenhotel Toblach: „Die bisher nur wenig beachtete Alpenwelt der Dolomiten, die nun auch über eine eigene Bahnstation und ein komfortables Hotel verfügte, wirkte […] wie ein Magnet und machte Toblach in Kürze international bekannt. Vor allem die Bequemlichkeit der Anreise durch das Komplettangebot ‚Bahn und Unterkunft aus einer Hand‘ entwickelte sich zu einem ungeahnten Reisehit.“117 So erfolgte schon 1879 die architektonische Vervollständigung des von Flattich geplanten Baukörpers und das Hotel Toblach erhielt sein vorerst symmetrisches, H-förmiges Erscheinungsbild mit Mittelrisalit, zwei Flügeln und je einem quergestellten Trakt als seitlichem Abschluss. Bereits im Jahr 1880 verzeichnete das Hotel Toblach ca. 5.000 Nächtigungen.118 Um die konsequent steigende Nachfrage zu befriedigen, erfolgten zwischen 1888 und 1895 aber noch mehrere Vergrößerungen des Komplexes. Diese konzipierte Flattich, der auch weiterhin der federführende Architekt des Hotels blieb, in Form von lang gestreckten Erweiterungen. Im Unterschied zu Emil von Förster verlängerte er aber nicht einfach das Haupthaus, sondern legte in nordöstlicher Richtung einen abgewinkelten Seitenarm an, um die neu hinzugekommenen Teile des Komplexes mehr nach dem Sonnenlicht auszurichten. Die werbewirksame Sichtverbindung zwischen Bahnhof und Hotel wurde dadurch aber nicht beeinträchtigt. Niedrigere Verbindungstrakte wechselten sich mit höheren Bauteilen ab, wodurch der Anschein eines Pavillonsystems erweckt wurde.119 Das additive Entwurfsprogramm Flattichs verharrte dennoch in einer gewissen Starre. Es war ein Konzept der langen Wege, das im Hotelbau noch lange nachwirken sollte, später aber auch Kritik hervorrief. Wie in diesem Buch noch dargestellt wird, bezog Flattich für das regional wirkende äußere Erscheinungsbild des Hotels, das Ähnlichkeit mit seinen Bahnhofsbauten besaß, Anregungen aus Südwestdeutschland.

Dolomitenhotel Toblach, zweite Baustufe, um 1880 (linke Seite), und dritte Baustufe, um 1885 (rechts)

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Der von Beginn an nachhaltige wirtschaftliche Erfolg des Dolomitenhotels in Toblach ging weniger auf seine Architektur zurück als vielmehr auf seine Pächter bzw. späteren Käufer. Es handelte sich um Ignaz Überbacher und seine Gattin Elise, die – wie oben beschrieben – später als Witwe für kurze Zeit auch Teile des von Anfang an überdimensionierten Meranerhofs pachten sollte. Elise Überbacher stammte wie Wilhelm von Flattich aus dem süddeutschen Raum und ihr Mann ursprünglich aus Bozen-Gries. Die tatkräftigen Unternehmer waren Quereinsteiger im Tourismusgeschäft, denn bevor Ignaz Überbacher Hotelier wurde, führte er in München ein renommiertes Uhrengeschäft.120 Das Ehepaar Überbacher war schon früh mit der Tatsache konfrontiert, dass ein Haus wie das Dolomitenhotel in Toblach, das nur in den Sommermonaten geöffnet war, kaum rentabel geführt werden konnte. Dazu heißt es – möglicherweise mit Verweis auf das Hotel Meranerhof  – in einer zeitgenössischen Quelle: „Die Aufführung von luxuriösen Bauten, welche 9 Monate leer stehen, kostspielige Einrichtungen, ausschließlich für die Fremdensaison berechnet, rentieren sich nicht, wenigstens nicht dauernd, weil sie die Besitzer nöthigen, von den Fremden Preise zu verlangen, welche dieselben im Durchschnitte nicht bezahlen können.“121 Das war möglicherweise der Grund, warum die Südbahn-Gesellschaft unter den einheimischen Gastwirten in Toblach zunächst niemanden fand, der ihr voll eingerichtetes Hotel pachten wollte.122 Die Pächter mussten auswärts gesucht werden. Elise und Ignaz Überbacher lösten das Problem der kurzen jährlichen Geschäftszeit mit einer neuartigen Form der Rationalisierung, indem sie ein weiteres Haus übernahmen. Sie kauften 1883 das Hotel Bellevue in Bozen-Gries für 35.000 Gulden (ca. 459.600 Euro), statteten ihren zweiten Betrieb aber nicht noch einmal aus. Denn am Ende jeder Saison verließen die Entrepreneure mit Mitarbeitern und Mobiliar Toblach und übersiedelten nach Gries in ihr zweites Haus – bzw. die Witwe Überbacher später auch in den „bescheiden eingerichteten“123 Meranerhof. Auf diese Weise sorgten sie für eine „horizontale Saisonverlängerung“124, so der Historiker Hans Heiss. Diese betriebswirtschaftliche Innovation wurde in der Folge für viele Fremdenverkehrsbetriebe vorbildlich. Die Besitzer der Hotels und ihre Mitarbeiter erzielten auf diese Weise fast ganzjährige Einnahmen, denn, so Hans Heiss weiter, erst „die Verbreitung des Wintersports in der Zwischenkriegszeit brachte den Gebirgsregionen die lebenswichtige zweite Saison.“125 Die Führung von zwei saisonal geöffneten Beherbergungsbetrieben minderte nicht nur die wirtschaftlichen Risiken, sondern hatte auch Einfluss auf die Inneneinrichtung vieler Hotels, die aus diesem Grund mit leicht transportablem Mobiliar ausgestattet wurden. Dazu zählten neben Bugholzmöbeln, die häufig von der Firma Thonet stammten, vor allem „Weidenrohrstühle oder -sofas“126, für die man in der Zeit allgemein eine große Vorliebe hatte.

Dolomitenhotel Toblach, letzte Baustufe, um 1895 (linke Seite und rechts)

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Elise Überbacher Elise Überbacher-Minatti (auch: Ueberbacher-Minatti), geboren 1848 in Lahr/Großherzogtum Baden, gestorben 1926 in Bozen-Gries?, geborene Kopf. Verheiratet mit Ignaz Überbacher (geboren 1838 in Bozen-Gries, gestorben 1888 in Toblach), ab 1898 mit dem im Unterschied zu seiner Frau als „Realitätenbesitzer“ bezeichneten Adolf Minatti (geboren wahrscheinlich 1853 in ?, gestorben 1920 in Bozen). Elise Überbacher leitete gemeinsam mit ihrem ersten Gatten von 1876 bis 1890 das Hotel Bellevue in Bozen-Gries, 1887 und 1888 erwarb das Ehepaar mit zwei Verträgen zu gleichen Teilen das Hotel Toblach von der Südbahn-Gesellschaft, das im Lauf der Jahre zu einem der größten Beherbergungsbetriebe in den Alpen wurde. 1888 wurde der Wert des Hotels Toblach mit 150.000 fl. (ca. 2 Millionen Euro) und dessen Inventar mit 22.700 fl. angegeben (ca. 300.000 Euro). Die Anbauten an das bestehende Hotel wurden jeweils vom Architekten des ursprünglichen Baus, Wilhelm von Flattich, entworfen. 1915 überließ Elise Überbacher-Minatti ihren Betrieb in Toblach dem Roten Kreuz als Spital, wofür sie später offiziell ausgezeichnet wurde. Nach dem Ersten Weltkrieg sanierte sie den schwer zu Schaden gekommenen Komplex aus eigener Tasche, ohne dafür Kriegsentschädigung zu erhalten. Von 1890 bis 1892 führte sie das Hotel Meranerhof in Meran, konzentrierte nach dem Scheitern ihrer Unternehmungen in der Passerstadt jedoch ihre weiteren Pläne ganz auf Bozen-Gries. 1892 erwarb sie dort mit dem Ensemble Reichrieglerhof, Streckerhof und Schallerhof mehrere Realitäten auf der Guntschna (Anhöhe über Bozen-Gries), um aus ihnen ein großes „Kuretablissement“ (Hotel und Ausflugsrestaurant) zu machen. Ferner ließ sie die Villa Elisabeth als ihr „Sanssouci“ errichten. Auf ihre Initiative ging 1911/1912 auch der Bau der Guntschnabahn (Standseilbahn) zurück, um „das gleichnamige für Kurzwecke selten prädestinierte Gehänge der Fremdenindustrie vollends zu erschließen“ – so eine Tageszeitung anlässlich des überraschenden Ablebens der bekannten Wirtin. Nach Elise Überbacher-Minattis Tod wurde das Hotel Toblach von ihrem Sohn weitergeführt, der Betrieb ging allerdings 1932 in Konkurs. Quellen: Heiss, Hans, Grandhotel Toblach – Pionier des Tourismus in den Alpen, BozenWien 1999. Ders., Selbständigkeit bis auf Widerruf? Zur Rolle von Gastwirtinnen bis 1914, in: Bandhauer-Schöffmann, Irene, Bendl, Regine (Hrsg.), Unternehmerinnen. Geschichte & Gegenwart selbständiger Erwerbstätigkeit von Frauen, Frankfurt/ Main 2000, S. 72f. Zum Tod von Elise Überbacher-Minatti: Eine Pionierin der Hotel- und Fremden-Industrie, in: Volksbote, 25.2.1926, S. 18. www.biographien. ac.at/oebl/oebl_U/Ueberbacher-Minatti_ Elise_1848_1926.xml (2.1.2018).

Standseilbahn auf die Guntschna, um 1912

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Wilhelm von Flattich Wilhelm von Flattich kam genauso wie seine Bauherrin aus dem südwestdeutschen Raum, der für die architektonische Entwicklung der Berghotels allgemein eine wichtige Rolle spielte. Wilhelm Gustav (Ritter von) Flattich, geboren 1826 in Stuttgart, gestorben 1900 in Wien. Er studierte von 1843 bis 1847 an der Vereinigten Real- und Gewerbeschule, der späteren Technischen Hochschule, in Stuttgart (2. Staatsprüfung 1852). Nebenher arbeitete er im Atelier von Christian Friedrich (von) Leins (1814–1892). Von 1848 bis 1853 war er bei den Königlich Württembergischen Staats-Eisenbahnen tätig, wo er bereits mit seinem späteren Förderer Karl (von) Etzel (1812–1865) zusammenarbeitete. Wahrscheinlich auf Empfehlung Etzels übersiedelte Flattich 1854/1855 ins Atelier des Ingenieur-Architekten Charles Rohault de Fleury (1801–1875) nach Paris, der sich damals zusammen mit anderen an der Planung des Grand Hôtel du Louvre (Eröffnung: 1855) beteiligte. Hier dürfte Flattich nicht nur mit den Grundlagen des Hotelbaus vertraut gemacht worden sein, sondern auch frühe Eisenkonstruktionen (z. B. den Lesesaal der Bibliothèque Sainte Geneviève) und die ersten Großbahnhöfe (z. B. den Gare Montparnasse und den Gare de l’Est) kennengelernt haben. Anschließend wechselte er ins Büro von Karl (von) Etzel, der damals in Basel Oberingenieur der Schweizerischen Centralbahn war. 1857 wurde dieser Direktor der neu gegründeten k. k. priv. Kaiser Franz JosephOrientbahn und ernannte Flattich zum Leiter des Hochbaubüros. 1858 wurde die Orientbahn mit der k. k. priv. südlichen Staats-, lombardisch-venezianischen und zentral-italienischen Eisenbahngesellschaft fusioniert, die ab 1862 als k. k. priv. Südbahn-Gesellschaft neu konstituiert wurde. Sowohl Etzel als auch Flattich wurden in ihren Funktionen übernommen. Nach dem Tod von Etzel wurde Flattich 1871 zum Hochbaudirektor und Architekten der SüdbahnGesellschaft ernannt. Diese Position hatte er bis zu seiner Pensionierung 1880 inne. Flattich galt schon in jungen Jahren als international anerkannter Spezialist für Bahnhofsbauten und fungierte auch im Ausland als Berater. Er errichtete einige repräsentative Hauptbahnhöfe, z. B. den Wiener Südbahnhof (1869–1873) und den Südbahnhof Triest (1878), ferner so genannte „Normalien“ für größere und kleinere Bahnstationen, z. B. die der Linie Szegedin–Temeswar (1855–1857), der Brennerbahn (1864–1867) und der Pustertalbahn (1870–1871). Nach seiner Pensionierung war Flattich weiterhin als Berater der Südbahn-Gesellschaft tätig. 1875 nahm er die österreichische Staatsbürgerschaft an. 1878 wurde er mit dem Orden der Eisernen Krone III. Klasse in den Ritterstand erhoben. Quellen: Friedl, Guido, Der Architekt Wilhelm von Flattich (1826–1900), in: Dissertationen der Universität Wien, Nr. 141, Wien 1979. Vasko-Juhász, S. 51ff. www.biographien.ac.at/oebl/oebl_F/ Flattich_Wilhelm-Gustav_1826_1900.xml (18.4.2018).

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Johann Angerer Johann Angerer, geboren 1841 in Wattens, gestorben 1901 in Lana. Nach Gymnasium und Studium der Rechtswissenschaften wurde er Notar in Kufstein und zählte dort unter anderem zu den Gründervätern der Sparkasse, war Gemeindevertreter und Bürgermeister. Um sich ganz seinen volkswirtschaftlichen Studien widmen zu können, wurde er Sekretär der Handels- und Gewerbekammer Bozen, wo er die hohe volkswirtschaftliche Bedeutung des Fremdenverkehrs erkannte und sich um die Schaffung einer entsprechenden Dachorganisation bemühte. 1885 wurde der politisch liberale Angerer vom Städtewahlkreis Bozen-Meran-Glurns zum Reichsratsabgeordneten gewählt, vier Jahre später von der Handels- und Gewerbekammer Bozen in den Tiroler Landtag. Zwischen Wien, Innsbruck und Bozen galt er als einer der wichtigsten Vorkämpfer für den Tourismus. Darüber hinaus fand man ihn auch stets im Kreis jener Initiatoren, die sich für die Realisierung von Infrastrukturen einsetzten, die sich auf die neue Wirtschaftsform positiv auswirkten, z. B. den Straßenbau. 1890 zählte Angerer zu den Gründern des ersten Landesverbands für Fremdenverkehr („Verband der vereinigten Curund Fremdenverkehrsvereine“) und wurde sein erster Präsident, später sein Ehrenpräsident. Er hatte aber auch noch weitere Ehrenämter inne, z. B. als „Commitee-Obmann bei der Tiroler Landesausstellung, Abteilung Fremdenverkehr“. In der auf seine Tätigkeit bei der Handelsund Gewerbekammer Bozen folgenden Lebensphase wurde er wieder als Notar aktiv. Er arbeitete in Hall in Tirol, wo er auch ein Anwesen kaufte, in Lana und Neumarkt. Johann Angerer war nicht zuletzt auch auf publizistischer Ebene tätig. Unter anderem schrieb er ab den 1860er Jahren in den Bozner Nachrichten, den Innsbrucker Nachrichten und den Münchner Neuesten Nachrichten vorwiegend Beiträge mit volkswirtschaftlichem Inhalt. Quellen: Zum Tod von Johann Angerer, in: Bericht über die Thätigkeit des Landesverbandes für Fremdenverkehr in Tirol im Jahr 1901, Innsbruck 1902, S. 3f. Lässer, Adolf, 100 Jahre Fremdenverkehr in Tirol, in: Tiroler Wirtschaftsstudien, Nr. 40, Innsbruck 1989, S. 49f.

Aus einem Bericht in der Lienzer Zeitung, 5. Mai 1888

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Die Entwicklung des Südtiroler Tourismus im Spiegel der Schriften seines Wegbegleiters Johann Angerer Die saisonale Abwanderung eines Großhotel-Betriebs zeigt auch auf, welche unübersehbaren landschaftlichen Veränderungen Eisenbahn und Tourismus mit sich brachten. Jahreszeitlich bedingt muss das von Gästen entvölkerte Toblach mit seinem leerstehenden Dolomitenhotel einen verwaisten Eindruck gemacht haben, genauso wie die Fremdenverkehrszentren Bozen-Gries und Meran außerhalb der Saison  – einer der Gründe, weshalb neben allen positiven auch die negativen Auswirkungen, die mit dem neuen Transportmittel und seinen Folgeerscheinungen bildlich über die Region Tirol hereingebrochen waren, schon in der Zeit ihres „Take-offs“ thematisiert wurden. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die Texte des Juristen Johann Angerer (1841– 1901) erhellend, der zu den wesentlichen Promotoren des Fremdenverkehrs in Tirol gehörte.127 Er war der Erste, der auf die volkswirtschaftlichen Effekte des Tourismus aufmerksam machte, unter anderem in einem statistischen Bericht der Handelskammer Bozen, in dem er nachwies, dass der Fremdenverkehr dem Land 1880 mehr als zwei Millionen Gulden einbrachte (ca. 25,442.400 Euro).128 Angerer wirkte nicht nur in Bozen, Innsbruck und Wien als Vorkämpfer für den Tourismus, sondern wurde 1890 auch der erste Präsident des „Landesverbandes der vereinigten Cur- und Fremdenverkehrsvereine in Tirol“129. Zu seinen weiteren Verdiensten zählte, dass er über Jahre fundiert über Tourismus und Verkehr in Südtirol berichtete, dabei aber auch negative Entwicklungen thematisierte. Beispielsweise beschrieb er anlässlich des 25-Jahr-Jubiläums der Nord-Süd-Verbindung 1892 in einem Text mit dem Titel „Die Brennerbahn in ihren Beziehungen zum Lande Tirol“ die unumkehrbaren, durch die Eisenbahn und die zunehmende Zahl der Gäste hervorgerufenen Wandlungsprozesse.130 So wichtig die Eisenbahn im Handelsverkehr großen Stils für den „Integrationsprozess der Wirtschaftsräume“ und für den „gesamten industriellen Aufstieg“131 gewesen sein mochte, so verheerend konnten sie sich auf regionaler Ebene auswirken. Am Beginn seines Beitrags hebt Angerer, diesem allgemeinen Tenor folgend, die enorme volkswirtschaftliche Bedeutung des neuen Verkehrsmittels auch für den Raum Tirol hervor. Anschaulich dokumentiert er dann aber die durch die Eisenbahn hervorgerufenen Konsequenzen: Seit ihrer Einführung seien ganze Täler verarmt und verödet, weil plötzlich die Einnahmen aus den Gewerben rund um den Durchzugsverkehr fehlten. Über „einst wohlhabende Gegenden“132 schrieb er mit Verweis auf Gossensass, dass die Immobilien dort zuerst an Wert verloren hätten. Erst allmählich habe sich dieser Zustand verbessert, weil die „durch das Aufhören des Straßenverkehrs entwerteten Wohnstätten zur Beherbergung der Fremden“133 adaptiert worden seien. Die Einnahmen aus der Landwirtschaft hätten jedenfalls bei Weitem nicht ausgereicht, um die entstandenen finanziellen Verluste zu decken. Bemerkenswerterweise nannte Angerer im selben Atemzug mit der Landwirtschaft auch den Fremdenverkehr, der offenbar bis um 1892 langsam in Schwung kam und nur ein „geringer Ersatz für die früheren außerordentlichen Einnahmen“134 gewesen sei. Angerer klammerte in Zusammenhang mit Gossensass aber aus, dass der geschäftstüchtige Gastwirt Leopold Gröbner (1815–1896) der Eisenbahn seinen Wohlstand zu verdanken hatte. Denn die Bahntrassen wurden über seine Wiesen und Felder gelegt und die Ablösezahlungen dafür brachten ihm einen so großen finanziellen Profit, dass er eine rege Bautätigkeit entwickeln konnte.135

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Neben anderen Projekten wurde auf seine Initiative bzw. der seines Sohnes August (1860– 1914, verheiratet mit Flora Staffler, der Tochter des Besitzers des Hotels Greif in Bozen) der Wielandhof im Lauf eines über zwei Jahrzehnte dauernden Prozesses vom „Bauernhof zum Palasthotel“. Musch & Lun realisierte einen Teil des mehrstufigen Bauvorhabens, letztlich wurden aber die Pläne zum heute noch existierenden Palasthotel vom Architekturbüro der Brüder Ludwig136 (München-Bozen) entworfen. Allgemein aber, so Angerer weiter, habe die Bahn nicht nur die Verkehrsverhältnisse Nord- und Südtirols grundlegend verändert, sondern die gesamte Wirtschaft. Die Arbeiterbevölkerung sei mobil geworden und zusammen mit viel Kleingewerbe aus den Tälern in die Städte abgewandert. Damit einhergehend habe sich in wirtschaftlicher Hinsicht viel neue Konkurrenz entwickelt  – die nach Südtirol eingewanderte Unternehmerin Elise Überbacher war eine beispielhafte Mitbewerberin im prosperierenden Fremdenverkehr. In diesem Zusammenhang verwundert, dass sich nicht auch die Tiroler Gastwirte zu Wort meldeten. Infolge des Eisenbahnbaus waren viele von ihnen verschuldet, weil sie durch den Wegfall ihrer Einnahmen aus dem vorher so bedeutenden Fuhrwesen in eine schwierige finanzielle Situation geraten waren. Doch die politisch und kulturell „nicht unbedeutende Macht“ der Wirte im Land trat nur selten geschlossen in Erscheinung. Das Tiroler Gastgewerbe sei immer nur lokal gewertet worden, schreibt Georg Zwanowetz über die mehr ihren Eigeninteressen verpflichteten „freien Gastwirte“. Jeder „Repräsentant dieses Gewerbes blieb stets eine unabhängige Einzelperson“137, so sein Resümee. Wirtsfamilien wie die Gröbner in Gossensass, die in der neuen Ära den Sprung vom Wirt zum Hotelier schafften und damit in Verbindung eine rege Bautätigkeit entfalteten, blieben eher Einzelerscheinungen.138 Johann Angerer resümierte anlässlich des Jubiläums der Brennerbahn, dass sie Tirol in eine Periode der „Anpassung“139 gebracht habe, wenngleich diese nur sehr langsam vor sich gehe. In Summe verfolgte er aber mit seiner Analyse des Neuordnungsprozesses das Ziel, die Bedeutung der noch jungen Wirtschaftsform Tourismus optimistisch darzustellen. Dabei war Angerer aber nur zu bewusst, dass er die Relevanz des Fremdenverkehrs besonders fundiert darlegen musste. Aus diesem Grund fügte er seinen Argumenten – was, wie man noch sehen wird, nicht immer einfach war – häufig aktuelles statistisches Zahlenmaterial bei. Beispielsweise wies er 1892 im Text über die Brennerbahn mit Verweis auf die Hotelgründungen der SüdbahnGesellschaft darauf hin, dass der Fremdenverkehr bereits jährlich rund 9 Millionen Gulden an Einnahmen ins Land bringen würden (umgerechnet rund 131 Mio. Euro).

Tony Grubhofer, Wielandhof Gossensass, zuerst Bauernhaus, später Hotel Tony Grubhofer, Anbau von Musch & Lun, Postkarte (rechte Seite)

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Vom Bauernhof zum Palasthotel – der Wielandhof in Gossensass Über den Fremdenverkehr in Gossensass hält sich die Legende, dass sein eigentlicher Initiator Karl von Etzel gewesen sei. Nach der Inbetriebnahme der Brennerbahn 1867 waren nämlich große Einbußen im Fuhrverkehr zu verzeichnen und vorerst blieben keine Bahnreisenden im Ort. Der bekannte Eisenbahningenieur soll daher vor einer resignierten Wirtin den Spruch getan haben: „Mit dem Blick auf die Gletscher müssen sie ein Hotel bauen, das ist Ihre Zukunft!“ Die Aussicht auf die Gletscher im Pflerschtal wurde wenig später tatsächlich ausschlaggebend dafür, dass sich Gossensass zu einem prominenten Luftkurort entwickeln konnte. Zusätzlich spielte dabei die geografische Nähe zum Brennerbad mit seinen Kureinrichtungen eine Rolle. Wie bereits an anderer Stelle in diesem Buch erwähnt, war die alteingesessene Wirtsfamilie Gröbner Hauptprofiteur der entstandenen Situation. Wie erhaltene Abbildungen nahelegen, dürfte ein Färberhof genanntes Bauernhaus bereits 1888 unter dem Namen Wielandhof in einen Beherbergungsbetrieb umgewandelt worden sein. Bald wurde das Gebäude ausgebaut. Zunächst wurde der bestehende Baukörper mit seinem giebelständigen Satteldach verlängert, aber in seinem ländlichen Erscheinungsbild erhalten. 1897 erfolgte die Errichtung eines Nebengebäudes durch Leopold Gröbners Sohn August. Dieser Bau war wahrscheinlich für die Verpflegung der Gäste gedacht, denn die diesbezüglichen Pläne wurden mit „Saalbau“ beschriftet. Baubestand und Neubau wurden durch eine einseitig offene Veranda aus Holz verbunden. Weithin sichtbares Kennzeichen des Neubaus waren seine Blendfachwerk-Fassade und der Eckerker mit Zwiebeldach, wobei diese Gestaltungsweise im Südtiroler Tourismusbau singulär blieb. Der Entwurf könnte aufgrund seiner Ähnlichkeit mit dem von Wilhelm von Flattich für den Bahnhof Kufstein aus dem Jahr 1876 von einem Ingenieur der Südbahn-Gesellschaft stammen (vgl.: Allgemeine Bauzeitung, H. 11/12, Wien 1876, S. 108). Denn dieser wurde in abgewandelter Form auch für den Bau des Hotels Kaiserin Elisabeth am Bahnhof von Zell am See herangezogen.

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Dass die Familie Gröbner in ihre Bauvorhaben Ingenieure dieser Bahngesellschaft einband, lässt sich anhand von Plänen nachweisen, die von einem k. k. Südbahn-Ingenieur namens Dissertori signiert und im Sitzungssaal der Gemeinde Gossensass ausgestellt sind. Das Äußere des Bahnhofs Kufstein prägen genauso wie den Wielandhof Bauteile im so genannten „Schweizer Holzstil“ und Blendfachwerk-Partien – beide Bauten blieben aber einmalige „Würfe“. Fraglich bleibt, wann Musch & Lun in die Anbauprojekte eingebunden wurde. Im Archiv von Musch & Lun finden sich Kopien der Pläne für den „Saalbau“ ebenso wie solche für eine offene Veranda als Verbindung zum verlängerten Baubestand. Die Plankopien könnten auch nur für eine Aufstockung dieses Baukörpers herangezogen worden sein. 1908 plante Musch & Lun eine palastartige Erweiterung des bestehenden Wielandhofs. Die in Zusammenhang mit diesem Bauvorhaben erhaltenen Entwürfe sind deshalb bemerkenswert, weil sie denen ähneln, die im selben Jahr von Chefarchitekt Johann Müller für ein ebenfalls nicht realisiertes Projekt in St. Anton am Arlberg angefertigt wurden. Beide unverwirklicht gebliebenen Hotels sollten ein neues, „modischeres“ Erscheinungsbild aufweisen. Damit markiert ihr Planungsjahr 1908 zugleich auch das Ende der Ära von Großhotels nach dem Modell des Hotels Karersee (vor dem Hotelbrand von 1910) in Südtirol. Das heute noch bestehenden Palasthotel Gossensass wurde 1911/1912 nach Entwürfen der Brüder Alois und Gustav Ludwig (München-Bozen) errichtet (über die Architekten siehe im Abschnitt über das Hotel Oberbozen im zweiten Band).

Quellen: Musch & Lun, 1897/1908, Anbau und Projekt Hotel Wielandhof (später: Post-Hotel Wielandhof, ab 1912: Palast-Hotel Wielandhof, im Palast-Hotel vollständig aufgegangen), Färberstraße 1, I-39041 Gossensass, Musch & Lun Archiv Kat.: G1.94, Dok./Lit.: Ennemoser, Günther, Beiträge zur Geschichte der Gemeinde Gossensass mit besonderer Berücksichtigung der Zeit von 1850 bis 1914, phil. Diss. Universität Innsbruck, Innsbruck 1975, S. 104 ff. Noé, Heinrich von, Grubhofer, Tony, Ellmenreich’s Bücher aus Tirol – Gossensass. Blätter der Erinnerung an die Gletscherwelt Tirols, Meran 1888, S. 21, TLMF. Sammlung Günther Ennemoser, Gossensass.

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Wielandhof mit dem Anbau von Musch & Lun und der Pension Gudrunhausen im Hintergrund (linke Seite) Rekonstruktion des Lageplans und Hauptfront eines unverwirklicht gebliebenen Projekts für ein Palasthotel (oben)

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Einnahmen aus dem Fremdenverkehr, 1889 Es lässt sich aufgrund der Fremdenlisten mit vollständiger Sicherheit annehmen, daß in den drei Winter-Curorten Südtirols: Meran, Bozen-Gries und Arco sich durch 6 Monate lang durchschnittlich täglich 3.000 Fremde aufhalten, von denen jeder täglich 5 fl. (ca. 70 Euro) ausgibt; hieraus resultiert eine Summe von fl. 2,700.000,– (ca. 37,568.660 Euro). Nehmen wir weiter an, daß in den zahlreichen Bädern, Sommerfrischen etc. Südtirols sich während 2 Monaten täglich 10.000 Fremde mit einer Ausgabe von nur fl. 3,– (ca.  42 Euro) pro Person und Tag aufhalten, so ergibt sich eine weitere Summe von fl. 1,800.000,– (ca. 25,045.780 Euro) und demnach eine Gesamt-Einnahme von 4 ½ Millionen Gulden (ca. 62,614.440 Euro). Diese respectable Summe vertheilt sich auf eine Einwohnerzahl von nur 250.000 Menschen. Quelle: Pernwerth von Bärnstein, Wilhelm, Das Fremdenwesen in Tirol: mit besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse im deutschen Südtirol, Vortrag beim Fremdenverkehrstag in Brixen, 20.1.1889, S. 19.

„Vergleichende Betrachtungen über den Fremdenverkehr …“ Noch in seiner Funktion als Sekretär der Handels- und Gewerbekammer Bozen verfasste Johann Angerer sowohl vor als auch nach seinem 1892 erschienenen Artikel über die Brennerbahn größere Schriften über den Tourismus in Nord- und Südtirol. Bereits 1881 hatte er unter anderem „Das Fremdenwesen im deutschen Südtirol“ publiziert. 1890 folgte mit der „Enquete zur Förderung des Fremdenverkehrs in Tirol“ die Zusammenfassung von Ansprachen anlässlich einer Tagung im Vorfeld der Gründung des „Verbandes der vereinigten Cur- und Fremdenverkehrsvereine“. Ferner erschienen mit zeitlichem Abstand 1899 „Vergleichende Betrachtungen über den Fremdenverkehr in Tirol und in der Schweiz“ und „Vergleichende Darstellung der Sommerstationen des Fremdenverkehrs in der Schweiz und in Tirol“ – in denen Angerer aber leider keine aussagekräftigen Vergleiche zwischen dem Tourismus in der Schweiz und in Südtirol machte. Johann Angerer verfasste insbesondere seinen Text von 1881 noch vor dem Hintergrund des Umstands, dass in der Frühzeit des Fremdenverkehrs größere Hotelkomplexe vorwiegend mit finanziellen Mitteln von außerhalb in Südtirol errichtet worden waren. Daher lenkte er als quasi in den Diensten des Landes stehender Funktionär sein Augenmerk mit viel Geschick auf mehr Ausgewogenheit zwischen eigenen und fremden Leistungen im Tourismus. Denn vor dem Hintergrund der Kapitalflüsse hatte sich schon früh gezeigt, dass man den Fremdenverkehr nicht ausschließlich in die Hände von (anonymen) Kapitalgesellschaften aus entfernten Wirtschaftszentren wie Wien legen durfte, um nicht mit ihnen zusammen auch allen ökonomischen Schwankungen ausgesetzt zu sein. Am Beginn seines Artikels von 1881 wandte er sich daher gegen die Förderung der sogenannten Fremdenindustrie (und den Bau von neun Monate pro Jahr leer stehenden Hotel-Kolossen), weil diese „entsittlichend auf den Charakter und zerstörend auf die Eigenart des Volkes einwirken“ würden. Angerer kritisierte hier jenen „glatten Egoismus, den man dort antrifft, wo der Fremde lediglich zum Ausbeutungsobjekte für den Geschäftsmann dient, der während der kurzen Dauer der Saison nicht bloß riesige Regiekosten bezahlen, sondern sich auch so viel verdienen muss, daß das Anlagekapital verzinst wird und er die übrige Zeit des Jahres leben kann.“ 140

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Auch wenn der Entwicklungsprozess hin zum systematischen Tourismus im Südtirol der 1880er Jahre kaum mehr aufzuhalten war, setzte sich Angerer insbesondere in diesem Aufsatz für eine Form des Fremdenverkehrs ein, die im Nebenerwerb betrieben werden könne. Einfachere Gäste sollten die Verhältnisse vorfinden, „unter welchen sie daheim leben“. Vornehmen und reichen Leuten hingegen – begründete er diplomatisch –, „welche sich im Gebirge nicht einschränken wollen“, sollte der Komfort geboten werden, den sie auch in der Großstadt vorfänden. Nicht zuletzt vertrat er die innovative Ansicht, dass sich im „Kranze der stolzen Hotels“ auch „befriedigend eingerichtete Fremdenkolonien“ bilden sollten.141 Wie ein Destinationsmanager von heute verfolgte er bereits den Plan, über moderate Preise unterschiedliche Gesellschaftsschichten nach Südtirol zu führen. Diese  – mit einem modernen Ausdruck  – Diversifikation der Gästestruktur sollte dazu beitragen, dass möglichst viele Nebenerwerbsunternehmer bzw. deren Angestellte am prosperierenden Fremdenverkehr teilhaben konnten. Angerer übernahm nicht nur die Rolle eines Vordenkers, der für die Entwicklung von Tourismuszentren mit Herbergen unterschiedlicher Kategorien eintrat, die man auch im Nebenerwerb betreiben konnte. Zugleich ordnete er als Fachmann den Tourismus in die allgemeine politische und sozioökonomische Situation im Land ein. In diesem Zusammenhang war er sich nicht zuletzt auch der Tatsache bewusst, wie wichtig die Resonanz von außen bzw. eine begleitende publizistische Vermittlung für den Tourismus in Südtirol war. Daher verwies er bereits am Beginn seines 1881 publizierten Texts auf die Bedeutung der Landesbeschreibungen bzw. die frühe Reiseliteratur, die wesentlich zur Bekanntheit des Landes beigetragen hätten. Insbesondere sei es aber das Verdienst der sich seit 1869 in Südtirol bildenden regionalen Sektionen des Alpenvereins, über die man, so Angerer, „ohne Übertreibung sagen kann: Die Alpenvereine sind die Seele des Fremdenwesens, sie bestimmen seine Richtung und beherrschen alle jene Kreise, die an dem Aufschwunge desselben ein wirkliches Interesse haben.“142 Daraus geht hervor, dass sich unter dem Dach der alpinen Vereinigungen nicht nur Bergsteiger und Bergliebhaber zusammenfanden, sondern eine einflussreiche Lobby, die für die Agenden des Tourismus in den Landesteilen Tirols aktiv eintrat.143 Dennoch sah Angerer im Fremdenverkehr weniger ein kulturelles Phänomen denn einen sozioökonomischen Faktor mit positiven Effekten von der größten bis zur kleinsten wirtschaftlichen Einheit im Land. Auf der einen Seite schrieb er über die mit viel Kapital und Sachkenntnis operierende Südbahn-Gesellschaft, dass diese im Tourismus Erfolge erzielt habe, die von „lokalen Geschäftsleuten niemals hätten erreicht werden können. […] Da zu solchen Schöpfungen [wie dem Dolomitenhotel Toblach, Anm.] den Geschäftsleuten des Landes die Mittel und wohl auch Muth und Kenntnisse fehlen.“144 Auf der anderen Seite verwies er auf die durch den Tourismus gegebene Möglichkeit, die schlechte Situation der einfachen Landwirte zu heben. In diesem Zusammenhang zitierte er aus einem Brief des Priesters Johann Eller (1829–1901) aus Sulden: „Mehrere Familienväter würden gegenwärtig bei den verhältnismäßig niedrigen Viehpreisen am Hungertuche nagen müssen, wenn sie den Bergführerverdienst nicht hätten. So aber bringen sie sich mit ihren Familien ganz gut durch und für Einige steht in kurzer Zeit sogar Wohlhabenheit in Aussicht.“145

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1887: In den österreichischen Alpenländern wird der Tourismus amtlich Der mannigfaltige Lobbyismus in Sachen Alpinismus und Fremdenverkehr brauchte noch Jahre, bis er entsprechende Resonanz bei der Regierung in Wien fand. In Verbindung mit der Herausbildung des systematischen Tourismus in allen Landesteilen des damaligen Tirol ist aber der Hinweis wichtig, dass sich dieser erst ab der Mitte der 1880er Jahre entfalten konnte, weil er ab diesem Zeitpunkt auch zu einem Faktor aus der Sicht des Staates wurde. Erst damit entstand die Basis dafür, dass der Tourismus nicht eine Abfolge von Einzelinitiativen im Sinn von Bottom-up-Prozessen mit punktuellen, größeren und kleineren wirtschaftlichen Effekten blieb, sondern aus volkswirtschaftlicher Sicht als „marktrelevant“ eingestuft wurde. Voraussetzung dafür war, dass das k. k. Ministerium des Inneren 1887 in Vorbereitung des 40-Jahr-Regierungsjubiläums von Kaiser Franz Joseph I. (1830–1916) für eine Gewerbeausstellung in Wien „eine Nachweisung über das Bergführerwesen und die Fremdenfrequenz in den Alpenländern“ verlangte. Zusammen mit den entsprechenden Berichten sollten die politischen Behörden Tirols und Vorarlbergs auch Statistiken für die Jahre 1885 bis 1887 vorlegen.146 Der durch diese Darstellungen nachgewiesene Erfolg des Tourismus bewirkte schließlich, dass in Wien eine Resolution verabschiedet wurde, nach der die Regierung „dem Fremdenwesen in den österr. Alpenländern ihre besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden“ hatte, ihm „und alle auf die Förderung desselben gerichteten Bestrebungen“ angedeihen lassen sollte. Weiters sollte aus allen Verwaltungsbezirken im Einvernehmen mit den dort bestehenden Sektionen der alpinen Vereine und den Verschönerungsvereinen über bereits geschehene „Einführungen“ berichtet bzw. „etwaige Anträge zu diesem Zwecke“ gestellt werden. Von den entsprechenden behördlichen Entscheidungen wurden auch die „in Bildung begriffenen Fremdenverkehrsvereine“ verständigt.147 Mit diesen Schritten wurde der Tourismus in Tirol amtlich und der mit der Systematisierung des Fremdenverkehrs einhergehende Leitgedanke einer Wirtschaftsreform gelangte zu seiner offiziellen Anerkennung.148 Dennoch fehlte es gerade in den frühen Jahren des systematischen Tourismus in Tirol und selbst nach der Gründung des „Landesverbandes für Fremdenverkehr“ im Jahr 1890 an öffentlicher Wertschätzung. Das Land Tirol stellte dem Verband zwar schon in seinen ersten Jahren eine kleine Subvention zur Verfügung, doch der Staat lehnte jede finanzielle Unterstützung ab, „da er die Fremdenverkehrsförderung als Privatangelegenheit der daran unmittelbar interessierten Wirte betrachtete.“149 Tourismus zwischen findigem Gewinndenken und Reform Aus Johann Angerers Beiträgen, in denen er zum Teil auch bei Versammlungen gehaltene Reden zusammenfasste, geht gut hervor, welche Problemstellungen sich mit dem aufstrebenden Tourismus zusätzlich noch verbanden. Beispielsweise bemerkte er schon 1881, dass er ein schweres berufliches Los habe. Denn den Erhebungen für seine statistischen Analysen stünde die Bevölkerung kritisch gegenüber, weil diese große Bedenken wegen der „Steuerschraube“ aufwarfen. Auch später schrieb er noch dazu: „Aus Besorgnis vor fiskalischer Ausbeutung erfahren die politischen Behörden, sobald es sich um eine irgendwie verfängliche Statistik handelt, von den Parteien nie und nimmer die Wahrheit.“150 Demnach versuchte man in Tirol schon früh insbesondere die im Nebenerwerb entstandenen Einnahmen aus dem Tourismus vor den Finanzbehörden zu verbergen oder taktisch Steuern zu sparen. Um aber trotzdem zu aussagekräftigen Statistiken zu gelangen, erhoffte man sich die Mitwirkung der Fremdenverkehrsvereine. Denn ihnen könne man, so in einer von Angerer festgehaltenen

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Nachweisung über das Bergführerwesen und die Fremdenfrequenz in den Alpenländern 1885 bis 1887 Nach dieser Darstellung belief sich die Zahl der autorisierten Bergführer, welche im Jahre 1870 noch eine minimale war, mit Ende 1887 auf 481 Bergführer und bestanden für die Bergtouren 62 Tarife. Hiervon entfielen auf Deutsch-Tirol 403 Bergführer und 51 Tarife, auf ital. Tirol 51 Bergführer mit 8 Tarifen und auf Vorarlberg 27 Bergführer mit 3 Tarifen. Hieraus ist zu entnehmen, daß sich das Bergführerwesen im Zeitraume von 15 Jahren bedeutend entwickelte, wozu die Thätigkeit der Alpinen Vereine, sowohl als die entsprechende Einflußnahme der politischen Behörden wesentlich, sowie der in den letzten Jahren veranstaltete Unterricht an die Bergführer und die an dieselben vertheilten Prämien von Seite der alpinen Vereine beitrugen. In Deutsch-Tirol und Vorarlberg waren damals der deutsch-österreichische Alpenverein mit 34 Sektionen, der österr. Touristenklub mit 10 Sektionen und der österr. Alpenklub mit dem Sitze in Wien, in ital. Tirol die società degli alpinisti tridentini und in neuester Zeit auch der deutsch-österr. Alpenverein mit der Sektion Trient in Thätigkeit. Auch der Bau der Schutz- und Unterkunfts-Hütten und -Häuser hatte sich in dem tirol. vorarlbergischen Alpengebiete wesentlich vermehrt und bestanden in den verschiedenen Gruppen im Ganzen damals 91 Schutzhütten beziehungsweise Unterkunftshäuser, welche theilweise mit allem Comfort von den alpinen Vereinen ausgestattet worden sind. Was die Fremdenfrequenz anbelangt, so hatte sich dieselbe nach den gepflogenen Erhebungen wonach

im Jahre 1885 – 188.359 Fremde 1886 – 204.318 1887 – 217.374

das tirol-vorarlbergische Alpengebiet bereisten, bedeutend erhöht und zwar betrifft die Erhöhung, mit circa 10.000 Fremden beziffert, Deutschtirol, während in Italienisch-Tirol und Vorarlberg die Fremdenfrequenz in den Jahren 1885–1887 ziemlich constant blieb. Quelle: Angerer, Johann, Enquete zur Förderung des Fremdenverkehrs in Tirol, abgehalten in Innsbruck am 31. März 1890, Innsbruck 1890, S. 8f.

Tony Grubhofer, Bergführer vor dem Hotel Eller, Sulden

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Einnahmen aus dem Fremdenverkehr in Tirol 1892 bis 1897 Jahr

Fremde

fl. Gulden ö. W.

Euro

1892 1893 1894 1895 1896 1897

213.260 280.764 302.439 321.595 330.357 363.214

9,294.000,00 10,160.000,00 keine Statistik 10,200.000,00 10,800.000,00 12,000.000,00

135,078.160 146,731.130 – 144,746.870 159,812.780 176,200.320

Quelle: Angerer, Johann, Vergleichende Betrachtungen über den Fremdenverkehr in Tirol und der Schweiz, Innsbruck 1899, S. 22.

Wortmeldung, „vertrauliche Mittheilungen machen, da man weiß, daß sie bei ihnen niemals zu Steuerzwecken dienen können, überdies in einer Weise zusammengestellt werden, welche die individuellen Ergebnisse in Gruppen zusammenfaßt und dadurch die Ausbeutung durch die Steuerbehörden zur Unmöglichkeit macht. Und handelt es sich auch gar nicht darum, zu wissen, was der Einzelne verdient, sondern dem Lande aus dem Fremdenverkehr zufließt. (Bravo.)“151 Das Thema Steuervermeidung wird an anderer Stelle in diesem Buch noch einmal in Verbindung mit dem „Verein für Alpenhotels in Tirol“ zur Sprache kommen. Denn in Bezug auf die in vielerlei Hinsicht „geschäftstüchtige“ Vorgehensweise des Vereins, in bestimmten Bergregionen Südtirols Hotelbauten zu errichten, spielten Überlegungen, wie Abgaben eingespart werden können, eine beachtliche Rolle. Vor diesem Hintergrund verwundert es auch nicht, dass die Berghotels erst errichtet wurden, nachdem in der 1890 abgehaltenen „Enquete zur Förderung des Fremdenverkehrs in Tirol“ zwei Resolutionen verabschiedet worden waren, von denen eine an das Finanzministerium in Wien gerichtet war: „Dasselbe wird gebeten, den Bauten für Fremdenverkehrszwecke eine längere Steuerfreiheit einzuräumen sowie den im Interesse des Fremdenverkehrs sich bildenden Gesellschaften, (Actien-)Genossenschaften und Vereinen Steuerbegünstigungen zu gewähren. Steuerermäßigungen, insbesondere der Gebäudesteuer, hätten auch hinsichtlich der zu Fremdenverkehrszwecken dienenden Gebäude und anderer Objekte einzutreten.“152 Hintergrund für diesen Beschluss war, dass viele Hotels nur saisonal geöffnet waren und man daher für deren Betrieb nach Möglichkeiten einer steuerlichen Entlastung suchte. Um insgesamt ein gründerfreundliches Klima zu schaffen, sollte mit der Initiative nicht zuletzt auch der Bausektor unterstützt werden. Der Hotelbau und die mit ihm einhergehende lokale Bildung von Wirtschaftsaufkommen bildeten aber auch den Ausgangspunkt für einen anderen Themenkomplex. Denn der in den 1870er Jahren allmählich einsetzende und zunächst auf der Basis von Kapital von außen nach Südtirol importierte Fremdenverkehr führte zu architektonischen und wirtschaftlichen Projekten, die Johann Angerer, wie bereits beschrieben, unter dem Begriff „Fremdenindustrie“ zusammenfasste. Mancher Hotelbau war quasi am Reißbrett in Serie produziert worden und vermittelte wahrscheinlich schon aus diesem Grund wenig Gefühl für den Standort. Daher sollten – nicht

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nur in den Augen Angerers – solche „Unternehmungen“ Einzelfälle bleiben. Überdies wurde die mit den „luxuriösen Bauten“153 einhergehende Form von Tourismus schon früh als spekulativ und risikoreich erkannt und bot somit keine nachhaltige Lösung für die unter anderem infolge der Einführung der Eisenbahn entstandene wirtschaftliche Neuausrichtung des Landes. Nicht zuletzt war die Fremdenindustrie ein Phänomen, das Zentrumsbildungen zur Folge hatte. In geografischer Hinsicht führten diese nur punktuell zu weiteren wirtschaftlichen Effekten und in zeitlicher Perspektive bewirkten sie vorerst lediglich saisonal Einkommen. Persönlichkeiten wie Johann Angerer setzten sich deshalb für den Tourismus ein, weil sie in ihm eine der wenigen Möglichkeiten sahen, das Wirtschaftsaufkommen auf breiter Ebene und in allen Landesteilen anzukurbeln. Wenn er also über den ökonomischen Wandlungsprozess als Periode der „Anpassung“ schrieb, meinte er Modernisierung von innen. Zunächst fehlte es in Südtirol aber vielerorts noch an Unternehmerpersönlichkeiten, die in Verbindung mit ihren Initiativen nicht nur ihren persönlichen Profit sahen, sondern in einem größeren Rahmen eine „Implikation des Unternehmertums in Bezug auf die Wohlfahrt“154. Vor diesem Hintergrund ergibt sich in Verbindung mit den Berghotels noch ein weiterer Aspekt, denn im Unterschied zu den früheren Hotelbau-Initiativen in Bozen-Gries, Meran und Toblach wurden die in den 1890er Jahren entstehenden Berghotels vordergründig auch im Sinn einer weit gefassten Gemeinwohlorientierung initiiert. Sie sollten die geografisch an der Peripherie liegenden Bergregionen an die allgemeinen sozioökonomischen Entwicklungen anschließen und der lokalen, zumeist im Agrarbereich tätigen Bevölkerung neue Einnahmequellen erschließen.155 Bedauerlicherweise lässt sich in diesem Zusammenhang nicht klären, woher z. B. eine Persönlichkeit wie Theodor Christomannos, der auch „Vater der Bergführer“156 genannt wurde, konkrete Anstöße für sein „paternalistisches“ Wirken bezog. Allgemein waren aber in den 1880er Jahren schon die Weichen für ein Umdenken im Sinn von mehr sozialer Gerechtigkeit gestellt. Denn in dieser Dekade entstanden „jene politischen Gruppierungen, die das öffentliche Leben Österreichs bis ins späte 20. Jahrhundert bestimmen sollten, als Parteien die drei neuen Massenparteien und Lager, das christlichsoziale, das deutschnationale und das sozialdemokratische“157. Sie alle sahen im Tourismus ein aussichtsreiches und akzeptiertes Aktionsfeld. Die Berghotels waren somit in ihrer Frühzeit Beispiele für Entrepreneurships, die die meisten Merkmale in sich vereinen, die Ökonomen mit dem Begriff des „unternehmerischen Elements“ verbinden  – eine Art unternehmerisches Verhalten, das alleine „mit Kategorien des Ökonomisierens, des Maximierens oder der Effizienzkriterien nicht analysiert werden kann, obwohl es ganz allgemein für ökonomisierende Aktivitäten entscheidend ist“158. Christomannos war sich als Hauptinitiator der Berghotels seiner „entrepreneural role“ bewusst. Wie anhand seiner Biografie in diesem Buch noch zu zeigen sein wird, agierte er unter der Voraussetzung seiner persönlichen, privilegierten Situation auch mit Rücksicht auf die „Wohlfahrt“, wohingegen Mitstreiter wie Carl Lun, Chef des Baubüros Musch & Lun, in den Unternehmungen mehr den wirtschaftlichen Aspekt sahen. In ihren Handlungsweisen zwischen „Paternalismus“ und Profit blieben sie zumindest ambivalent. Das zeigt zugleich auf, welches anspruchsvolle Vorhaben die Integration des systematischen Fremdenverkehrs in die bestehenden Marktprozesse in Südtirol ab ca. 1870 war und welche Schere sich zwischen Gewinndenken und Reform im Land öffnete.

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1890 und 1892: systematischer Fremdenverkehr trotz anhaltender Kritik Da Johann Angerer die Phase von Neuausrichtung und Aufbau des systematischen Tourismus über einen langen Zeitraum verfolgte, wurde er nicht zuletzt auch Zeuge der modernisierungsverweigernden Haltung, die dem Fremdenverkehr in Südtirol insbesondere vom hohen Klerus und konservativen Kreisen in der Landespolitik entgegengebracht wurde.159 In seinem 1899 publizierten Text „Vergleichende Betrachtungen über den Fremdenverkehr in Tirol und in der Schweiz“ bezog er sich noch an mehreren Stellen auf die Geistlichkeit und die jahrelanÜber die Nichteinhaltung der Sonntagsruhe auf der gen Angriffe von Seiten der klerikalen Presse.160 Baustelle des Hotels Trafoi, 1896 Vordergründig ging es in Verbindung mit der tourismuskritischen Haltung der Konservativen Bei diesem Hotelbau scheint man es besonders auf die um die Nichteinhaltung der Sonntagsruhe, zu Schändung der Sonn- und Feiertage abgesehen zu hader vor allem die Bergführer „gezwungen“ waben; denn im heurigen Frühjahre wurde selbst an den ren. Hintergrund für die Opposition dürfte höchsten Sonn- und Feiertagen vormittags gearbeitet aber die Sorge vor einer „Fremdlenkung“ des […] ganz in sozialdemokratischer Manier: vormittags Landes gewesen sein. Denn mit den Gästen arbeiten – nachmittags dem Vergnügen nachlaufen und hätten sich neue Ideen und Religionen wie der gelegentlich seine sozialdemokratischen Ideen ausProtestantismus verbreiten können.161 Nicht zukramen; es waren allerdings mehr fremde Arbeiter, letzt beunruhigte die Eigenbrötler aber wohl der die es so trieben – aber es sollen auch schon einheimiGedanke, dass das ins Land strömende, fremde sche zu Sonntagsarbeit gezwungen worden sein. Kapital von ihnen nicht mehr wie früher kontQuelle: Volksblatt, 1.7.1896, S. 7. rolliert und beeinflusst werden konnte. Daher Dem bleibt nur noch hinzuzufügen, dass das Hotel ausgerechnet am Fest der Heiligen Peter und Paul, am Sonntag, dem 28., und Montag, war der Wunsch nach kirchlicher Akzeptanz undem 29. Juni 1896, eröffnet wurde. ter anderem ein Grund, warum zusammen mit den meisten Berghotel-Projekten auch Kapellen und kleinere Kirchen errichtet wurden. Mit der Realisierung der Sakralräume sollten wahrscheinlich nicht nur die Gäste, sondern vorrangig die klerikalen Kreise zufriedengestellt werden, was aber – wie sich am Bau der evangelischen Kapelle beim Hotel Sulden nach Plänen von Otto Schmid (1857–1921) darstellen lässt – selbst nach 1900 nicht immer einfach war.162

Über den Bau der evangelischen Kapelle Sulden, 1904 Die klerikalen Blätter können es nicht unterlassen, bei Gelegenheit der Bekanntgabe des Kirchenbaues gröblich auf Baumeister Schmid zu schimpfen. [Das] charakterisiert die Intoleranz der klerikalen Kreise wieder einmal zur Genüge. Ob die sämtlichen übrigen Hotelbesitzer von Sulden künftighin dann auch keine Andersgläubigen als Katholiken aufnehmen, kein andersgläubiges Geld mehr akzeptieren und die Bergführer nur mehr katholische Gäste führen wollen? Quelle: Meraner Zeitung, 22.5.1904, S. 4.

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Trotz der grundsätzlich konservativen, oft ablehnenden Haltung der Kirche in Verbindung mit der Tourismusentwicklung in Nord- und Südtirol gehörte aber so mancher Seelsorger zu den Wegbereitern von Fremdenverkehr und Alpinismus. Neben Kurat Eller in Sulden, der gemeinsam mit seinen Schwestern im Ortlergebiet erste Gäste beherbergte, zählte vor allem der „Gletscherpfarrer“ Franz Senn (1831–1884) zu den Pionieren des Bergtourismus. 1869 war Senn auch Mitbegründer des Deutschen Alpenvereins in München.163 Es gab aber noch andere Priester in der Reihe der großen Förderer des alpinen Tourismus. Ihre Rolle ist deshalb bedeutend, weil sie als Seelsorger mit der Armut der lokalen Bevölkerung unmittelbar in Berührung kamen und möglicherweise als Erste die Möglichkeit erkannten, dieser über Alpinismus und Tourismus neue Erwerbsquellen zu erschließen. Der Historiker Laurence Cole schreibt, dass die niedere Geistlichkeit, vor allem im südlichen Landesteil Tirols, „die Bedeutung des Tourismus für die Dorfbewohner erkannte und dazu beitrug, diese von seinem Wert zu überzeugen.“164 Erst um 1900 entspannte sich die tourismuskritische Haltung der konservativen Kräfte im Land allmählich und selbst von der „clericalen Presse“ wurde der Fremdenverkehr „ausnahmslos gebilligt und unterstützt“165. Zu den beruflichen Höhepunkten im Leben von Johann Angerer gehörte wahrscheinlich 1890 die Gründung des „Verbandes der vereinigten Cur- und Fremdenverkehrsvereine“, dessen erster Präsident er wurde, und 1892 des „Landesverbandes für Fremdenverkehrswesen in Tirol“.166 Die Entstehung dieser Organisationen markierte den Beginn des systematischen Tourismus und beendete die lange Phase der Implementierung des Fremdenverkehrs in die Wirtschaftskreisläufe des Landes. Was Gäste zunehmend zu einem Aufenthalt in Südtirol animierte, fasste Angerer wie folgt zusammen: „Der Standpunkt der Mode verschwindet immer mehr gegenüber dem anderen großen Motive, nämlich dem Bedürfnis nach Erholung, das in immer größere Kreise dringt und umso mehr zunimmt, je mehr infolge der socialen und sanitären Übelstände der Städte ein Sommeraufenthalt in gesunder, nervenstärkender Luft nicht mehr ein bloßes Vergnügen, sondern ein unabweisbares Bedürfnis ist für jedermann, dem die Mittel auch nur einigermaßen dazu geboten sind.“167

Über den Bau des Dolomitenhauses in Canazei, 1909 Aus einer Meldung des Dekans und anderer Kuraten von Fassa an die Bezirkshauptmannschaft Bozen: „Es existiert in Österreich das Gesetz vom 16. Januar 1895, die Sonntagsruhe betreffend. Nun haben aber Bauunternehmer und Leiter des Hotels Canazei selbes verletzt; am 20. Juni Herz-Jesu-Fest, wurde in Canazei […] tapfer gemauert, zum Ärgernis der Bevölkerung, die sich an die betreffenden Seelsorger wandte. Diese haben am 30. Juni die Gendarmerie avisiert, doch erfolglos, denn die Sonntagsarbeit wurde fortgesetzt. Nun ersuchen die Gefertigten, die Bezirkshauptmannschaft wolle dem Volke die Erklärung abgeben, ob und wie lange die gesetzliche Erlaubnis zur Sonntagsarbeit auf öffentlicher Straße erteilt worden sei. Das verlangen die Unterfertigten auch namens des Volkes.“ Quelle: Südtiroler Volksbote, 24.7.1909, S. 9.

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„A Court for King Cholera“, John Leech, in: Punch, London 1852

Flucht aus der Stadt – prophylaktisch zur Erholung oder aus medizinischem Grund zur Höhenkur Die starke, ungeregelt vor sich gehende Arbeitsmigration und damit einhergehend das Elend weiter Teile der Bevölkerung in den rasch wachsenden Städten führten dazu, dass sich die Ballungsräume auch als Zentren von Epidemien und Zivilisationskrankheiten entpuppten. Beispielsweise gingen seit der zweiten Hälfte des 18.  Jahrhunderts in Wien die meisten Sterbefälle auf die sich zunehmend verbreitende Lungentuberkulose zurück, wenn es nicht gerade ein Typhus- oder Pockenjahr gab.168 In der Hauptstadt der Monarchie war die Mortalitätsrate insgesamt höher als in allen anderen Großstädten Europas, ca. 23 Prozent der Todesfälle allgemein bzw. 50 Prozent aller Sterbefälle unter Arbeitern waren durch die Lungenkrankheit bedingt. Die Schwindsucht wurde daher von vielen Ärzten als „morbus Vindobonensis“ bezeichnet.169 1871 war der epidemiologische Höhepunkt der Sterberate (90,9 Sterbefällen auf 10.000 Lebende), von 1870 bis 1880 lag die Mortalität aber noch zwischen 19,6 und 26,3 Prozent.170 Zudem grassierte im Wien der Jahre 1831/1832, 1854 und 1873 die neu auftretende Cholera, auch „Gespenst aus dem Osten“ genannt. Es gab gegen die meisten Infektionskrankheiten lange Zeit keine wirksame Therapie. Daher verwundert es nicht, dass sie von der Überzahl der Stadtbevölkerung einfach nur mit Hoffnungslosigkeit und Resignation hingenommen wurden.171 In den meisten Beschreibungen werden die Städte und Metropolen des 19. Jahrhunderts idealisierend als Ballungsräume von Menschen und Ideen, Zentren der Kunst und Architektur oder als Veranstaltungsorte faszinierender Weltausstellungen dargestellt. Der überwiegenden Zahl ihrer Bewohner boten sie jedoch nur ein Leben in minderwertigen Unterkünften, Armut und Krankheit. Für die meisten von ihnen gab es kaum Chancen für einen sozialen Aufstieg und somit ein Entkommen aus ihrer entmutigenden Situation. Die unhygienischen Wohn-, Lebens- und Arbeitsumstände wurden nicht nur in Wien, sondern in fast allen Agglomerationen durch die noch rudimentäre Trinkwasserversorgung und die mangelhaften Kanalsysteme verstärkt. Seit 1864 gab es zwar eine „ärztliche Topographie

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Wiens“, in der man beispielsweise die Länge des Kanalsystems verzeichnete. Weil aber dessen Mauern undicht und die Abwässer in den Kanälen in technischer Hinsicht nicht zuverlässig abführbar waren, konnten sich manche Krankheiten noch lange ausbreiten. Ab 1891 wurde die Kanalisierung zwar verbessert172, aber die saisonalen Hochwasser der Donau und die frühen Formen von Umweltverschmutzung – meistens noch unter „schlechter Luft“ subsummiert – wirkten sich weiterhin negativ auf die Gesundheit der Bevölkerung aus. Die internationale Beachtung, die der sogenannten „Zweiten Wiener medizinischen Schule“ entgegengebracht wurde, ging unter anderem darauf zurück, dass sich hier die Ärzteschaft spätestens ab der Mitte des 19. Jahrhunderts zum „sanitären Gewissen der Stadt“ entwickelte.173 Ihren Initiativen waren ähnliche in Paris vorausgegangen, wo sich im zeitlichen Umfeld der Französischen Revolution eine Art „Stadtpathologie“ herausgebildet hatte.174 Auch die Wiener Mediziner griffen soziale und sozialmedizinische Themen auf und machten Eingaben bei den Behörden. Bemerkenswert war, dass sie mit ihren progressiven Vorstellungen, z. B. über die Bauordnung, das Kanalwesen, die Stadtreinigung, die Verhütung von Tierseuchen oder die neuesten Desinfektionsverfahren, weit über ihre Expertise hinaus auf die Stadtplanung – also ein Gebiet der Architektur – Einfluss zu nehmen versuchten.175 Einer ihrer Hauptvertreter war der Sozialhygieniker und Epidemiologe Joseph Ritter von Škoda (1805–1881), der seine fortschrittlichen „hygienisch-prophylaktischen“ Ansichten aus seinen Studien über die großen Seuchen des 19. Jahrhunderts bezog. Was Škoda – er gilt übrigens als der erste moderne Kliniker der „Wiener Schule“ – im Kampf gegen Typhus erreichte, veranschaulichen zwei Zahlen: 1871 verzeichnete das Allgemeine Krankenhaus noch 1.530 Typhus-Fälle, 1879  – nachdem er sich zusammen mit anderen Medizinern erfolgreich für den Bau der 1873 fertiggestellten Wiener Hochquellenleitung eingesetzt hatte – war die Zahl der Erkrankungen auf 180 gesunken.176 Dennoch: Die Erreger der meisten schwerwiegenden Infektionskrankheiten wurden erst später entdeckt, unter anderem von Robert Koch (1843– 1910) in den 1880er Jahren in Berlin.177 Mit Ausnahme des Serums gegen die Pocken stand die Erzeugung von Impfstoffen ebenfalls noch in weiter Ferne.

Epidemien in Zahlen Tuberkulose

1815 wurden in Wien 11.520 Todesfälle registriert, 2.859 entfielen auf die Tuberkulose. Zwischen 1881 und 1914 fielen pro Jahr 20.000 Menschen der Tuberkulose zum Opfer (bezogen auf das Gebiet des heutigen Österreich). Nach dem Ersten Weltkrieg waren es pro Jahr noch rund 10.000 Tote. Zum Vergleich: Laut WHO starben 2018 weltweit 10,5 Millionen Menschen an Tuberkulose, darunter 251.000 mit HIV.



Damit ist die Tuberkulose weltweit noch immer die häufigste zum Tod führende bakterielle Infektionskrankheit.

Cholera

1831 brach in Wien erstmals die Cholera aus. Zwischen August 1831 und März 1832 erkrankten 4.362 Menschen an der Cholera, von denen 2.188 starben. Das heißt, dass 1831/1832 von den damals 332.114 Einwohnern Wiens jeder 75. bis 76. starb. Von 1831 bis 1873 verloren rund 18.000 Wienerinnen und Wiener bei Choleraepidemien ihr Leben.

COVID-19

Während der COVID-19-Pandemie starben in Südtirol 296, in Nordtirol 111 und im Trentino 423 Menschen



(zum Vergleich: in der Lombardei 17.159, weltweit 1,14 Millionen), Stand: 24.10.2020. Quellen: Lesky, Erna, Die Wiener medizinische Schule im 19. Jahrhundert, Graz 1965, S. 46f. Wien Geschichte Wiki (20.1.2018). www.who.int (24.7.2020). en.wikipedia.org/wiki/COVID-19_pandemic_in_Italy#By_region (24.10.2020).

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Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die massive Ausbreitung der Tuberkulose und anderer Infektionskrankheiten eine Gegenbewegung zur wachsenden Landflucht verursachte. Die Flucht der Städter aufs Land war ein Rückzug vor dem Massensterben, aus der schlechten Luft, dem Ruß und dem Staub. Sommerfrische und Fremdenverkehr sind demnach nicht bedingungslos mit reinem Vergnügen oder Interesse an den Reisezielen gleichzusetzen. Die meisten der Touristen suchten im Rahmen ihrer Flucht aus der urbanen „Zivilisation“ Genesung, Erholung und Ruhe.178 Bemerkenswerterweise war es nach Vincenz Prießnitz abermals ein Schlesier, der dem Tourismus einen neuen Schub verlieh. Das führte dazu, dass gerade alpine Kurorte von der Situation in den Ballungszentren und ihrer schlechten sanitären Lage profitierten. Ab der zweiten Hälfte der 1850er Jahre fand nämlich die Auffassung des Arztes Hermann Brehmer (1826–1889) zunehmend Akzeptanz, dass die Tuberkulose in ihrem Anfangsstadium heilbar sei. Brehmer gründete die erste Lungenheilanstalt, in der er seine Patienten viele Stunden am Tag der frischen Luft aussetzte und auch für gute Ernährung sorgte. Zudem war er unter den ersten, die das Höhenklima als besonders förderlich für die Heilung von Schwindsucht propagierten. Ein früherer Mitarbeiter Brehmers, Peter Dettweiler (1837–1904), veränderte das Heilverfahren und verordnete seinen Patienten nicht nur Ruhe, sondern zusätzlich Bewegung an der frischen Luft. Mit der neuen Heilmethode begann sich nicht zuletzt auch unter dem Einfluss der Forschungen des oben genannten Wiener Mediziners Joseph von Škoda die Ansicht durchzusetzen, dass Tuberkulose in jedem Stadium heilbar bzw. ihr Fortschreiten hinauszögerbar sei.179 Es liegt auf der Hand, dass sich diese Neuigkeiten in Windeseile international verbreiteten. Die Tuberkulose und das durch sie ausgelöste Massensterben standen zu diesem Zeitpunkt bereits in einem besonderen Verhältnis zu Literatur und Kunst. Bohemiens und Exzentriker, Künstler und Liebende scheinen von der „Schwind-Sucht“ besonders angezogen gewesen zu sein. Man denke dabei nur an den bekannten Roman „Jane Eyre“ von Charlotte Brontë, in dem Janes Freundin an Tuberkulose stirbt. Ferner an Alexandre Dumas’ „Kameliendame“ oder Giacomo Puccinis „La Bohème“.180 Besondere Publizität in touristischer Hinsicht erfuhr in dieser Reihe der Bildungsroman „Der Zauberberg“ von Thomas Mann, in dem unter anderem die Sanatorien von Davos geschildert werden. In Verbindung mit dem Hotel bzw. „Berghotel“ und dem Ozeandampfer als Vorboten der Moderne schließt sich hier insofern der Kreis, als in Thomas Manns Roman ein Einrichtungsgegenstand zur Sprache kommt, den man nicht nur in einem Sanatorium oder Hotel, sondern auch auf einem Ozeandampfer finden konnte. Dabei handelt es sich um den sogenannten Davoser Liegestuhl, der – wie man sagt – eigentlich auf eine Entwicklung des Arztes Peter Dettweiler zurückgeht. Dettweiler ließ von Korbmachern bequeme, leicht transportable Liegestühle anfertigen, in denen die Patienten halb saßen, halb lagen und die man zusammen mit wärmenden Decken und Bettflaschen auch für Liegekuren im Winter verwenden konnte. Ihre Anwendung in den Davoser Heilstätten machte die Liege in einer Zeit populär, in der die Korbmöbelproduktion eine Blüte erlebte. Im Prinzip verfügte sie aber über große Ähnlichkeit zu den ebenfalls wettertauglichen, mit Plaids versehenen „Deckchairs“ der Ozeanriesen, die ebenfalls schon früh in großen Serien produziert wurden.181

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Peter Altenberg – Tuberkulose „Herr Peter, was also würden Sie einem Menschen, dessen ‚loca minorum resistentium‘, die Orte geminderter Widerstandskraft im Organismus, die Lunge ist, besonders empfehlen?!“ sagte eine wundervolle wunderbar zarte 20jährige zu mir. „Vor allem nie, nie, nie stehen, sondern liegen, sitzen, gehen bis zur ersten leichten Ermüdung, aber nie nie stehen, nicht einmal bei Begrüßungen fremder Menschen, immer sogleich den leichten Klapp-Sessel. Ferner: Rohe Eidotter, gesprudelt, 3–5, in Fleischbrühe, am besten in ‚Knorr-Soß‘, 3 Kaffeelöffel voll in einer großen Tasse heißen Wassers. Zweimal des Tages. Spinat, Spinat! Saures Oberes. Junger Käse. Friede des Herzens!“ „Sagen Sie, Sie sollen ja auch außer Ihrem, diätetischen Buche einige ganz nette literarische Bücher geschrieben haben. Können Sie mir Eines für meine Kur empfehlen?!“ „Keines. Sie bedürfen der ergebenen Ruhe. In meinen Büchern ist, soweit man ‚zwischen den Zeilen‘ zu lesen versteht, der ewige schreckliche Kampf geschildert zwischen Allem, was ist und wie es eigentlich sein sollte! Also nichts für Sie, Sie Ruhebedürftige, Sie leider Ergebene!“ Quelle: Altenberg, Peter, Mein Lebensabend – Memoiren in Prosa-Skizzen, Berlin 1919, S. 53.

Der Davoser Liegestuhl soll vom Arzt Peter Dettweiler entwickelt worden sein, Postkarte mit den Grußworten „Es gibt noch glückliche Menschen auf der Welt“

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Die eigentliche Bekanntheit der „Luftkur“ als Heilverfahren in der Habsburgermonarchie ging aber auf einen früheren Assistenten Joseph von Škodas zurück. Leopold Ritter Schrötter von Kristelli (1837–1908) brachte 1883 bei der Regierung in Wien den Antrag ein, konsequent durchgeführte „hygienisch-klimatisch-diätische“ Behandlungen der Tuberkulose auch für die Bürger einzuführen, für die ein Aufenthalt in einer Heilstätte nicht erschwinglich war.182 Schrötter gehörte damit zu den Begründern der sogenannten „Volksheilstättenbewegung“. Doch im Unterschied zu Deutschland, wo eine Heilanstalt nach der anderen entstand, waren hier die Behörden außer Stande, entsprechende Geldmittel für die Realisierung von Schrötters Vorschlägen zur Verfügung zu stellen. Erst 1898 konnte er in Alland im Wienerwald eine eigene Lungenheilanstalt eröffnen. Schrötter war aber in erster Linie ein umfassend denkender Sozialmediziner. Er empfahl den Schwindsüchtigen klimatisch speziell geeignete Luftkurorte (z. B. an der österreichischen Adria), kümmerte sich um die Kanalisierung von Wien, die Pflasterung der Straßen, die Anlage von Grünflächen, den Bau von Spitälern und Rettungsanstalten etc.183 Mit seinen auch in vielen Schriften und Vorträgen dargelegten Ansichten war er nicht nur am Puls der Zeit, sondern setzte sich insgesamt schon früh für ein Thema ein, das sich noch als besonders tourismusfördernd erweisen sollte, die Prävention.

Nicht nur im Rahmen der „Volksheilstättenbewegung“ entstanden vielerorts ähnliche Liegehallen, auch in Meran-Obermais (unten)

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Auch die Firma Thonet erkannte das wirtschaftliche Potenzial von speziellen Sitz- und Liegemöbeln für Lungenkranke. Nach dem Vorbild des Davoser Liegestuhls kam 1880 das Schlaf-Sofa Nr. 1 auf den Markt (oben Mitte)

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Diagnose Tuberkulose – ins Sanatorium oder ins Hotel? Was den Beginn der Kur betrifft, so muss der Kranke so früh als möglich fortgeschickt, d.  h. seinen häuslichen Verhältnissen entzogen und in geeignete klimatische und Ernährungsverhältnisse versetzt werden, und es ist daher die wichtigste Aufgabe des Arztes, die Krankheit so frühzeitig als möglich zu erkennen. In allen Fällen mögen weder der Kranke noch der behandelnde Arzt vergessen, dass die Behandlung der Lungenphthise eine zielbewusste und konsequent durchgeführte Kur erfordert und in der Zeit nicht nach Wochen, sondern nach Monaten, sogar Jahren zu bemessen ist, aber dann auch bessere Aussichten auf Erfolg bietet, wie kaum eine zweite chronische Krankheit. Ob man den Kranken nach einem offenen Kurort oder in eine geschlossene Anstalt (Sanatorium) schickt, hängt von sorgfältiger, namentlich psychologischer Erwägung im gegebenen Falle ab. Die geschlossene Anstalt bietet den Vorzug strenger Disziplin, sorgsamer ärztlicher Ueberwachung und einer in der Zeit genau geregelten, zweckmässigen Nahrungs- und Luftzufuhr. Sie ist daher dringend zu empfehlen allen denjenigen Kranken, welche keine genügende Garantie bieten, die klimatisch-diätetische Methode mit der nötigen Ausdauer und Strenge durchzuführen. Der Kranke wird in der Anstalt selbst eine unbequeme Massregel gewissenhaft befolgen, weil er das Beispiel anderer Leidensgenossen vor Augen hat und in der Regel über die ernste Natur seines Leidens aufgeklärt wird. Die Anstalt hat ferner, meistens im Gebirge liegend, den Vorzug, die schonende Methode mit der anstrengenden zu verbinden, mit einem Worte, alle zu einem günstigen Verlaufe seines Leidens zu Gebote stehenden Hilfsmittel nach Möglichkeit heranzuziehen. Nicht zu unterschätzen ist dagegen der Nachteil des engen Zusammenlebens mit gleichartigen Kranken. Quelle: Bäder-Almanach. Mitteilungen der Bäder, Luftkurorte und Heilanstalten in Deutschland, Oesterreich, der Schweiz und den angrenzenden Gebieten für Aerzte und Heilbedürftige, 10. Ausgabe, Berlin 1907, S. LXXXIIIf.

Moderne Annonce Semmering, 1000 Meter Höhe. Page 69: »C’est à Saint-Gervais que je devais faire ce que les Allemands appellent: »Die Nachkur«, et à laquelle ils attachent, non sans raison, une grande importance.« Die Nachkur ist wichtiger als die Kur! Eine meiner Thesen, auf die ich mir mehr einbilde als auf alle meine Dichtungen zusammen, obzwar alle Ärzte sie seit langem, die These nämlich, kennen. Die Kur ist der melancholische und mühselige Versuch, eine gebrochene Maschinerie zu reparieren. Höchstens bringt man sie da mit Müh’ und Not wieder auf gleich, kleistert sie zusammen. Aber die Nachkur ist bereits eine freudige künstlerische Angelegenheit: man ist daran, einer wiederhergerichteten Maschine höchste Energien, Spannkraft, Bewegung, Elastizität, Lebendigkeiten zu verleihen! Aus einem Invaliden einen neuen feurigen Kämpfer zu machen! Die Kur ist eine ernste Notwendigkeit, die Nachkur ist ein heiteres Fest! Gerade der erst kürzlich gesundete Körper bedarf bei seinen zarten Vernarbungen allerzärtlichster Rücksicht. Geld und Zeit für die Nachkur sind wichtiger als für die Kur. Keine Kur ohne Nachkur! Die Nachkur ist erst die Kur! Semmering, 1000 Meter Höhe. Quelle: Altenberg, Peter, Semmering 1912, Berlin 1912, S. 25f.

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Touristische Neuausrichtung: Höhentherapie, Nachkur, Terrainkur und Vorbeugung Der von den Tuberkulosepatienten ausgelöste Reiseboom hatte weitreichende Konsequenzen. Die neuen, erfolgversprechenden Ansätze in Bezug auf die Heilung der Lungenkrankheit rückten die früheren Hydrotherapien mit ihrem romantischen Ganzheitsbedürfnis in den Hintergrund bzw. wurden in den Kur- und Tourismuszentren in Kombination angeboten. Beispielsweise wurde im Dolomitenhotel Toblach noch 1904 zur Erweiterung der hauseigenen Kuranstalt eine „Kaltwasserheilanstalt“ nach Prießnitz’ Methode eingerichtet.184 Die noch nicht dagewesene Form von Massentourismus hatte aber auch Folgen, die bis heute zu den Schattenseiten des Fremdenverkehrs zählen. Beispielsweise wurde der Landstrich zwischen Arco und dem Gardasee im Bäder-Almanach des Jahres 1895 neben „Gries, Gratsch (bei Meran) und Görz“ als die „wärmste südliche“ Region zwischen den „Schweizer, Oesterreicher und Karstapenninen-Gebirgszügen“ bezeichnet und die dortige Bewölkung ebenso günstig wie in Kairo beschrieben.185 Das wichtigste deutschsprachige Werbemedium der Zeit verlautete aber schon zwölf Jahre später über Riva: „Das in trauter Stille am Gardasee liegende kleine Hafenstädtchen Riva […] wurde als Pflegestätte für Kranke und Erholungsbedürftige gewählt. Ein Ort, der seit Jahrzehnten vorwiegend Brustkranke und Tuberkulöse beherbergt, konnte, als vollkommen durchseucht, unmöglich in Betracht gezogen werden, ebenso wenig ein Platz, der durch den Massenzustrom Kranker, geräuschvolle gesellschaftliche Zusammenkünfte, lärmende Vergnügungsanstalten, konventionelle Zwangsverhältnisse, Theater, Konzerte, die geschwächten Nerven des Kurbedürftigen übermässig erregt, also mehr nimmt als gibt.“186 Apropos: Mit dem Ausdruck „konventionelle Zwangsverhältnisse“ war wahrscheinlich die Kleiderordnung (altertümlich Toilettenzwang) gemeint, die in den Südtiroler Berghotels von Theodor Christomannos dann ausdrücklich aufgehoben wurde. Wie aus seiner Biografie hervorgeht, dürfte er sie nämlich selbst verabscheut haben. Der nicht mehr eindeutig kontrollierbare Zustrom von Schwindsüchtigen in bestimmte Regionen und die dortigen Hotels hatte zur Folge, dass auf Werbemitteln bald Vermerke wie „keine Kranken“ oder „Tuberkulöse sind strengstens ausgeschlossen“ erschienen. Darüber hinaus ist anzunehmen, dass gerade Südtirol wirtschaftlich davon profitierte, dass andere Tourismuszentren „durchseucht“ waren und das auch noch im großen Stil kommuniziert wurde. Nicht zuletzt hatte die steigende Zahl der Lungenkranken unter den Reisenden aber auch Auswirkungen auf die Architektur der Hotels und Kureinrichtungen. Bisher hatte man auf den Bau von Balkonen verzichtet. Nun gewannen die Austritte ins Freie auch deshalb an Bedeutung, weil man (als betuchter „Tourist“) nirgends die Schwindsucht so gut verbergen konnte wie am Balkon des eigenen Zimmers.187 Die Affinität zwischen den Privatsanatorien und Hotels bzw. Berghotels lag zudem darin, dass sich mancher Patient, dem die Ärzte nicht mehr helfen konnten oder der sich ihren Anweisungen widersetzte, lieber aus der Sphäre einer Heilanstalt (mit Betreuung) in die eines Hotels (mit Bedienung) zurückzog. „Im Rahmen eines komfortablen Hotelbetriebs sollte der Gedanke an Krankheit und Tod verdrängt werden“, schreibt Michael Schmitt in „Palast-Hotels“.188 Falls Gäste starben, waren sie „überraschend“ abgereist. Nicht zuletzt zeigt das aber auch auf, warum im Lauf des 19. Jahrhunderts in Bezug auf den Bautyp Hotel bzw. den des Hospizes oder Hospitals klare architektonische Unterscheidungen immer mehr schwanden. In vielen „gastfreundlichen“ Herbergen wurde ohne Rücksicht auf die damit verbundene Ansteckungsgefahr mit den Schwindsüchtigen gutes Geld erwirtschaftet, durchaus auch in den Berghotels.

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In Hinblick auf das Gästeaufkommen profitierte der Tourismus in Südtirol mehr von den Kurgästen als den Alpinisten, weil diese oft monatelang, wenn nicht jahrelang zur Genesung und Erholung ins Land kamen. Nicht zu unterschätzen ist in diesem Zusammenhang auch ihr Beitrag zum Binnentourismus, weil sie vielleicht auch aus Gründen eines Tapetenwechsels temporär andere Aufenthaltsorte wählten. Die Berghotels in Südtirol gehörten wahrscheinlich zu den Hauptprofiteuren dieser Situation. Beispielsweise weilte der bekannte Meraner Kurarzt und langjährige Vizepräsident des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“, Dr.  Sebastian Huber (1852–1934), sommers im Umfeld des Hotels Karersee und praktizierte auch dort. Beliebt wurde der Hotelaufenthalt auch unter der Bezeichnung „Nachkur“, weil sich unter diesem Begriff besser kaschieren ließ, wie viele von einer melancholischen Endzeitstimmung ergriffene Gäste die Hotels bevölkerten. Vom österreichischen „Leidensvirtuosen“189, dem Schriftsteller Peter Altenberg (1859–1919), ist eine treffende Definition des ungewöhnlichen Begriffs erhalten. Sein Satz „Die Nachkur ist erst die Kur!“190 meinte aber wohl, dass bei der Nachkur abseits der Verordnungen wohlmeinender Ärzte (z. B. mit viel Alkohol) der „Abgesang“ ungehinderter gefeiert werden konnte als in der „geschlossenen Anstalt“. Peter Altenberg hielt sich übrigens besonders gerne im Hotel Panhans am Semmering auf.191 Die meisten Gäste folgten aber dem Rat von Ärzten. Aus diesem Grund förderte nicht nur ihre Expertise, sondern manchmal schon ihre reine Präsenz die Werbewirksamkeit einer Region oder eines Hotels. Ärztliche Empfehlung kann als eine dem systematischen Tourismusmarketing vorausgehende Form von Propaganda angesehen werden, weil die genesene und mit ihren Diensten rundum zufriedene Klientel der Mediziner nicht selten Rang und Namen hatte und sich auf diese Weise touristische Synergien potenzierten. Beispielsweise begründete diese Situation das Renommee von Bozen-Gries als Kurort192 ebenso wie das von Meran – hier aber begleitet von einem besonderen Zusammentreffen von Ereignissen. In der Passerstadt wird der Beginn des Tourismus um 1835 angesetzt, lange bevor der erste Zug die Gegend erreichte. Die sprunghaft erzielte Publizität des späteren Kurorts, den man vor allem in der kalten Jahreszeit aufsuchte, geht auf die Empfehlung des Arztes Johann Nepomuk Huber (biografische Daten unbekannt) zurück. Er begleitete die Fürstin Mathilde von Schwarzenberg (1804–1886) – sie stammte aus einer dem Wiener Kaiserhaus nahestehenden Familie – für mehrere Monate ins südliche Tirol und berichtete über die dort gemachten Beobachtungen unter dem Titel „Über die Stadt Meran in Tirol, ihre Umgebung und ihr Klima. Nebst Bemerkungen über Milch-, Molken- und Traubenkur und nahe Mineralquellen“ zusammen. In dieser 1837 in Wien veröffentlichten Schrift empfahl er das dortige Klima vor allem brustkranken (tuberkulösen) und nervenschwachen Personen. Später wurden viele ähnliche naturwissenschaftliche Studien in Publikationen wie dem „Bäder-Almanach“ zusammengeführt. Meran verdankt aber nicht nur Johann Nepomuk Hubers werbewirksamen Forschungen seinen Namen. Die Bekanntheit der Passerstadt als gesunde Umgebung geht auch auf seine medizinischen Leistungen während einer Choleraepidemie zurück. „Im Jahre 1836 besuchte ein […] unwillkommener Gast das Burggrafenamt: die Cholera. Sie erschien Anfang August, erlosch Ende September und raffte so viele Opfer dahin, dass nur mehr zweimal des Tages die Sterbeglocke geläutet werden durfte, zu den Begräbnissen überhaupt nicht. Die Meraner kamen verhältnismäßig glimpflich davon und verloren 35 Personen, die Maiser hingegen 119. Bei der Bekämpfung der Seuche hat sich besonders Dr. Huber, Leibarzt der Fürstin Mathilde von Schwarzenberg, hervorgetan, den die Stadt darum in Dankbarkeit zu ihrem Ehrenbürger ernannte.“193

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Der Kurort Meran ist nur ein Beispiel dafür, dass der Wintertourismus der Medizin weitreichende Impulse zu verdanken hat. Bemerkenswert ist in dieser Hinsicht auch die touristische Entwicklung von Davos. Erste Fachberichte aus dem Bereich der Balneologie (Bäderkunde) priesen schon in den frühen 1860er Jahren das dortige Winterklima als lindernd bei „chronischer Tuberkulose, wenn sie noch nicht so weit fortgeschritten ist“, wohingegen an ihr Erkrankte die Region in den Zwischensaisonen Frühling und Herbst eher meiden sollten.194 Zu breiter Anerkennung gelangte der Graubündner Ort allerdings ab dem Winter 1865, weil damals ausgerechnet ein Arzt von einem schweren Lungenleiden geheilt wurde. Dieser war damals aus der Lungenheilanstalt von Dr. Brehmer angereist. Die Kunde von seiner Genesung in Davos sorgte für ungeahnte touristische Resonanz – dies nicht zuletzt, weil ebendieser Arzt im Ort blieb und dort eine Praxis eröffnete.195 Die Liste der Gegenden, die dank ärztlicher Empfehlungen zu Magneten des Fremdenverkehrs wurden, ließe sich fortsetzen. Das ist deshalb von Bedeutung, weil in die Werbekampagnen der Berghotels in Südtirol der Slogan „Arzt im Haus“ später schon gezielt eingebaut wurde. Dadurch sollte der auf Alpinisten beschränkte Kreis an Gästen zur besseren Auslastung der Häuser vergrößert werden. Bleibt noch zu erwähnen, dass 1865 zusammen mit dem oben genannten Arzt aus Dr. Brehmers Heilanstalt noch eine zweite Person in Davos ankam. Der zweite Patient litt ebenfalls an Tuberkulose, wurde kuriert und blieb. Auch er machte den Winterkurort bekannt. Denn es handelte sich um einen Buchhändler, der 1881 mit der Davoser Zeitung ein Blatt gründete, in dem er sich vehement für die touristische Erschließung der Gegend einsetzte. Zur eigentlichen Bedeutung des Mediums trug aber bei, dass es Kur- bzw. Gästelisten enthielt.196 Solche Gästelisten stellten auch in Südtirol eine unverzichtbare Form von Fremdenverkehrswerbung dar, weil sich die Gäste gerne an der Klientel orientierten, die einen bestimmten Ort oder ein bestimmtes Hotel als Aufenthaltsort gewählt hatte. Auf diese Weise trugen die Gästelisten nicht zur „Publicity“ einer Gegend bei, sie förderten nach dem Motto „sehen und gesehen werden“ insbesondere die Annäherung von Bürgerlichen, Geldadel und Aristokratie. Noch heute geben sie Auskunft über Namen, Stand und Herkunft der Gäste, welche die Kureinrichtungen, Hotels und nicht zuletzt die Betriebe des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ bevölkerten. Diese Entwicklung in den Winterkurorten und Höhenstationen bekam durch eine weitere ärztliche Empfehlung zusätzlichen Schub. Der Münchner Mediziner Max Joseph Oertel (1835– 1897) wurde in der zweiten Hälfte der 1870er Jahre durch seine „physikalisch-diätetische Therapie“ für die Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bekannt. Oertel litt infolge eines Unfalls selbst an Kreislauf- und Atembeschwerden, weshalb er sein Heilverfahren unter anderem im Selbstversuch entwickelte. 1884 wurde die „Terrainkur“ nach ihm benannt, bei der ernährungs- und bewegungstherapeutische Elemente mit Bädern kombiniert wurden. Der geschwächte menschliche Organismus, speziell die Herzmuskulatur, sollte durch maßvolles, aber planmäßiges körperliches Training in Form von Spaziergängen oder Wanderungen und durch „Klimaexposition“ (leichte Kältereize) gestärkt werden.197 So fortschrittlich Oertels Ansätze auch waren, zu ihrer Zeit wurde das, was man heute am ehesten mit „Konditionstraining“ bezeichnen würde, zuerst noch kontroversiell diskutiert.198 Bald erwies sich die „Oertelsche Terrainkur“ aber als wesentlicher Faktor für den Tourismus in Südtirol – und dies nicht nur, weil viele Gäste gerade aus dem Münchner Raum mit den „neuen“ Erkenntnissen über Vorbeugung, Genesung und Regeneration anreisten.

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Die Bezeichnung „Terrainkur“ deutet schon an, dass diese neue Behandlungsmethode auch bedeutende räumliche Auswirkungen auf die Gegenden hatte, in der sie praktiziert wurde. Promenaden, Spazier- und Wanderwege wurden angelegt und – in Anlehnung an die englischen Landschaftsgärten – in den Stadtbildern präsente Kurparks gestaltet. In Meran erinnern unter anderem die Sommer- und Winterpromenade entlang der Passer und der Tappeinerweg an diese Ära. Die Einrichtungen sind insofern bemerkenswert, als sie eine Art harmlose, international austauschbare Ersatznatur darstellten. Sie dienten ihren Benützern ausschließlich zur Besichtigung und prägten auf diese Weise die bis heute anhaltende Verwechslung zwischen „Landschaft“ und „Natur“ – das heißt „zwischen dem organisch Gewachsenen und dem Artefakt“, wie der Schweizer Soziologe Lucius Burckhardt schreibt.199 Zudem wurden sie noch ohne das bald im Tourismus so bedeutende Landschaftsverständnis geschaffen, das über das wechselseitige Verhältnis von Standort und Identität reflektiert. Massenmedien und Bildbotschaften In Summe trugen gerade medizinische Aspekte maßgeblich zur Entstehung des systematischen Winter- und Sommertourismus in den Alpen bei. Der Erfolg des Fremdenverkehrs wäre daher ohne die im 19. Jahrhundert noch kaum besiegbaren Krankheiten, Seuchen und das mangelhafte hygienische Milieu in den urbanen Ballungszentren undenkbar. In Zusammenhang mit der Entwicklung des Fremdenverkehrs darf aber auch ein Hinweis auf die „Kraft der Kommunikation“ nicht fehlen. Denn neben der Entstehung des systematischen Tourismus als Phänomen der Masse bzw. des Massentransports müssen auch die Massenmedien und die innovativen Vervielfältigungstechniken von Bildbotschaften gesehen werden. Die Bekanntheit der Gebirgsregionen geht auf die Erfahrungsberichte von Bergsteigern und Kletterern, die alpinen Vereinigungen, nicht zuletzt aber auch auf die Darstellungen von Reiseschriftstellern und bildenden Künstlern zurück. Über die Massenmedien der Zeit fanden aber nicht nur Reiseschilderungen weite Verbreitung, sondern – wie bereits dargestellt – auch die Empfehlungen der Ärzte. Dadurch gelangten auch Aspekte wie Krankheitsvermeidung bzw. Vorbeugung zu einem bisher nicht dagewesenen Stellenwert. Im Unterschied zu früheren Zeiten, in denen man Krankheiten, insbesondere Infektionskrankheiten, als Wendungen des Schicksals einfach hinnehmen musste, tat sich nun die Möglichkeit auf, in den Bergen Heilung oder Linderung zu finden bzw. durch vorbeugende Maßnahmen das scheinbar vorgegebene Los zu beeinflussen. Die damit verbundene Verantwortung für den eigenen Körper (und die eigene Seele) wirkte in der Epoche wichtiger medizinischer Fortschritte und den parallel dazu aufkommenden Begriffen von Prävention vielleicht noch „originell“ und vorerst nur einem exklusiven Kreis der Gesellschaft vorbehalten. Doch das sich zunehmend zu einem internationalen Netz entwickelnde Massentransportmittel Eisenbahn vergünstigte das Reisen und ermöglichte bald vielen Städtern die „Flucht“ ans Meer und in höhergelegene Regionen. In diesem Zusammenhang belegen vor allem die frühen Schriften von Johann Angerer, dass sich in Südtirol schon in den 1880er Jahren die Vorstellung konkretisierte, dass mit dem Fremdenverkehr eine Massenbewegung mit fundamentaler Wirkung auf die sozioökonomische Struktur des Landes entstehen könnte. Es wäre aber unrichtig, die Entstehung der Berghotels nur mit der sich herausbildenden Begeisterung für die Schönheit der Alpen zu verbinden.

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Im städtebaulichen Sinn stellten die Heinrichspromenade in Bozen-Gries und der Tappeinerweg in Meran austauschbare Ersatznaturen dar

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Postkarten, aus: Grüße vom Stilfser Joch, um 1910

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Straßen und ihr Einfluss auf die Vermarktung der Bergwelten Südtirol-Trentinos Es mag auf der Hand liegen, dass sich der Massentourismus vor dem Hintergrund der Eisenbahn entwickelte, aber auch in den Berggebieten konnte sich der Fremdenverkehr im großen Stil nur unter einer ähnlichen Voraussetzung bilden. Dabei handelte es sich um den Straßenbau. Der Handelsverkehr auf dem Landweg wurde in Österreich von staatlicher Seite noch um die Mitte des 19. Jahrhunderts gefördert.200 Die Eisenbahn verbilligte den Transport von Gütern um ca. 80 Prozent, weshalb der Straßenbau im Verhältnis zum kapitalintensiven Eisenbahnbau zunehmend reduziert wurde.201 Die Eisenbahn hatte aber nicht nur maßgeblichen Einfluss auf die Wirtschaftskreisläufe, sie beschleunigte auch militärstrategische Operationen.202 Das führte dazu, dass sogenannte ärarische (staatliche) Verkehrsachsen, die häufig für die Landesverteidigung verwirklicht wurden, im Unterschied zu den Zugverbindungen an Bedeutung verloren. Auch für Tirol bedeutete die Fertigstellung der Eisenbahnlinien eine längere Stagnation im Straßenbau. Der Historiker Georg Zwanowetz bezeichnet diese als „Stillstand und Rückgang“ in der verkehrsgeschichtlichen Entwicklung.203 Im südlichen Landesteil war mit der StilfserJoch-Straße zwischen 1818 und 1825 noch ein strategisch wichtiger Verkehrsweg nach Bormio geschaffen worden. Nach der Abtretung der Lombardei an Frankreich im Jahr 1859 verlor die Nord-Süd-Verbindung zwar diese operative Bedeutung, doch für das großartige „Denkmal vormärzlich-österreichischer Straßenbaukunst“ erfolgte ein bemerkenswerter Wandel „von einer aus strategischen und handelspolitischen Gründen gebauten zu einer fast nur noch dem Fremdenverkehr dienenden“ Route.204

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Auf der Straße nach Madonna di Campiglio

In der zweiten Hälfte der 1890er Jahre baute auch der „Verein für Alpenhotels in Tirol“ vom Hotel Trafoi aus eine Fahrt auf der Stilfser-Joch-Straße in seine Ausflugsprogramme ein und wollte auch das „ärarische Unterkunftshaus“ auf der Franzenshöhe und ein „Cantoniera“ genanntes Nebengebäude übernehmen und wahrscheinlich in ein weiteres „Alpenhaus“ samt Dependence ausbauen. Das Vorhaben scheiterte jedoch am Widerstand der lokalen Bevölkerung, vor allem der Wirte. Siehe dazu im Abschnitt über das Hotel Trafoi im Katalogteil dieses Buches. Das Thema, welche touristische Bedeutung ein nicht mehr in seiner ursprünglichen Form genutzter Gebäudekomplex haben kann, wenn er über einen Weg oder eine Straße erreichbar ist, war zu dieser Zeit nicht mehr neu. Eine weithin bekannte Vorreiterrolle hatten in dieser Hinsicht schon längst das Kloster und das Hospiz von Madonna di Campiglio übernommen. 1868 kaufte der Gastwirt Giovanni Battista Righi (1830–1882)205 den bereits von seinem Vater vom Domkapitel in Trient gepachteten Gebäudekomplex. Er ließ  – zunächst zur besseren Bewirtschaftung der dazugehörigen Wiesen und Wälder – 1874/1875 von Pinzolo nach Madonna di Campiglio eine Straße bauen.206 Das Vorhaben entstand auf seine eigenen Kosten, die durch den Verkauf von Holz hereingebracht werden mussten. Da das Hospiz aber schon zu Zeiten seines Vaters von Alpinisten als Unterkunft genutzt wurde, diese aber dorthin zu Fuß gehen oder auf Maultieren reiten mussten, verbreitete sich unter den Bergfreunden die Nachricht von der neuen Straße in die Bergwelt zwischen Brenta- und Adamello-Presanella-Gruppe nahe Trient rasch. Mit diesem auf eine Privatinitiative zurückgehenden Straßenbauprojekt war der Grundstein für den bis heute so erfolgreichen Tourismus in Madonna di Campiglio gelegt. Das aus dem Hospiz hervorgehende „Stabilimento Alpino“ wurde von Righis „legendärem“ Nachfolger Franz Österreicher (1821–1909) schrittweise zum „Hotel des Alpes“ erweitert.207 Über Franz Österreichers Karriere als Hotelier wird an anderen Stellen in diesem Buch noch berichtet. Auch Musch & Lun war ab 1893 in mehrere seiner Bauprojekte in Madonna di Campiglio involviert und gestaltete für das Hotel des Alpes u. a. einen besonders schönen Speisesaal und eine Kirche.

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Tourismus und Straßenbau Im Landverkehrswesen waren die Konstellationen aufgrund der unterschiedlichen Besitzverhältnisse und Zuständigkeiten bezüglich des Baus und Unterhalts der Straßen insgesamt komplex. Im Zug der zunehmenden Systematisierung des Fremdenverkehrs in Südtirol wurden daher ab den 1880er-Jahren immer mehr Stimmen laut, die den Ausbau der damals noch sogenannten Kommunikationen in die Berggebiete forderten. In den oben bereits genannten Textquellen waren die Straßen und der Straßenbau durchgehend Gegenstand der Erörterungen. Beispielsweise betonte der Meraner Kurvorsteher Wilhelm Pernwerth (1844–1898) schon am Beginn einer Rede, die 1889 unter dem Titel „Das Fremdenwesen in Tirol“ in gedruckter Form erschien: „Unter den verschiedenen Umständen, welche der Hebung des Fremdenverkehrs in Tirol hinderlich sind, ist in erster Linie der Mangel an guten, fahrbaren Straßen hervorzuheben.“208 Ein Jahr später, im Rahmen der Enquete anlässlich der Gründung des „Verbandes der vereinigten Cur- und Fremdenverkehrsvereine“, stand das Thema Straßen auf der Tagesordnung erneut ganz oben und Johann Angerer zitierte aus der Ansprache seines Kollegen, des Sekretärs der Handels- und Gewerbekammer Innsbruck, Anton Kofler (1855–1943)209: „Wenn wir heute die schönsten Gebirgsthäler, die reizendsten Aussichtspunkte wenig oder gar nicht vom großen Publikum beachtet sehen, so sind daran die Kommunikationen schuld.“210 Aus seinem Diskussionsbeitrag geht überdies hervor, dass nicht den Staatsstraßen eine zentrale Rolle in Bezug auf die Erschließung der Berggebiete zukam, sondern den nicht ärarischen Nebenstraßen (z. B. Gemeindewege), die ohne Beaufsichtigung von Seiten der Regierung kaum instandgehalten wurden. Kofler schloss daher an: „Es wird sich daher in erster Linie [darum, Anm.] handeln, Mittel und Wege zu finden, womit den vielfach trostlosen Zuständen abgeholfen werden kann. Da frägt es sich nun, wer hat für ein geregeltes Wegewesen zu sorgen? Heute unterscheiden wir Aerarialstraßen einerseits und Konkurrenz- und Vinzinalstraßen andererseits.“211 Vor allem in den Dörfern fehlten die finanziellen Mittel für den Bau und die spätere Wartung neuer Verkehrswege. Daher sollten hier, so die Ansicht der FremdenverkehrsProponenten, die Einführung der Mautpflicht für bestimmte Strecken, die Veranstaltung von „Geldlotterien“ oder der Einsatz von Soldaten oder Sträflingen im Straßenbau Abhilfe schaffen.212 Am Ende der ausführlichen Erörterungen wurden die Beschlüsse in Bezug auf Gesetzesänderungen und notwendige Budgets zusammengefasst. Ihnen wurde eine Liste beigefügt, welche Verkehrsverbindungen in allen Teilen des Landes errichtet werden sollten bzw. welche Strecken zu ergänzen oder zu verlängern wären.213 Fünf Jahre später, 1895, fruchteten die Bemühungen und die Tiroler Landesregierung beschloss ein umfangreiches Bauprogramm und einen Straßenbaufonds. Beides wurde am 22. August 1897 in ein Landesgesetz gefasst. Im Zeitraum von 15 Jahren sollten 450 Straßenkilometer neu erbaut werden, was die Tourismus-Lobby als „energischen Schritt“ vorwärts wertete, wie Georg Zwanowetz schreibt.214 Laut einer Zusammenstellung von Johann Angerer sollten insgesamt 28 neue Strecken entstehen, wobei die von ihm so bezeichnete „Dolomitenstraße“215 – neben seinen Berghotels eines der wichtigsten Lebensziele Theodor Christomannos’ – von Kardaun über Welschnofen, den Karersee und den Costalungapass nach Vigo di Fassa bereits ihrer Vollendung nahe sei.216 „Hierdurch werden die großartigsten Partien der Dolomitenwelt dem Wagenverkehr erschlossen“, so Angerer. Es werde „eine Rundfahrt von Bozen durch das Fassa- und Fleimstal ermöglicht, die wohl zu den genussreichsten in der ganzen Alpenwelt gerechnet werden muss. An dieser Straße, am Karersee, erhebt sich bereits das Fundament zu einem im großen Stile

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Die Mendelstraße bei ihrer Eröffnung 1885

projektierten Alpenhotel, das von der Alpenhotelgesellschaft in Meran gebaut wird.“217 Damit meinte er den „Verein für Alpenhotels in Tirol“ und das Hotel Karersee, das zur selben Zeit wie der Streckenabschnitt der Dolomitenstraße von Welschnofen zum Karerpass errichtet wurde. Ein Blick auf die Situation im Straßenbau ist in Bezug auf die Berghotels in Südtirol auch deshalb von Bedeutung, weil sich vor allem mit dem schon zwischen 1880 und 1885 erfolgten Bau der Mendelstraße bei Bozen zeigte, dass die infrastrukturelle Erschließung von landschaftlich reizvollen Gegenden dem Tourismus tatsächlich großen Schwung verlieh.218 Dabei wurde aber nicht punktuell, das heißt ortsbezogen gedacht. Denn das sich auf der Mendel bildende touristische Angebot sollte insbesondere das von Bozen-Gries wirtschaftlich unterstützen. Man befürchtete nämlich, dass nach Inbetriebnahme der Bozen-Meraner-Bahn 1881 der „Fremdenstrom“ in die modisch gewordene Passerstadt abwandern könnte, und sah in der Mendel ein attraktives Zusatzangebot, um die Gäste im Bozner Raum festzuhalten.219 Enthusiastisch hielt Johann Angerer 1881 in Bezug auf das vom Überetsch – in seinen Augen der „Rheingau der Alpen“ – ausgehende Straßenbauprojekt fest: „Eine Bergtour, die, wenn man nur die Fahrt auf den Mendelpaß mit der Fernsicht auf das Etschthal und das Dolomitengebiet in Betracht zieht, sicher zu den brillantesten in der Alpenwelt gehört.“220 Über Landschaft und „brillante“ Fernsicht – die „narrative Inszenierung“ Tirols in Reiseberichten Die obige Textstelle ist nur ein Beispiel dafür, dass mit der Errichtung von Bergstraßen noch ein weiterer wirtschaftlicher Aspekt einherging: das Wissen der Proponenten des Tourismus um die Vermarktbarkeit der Landschaft. Wie bereits oben in Verbindung mit der Popularisierung der Hydrotherapien erwähnt, waren die Kurgäste unter den Ersten, die die Umgebung der Bäder als wahrnehmenswerte Landschaften erkannten. Dieser tief greifende Wandel im Landschaftsverständnis und folglich der Ästhetisierung spezifischer Umwelten war das Resultat einer langen Entwicklung. Ihren Hintergrund bildete abermals die Stadt. Sie

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mutierte im Lauf dieses Prozesses von einem Ort des Verbrauchs der am Land erwirtschafteter Güter zu einem, aus der man zunehmend hinausging, um sich an den (visuellen) Reizen des Ländlichen zu delektieren. Lucius Burckhardt schreibt über die „migration de plaisance“221, dass sich dieses Verhältnis im England des 17. und 18.  Jahrhunderts umzukehren begann. Das Land bzw. die Landgüter wurden allmählich selbst zum „Ort der Bereicherung“, so der Schweizer Soziologe über ein weiteres Motiv für die einsetzende Stadtflucht  – die aber immer ein Aufbruch (besser: Ausbruch) in eine „bessere Wirklichkeit“ bleibt.222 Frühe Reise- bzw. Landesbeschreibungen trugen auf besondere Weise dazu bei, dass an die neu erschlossenen Räume außerhalb der Städte bald kollektive Bedeutungsmuster und Gruppenkonzepte gebunden wurden.223 Beispielsweise verfasste der Jurist Johann Jakob Staffler (1783–1868) mit seiner Statistik und Topografie Tirols noch ein dokumentarisches Werk, das bis um 1839 in diesem Umfang fehlte.224 Beinahe zeitgleich entstand aber mit den drei Bänden „Das Land Tirol“ (Innsbruck 1837/1838) des Benediktiners Beda Weber (1798–1858) mehr als nur eine Abhandlung über die Region. In seiner opulenten religiösen Ethnografie idealisierte Weber „die Tiroler“ zu einer frommen, nationalen Gemeinschaft, indem er um sie herum einen neuen, „imaginären Raum“ verflochtener Semantiken schuf, die er mit folgenreichen Grundbegriffen belegte.225 Der Historiker Florian Huber schreibt über die Vorgangsweise des Theologen, dass er gekonnt Sachprosa und Fiktionales miteinander verband. Topografisch-statistisches Material sollte Faktizität bewirken, „während religiöse Beschreibungen oder politische Kritik durch historische Erzählungen, fiktionale Dialoge oder auch eigene, subjektive Erfahrungen dokumentiert wurden. Gerade diese stilistische Kombination, vorgetragen aus der Perspektive eines die beschriebenen Gebiete durchwandernden Beobachters, eignete sich vorzüglich, um ‚Identifikationsräume‘ glaubwürdig zu schaffen und symbolisch aufzuladen.“226 Ab dieser Zeit etablierten sich im weitesten Sinn naturwissenschaftlich-statistische Sammelwerke und literarische Reiseberichte als spezifische Gattungen touristischer Kommunikation. Während das eine Genre eine Vergleichbarkeit von Angeboten ermöglichen sollte, war die belletristische Landesbeschreibung dazu gedacht, das Einmalige und Authentische in einer Region hervorzuheben.227 Sie kam dem Anspruch entgegen, ein lebendiges „Porträt“ einer Gegend zu zeichnen, wobei mit der „narrativen Inszenierung“ auch die Erzeugung nationaler Eigen- und Fremdbilder entstand. Beispiele aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind die Einträge über Kurorte und ihre Umgebung im lexikalisch strukturierten BäderAlmanach im Vergleich mit Publikationen von Autoren wie Ludwig Steub (1812–1888). Über den Reiseschriftsteller und Erzähler von Dorfnovellen hieß es anlässlich seines hundertsten Geburtstags: „Für die touristische Erschließung des Landes hat seine rastlose Feder […] ebenso viel bewirkt als alle Reisehandbücher und Fremdenverkehrsvereine zusammen.“228 Der aus Bayern stammende Ludwig Steub war wie Theodor Christomannos streitbarer Jurist von antiklerikaler Gesinnung229, und schon allein deshalb dürfte er zu den Vorbildern des Südtiroler Tourismuspioniers gezählt haben. Auch Johann Angerer hielt über ihn fest: „Der eigentliche Begründer des Fremdenwesens in damaliger Zeit war Dr. Steub in München, denn er war der erste, der es unternahm, das vorhandene historisch-statistische Materiale in geistvoller Weise den Fremden zugänglich zu machen und auf diese Weise im Reiche draußen die Sehnsucht nach den Bergen und seinem Volke zu wecken.“230 Steubs Werke „Drei Sommer in Tirol“ (Stuttgart 1846, zweite Auflage 1871) und „Herbsttage in Tirol“ (München 1867) fanden gerade in den 1870er Jahren – also in der Zeit der Ankunft Christomannos’ in Südtirol – größere Leserkreise.

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Der Unterschied zwischen den literarischen Landesbeschreibungen über Südtirol und den zu Werbezwecken zusammengestellten Nachschlagewerken wie dem Bäder-Almanach bestand darin, dass die Kurorte dort hauptsächlich auf der Basis nüchterner geografisch-klimatischer Angaben vorgestellt wurden. Denn es ging im Wesentlichen nur darum, die Patienten je nach Krankheitsbild zu den für sie passenden Kurorten zu führen. Beispielsweise hieß es noch im Bäder-Almanach von 1907: Bozen-Gries „liegt am Südhange der Tiroler Alpen unter 46° 30’ 15’’ nördl. Breite und 29° östl. Länge […] und ist von allen Seiten nahe von hohen Gebirgen begrenzt, wodurch es vor allen kälteren Luftströmungen und grellen Temperaturwechseln geschützt und nur dem kräftigen und langdauernden Sonnenscheine ohne Beeinträchtigung ausgesetzt ist. […] Kurmittel: Die wichtigsten sind die reine, trockene, windstille und warme Luft und die kräftige Insolation; […] Besonders gut eignet sich Gries zu Terrain-Kuren nach Oertels System, da die zahlreichen, bis zu Entfernungen von mehreren Stunden markierten, in allen Steigungen angelegten Wege und das milde, heitere Klima selbst im Winter die regelmässige Ausführung grösserer Touren auf die schneefreien Berge gestatten. Die Kursaison dauert neun Monate, von September bis Ende Mai, und zerfällt in die Herbst-, Winter- und Frühjahrssaison von je 3 Monaten.“ Begleitende Angaben über „Kurmusik, Lawn-Tennis, Theater, Konzerte, Liedertafeln, Tanzunterhaltungen, Elite- und Kostümbälle, Frühlingsfeste im Kurpark, populäre Vorträge, Ausstellungen, Ausflüge zu Fuß, zu Pferd oder Wagen, mit der Bahn in die reizvolle Gebirgsumgebung mit zahllosen hochinteressanten Punkten und Objekten“231 blieben hingegen vage und austauschbar. Neben Ludwig Steub war Heinrich August Noë (1835–1896) der „bedeutendste Alpenmaler in der Literatur“232 der Zeit. Manche seiner Veröffentlichungen wurden nämlich mit Illustra­ tionen – z. B. von Tony Grubhofer (1855–1935) – versehen, was ihre Beliebtheit zusätzlich förderte. In Verbindung mit Noë und Christomannos darf überdies der Hinweis nicht fehlen, dass Noë jahrzehntelang ein Leben als „Culturnomade“233 in den Alpen führte, nachdem er sich 1866 in seiner Heimatstadt München mit der Priesterschaft angelegt hatte.234 Manchmal wurde eine Gegend entlang seiner Wege auf der „Halbhöhe“235 nur dank seiner Veröffentlichungen populär. Schon deshalb liegt es auf der Hand, dass Christomannos nicht nur wegen seiner alpinistischen Ambitionen, sondern auch aus Gründen einer inhaltlichen Abgrenzung von Schriftstellern wie Noë seine eigene publizistische Tätigkeit von allgemeinen Reisebeschreibungen auf bis dato noch kaum bekannte Gebirgsregionen, Touren etc. – mit seinen Worten „Hochtouristisches“236 – verlagerte. Über Noë ist darüber hinaus weniger bekannt, dass er in den 1880er Jahren von der SüdbahnGesellschaft in ihre – im weitesten Sinn – Werbestrategien eingebaut wurde. Schon damals hatte die Direktion der Bahngesellschaft die verkaufsfördernde Wirkung des zu einem festen Begriff gewordenen Genres Reiseliteratur erkannt und beauftragte den bekannten Autor, über die Bahn und die mit ihr erreichbaren Reisziele zu schreiben. So wurde aus dem Wanderer ein Bahnreisender. Unter anderem entstand damals „Bergfahrten und Raststätten“ (München 1892).237 Diese Zusammenarbeit fiel in die Zeit, in der auch Johann Angerer über den Wert von Landesbeschreibungen für den Tourismus resümierte: „Der Fremdenverkehr in Tirol begann in den Vierziger Jahren, nachdem Beda Weber ein vollständiges an Lebendigkeit und Frische der Schilderungen bis heute unübertroffenes Reisehandbuch geschrieben und Staffler sein epochemachendes Werk über Land und Volk von Tirol veröffentlicht hatte.“238 Der Historiker Florian Huber legt in seinem Aufsatz über vormärzliche Landesbeschreibungen überdies dar, dass diese wichtige Informations- und Identitätsspeicher wurden, die wesentlich zur

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Tony Grubhofer gestaltete Buchumschläge und Illustrationen für den „bedeutendsten Alpenmaler in der Literatur“, Heinrich Noë

„narrativen Inszenierung“ Tirols beitrugen. Sie „festigten von Raum und Zeit unabhängig verfügbare Semantiken“239 und ordneten sich, so Huber weiter, nahtlos in das existierende europäische Mediensystem ein. Nicht zuletzt wurden sie in den einflussreichen Zeitschriften der Epoche wohlwollend beschrieben, was dem Fremdenverkehr zusätzlichen Schub verlieh.240 Noch heute ist der Fremdenverkehr in seiner „Kommunikation“ davon gekennzeichnet, dass jede Darstellung, z. B. über einen Ort oder ein Hotel, aus einer Balance zwischen sachlicher Abhandlung von austauschbaren, überall wiederkehrenden Fakten und spezifischen, „identitätsstiftenden“ Merkmalen besteht. Ganz im Sinn der anbrechenden Moderne war der Tourismus zuerst von der Entwicklung vergleichbarer Standards geprägt, die auch oft in Statistiken und Tabellen gefasst wurden. Das Datenmaterial für Publikationen wie dem Bäder-Almanach sammelten häufig Ärzte oder (Amateur-)Forscher, die ihre systematischen Beobachtungen dann für Veröffentlichungen zur Verfügung stellten. Einhergehend mit dem erwachenden Bewusstsein für die Schönheit und noch mehr die Vermarktbarkeit von Landschaft wurden unter dem Einfluss von Literatur und Publizistik aber auch die Weichen für die Sprache des Tourismus gestellt, also jene rhetorischen Figuren bzw. „narrativen Inszenierungen“, welche die Eigenschaften einer Gegend oder Sehenswürdigkeit veranschaulichen sollten. In das so geformte Bild von Landschaft wurde auch die Architektur eingepasst – aber nicht nur die als typisch erkannten, meist ländlichen Bauweisen. Wie bereits mehrfach erwähnt, wurde manche Architektur in ihrer Umwelt als störend empfunden  – im südlichen Tirol vielleicht allen voran die „Hotel-Kästen“ der Zeit um 1870. Daher kam architektonischer Gestaltung zunehmend die konkrete Aufgabe zu, sich mit ihrem formalen Repertoire oder „Vokabular“ in die Gesamterscheinung „Landschaft“ einzufügen. Die Architektur übernahm hier aber eine doppelte Funktion: Sie sollte sich mit dem Typischen zu einer Einheit verbinden, zugleich in ihrer Produktion aber auch – wenngleich auf künstlerischem bzw. künstlichem Weg erzeugt – Charakteristisches hervorbringen. Dabei war aber nicht schon auf den ersten Blick erkennbar, dass der Begriff „typisch“ mit dem der „Typisierung“ verwandt ist.

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Damit war schon vor 1900 auch der Weg für alle „touristischen Hyperbeln“ bereitet: „Tirolische Tartarei“241 (Vinschgau), „weltberühmte Stilfser-Joch-Straße“, „höchstes Hotel Europas“ (Ferdinandshöhe), „mit unvergleichlicher Rundsicht“ (Hotel Sulden), „reizender althistorischer Marktflecken“ (Mals), „Hotel allerersten Ranges“ (Hotel Erzherzog Johann, Meran) etc.242 Allmählich änderte sich mit der Sprache aber auch so manche Bezeichnung, z. B. für ein Hotel. Aus Hotels „mit allem modernen Comfort, jedoch ohne jeglichen Luxus“243 wurden „Grandhotels“244 und statt der Namen, die sich vorher meistens auf ihren Standort oder ihren Besitzer bezogen (z. B. Hotel Trafoi, Hotel Karersee), hießen sie nun „Genießerhof“, „Alpentraum“, „Edelweiß“ oder erhielten manch anderes blumige Etikett. In den Bergen baut der Blick! Über das im wahrsten Wortsinn fruchtbare Verhältnis von Landschaft und Unternehmertum Die Perspektive der Gäste als Konsumenten von Landschaft, die allmählich ihre Reisemotive änderten und nicht mehr nur aus Gründen von Linderung und Genesung, sondern vermehrt – oder zugleich auch – für Vergnügen und Sport bestimmte Alpengebiete aufsuchten, war also im Wandel begriffen. Zugleich wuchs auf beiden Seiten der Staatsgrenze zwischen Tirol und dem Engadin nach 1880 eine neue Generation an Unternehmern im Tourismus heran, die aus der Schönheit der Regionen auch ihr Kapital zu schlagen suchte. Unter diesen Entrepreneuren fanden sich Auf- und Quereinsteiger, Zugereiste und nicht zuletzt auch Frauen, die den Sprung in eine selbstständige Tätigkeit im prosperierenden Tourismusgeschäft wagten. Doch im Unterschied zum Wandel des Landschaftsverständnisses der Gäste war das Verhältnis der meisten Touristiker und Berghotel-Initiatoren zu ihrer Umgebung weniger empathisch – auch wenn mancher von ihnen auf den Pfaden der Schriftsteller seine Beschreibungen ebenfalls „literarisch“ verzierte. Johann Angerers malerische Gleichsetzungen des Überetsch mit dem Rheingau oder des Bozner Unterlands mit „Neugriechenland“245 seien hier nur stellvertretend erwähnt. In Verbindung mit den entstehenden Berghotels richtete sich das Augenmerk der Entrepreneure – und mit ihnen noch mehr das ihrer Architekten – zunehmend auf bestimmte Punkte in der Landschaft, um diese zu Standorten für ihre Unternehmen zu machen. Die Wahl fiel auf Bauplätze, die in zweifacher Hinsicht auf das Landschaftsbild reflektierten. Sowohl der Blick auf die Hotels mit den Bergen im Hintergrund als auch der von den Gebäuden auf ihre Umgebung musste optisch beeindruckend sein. Theodor Christomannos wird in diesem Zusammenhang in mehreren Quellen ein feines Gespür für die richtige Lage der von ihm mitinitiierten Berghotels bezeugt.246 Sein „guter Blick“ dürfte sich schon in frühen Jahren entwickelt haben, in denen er noch als talentierter Zeichner, Maler und Fotograf in Südtirol unterwegs war. Damit wurde aber auch der Grundstein dafür gelegt, dass im Gefolge der Architekten und Touristiker bildende Künstler, später Fotografen und nicht zuletzt Werbegestalter in den Berghotels und ihrem Ambiente besonders gelungene Objekte für ihre Darstellungen fanden. Hinzu kam der Faktor, dass der Ankauf dieser Bauplätze zu ihrer Zeit noch kaum Kosten verursachte. Die Baugründe vor imposanter Gebirgskulisse lagen damals noch brach. Sie wurden erst von den Unternehmern als wertvolle Ressourcen gezielt in Entrepreneurships integriert. Das veranschaulicht, dass nach 1880 die Verwertbarkeit der Landschaft in wirtschaftlicher Hinsicht zunehmend in den Vordergrund trat. Diese Verschiebung des Landschaftsverständnisses öffnete neue Märkte im Tourismusgeschäft. Denn die Proponenten des Straßenbaus und mit ihnen viele Unternehmer witterten nun in den Gebirgslandschaften

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Lucius Burckhardt über Landschaft und den Wandel ihrer Wahrnehmung Das erste Kapitel könnten wir überschreiben mit die Ideologisierung der Natur. Hier wird die – „unberührte“ – Natur dem Menschen gegenübergestellt oder, anders ausgedrückt: der Mensch wird aus der Natur herausgenommen, so daß er sie nun als ein Fremder betrachten kann. Der lehrreichste Vorgang in dieser Entwicklung ist die Entdeckung der Alpen. Nachdem jahrhundertelang die Alpen dem unfreiwilligen Besucher Furcht und Schrecken eingeflößt hatten, werden sie nun Stück um Stück nicht nur erschlossen, sondern zum landschaftlichen Schönheitsideal erhoben. Wie Jahresringe schreitet die Entwicklung voran und ist in den hinterlassenen Prospekten und Kupferstichen nachzuvollziehen: Es beginnt mit den tiefliegenden Gebirgsseen, Vierwaldstättersee, Thunersee, Brienzersee, steigt dann einige Jahre später auf die ersten Anhöhen, es folgt die Serie der Wasserfälle, Staubbach, Gießbach; dann erscheinen die Schluchten und nach ihnen die höhergelegenen Täler der Voralpen; eine nächste Stufe wird erklommen mit den großen Hochtälern der Alpen: widerwillig und auf ärztlichen Rat hin zunächst Davos, kurz darauf aber schon freiwillig das Oberengadin. Es bleibt nun die Zone oberhalb der Baumgrenze, die eigentliche Alp und darüber der Fels und das Eis; war diese einmal erklommen und dem europäischen Schönheitsideal einverleibt, so stand auch der Vermarktung des Winters nichts mehr im Wege. […] Das zweite Kapitel, die Manipulation des Naturbildes, beruht auf dem Paradox, daß die Natur ja doch auch besichtigt und zu diesem Behufe erschlossen werden muß. Der Mensch kann der Natur nicht gegenübertreten, ohne sie zu verändern. Irgendwo zwischen Bauernhaus und Schloß etabliert sich die Architektur des großen Gebirgshotels. Seine Lage bestimmt, was an diesem Kurort als „Natur“ geboten werden soll. Den jeweiligen Kanon des lieblichen Ortes bestimmt die Postkarte; so schaffen Grandhotel und Postkarte die für den jeweiligen Zeitpunkt aktuelle Ausdruckssprache der Natur. Neue Symbole entstehen: die Alpenrose, das Edelweiß; die Sympathie wendet sich von der siegreichen Art ab und der bedrohten zu; der Tourist verursacht das Aussterben des Edelweiß und bewahrt dieses gleichzeitig davor. Quelle: Burckhardt, Lucius, Landschaftsentwicklung und Gesellschaftsstruktur, in: Achleitner, Friedrich (Hrsg.), Die Ware Landschaft. Eine kritische Analyse des Landschaftsbegriffs, Salzburg 1977, S. 12f.

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Tony Grubhofer, Hotel Karersee (oben) und Hotel Trafoi (vorherige Seite), Titelbilder für einen Prospekt des „Vereins für Alpenhotels in Tirol", 1896?

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konkrete Chancen auf finanziellen Gewinn. Damit einhergehend entstand die vom Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger beschriebene „Dialektik des Tourismus“, die davon ausgeht, dass landschaftliche Schönheit und ihr Verschleiß bzw. Gemeinwohl und Spekulation zu den substanziellen Gegensätzen im Fremdenverkehr gehören.247 Die paradoxe Situation liegt darin, dass die Landschaft zum Zweck ihrer Besichtigung zugänglich gemacht werden muss, aber der Mensch der Natur nicht gegenübertreten kann, ohne sie zu manipulieren. Umgelegt auf die Berghotels in Südtirol und ihre Initiatoren heißt das, dass sie für die Erschließung der Gegenden, in denen sie ihre Flaggschiffe errichteten, umfassende Konzepte benötigten, in denen der architektonischen Gestaltung eine wesentliche Rolle zukam. Neu war im Unterschied zu den bereits genannten Hotelprojekten in Meran, Bozen-Gries und Toblach, dass nun in der Architektur Begriffe von regionaler Identität buchstäblich an Kontur gewannen. Als identitätsstiftend wurden die Südtiroler Burgen und Schlösser erkannt. Das Erscheinungsbild der Berghotels orientierte sich aber nicht nur an den historischen Bausubstanzen, sondern bemerkenswerterweise auch an deren (zum Teil fantasievollen) Umund Ausbauten im selben Zeitraum gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Dabei wurde aber ausgeblendet, dass es sich hierbei um keine örtliche, das heißt nur für Südtirol typische Erscheinung handelte.248 Viele Architekten der Zeit entwarfen „castle-like“ oder „châteauesque“, weil insbesondere bürgerliche Aufsteiger, egal ob in den USA oder Europa, mit einem „schlossähnlichen Haus“ Ansehen und Prestige nach außen kehren konnten249 – sofern sie sich nicht selbst einen „echten“ Ansitz oder eine Burg leisteten wie Alexander Günther (1838–1926), der zeitweilige Besitzer von Schloss Prösels in Völs am Schlern, oder Ferdinand von Miller (1842–1929) und sein älterer Bruder Fritz (1840–1921), die 1884 die Burg Karneid erwarben.250 Auf die Entwicklung der Architektur der Berghotels wird an anderer Stelle in diesem Buch im Detail eingegangen. Hier sei nur vorweggenommen, dass die Berghotel-Entrepreneure darauf spekulierten, dass die vor sorgfältig gewählter Bergkulisse errichteten Großhotels dann den größten wirtschaftlichen Gewinn brächten, wenn sich ihre architektonische Gestaltung am – im weitesten Sinn – romantischen Idealbild von einer Burg oder einem Palast orientierten. Niemand sollte aber an den damit verbundenen architektonischen Entwurfsstrategien erkennen, dass auch diese Beherbergungsbetriebe  – genauso wie ihre Vorgänger in Südtirol und ähnlich den „Ozeandampfern“ – quasi in Serie produziert wurden. Hinzu kommen wirtschaftliche Gesichtspunkte. Denn die Berghotel-Entrepreneure, die vorher unberührte Gebirgslandschaften und insbesondere reizvoll gelegene Baugründe in Ressourcen transformierten, suchten nach Chancen, um auf diese Weise zu finanziellem „Gewinn“ zu gelangen. Kurz gesagt: Sie erkannten „Gewinngelegenheiten“.251 Der Wirtschaftswissenschaftler Israel M. Kirzner schreibt über diesen Begriff: „Die Entdeckung einer Gewinngelegenheit bedeutet, etwas zu entdecken, was ohne jede Gegenleistung erhältlich ist.“ Folgt man dem Gedankengang des amerikanischen Ökonomen, so wurde die Bergwelt eine Ressource, „mit der man ein dringend gewünschtes Konsumgut produzieren kann. […] Die Gewinngelegenheit erfordert den Einsatz von Kapital. Trotzdem ist es immer noch korrekt zu sagen, daß der Unternehmer in seiner Eigenschaft als Unternehmer keinerlei eigene Investitionsmittel benötigt.“252 Das Kalkül der Berghotel-Entrepreneure lag demnach vor allem darin, in den Gebirgslandschaften etwas zu lokalisieren, was in einem ersten Schritt ohne damit verbundene Investition erhältlich war. Bei näherer Betrachtung kamen sie nämlich weder für die Ressource Landschaft an sich noch für deren Erschließung auf. Die Zufahrtsstraßen wurden von anderer Seite bezahlt und die Baugründe waren preisgünstig.

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Das macht deutlich, dass die Initiatoren der Berghotels ihre unternehmerischen Aktivitäten danach ausrichteten, wo sich neue lohnende Ziele für sie auftaten. Wie mehrfach erwähnt, ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, dass vor allem Theodor Christomannos mit seinen Unternehmungen mehr als nur die rein kommerzielle Seite verband. Ihm waren die Einkünfte der Bergführer und des Hotelpersonals aus der lokalen bäuerlichen Bevölkerung genauso ein Anliegen wie die Schaffung von Unterkünften für Alpinisten. Als Entrepreneurships wurden die Berghotels – besonders in ihren Anfängen – also nicht ausschließlich auf Gewinnmaximierung ausgerichtet, in ihnen trafen ökonomische und außerökonomische Aspekte aufeinander. Alpenverein und Straßenbau Ab 1862 hatten die sich in Österreich bildenden Sektionen des Alpenvereins253 durch die von ihnen gesuchte „Partnerschaft von erholungsuchenden Städtern und Bergbewohnern“254 großen Anteil an der Entstehung des systematischen Tourismus in Tirol. Im Jahr 1869 wurden nicht nur die ersten Sektionen in Südtirol ins Leben gerufen, sondern im Deutschen Alpenverein auch eine weitere große Organisation gegründet. 1873 schlossen sich alle Verbände unter dem Dach des „Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins“ („DuOeAV“) zusammen.255 Darüber hinaus dokumentiert der Historiker Günther Burkert in einem Beitrag über den Beginn des modernen Fremdenverkehrs in den österreichischen Kronländern, dass der unter anderem wegen Budgetüberschreitungen scharf kritisierte Leiter der Wiener Weltausstellung von 1873, Wilhelm Freiherr von Schwarz-Senborn (1816–1903), zu den wesentlichen Promotoren des Fremdenverkehrs in den Reihen des Alpenvereins wurde. Schwarz-Senborn hielt bei einem Treffen der Sektion Austria des „DuOeAV“ im März 1876 einen viel beachteten Vortrag mit dem Titel „Über den Fremdenverkehr der Schweiz im Verhältnis zu jenem der Österreichischen Alpenländer“, der die Gründung eines „Comités für die Hebung des Fremdenverkehrs in den Ostalpen“ bewirkte. Ein wichtiger Förderer dieses Comités war der Diplomat und Minister Leopold Friedrich Freiherr von Hoffmann (auch: Hofmann, 1822–1885256), der später die Errichtung der Suldenstraße bewirkte.257 Weniger bekannt über die Tätigkeit des Comités ist, dass es ihm gelang, ausgehend von der Steiermark die Öffentlichkeit für Fragen des Tourismus zu interessieren, und ihm ferner zu verdanken ist, dass mit der Schaffung des „steirischen Fremdenverkehrsvereins“ 1881, so Burkert, das Vorbild für die meisten anderen Fremdenverkehrsvereine in Österreich ins Leben gerufen wurde.258 Zum Vergleich: Die ersten vergleichbaren Interessenvertretungen in den Landesteilen Tirols wurden erst 1889 konstituiert.259 Ihrer Gründung ging voraus, dass 1884 und 1885 in Graz bzw. Klagenfurt Delegiertentage stattfanden, die sich der „Förderung des Fremden-Verkehrs in den österreichischen Alpenländern“260 widmeten. An der Grazer Tagung beteiligten sich auch 18 Tiroler Gemeinden.261 Noch im selben Jahr wurde Johann Angerer einer der Vertreter des Fremdenverkehrs im österreichischen Reichsrat. 1886 forderte er dort die „Verbesserung der Wege und Straßen, Reduzierung der Gebäudesteuer (ein zentraler Punkt!), förderndes Eingreifen der Regierung, die bisher nur ‚platonisches‘ Wohlwollen dem Fremdenverkehr gegenüber gezeigt hätte“262. Daran lässt sich erkennen, dass der „DuOeAV“ und seine Sektionen nicht isoliert voneinander für die Agenden von Alpinismus und Fremdenverkehr eintraten. Schon früh bildeten sie auch in Zusammenhang mit der Erschließung der Berggebiete in Tirol eine einflussreiche, bildungsbürgerlich-städtisch geprägte Lobby und damit ein kommunikatives Netzwerk, das für sich „den Anspruch erhob, für die gesamte Gesellschaft zu sprechen.“263 Stellvertretend sei an dieser Stelle nur die Verkehrsverbindung von Bozen in die Dolomiten

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Karerpass, Rosengartenhof mit Autofahrern, um 1905

erwähnt, die auch 1894 bei der Hauptversammlung des „Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins“ Gegenstand der Diskussion war. Die Alpenvereins-Proponenten sollten sich geschlossen für die Fertigstellung der „großen Dolomitenstraße“ von Bozen über das Eggental, den Karerpass und Vigo die Fassa weiter nach Toblach einsetzen.264 Wahrscheinlich war Theodor Christomannos in seiner Funktion als Vorstand der Alpenvereins-Sektion Meran persönlich bei dieser Versammlung anwesend. Schon seit 1890 gehörte er nämlich zu den größten Promotoren dieses Straßenbauprojekts265 und es heißt über ihn, dass er mit der zwischen 1901 und 1908 verwirklichten Route durch die Dolomiten „nach der Eröffnung der Alpenhotels in Sulden, Trafoi und Karersee […] einen neuen Lebenszweck“ verband.266 Die Dolomitenstraße Die Dolomitenstraße ist neben der Verkehrsroute auf die Mendel nur ein Projekt, an dem sich dokumentieren lässt, wie lange sich manche Straßenbauvorhaben in die Bergregionen hinzogen und wie wichtig die entsprechende Unterstützung durch bekannte Persönlichkeiten war. So soll sich Theodor Christomannos auch deshalb für die Dolomitenstraße stark gemacht haben, weil ihr weiterer Ausbau nach der Realisierung erster Teilabschnitte ins Stocken geraten war. Damit standen diese Bauvorhaben auch ganz im Gegensatz zu den Berghotels, die meistens mit großer Geschwindigkeit errichtet wurden. Beispielsweise entstand das Hotel Karersee in nur 14 Monaten Bauzeit. Nicht zuletzt bewirkte aber das Straßenbau-Landesgesetz von 1897, dass der Raum Bozen durch seine geografische Lage im Zentrum Südtirols zum Knotenpunkt einiger neu entstehender Bergstraßensysteme wurde: „Lange hatte man schon den Gedanken gehegt, durch das Eggental über den Karerpaß eine fahrbare Verbindung zum oberen Fleimstal in Richtung Pordoijoch zu schaffen. Die Durchführung scheiterte am Geldmangel.“267 So führte diese Straße 1860 nur von Kardaun bis Welschnofen, bis sie 1894 bis zum Karerpass und 1895 bis Vigo di Fassa ausgebaut werden konnte.268 Der Kostenaufwand belief sich auf rund 710.000 Gulden. „Damit war der Beginn gemacht zur militärisch und kulturell gleich wichtigen Dolomitenstraße von Bozen nach Cortina d’Ampezzo.“269 1895 entsprachen 710.000 Gulden dem Gegenwert von ca. 10,1 Millionen Euro. In dem Zusammenhang gilt es anzuerkennen, dass der Bau der Bergstraßen wie der in die Dolomiten noch zu einer Zeit in Angriff genommen wurde, in der noch keine Vorstellung davon bestand, welche fundamentale Bedeutung dem Auto und dem Straßenverkehr  – unter anderem in touristischer Hinsicht – bald zukommen würde.270

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Von den Dolomiten ins Ortlergebiet Dennoch entstand das erste Berghotel nicht in den Dolomiten, sondern am anderen – westlichen – Ende des Landes, im oberen Vinschgau, im Umfeld wichtiger Alpenübergänge über das Stilfser Joch nach Italien und den Reschenpass nach Nordtirol bzw. das Münstertal in die Schweiz. Hier liegt Sulden, in einem landschaftlich reizvollen Seitental des Trafoier Tals und somit in nächster Nähe zur Straße auf das Stilfser Joch. Der Ort verdankt seine Bekanntheit dem frühen Alpinismus, denn er war ein günstiger Ausgangspunkt für Besteigungen des Ortlers, der mit seinen 3.905 Metern Seehöhe bis zur Abtretung Südtirols an Italien 1919 die höchste Erhebung Österreich-Ungarns war. Seine Erstbesteigung im Jahr 1804 gehörte zu den wichtigsten alpinistischen Leistungen der Zeit. Ab den 1860er Jahren wurde der Landstrich immer bekannter. Um 1890 griff eine regelrechte „Suldenbegeisterung“ um sich, die aber nicht im Bergort selbst, sondern in Meran ihren Höhepunkt erreichte.271 Dieser Enthusiasmus war das Ergebnis einer – zum Teil gezielt gesteuerten – Entwicklung, die nicht nur viele Schichten der Bevölkerung, sondern auch Touristen und Bergfreunde aus nah und fern verband. Sie wollten die am Rand der Existenz lebende lokale Talbevölkerung durch eine Belebung des Fremdenverkehrs unterstützen. In diesem Zusammenhang wurde der Bau einer Straße nach Sulden geplant, die zugleich die Reisenden und die Einheimischen an ihr gewünschtes Ziel bringen sollte. Insgesamt führt diese Situation noch einmal zurück zum Gedanken, dass der systematische Tourismus in Südtirol vor dem Hintergrund einer Entwicklung zu sehen ist, in der Unterstützung und wirtschaftliche Kolonisation häufig einen bemerkenswerten und  – wie man heute weiß  – folgenreichen Schulterschluss eingingen. Der Historiker Hans Heiss schreibt – nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund des von den Eisenbahnen zusätzlich verursachten (Verdrängungs-)Wettbewerbs  – mit Blick auf Sulden und Theodor Christomannos’ erstes Berghotelprojekt: „Das antiquierte Gastgewerbe hatte einen Professionalisierungsschub dringend nötig. Eine Entwicklung des Sektors war besonders vordringlich, da Agrarkrise und Elementarkatastrophen die lebenswichtige Landwirtschaft an den Rand ihrer Existenzfähigkeit trieben. Die Konkurrenz aus Übersee und dem Osten setzte die Bauern unter Druck, da sie dem Billigangebot von Getreide, Vieh und Wein aus Ungarn nicht mehr standhalten konnten. Die achtziger Jahre waren für die ländliche Gesellschaft Tirols gravierende Krisenjahre.“272 „Suldenbegeisterung“ und der Bau der Straße von Gomagoi nach Innersulden 1890 bis 1892 Sulden wurde spätestens ab den 1860er Jahren von Alpinisten als Ausgangspunkt für Touren ins Ortlergebiet gewählt, doch das idyllische, von Gomagoi abzweigende Seitental des Trafoier Tals war nur über einen schmalen Karrenweg erreichbar. 1862 kam der bereits genannte Priester Johann Eller mit seinen Schwestern in den Seelsorgebezirk (Kuratie) und gewährte einzelnen Bergsteigern und Forschern im Pfarrhaus Kost und Logis.273 So entwickelte sich die einfache „Pension“ bald zu einem Geheimtipp. Beispielsweise erwähnte der Offizier, Kartograf und Alpen- bzw. Polarforscher Julius Payer (1842–1915) das gastliche Haus mehrmals in seinen Publikationen. Nach 1869, dem Gründungsjahr des Deutschen Alpenvereins und einiger Sektionen in Südtirol, stieg das Gästeaufkommen in Sulden merklich. Verzeichnete man 1863 noch vier Ankünfte, waren es 1869 bereits hundert, 1875 insgesamt 313 und 1888 rund tausend.274 Diese Dynamik führte zum Bau von Schutzhütten und den ersten beiden Hotels. 1869 wurde aus dem Widum die Gaststätte St. Gertraud (in weiterer Folge das heute noch bestehende

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„Suldenbegeisterung“ Den Hochtouristen und solchen, die es werden wollen, stellt sich Sulden als ein wahres Eldorado dar; es ist weitaus das ausgedehnteste und abwechslungsvollste Training-Feld in den ganzen Ostalpen. Leichte und schwere Klettertouren, einfache und überaus schwierige Gletscherpartien, reizvolle kleine und gewaltige combinirte Gratwanderungen bietet das Ortlergebiet in einer Fülle und Mannigfaltigkeit, wie sie kaum in einer anderen Gruppe vorzufinden sind; selbst im Thale haben Bergbrüche an verschiedenen Stellen für kleine Klettergärten mit theilweise schwierigen Felsen vorgesorgt, die beim schlechten Wetter als Uebungsstätte die Zeit verkürzen helfen. Unter allen Hochgipfeln, die den herrlichen Thalabschluss von Sulden im weiten Halbkreise umstehen, und es sind deren nicht weniger als fünfzehn, welche die Höhe von 10.000 Fuss übersteigen, hat seit jeher das meiste Interesse der Ortler in Anspruch genommen; ganz unvermittelt ragen seine zerrissenen Wände an der Westflanke des Thales empor, so dass sein Gipfel gerade oberhalb des Ortes Sulden und mehr als 2.000 m über demselben zu sehen ist. Quelle: Christomannos, Theodor, Sulden–Trafoi. Schilderungen aus dem Ortlergebiete mit Illustrationen nach Originalen von E. T. Compton, Tony Grubhofer, Wilhelm Humer, Carl Jordan, F. Rabending und A. von Schröter, Innsbruck 1895, S. 43.

Kletterer in einer Eiswand am Ortler

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Hotel Eller) und 1871 eröffnete das Hotel Ortler (später: Hotel Post). In der entlegenen Gegend erfüllte sich Johann Ellers Wunsch nach einer besseren Anbindung des Suldentals an die Stilfser-Joch-Straße aber noch lange nicht. Auch wenn sich „der Curat“ laut Johann Angerers Angaben immer wieder darauf berief, dass verschiedene Zweige des Fremdenverkehrs der verarmten lokalen Bevölkerung zu Wohlstand verhelfen könnten, waren es letztlich militärstrategische Gründe, warum keine Straße errichtet wurde. In Sulden war zwar jeden Sommer ein Gebirgstrupp stationiert, doch das Tal endete in einer Sackgasse – für die Behörden Grund genug, kostspielige Straßenbaupläne zu verwerfen. Erschwerend kam hinzu, dass der tolerante Seelsorger Eller in einer Zeit für den Tourismus als volkswirtschaftliches Anliegen aktiv wurde, in der Teile des Südtiroler Klerus der neuen Wirtschaftsform noch überaus kritisch gegenüberstanden. Der Historiker Stefan Schwienbacher resümiert über den Straßenbau als Triebfeder in der Tourismusentwicklung: „Was Johann Angerer für ganz Südtirol forderte, bündelte sich bei Curat Eller, der auch als Pfarrer ungewöhnliche Wege ging, in einer einzigen konkreten Initiative, die aber erst in den 1890er Jahren – aufgegriffen von mehreren Seiten – in die Tat umgesetzt werden konnte.“275 Theodor Christomannos erkannte möglicherweise eine konkrete Chance auf eine Reali­sie­ rung der Suldenstraße im sogenannten „Legat von Leopold Freiherr von Hoffmann“. Dabei handelte es sich um das Vermächtnis von 12.000 Gulden (ca. 165.560 Euro), das der weiter oben bereits beschriebene Fremdenverkehrsproponent Leopold Friedrich Freiherr von Hoffmann in seiner Funktion als Präsident des „Oesterreichischen Alpenvereins“ („OeAV“) und vor dem Hintergrund der rührigen Bemühungen des Seelsorgers Eller für den Bau der Verkehrsverbindung von Gomagoi nach Innersulden 1885 hinterließ.276 Die einzige Auflage in Zusammenhang mit dem Legat war, dass dieses im Lauf einer Frist von fünf Jahren bis 31. Dezember 1890 seinem Widmungszweck entsprechend verbraucht werden sollte. Wahrscheinlich erfuhr Theodor Christomannos über Vermittlung von Rechtsanwalt Hans Stainer, in dessen Kanzlei er 1887 kurze Zeit beschäftigt war und der später Kassier des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ wurde, von dem hohen finanziellen Beitrag für die Errichtung der Suldenstraße. Alleine die von Hoffmann, dem „treuen Besucher Suldens“277, hinterlassene Summe reichte für die Errichtung der Straße nicht aus. Daher griff Christomannos, der damals schon offiziell in der Sektion Meran des Alpenvereins tätig war und der 1889 in Sulden einen 30.000 Joch (ca. 173.000 m2) großen Teil des „Rumwaldes“ erworben hatte, auf eine ursprünglich von Eller stammende Idee zurück und sammelte das fehlende Geld.278 Zusammen mit einem flammenden Aufruf, der 1890 in der Meraner Zeitung veröffentlicht wurde, gab er das prominent besetzte Damen- und Herrenkomitee bekannt, das „für das Zustandekommen des Unternehmens“ Geld- und Sachspenden sammelte.279 Größere Summen kamen von der Sektion Meran des Alpenvereins, anderen alpinen Gremien, dem Tiroler Landtag und nicht zuletzt dem Kaiserhaus. Einen stattlichen Erlös von 10.000 Gulden (ca. 139.000 Euro) brachte ein sogenannter „Suldner Jahrmarkt“ ein. Der aufwändig inszenierte Wohltätigkeitsbasar wurde zu Ostern 1890 im Kurhaus und an der Promenade veranstaltet und fand beim Publikum aus nah und fern wahrscheinlich deshalb so großen Anklang, weil keine Gesellschaftsschicht ausgeschlossen wurde. Auch Bevölkerungskreise mit wenig Geld sollten auf dem – für heutige Begriffe „niederschwellig“ konzipierten – Jahrmarkt Souvenirs erwerben können. So trug das farbenprächtig dekorierte Fest wohl wesentlich zur Entstehung der „Suldenbegeisterung“ bei.

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Alles stand im Zeichen von Sulden: In malerische „Nationaltrachten“ gekleidete Damen boten Waren wie „Suldner Gletscherschirme“ an. Es gab eine „Suldner Kunstverlosung“, bei der sogar ein „echter Defregger“280 verkauft wurde, eine „Suldner Conditorei“, die „Gletschereis-Kaffee“ ausschenkte und sogar ein graubärtiges „Suldnermandl“, das gegen alle möglichen Gebrechen „unfehlbare Heilmittel“ anbot. Einer der Höhepunkte der volkstümlichen Veranstaltung waren aber die aus Sulden und Gomagoi angereisten Bergführer, die Christomannos vor Publikum offiziell empfing und die nur so staunten, was man im „entfernten“ Meran für den Bau „ihrer“ Straße erreichte.281 Nach einem Bericht in der Meraner Zeitung wurden die anwesenden Bergführer als „exotische“ Attraktion in der Ausstellung und weniger als Gäste gesehen – was an ähnliche Darbietungen mit „Eingeborenen“ in Varietétheatern und auf den Weltausstellungen am Ende des 19. Jahrhunderts erinnert.

Die Suldenstraße Das Strässchen überbrückt unterhalb des Sperrforts den Trafoibach und steigt dann auf zu einer Felsenecke, wo, weithin sichtbar, das Marmordenkmal für L. v. Hofmann errichtet ist. Nahe bei diesem führt rechts steil hinauf ein von der Sektion Prag des D. u. Oe. A.-V. angelegter Steig zur Payerhütte. Beim Denkstein wendet sich die Strasse nach Südost, überschreitet nach 2 Kilometern den Suldenbach und steigt nun an dessen rechtem Ufer in mehreren großen Serpentinen rasch zur Höhe des Thurnhofes und der Gandhöfe, 800 Meter über Gomagoi, empor. Beim Unterthurnhof, 1.587 m, erblickt man rechts zum erstenmal den Ortler. Schon vorher erscheint links die Doppelspitze der Zufallspitze. Auf der Hälfte des Weges bietet der Lagandahof willkommene Erfrischung, eventuell auch Nachtquartier. Allmählich ansteigend führt die Strasse in Serpentinen über die Moräne des Marltferners, 10 Kilometer von Gomagoi entfernt, überrascht beim Austritt aus dem Walde der freie Blick auf die Wiesenflache von Innersulden mit dem Kirchlein St. Gertraud und dem Eller’schen Gasthause, 1.845 m, zur Rechten, der hübschen neuen Kirche (in dieser Alpenvereinsdenkmal für Kurat Eller), der Post mit Dependance (Gasthof zum Ortler), Hotel Tembl und Villa Flora zur Linken und dem dazwischen in ziemlicher Entfernung am Berghang über den Gampenhöfen gelegenen Suldenhotel, […]. Quelle: Abel, August, Zum Ortler von Meran und von Landeck; aus dem Unterengadin; von Zernetz über den Ofenpass; von Pontresina über Bernina und Bormio, in der Reihe: Ellmenreich’s Bücher aus Tirol, 3. Auflage, Meran 1898, S. 37–39.

Suldenstraße mit dem Hoffmann-Denkmal

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Das „Hoffmann’sche Legat“ war also in letzter Minute gerettet und Musch & Lun verwirklichte in nicht ganz zwei Jahren die 11 Kilometer lange und 3,5 bis 4 Meter breite Suldenstraße. Die einen Höhenunterschied von 678 Metern überwindende Verbindungsstrecke wurde um den Gesamtbetrag von 44.000 Gulden (ca. 639.500 Euro) errichtet.282 Bei Innersulden erreicht die Straße, deren Steigung durchschnittlich sechs Prozent betrug, eine Seehöhe von 1.950 Metern.283 Ihrer Eröffnung am 31. August 1892 gingen aber Berichte voraus, wonach sich auf den von Musch & Lun geleiteten Baustellen nur wenige Arbeiter fanden, weil ihre Entlohnung so schlecht war, dass sie anderswo ihr Glück suchten. Das betraf auch die Baustelle des Hotels Sulden, des „ersten hochalpinen Hotels großen Stils in Tirol“ 284, oberhalb der Gampenhöfe.285 Theodor Christomannos und seine Gefährten brachten vorerst nicht den gewünschten Wohlstand ins Tal, sondern ein bis dato unbekanntes soziales Ungleichgewicht. Dieses war davon gekennzeichnet, dass sich in den alpinen Gegenden der Übergang zur Geldwirtschaft nur langsam vollzog.286 Daher stand die Bevölkerung dem Geld, den Vorgangsweisen der Entrepreneure und ihrem ökonomischen Kalkül ambivalent gegenüber und beobachtete die Transformation „ihrer“ Landschaft zur Ware mit Skepsis. Denn während die für ihre Begriffe wohlhabenden Unternehmer daran glaubten, dass Straße und Hotel „die Vornehmen, die Barone, Grafen, Fürsten, und die Engländer“ anlocken würden, ließen sie sich von der armen Gemeinde den Baugrund für das Hotel schenken – aber wenn „man etwas darüber verlauten ließe, so hieße es, das seien nur Lärmer, Stänker usw.“287. Daher wurde im Ort schon früher die Entscheidung getroffen, dass „man von der Erhaltung der Straße nichts wissen wolle aus verschiedenen Gründen“ – was auf Jahre hinaus wiederholt Anlass für Unmut war.288 Zugleich zeigte sich aber auch, dass die Bewohner des Suldentals den Anforderungen des sich – für sie unvermittelt – anbahnenden Tourismus noch nicht gewachsen waren. Kritisch bemerkten das bei der Kollaudierung der Suldenstraße anwesende Hoteliers aus Meran. Sie berichteten nämlich, dass ihre Kollegen „im Ortlergebiete nicht auf der Höhe ihres Berufes stehen. Der eine begrüßt bei Ankunft der Herrschaften den Kutscher, ignoriert aber die im Wagen sitzenden Herrschaften; der Andere überläßt die Führung und Behandlung der Gäste ausschließlich der Kellnerin und beschränkt sich auf die einfachen Hausarbeiten. In einem Hotel fand man nicht einmal einen Tirolerwein vor, nicht einmal in Flaschen, nur Vöslauer roth von einer ungarischen Weinfirma. Keine Meranerzeitungen waren da und der Hotelier erklärte, auf die Meraner nicht anzustehen, er lebe vom Auslande. Ja, der Fremdenverkehr kann weniger geschulte Wirthe zu ziemlich hochmüthigen Hoteliers (?) machen.“289 Allmählich zeigte sich aber, dass die positiven Seiten von Straßenbau und Tourismus in Bergregionen wie Sulden überwogen, was nicht nur auf lokaler Ebene so wahrgenommen wurde. 1910 schrieb z. B. die Wiener Journalistin Alice Schalek (1874–1956) in einem Reisefeuilleton für die Neue Freie Presse in Wien: „Im Jahre [1893, Anm.] wurde das Suldenhotel, halb so groß als es jetzt ist, eröffnet. Die schwer errungene neue Straße von Gomagoi bis zum Ortler symbolisierte einen Durchlaß in eine freiere moderne Zeit. Dann folgten rasch, Schlag, auf Schlag, die anderen drei Hotels, die Christomannos mit Hilfe des Tiroler Hotelbauvereins aus der Erde stampfte. Eine Schleuse öffnete sich, durch die seither Millionen hereinflossen. Auswanderer – und Tirol zählt ihrer viele – kehrten zurück290, als sich in der Heimat Verdienst fand. Die Söhne bekamen Stellungen als Führer, Kutscher, Hotelbedienstete, die Töchter als Kellnerinnen und Stubenmädchen, sogar die Kinder verdienten beim Erdbeerverkauf und beim Tennis. Der Umsatz im Lande nahm zu, denn im Trafoihotel, im Karerseehotel, im Canazeihotel wurden massenhaft Geschirr und Glas, Möbel und Wäsche gebraucht, Obst, Fleisch, Gemüse angekauft.“291

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Der „Verein für Alpenhotels in Tirol“ und seine Akteure

Eine Reihe von Berghotels in Südtirol sowie einzelne Häuser im nördlichen Landesteil und im Trentino wurden von einer Gruppe von Entrepreneuren errichtet, die mit dem „Verein für Alpenhotels in Tirol“ ein den regionalen Fremdenverkehr dominierendes Netzwerk aufbaute. Nicht nur die Architektur der vereinseigenen Hotels hatte Vorbildwirkung, auch ihre Standorte wurden so gewählt, dass diese die Entstehung von weiteren touristischen Einrichtungen begünstigten und damit zu einer Destinationsentwicklung im heutigen Sinn beitrugen. Alle Gründungsmitglieder des Vereins waren Quereinsteiger im Tourismusgeschäft. Jeder von ihnen brachte aber in die Realisierung der Berghotels Stärken bzw. Expertisen ein, die zum Vorteil der Initiativen waren und somit zur Präsenz der Beherbergungsbetriebe im Marktprozess wesentlich beitrugen. Die durch sie vorangetriebene Transformation von Berggebieten in Ressourcen mit „Gewinngelegenheiten“ nahm aber nur unter der Voraussetzung der im vorherigen Abschnitt dieses Buches dargestellten Entwicklungen ihren Lauf. Die Suldenstraße nimmt in diesem Zusammenhang eine besondere Stellung ein. Denn im unmittelbaren zeitlichen Umfeld ihres Baus traf sich – nicht zum ersten Mal – ein Teil jener Akteure, die parallel zum Straßenprojekt mit dem Hotel Sulden an der Verwirklichung des ersten Berghotels in Südtirol zu arbeiten begannen. Zur Kerngruppe der Berghotel-Entrepreneure gehörten Theodor Christomannos (1854–1911), Otto Schmid (1857–1921), Tony Grubhofer (1855–1935), Josef Riehl (1842–1917) und Carl Lun (1853–1925) vom Meraner „Bureau für Architektur und Ingenieurbau Musch & Lun“. Zu ihrem Kreis gesellten sich mit dem in Meran praktizierenden Arzt Sebastian Huber (1852–1934), dem Juristen Hans Stainer (1854–1930) und dem erfahrenen Ingenieur Josef Lun (1845–1904) ferner drei weniger bekannte Akteure. Sie alle gehörten – beinahe gleichaltrig – einer Generation an, die die Chancen der Regionalentwicklung und ihrer Dynamik früh erkannte. Sebastian Huber war der Stellvertreter Theodor Christomannos’ und als ausgewiesener Kurarzt an der Ausrichtung der Berghotels in ihrer Begleitfunktion als Kur- und Erholungszentren wesentlich beteiligt. Der Jurist Hans Stainer war ein ehemaliger Arbeitgeber Christomannos’ und ein versierter Fachmann in wirtschaftlichen Fragen. Auf ihn dürfte die Konzeption des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ zurückgehen. Der Bau der Suldenstraße erfolgte durch Musch & Lun, mit Josef Lun übernahm ein Vertrauensmanns der Firma die Bauleitung. Er war mit Theodor Christomannos spätestens seit dem Bau der Talsperre im Martelltal bekannt.292 Josef Lun war ein Verwandter Carl Luns, des Mitbegründers von „Musch & Lun. Bureau für Architektur und Ingenieurbau“ in Meran. Dieses Bauunternehmen und das auf Ingenieurbauten spezialisierte Büro Josef Riehls waren unter den einschlägig tätigen Firmen landesweit führend. Sie waren neben der Realisierung der Berghotels in eine Reihe von weiteren Projekten involviert, welche die Modernisierung Merans und Südtirols in der Schwellenzeit um 1900 vorantrieben. Der Architekt Otto Schmid und der Künstler Tony Grubhofer gelangten über ein anderes Bauvorhaben, nämlich die Renovierungen und Umbauten am Schloss Enn in Montan in das in seiner Anfangszeit engmaschige Netzwerk der Berghotel-Entrepreneure. Otto Schmid prägte

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„Verein für Alpenhotels in Tirol“, Mitgliedskarte, um 1895

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das charakteristische äußere Erscheinungsbild der ersten Berghotels und entwarf auch die „Gestaltungsprogramme“, die in weitere Projekte einflossen. Die Gebäude wurden zusammen mit ihrer Umgebung von Tony Grubhofer in Bildbotschaften gefasst. Seine Architektur-NaturKompositionen trugen wesentlich zur internationalen Resonanz auf die neuen Südtiroler Tourismusbetriebe bei. Bleibt noch Theodor Christomannos, den der hartnäckige Mythos umgibt, er habe seine „entrepreneural role“ stärker an den sozialen und kulturellen Wert seiner Initiativen geknüpft als an den wirtschaftlichen Profit.

Theodor Christomannos, Alpinist, Autor, Politiker und „Berghotel-Entrepreneur“ Theodor Christomannos, geboren 1854 in Wien, gestorben 1911 in Meran.293 Die Söhne Theodor (gestorben 1907294) und Sigurd stammten aus außerehelichen Beziehungen. Sigurd wurde nach seiner Teilnahme am Ersten Weltkrieg in Kärnten ansässig und dürfte als Notar gearbeitet haben.295 Die Gouvernante von Sigurd, Franziska Lutz (auch: „Fanny“, geboren 1874 in Oggelshausen/Baden-Württemberg, gestorben 1936 in Meran), heiratete 1905 Theodor Christomannos. Aus der Ehe gingen zwei Söhne (Demeter Walter und Johann) hervor. Obwohl Christomannos viel Sinn für „Vergnügen und Flirt“296 nachgesagt wurde, sind weitere Kinder nicht eindeutig belegt (z. B. Karl und Cléo de Merode297). Theodor Christomannos’ wohlhabende, ursprünglich aus Melnik (griechisch: Meléniko, heute: Bulgarien) stammende Familie gehörte seit dem späten 18. Jahrhundert zu den sogenannten „Griechen“ Wiens, einer Gruppe von Händlern bzw. Großhändlern, Bankiers und später vielfach Hausbesitzern. Sie stammten aus verschiedenen südosteuropäischen Regionen (u. a. Griechenland, Mazedonien, Bulgarien – im 19.  Jahrhundert zeitweise unter osmanischer Herrschaft), verwendeten aber Griechisch als gemeinsame Handelssprache. Zum Teil organisierten sie sich in Handelsketten und -kompagnien und betrieben eigene Speditionsfirmen. Auf diese Weise kontrollierten sie Wirtschaftskreisläufe, verfügten zugleich aber auch über weitreichende (auch diplomatische bzw. politische) Kontakte zwischen Wien, dem Balkan, dem Schwarzen Meer und dem Mittelmeerraum um Griechenland. Manche Familien waren Aromunen (auch: Mazedorumänen) mit eigener Sprache, dem Aromunischen. Ein wichtiger Treffpunkt der Kaufleute war die griechisch-orientalische Kirchengemeinde in Wien bzw. die dortige Bruderschaft zum hl. Georg.298 Der Familienname Christomannos entstand aus einer Zusammenführung von Vor- und Nachname des Großvaters (ab 1796 Inhaber eines Bankhauses in Wien, gestorben 1823) – „Christos“ (Vorname) und „Manno“ (auch: „Mannos“ oder „Manos“, Familienname). „Die Griechen“ in Wien standen über Geldgeschäfte und Handelsbeziehungen untereinander in Kontakt, z. B. investierte Irene Dumba (1864–1920), Tochter des Wiener Industriellen, Politikers und Kunstmäzens Nikolaus Dumba (1830–1900)299, ein stattliches Vermögen in den „Verein für Alpenhotels in Tirol“.300 Darüber hinaus entstanden durch Eheschließungen auch komplizierte familiäre Verbindungen, z. B. zwischen den Familien Christomannos bzw. Manno, Diamantidi301, Dumba, Tirka und (von) Margarit (auch: Margarith).

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Letzteres ist beispielsweise in Zusammenhang mit den Berghotels in Südtirol von Bedeutung. Denn Elsa Zenobio-Albrizzi (?–1920302) aus Venedig, die Inhaberin von Schloss Enn in Montan, war eine geborene de Margarit (Elisabeth von Margarit?) und stammte aus Wien. Sie war die Mutter (Tante?303) von Sophie, der späteren Gattin des Künstlers Tony Grubhofer. Ihre verwandtschaftliche Beziehung zu Theodor Christomannos war ausschlaggebend dafür, dass Schloss Enn und der nahegelegene Elsenhof in Montan (Wohnort von Sophie und Tony Grubhofer) als Ausgangspunkt für die „Architekturgeschichte“ der Berghotels in Südtirol zu betrachten sind. Hier entstanden jene Netzwerke, die später eine wichtige Rolle bei den Berghotel-Entrepreneurships spielten. Zu den gehobenen gesellschaftlichen Kreisen rund um Elsa Zenobio-Albrizzi gesellten sich nämlich neben Theodor Christomannos und dem Künstler Tony Grubhofer auch der Architekt Otto Schmid. So kam es, dass von Schmid vorgenommene An- und Umbauten an Schloss Enn eine Art Vorbildwirkung auf die Gestaltung der nachfolgenden Hotels hatten. Otto Schmid entwarf mit dem Hotel Sulden den Prototypen für die Berghotels in Südtirol, zuvor verlieh er dem Adelssitz sein heutiges Aussehen. Über ein anderes Mitglied der Familie Christomannos aus einer Athener Linie, Konstantin Christomannos (eigentlich: Konstantin Anastasios Christomanos Manno, 1867–1911), dürfte Kaiserin Elisabeth I. von Österreich-Ungarn (1837–1898) im Jahr 1897 das Hotel Karersee kennengelernt haben. Konstantin, ein Cousin von Theodor Christomannos, studierte in Wien und Innsbruck Philosophie und wurde Historiker, Journalist und Dramatiker bzw. leitete später in Athen ein Theater. Bekannt wurde er vor allem als Vorleser, Griechischlehrer und Begleiter der Kaiserin in den 1890er Jahren. Jurist, Alpinist und später Privatier in Meran Theodor Christomannos kam über seine Mutter Maria (1829–1881, geborene Tirka) nach Südtirol. Sie verbrachte den Winter 1870/1871 oder 1871/1872 in Bozen-Gries. Nachdem ihr Name auch in den Gästelisten anderer Kurorte zu finden ist, litt sie möglicherweise an Lungentuberkulose. Die genauen Umstände bleiben ungeklärt, aber Christomannos besuchte von da an bis zum Ende seiner Schulzeit das Franziskanergymnasium in Bozen. Er maturierte am 30. Juni 1873.304 Bis zur Mitte der 1870er Jahre schuf er eine Reihe künstlerischer Arbeiten. Sie veranschaulichen Christomannos’ wachsendes Interesse für die Landschaften Südtirols und seine Gebirge, nicht zuletzt hielt er aber auch Bauernhöfe und Burganlagen fest. Wie Eintragungen im Universitätsarchiv Innsbruck nahelegen, inszenierte Theodor Christomannos schon früh sein Erscheinungsbild als „Grieche“. Denn bei seinem Eintritt in die Universität gab er an, in Melnik und nicht in Wien geboren zu sein, dass sein Religionsbekenntnis griechisch-orthodox und seine Muttersprache Griechisch sei. Darüber hinaus existieren unterschiedliche Darstellungen seines Studienverlaufs.305 In mehreren Publikationen heißt es, Christomannos habe anfänglich Medizin studiert. Erst nach einer Mensur in Straßburg, bei der sein rechtes Handgelenk schwer verletzt wurde, sei er zur Rechtswissenschaft gewechselt. Zugleich erklärte man sich daraus seine markante Handschrift. Nachdem nämlich sein Handgelenk in der Folge steif blieb, war er fortan darauf angewiesen, mit der linken Hand zu schreiben. Auf

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Theodor Christomannos, Hochgebirgs-Landschaft im Schnee, um 1872

Fotos, so der Historiker Stefan Schwienbacher, „blieb diese [rechte, Anm.] Hand meistens im Mantel verborgen“306. Es sind einige der Fotografien erhalten, auf denen Christomannos seinen Habitus ebenso effektvoll gestaltete wie seine Biografie. Tatsächlich studierte Theodor Christomannos aber im Wintersemester 1873/1874 an der philosophischen Fakultät und sattelte im anschließenden Sommersemester auf die „Juristerei“ um. 1874/1875 folgte ein Aufenthalt an der Universität Leipzig.307 Am 28. Juli 1882 schloss er sein Jus-Studium mit dem Doktorat ab. Zusätzlich belegte er ab 1880/1881 mit Medizin ein Zweitstudium, das er bis zum Wintersemester 1883/1884 verfolgte. Ein Studienabschluss an der medizinischen Fakultät ist nicht bekannt. In Innsbruck trat Christomannos in das pflichtschlagende Corps Gothia ein, das in den frühen 1870er Jahren unter anderem von einer Gruppe Meraner Studenten ins Leben gerufen worden war.308 Während seiner Zeit in Leipzig war er Mitglied im dortigen Corps Lusatia. In Verbindung mit Christomannos’ Selbstdarstellung ist ferner bemerkenswert, dass sein Rufname unter den Corpsbrüdern „Türk“309 und nicht – wie später in Südtirol – „Grieche“ war. Wahrscheinlich übersiedelte er 1884/1885 für sein Gerichtspraktikum wieder in den südlichen Landesteil. 1887 trat er in Meran in die Rechtsanwaltskanzlei seines Studienkollegen und Corpsbruders Dr. Hans Stainer ein. Noch im selben Jahr vermachte ihm sein Vater Johann Anastas Christomannos (1820–1887) ein, wie es heißt, „nicht unbedeutendes“ Vermögen  – er war Alleinerbe, denn sein Bruder Demeter war 1869 verstorben. Damit war nicht nur der finanzielle Grundstein für Theodor Christomannos’ Beteiligungen an mehreren HotelEntrepreneurships gelegt.310 Er engagierte sich ab dieser Zeit auch als Privatier in unterschiedlichen öffentlichen und halböffentlichen Bereichen, z. B. ab den späten 1880er Jahren als Politiker bei den Deutschfreiheitlichen, als Gemeinderat in Obermais und ab 1905 im Tiroler Landtag, ferner ab 1890 bei der Sektion Meran des Alpenvereins (1891 als Vorstand) und nicht zuletzt als Autor und Vortragender. In den Tiroler Landtag wurde er als Vertreter der Bozner Handels- und Gewerbekammer gewählt. „Dort gehörte er der deutschfreiheitlichen Partei an und wurde Mitglied des deutschnationalen Clubs.“311

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In einem Nachruf auf Theodor Christomannos heißt es, er habe nicht nur in den weiten, noch brachliegenden Arbeitsgebieten des Alpenvereins seine eigentliche Wirkungsstätte gefunden, sondern auch im weitesten Sinn die Ausgangspunkte für sein öffentliches Engagement. Im Lauf seiner Tätigkeit hätten aber auch die „alpinen Probleme“ zugenommen. Anfänglich setzte er sich für die Errichtung eines Schutzwalls gegen die Ausbrüche des Zufallferners312 im Martelltal ein, später für den Bau von Berghütten und „bescheidenen Jochsteigen und Bergwegen“313. In rascher Folge wurden die Projekte aber immer größer und ambitionierter: Als „Nebenprodukt“ der Suldenstraße wurde das erste Hotel gebaut, bald darauf entstanden die zwei größten Betriebe des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“, ferner Pläne für die Realisierung weiterer Verkehrsverbindungen und Eisenbahnstrecken.314 Hier trat Christomannos insbesondere für die Realisierung der Vinschgaubahn ein, die aber erst 1906 in Betrieb ging. Überdies war er schon seit dem Beginn der 1890er Jahre (zusammen mit dem Architekten Otto Schmid) Mitglied eines „Actions-Commités“ für die rasche Realisierung der Bahnstrecke Meran–Landeck.315 Soziale und politische Ambitionen Die Themen, mit denen sich Theodor Christomannos als Autor befasste, geben einen guten Einblick in seine sozialen Ambitionen, in denen sich persönliche Anliegen allzu oft mit Fragen des Gemeinwohls mischten. Beispielsweise beschäftigte er sich mit Belangen, die er quasi ohne öffentliches Mandat unter Ausnützung seiner gesellschaftlichen Stellung zu seiner Sache machte. Aus diesem Grund erstaunt es auch nicht, dass der politisch aktive Christomannos – der zugereiste „Grieche“  – in der Ära des zunehmenden Deutschnationalismus als Agent der Anliegen der deutschsprachigen Südtiroler bzw. Retter „des Deutschtums“ im südlichen Landesteil Tirols vor allem in Berichten der konservativen Zeitung „Der Burggräfler“ nicht immer wohlgelitten war.316 Über die vielschichtigen Verbindungen zwischen den Hotel­ gründungen und der Sicherung des Deutschtums bzw. des deutschen Unternehmertums im Ortlergebiet und der Dolomitenregion siehe im nachfolgenden Kapitel dieses Buches. Unter Christomannos’ frühen Artikeln findet sich u. a. „Ein Hilferuf für das Martelltal“317. Darin entwarf er nach dem Ausbruch des Zufallferners ein Punkteprogramm zur Rettung der dortigen 39 Bergbauernhöfe. Manche seiner Beiträge stattete er auch mit eigenen Fotografien aus, die unter den drucktechnischen Voraussetzungen der Zeit für ihre Veröffentlichung zunächst noch abgezeichnet werden mussten. In der „Illustrirten Zeitung“ dokumentierte er die vom Gletscherausbruch im Martelltal verursachte Mure und die von ihr zerstörten

„Die Überschwemmungskatastrophe im Martellthale“ mit Bergsteigern auf einer dem Zufallferner vorgelagerten Moräne, nach einer Fotografie von Theodor Christomannos, in: Illustrirte Zeitung, 4.7.1891

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bzw. gerade nicht zu Schaden gekommenen Bergbauernhöfe.318 In späteren Jahren befasste er sich mehr mit politischen Themen wie „Deutschtirol und die Autonomie“319 oder „Die Fassaner Frage“320, bei denen es ihm um eine Anbindung der Bevölkerung des Fassatals an die Bezirkshauptmannschaft Bozen ging. Damit sollte die ladinische Bevölkerung dem „materiellen und politischen Einflusse fremder Glücksverheißer entzogen werden“321, womit der nationale Zugriff aus dem Trentino gemeint war, durch den nicht zuletzt dem Bau der Dolomitenstraße hohe symbolische Bedeutung zukam und der zur strategischen Platzierung von Berghotels in dieser Region führte.322 Publikationen über Südtirol Bekannt wurde der Autor Theodor Christomannos vor allem durch seine konsequente Auseinandersetzung mit der Gebirgswelt Südtirols, wodurch er zusammen mit den oben bereits genannten Schriftstellern nachhaltigen Einfluss auf die Entwicklung von Alpinismus und Fremdenverkehr südlich des Brenners hatte. Zu seinen frühen Beiträgen zählten Beschreibungen von Touren und Besteigungen. Insgesamt hätten seine Texte und Reiseführer aber keine so weite Verbreitung gefunden, wären sie nicht mit Illustrationen so bedeutender Alpinisten und Weggefährten wie denen der Maler Tony Grubhofer und Edward Theodore Compton (1849–1921) oder der Pioniere der Alpenfotografie Bernhard Johannes (1846–1899) und Friedrich Benesch (1868–1949) veröffentlicht worden. Zu seinen Publikationen im weitesten Sinn gehörten auch die Werbemittel für die Hotels des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“, die Theodor Christomannos meistens gemeinsam mit Tony Grubhofer gestaltete. Dieser erinnerte sich nach dem Tod seines Freundes an die manchmal – wie er es nannte – mühsame „Zeit des Prospektemachens – ja was mußte da geprobt, entworfen, verworfen, aufgenommen und ausgestoßen werden!“323

Theodor Christomannos’ wichtigste Publikationen über Südtirol Meran. Zur freundlichen Erinnerung an die XIX. General-Versammlung des Deutschen und Österr. Alpen-Vereins in Meran (3.–5. September 1892), Meran 1892. Sulden–Trafoi. Schilderungen aus dem Ortlergebiete mit Illustrationen nach Originalen von E.  T. Compton, Tony Grubhofer, Wilhelm Humer, Carl Jordan, F. Rabending und A. von Schröter, Innsbruck 1895. Rund um den Rosengarten. Bergfahrten in den Bozener Dolomiten, Illustrierte Zeitung, Leipzig, 25.5.1899. Meran Tyrol (gemeinsam mit Anton Edlinger), XXVIII. Generalversammlung des Deutschen und Österreichischen Alpenvereines, Innsbruck 1901. Der klimatische Kurort Meran im deutschen Südtirol (gemeinsam mit Edward Theodore Compton), Illustrierte Zeitung, Berlin-Leipzig, 3.9.1903. Die Vintschgau-Bahn Meran–Mals (gemeinsam mit Tony Grubhofer), Innsbruck 1906. Meran im deutschen Südtirol, Meran 1907, hrsg. von der Meraner Kurverwaltung (in den Folgejahren weitere Ausgaben unter teilweise leicht veränderten Titeln). Die neue Dolomitenstraße Bozen–Cortina–Toblach und ihre Nebenlinien, Wien, 1909 (englische Version mit dem Titel „The new Dolomite Road Bozen–Cortina–Toblach and its Branches“, Wien 1909). Die Dolomiten (gemeinsam mit Friedrich Benesch), Wien 1909 (weitere Auflagen bis in die 1920er Jahre).

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Bernhard Johannes Bernhard Johannes, geboren 1846 in München, gestorben 1899 in Meran. Ausbildung zum Fotografen in München, ab 1869 eigenes Atelier in Garmisch-Partenkirchen. Auch im Deutschen und Oesterreichischen Alpenverein engagierter Bergsteiger. Neben den zu seiner Zeit üblichen Atelieraufnahmen widmete er sich der Landschaftsfotografie. 1873 entstand ein Album mit Naturstudien aus dem Bayerischen Hochgebirge. Bernhard Johannes zählt zu den Pionieren der Alpenfotografie und seine Werke werden nach wie vor in einschlägigen Publikationen und Ausstellungen präsentiert. Bekanntheit erlangte er durch seine Fotografien von der Zugspitze, über die es heißt: „Im Jahre 1870 stieg erstmals ein Mensch zum Fotografieren auf die Zugspitze: Bernhard Johannes  […] schoss die ersten Bilder. Innerhalb von drei Jahren wiederholte er diese Expedition mit Großbildkamera, Dunkelkammerzelt und mehreren Trägern insgesamt sechzehn Mal und erstellte dabei die erste Fotoserie von Deutschlands höchstem Berg.“ Für die zunehmend in die Gebirge kommenden Touristen waren Alpenfotografien im Kabinettformat beliebte Souvenirs. Bernhard Johannes stellte auf Weltausstellungen aus und wurde dort auch mit Preisen ausgezeichnet, z. B. 1880/1881 in Melbourne. Er führte auch mehrere Titel als Hoffotograf. 1886 übersiedelte er nach Meran, wo er ein zweites Atelier eröffnete. Sein Partenkirchener Geschäft wurde währenddessen von seinen Nachfolgern Max Beckert (1860– 1919), August Beckert (1893–1961) und Franz Kölbl (1922–2004) fortgeführt, deren Nachlässe von über 540.000 Negativen heute in der Bayerischen Staatsbibliothek München aufbewahrt werden. Weitere Teile des Bernhard-Johannes-Nachlasses befinden sich im Stadtmuseum Meran, einzelne Aufnahmen im Touriseum. Bernhard Johannes war ein Wegbegleiter von Theodor Christomannos. Die beiden unternahmen gemeinsame Touren und waren in den Gremien der Sektion Meran des Alpenvereins aktiv. Darüber hinaus ist dokumentiert, dass Bernhard Johannes 1898 im Auftrag des „Meraner Theaterbaukommitées“ Carl Lun auf einer Informationsreise begleitete. Diese führte nach München, Frankfurt, Homburg, Wiesbaden, Köln, Krefeld, Essen, Düsseldorf, Berlin, Dessau, Leipzig, Karlsbad, Prag und Wien. Die Tour diente dazu, für Meran ein Theaterprojekt und dessen Umsetzung vorzubereiten und die Reihe der zu einem diesbezüglichen Wettbewerb einzuladenden Architekten einzugrenzen. Die daraus hervorgegangene Schrift „Das moderne Theater“ unterzeichneten Carl Lun und Bernhard Johannes gemeinsam. Quellen: SAM, Sign. BAU 965.29, November 1898. Museum für angewandte Kunst Gera (Hrsg.), Berge im Focus – Aufstieg mit Kamera und Stativ, Gera 2007, S. 91. www.fotostoria.de/?p=372 (2.8.2018). www.fotoerbe.de/bestandanzeige.php?bestnr=1949 (2.8.2018). www.provinz.bz.it/kulturabteilung/download/Stadtmuseum_Meran_Bestand_Bernhard_Johannes.pdf (2.8.2018). Bernhard Johannes, Hochjoch Gletscher, 1892 (oben)

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Max von Esterle, Theodor Christomannos, Karikatur, aus: Tirols Koryphäen

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„Suldenthal – Partie auf dem Suldengletscher“ (links) und Theodor Christomannos im „Bergsteigerkostüm“ (rechts)

Christomannos, der (Selbst-)Inszenierer Es ist nicht einfach, die Persönlichkeit Theodor Christomannos’ zu beschreiben, zumal er seine Erscheinung gezielt manipulierte und daher in Publikationen über ihn Realität und Anekdotisches nicht immer eindeutig voneinander getrennt wurden. Zu seiner Zeit war das systematische Marketing noch nicht erfunden, weshalb er – wie so manche Persönlichkeit in Unternehmertum, Tourismus und Hotellerie – eine Art Selbstdarstellung zu Werbezwecken einsetzte. Dazu gehörte auch, mitunter mit gesellschaftlichen Konventionen zu brechen. So wurde es z. B. beim Alpinistentag 1892 in Meran allgemein missbilligt, „daß der Obmann der Sektion Meran des d. und ö. Alpenvereins, Herr Dr. Christomannos, sich stets nur im Bergsteigerkostüm zeigte, während die auswärtigen Vorstandsmitglieder ihre Salonanzüge hierhergeschleppt haben […].“324 Allerdings war der Dichter Arthur Schnitzler (1862–1931) vom offenbar ebenso charismatisch wie exzentrisch auftretenden Christomannos so eingenommen, dass er sich von ihm zur Figur des Hoteldirektors Dr. von Aigner für seine 1911 am Wiener Burgtheater uraufgeführte Tragikomödie „Das weite Land“ inspirieren ließ.325 Schnitzler und Christomannos waren sich übrigens im Hotel Karersee mehrfach persönlich begegnet und es ist auch belegt, dass Schnitzler für das Stück gezielt über Christomannos recherchierte.326 Zu den Objekten Christomannos’scher Selbstinszenierung zählten darüber hinaus auch die Berghotels, für die er nach Schilderungen von Tony Grubhofer und August Prokop die geeignete Lage in der Landschaft ebenso (mit-)bestimmte wie die Grundrisse. Nicht zuletzt beeinflusste er aber die atmosphärische Gestaltung der Innenräume der Hotels. 327 Wie Bestandslisten nach dem Brand im Hotel Karersee nahelegen, beteiligte er sich landauf, landab und zum Teil im größeren Umfang am Kauf von geeigneten Dekorationen und Einrichtungsgegenständen bei Antiquitätenhändlern, in anderen Hotels etc.328 Darunter waren Jagdtrophäen, ausgestopfte Tiere, Waffen, Zinn, Skulpturen und nicht zuletzt („Orient“-)Teppiche, für die er ein besonderes Faible gehabt haben soll.

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Christomannos, der Alpinist und „Paternalist“ Unbestritten bleibt, dass Theodor Christomannos großen Idealismus und rastlosen Arbeitseifer an den Tag legte – jedoch überließ er alles, was z. B. mit dem kleinteiligen Tagesgeschäft in einem Hotel zusammenhing, gerne anderen. Sein feines Rechtsgespür und seine Redegewandtheit setzte er nicht nur in eigener Sache ein, sondern häufig auch für das Gemeinwohl bzw. im Sinne eines ausgeprägten Paternalismus. Ein Anliegen waren ihm vor allem die Bergbauern, deren Lebensbedingungen er durch den Fremdenverkehr verbessern wollte. Im oben bereits genannten Nachruf wurde er daher auch als „fürsorgender Vater“ der Bergführer bezeichnet, die meist von entlegenen Berghöfen stammten.329 Christomannos’ Sportlichkeit als Alpinist war legendär, wenngleich in diesem Zusammenhang oft unberücksichtigt bleibt, dass er durch seine Handverletzung (fast?) nicht mehr klettern konnte und ihn diese beim Bergsteigen auch sonst behinderte.330 Dennoch gelangen ihm Erstbesteigungen, waghalsige Touren und Übergänge. Ferner wird über ihn berichtet, dass er auf dramatische Weise von Lawinen mitgerissen wurde etc. Obwohl es über ihn eine Reihe von Biografien gibt, blieben seine alpinistischen Leistungen bislang ungewürdigt. Zum ambivalenten Bild von Theodor Christomannos gehört aber auch, dass seine Urteile über andere manchmal etwas scharf ausfielen. Ein Beispiel dafür ist eine kurze Passage über Städter in den Bergen, in der er nicht berücksichtigte, wie viele von ihnen aus gesundheitlichen Gründen höhergelegene Regionen aufsuchten und daher zum Bergsteigen gar nicht in der Lage gewesen wären. Im Text „Sulden–Trafoi“ schrieb er nämlich über sie: „Arme Bemitleidenswerthe, die in Folge körperlicher Ungeübtheit nicht ‚kraxeln‘ können oder gar in Folge vernachlässigter Erziehung dem Grundsatze huldigen, die Berge lieber von unten als von oben anzusehen, und als verweichlichte und verwöhnte Stadtmenschen sich nicht aufraffen können, den liebgewonnenen Comfort auch nicht auf kurze Zeit zu entbehren, sollen  […] in die erfrischende Hochgebirgsluft geführt und dem mächtigen, überraschenden Wirken der Naturkräfte gegenübergestellt werden  […].“331 Theodor Christomannos’ umtriebiger „Geist“ verlangte seinem Umfeld  – und damit wohl auch seinen Alpenvereins- und AlpenhotelNetzwerken  – viel Nachsicht und Geduld ab. In seinem Tatendrang erreichte er aber auch einiges. Er gab den Anstoß zum Bau der Suldenstraße und der Fertigstellung der Verkehrsroute durch die Dolomiten sowie zur Errichtung der Berghotels in Sulden, Trafoi und am Karersee. Wahrscheinlich ist es auch seiner Weitsicht zu verdanken, dass das Hotel Karersee unter den ersten in Südtirol war, die nach 1900 bereits im Spätwinter geöffnet hatten.332 Seine Aktivität schwächte allerdings seine Gesundheit. Mit der Zeit stellte sich ein Herzleiden ein. Wäre er nicht in seinem 57. Lebensjahr unerwartet infolge einer Lungenentzündung verstorben, hätte er noch einer der größten Promotoren des sich abzeichnenden Wintertourismus werden können. Die Weichen dazu wurden im Dolomitenhaus Canazei noch von ihm selbst gestellt. Dolomitenhaus Canazei im Winter, um 1930

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Otto Schmid, Architekt und Hotelier Otto Schmid (auch: Schmidt), geboren 1857 in Maria Lanzendorf, gestorben 1921 in Sulden. Schmid war ab 1897 mit der Schweizerin Rosa Marti333 verheiratet (1873–1916, sechs Kinder), in zweiter Ehe mit Antonia Schintlholzer (ein Kind)334. Die Söhne Fritz (1897–1915) und Gustav (1898– 1914) starben schon während des Ersten Weltkriegs bei einem Lawinenunglück bzw. Jagdunfall.335 Sohn Hermann (1899–1970) übernahm später das Hotel Sulden. Die weiteren Kinder waren Rosl (1904–1966), Johanna (1911–1997), Willi (1913–1956) und Max (1918–2006). Otto Schmid stammte aus einem wohlhabenden Umfeld. Die Familie besaß Ländereien und mehrere Mühlen an den Wasserläufen in der Region Lanzendorf südlich von Wien, wohnte aber zeitweilig in der Stadt, wo sie ebenfalls in „Realitäten“ investiert haben dürfte. Der umfangreiche Besitz wurde unter den acht Kindern des Vaters von Otto Schmid, Josef (1778–1857), aufgeteilt. Otto war der einzige Sohn, dem anstelle von Gütern ein größerer Geldbetrag vererbt worden sein dürfte. Daher konnte er als Architekt bzw. Hotelier seinen Lebensmittelpunkt nach Tirol verlegen.336 Die Familie von Otto Schmid schrieb sich ursprünglich „Schmidt“ und erst ab der Zeit um 1800 „Schmid“  – aber nicht nur das erschwert Recherchen über den Architekten. Beispielsweise sind die zwei Schreibweisen des Namens auch in den Archiven und Inventarlisten des Kupferstichkabinetts der Akademie der bildenden Künste in Wien nachweisbar, wo Otto Schmid als Student von Friedrich von Schmidt (1825–1891337) als „Schmidt“(-Schüler) geführt wurde. Schon 1889 ging ein besonders verwegener Autor sogar so weit, dass er aus dem Architekten Otto „Schmidt“ einen Verwandten seines bekannten Namensvetters machte.338 Verwechslungen zwischen den Architektenpersönlichkeiten „Schmid“ und „Schmidt“ lassen sich selbst bis in die jüngste Fachliteratur verfolgen. Hinzu kommt der irreführende Umstand, dass sich Otto Schmid gerne als „Stadtbaumeister von Wien“ bzw. „Baumeister“ bezeichnete, was für einen in Südtirol tätigen Architekten ungewöhnlich war.339 Wahrscheinlich hatte er aber die für den Berufstitel „Stadtbaumeister von Wien“ notwendigen Ausbildungen abgelegt, d. h. die zum „Bau- und Steinmetzmeister“ bei der Genossenschaft der Bau- und Steinmetzmeister („Uralte Haupthütte in Wien“). Anschließend dürfte er bei der Stadt Wien eine Konzession erworben haben.340 Insgesamt veranschaulichen die Zusammenhänge, dass sich Otto Schmid offenbar genauso wie sein Lehrer Friedrich von Schmidt mehr mit den „Meistern“ der mittelalterlichen Bauhütten als mit den „neumodischen“ Architekten und deren betriebswirtschaftlich geführten Büros identifizierte.341 Eine weitere Quelle für falsche Zuschreibungen stellen Fotografien von Schloss Enn in Montan südlich von Bozen dar. Diese wurden 1891 von Otto Schmidt (1849–1909/1920?342) angefertigt.343 Landschaftsfotografien nahmen im Gesamtwerk des von Gotha nach Wien gekommenen Otto Schmidt zwar nur einen kleinen Teil ein – bekannter wurde er als Genre- und Aktfotograf –, aber auf ihn gehen besonders reizvolle Aufnahmen von Schloss Enn zurück, die im zeitlichen Umfeld der Fertigstellung seiner „Restaurierung“ unter der Bauleitung von Otto Schmid entstanden und unter anderem von Johann Wunibald Deininger (1849–1931) in „Kunstschätze aus Tirol“ (Wien, 1902) veröffentlicht wurden.344 Auch diese Publikation führte zu zahlreichen Verwechslungen zwischen dem Fotografen und dem Architekten.

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Schloss Runkelstein nach der Restaurierung, um 1900, und Details aus der Johanneskapelle bei der Dominikanerkirche in Bozen von Otto Schmid, um 1882

Schüler von Friedrich von Schmidt (zwischen „Gotik“ und „Denkmalpflege“) Nach der Realschule besuchte Otto Schmid vom Studienjahr 1875/1876 bis zum Juli 1880 die sogenannte „Bauschule“ der k. k. Technischen Hochschule in Wien (heute: Technische Universität), die er aber verließ, ohne die 1878 neu eingeführte „Staatsprüfung“ abzulegen. Als Student war er unter der Adresse Favoritenstraße 38, Wien IV., gemeldet.345 In einem Brief vom 13. Dezember 1880 bezeichnete Otto Schmid das Anwesen rund um die Mühle seines älteren Bruders Rudolf in Rannersdorf als den „Ort seiner ganzen und einzigen Baupraxis“. Aus diesem Schreiben an seine Schwägerin Elise, der er sehr nahe gestanden haben dürfte, geht überdies hervor, dass er sich vor den Toren Wiens wohler fühlte als in der Großstadt, obwohl diese, „comme il faut“, der Schauplatz für „lebenslustige bonvivants“ sein sollte. Otto Schmid blieb aber in Wien. Schon im Oktober 1880 war er an der k. k. Akademie der bildenden Künste inskribiert, wo er für sechs Semester die Spezialschule für Architektur bei Friedrich von Schmidt besuchte, der seinerseits aus Württemberg stammte und Absolvent des Polytechnikums in Stuttgart war. Bei seinem Ruf als Professor für mittelalterliche Baukunst in Wien galt Schmidt dank seiner Ausbildung als Steinmetz und seiner langjährigen Mitwirkung an der Renovierung und Erweiterung des Kölner Doms als einer der wichtigsten Vertreter des Gothic Revivals346 in Deutschland.347 Der Wechsel Otto Schmids von der „Bauschule“ (für Ingenieure und Architekten) an die Spezialschule war in der Ära Friedrich von Schmidts der folgerichtige Bildungsweg zum baukünstlerisch orientierten Architekten.348 Ein Nachweis von Otto Schmids Studienerfolg ist, dass er 1883 mit dem „Allerhöchsten Hofpreis 2. Klasse für die nächstbeste Lösung der Aufgabe Entwurf einer Bibliothek“ ausgezeichnet wurde.349 Im Kupferstichkabinett der Akademie der bildenden Künste befindet sich ein kleines Konvolut seiner Arbeiten, die teilweise von Exkursionen stammen. Unter anderem führten Friedrich von Schmidts Reisen nach Südtirol (1882?, 1884), wo er zusammen mit seinen Studenten Bauaufnahmen von gotischen Gebäuden machte und sie Zeichnungen von Baudetails anfertigen ließ.350 Die Blätter von Otto Schmid und seinen Kommilitonen – darunter vereinzelt

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Darstellungen von Friedrich von Schmidt selbst – stammen z. B. aus der Pfarrkirche St. Pauls (Gemeinde Eppan), der Johanneskapelle bei der Dominikanerkirche und der Franziskanerkirche in Bozen. Sie veranschaulichen das große Interesse, das der auch als Steinmetz ausgebildete Friedrich von Schmidt der Gotik entgegenbrachte, und zeigen, welche Schwerpunkte er bei der Vermittlung dieser Strömung setzte. Denn vor Ort gestalteten seine Schüler vorrangig kunstvolle Darstellungen ausgewählter gotischer Bauelemente. Nebenbei entstand auch manche gotisierende Schrifttype, die die Studierenden voneinander kopierten. Nicht zuletzt legte Schmidt für Studienzwecke eine umfangreiche Sammlung an original gotischen Baurissen an. Diese werden heute noch im Wiener Kupferstichkabinett aufbewahrt.351 Aus allen diesen Gründen zeigt nur ein kleiner Teil der von Otto Schmid erhaltenen Blätter „Zeitgenössisches“, darunter eine Villa für einen unbekannten Standort und ein „Hotel am Gardasee“, auf das in diesem Buch in Zusammenhang mit Hotelbautypologien noch eingegangen wird. Friedrich von Schmidt widmete sich im Rahmen seiner Exkursionen auch Fragen der damals noch jungen Denkmalpflege.352 In Südtirol stand zu seiner Zeit Schloss Runkelstein bei Bozen im Zentrum von Restaurierungen – insbesondere von 1880 bis 1893, als die Anlage im Besitz von Mitgliedern des Kaiserhauses bzw. des Kaisers war. Schon 1874 stellte das Kultusministerium in Wien nach verheerenden Mauereinstürzen einen ersten Geldbetrag für Sicherungsmaßnahmen zur Verfügung, woraufhin Friedrich von Schmidt zusammen mit Studenten die Anlage besuchte. Er war damit betraut, ein Gutachten über die statischen Verhältnisse und notwendige bauliche Eingriffe durchzuführen.353 Ein Jahr später erschien ein in denkmalpflegerischer Hinsicht bemerkenswerter Bericht seiner Analysen, in dem zu einem besonders frühen Zeitpunkt da­ rauf aufmerksam gemacht wurde, dass sich im „Etschland“ noch weitere „ähnliche“ (wertvolle) Kunstschätze, insbesondere aus dem 15. Jahrhundert, befänden.354 Ihre Erhaltung sei teilweise genauso gefährdet wie die von Runkelstein.355 Schmidt warnte zugleich vor den Folgen eines falsch verstandenen „Kulturtourismus“, machte dazu aber Vorschläge, die für heutige Begriffe geradezu tourismusskeptisch anmuten: „In dem Maasse nun, als der Fremdenbesuch in dieser Landschaft zunimmt, schwinden die alten Ueberreste durch Verschleppung, und ehe ein Jahrzehend vergeht, wird von den bezeichneten Ueberresten wenig mehr vorhanden sein. Erfahrungsgemäss gibt es kein wirksames Mittel, dem Laufe der Zeit in dieser Richtung Einhalt zu gebieten. Sollen daher diese Ueberreste der Kunst für die Geschichte derselben, sowie für deren Hebung in der Gegenwart nicht ganz verloren gehen, so wird hier nichts anderes erübrigen, als dieselben wenigstens im Bilde zu verewigen und sie so der Kunstwelt zugänglich zu machen.“356 Schmidt führte in zwei Phasen Renovierungs- und Sanierungsmaßnahmen auf Schloss Runkelstein durch, die zweite begann 1884.357 Schloss Enn: Konservieren oder weiterbauen? Bereits ein Jahr später berichteten lokale Medien, dass Elsa Zenobio-Albrizzi aus Venedig an dem in ihrem Besitz stehenden Schloss Enn als einem der „best erhaltenen gothischen Schlösser unseres Landes; infolge der äußerst gelungenen Reconstruction des Runkelstein“ ebenfalls Restaurierungen vornehmen lassen wollte.358 Unklar blieb in diesem Zusammen­ hang, ob sie sich zuerst an Friedrich von Schmidt oder an seinen Schüler Otto Schmid wandte359 – die verwirrende Situation rund um die zwei Architektenpersönlichkeiten blieb nämlich zu dieser Zeit auch in Südtirol nicht unbemerkt, wie folgende Meldung in einer Tageszeitung beweist: „Vor einigen Tagen stand in der ‚Bozner Zeitung‘, dass Dombaumeister Schmid für die Restaurationsarbeiten von Runkelstein hier angekommen ist, statt Architekten Schmid,

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Nach Schloss Enn über die Fleimstalstraße Von Cavalese, das noch 993 m hoch gelegen ist, steigt die Straße nur wenig bis zu dem 1100 m hohen Paß von San Lugano und senkt sich sofort beim Brauhause von Fontane fredde nach Südwest gegen das Etschtal; teilweise kunstvoll aus dem Felsen gesprengt, erreicht sie in großen Kehren das Dorf Montan mit dem stattlichen Schloß Enn über diesem. Stilgerecht ließ die kunstsinnige Besitzerin, die Gräfin Zenobio-Albrizzi aus Venedig, das Schloß restaurieren, und unter der sachkundigen Leitung des Architekten Otto Schmid aus Wien ist dieser Ansitz zu einem Muster guter Tiroler Gotik geworden. Am Schloßtore prangt im Wappen der Gräfin die Dogen-Mütze und erinnert an die Zeiten, da das mächtige Venedig noch in Südtirol ein gewichtiges Wort zu sprechen hatte. In der Nähe des Schlosses, im Elsenhofe, hat sich einer unserer bekanntesten Illustratoren, der Maler Tony Grubhofer, mit seiner Familie ein trautes Heim zurecht gerichtet, […]. Quelle: Christomannos Gedenkbuch: Erinnerungen an Theodor. Von seinem Freunde Tony Grubhofer. Rund um den Rosengarten. Nachgelassenes Manuskript von Dr. Theodor Christomannos, Meran 1912, S. 71.

Tony Grubhofer, Schloss Enn (vor und nach der „castellation“), Postkarte

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der bereits im Vorjahr die Arbeiten geleitet hat. Es ist ein großer Unterschied zwischen diesen zwei Herren.“360 Insgesamt war es naheliegend, dass sich Gräfin Elsa als gebürtige Wienerin an einen Architekten aus ihrer alten Heimat wandte, und trotz der unterschiedlichen Schreibweisen des Namens „Schmid“ in den Berichten ist davon auszugehen, dass Otto Schmid (über Vermittlung seines prominenten Lehrers?) im Lauf der Jahre 1884/1885 bei der Renovierung beider Schlösser die Bauleitung übernahm.361 Die als „kunstsinnig“ beschriebene Aristokratin könnte bereits in Venedig mit Fragen der Denkmalpflege in Berührung gekommen sein. Denn dort wurden Kunstfreunde ab den 1870er Jahren Zeugen von brutalen Zerstörungen. Darunter waren Mosaike an der Hauptfassade des Markusdoms oder die polychrome Fassadengestaltung mancher Palazzi, die dem „monochromen Geschmack“ von Anhängern des Klassizismus weichen musste. Einer der ersten war der Brite John Ruskin (1819–1900), der vor Ort Erhaltenswertes dokumentierte. Er ging auch deshalb in die Geschichte der Denkmalpflege ein, weil er schon früh auf die Fragilität und Schutzbedürftigkeit historischer Bestände aufmerksam machte, insbesondere aber, weil er sich für ihre „originalgetreue“ Erhaltung einsetzte. Im Unterschied zu den von ihm vertretenen Ansichten lässt sich aber an manchen „Renovierungen“ von Ansitzen, Burgen und Schlössern auch im Südtirol des späten 19.  Jahrhunderts nachweisen, dass Erhaltung und Restaurierung von Denkmälern damals sehr weit gefasst interpretiert wurde.362 Das gilt auch für Schloss Enn. Die Burganlage oberhalb von Montan wurde nicht nur von Otto Schmid, sondern bereits vor ihm im Auftrag seiner venezianischen Besitzerin baulich instandgesetzt. In dem nach wie vor in Familienbesitz befindlichen Schloss werden noch Bestandsaufnahmen und Originalpläne von Otto Schmid aus den Jahren 1886 und 1888 aufbewahrt.363 Zudem veranschaulichen Ansichtskarten und Fotos die unterschiedlichen Etappen der „castellation“364. Im Unterschied zu den Architekten, die vor Otto Schmid auf Schloss Enn tätig waren, ging es ihm wörtlich um eine „Verjüngung“ der mittelalterlichen Bausubstanz. Er benützte diesen Begriff in einem auf Schloss Runkelstein entstandenen Brief und möglicherweise vor dem Hintergrund der ihm als Vorbild dienenden Renovierungen seines Lehrers Friedrich von Schmidt am Schloss Fischhorn im salzburgischen Pinzgau (1862–1866, 1920 abgebrannt365)  – übrigens auch dort im Auftrag einer noblen Dame. Beispielsweise legt ein Vergleich der Aufbauten der Bergfriede von Fischhorn und Enn den Schluss nahe, das Schloss bei Zell am See könnte eine Inspirationsquelle für den Adelssitz nahe Bozen gewesen sein.

Das fürstl. Liechtenstein’sche Schloss Fischhorn im Pinzgau. Restauration von Friedrich Schmidt, Perspektive, 1870

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Otto Schmid, Schloss Enn, Ansicht von der Fleimstalstraße, unverwirklichtes Projekt, 1886

Otto Schmid ging bei der „Restaurierung“ von Schloss Enn wie viele seiner Zeitgenossen vor, die mit ähnlichen Aufgaben betraut waren. Seine Eingriffe waren unter anderem dazu gedacht, die „Historizität“ des Gebäudes im Landschaftsbild des Bozner Unterlandes weithin sichtbar zu steigern.366 Dem Kunstverständnis vieler Schlossbesitzer der Zeit entsprechend, orientierten sich auch Schmids Interventionen an den Vorbildern alter Herrenhäuser und Schlösser, vorzugsweise der Englands und Schottlands.367 Hier wie dort wurden die alten Gemäuer als Zeichen historischer Kontinuität als Familiensitze bzw. Residenzen wiederentdeckt. Aus diesem Grund sollten sie nach außen „Beständigkeit“ und „Gewicht“ vermitteln und im Inneren ihren Bewohnern einen höheren Wohnkomfort als bisher bieten. Beides, technische Modernisierung und Rückbezug zu romanischen, gotischen und aus der Renaissance stammenden Vorbildern, stand nicht im Widerspruch zueinander, galt hier doch der Spruch, „I did not mean, to make my house so Gothic as to exclude convenience and modern refinements in luxury.“368 Im Zentrum vieler aus Großbritannien bzw. über Großbritannien in die USA369 und von dort wieder nach Europa importierten Um- und Neugestaltungen stand nicht nur die stilistische Überhöhung von geschichtsträchtigen Bausubstanzen, sondern insbesondere eine romantische Wiederbelebung von „mittelalterlichem“ Lebensgefühl.370 Wie populär in den letzten Dekaden des 19. Jahrhunderts – vergleichbar mit der Gotik in der Kunst – die Ritterzeit allgemein war, dokumentieren auch Berichte, nach denen in Bozen mehrtätige Ritterfeste mit Festzügen und andere Belustigungen für Einheimische und Gäste veranstaltet wurden, für die man sich in mittelalterlich anmutende Kostüme kleidete.371

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Schloss Enn, Fotografie des Landschafts-, Genre- und Aktfotografen Otto Schmidt, um 1891

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Schloss Enn und seine Vorbildwirkung auf die späteren Berghotels „Bei einer Burg, deren äußere Umrisse sich scharf gegen den blauen Himmel abgrenzen, ist die Form der Dächer von höchster Bedeutung; es kann somit diese an und für sich einfache Arbeit doch nur aufgrund eines reiflich durchdachten architektonischen Entwurfes ausgeführt werden, in welchem diese Dachformen mit Rücksicht auf die Neugestaltung des ganzen Baues angegeben wird. Ein solcher Entwurf kann die Nothwendigkeit in sich schließen, einzelne Gebäudetheile im Mauerwerk zu heben, andere auf ihre ursprüngliche Höhe zurückzuführen, wie dies bei Burgen stets der Fall ist“, schrieb Friedrich von Schmidt.372 Vor diesem Hintergrund zählt auch die malerisch gestaltete „Dachlandschaft“ über dem Südtrakt mit seinen drei Zwerchhäusern und der Aufstockung des seit seinen Ursprüngen unverputzt gebliebenen Bergfrieds zu den augenfälligsten Renovierungsmaßnahmen von Otto Schmid an Schloss Enn. Für den Bergfried arbeitete er „gotisierende“ Entwurfsvarianten aus und versah ihn schließlich mit vier Eckerkern und einem detailreich gestalteten Pyramidendach.373 In Zusammenhang mit der Ähnlichkeit der Bergfriede von Fischhorn und Enn zeigt sich die Vorbildwirkung von Friedrich von Schmidt auf seinen Schüler besonders. Später wurde in Schloss Enn an die Seite der Anlage, an der sich der Turm befindet, der Haupteingang verlegt und dieser mit einer Eingangshalle zum Innenhof verbunden. Auch im Hof wurden neue Bauteile eingefügt, z. B. ein Söller vor dem Zugang zum großen Saal des talseitigen Palas.374 Im weitesten Sinn Einfluss auf die späteren Hotelbauten Schmids hatte aber nicht nur die abwechslungsreiche Neuinterpretation des Erscheinungsbilds von ganzen Bauteilen des Schlosses, sondern insbesondere seine „Interventionen“ im Inneren. Hier veranschaulicht beispielsweise eine Jagdstube seine Zugangsweise. Gemäß historischen Bautraditionen stattete er die Stube mit hölzernen Täfelungen und einer flachen Holzdecke aus, versah diese aber zugleich mit gotisierenden Schnitzereien, die mit solchen aus dem Sakralbereich verwandt sind. In den in die Täfelungen integrierten Feldern mit Flachschnittmustern könnte man Vorbilder aus der britischen Arts-and-Crafts-Bewegung erkennen, die Ornamente dürften von Otto Schmid aber in Anlehnung an die der spätgotischen Kirchenbänke in der Schlosskapelle von Enn gestaltet worden sein. In der Jagdstube verweist ferner eine Art Zielscheibe mit aufgemalter Papierrolle, Zirkel, Lineal und Dreieck auf den Architekten. Die Ehrenscheibe aus dem Jahr 1889 trägt die Inschrift „Wer pflegt Wissenschaft u. Kunst verdient aller Menschen Gunst. Erinnerung an den Ingenieur Herrn Otto Schmid“ – leider liegen keine weiteren Informationen über ihre Entstehung vor. Fraglich bleibt somit auch, ob die dargestellten Steinmetzsymbole auf die Bildung einer Art Bauhütte auf Schloss Enn oder auf Bezüge zur Freimaurerei verweisen.375 In ihren Versuchen, (kühlen) mittelalterlichen Räumen einen „wohnlichen“ Charakter zu verleihen, orientierten sich die Architekten der Zeit Otto Schmids häufig an der repräsentativen britischen „Great Hall“376. Wie auch auf Schloss Enn war der Raumtyp des zentralen Saales oder Sommersaales in die lokale Bautradition bereits Jahrhunderte früher eingeführt, bevor er von Otto Schmid „castellated“377 wurde.378 Seine Vorstellungen veranschaulichte er 1887 mit schwarzer Tusche auf einem großformatigen Blatt mit vier Zeichnungen. Die Entwürfe vermitteln nicht zuletzt auch den Eindruck, dass der Architekt damals bereits ein Kenner der regionalen Baugeschichte war. Denn die von ihm vorgeschlagene, mehrfach gewölbte und mit Schnitzereien versehene Decke mutet wie eine vergrößerte bzw. „multiplizierte“ Version jener in der gotischen Stube auf der Trostburg bei Waidbruck (um 1400)

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an. Die auf einer Deckenuntersicht veranschaulichten Schnitzereien könnte Schmid nach Vorlagen aus Franz Paukerts Bänden „Die Zimmergotik in Deutsch-Tirol“ (Leipzig 1889 bis 1907) gestaltet haben. Die auf der Wandabwicklung festgehaltenen Malereien stellen direkte Nachempfindungen jener ca. zwischen 1388 und 1400 entstandenen Turnierszenen dar, die er von Schloss Runkelstein her kannte. Der zentrale Raum von Schloss Enn hat einen trapezförmigen Zuschnitt (12,5 mal 9,2 bzw. 6,6 Meter Breite) und wurde mit einem bemerkenswerten offenen Kamin aus dem Jahr 1531 ausgestattet – trotz seiner goldenen Schindeln ist er aber nicht eindeutig als Miniaturversion des Goldenen Dachls in Innsbruck zu betrachten.379 Otto Schmid versah den Saal mit einer gotisierenden Wandtäfelung und einem im Verhältnis zur Idee einer „castle-like“ wirkenden Überarbeitung ganz im Widerspruch stehenden industriell gefertigten Boden aus. Dieser wurde mit ockergelben Keramikplatten belegt, die wahrscheinlich nicht von einem österreichischen Hersteller stammten.380 Den markantesten Teil der „Überarbeitung“ stellt aber die mehrfach gewölbte Decke dar, die Schmid in die bestehende Bausubstanz einfügte und mit der er bereits ein richtungweisendes Element für die Speisesäle in den späteren Berghotels vorwegnahm. Eine vergleichbare Decke schuf er für das Hotel Trafoi, eine weitere – diese aber in Form einer Spitztonne – für das Hotel Sulden. Wie sich hier zeigt, arbeitete Otto Schmid als bauhistorisch versierter Architekt Motive von mittelalterlichen Profanbauten in Südtirol und Oberitalien zu eigenen Entwürfen um, die genauso bodenständig wie international wirkten. Das war nicht nur in Verbindung mit Schloss Enn von Belang, sondern vor allem in Bezug auf die Speisesäle seiner späteren Hotels, die dem Geschmack ihres von weither angereisten Publikums entsprechen mussten. Beispielsweise könnte ihn auch das in Spitzbogenform ausgeführte Dachwerk des Ratssaales (salone) im Palazzo della Ragione in Padua (um 1420) für das Hotel Sulden inspiriert haben.

Otto Schmid, Jagdstube von Schloss Enn, dargestellt von Tony Grubhofer, in: „The Studio“, 1895

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Otto Schmid, Entwürfe für die Neugestaltung des Festsaales im Palast von Schloss Enn, Wandabwicklung und mehrfach gewölbtes Holztonnengespärre (linke Seite) Festsaal im Palas von Schloss Enn nach der Neugestaltung von Otto Schmid, Fotografie von Otto Schmidt (oben)

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Hotel Sulden, um 1895

... mit Sulden wird’s nichts Insgesamt lebte sich Otto Schmid aber schwer in Südtirol ein. Das verrät ein Brief, in dem er sich als „der einsame Herr von Runkelstein, tagsüber am Baue, abends in Gesellschaft von Bozner Spihsbürgern“ bezeichnete. Seltene Abwechslung bot da nur die Anwesenheit der „3 Gräfin-Schönheiten“ (Gräfin Elsa und ihre Töchter Sophie und Alba), die jährlich zwei Mal, im Frühjahr und im Spätsommer, mehrere Wochen auf Schloss Enn weilten. Bis um 1890 dürfte Elsa Zenobio-Albrizzi aus Venedig sehr hohe Beträge für die Restaurierung und den Umbau ihres Besitzes im Bozner Unterland ausgegeben haben381, auch wenn ihr Architekt nur von einer „anständig bürgerlichen“ Abgeltung seiner Leistungen sprach. Möglicherweise war das einer der Gründe, weshalb Otto Schmid seine berufliche Zukunft vorerst nicht in Südtirol sah. In einem Brief vom 14. Mai 1890 schrieb er: „Der Bau [von Schloss Enn, Anm.] wird in kürzester Zeit fix und fertig sein, dann gehe ich ganz fort von hier, denn mit Sulden scheint’s nichts zu werden. Auf alle Fälle bin ich in 4 Wochen zu Hause.“ Es kam aber anders und er blieb in Südtirol. Schloss Enn als „Geburtsort“ der Südtiroler Berghotels In Schloss Enn ist im übertragenen Sinn der „Geburtsort“ der Berghotels in Südtirol zu sehen. Dies gilt nicht nur in Bezug auf Bautypologisches, sondern insbesondere deshalb, weil sich ihre Hauptinitiatoren hier erstmals im Umkreis von Elsa Zenobio-Albrizzi versammelten. Neben Otto Schmid waren dies der Maler Tony Grubhofer, der mit einer Tochter (oder Nichte?382) der Gräfin verheiratet war und in der Nähe des Schlosses im „Elsenhof“ wohnte, und Theodor Christomannos, der ein entfernter Verwandter der Schlossherrin war.383 Den „Elsenhof“ kaufte Elsa Zenobio-Albrizzi 1891 für ihre Töchter und ließ ihn bis 1894 umbauen.384 Nachdem auch die Gestaltung des äußeren Erscheinungsbilds des „Elsenhofs“ Ähnlichkeiten mit Fassadenpartien der späteren Berghotels aufweist, könnte an der baulichen Adaptierung dieses Gebäudes ebenfalls Otto Schmid beteiligt gewesen sein. Vor diesem Hintergrund ist es wahrscheinlich, dass die um 1890/1891 geschmiedeten HotelbauPläne konkret auf Schloss Enn gemacht wurden, auch wenn dafür keine eindeutigen Belege vorliegen. Über den Bau der Suldenstraße stießen wenig später Josef Lun und das „Bureau für Architektur und Ingenieurbau“ Musch & Lun aus Meran zur Kerngruppe.

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Die Kosten für die Errichtung des Hotels in Sulden teilten sich Otto Schmid und Theodor Christomannos, für seine Leitung bestellten sie aber Geschäftsführer.385 Schon im Jahr 1896 verkaufte Theodor Christomannos seine Hälfte des Hotels an Otto Schmid, der damit Hotelier und Architekt wurde.386 Wie aufmerksam er sich um die Gäste seines Hotels kümmerte, geht aus folgender Schilderung aus dem Jahr 1908 hervor: „Baumeister Otto Schmid selbst ist Enthusiast für die Schönheiten des Suldentales und seiner unvergleichlichen Umgebung, und es ist manchmal rührend anzusehen, mit welcher Ausdauer er in der liebenswürdigsten Weise seine Gäste zum Besuche dieser oder jener Hütte, die in so und so viel Stunden so bequem zu erreichen sei, anfeuert. Und wie freut er sich wieder, wenn es ihm gelungen ist, und wenn seine Schutzbefohlenen strahlend vor Bewunderung des Gesehenen zu ihm sich bedanken kommen.“387 Für seine Begeisterung für das Suldental spricht auch, dass er mit Gleichgesinnten um 1900 einen Verschönerungsverein ins Leben rief. Um 1918 fungierte er darüber hinaus als Ortsvorsteher.388 Das erklärt sich daraus, dass er zusammen mit seiner Familie im Ersten Weltkrieg zunehmend ganzjährig in Sulden wohnte, um Beschädigungen an seinem Hotel zu vermeiden. Für die Zeit außerhalb der Saison hatte er aber schon früher auch einen Wohnsitz in Innsbruck, Schillerstraße 17, und als Architekt und Baumeister zumindest zeitweise ein Büro am Adolf-Pichler-Platz 4.389 Die Errichtung der ersten Berghotels in Südtirol erfolgte in kürzester Zeit zwischen 1892 und 1896. Wie aber schon der Verkauf der Hälfte des Hotels Sulden andeutet, dürfte es bald zu Differenzen zwischen seinen Bauherren gekommen sein.390 Hinzu kamen möglicherweise urheberrechtliche Fragen zur Architektur. Otto Schmid verließ im Jahr 1905 den 1895 gegründeten „Verein für Alpenhotels in Tirol“.391 Musch & Lun setzte in seiner Hotelbautätigkeit nicht nur den von Otto Schmid eingeschlagenen Weg fort, sondern verfeinerte ihn so lange, bis er um 1906/1907 aus der Mode kam. In der Folgezeit verlegte auch Otto Schmid seine „Arbeitsschwerpunkte“ nicht auf die eines Hotelbesitzers, sondern blieb als Architekt und Investor dem Tourismus treu. Nach seiner Trennung von den Entrepreneuren in Meran schuf er nach dem für das Hotel Sulden entwickelten Bauschema noch weitere Beherbergungsbetriebe und wurde ab 1902 mit einer Summe von 35.000 Kronen (ca.  254.340 Euro) erneut Mitglied eines Hotelbauvereins, nämlich des Vereins in Kitzbühel. Auch hier wurde er wieder zugleich Architekt und Mitbesitzer einer Hotelanlage.392 Darüber hinaus wurde er ab 1907 Mitgesellschafter in einer „Reschenseegesellschaft“ und war nicht zuletzt als Sachverständiger bei der Errichtung des Kurhauses in Meran tätig.393 Otto Schmid starb im Jahr 1921 an den Folgen eines Schlaganfalls. Noch ein Jahr zuvor verkaufte er das ihm gehörende Gebäude einer ehemaligen Kaiserschützenkaserne, das an einem der schönsten „Aussichtspunkte“ von Sulden lag.394 Es ist anzunehmen, dass er hier ursprünglich noch ein zweites Hotel errichten wollte. In einem Nachruf heißt es: „Lange schon kränkelte er, des Krieges schwere Zeiten hatten den einst so starken Mann arg mitgenommen.“395 Er hatte zwar gehofft, das Hotel Sulden noch in seinem alten Glanz wiedereröffnen zu können – doch die Belle Époque der Berghotels war nach dem Großen Krieg in den meisten Fällen vorbei. Das Hotel Sulden blieb noch bis 1973 in Familienbesitz. In den Jahren danach wurde es vollständig überbaut.396 Otto Schmid war einer der wichtigsten im Hotelbau tätigen Architekten vor dem Ersten Weltkrieg in Tirol. Denn es gelang ihm, der international bereits verfügbaren Typologie des Hotels als Berghotel ein unverwechselbares Erscheinungsbild zu verleihen.

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Werkverzeichnis von Otto Schmid 1884/1885–?

Bauleitung der Restaurierungen von Schloss Runkelstein, 15 Sill, I-39100 Ritten

1884/1885–1890

Restaurierungen, An- und Umbauten an Schloss Enn in Montan, Schloss-Enn-Straße 14,



I-39040 Montan

1892/1893

Hotel Sulden samt Möblierung397 (später: Grandhotel Sulden bzw. Grandhotel Solda, nach



1973 vollständig überbaut) und Elektrizitätswerk des Hotels Sulden, Sulden Nr. 109,



I-39029 Stilfs

1894–1896

Hotel Trafoi (1917 abgebrannt), Trafoi, I-39029 Stilfs

1894–1896

Hotel Karersee, Karerseestraße 141, I-39056 Welschnofen (Im Lauf der Umsetzung dieses



Projekts verlieren sich die Spuren der Zusammenarbeit zwischen Otto Schmid und dem



„Verein für Alpenhotels in Tirol“.398)

1897

Berglhütte der Sektion Hamburg des Deutschen Alpenvereins, Trafoi 19, I-39029 Stilfs399

1896–1899

Hotel Pragser Wildsee, St.-Veit-Straße 27, I-39030 Prags

1900–1902

Hotel Wenter (1950 vor der Flutung des Reschensees abgetragen), I-39027 Graun400

1900–1903

Hotel Kitzbühel, Malinggasse 12, A-6370 Kitzbühel

1904

Kapelle „Zur schmerzhaften Muttergottes“ beim Hotel Pragser Wildsee, St.-Veit-Straße 27,



I-39030 Prags401

1904

Evangelisch-protestantische Kirche Sulden, I-39029 Stilfs402

Um 1911

Bauleitung bei einem Umbau des Hotels Post in Trafoi, I-39029 Stilfs403

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Hotel Trafoi von Otto Schmid, um 1896 (linke Seite) Hotel Trafoi, Prospektgestaltung von Tony Grubhofer, um 1896, wahrscheinlich lithografiert von der Grafik-Werkstatt Chiattone in Bergamo, um 1896

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Tony Grubhofer, Maler, Illustrator und Bildbotschafter des Tourismus Tony Grubhofer (auch: Anton, Toni), geboren 1855 in Innsbruck, gestorben 1935 ebd.404, war verheiratet mit Sophie Zenobio-Albrizzi (biografische Daten unbekannt), der Tochter (Nichte?405) von Elsa Zenobio-Albrizzi aus Venedig, der bereits mehrfach erwähnten Besitzerin von Schloss Enn in Montan. Das Paar hatte einen Sohn und eine Tochter, die wie ihre Eltern hießen (Tony und Sophie406). Mit seiner Frau wohnte Tony Grubhofer zumindest zeitweise im Elsenhof oberhalb von Schloss Enn, den Gräfin Elsa 1891 für ihre Töchter erworben hatte. Inwieweit aber der Maler in den Umbau des Gebäudes von 1891 bis 1894 und die architektonische Gestaltung seines Erscheinungsbilds eingebunden war, lässt sich heute nicht mehr eruieren. Die Heirat von Tony Grubhofer mit der aus wohlhabendem Haus stammenden Sophie ist zugleich der Schlüssel zu seiner finanziellen Unabhängigkeit und seiner aktiven Mitwirkung im „Verein für Alpenhotels in Tirol“. Wie im späten 19. Jahrhundert durchaus üblich, wurden Teile ihres Vermögens in den „Verein für Alpenhotels in Tirol“ investiert, aber ihr Name nur pro forma in die Liste der Mitglieder eingetragen. Tony Grubhofer war der Sohn des Graveurs Norbert Grubhofer und studierte an den Kunstgewerbeschulen in Innsbruck und München. Später wechselte er an die Akademie der Bildenden Künste in München bzw. an die königliche Kunstschule Stuttgart, wo er vom Landschaftsmaler Heinrich Funk (1807–1877) ausgebildet wurde. In Funks Œuvre finden sich z. B. auch in heroisches Abendlicht gehüllte Darstellungen von Gebirgszügen in Tirol und Bayern. Anschließend wechselte er für das Studienjahr 1875/1876 an die Wiener Akademie in die Klasse des Landschaftsmalers Eduard Peithner von Lichtenfels (1833–1913). Grubhofer dürfte von Lichtenfels auch methodisch profitiert haben, denn dieser führte in seinen Werken gerne Tuschezeichnung und Aquarell zusammen. Seine Veduten sind daher von einer scharfen, wirklichkeitsgetreuen Wiedergabe von Orten und der flüchtigen Unschärfe des Aquarells zugleich gekennzeichnet. Grubhofer übernahm und verfeinerte diese charakteristische Mischtechnik, die Lichtenfels schon vor ihm auch für die Anfertigung von Illustrationen in „Schwarz-Weiß“ auf der Basis einer Mischung von schwarzer Tusche und dunkelgrauem Aquarell – manchmal mit weißen Höhungen versehen – herangezogen hatte. Zudem war diese Arbeitsweise auch für Künstler geeignet, die nicht (nur) mit Fotografien als Ausgangsmaterial für ihre Bilder arbeiteten, sondern während ihrer Reisen oder Touren Bilder anfertigten.

Max von Esterle, Tony Grubhofer, Karikatur, aus: Tirols Koryphäen (oben) Tony Grubhofer, Elsenhof oberhalb von Schloss Enn in Montan

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Nach der Ausbildung ließ sich Grubhofer zuerst als freischaffender Künstler in München, später in Wien nieder. Angeblich führten ihn schon damals längere Besuche nach Südtirol.407 Auch ein fast einjähriger Aufenthalt in Venedig bzw. längere Reisen nach London und Paris  folgten – alle auf Einladung von Mäzenen oder Verlegern. In der Lagunenstadt war er z. B. Gast des Marineadmirals und Politikers Ferdinando Acton (1832–1891), der aus einer noblen, ursprünglich britischen Familie stammte.408 In dieser Zeit könnte Grubhofer nicht nur seine spätere Frau Sophie Zenobio-Albrizzi, sondern auch „Henry Perl“ kennengelernt haben. Die österreichische Schriftstellerin Henriette Perl (1845–1915) trat unter diesem Pseudonym auf. Zu ihrem mehrfach übersetzten Band „Venezia“ (Erstausgabe: Wien 1894) steuerte Grubhofer Illustrationen bei. Die Umbenennung von „Toni“ in „Tony“ Grubhofer könnte in Verbindung mit seinen ersten Veröffentlichungen in internationalen Publikationen und unter dem Einfluss von „Kunstfiguren“ wie Henry bzw. Henriette Perl erfolgt sein. Nicht zuletzt fiel diese Art der „Internationalisierung“ von Namen und Markenzeichen auch in die Zeit, in welcher der Schriftzug „Tyrol“ ebenfalls häufig mit „Y“ grafisch umgesetzt wurde. Grubhofer publizierte nicht nur in Büchern, sondern z. B. auch in der „Illustrirten Zeitung“ (Leipzig), der ersten Illustrierten im deutschsprachigen Raum. Die weite Verbreitung des Blattes belegt, wie sehr Bildbotschaften bzw. Bildreportagen gegen Ende des 19. Jahrhunderts – nicht zuletzt auch für die Bewerbung von Reisezielen – an Bedeutung gewannen. Inter­national bekannt wurde Grubhofer ferner durch seine Bildserien für das Kunstmagazin „The Studio“ (London).409 1895 wurde er im monografischen Beitrag „Some Drawings by Tony Grubhofer“ unter anderem zusammen mit mehreren Ansichten von Schloss Enn vorgestellt. Zwei von ihnen zeigen Interieurs  – darunter die gotisierende Raumgestaltung der Jagdstube von Otto Schmid. 1900 veröffentlichte Grubhofer ferner Bilder von Pavillons der Weltausstellung in Paris. Der Anlass für den Aufenthalt des Künstlers in der französischen Metropole war wahrscheinlich das sogenannte „Château Tyrolien“, mit dem sich Tirol im unmittelbaren Umfeld des Eiffelturms präsentierte. 1902 entstanden Veduten aus London, die Grubhofer wie schon die vorhergehenden auf persönliche Einladung des Kunstkritikers und Gründers von „The Studio“, Charles Holme (1848–1923), anfertigte.410 Sophie und Tony Grubhofer und der „Verein für Alpenhotels in Tirol“ Grubhofer war hauptsächlich als Maler und Zeichner von Landschaften und Gebäuden tätig, ihn zeichnete aber eine besondere Affinität zur Architektur aus. Zwar geht nur aus einer Quelle konkret hervor, dass er eigentlich Architekt und nicht Maler werden wollte,411 doch es gibt andere Belege für seinen engen Bezug zum Bauen, etwa seine Mitwirkung im „Verein für Alpenhotels in Tirol“, seine zeitweise Tätigkeit für Musch & Lun und seine „Ausstattung“412 des „Château Tyrolien“ in Paris. Beispielsweise schuf er für Musch & Lun ein eindrucksvolles Schaubild der Villa Hübel in Meran für den Abdruck auf einer Bildtafel in der Zeitschrift „Der Architekt“ (Wien 1899).413 Vor diesem Hintergrund ist anzunehmen, dass sich Grubhofer gerne im Kreis von Architekten mit Entwurfs- und Gestaltungsfragen auseinandersetzte, auch wenn er kein Planer im eigentlichen Sinn war. Zudem könnte das die Freundschaft zwischen ihm und Theodor Christomannos gefestigt haben. Denn dieser befasste sich ebenfalls mit mehr als nur der atmosphärischen Konzeption „seiner“ Berghotels – auch wenn Otto Schmid und Musch & Lun stets die alleinige Urheberschaft an den Projekten für sich beanspruchten. Abschließend veranschaulicht diese Situation nur noch einmal, dass die Berghotels in Südtirol nicht als Werke von Einzelnen betrachtet werden können, sondern als Arbeitsergebnisse einer kleinen Gruppe genauso finanzkräftiger wie kreativer Akteure.

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Gedenkblatt zur 50jährigen Jubelfeier Meran’s als Kurort, Meran 1886

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Tony Grubhofer, Château Tyrolien, Weltausstellung Paris 1900, Postkarte

Zusammen mit Theodor Christomannos, Otto Schmid, Hans Stainer, Sebastian Huber, Josef Riehl und Carl Lun gehörten Tony Grubhofer und seine Frau zu den Gründern des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“. Neben einem Geldbeitrag brachte sich jedes Mitglied aber auch mit seiner eigenen fachlichen Expertise in die Tätigkeitsfelder der Gruppe ein. Nachdem er bereits seit Mitte der 1880er Jahre wie kein Zweiter das Bild des frühen Fremdenverkehrs in Tirol prägte, gestaltete Tony Grubhofer gemeinsam mit Theodor Christomannos die werblichen Auftritte der Berghotel-Entrepreneurships. Hohen Wiedererkennungswert hatten bereits Grubhofers frühe Werke für den Tourismus, das „Gedenkblatt zur 50jährigen Jubelfeier Meran’s als Kurort“ (Meran 1886414) und seine 88 Illustrationen für Anton Edlingers „Aus Deutschem Süden  – Schilderungen aus Meran“ (Meran 1887415). Dabei handelte es sich um einen Band, der aufgrund seiner Beliebtheit sogar noch im 20. Jahrhundert nachgedruckt wurde. Besonders bekannt wurde Grubhofer ferner für seine Illustrationen der Texte „Gossensass“ von Heinrich Noë (Meran 1888) und seine Bildbeiträge für „Sulden–Trafoi“ von Theodor Christomannos (Innsbruck 1895). Später gestaltete er auch den reizvollen Buchschmuck für die Broschüre „Kurort Meran“, „Den Festgästen der 77. Versammlung Deutscher Naturforscher u. Ärzte gewidmet“ (Meran 1905416). Dabei handelte es sich um eine Veranstaltung, die 2.800 Besucher verzeichnete und damit zu den erfolgreichsten gehört, die je in Meran stattfanden.417 Bildbotschafter des Tourismus Zur Arbeitsweise Tony Grubhofers auf dem Gebiet der Werbegrafik zählte neben Aquarell, Tuschezeichnung und Mischtechniken insbesondere die Montage.418 Wahrscheinlich wählte er diese Form der Zusammenschau von Bildern, um optische Eindrücke von einer Reisedestination möglichst facettenreich und aus verschiedenen Blickwinkeln dazustellen. In manche seiner Bildkompositionen inserierte er auch Blumenarrangements und Gedichte, z. B. von Oskar von Redwitz (1823–1891) oder Hermann Gilm (1812–1864)419.

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Tony Grubhofer, Postkarte für das Hotel Pragser Wildsee, um 1900

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Für die oben genannte Broschüre „Kurort Meran“ fertigte er zudem pro Seite einen farbigen Rahmen an, der einer Borte oder einem Zeugdruck auf Stoff glich. Anregungen für die Gestaltung dieser Rahmen bezog er aus Fresken von Schloss Tirol und dem Turm der Meraner Pfarrkirche bzw. aus der Volkskunst. In viele der so gerahmten Seiten bettete er auch kleine Tuschezeichnungen von Landschaften und Gebäuden ein. Tony Grubhofer gilt deshalb als Wegbereiter der Tourismusgrafik, weil er nicht mehr Veduten neben- und aneinanderreihte, sondern die Parallelisierung des exemplarischen Ambientes von Orten und Landstrichen zusammen mit anderen identifikationsbildenden Elementen in die Tiroler Fremdenverkehrswerbung einführte. In dem Zusammenhang ist ferner hervorzuheben, dass er mit seinen Zeichnungen auch zur Identitätsbildung beitrug. Ein Beispiel dafür ist, dass er in seine Bildserien neben historischen Gebäuden auch neue Villen von Musch & Lun in Meran-Obermais integrierte und damit die (optische) Kontextualisierung von Architektur mit „Region“ wesentlich vorantrieb. Selbst eine Abfolge von kleinformatig wiedergegebenen Tuschezeichnungen vermittelte sich wie eine anschauliche „Reise durch ...“, und daher erstaunt es nicht, dass Grubhofers Œuvre als Botschafter der Reisedestination Tirol von Beginn an von einer besonderen Langlebigkeit und einer hohen geografischen Reichweite gekennzeichnet war. Nicht ohne Eigennutz waren Tony Grubhofers Hauptwerke auf dem Gebiet der frühen TourismusWerbegrafik aber den Häusern des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ gewidmet. Besonders bemerkenswert sind hier die Deckblätter für die ersten Berghotel-Prospekte, von denen manche von Gabriele Chiattone (1853–1934) technisch hochwertig farblithografiert wurden. Der in Bergamo, später in Mailand und Lugano ansässige Chiattone war auch selbst auf dem Gebiet der Werbegrafik tätig und könnte mit seinen Bildschöpfungen – z. B. für die Gotthardbahn, für die er auch bemerkenswert abstrakte, in die Montagen integrierte Landkarten und Streckennetze zeichnete – als Ideenspender auf den Tiroler Künstler eingewirkt haben. Um dem Begriff „Alpen-Hotels“ gerecht zu werden, hielt Grubhofer die architektonischen Erscheinungsbilder der Berghotels auf farbintensiven Grafiken fest, in die er auch die markanten Gebirgszüge in ihrer Umgebung integrierte. Diese Panoramen fügte er in aus Blumenmotiven zusammengesetzte Rahmen ein. In Bezug auf die Auswahl der Alpenblumen könnten ihm die sogenannten „Santner-Postkarten“ (siehe Katalogteil, Hotel Karersee) Vorbild gewesen sein. Grubhofer favorisierte Frauenschuh, Türkenbund, Alpenrose, Feuerlilie, Erika und Edelweiß – mehrheitlich Blüten, deren spezifische Rottöne nicht zuletzt auch im Druck besonders realitätsnah zur Geltung gebracht werden mussten. Manchmal verzierte er selbst die ebenfalls von ihm konzipierten Vereinslogos mit Blüten. Dies veranschaulicht erneut, über welche Leitbilder die „Regionalisierung“ der Berghotels erfolgte. Es waren nicht – wie später auch im politischen Sinn – nationalistische Elemente wie die Landesfarben Rot-Weiß, sondern z. B. die viel subtiler gewählte Farbgebung von typischen Alpenblumen. Grubhofer zog diese zusammen mit den topografischen Merkmalen der Hotel-Standorte zur Erzeugung von „ethnischem belonging“ heran. Aus diesem Grund war es auch von so großer Bedeutung, dass die Farblithografien von ausgewiesenen Spezialisten auf ihrem Gebiet drucktechnisch umgesetzt wurden. Obwohl diese Art der Fremdenverkehrswerbung bald von der Fotografie verdrängt wurde, hatte sie den Vorteil, dass der Grafiker im Unterschied zum Fotografen jederzeit in der Lage war, ungünstige Distanzen oder Anordnungen  – z. B. zwischen charakteristischen Stellen in Landschaften und Gebäuden, Sehenswürdigkeiten oder anderen touristisch relevanten Objekten  – optisch auszugleichen. Das war möglicherweise auch einer der Gründe, warum

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gerade die Montage in der Bildgestaltung für touristische Zwecke bis heute in periodischen Abständen „wiederentdeckt“ wurde. Als Wegbereiter der Tiroler Tourismuswerbung und Maler geriet Tony Grubhofer leider in Vergessenheit, sein Gesamtwerk sollte wieder mehr Anerkennung erfahren. Der talentierte Künstler und Werbegestalter leistete aber auch in mehreren Nord- und Südtiroler Kunsteinrichtungen viel. Von 1905 bis 1912 war er Direktor des neu gegründeten Stadtmuseums in Bozen und ab 1906 auch Direktor der dortigen Fachschule für Kunsthandwerk.420 1913 übersiedelte er nach Innsbruck, wo er bis 1919 Direktor der Staatsgewerbeschule war.421 Daneben leitete er die sogenannten „Universitäts-Zeichenkurse“. Nicht zuletzt war Tony Grubhofer Mitglied des Tiroler Künstlerbunds (später Künstlerbund „Heimat“), wo ihn eine enge Freundschaft mit dem Maler Max von Esterle (1870–1947) verband. 1913 wurde er auch Mitglied des neu gegründeten Österreichischen Werkbunds. Wie aus entsprechenden Ansuchen bei der Stadt Bozen hervorgeht, blieb aber Südtirol seine eigentliche Heimat.422

Tony Grubhofer, Entwurf (links) und gedruckter Prospekt für die Achensee-Bahn, undatiert

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Sebastian Huber, Arzt, Kurvorsteher und Politiker in Meran, Vizepräsident des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ Sebastian Huber, geboren 1852 in Forst bei Marling, gestorben 1934 in Meran, studierte an den Universitäten Innsbruck, Würzburg und Wien Medizin. 1880 schloss er seine Studien ab und heiratete Margarethe von Pircher (biografische Daten unbekannt), die Tochter des langjährigen Meraner Bürgermeisters und Kurvorstehers Dr. Josef von Pircher. Anschließend eröffnete Sebastian Huber eine Arztpraxis in Meran, parallel dazu war er ab 1884 Gemeindearzt in Marling und 42 Jahre lang „Bahnarzt“ der Bozen-Meraner-Bahn. 1887 wurde er auch politisch aktiv, zuerst als Mitglied des Gemeindeausschusses von Meran, später (bis 1922) als Gemeinderat und ab 1908 für zwei Wahlperioden als Abgeordneter in den Reihen der Deutschfreiheitlichen im Tiroler Landtag – genauso wie Theodor Christomannos, der ab 1905 Landtagsabgeordneter in derselben Fraktion war. 1899 wurde Sebastian Huber ferner Kurvorsteher in Meran – ein Gremium, dem er bis zu dessen Auflösung im Jahr 1923 angehörte.423 Darüber hinaus war der vielseitig interessierte Arzt und Politiker in verschiedenen Gemeinde-Ausschüssen und -Komitees tätig, etwa im Sanitäts-, Spitals-, Bau- und RealschulKomitee sowie in der Wasser-Kommission.424 Verdienstreich war nicht zuletzt auch seine Mitwirkung in Vereinigungen wie der Meraner Sparkasse und der Bezirkskrankenkasse sowie in mehreren gemeinnützigen Organisationen.425 Während des Ersten Weltkriegs bekleidete er das Amt eines Chefs- bzw. Stabsarztes im Meraner Notreservespital Nr. 1.426 „Aber auch als Mensch […] hat sich Dr. Huber, der es (auch heute noch) nie scheut, auch die ärmsten der Patienten gleich zu behandeln wie alle anderen, die Beliebtheit und Achtung der gesamten Bevölkerung des Burggrafenamtes erworben.“427 Mit dieser Haltung fügte sich Sebastian Huber gut in das Bild der Zeit, in der sich vermehrt bildungsbürgerliche Eliten im Sinn von Fortschritt und Gemeinwohl auf regionaler Ebene einsetzten. Wie bereits an anderer Stelle in diesem Buch beschrieben, kann man nicht zuletzt auch mehrere Wiener Mediziner als auch so bezeichnete „middling provincials“428 betrachten – als Bürger, die mit ihrem Wissen um die Verbreitung von Krankheiten z. B. auf die Stadtplanung Einfluss nahmen. Möglicherweise brachte Sebastian Huber Erfahrungen aus seiner Studienzeit in Wien mit, wenn er sich insbesondere auf den Gebieten Hygiene und Sanitätswesen mit der Modernisierung Merans befasste. Sein Engagement galt hier der Erweiterung der Wasserwerke und der Errichtung einer Hochquell-Leitung, ferner der Optimierung der städtischen Kanalisation. Zudem war er in die Planung und den Bau des Kurhauses, des Schlachthauses, des öffentlichen Krankenhauses und des Stadttheaters involviert  – um an dieser Stelle nur einige der Bauprojekte zu nennen, in deren Realisierung er involviert war. Nicht zuletzt soll Sebastian Huber als Kurvorsteher zum Ausbau des Tappeinerwegs und der Passerpromenaden sowie zur Errichtung von (leider nicht weiter genannten) „Höhenstraßen“ beigetragen haben. Als Anerkennung für seine Verdienste wurde er mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Titel Medizinalrat.429 Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass Sebastian Huber nur deshalb für Kurwesen, Tourismus und Gemeinwohl in Meran so viel bewirken konnte, weil er über besonders gute Kenntnisse der neuesten Entwicklungen im Sanitätsbereich verfügte. Zusammen mit Gleichgesinnten – darunter Carl Lun und Hans Stainer – ebnete er den Weg für den Transfer

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Musch & Lun, Villa Waldhaus für Dr. Sebastian Huber beim Hotel Karersee, Foto um 1925

von Innovationen und Know-how aus Großstädten wie Wien oder München in die Südtiroler Kleinstadt. Dafür benötigten Akteure wie er auch besonders gute regionale und überregionale Netzwerke, die sie bei Bedarf mit anderen teilten. Auf diese Weise kreuzten sich immer wieder die Wege jener Persönlichkeiten, die für einen sozioökonomischen Wandel im Südtirol des ausgehenden 19. Jahrhunderts eintraten. Zu ihnen zählte nicht zuletzt auch Theodor Christomannos, der wohl nicht zufällig an der Mitwirkung eines bekannten Kurarztes an „seinen“ Berghotel-Entrepreneurships interessiert war. Die genaue Rolle von Sebastian Huber in Verbindung mit der Gründung des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ und der architektonischen Gestaltung der ersten Hotels lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Er fungierte aber unmittelbar an der Seite von Theodor Christomannos als dessen langjähriger Vizepräsident – wodurch sich abermals zeigt, dass jeder Akteur im engmaschigen Netzwerk der Berghotel-Unternehmen zugleich als Investor und Experte auf einem mit den Gründungen zusammenhängenden Gebiet war. Sebastian Huber dürfte Kurgästen und Patienten einen Aufenthalt in den Häusern des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ empfohlen haben – ganz nach dem Vorbild der in diesem Buch bereits genannten Mediziner, die ebenfalls aufgrund ihres ärztlichen Rats viel zur Entstehung und zum Erfolg von Kurzentren und Reisedestinationen beitrugen.430 Alle Betriebe des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ warben ab ihrer Eröffnung mit dem Slogan „Arzt im Haus“ – leider hinterließ aber nur Sebastian Huber nachweisbare Spuren. Er verbrachte den Sommer außerhalb der Kursaison am Karersee, und wenn er von dort nach Meran zurückkehrte, schaltete er in den Zeitungen Annoncen, in denen er die Wiedereröffnung seiner Praxis bekanntgab. 1901 ließ sich der Kurarzt nach Entwürfen von Musch & Lun in der Umgebung des Hotels ein Sommerrefugium errichten. In der auf einem hoteleigenen Grundstück gelegenen Villa Waldhaus befanden sich auch eine Ordination und getrennt davon eine Kuranstalt (wahrscheinlich für Kaltwasserkuren) sowie ein Kiosk.431

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Es ist anzunehmen, dass der Mediziner schon früher die Erfahrung machte, dass manche Gäste ihren Ärzten in die Sommerfrische nachreisen. Einen möglichen Hinweis darauf gibt der Josefsberg oberhalb von Marling, in dessen Besitz Sebastian Huber über seinen Schwiegervater gelangte und der bis 1906 ein beliebtes Ausflugsziel war.432 Der dortige Kurbetrieb war ursprünglich an ein Kloster angeschlossen. Nach dessen Säkularisierung 1786 wechselte der Josefsberg mehrmals den Eigentümer. Sebastian Huber revitalisierte den Kurbetrieb, vergrößerte das Gebäude, vermietete dort zum Teil ganze Wohnungen und das Restaurant und ließ von Musch & Lun den Zufahrtsweg ausbauen.433 Damit sollte hauptsächlich den Kurgästen aus Meran die Anreise erleichtert werden.434 Vermutlich verbrachte der Mediziner zuerst seine Sommerfrische am Josefsberg und wechselte erst nach der Eröffnung des dortigen Hotels an den Karersee. Der „Verein für Alpenhotels in Tirol“ unterhielt parallel zur Kuranstalt Sebastian Hubers mit dem Weisslahnbad in Tiers auch ein eigenes Kurzentrum im Umfeld des Karersees. Ein dort bereits bestehendes „Bauernbadl“ wurde (möglicherweise auf Anregung seines Vizepräsidenten) erworben und von Musch & Lun vergrößert. Im Unterschied zum nahegelegenen Hotel Karersee sollten hier aber einfachere Gäste einen Kuraufenthalt verbringen. Siehe dazu auch im Katalogteil dieses Bandes. Parallel zu diesen Aktivitäten führte Sebastian Huber gemeinsam mit seiner Frau die Pension Neuhaus in Meran. Hier hatte er auch seine eigentliche Kurarztpraxis. Zusätzlich war er (zeitweise?) Pächter der Badeanstalt im Meraner Kurhaus.435 Die Pension hatte eine besonders gute Lage im Zentrum der Stadt zwischen dem Rennweg, dem Stadttheater und den Promenaden an der Passer. 1889 erwarb Huber ein bestehendes Gebäude aus einer Versteigerung und ließ es mit den Jahren von Musch & Lun aufstocken und erweitern.436 Damit zählte er zu den treuesten Kunden des „Bureaus für Architektur und Ingenieurbau“ in Meran.

Hans Stainer, Jurist und Wirtschaftsexperte Hans Stainer, geboren 1854 in Meran, gestorben 1930 ebenda, studierte Rechtswissenschaft in Innsbruck.437 Er war ein Studienkollege von Theodor Christomannos.438 Nach Abschluss des Studiums kehrte er nach Meran zurück und arbeitete als Rechtskonzipient. In den 1880er Jahren eröffnete er eine eigene Kanzlei, die sich „dank seiner beruflichen Tüchtigkeit einer umfangreichen Klientel“ erfreute. Diese führte er bis 1925. Heute würde man sagen, Hans Stainer hatte ein besonderes Interesse für Regionalentwicklung und beteiligte sich deshalb an der Gründung von mehreren innovativen Einrichtungen. Er war Mitglied im Meraner Gemeinderat (auch als Obmann des „Baukomitees“ und des Finanzausschusses), ferner Obmann des dortigen „Theater-Komitees“ (heute: Teatro Puccini) und des „KurmittelhausKomitees“. Darüber hinaus war er Gründungsmitglied des Meraner Museumsvereins. Sein Hauptanliegen war aber die wirtschaftliche Modernisierung Merans und Südtirols. Ab 1891 wirkte er in der von ihm mitinitiierten Sparkasse Meran mit (ab 1903 im Verwaltungsrat, ab 1909 als Vizepräsident und von 1919 bis zu seinem Tod als Präsident). Nicht zuletzt war Stainer aber Mitbegründer und Kassier des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“. In Verbindung mit mancher Unternehmung von Theodor Christomannos nahm Hans Stainer eine besondere Rolle ein. Über seine Kanzlei gelangte Christomannos zu Hinweisen über das sogenannte „Hoffmann’sche Legat“, das letztlich die Inangriffnahme des Baus der Suldenstraße bewirkte. Auf den Juristen dürfte auch die Idee zurückgehen, die Berghotels in Trafoi und am Karersee auf der Basis eines taktisch versiert „konstruierten“ Vereins

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anstelle einer Gesellschaft zu betreiben. Als Rechtsanwalt vertrat Hans Stainer den „Verein für Alpenhotels in Tirol“ auch nach dem Brand des Hotels Karersee am 15. August 1910. Es gelang ihm, eine Reihe von Schadenersatzklagen vor Gericht abzuwenden. Siehe dazu den entsprechenden Abschnitt dieses Buches.

Josef Riehl, Ingenieur, „Landes-Bohrwurm“ und Entrepreneur Josef Riehl, geboren 1842 in Bozen, gestorben 1917 in Innsbruck, war ein Ingenieur, der wie kein zweiter das Verkehrswesen in Tirol prägte.439 Viele seiner mit besonderer Weitsicht geplanten Bahnstrecken, Elektrizitätswerke und Straßen sind – auch nach laufenden Adaptierungen – bis heute in Verwendung. Manche von ihnen stehen unter Denkmalschutz. In diesem Buch wurde bereits an mehreren Stellen hervorgehoben, dass Eisenbahn und Straßenbau eine fundamentale Rolle in der Entstehung des Fremdenverkehrs zukam. Josef Riehl hatte wesentlichen Anteil an diesem Entwicklungsprozess, an der Umsetzung von Berghotelprojekten wirkte er jedoch nur indirekt mit. 1895 war er zwar unter den Mitbegrün­ dern und im Ausschuss des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“440 und realisierte zusammen mit Musch & Lun von 1902 bis 1904 mit dem Hotel Stubai in Fulpmes auch ein „Alpenhaus“441, doch überwiegend suchte er lediglich, das Hotelwesen in ausgewählten Bergregionen „durch Werbung und Beteiligung das Zustandekommen neuer Anlagen zu fördern“.442 Das Hotel Stubai war kein Mitgliedsbetrieb des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“, im Rahmen seiner Entstehung stand die Nutzung anderer Synergien im Vordergrund. Das bei der Endstation der ebenfalls von Josef Riehl realisierten Stubaitalbahn errichtete Gebäude wurde von dem im Hotelbau erfahrenen „Bureau“ Musch & Lun nach dem Kompositionsschema des bereits erfolgreichen Hauses am Karersee entworfen und fast zeitgleich mit dem am Brenner erbaut. Der hier tätige Bauleiter war Josef Lun, der mit den Arbeitsabläufen in den Büros von Musch & Lun und Josef Riehl vertraut war. Er starb 1904 infolge eines Unfalls auf dem Weg zur Baustelle. Nicht zuletzt war es auch Tony Grubhofer, der die ersten Illustrationen für die Bewerbung der touristischen Entrepreneurship in Fulpmes anfertigte.

Max von Esterle, Josef Riehl als „Landes-Bohrwurm“, Karikatur, aus: Tirols Koryphäen

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Musch & Lun, Hotel Stubai, Fulpmes, um 1915

Ein weiteres Projekt, bei dem sich die Wege Josef Riehls mit denen der Ingenieure Carl und Josef Lun kreuzten, war der Karersee, wo die von Riehl geplante Teilstrecke der Dolomitenstraße zur selben Zeit erbaut wurde wie das dortige Hotel. Leider erschließen sich die Effekte, die sich durch dieses zeitliche Aufeinandertreffen der zwei „Großbaustellen“ in den Dolomiten ergaben, nur andeutungsweise im umfassenden Beitrag von August Prokop (1838–1915)443. Josef Riehl war der Sohn eines Bozner Gastwirts, der aus dem Elsass stammte und über Augsburg nach Südtirol gekommen war. Sein Vater besaß unter anderem den „Goldenen Hirschen“, den er zusammen mit seiner Frau Maria, geborene Pechlaner und ihrerseits Bozner Wirtstochter, führte. Sein Studium absolvierte er am Polytechnikum Karlsruhe, einer der führenden Technischen Hochschulen der Zeit, und begann nach dem Tod des Vaters seine Laufbahn als Ingenieur. Ab 1864 war er Mitarbeiter der Südbahn-Gesellschaft und wirkte am Bau der Brennerstrecke unter Karl von Etzel (1812–1865), der Pustertalbahn und der Ungarischen Nordbahn mit. 1873 kehrte Riehl nach Tirol zurück und heiratete die Innsbruckerin Rosa von Schidlach. Die Geburt einer Tochter folgte. Riehl baute allein in Nordtirol 250 km Bahnlinie und stellte mit der Errichtung der Kraftwerke Brennerwerk bei Matrei am Brenner (1898, in Zusammenarbeit mit Oskar von Miller), Obere Sill (1901–1903) und Ruetzwerk (1909–1912) auch die Weichen für die Elektrifizierung des Landes. Bereits auf diesem Gebiet erfolgreich, plante er ferner für die Stadt Brixen das Rienzwerk (1905) und im Auftrag der Etschwerke das Schnalstalwerk (1909–1912) – die Hochbauten für dieses Werk stammten von Musch & Lun.444 Darüber hinaus wirkte der umtriebige Ingenieur aber auch als wendiger Entrepreneur. Ihm gelang es nämlich, insbesondere Krisensituationen für die Entwicklung neuer Betätigungsfelder zu nützen. Als infolge des Wiener Börsenkrachs 1873 der Eisenbahnbau zum Erliegen kam, sattelte Riehl auf die Steingewinnung um und erschloss Steinbrüche, z. B. in Sterzing, Laas und Mori. Nach verheerenden Wasserkatastrophen in Süd- und Osttirol 1882 wirkte er bei der Regulierung großer Strecken von Eisack, Rienz und Drau mit. Erst danach spezialisierte er sich auf den Bau von Elektrizitätswerken – dies nicht zuletzt auch, weil die gewonnene Energie für

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den Betrieb von Zügen, die Innsbrucker Straßenbahnen und die ebenfalls von Riehl initiierten Lokalbahnen nach Igls (1899/1900) und ins Stubaital (1903/1904) genutzt werden konnte. Die 1906 zunächst auf eigene Kosten errichtete Hungerburgbahn und die Rittnerbahn (1908) stellen weitere Pionierleistungen im Fremdenverkehr dar. Riehl war unter den wenigen, die schon vor dem Ersten Weltkrieg erkannten, dass die Zukunft des Tourismus in der Erschließung höherer Gebirgsregionen als bisher liegen würde. Es war ihm nur nicht mehr vergönnt, nach den Anfängen auf dem Gebiet des Standseilbahnbaus auch Schwebeseilbahnen – z. B. im Stubaital oder auf die Innsbrucker Nordkette – zu verwirklichen. Von Riehls Einstellung zu Gemeinwohl und Unternehmertum zeugt überdies, dass er sich viele seiner Bauvorhaben nur auf der Basis von Pauschalhonoraren vergüten ließ. Von 1910 bis 1913 konzipierte er die Mittenwaldbahn (Karwendelbahn) als erste elektrische Vollbahn Österreichs. Die Streckenführung gilt noch heute als Meisterleistung des Ingenieurbaus in den Alpen, weil zwischen Innsbruck und Scharnitz aufgrund der schwierigen Geländesituationen der Bau von 16 Tunneln sowie von 18 Brücken und Viadukten erforderlich war. 1912 wurde der Bahnverkehr zwischen Innsbruck und Mittenwald aufgenommen, 1913 war auch die Strecke zwischen Garmisch und Reutte fertiggestellt. Auch wenn hier nur einige der Projekte angeführt werden können, die Josef Riehl planen und bauen konnte, erschließt sich, warum er als „Eisenbahnvater Tirols“ in die Geschichte einging. Bleibt noch zu erwähnen, dass sein zweiter Beiname „Landes-Bohrwurm“ auf den Künstler Max von Esterle zurückgeht, der den Ingenieur in seinem bekannten Karikaturen-Album „Tirols Koryphäen“ verewigte  – in dieser „Pinakothek“ wichtiger Tiroler um 1900 finden sich übrigens auch Theodor Christomannos und Tony Grubhofer. Ab 1908 war Josef Riehl im Gemeinderat von Innsbruck. Über seine Verbindung zur Politik hieß es aber auch, dass ihm der häufig mit seinen Projekten einhergehende Streit  – insbesondere im südlichen Landesteil  – „viel mehr Kopfzerbrechen gemacht [hat, Anm.], als die Ueberbrückung mancher Schlucht oder die Bezwingung verschiedener Felshänge“.445 Er war eine vielfach geehrte Persönlichkeit. Unter anderem war er Ehrenbürger der Gemeinden Fulpmes, Seefeld, Lermoos, Ehrwald und Innsbruck (1907), die Technische Universität Wien verlieh ihm die Ehrendoktorwürde und 1904 wurde er mit dem Franz-Josefs-Orden und dem Titel k. k. Oberbaurat ausgezeichnet. 1916 übergab Josef Riehl sein Unternehmen an Karl Innerebner (1870–1970) und August Mayer (biografische Daten unbekannt), die der Firma später den Namen Innerebner & Mayer gaben.446 Nachdem seine einzige Tochter vor ihm verstarb, vermachte er einen Großteil seines Vermögens der Stadt Innsbruck bzw. den Orten, deren Ehrenbürger er war.

Carl Lun und das „Bureau für Architektur und Ingenieurbau Musch & Lun“ in Meran Carl Lun, geboren 1853 in Bozen, gestorben 1925 in Meran, war ein einflussreicher Ingenieur, Bauunternehmer, Politiker und Entrepreneur.447 Nach einer anfänglich losen Zusammenarbeit mit seinem Schwager, dem Architekten Josef Musch (1852–1928), entstand um 1880 Musch & Lun. Dabei handelte es sich um ein „Bureau für Architektur und Ingenieurbau“, das ab 1887 durch eine „Fabrik von bautechnischen Artikeln, Kunst- und Möbeltischlerei“ in der Meraner Schießstandstraße erweitert wurde.448 Parallel dazu wurde Carl Lun schon ab der ersten Hälfte der 1880er Jahre in Meran auf gemeindepolitischer Ebene tätig und verschrieb sich der „Fortentwicklung des Kurwesens als Quelle des Wohlstands“449. Bereits in dieser Zeit

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kreuzten sich seine Wege mit denen so wichtiger Mitstreiter wie Sebastian Huber und Hans Stainer. Unter anderem war er von 1893 bis 1908 im Gemeindeausschuss von Meran, ab 1897 im Verwaltungsrat der Etschwerke und später der Rittner Bahn. Darüber hinaus war er in den 1890er Jahren im Vorstand der Bezirkskrankenkasse Meran und von 1902 bis 1923 im Gewerbeausschuss der Bozner Handels- und Gewerbekammer.450 1905 erhielt er den Titel „Baurat“, ab 1923 war er Ehrenbürger von Meran. Nicht zuletzt gehörte er 1908 zusammen mit Josef Musch zu den Mitbegründern der Ortsgruppe Meran des Bundes für Heimatschutz in Tirol. Infolge seiner vielseitigen haupt- und nebenberuflichen Betätigungsfelder verfügte Carl Lun über weitreichende Kontakte, die er zugleich für die Modernisierung Merans und Südtirols und den Aufbau von privaten Entrepreneurships einsetzte. 1895 entstand in einem Kreis Gleichgesinnter der „Verein für Alpenhotels in Tirol“, den er maßgeblich steuerte. In der Öffentlichkeit entstand auf diese Weise das Bild, Carl Lun habe sich insbesondere für das Gemeinwohl eingesetzt. Tatsächlich war er aber ein taktisch agierender „Ingenieur“, der manches gemeinnützige Engagement zugleich in lukrative Geschäfte für sein „Bureau“ zu verwandeln verstand. Biografisches und Familienstruktur Carl Lun war der Sohn des Bozner Weinhändlers und Bürgermeisters Alois Lun (1805–1877).451 Seine Mutter Rosa, geborene Mumelter (1819–1900), gebar zwölf Kinder, von denen drei früh starben. Er besuchte Gymnasien in Bozen und Brixen bzw. die bekannte Stella Matutina in Feldkirch. Von 1872 bis 1877 studierte er zuerst am Polytechnikum in München und dann in Wien. Ursprünglich wollte er die Laufbahn eines Staatsingenieurs einschlagen und absolvierte dafür von 1878 bis 1880 ein Praktikum bei der Bezirkshauptmannschaft Bozen. Zur beruflichen Karriere als Beamter kam es aber nicht, weil er zusammen mit Josef Musch von Bozen nach Meran übersiedelte. „Die beiden tüchtigen Baufachmänner entwickelten hier unter günstigen Zeitverhältnissen eine rege Bautätigkeit.“452 Hinter Musch & Lun verbarg sich nicht nur eine Unternehmens-, sondern auch eine komplexe Familienstruktur. Nachdem Carl Lun nämlich unverheiratet blieb, vererbte er das „Bureau“ zwei Neffen. Seine zwei älteren Schwestern Antonia (1848–1939453) und Maria (1851–?) ehelichten zwei Söhne des Bozner Eisenhändlers Bernhard Musch (biografische Daten unbekannt). Antonia wurde die Frau des Bozner Ingenieurs Bernhard Musch (gestorben 1880), und Maria 1881 die des Architekten Josef Musch. Wahrscheinlich um 1910, nach dem Ausscheiden von Josef Musch aus der Firma, trat ein Sohn Antonias in das Meraner „Bureau“ ein. Die langjährige Tätigkeit von Architekt Oskar Musch (1878–1972) für Musch & Lun war zugleich einer der Gründe, weshalb der Firmenname so lange in Verwendung blieb. Ab 1927 übernahm er überdies zunehmend eine führende Rolle in der Nachfolgeinstitution des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“. Carl Luns jüngere Schwester Josefine (1857–?) heiratete den Weinhändler Jakob Matthäus Kinkelin (biografische Daten unbekannt) aus Romanshorn am Schweizer Ufer des Bodensees. Obwohl ihr Sohn Alexander (1886–1955) die École Agricole in Neuchâtel besucht hatte, trat auch dieser Neffe Carl Luns in die Firma ein. Musch & Lun wurde wahrscheinlich aber erst nach dem Tod von Oskar Musch in Kinkelin umbenannt.

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Josef Musch Josef Musch, geboren 1852 in Bozen, gestorben 1928 in Knittelfeld, Steiermark. Über die Schulund Studienzeit von Josef Musch ist aus einem Nachruf nur so viel bekannt, dass er sich nach seinen Studien in Basel und Wien in der weiten Welt „umgesehen“ habe.454 Es bleibt offen, ob er ein Polytechnikum besuchte oder in die Lehre ging. Aber er konnte sich Architekt nennen, weil der Berufstitel damals noch nicht geschützt war. Wie aus vielen Zeitungsmeldungen hervorgeht, war Josef Musch in mehreren geselligen Vereinen aktiv, unter anderem war er 45 Jahre lang Mitglied im Schützenverein, davon dreißig Jahre im Vorstand bzw. Ehrenmitglied des Meraner Schießstands. Er war ein ausgezeichneter Schütze und gewann 1890 den „Kaiserbecher“ beim Großen Bundesschießen in Berlin. Überdies dürfte er – wie schon sein Vater – besonders musikalisch gewesen sein. Er spielte „vorzüglich“ Klavier und war „wiederholt“ 1. und 2. Chormeister beim Männergesangsverein Meran (später auch Ehrenmitglied des Männergesangsvereins). Josef Musch war Vater von zwei Söhnen und zwei Töchtern. Die Söhne wurden Ingenieure in Wien bzw. Strelitz, eine der beiden Töchter heiratete einen Arzt namens Mayersbach in Knittelfeld, dessen Nachfahren heute in Innsbruck ansässig sind.455 Die Familie besaß ein Ferienhaus in Kohlern oberhalb von Bozen.456 Die Zusammenarbeit von Carl Lun und Josef Musch endete 1910.457 Josef Musch eröffnete ein eigenes Architekturbüro, das jedoch schon 1913 in Konkurs ging.458 Seinen Lebensabend verbrachte er bei seiner Tochter in der Steiermark. In einer Fotosammlung in Familienbesitz wurde eines der seltenen Porträts von Josef Musch mit dem mehrdeutigen Vermerk versehen: „Er hat sein Leben verspielt.“ Dennoch dürfte er vor allem in der Anfangsphase viel zum Erfolg des „Bureaus“ beigetragen haben. Während dieser Zeit war er wahrscheinlich der eigentliche Chefarchitekt. Zu seinen Hauptwerken zählten vor allem viele Privathäuser459, darunter die Villa Musch & Lun460 in der Meraner Burggrafenstraße, wo im gesamten Hochparterre das „Bureau“ eingerichtet war, und seine eigene Villa Musch in der Maiastraße, die noch heute zu den schönsten in Meran-Obermais zählt.461 Nachdem Musch & Lun schon ab 1882 im Hotelbau tätig war, ist darüber hinaus anzunehmen, dass Josef Musch z. B. auch an der architektonischen Gestaltung des Hotels Austria (heute: Hotel Adria462) in Meran-Obermais mitwirkte. Dennoch bleibt sein Anteil an den Entwürfen der eigentlichen Berghotels offen. Er scheint auch nicht unter den Mitgliedern bzw. späteren Gesellschaftern des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ auf. Musch & Lun Carl Lun und Josef Musch kannten sich schon seit ihrer Jugend. In einem Bericht aus dem Jahr 1875 werden die beiden als „Eleven“ bezeichnet, die zur Bozner Kunstausstellung „prachtvolle“ Baupläne zu einem Konzertsaal beisteuerten. Wie sehr die Qualität ihrer Arbeiten schon damals gewürdigt wurde, zeigt sich daran, dass sie gleichrangig neben denen von Wilhelm von Flattich gezeigt wurden.463 Um 1881 übersiedelten sie in die prosperierende Kurstadt Meran und traten hier mit zwei bemerkenswerten Aktivitäten in Erscheinung. Zusammen mit einem dritten Investor kauften sie in Meran-Obermais das sogenannte Waldergut und bebauten es mit

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Musch & Lun, Hotel-Pension Austria (heute: Hotel Adria) für Ferdinand Langguth, Meran, Hauptansicht 1885

mehreren Objekten, darunter dem Hotel Austria.464 „Ein besseres Terrain für ihre Bauthätigkeit hätten die beiden Herren kaum wählen können“, schrieb dazu ein Lokalmedium.465 Aus demselben Jahr ist ferner ein „Stadt-Erweiterungs-Plan für Meran“ erhalten, auf dem das an die Altstadt grenzende Gebiet zwischen Rennweg und Bahnhof festgehalten ist.466 Es heißt, dass ihn Josef Musch kostenlos ausgearbeitet habe, er wurde aber auch von Carl Lun unterzeichnet. Das Konzept für die Stadterweiterung ist deshalb bemerkenswert, weil hier mit roter Tusche bereits die Grundformen der Baukörper eingezeichnet wurden, deren Verwirklichung die beiden ins Auge fassten. Rückblickend betrachtet, gehört dieser Entwurf zu den erstaunlichsten Blättern von Musch & Lun, denn eine Vielzahl der zu diesem frühen Zeitpunkt hier abgebildeten Bauvorhaben wurde bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs tatsächlich verwirklicht. Zu den frühen, in diesem Stadterweiterungsgebiet realisierten Bauten zählten die heute nicht mehr existierende Andreas-Hofer-Kaserne467 und das Hotel Habsburgerhof (heute: Hotel Bellevue)468. Nach dem Steuerregister von Meran war das „Bureau“ von Musch & Lun in seiner Frühzeit keine Firma oder Gesellschaft im eigentlichen Sinn, denn Josef Musch und Carl Lun hatten getrennte Steuernummern.469 Über die Gründung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung „J. Musch & C. Lun“ um 1906 liegen kaum Informationen vor.470 Unter dem Einfluss der sich nach dem Wiener Börsenkrach in den 1880er Jahren erholenden Wirtschaft und begünstigt durch den florierenden Kurtourismus in Meran entwickelte sich Musch & Lun rasch zu einem dominierenden „Bureau für Architektur und Ingenieurbau“. Zusätzlich erfolgte 1887 die Gründung einer Bau- und Möbeltischlerei in der SchießstandStraße in Meran, die „in allen Kategorien“471 der Holzbearbeitung tätig war und bald über eine technisch innovative Ausstattung auch zur Metallverarbeitung verfügte.472 Vermutlich gab es klare geografische Abgrenzungen unter den einschlägig tätigen Firmen, denn das „Bureau“ war z. B. kaum in Bozen aktiv. Zu den wesentlichen Arbeitsgebieten von Musch & Lun gehörten Hotels, Pensionen und Villen samt Innenausstattung. In einem geringeren Umfang wurden auch Tiefbauprojekte wie die Suldenstraße bzw. Gewerbebauten realisiert. Das „Bureau“ setzte auch nicht nur eigene Projekte um, manche Bauvorhaben entstanden nach den Entwürfen externer Architekten oder Musch & Lun wurde lediglich als ausführende Baufirma beauftragt. Das in Familienbesitz befindliche Musch & Lun Archiv umfasst ca. 8.600 Einzelblätter, die ca. 340 Bauten und Projekten zuordenbar sind. Doch nur zu den

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Musch & Lun, Stadterweiterungsplan für Meran, 1881. Mit roter Tusche wurden die Grundformen der Baukörper eingezeichnet, deren Verwirklichung Josef Musch und Carl Lun ins Auge fassten

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wenigsten finden sich hier Zusatzinformationen, z. B. über die entwerfenden Architekten, die Kosten oder die Arbeit auf Baustellen. Der anschauliche Bericht über die Errichtung des Hotels Karersee stellt in dieser Hinsicht überhaupt eine der wenigen Quellen aus dem 19. Jahrhundert dar, weshalb er in diesem Buch zur Gänze wiedergegeben wird. Es ist heute nicht mehr möglich, die Mitarbeiterzahl im Büro von Musch & Lun zu eruieren. Gemessen an der Größe des Zeichensaals in der Villa Musch & Lun dürfte sie aber nicht besonders groß gewesen sein. Das ist deshalb nicht verwunderlich, weil man die Arbeitsabläufe in einem damaligen Architekturbüro nicht mit denen von heute vergleichen kann. Manche Blätter im Musch & Lun Archiv legen überdies den Schluss nahe, dass im „Bureau“ häufig Schul- bzw. Studienabgänger als Bautechniker und -praktikanten beschäftigt wurden. Beispielsweise verbrachten die später in Nordtirol tätigen Architekten Theodor Prachensky (1888–1970) und Franz Baumann (1892–1974) – die beide keine Universitäten besuchten – prägende Lehrjahre bei Musch & Lun vor dem Ersten Weltkrieg.473 Musch & Lun zählt zu den „Bureaus für Architektur und Ingenieurbau“, denen wesentliche Schritte bei der Modernisierung Merans um 1900 zu verdanken sind. Bedingt durch den prosperierenden Kurtourismus musste die Gemeinde neben dem Verkehrswesen vor allem in die Hygiene (z. B. im Bereich der Trinkwasserversorgung und der Tierschlachtung) und die Krankenversorgung investieren. Parallel dazu entstanden Vergnügungseinrichtungen wie Wege und Promenaden, das Meraner Stadttheater und das neue Kurhaus. Carl Lun war in viele dieser Bauvorhaben eingebunden. Aufgrund der großen wirtschaftlichen Bedeutung der Projekte mussten diese dem neuesten Stand der Zeit entsprechen, weshalb in ihrem Vorfeld Informationsreisen unternommen wurden. Die Ergebnisse der Recherchen wurden meistens von Musch & Lun  – manchmal zusammen mit fertig ausgearbeiteten und kalkulierten Projekten – veröffentlicht. Auf diese Weise gelang es Carl Lun, im öffentlichen Bauwesen eine tonangebende Rolle einzunehmen. Doch die Tatsache, dass er das auf den Reisen generierte Know-how in profitable Geschäfte für sein eigenes „Bureau“ verwandelte, sorgte auch für viel Unmut. Beispielsweise war seine Dominanz in Bauangelegenheiten 1907 ein vieldiskutiertes Thema in der Stadt und es wurden Stimmen laut, dass die Handwerker vor Baurat Lun „knicksen müssen“, um Aufträge zu erhalten.474 Die Entrepreneurships von Carl Lun und Mitstreitern wie Josef Riehl waren zugleich innovativ und auf besonders lange Zeiträume ausgelegt. Verglichen mit Projekten von Politikern und Unternehmern von heute, die Einsatz und Profit bezogen auf Wahlperioden, Jahre oder maximal eine Generation kalkulieren, zeichnete die „Ingenieure“ des 19. Jahrhunderts aus, dass sie Vorhaben realisierten, die manchmal erst nach Jahrzehnten Renditen abwarfen. Ein wichtiges Beispiel dafür war der Bau des Kraftwerks Töll mit der Errichtung eines Stromverbundnetzes im Landstrich zwischen Bozen und Meran in Zusammenarbeit mit Oskar von Miller (1855– 1934) aus München. Musch & Lun steuerte zu seiner Verwirklichung die Hochbauten bei und Carl Lun gehörte 1897 zu den Mitbegründern der Etschwerke.475 Das Projekt wurde zu einer Zeit in Angriff genommen, in der noch nicht einmal feststand, zu welchem Preis man Strom anbieten konnte  – z. B. um Handwerker und Gewerbetreibende nicht a priori davon abzuhalten, sich für diese revolutionierende Form der Energie und die damit verbundenen Arbeitserleichterungen zu interessieren. In diesem Zusammenhang ist in Südtirol auch weitgehend unbekannt, dass 1898 die ca. 30 Kilometer lange Talebene zwischen Bozen und Meran weltweit zu den ersten Regionen gehörte, die elektrifiziert wurden.476

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Musch & Lun, Gitter für einen Personenaufzug

Berghotels und technische Innovationen Technische Innovationen spielten auch im Hotelbau eine besondere Rolle  – nicht zuletzt weil viele Hotels anlässlich von Weltausstellungen errichtet wurden, bei denen ebenfalls die Präsentation der „Wunder“ des Industriezeitalters im Zentrum stand. Ganz dem Fortschrittsdenken der Zeit entsprechend, gehörten daher Hotels zu den ersten Bauten in Europa, die z. B. über elektrisches Licht, Aufzüge und die ersten Zentralheizungssysteme verfügten. Roland Flückiger-Seiler, der mehrere Bücher über die Entwicklung der Hotelarchitektur in der Schweiz herausgebracht hat, geht in seinen Analysen über die „Paläste“ der Frühmoderne in der Schweiz sogar so weit, dass er das sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts herausbildende Modell des „Grandhotels“ als ein Produkt seiner technischen Ausstattung interpretiert: „Die touristischen Großbauten der Grand Hotels und Palaces widerspiegelten gegen aussen eine nostalgische, vorindustrielle Schlossherrlichkeit, gleichzeitig beherbergten sie aber die neuesten Errungenschaften des fortschrittlichen Industriezeitalters.“477 Wie im vorliegenden Buch aber gezeigt werden kann, kommt man mit Blick auf die Berghotels in Südtirol nicht umhin, auch ihre architektonische Gestaltung als innovativ zu betrachten. In Bezug auf ihre Inneneinrichtung wurde zwar auf Luxus verzichtet, was hingegen ihre Haustechnik betraf, waren sie auf dem neuesten Stand. In Zusammenhang mit ihrer frühen Elektrifizierung ist aber zu berücksichtigen, dass die Wasserkraft genauso wie die Berglandschaft zu den brachliegenden, weitgehend kostenlos zur Verfügung stehenden Ressourcen in den Alpen gehörte und die Berghotels selbst, das Holz für ihre Beheizung bzw. der Strom für ihre Energieversorgung quasi nur „produziert“ werden mussten. Das Hotel Karersee ist darüber hinaus auch ein gutes Beispiel dafür, dass die illustren Gäste weit mehr den Häusern den Glanz eines Grandhotels verliehen als architektonische oder technische Aspekte. Abschließend ist in diesem Zusammenhang noch einmal festzuhalten, dass die Berghotels in Südtirol für eine jährliche Saison von nur drei Monaten ausgelegt wurden. Daher erübrigen sich Spekulationen über eine besonders gediegene bauliche Ausführung und Einrichtung, die sie schon in ihrer Frühzeit zu „Grandhotels“ gemacht hätten. 1895 war Carl Lun Gründungsmitglied des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“. Nachdem die Häuser auch entworfen, gebaut und laufend baulich adaptiert werden mussten, waren er bzw. sein „Bureau“ mit großer Wahrscheinlichkeit auch seine Hauptprofiteure. Leider ist in dem Zusammenhang nichts über sein Verhältnis zu Otto Schmid bekannt, mit dem die Berghotels in Sulden und Trafoi errichtet wurden. 1907 wurde Carl Lun Inhaber des Hotels Graf von Meran,

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wo der Verein seinen Firmensitz hatte.478 Aufgrund seiner profunden Kenntnisse über die Betriebe war er nach dem Tod von Theodor Christomannos bis 1914 bzw. ab 1916 auch Vorstand der zu dieser Zeit schon in eine Gesellschaft umgewandelten Organisation.479

Josef Lun, Ingenieur und Bauleiter Josef Lun war zwar nicht Mitglied im „Verein für Alpenhotels in Tirol“, dennoch spielte er im Umfeld der Errichtung der Hotels am Karersee und in Fulpmes eine so große Rolle, dass er hier in eine Reihe mit den eigentlichen Initiatoren der Organisation gestellt wird. Josef Lun (auch: Beppo), geboren 1845 in Bozen, gestorben an den Folgen eines Unfalls 1904480, war verheiratet mit Anna, geborene Platzer. Der Vater eines Sohnes und einer Tochter war ein Cousin von Carl Lun. Obwohl er nur in Abständen für „Musch & Lun  – Bureau für Architektur und Ingenieurbau“ und den „Verein für Alpenhotels in Tirol“ tätig war, war er dennoch ein wichtiger Akteur und Vertrauensmann in Verbindung mit der baulichen Umsetzung der Hotelprojekte des Vereins.481 Josef Lun wechselte mehrfach Arbeitgeber und Dienstort. Unter anderem lässt sich über ihn eine weitere Verbindung zwischen Musch & Lun und dem bekannten Ingenieur Josef Riehl (1842–1917) belegen. In mehreren Nachrufen wird Josef Lun als Mann mit großen Fachkenntnissen beschrieben, der auch ein lebhaftes Interesse für den wirtschaftlichen Fortschritt des Landes in jeder Richtung hatte. Nach dem Studium (Studienfach und -ort unbekannt) arbeitete Josef Lun von 1868 bis 1873 im Bahnerhaltungsdienst der Südbahn-Gesellschaft, von 1873 bis 1879 beim Bau der Giselabahn (in der Station Hopfgarten) sowie der Strecke Bischofshofen–Selztal. Ab 1885 war er im Büro von Josef Riehl beschäftigt, wo er am Bau der Iseltalstraße bei Dölsach in Osttirol und am Projekt der Drauregulierung mitwirkte. Seine nächsten beruflichen Stationen waren der Bau der Eisenbahn-Teilstrecke von Bruck an der Leitha nach Hainburg bzw. der galizischen Transversalbahn, die Galizien von Podgórze (Krakau) im Westen bis Husiatyn (Westukraine) im Osten durchquerte. 1889 wurde Josef Lun in Zeitungen in Zusammenhang mit der Errichtung und Erhaltung der Bozen-Meraner-Bahn genannt. Nach diesen Berufserfahrungen wechselte er ins Büro von Musch & Lun, wo er die Bauleitung bei der Errichtung der Talsperre im Martelltal, der Suldenstraße und dem Hotel Sulden übernahm. Wenig später leitete er die Baustelle des Hotels Karersee, was nicht verwundert, weil das Hotel in den Dolomiten zeitgleich mit dem Hotel Trafoi im Ortlergebiet verwirklicht wurde und Musch & Lun daher mehrere erfahrene Bauleiter benötigte. 1897 wurde Josef Lun in Verbindung mit dem Bau der Halleschen Hütte am Eisseepass im Ortlergebiet genannt (3.133 Meter Seehöhe, 1918 abgebrannt). Von 1894 bis 1896 arbeitete Josef Lun wieder für Josef Riehl und war dort unter anderem mit der Trassierung der Straße von Lana nach Meran betraut. Danach besetzte er zeitweilig die Direktionsstelle der Carbidwerke an der Töll. Ab 1902 wiederum bei Josef Riehl beschäftigt, vollbrachte er beim Bau der Zillertalbahn die Glanzleistung, „die 85 Kilometer lange Strecke Zell–Mayrhofen in der kurzen Zeit von 2  Monaten“ fertigzustellen. Daraufhin hatte er die Bauleitung des Hotels Stubai in Fulpmes inne. Dieses Hotel wurde von Musch & Lun für Josef Riehl entworfen, dürfte aber vom Büro Riehls umgesetzt worden sein. Josef Lun verunglückte auf dem Weg von Innsbruck zur Baustelle. Die Pferde seiner Kutsche scheuten bei der Begegnung mit den Wagen eines Schaustellers, „von denen der eine, ein Planwagen, einen Bären enthielt“. In mehreren Zeitungen wurden der verhängnisvolle Unfallhergang und die Verletzungen Josef Luns detailreich beschrieben.

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„Verein für Alpenhotels in Tirol“, Dividendenkupons

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Der „Verein für Alpenhotels in Tirol“ und sein Verhältnis zu anderen Netzwerken und Entrepreneuren im Tourismusgeschäft Aus den diesem Abschnitt vorangestellten Biografien geht bereits hervor, dass der Personenkreis, der am 3. April 1895 den „Verein für Alpenhotels in Tirol“ gründete, bereits längst miteinander bekannt und untereinander vernetzt war.482 Vereinzelt wird berichtet, dass der Verein aus einer „Suldenhôtel-Gesellschaft“483 von Theodor Christomannos und Otto Schmid hervorging, es gibt aber keine Hinweise auf die Gründung einer Körperschaft.484 Theodor Christomannos und Otto Schmid verwirklichten das Hotel Sulden auf eigene Faust und fassten in unmittelbarer Folge auf das Pilotprojekt den Entschluss, weitere Berghotels bzw. an Resorts erinnernde Tourismuseinrichtungen zu verwirklichen.485 Nachdem sich mit dieser Idee auch die finanziellen und organisatorischen Rahmenbedingungen änderten, benötigten sie für die Umsetzung ihrer ambitionierten Pläne eine neue Basis. Hinzu kam, dass beide ihre berufliche Zukunft nicht als Geschäftsführer von Hotels sahen, auch wenn sie in ihre Unternehmungen neben hohen finanziellen Beiträgen jeweils auch ihr eigenes Know-how einbrachten, Otto Schmid als Architekt und Theodor Christomannos  – plakativ ausgedrückt  – als Netzwerker, Marketingstratege und „Inszenierer“. Ihre Geschäftspartnerschaft wurde 1895 durch einen Kreis Gleichgesinnter erweitert, die ebenfalls aus den Reihen liberal eingestellter Städter stammten. Auch sie brachten zugleich Geldmittel und Kompetenzen in den Verein ein, mit denen sie die Entrepreneurships auf spezifische Weise formten  – der Arzt Sebastian Huber in Kurangelegenheiten, der Jurist Hans Stainer als Finanzexperte, der Künstler Tony Grubhofer als Werbegestalter, der Ingenieur Josef Riehl auf dem Gebiet von Transport und Tiefbau und nicht zuletzt der Bauunternehmer Carl Lun in Sachen Architektur und Ingenieurwesen. Zu ihnen gesellten sich mit dem Meraner Gasthofbesitzer Hans Gritsch und einem „Forstrath Stainer aus Innsbruck“ noch zwei weitere Akteure, die aber im Hintergrund blieben.486 In Verbindung mit der eigentlichen Vereinsgründung wurden Otto Schmid und Carl Lun nur als „Bauleiter“ der gerade entstehenden Hotels genannt. Demnach spielte insbesondere Carl Lun in den Gremien der Organisation anfangs (noch) keine besondere Rolle. Theodor Christomannos wurde Präsident des Vereins, Sebastian Huber Vizepräsident, Hans Stainer Kassier bzw. Josef Riehl, Hans Gritsch und Forstrat Stainer wurden Ausschussmitglieder. Mit Ausnahme eines Sekretärs wurden alle Funktionäre jeweils für ein Jahr „gewählt“ und waren ehrenamtlich tätig. Fehlt noch Tony Grubhofer, der im Verein insofern eine besondere Stellung einnahm, als er kein offizielles Mitglied war. Er fungierte „nur“ als Vertreter seiner Gattin Sophie (geborene ZenobioAlbrizzi).487 Erst ab den Schlüsseljahren der Vereinsgeschichte 1905 und 1906 mehren sich die Informationen über die Mitglieder und die Verteilung der Einlagesummen. Gründung eines gemeinnützigen Vereins und keiner (Aktien-)Gesellschaft Der Gedanke, mit den Hotels in Sulden, Trafoi und Karersee eine Art Hotelkette zu schaffen, war 1895 nicht mehr neu. Mit der „Österreichischen Baugesellschaft für Kurorte“ wurde in diesem Buch bereits eine auch in Südtirol aktive Vorläuferorganisation beschrieben. Die Aktiengesellschaft aus Wien, die während der wirtschaftlichen Hochkonjunktur der Gründerzeit 1872 geschaffen wurde, errichtete in Bozen-Gries und Meran große, relativ baugleiche Häuser.488 Vor dem Hintergrund ihres Beispiels stellt sich aber die Frage, warum mit dem „Verein für Alpenhotels in Tirol“ ausgerechnet eine „gemeinnützige“ und nicht eine

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Hotel Karersee, Nordseite, um 1896

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andere Organisationsform gewählt wurde – wenngleich an dieser Stelle vorwegzunehmen ist, dass in Österreich Gesellschaften mit beschränkter Haftung erst ab 1906 gegründet werden konnten. Im Verein fand man aber ein Geschäftsmodell, in dem Geschäftsanteile raffiniert auf „Mitglieder“ verteilt werden konnten – damit war es letztlich einer Aktiengesellschaft mit ihren Aktionären nicht unähnlich, dafür aber steuerbegünstigt. Für die Gründung des Vereins anstelle einer Aktiengesellschaft waren aber auch taktische Motive ausschlaggebend. Die Betreiber eines Vereins konnten nicht nur „intern“ festlegen, wer in ihr Netzwerk aufgenommen werden sollte und wer nicht. Zudem positionierte sich der Verein unter dem Deckmantel seiner Gemeinnützigkeit vor der Öffentlichkeit als Organisation, die in wirtschaftlich stark benachteiligten Bergregionen Tourismusunternehmen implementierte und mit ihnen für örtliche Arbeitskräfte bzw. Zulieferbetriebe neue Verdienstmöglichkeiten schuf. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser Schachzug raffiniert kaschieren sollte, dass die ehrenhaft gemeinte Förderung des Gemeinwohls insbesondere dazu genützt wurde, um auf der Basis des Vereins andere Vorteile zu generieren. Wie im Abschnitt „Tourismus zwischen findigem Gewinndenken und Reform“ bereits dargestellt, wurde schon 1889 im österreichischen Reichsrat bzw. 1890 anlässlich der „Enquete zur Förderung des Fremdenverkehrs in Tirol“ an das Finanzministerium in Wien die Forderung herangetragen, die Entwicklung des Tourismus durch Steuererleichterungen zu unterstützen, z. B. „Bauten für Fremdenverkehrszwecke eine längere Steuerfreiheit einzuräumen sowie den im Interesse des Fremdenverkehrs sich bildenden Gesellschaften, (Actien-) Genossenschaften und Vereinen Steuerbegünstigungen zu gewähren.“489 Damals handelte es sich insbesondere um eine Gebäudesteuer, die man für Hotels, die nur wenige Monate im Jahr in Betrieb waren, nicht entrichten wollte. Hinzu kam, dass der „Verein für Alpenhotels in Tirol“ unter der Voraussetzung seiner temporären Einkommenssituation wahrscheinlich auch keine Erwerbssteuer abführte, deren Bemessungsgrundlage der Umsatz gewesen wäre. Unter diesen Voraussetzungen erscheint auch die Bautätigkeit des Vereins in einem neuen Licht und es klärt sich die Frage, warum in derart rascher Folge drei große Hotelkomplexe in nächster Nähe zueinander errichtet wurden. Genaugenommen hätten diese als sich gegenseitig konkurrenzierende Betriebe betrachtet werden müssen. Es ist jedoch anzunehmen, dass den Betreibern des Vereins wahrscheinlich bewusst war, dass das Finanzministerium in Wien derartige Steuererleichterungen nur als temporäre Maßnahmen ins Leben rief und sie daher rasch handeln mussten. Diese Hintergründe verdeutlichen, weshalb der „Verein für Alpenhotels in Tirol“ bis 1905 auch derart daran interessiert war, z. B. in den Medien keine Spuren über sein Netzwerk und sein Kapital zu hinterlassen. Erst um 1905 – dem Zeitraum, in dem der Druck der Steuerbehörden immer größer wurde und die Umwandlung des „Vereins“ in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung unmittelbar bevorstand – wurde die Geschäftsgebarung des Vereins transparenter. Einen Einblick in die von Beginn an guten Geschäfte der Organisation gewährt lediglich ein Bericht vom November 1896, in dem es heißt: „Im Karerseehotel, das weitaus am stärksten besucht war, beliefen sich die reinen Einnahmen auf 91.000 fl. [Gulden, Anm.], was einer ganz hübschen Verzinsung des aufgewendeten Kapitals entspricht.“490 Dieser in der ersten Saison des Hotels erwirtschaftete Betrag entsprach ca. 1,346.570 Euro.

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Engmaschige Akteur-Netzwerke Die meisten Mitglieder der Kerngruppe des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ waren schon vor der Gründung der Organisation in anderen „gemeinnützigen“ Gremien  – sei es in der Lokalpolitik, der Wirtschaft oder in anderen Bereichen von Sozialwesen und Kultur – aktiv. Wie bereits am Beispiel des „Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins“ („DuOeAV“) dargestellt, brachten die Handlungsträger mit ihren vielseitigen Beteiligungen ein regionales (Selbst-)Bewusstsein zum Ausdruck, das den Anspruch erhob, für die gesamte Gesellschaft zu sprechen. Der Historiker Laurence Cole schreibt über die Kommunikationsnetze, dass diese über „die Grenzen der verschiedenen deutschen Staaten hinweg“491 funktionierten. „Die Vereine trugen damit zur Bildung einer deutschsprachigen Öffentlichkeit bei und schufen eine Form der Identität, die andere Gruppen außerhalb der Region mit einschloss.“492 Die von den Akteuren besetzten Ehrenämter waren häufig Schlüsselpositionen, die dazu genutzt wurden, die Modernisierung Südtirols voranzubringen. In manche dieser Funktionen wurden sie gewählt, in andere aus einem Kreis von „Freunden“ berufen. Auf diese Weise stellte die Gruppe der zumeist gut ausgebildeten, liberalen (Kleinstadt-)Bürger eine vielseitig engagierte (Gründer-)Szene dar, die auch Zugezogene in ihre Reihen „einheimatete“, z. B. Theodor Christomannos, Otto Schmid und Tony Grubhofer. Parallel zu allem Einsatz im Sinn des Gemeinwohls bildeten die an der „Verwirklichung regionaler Innovationen“493 Beteiligten aber auch eine in sich relativ geschlossene Elite494 und somit ein Netzwerk, das sich in manchen Belangen als überaus dominant erweisen konnte – z. B. wenn sich ein Akteur über ein Ehrenamt oder ein Entrepreneurship Wettbewerbsvorteile in eigener Sache verschaffte. Carl Lun war ein solcher strategisch agierender „Netzwerker“, dessen Handlungsweisen manchmal zwischen Gemeinsinn und Profit oszillierten. Aber auch Theodor Christomannos nutzte gerne seinen „langen Arm“ – unter anderem nach Wien –, um Projekte anzuschieben. Die engmaschigen Akteur-Netzwerke kommunizierten so miteinander, dass am Ende alle Teilnehmer von ihnen profitierten. Dies gilt auch im Fall des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“, der als Trägerorganisation für den Betrieb von Tourismuseinrichtungen wahrscheinlich vom Weggefährten Theodor Christomannos’, Hans Stainer, konzipiert wurde. Er war der erste Kassier des Vereins, zugleich gehörte der Jurist zum Gründerkreis der Sparkasse Meran. Bei den lokalen Sparkassenvereinen handelte es sich genauso wie bei den Berghotel-Entrepreneurships um Unternehmen, die nach außen auf dem Prinzip der Gemeinnützigkeit aufbauten. Zudem wurden sie als Gebietskörperschaften (territorial bestimmte Mitgliedschaften und Zuständigkeiten) ins Leben gerufen. Neben Hans Stainer zählte auch Sebastian Huber zu den Initiatoren der Sparkasse Meran, weshalb anzunehmen ist, dass die Geldgeschäfte des Vereins überwiegend über dieses Bankhaus abgewickelt wurden. In einer Kleinstadt wie Meran wurde an (finanz-)politischen „Fäden“ auf kurzem Weg gezogen. Daher erstaunt es nicht, dass gerade die Kurstadt bzw. das dortige Hotel Graf von Meran – das später in den Besitz von Carl Lun überging – als Vereinssitz gewählt wurde. Wie an späterer Stelle in diesem Abschnitt noch dargestellt wird, sollte der Standort Meran dem Verein auch darüber hinaus Vorteile bieten. Ein wichtiger Eckpfeiler der regionalen Akteur-Netzwerke des 19. Jahrhunderts war ihre kleinräumige Organisation, die nicht zuletzt in einem „mikrourbanen“495, touristisch strukturierten Umfeld wie Meran besonders gut funktionierte.

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Statuten und Gründerjahre des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ Hans Stainer gab den Statuten des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ ihren Schliff und stellte somit die wesentlichen Weichen für die Geschäftsgebarung der Organisation, die im Detail eher einer Kapitalgesellschaft glich. Der Zweck des auf 15 Jahre ausgelegten Vereins war die „Erschließung der Hochthäler Tirols für das reisende Publikum, insbesondere durch Erbauung und Führung comfortabler Hôtels, Erhaltung von Gebirgsstraßen, Förderung, eventuell Betheiligung an Eisenbahnunternehmungen und sonstigen den Fremdenverkehr in Tirol fördernden Anstalten“.496 Demnach war der Verein von Beginn an nicht nur Betreiber von Hotels im engeren Sinn, sondern widmete sich auch der Errichtung und Betreuung von Einrichtungen, welche die Anreise in die Berggebiete erleichterten. Wahrscheinlich war der Bau der Suldenstraße hierfür ausschlaggebend. Neben so genannten Stellwagen-Diensten, z. B. von Meran bzw. Spondinig ins Ortlergebiet, galt das Hauptaugenmerk des Vereins bzw. Theodor Christomannos’ aber insbesondere der Vinschgau-Bahn, deren Realisierung sich lange hinzog. Ihre Eröffnung 1906 nützte die Organisation schließlich für Marketingzwecke und ließ an der Bahnstation Spondinig, von wo der Weg der Gäste zu den Hotels in Trafoi und Sulden abzweigte, werbewirksam „offenes Bier und Schinkensemmeln durch seine in Nationaltracht gekleideten Mädchen servieren“497. Was in den Statuten nicht Ausdruck fand, waren die politischen Gesichtspunkte, die zur Gründung des Vereins führten. Dadurch, dass sie auch die Architektur der Häuser bestimmten, werden sie nicht an dieser Stelle, sondern im dritten Kapitel dieses Buches ausführlich erläutert. Die vollständige Satzung des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ siehe im Anhang des zweiten Bandes. In den Verein wurden ausschließlich „capitalsträchtige Natur- und Alpenfreunde“498 aufgenommen, die einen Mindestbetrag von 10.000 Gulden (ca. 142.000 Euro) bzw. ein Mehrfaches dieser Summe in die Vereinskasse einzahlten. In den Gründerjahren wurde über diesen Kreis von im wahrsten Wortsinn „stillen“ Teilhabern mit Ausnahme der Vereinsgründer aber kaum et­ Aus einem Bericht der k. k. Bezirkshauptmannschaft Meran was bekannt. Ihre Einlagesummen wurden als an die k. k. Statthalterei in Innsbruck, 29.3.1895, anlässlich ein­ malige Mitgliedsbeiträge gesehen, in Wirk­ der Gründung des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ lich­keit erwarben die Mitglieder aber Geschäfts­ an­teile  – die, wie eingangs bereits beschrieben, „Die betheiligten Personen sind fürstlich vermögend und den „Aktien“ von Aktiengesellschaften glichen.499 einzelne darunter sogar reich und dürfte daher sowohl in Aus diesem Grund bekamen sie in Vollver­­­­samm­­ dieser Richtung als auch mit Rücksicht auf die persön­ lun­gen des Vereins, „deren Capitalsein­­­lage nicht lichen Verhältnisse der aufrechten Ausführung des Unter­ mehr als 30.000 fl. [Gulden] aus­­­macht, […] ei- nehmens [der Errichtung der Hotels in Trafoi und am ne Stimme, Mitglieder mit höheren Bei­trägen Karersee, Anm.] mit voller Beruhigung entgegengesehen zwei Stimmen“. 1895 entsprach die Summe von werden können.“ 30.000 Gulden ca. 425.730 Euro. Zur Ver­mei­dung von unnötiger Konkurrenz wurde in den Statuten Quelle: Schmid, Klaus, Pionier des Tourismus in Tirol. Die Alpenhotels des zudem geregelt, wann ein Mitglied aus dem Otto Schmid (1857 bis 1921), unveröff. Manuskript (2014), S. 125f. Verein auszuschließen wäre: „Kein Mit­ glied ist berech­tigt, ohne Genehmigung der Vollversammlung ein Concurrenz-Unternehmen in einer Gemeinde, in welcher sich ein dem Vereine gehöriges Etablissement befindet, oder inner­halb einer Entfernung von 10 Kilometer zu gründen, oder sich an einem solchen in irgend welcher Weise auch nur direct oder indirect zu betheiligen.“

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Berghotels ersten Ranges, „Touristenhäuser“ und Kureinrichtungen Eine weniger bekannte Facette des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ ist, dass er sich seit seiner Gründung im Jahr 1895 nicht nur die Errichtung von „Alpenhäusern ersten Ranges“ spezialisierte, sondern „mit der Zeit an geeigneten Punkten“ auch preisgünstigere „Touristenhäuser“ errichten wollte.500 Das verweist noch einmal darauf, dass der Verein nicht nur auf die Besetzung von Luxussegmenten in der Tourismuswirtschaft ausgerichtet war, sondern seit der Errichtung des Hotels in Sulden auch eine frühe Form von Diversifikation und somit eine breite Fächerung seiner Gästekreise anstrebte  – ganz im Sinn von Johann Angerer, der schon 1881 in „Das Fremdenwesen im deutschen Südtirol“ von der Bildung von „Fremdenkolonien“ sprach, die sich aus verschiedenen Unterkünften für Reisende mit unterschiedlich gefüllten Geldbeuteln zusammensetzen sollten. Es blieb aber nicht nur bei der Errichtung von Dependancen mit preisgünstigeren Zimmern, sondern es wurden  – möglicherweise unter dem Einfluss von Sebastian Huber  – auch Möglichkeiten geschaffen, im Umfeld der großen Hotels auf Kur zu gehen. Wahrscheinlich reagierte der Verein in dieser Hinsicht auch auf die schon 1889 am Fremdenverkehrstag in Brixen gemachte Feststellung, dass Kur- und Badeanstalten (z. B. für Kaltwassertherapien) in Südtirol noch ein ausbaufähiges Geschäftsfeld darstellen.501 So war es nur folgerichtig, dass z. B. am Karersee der Verein zeitweise die Leitung des bereits bestehenden Weisslahnbads502 in Tiers übernahm bzw. der bekannte Meraner Kurarzt und Vizepräsident des Vereins in seiner Privatvilla Waldhaus eine Ordination mit angeschlossener Badeanstalt einrichtete.503 Eine Vergrößerung des Weisslahnbads bzw. die architektonische Gestaltung und der Bau der Villa Waldhaus erfolgten jeweils durch Musch & Lun. Werbegemeinschaften und erfolgreiches Marketing über die Reproduktion architektonischer Leitmotive Der „Verein für Alpenhotels in Tirol“ war die organisatorische Basis für den Bau und den Betrieb der Hotels in Trafoi und am Karersee, darüber hinausreichende Aktivitäten scheinen hingegen lediglich als lose Kooperationen oder in der Art von Werbegemeinschaften organisiert gewesen zu sein. Die Hotels in Sulden, Trafoi und Karersee gingen manchmal solche Werbegemeinschaften ein, obwohl das Hotel Sulden nie ein vereinseigenes Haus war. Wahrscheinlich wollte man aber den Anschein einer den Südtiroler Reisemarkt dominierenden Hotelkette erwecken. Diesen Eindruck der Zusammengehörigkeit verstärkte auch das sich ähnelnde Erscheinungsbild einer ganzen Reihe von Berghotels, von denen nicht alle zum Verein gehörten. Beispielsweise wiesen das Hotel Karersee, das Hotel Brennerbad und das Hotel Stubai eine architektonische Verwandtschaft auf, jedes dieser Häuser hatte aber unterschiedliche Eigentümer. Nutznießer dieser Situation war Musch & Lun. Denn das „Bureau“ profitierte insbesondere vom Erfolg des Hotels Karersee und entwarf nach dem Muster des in dieses Gebäude eingeflossenen Gestaltungsrepertoires noch weitere Häuser. Das Hotel Karersee war auch das Ausgangsmodell für die Planung von einfacheren Touristenhäusern wie dem Rosengartenhof504 von Anton Dejori, das in Richtung zum Karerpass errichtet wurde. Der Rosengartenhof

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1893 errichtete der Bergführer Anton Dejori das Gasthaus Alpenrose (Einreichplan, Bauamt Welschnofen, rechts). Das Gebäude wurde bereits 1895 vom „Verein für Alpenhotels“ gekauft und in die Dependance Alpenrose des Hotels Karersee umgewandelt (oben) Dolomiten-Hotel Weisslahnbad vor dem ersten Umbau durch Musch & Lun, um 1895 (linke Seite)

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Inserat, auf dem die Hotels Karersee, Trafoi und Sulden gemeinsam beworben wurden, Bozner Zeitung 1897

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mutete lange wie eine Dependance des Prototyps an – bis 1910 das Hotel Karersee durch einen Brand beschädigt und daraufhin stark verändert wiederaufgebaut wurde. In Summe deutet vieles darauf hin, dass der „Verein für Alpenhotels in Tirol“ nichts gegen diese Form der Reproduktion architektonischer Identitäten einzuwenden hatte. Denn – um beim Beispiel des Karerseegebiets zu bleiben – eine Wiederholung von Leitmotiven im Umfeld des Hotels musste bei den Gästen den Eindruck einer Ferienkolonie erweckt haben, die nicht nur aus einem Guss entworfen, sondern auch „unter einem Dach“ organisiert war  – wenngleich das nicht mit den Tatsachen übereinstimmte. Verstärkend wirkte sich hier auch die Bildvermittlung aus. Die ersten Abbildungen der Berghotels und Touristenhäuser von Musch & Lun wurden von Tony Grubhofer angefertigt, der dadurch wichtigen Anteil an der frühen Form eines Markenbildungsprozesses hatte. Die Verbreitung sich gleichender architektonischer Kompositionselemente reichte letztlich bis zum Semmering nahe Wien, wo ein Bauteil des dortigen Südbahnhotels nach dem Vorbild des Hotels Karersee entworfen wurde.505 Das veranschaulicht, dass die Häuser des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ zu ihrer führenden Stellung im Marktprozess und ihrem hohen Wiedererkennungsgrad nicht zuletzt auch über die Multiplikation ihres architektonischen Konzepts gelangten. Nicht „alles Walzer“ – der „Verein für Alpenhotels in Tirol“ wird Gesellschaft mit beschränkter Haftung Im Fasching 1902 tanzte man beim Ball des Weißen Kreuzes in Wien nach den Weisen eines Walzers mit dem werbewirksamen Titel „Grüße aus den Alpenhotels Karersee und Trafoi“, den der Komponist Sandor Lôti (biografische Daten unbekannt) dem „Verein für Alpenhotels in Tirol“ gewidmet hatte. Das dokumentiert, wie ideenreich die Südtiroler Berghotels zeitgerecht vor Beginn der Reisesaison beworben wurden. Sogar die Partitur der „melodiösen Novität“506 war im Handel erhältlich. Ebenfalls von Wien herkommend wurde die Feierlaune im Verein jedoch zunehmend getrübt. Die Regierung hatte nämlich längst erkannt, dass mehrere Tourismuseinrichtungen, die nach dem Vorbild der bekannten Südtiroler Entrepreneurship als Verein gebildet wurden, unter dem Vorwand ihrer Gemeinnützigkeit und unter Beanspruchung der oben beschriebenen Förderungsmaßnahmen massiv Steuern sparten. Auf der Titelseite des Südtiroler Volksblatts wurden der „Verein für Alpenhotels in Tirol“ und die Brennerbad-Gesellschaft 1905 sogar als „Geschäftsunternehmungen“ bezeichnet, „welche eigentlich der gesetzlichen Grundlage entbehren“.507 Anlass für den Zeitungsbericht war, dass die mit wirtschaftlichem Erfolg im Fremdenverkehr tätigen Vereine vom Finanzministerium zunehmend dazu gedrängt wurden, sich in Aktiengesellschaften umzuwandeln. Diese boten vielerorts aber keine Alternative zur Organisationsform der Vereine, weil sie nur „für die großen Unternehmungen gegründet werden“ sollten, bei denen das „Kapital in die Millionen geht“508. Obwohl der „Verein für Alpenhotels in Tirol“ angesichts seiner hohen Stammeinlagen längst in eine Aktiengesellschaft transformiert hätte werden können, wurde dieser Schritt nicht unternommen. Der Grund dafür war, dass seit einer Steuerreform im Jahr 1898 österreichische Aktiengesellschaften mit 10 bis 10,5 Prozent des Reingewinns besonders hoch besteuert wurden.509 Viele Unternehmer blickten daher nach Deutschland, wo man schon seit 1892 Gesellschaften mit beschränkter Haftung gründen konnte, die geringere Abgaben abführten.

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Steuervermeidung, 1905 Ad Punkt 4 der Tagesordnung: Dr. Stainer berichtet über die Besteuerungsfrage, dass er sich über Anregung des Herrn k. k. Finanz-Landesdirektors in Innsbruck und infolge Krankheit des Vereinspräsidenten Dr. Christomannos im Mai d. J. neuerlich nach Wien begeben habe, um beim k. k. Finanzministerium zu intervenieren; er habe zwar vom Herrn Sektionschef für direkte Steuern  – wie zu erwarten war  – eine förmliche Zusage, dass die Besteuerung nach Art der Aktiengesellschaften auch fernerhin unterbleiben werde, nicht zu erlangen vermocht, doch habe er immerhin aus den Aeusserungen des Herrn Sektionschefs und des besonderen Referenten den sicheren Eindruck gewonnen, dass mit Rücksicht auf den dem Parlamente nun bereits vorliegenden und auch schon in Beratung gezogenen Gesetzentwurf über Gesellschaften mit beschränkter Haftung bis auf weiteres von der höchst drückenden Besteuerung nach Art der Aktiengesellschaften Umgang genommen werden dürfte; wenn das fragliche Gesetz zustande kommt, müsste man sich in zwei Gesellschaften mit beschränkter Haftung umwandeln, damit der Steuersatz ein kleinerer wäre.

Quelle: Verein für Alpenhotels in Tirol, Protokoll der Generalversammlung, Meran, 17.12.1905, TLMF, Sign. FB_137017/76.

Bei der Abfahrt vom Hotel Karersee, um 1900 (oben und links).

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In der Monarchie wurde das erst ab Inkrafttreten eines diesbezüglichen Reichsgesetzes am 6. März 1906510 möglich. Dass die Regierung aber in dieser Hinsicht einen Erlass verabschie­den würde, war schon früher absehbar. Zum Vergleich: 1906 wurde das Stammkapital des Vereins im Rahmen der Überleitung in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit notariell beglaubigten 1,226.000 Kronen angegeben. Das entsprach ca. 8,067.630 Euro. Dieses Stammkapital wurde in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg noch periodisch erhöht: 1907 um 43.000 Kronen (ca. 271.990 Euro), 1910 um 53.000 Kronen (ca. 317.323 Euro), 1911 um 25.000 Kro­nen (ca. 143.510 Euro) und 1912 um 17.000 Kronen (ca. 96.330 Euro). 1912 belief sich das Stammkapital des Vereins auf 1,358.000 Kronen (ca. 7,695.107 Euro).511 In den Jahren 1905 und 1906 wurden „wie in den letzten Jahren“512 jeweils Dividenden in der Höhe von 5 Prozent ausbezahlt. 1905, im Jahr vor der Umwandlung des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ in eine Gesellschaft wurde Näheres über seine Geschäftsgebarung bekannt. In diesem Schlüsseljahr der Organisation wurde das Protokoll der Generalversammlung erstmals sogar gedruckt.513 Detaillierte Angaben über Vereinsmitglieder und ihre Geschäftsanteile sind in diesem Papier aber noch nicht enthalten. Ein wichtiger Punkt der Tagesordnung war das Thema Abgaben und aus dem Protokoll geht diesbezüglich hervor, wie über die Netzwerke der Südtiroler Akteure in dieser Angelegenheit noch bis zuletzt in Wien interveniert wurde. Ferner wurde, nachdem es die budgetäre Situation zuließ, noch rasch auf der Basis des steuerbegünstigten Vereins der große Anbau an das Hotel Karersee beschlossen – alles war von Carl Lun routiniert, aber auch ausgeklügelt vorbereitet worden (siehe Katalogteil). Ein weiterer Schachzug war, dem Schriftsteller Ludwig Fulda (1862–1939)514 noch ein dem Verein gehöriges Wiesengrundstück am Karersee für den Bau einer Villa zu verkaufen. Am 22. Juli 1906 erfolgte unter Beibehaltung des ursprünglichen Namens die unfreiwillige Umwandlung des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung.515 Damit musste er zukünftig unter anderem seine Bilanzen offenlegen.516 Eine in den Akten des Handelsregisters Bozen erhaltene Liste gibt erstmals Aufschluss über die dreißig Mitglieder und ihre Einlagesummen, das heißt die Verteilung der Geschäftsanteile im ehemaligen Verein.517 Aus ihr geht nicht zuletzt auch hervor, wie viel Vermögen von Frauen im Verein bzw. der Gesellschaft gewinnbringend angelegt wurde. Zudem macht die Aufstellung ersichtlich, welche Rolle den Sektionen des „Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins“ – insbesondere der Sektion Rheinland-Köln – bei der Zusammenführung von wirtschaftlichen Eliten aus verschiedenen Teilen Deutschlands und Österreichs zukam. Bei den nun als Geschäftsführer bezeichneten Vorständen gab es keine Personalwechsel. Deren Stellvertreter wurden Dr. Leonhard von Dal Lago (auch: Dallago, biografische Daten unbekannt), der hohe Ämter bei Gericht bekleidete, und der spätere Bürgermeister von Untermais, August Hartmann (1872?–1937). Erstaunlicherweise wurden sogar nach der Umwandlung des Vereins in eine Gesellschaft noch Steuersätze nachverhandelt, z. B. in Meran, dem Aktionszentrum der Entrepreneure. Da der Sitz der Gesellschaft nämlich die Kurstadt war, wurde ein Teil der gesetzlichen Abgaben von der Gemeinde eingehoben. 1908 stellte der Alpenhotel-Betreiber daher den Antrag, die Stadtregierung möge die ihr auferlegten Kommunalsteuern von 120 Prozent für die Jahre 1906 und 1907 abschreiben und auf die Einhebung aller zukünftigen verzichten. Andernfalls sehe man sich gezwungen, den Firmensitz zu verlegen.518 Argumentiert wurde damit, dass die Wirtschaftstreibenden der Stadt von der Geschäftstätigkeit des Unternehmens nur profitiere, z. B. das örtliche Zuliefergewerbe. Ferner würden „die Hotels des gefertigten

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Unternehmens nicht von Meran Einkünfte beziehen, sondern umgekehrt im Sommer vorübergehend auch Gäste nach Meran bringen.“519 Das Gesuch löste eine lebhafte Diskussion aus, weil die Gemeindevertreter befürchteten, dass das Beispiel Schule machen könnte. Letztlich wurde dem Ansuchen aber stattgegeben, denn es sei „wohl nicht ratsam, event. den Verlust einer größeren Summe mit der Verlegung des Vereinssitzes zu riskieren. Die Verdienste des Vereins um die Hebung der Volkswohlfahrt in Tirol lasse weitergehende Rücksicht empfehlenswert erscheinen.“520 Zusätzlich machten die Entrepreneure eine Eingabe beim Landesverband für Fremdenverkehr, um die Landesorganisation zu einer weiteren Resolution in Sachen eines Erlasses der Gebäudesteuer zu bewegen. Dieses Gesuch führte ohne große Debatte zu einem einstimmigen Beschluss.521 Insgesamt verdeutlichen diese Vorgänge, dass die Handlungsträger des Vereins selbst nach der Gesellschaftsgründung und nachdem ihre einträglichen Geschäfte längst bekannt geworden waren, nach wie vor die „Gemeinnützigkeit“ ihrer Unternehmen in den Vordergrund stellten, wenn es um taktische Steuervermeidung ging. Wie ferner aus dem letzten Protokoll des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ hervorgeht, verfolgte dieser noch kurz vor seiner Umwandlung in eine Gesellschaft zeitgleich mehrere Bauvorhaben bzw. zukünftige Tourismusprojekte.522 Neben dem großen Anbau an das Hotel Karersee waren ein Hotel in Canazei und ein Projekt in „Pordoy“ (Pordoi) geplant – wo erst mit zeitlichem Abstand 1911 das Christomannos-Haus eröffnet wurde.523 Hinzu kam ein „Restaurations-Neubau“ in Spondinig im Vinschgau (Eröffnung 1906), der nahe der neuen Station der Vinschgaubahn entstand. Das Touristenhaus war für die Reisenden gedacht, die sich das Hotel Trafoi nicht leisten konnten und für die man dennoch ein Beherbergungsangebot schaffen wollte. Doch schon im Rahmen der Generalversammlung von 1905 zeigte sich, dass nicht mehr alle Mitglieder des Vereins dieselben Ziele wie Theodor Christomannos verfolgten. Auch wegen der bevorstehenden Umwandlung des Vereins in eine Gesellschaft bauten einige der Teilhaber lieber auf gute Geschäfte, etwa durch die Vergrößerung des Hotels Karersee, bevor sie in neue, vielleicht weniger rentable Projekte investierten. Diesem Gesinnungswandel seiner Weggefährten hielt Theodor Christomannos – ganz im Sinn seiner politischen Haltung – entgegen, „dass im Falle am Pordoyjoche keine deutsche Gaststätte entstünde und in Canazei nichts unternommen würde, die grossartige Dolomitenstrasse über das Pordoyjoch relativ wenig frequentiert und der Verkehr nach St. Martino und in andere welsche Gebiete gelenkt würde.“524 Am Ende ging Carl Lun als Gewinner aus dieser Situation hervor, denn er bzw. Musch & Lun erhielten den lukrativen Auftrag für den Anbau an das Hotel Karersee und wenig später auch den für die Errichtung des Hotels in Canazei.

Pordoijoch gegen die Ampezzaner Berge nach der Fertigstellung der Dolomitenstraße

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„Verein für Alpenhotels in Tirol“ Ges. m. b. H., Mitglieder und Einlagesummen, 31.3.1906 Dr. Theodor Christomannos Maria Gritsch1 Franz Huber2 Dr. Sebastian Huber Carl Lun, Baurat Caroline Lun3 Ing. Josef Riehl Antonia Stainer4 Dr. Hans Stainer Irene Dumba5 Ludwig Graf Paar6 Albert Graf Wolkenstein7 Dr. Leonhard von Dal Lago8 Dr. H. Freiherr von Mages9 August Hartmann10 Julius Vorster11 Carl Scheibler12 Max Charlier13 Ludwig Lohner14 Irma Kieser15 Eduard Arnold16 Sigismund Schwarz17 Sophie Grubhofer18 Otto Hämmerle19 Guntram Hämmerle20 Albertine Stainer21 Adolf Fürth22 Dr. Emil von Fürth23 Anna Kieser24 Arnold Schwarz25 Gesamt

44. 000 123. 000 84. 000 69. 000 102. 000 20. 000 41. 000 22. 000 41. 000 83. 000 80. 000 27. 000 54. 000 27. 000 27. 000 26. 000 27. 000 27. 000 66. 000 20. 000 23. 000 31. 000 20. 000 21. 000 21. 000 20. 000 20. 000 20. 000 20. 000 20. 000 1.226. 000

Kronen Kronen Kronen Kronen Kronen Kronen Kronen Kronen Kronen Kronen Kronen Kronen Kronen Kronen Kronen Kronen Kronen Kronen Kronen Kronen Kronen Kronen Kronen Kronen Kronen Kronen Kronen Kronen Kronen Kronen Kronen

(ca. 289. 500 (ca. 810. 000 (ca. 553. 000 (ca. 454. 000 (ca. 671. 000 (ca. 131. 600 (ca. 269. 800 (ca. 144. 770 (ca. 269. 800 (ca. 546. 180 (ca. 526. 440 (ca. 177. 670 (ca. 355. 340 (ca. 177. 670 (ca. 177. 670 (ca. 171. 100 (ca. 177. 670 (ca. 177. 670 (ca. 434. 310 (ca. 131. 600 (ca. 151. 350 (ca. 204. 000 (ca. 131. 600 (ca. 138. 190 (ca. 138. 190 (ca. 131. 600 (ca. 131. 600 (ca. 131. 600 (ca. 131. 600 (ca. 131. 600 (ca. 8.067. 630

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Quelle: Handelskammer Bozen, Handelsregister. Reihung der Mitglieder wie dort angegeben

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Maria Gritsch (1865–1923, geborene Huber). Gattin des Meraner Gastwirts Hans Gritsch (biografische Daten unbekannt), der Gründungsmitglied im „Verein für Alpenhotels in Tirol“ war. Sein Vater, der Bäcker und Gasthofbesitzer Ignaz Gritsch (biografische Daten unbekannt), übernahm 1890 das Hotel Graf von Meran, in dem der Verein später seinen Geschäftssitz hatte. Das Hotel Graf von Meran ging 1907 in den Besitz von Carl Lun über. Zusätzlich war Hans Gritsch zeitweise Pächter des Hotels Falzarego-Hospiz. Hans Gritsch heira­ tete 1891 Maria, die Tochter des Jenbacher Sensenfabrikanten Franz Huber (1829–1892),

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dessen gleichnamiger Sohn ebenfalls Mitglied im „Verein für Alpenhotels in Tirol“ war (siehe unten). Vgl.: MEZ, 26.9.1890, S. 2. Der Burggräfler, 29.10.1890, S. 5. Volksblatt, 31.1.1891, S. 6. BTV, 6.3.1907, S. 8. Freundliche Mitteilung Erika und Walter Felkel, Jenbacher Museum, E-Mail 23.7.2019. Das Hotel Graf von Meran wurde mehrfach von Musch & Lun umgebaut, vgl.: 1906/1907/1909/1928, Umbauvorhaben Hotel Graf von Meran und Bau einer Autogarage, Rennweg 78, I-39012 Meran, Kat.: G6.116, Dok./Lit.: –. Franz Huber (1864–1940), Sensenfabrikant in Jenbach. Seine Schwester Maria heiratete 1891 das Gründungsmitglied des „Vereins für Alpenhotels in

Tirol“, Hans Gritsch (siehe oben). Vgl.: Volksblatt, 31.1.1891, S. 6. Freundliche Mitteilung Erika und Walter Felkel, Jenbacher Museum, E-Mail 23.7.2019. 3 Caroline Lun (auch: Lina; 1859–?). Unverheiratet gebliebene Schwester von Carl Lun. Freundlicher Hinweis von Barbara Sträuli, Zürich, 15.12.2014. 4 Antonia Stainer (biografische Daten unbekannt). Tochter des Juristen und Gründungsmitglieds des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“, Hans Stainer. 5 Irene Dumba (1864–1920). Tochter des Wiener Industriellen, Politikers und Kunstmäzens Nikolaus Dumba (1830–1900). Irene Dumba dürfte an Lungentuberkulose gelitten haben und verbrachte unter anderem vier Jahre in Meran. Sie war eine Verwandte von Theodor Christomannos, wahrscheinlich eine Cousine 2. Grades. Vgl.: Nachruf auf Nikolaus Dumba, Neue Freie Presse, 24.3.1900, S. 4. MEZ, 9.4.1920, S. 3. 6 Ludwig Graf Paar (biografische Daten unbekannt). Wahrscheinlich ein Nachfahre des ursprünglich aus Italien stammenden Adelsgeschlechts Paar. Vgl.: de.wikipedia.org/wiki/Paar_(Adelsgeschlecht) Bedeutende_Angehörige (22.7.2019). 7 Albert Graf Wolkenstein-Rodenegg (1848–1920). Zeitweise k. k. Bezirkshauptmann von Meran und Statthaltereirat in Innsbruck. Vgl.: Brixner Chronik, 11.2.1920, S. 5. 8 Leonhard von Dal Lago-Sternfeld (biografische Daten unbekannt). Der promovierte Jurist bekleidete hohe Ämter bei Gericht. Seine Laufbahn begann er in Meran, 1910 war er Kreisgerichtspräsident in Rovereto, später wurde er OberlandesgerichtsVizepräsident in Innsbruck. Vgl.: Wiener Zeitung 4.1.1910, S. 1. Innsbrucker Nachrichten, 13.9.1917, S. 10. 9 Heinrich Freiherr von Mages von Kompillan (?–1914). Sohn des Innsbrucker Oberlandesgerichtspräsidenten Alois Freiherr von Mages von Kompillan. Wie sein in den Adelsstand erhobener Vater promovierter Jurist und bei Gericht tätig, unter anderem beim Bezirksgericht in Meran. Spät wurde er Oberlandesgerichtsrat in Innsbruck. Verheiratet mit Caton (auch: Katharina, biografi­ sche Daten unbekannt), einer Tochter aus der Vorarlberger Textilfabrikantenfamilie Mutter (Getzner, Mutter & Cie., Bludenz). In mehreren Zei­ tungsberichten und in einem Nachruf wurde hervorgehoben, dass sich das Ehepaar auf vielseitige Weise wohltätig engagierte. 1895 gestaltete Musch & Lun für Heinrich von Mages einen Entwurf für ein Landhaus (Kat.: X5.410). Dem unverwirklicht gebliebenen Projekt kommt insofern Bedeutung zu, als es der Prototyp für mehrere Villen wurde, unter anderem die unten genannte Villa Hübel sowie die Villa Ultenhof in Meran. Vgl.: Maiser Wochenblatt, 28.11.1914, S. 4. Beyle, Annette, Entstehung und Ent­ wicklung der Vorarlberger Industrie, S. 9, online: www.wirtschaftsarchiv-v.at/files/Industrie.pdf (20.7.2019). Schlorhaufer, Bettina, Musch & Lun und die Entwicklung von „regionalisierten Villentypen“, in: Dies., Schloss Prösels, Grote, Georg (Hrsg.), Architektur wird Region, S. 87ff. 10 August Hartmann (1872?–1937). Gutsbesitzer, Vizebürgermeister bzw. von 1914 bis 1923 Bürgermeister von Untermais. Vgl.: Mazegger,

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Bernhard, Chronik von Mais, seiner Edelsitze, Schlösser und Kirchen, Arbeitskreis Chronik von Mais (Hrsg.), erweiterte Neuauflage der Chronik von Mais (1905), Lana 1985, S. 326f. Friedrich Julius Vorster (1845–1932). Wie schon sein gleichnamiger Vater Unternehmer in der Chemieindustrie in Köln (Vorster & Grüneberg Cöln, siehe auch unten). 1899–1918 Vertreter der freikonservativen Partei im Preußischen Abgeordnetenhaus. Ab ihrem Gründungsjahr 1876 Mitglied der Sektion Rheinland-Köln des Deutschen Alpenvereins. Von 1894 bis 1908 zusammen mit Carl Scheibler und Max Charlier in deren Vorstand. Die Sektion war zeitweise Besitzer der Kölner Hütte. Vorster machte sich um 1899 für den Bau der Hütte auch vor Ort verdient (auch: Rosengarten Hütte, 2.337 Meter Seehöhe). Vgl.: Soénius, Ulrich S., Wilhelm Jürgen (Hrsg.), Kölner Personenlexikon, Köln 2008, S. 557f. Volksblatt, 31.7.1898, S. 1–3, hier: 3. de.wikipedia.org/wiki/ Julius_Vorster_ junior (18.7.2019). de.wikipedia.org/ wiki/Sektion_Rheinland-Köln_des_Deutschen_ Alpenvereins (18.7.2019). Einreichpläne und schriftliche Dokumente zum Bau der Kölner Hütte im Bauamt Welschnofen, dat. 1899/1900. Carl Scheibler (1852–1920). Unternehmer im Bereich der Düngemittelproduktion. Nachfahre der Textilfabrikanten-Dynastie Scheibler. Nach ersten beruflichen Stationen in der Textilindustrie war Carl Scheibler für die Chemische Fabrik Vorster & Grüneberg Cöln tätig, die 1892 in der Chemischen Fabrik Kalk GmbH (CFK) aufging. Ab 1902 „erbberechtigter Gesellschafter“. Er war seit 1892 Mitglied in der Sektion Rheinland-Köln des Deutschen Alpenvereins bzw. von 1894 bis 1908 in deren Vorstand. Über seine Verbindung Friedrich Julius Vorster und Max Charlier, die ebenfalls Mitglieder im „Verein für Alpenhotels in Tirol waren, siehe oben. Vgl.: Soénius, Ulrich S., Wilhelm Jürgen (Hrsg.), Kölner Personenlexikon, S. 469f. de.wikipedia.org/wiki/Carl_Johann_Heinrich_ Scheibler (19.7.2019). de.wikipedia.org/wiki/ Chemische_Fabrik_Kalk (19.7.2019). Max Charlier (1854–1939). Gemeinsam mit seinem Bruder Paul (1851–1943) Inhaber der Waggonfabrik van der Zypen & Charlier in Köln-Deutz. Ab 1878 Mitglied der Sektion Rheinland-Köln des Deutschen Alpenvereins und von 1894 bis 1908 in deren Vorstand. Ab 1896 immer wieder im Hotel Sulden, dem Hotel Karersee und dem Hotel Trafoi zu Gast. Vgl.: Soénius, Ulrich S., Wilhelm Jürgen (Hrsg.), Kölner Personenlexikon, S. 101. de.wikipedia.org/ wiki/Westwaggon#Van_der_Zypen_.26_Charlier (18.7.2019). de.wikipedia.org/wiki/Sektion_ Rheinland-Köln_des_Deutschen_Alpenvereins (18.7.2019). Ludwig Lohner (1858–1925). Industrieller, Verdienste auf dem Gebiet der Fahrzeug- und Flugzeugtechnik. Nach dem Maschinenbaustudium in Wien im Ausland tätig. Er erbte 1892 die LohnerWerke, ein ursprünglich im Pferdewagenbau tätiges Unternehmen, das heute zum kanadischen Bombardier-Konzern gehört. Lohner war „Pionier des Automobilismus und der Aviatik“,

er „war einer jener weitblickenden Männer, die für den österr. Automobilismus sehr viel leisteten, die ihm die ersten Wege ebneten und für seine weitere Entwicklung stets größtes Interesse bekundeten.“ Bis 1916 produzierte er in seinen Werken bereits ca. 30.000 Fahrzeuge und ca. 500 Flugzeuge. Als Mitglied der liberalen Partei zeitweise im Wiener Gemeinderat tätig. Neben anderen öffentlichen Ämtern 1898 Mitbegründer des österreichischen Automobil-Clubs (heute: ÖAMTC). Vgl.: Schützenhofer, Viktor, Lohner, Ludwig, in: Neue Deutsche Biographie, Band 15, München 1987, S. 136 f., online: www.deutsche-biographie. de/pnd13299187X.html#ndbcontent (28.7.2019). Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950, Band 5, Wien 1972, S. 299f. de.wikipedia.org/wiki/ Ludwig_Lohner (19.7.2019). de.wikipedia.org/wiki/ Lohner-Werke#Literatur (19.7.2019). de.wikipedia. org/wiki/Ludwig_Lohner (19.7.2019). 15 Irma Kieser (biografische Daten unbekannt). Wahrscheinlich eine Tochter von Hans Kieser, Ingenieur und vermutlich im Immobiliengeschäft in Meran tätig. Hans Kieser war zeitweise Rechnungsprüfer des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“, trat aber selbst nicht als Mitgesellschafter auf. Er kaufte 1884 den Pröfinger Hof in Meran und parzellierte ihn. Auf dem Grund entstand 1895– 1897 in Zusammenarbeit mit Musch & Lun die Villa Hübel (auch: St. Georgen), die genauso wie die Hotelprojekte nach einem Baukastenmodell entworfen wurde. Vgl.: BTV, 1.8.1884, S. 3. Schlorhaufer, Bettina, Musch & Lun und die Entwicklung von „regionalisierten Villentypen“, in: Dies., Schloss Prösels, Grote, Georg (Hrsg.), Architektur wird Region, S. 87ff. 16 Möglicherweise handelt es sich um Eduard Arnhold (1849–1925), Berliner Unternehmer und Kunstmäzen. Sohn eines Arztes mit jüdischen Wurzeln. Ihm gelang in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Aufstieg zum Unternehmer, weil er einen Großteil des Handels mit Schlesischer Steinkohle am Berliner Markt übernehmen konnte. Den gewonnenen Reichtum investierte er hauptsächlich in Kunst und Künstler, unter anderem stiftete er 1913 dem Preußischen Staat die Villa Massimo in Rom. Vgl.: de.wikipedia.org/wiki/ Eduard_Arnhold (19.7.2019). 17 Sigismund Schwarz (auch: Siegmund, 1849–1919). Vgl.: www.hohenemsgenealogie.at/gen/getperson. php?personID=I1441 (28.2.2019): „1874 übernahm er das väterliche Bankgeschäft in Hohenems. Bald darauf zog er nach Bozen. […] Vor allem aber engagierten sich Siegmund und Arnold Schwarz bei der touristischen Erschließung Südtirols durch den Eisenbahnbau. 1891 wurde der Gardasee durch die Mori-Arco-Riva-Bahn an das Eisenbahnnetz angeschlossen. Es folgte der Bau der Überetschbahn, der Verbindung von Bozen nach Kaltern. […] Auch in Vorarlberg engagierten sich Siegmund und Arnold Schwarz für den öffentlichen Verkehr. 1902 wurde die von ihnen finanzierte Straßenbahnlinie Dornbirn-Lustenau in Betrieb genommen und trug erheblich zur Entwicklung der Industrie bei. Ein Jahr später wurde zwischen Meran und

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Bozen die von den Gebrüdern Schwarz geplante Standseilbahn auf den Mendelpass eingeweiht, die damals steilste Standseilbahn Europas und erste Bergbahn Südtirols. Es folgte der Bau der Virglbahn in Bozen und die erste Projektierung der Vinschgaubahn von Meran nach Westen, bei der die Gebrüder Schwarz allerdings nicht zum Zuge kamen. Daneben waren sie an Hotelunternehmungen beteiligt.“ Vgl.: www.biographien.ac.at/oebl/oebl_s/ Schwarz_Sigismund_1849_1919.xml (28.2.2019). Sophie Grubhofer (biografische Daten unbekannt). Tochter (oder Nichte?) von Elsa Zenobio-Albrizzi, der Besitzerin von Schloss Enn oberhalb von Montan, und Gattin von Tony Grubhofer. Otto Hämmerle (1846–1916). Textilunternehmer in Dornbirn, Sohn von Franz Martin (F. M.) Hämmerle und Bruder von Guntram Hämmerle. Vgl.: Huber, Franz Josef, Rhomberg, Harald, Zum 200. Geburts­ tag des Textilunternehmers Franz Martin Hämmerle (1815–1878), in: Stadtarchiv Dornbirn, Matt, Werner (Hrsg.), Dornbirner Schriften, Beiträge zur Stadtkunde 45, Dornbirn 2016, S. 143, online: www.inatura.at/fileadmin-client/stadtarchiv/Dornbirner_Schriften/DS_45/Dornbirner_ Schriften_Nr._45.pdf (20.7.2019). Guntram Hämmerle (1862–1923). Siehe oben. Albertine Stainer (biografische Daten unbekannt). Gattin des Juristen und Gründungsmitglieds des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“, Hans Stainer. Adolf Fürth (biografische Daten unbekannt). Der Wiener mit jüdischen Wurzeln wird in Südtirol öfter in Verbindung mit der Verwaltung der Virglbahn genannt, deren Bau auf das Engagement von Sigismund Schwarz zurückgeht (siehe oben). Vgl.: davidkultur.at/artikel/strakonitz-8211-wien8211-bristol-die-schulgrunderin-paula-furth (20.7.2019). Möglicherweise handelt es sich um Emil von Fürth (1863–1911). Jurist und Politiker, von 1904 bis 1910 Vertreter der Sozialpolitischen Partei im Wiener Gemeinderat. Fachmann auf dem Gebiet der Wohnungsfürsorge. Verdienste in Verbindung mit dem Zustandekommen des 9. Wohnungsreformkongresses in Wien 1910. Vgl.: de.wikipedia.org/wiki/Emil_von_Fürth (18.7.2019). Anna Kieser (biografische Daten unbekannt). Wahrscheinlich eine Tochter von Hans Kieser und Schwester von Irma Kieser (siehe oben). Arnold Schwarz (1853–1935). Bruder von Sigismund Schwarz (siehe oben). Vgl.: www.hohenemsgenealogie.at/gen/search.php (18.7.2019).

Die Akteure im „Verein für Alpenhotels in Tirol“ nach 1905 1905 kündigten sich nicht nur tief greifende Veränderungen in der Organisationsstruktur des Vereins an, mit dem Architekten Otto Schmid gab auch ein langjähriges Mitglied sein Ausscheiden aus dem Akteur-Netzwerk bekannt. 1902 zählte er bereits zu den Mitbegründern des „Hotelbau-Vereins Kitzbühel“ und gestaltete die Pläne für sein letztes ambitioniertes Hotelprojekt.525 Daher ist anzunehmen, dass er seine zurückerhaltene Geldeinlage weitsichtig im Nordtiroler Projekt reinvestierte. Zusammen mit dem Architekten gab eine „Frau Keding“ (biografische Daten unbekannt) aus Altersgründen ihren Austritt aus dem Verein bekannt. Die Neuverteilung der Geschäftsanteile wurde diplomatisch geregelt: Der Platz von Frau Keding ging über Vermittlung von Sigismund Schwarz (1849–1919), der schon länger an den HotelEntrepreneurships beteiligt war, auf dessen Bruder Arnold (1853–1935) über.526 Die Anteile von Otto Schmid übernahm Caroline Lun (1859–?), eine unverehelicht gebliebene Schwester Carl Luns. Teile ihres Vermögens wurden offenbar ähnlich dem von Sophie Grubhofer und anderer „stiller Teilhaberinnen“ in den gewinnbringenden Hotelprojekten angelegt. Dazu gehörte auch der stattliche Geschäftsanteil von Irene Dumba in Höhe von 83.000 Kronen (ca. 553.830 Euro). Sie war eine Verwandte Theodor Christomannos’ aus dem Kreis der familiär und wirtschaftlich untereinander verbundenen „Wiener Griechen“. In allen offiziellen Angelegenheiten wurden die Frauen jeweils durch Männer vertreten. Wenig erstaunlich ist das Engagement der Brüder Schwarz im „Verein für Alpenhotels in Tirol“. Die Vernetzung mit ihnen bot eine Reihe von Synergien. Denn die von Hohenems nach Bozen ausgewanderten Bankiers mit jüdischen Wurzeln betrieben die Dampfbrauerei Vilpian und waren am Aufbau des Tourismus in Südtirol unter anderem noch insofern beteiligt, als sie ihr Kapital in die ersten Lokal- und Bergbahnen (z. B. die 1907 eröffnete Rittnerbahn) investierten.527 Nicht nur über sie lassen sich Verbindungen zu den Vorarlberger Industriellen Otto und Guntram Hämmerle (1846–1916 bzw. 1862–1923) herstellen, die ebenfalls Geld in den Alpenhotel-Entrepreneurships anlegten. Auch der Jurist Heinrich Freiherr von Mages (?–1914) hatte über seine Ehe mit Caton, geborene Mutter (auch: Katharina, biografische Daten unbekannt), einen Bezug zur Textilwirtschaft im westlichsten Teil Österreichs. Denn ihre Familie war Teilhaber an Getzner, Mutter und Cie. in Bludenz.528 Die Liste der dreißig Miteigentümer ist darüber hinaus auch insofern bemerkenswert, als sich über die Hauptakteure im „Verein für Alpenhotels in Tirol“ eine Verbindung zu deutschen Industriellen herstellen lässt. Zugleich zeigt sich an ihrem Beispiel aber auch, auf welche Weise eine Vergesellschaftung zwischen dem Berghotel- und dem Alpenverein stattfand.529 Carl Scheibler (1852–1920), Friedrich Julius Vorster (1845–1932) und Max Charlier (1854–1939) waren in der Metall- bzw. Chemieindustrie tätig. Sie alle gehörten nicht nur der 1876 gegründeten Sektion Rheinland-Köln des Deutschen Alpenvereins an, sondern waren von 1894 bis 1908 in ihrem Vorstand.530 Ihre Geschäftsanteile waren zwar niedriger als z. B. die des Wieners Ludwig Lohner (1858–1925), der in seinen Werken Motorräder, Lkws, Autobusse, Straßenbahnen und Flugzeuge herstellte.531 Dennoch legt ihr Interesse am Tourismusgeschäft in Südtirol den Schluss nahe, dass sie in den Berghotels Vorteile für sich persönlich als Alpinisten und Sommerfrischler sowie am zu generierenden Gewinn aus dem noch jungen Wirtschaftszweig allgemein sahen. Im Gegenzug setzte sich Theodor Christomannos persönlich für den Bau der Kölner Hütte ein, deren Errichtung die Sektion Rheinland des Deutschen Alpenvereins initiierte.532

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Zu ihnen gesellten sich zwischen 1909 und 1911 noch weitere Akteure. Geschäfts­anteile von Max Charlier gingen auf dessen älteren Bruder Paul (1851–1943)533 über.534 Neue Mitgesellschafter wurden Nikolaus von Walter (biografische Daten unbekannt), Handelskammersekretär und Landtagsabgeordneter in Bozen, mit 30.000 Kronen (ca.  172.210 Euro), ferner der Meraner Jurist Paul von Hepperger (1870?–1925)535 mit 20.000 Kronen (ca.  114.800 Euro), der Meraner Rechtsanwalt Otto von Sölder zu Prackenstein (1865?–1923)536 mit 30.000 Kronen und mit derselben Einlagesumme Otto Henkell (1869–1929)537 aus Wiesbaden, Erbe der gleichnamigen Sektkellerei. 1911 gingen Geschäftsanteile von Heinrich von Mages auf den Großhändler und ab 1912 Abgeordneten auf Lebenszeit im Herrenhaus des österreichischen Reichrats Alfred Escher aus Triest (biografische Daten unbekannt)538 über. Der hohe Anteil an Juristen und hohen Beamten aus Südtirol veranschaulicht, dass der Kreis der regionalen Akteure nicht nur eine untereinander gut vernetzte, gebildete und in gesicherter Existenz lebende Elite war, sondern spätestens ab 1896 zunehmend gerne Geschäftsbeziehungen mit Vertretern aus dem deutschen und österreichischen Unternehmertum einging. Der Tourismus – wenngleich ein risikoreiches Geschäft – bot ihnen die Möglichkeit, den eigenen gesellschaftlichen Status in eine neue Richtung zu lenken und dies im besten Fall zugleich mit einem finanziellen Gewinn zu verbinden. Zudem blieb durch ihre Präsenz die regionale Kontrolle im Verein gewahrt. Für die Zeit von 1911 bis 1926 existieren im Archiv der Handelskammer Bozen nur wenige Informationen über den „Verein für Alpenhotels in Tirol“. Nach nicht einmal 18-jähriger Tätigkeit des Vereins bzw. der Gesellschaft mit beschränkter Haftung brach mit dem Ersten Weltkrieg eine Periode an, in der viele Hotels militärische Aufgaben übernehmen mussten. In der Österreichischen Nationalbibliothek ist eine Serie von Fotografien erhalten, die Mitglieder des Kaiserhauses und zum Teil hohe Militärs vor dem Hotel Karersee zeigen.539 Die Wahl ihrer Unterkunft im Dolomitengebiet dürfte nicht ohne Grund auf die bekannte „Touristenkaserne“ gefallen sein, zumal hier schon die österreichische Kaiserin zu Gast gewesen war. Auf einer Abbildung ist allerdings auch der Speisesaal mit eingestürztem Dach zu sehen.540 Es war unter der Schneelast eingebrochen. Möglicherweise entstand sie im strengen Winter 1917, in dem auch das Hotel Trafoi infolge Überheizung niederbrannte und in der Folge von seinen Besitzern fast zur Gänze abgeschrieben werden musste (siehe Katalogteil). Aus diesem Grund erstaunt es umso mehr, dass der „Verein für Alpenhotels in Tirol“ und seine Folgegesellschaften noch lange tätig waren. Der „Deutsche Verein für Dolomitenhäuser“ Gesellschaft mit beschränkter Haftung Die bereits in Zusammenhang mit der letzten Generalversammlung des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ im Jahr 1905 erwähnte Diskussion touristischer Vorhaben in den Dolomiten verweist darauf, dass für die Errichtung des Hotels in Canazei eine weitere Trägergesellschaft ins Leben gerufen werden musste. Ihre Gründung erfolgte, weil Theodor Christomannos in Bezug auf die Verfolgung ständig neuer Projektideen auf Widerstand bei seinen Weggefährten stieß und man möglicherweise das unternehmerische Risiko eines zu raschen Ausbaus der Hotellerie in dieser Bergregion neu verteilen wollte. Im August 1907 wurde schließlich – ebenfalls unter der Geschäftsführung von Theodor Christomannos  – ein „Deutscher Verein für Dolomitenhäuser Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ ins Handelsregister Bozen eingetragen.541 Wahrscheinlich wurde auch hier im Firmenwortlaut der Begriff „Verein“ verankert, um nach außen hin Gemeinnützigkeit zu signalisieren.

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„Gegenstand des Unternehmens“, so die Satzungen, sei „die Erbauung und Führung von Gaststätten (Hotels, Gasthöfen und Unterkunftshäusern) in den Tirolischen Dolomiten, der Betrieb von Transportunternehmungen, die Erwerbung von Grund und Boden, sowie die Beteiligung an solchen Unternehmungen, welche die Förderung des Fremdenund Touristenverkehrs in diesem Gebiete zum Zwecke haben.“542 Tatsächlich fungierte die Gesellschaft aber im Wesentlichen als Bauträger und Betreiber des Hotels Canazei. Im Unterschied zum „Verein für Alpenhotels in Tirol“ wurde der „Deutsche Verein für Dolomitenhäuser“ als Organisation mit starker regionaler Beteiligung konzipiert.543 Das Stammkapital von 185.000 Kronen (ca. 1,170.200 Euro) verteilte sich auf insgesamt 64 Gesellschafter, von denen die meisten Beträge in Höhe von 1.000 bis 5.000 Kronen (ca. 6.325 bis 31.627 Euro) beisteuerten. Nur zwei Gesellschaftsanteile waren höher, der des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ mit 41.000 Kronen (ca. 259.340 Euro) und der des Bozner Hoteliers Franz Staffler (1843–1922)544 mit 11.000 Kronen (ca. 69.580 Euro).545 Das legt den Schluss nahe, dass der Wirtschaftszweig Tourismus von auswärtigen Kapitalflüssen gelöst und zunehmend unter lokale Kontrolle gestellt werden sollte, wobei in Verbindung mit dem sich hauptsächlich aus Bozner Bürgern zusammensetzenden „Deutschen Verein“ die nationalistische Färbung unübersehbar ist. Zu diesem Bild passt auch, dass der „Verein für Alpenhotels in Tirol“ zum Zeitpunkt der Gesellschaftsgründung bereits Besitzer des Grundstücks in Canazei war, auf dem das Hotel errichtet wurde.546 Weitere Details über dieses Unternehmen und seine Mitglieder siehe im Abschnitt über das Hotel Canazei im vierten Kapitel dieses Buches. Der „Verein für Alpenhotels in Tirol“ wird „Società Alberghi Alpini“ Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde das Hotel Karersee bereits im Jahr 1920 wiedereröffnet (siehe Katalogteil), doch die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft „Verein für Alpenhotels in Tirol“ lässt sich erst ab 1925/1926 erneut dokumentieren.547 In der Ära des Faschismus musste auch in der Architektur jede Form von Deutschtümelei aus der Zeit der Monarchie einer groß angelegten Italianisierung weichen. 548 Aus diesem Grund ist es erstaunlich, dass sich das Erscheinungsbild des Hotels Karersee nicht veränderte. Das war möglicherweise deshalb der Fall, weil es ab seiner Wiederinbetriebnahme hauptsächlich von italienischen Gästen besucht wurde und auf diese Weise bereits „italianisiert“ war. Nach der Generalversammlung am 29. Mai 1927 erfolgte die offizielle Italianisierung der Gesellschaft unter dem neuen Firmennamen „Società Alberghi Alpini a. g. l. sede in Merano“, wobei sich mit Ausnahme von Carl Lun der Vorstand vorerst noch nicht veränderte.549 Im Protokoll dieser Generalversammlung wurde das Stammkapital mit 1,358.000 Lire550 angegeben. Ferner geht aus ihm hervor, dass elf Teilhaber anwesend waren, darunter „i rappresentanti della Opera Nazionale per i Combattenti per le quote appartenenti ai già soci germanici“.551 Die Opera Nazionale Combattenti (ONC) war eine 1917 gegründete Organisation, die den italienischen Kriegsveteranen die Rückkehr in ihr Leben als Zivilisten erleichtern sollte. 1923 wurde der Organisation auch die Verwaltung der Güter von Kriegsgegnern übertragen („beni ex-nemici“).552 Ab 1926 hatte die ONC auch das Recht, Grundenteignungen voranzutreiben, was in unmittelbarer Folge dazu führte, dass sie die Anteile der deutschen Miteigentümer an der „Società Alberghi Alpini“ übernahm.553 Die Wiener Anleger blieben hingegen weiterhin in der Hotelgesellschaft aktiv.

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Nach der Italianisierung des Vereins übernahm Oskar Musch zunehmend Geschäftsanteile bzw. Aufgaben im Vorstand des Vereins.554 Doch erst nach 1945 trat auch Alexander Kinkelin, der zweite Erbe von Carl Lun im „Bureau“ von Musch & Lun, in dessen Fußstapfen als Hotelbetreiber.555 Mit den Jahren verlor das ehemalige „Grandhotel“ am Karersee aber an Glanz und es wurde zunehmend schwieriger, den Betrieb in der Form eines „Hauses ersten Rangs“ aufrechtzuerhalten. 1963 wurde der „Verein für Alpenhotels in Tirol“ bzw. die „Società Alberghi Alpini“ im Zug der Veräußerung des Hotels an die „Società Iniziative Turistiche Alberghiere S.I.T. A. S.A.R.L.“ mit Sitz in Bozen aus dem dortigen Handelsregister gelöscht.556 Zur Überleitung: regionale Eliten und Architektur Die Aktivitäten und Handlungsweisen der regionalen besitz- und bildungsbürgerlichen Eliten, die 1895 den „Verein für Alpenhotels in Tirol“ gründeten, wären nicht ausreichend dokumentiert, wenn nicht noch einmal das Thema Architektur zur Sprache käme. Denn ein weiteres Kennzeichen der Akteure war, dass sie zu den ersten gehörten, die sich im weitesten Sinn auch auf kultureller Ebene für die Region interessierten und in die aufkeimende Wertschätzung für alles Heimatliche auch das Thema Architektur integrierten.557 Vor diesem Hintergrund erstaunt es auch nicht, dass die Form von austauschbarem, „glattem Allerweltscharakter“558 im Hotelbau, der z. B. von der „Österreichischen Baugesellschaft für Kurorte“ nach Südtirol gebracht wurde, unter ihrer Ägide keine Forstsetzung mehr fand. Das Erscheinungsbild ihrer Berghotels ist vielmehr als eine Form von Regionalismus zu verstehen, in den aus einer Mischung aus Identitätsstiftung und wirtschaftlichem Kalkül Deutschtümliches verarbeitet wurde. Das war nicht nur auf ihre Mitgesellschafter zurückzuführen, sondern vielmehr auf den Umstand, dass sich das südliche Tirol auch aus Gründen der politischen Raumbeanspruchung als dem deutschen Kulturraum zugehörig zeigen wollte.559 Weitere Details über Tourismusarchitektur und ihren wachsenden Bezug zur Region finden sich unter anderem in den Abschnitten über „regionalisierte“ Architektur und Deutschtümelei und das Berghotel als „Weltanschauungssymbol“ im nächsten Kapitel dieses Buches.

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Das Berghotel

Das Hotel als Bautyp und seine Entwicklung zum Berghotel in Südtirol „The architect, in the course of his career, is called upon to erect buildings for every conceivable purpose, most of them adapted to requirements which have never before arisen in history. […] Railway buildings of all sorts; churches with parlors, kitchens, and society rooms; hotels on a scale never before dreamt of; public libraries, […] office and mercantile structures, such as no preexisting conditions of professional and commercial life have ever required; school-houses and college buildings, […] theatres, exhibition buildings of vast extent, casinos, jails, prisons, municipal buildings, music halls, apartment houses, and all the other structures which must be accommodated to the complicated conditions of modern society […]“560, schrieb der amerikanische Architekt Henry Van Brunt 1886 über die dynamische Zunahme von Bautypologien zu seiner Zeit. Spitäler und Kurhäuser erwähnte er bemerkenswerterweise nicht, dabei hätten Heilanstalten seine detaillierte Liste erst komplettiert. Anders als Van Brunt sah der – eher vom Denken eines Ingenieurs als von dem eines Architekten inspirierte – Joseph August Lux im Hotel weniger einen Baukörper von Dimensionen „never before dreamt of“561, sondern vielmehr einen wie geschmiert laufenden Apparat, den er als „eine Synthese von Klinik, Wagon-lits und Maschine“562 interpretierte. Beide Autoren beziehen sich auf die in ihrer Epoche immer deutlicher werdende Herauslösung der Architektur(-produktion) aus ihrer Traditionsgebundenheit, die sich z. B. im Eisenbahnwesen und im Hotelbau in frühen Formen von Serialisierung, Standardisierung und Typisierung manifestierte.563 Van Brunt und Lux gingen von den Verhältnissen in Großstädten aus, in denen sich um 1850 das „moderne Metropolenhotel“564 aus bereits bestehenden Bautypologien herausbildete.565 Die großen Herbergen von damals waren Drehscheiben des örtlichen Gesellschaftslebens, als Treffpunkte Motoren für die Wirtschaft und deckten den Bedarf an Unterkünften für die Besucher von Opern, Museen und großen Ausstellungsereignissen.566 Nikolaus Pevsner verweist in dem Zusammenhang unter anderem auf das Great Western Hotel in London, das Hotel du Louvre in Paris und die großen Häuser in Boston, Baltimore und New York.567 Doch die fokussierte Sichtweise auf das Hotel als – rein urbanen Ballungsräumen zuzuordnende – „BeherbergungsMaschine“ täuscht darüber hinweg, dass es gerade in seinem einer Klinik ähnelnden Erscheinungsbild wesentliche Impulse aus Regionen an der geografischen Peripherie bezog. Denn gerade die teils abseits größerer Agglomerationen und gut ausgebauter Verkehrswege errichteten Kurkomplexe großen Stils zeugen von der typologischen Nähe von Spital und Hotel. Wie bereits im ersten Kapitel dieses Buches dargestellt, stieg auch die Zahl der Heilbäder im 19. Jahrhundert sprunghaft an, was vielerorts zu einer florierenden Bautätigkeit führte. Diese Entwicklung fiel in eine Ära, in der die Kurgäste zunehmend die landschaftliche Umgebung der Gesundbrunnen zu erkunden begannen, dabei viel Wahrnehmenswertes entdeckten

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In seiner Entstehungszeit war das Hotel Trafoi das mit Abstand größte Gebäude im Tal

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und auf diese Weise zur Wende von der Kur zum Erholungsurlaub beitrugen.568 Auch der Alpinismus unterlag in dieser Periode einem Richtungswechsel. Wurden die ersten Touren noch wie Expeditionen unter wissenschaftlichen Voraussetzungen unternommen, bestieg man die Berge nun zunehmend zum sportlichen Genuss. Das Hotel – eine „Synthese aus Klinik, Wagon-lits und Maschine“ Nikolaus Pevsner war unter den ersten Autoren, die den Badischen Hof in Baden-Baden an den Beginn der Baugeschichte des „modernen“ Hotels stellten. Hier verwandelte der Architekt und Stadtplaner Friedrich Weinbrenner (1766–1826) von 1807 bis 1809 eine säkularisierte Klosteranlage in ein Kurhaus mit Theater.569 Zusammen mit seiner frühen Entstehung kann man im Badischen Hof aber auch eine mit System funktionierende Apparatur und damit einen idealtypischen Vorläufer der „HotelMaschine“ im Sinn von Joseph August Lux erkennen: Die ehemaligen Klosterzellen, die frühen Formen von Standardisierung unterlagen, wurden in Gästezimmer umfunktioniert. Nach demselben rationellen Prinzip erfolgte später auch der Bau der Wagon-lits mit ihren einheitlich genormten Schlafabteilen. Nicht zuletzt wurden im Badischen Hof aber wie in einem Spital mit gutem Service auf hygienische Weise die Heilmittel zum Patienten gebracht. Das warme Wasser der Thermalquelle wurde nämlich direkt in die Bäder der Schlafzellen des Gästetrakts geleitet. Anschaulich erklärt sich damit die Genese des „modernen“ Hotels aus einer mehr als nur metaphorisch gemeinten „Synthese von Klinik, Wagon-lits und Maschine“.570

Der Badische Hof in Baden-Baden, Zeugnis der typologischen Nähe von Spital und Kurhaus

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Hotel in „historischer Maske“, Hotel Meissl & Schadn von Architekt Karl Hofmeier (1858–1934), Wien 1896

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Das Berghotel – urbane Modernität und innovative Interpretation von „Traditionsgebundenheit“ im Gebirge An anderer Stelle wurde bereits darauf verwiesen, dass sich Joseph August Lux in seinen Reflexionen über das Hotel „als Bauproblem“571 auf die Zukunft bezog. Er bemängelte, dass die meisten Stadthotels historische Masken trügen und daher „gerade in geschmacklicher Hinsicht bedenklich schwach“ seien. Hinkünftig wären an „das ingenieurmäßige, konstruktive, organische Denken [im Hotelbau, Anm.] noch die größeren Aufgaben zu stellen“. Sein Text wurde 1909 in einer Zeit veröffentlicht, in der das „Grandhotel“ des Historismus zunehmend aus der Mode kam, aber grundlegend neue Ansätze in der Architektur großer Häuser fehlten. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs verhinderte eine Neuausrichtung, die z. B. mit den Veränderungen des Reisens durch das Automobil einhergehen hätte müssen.572 Im Unterschied zu den Feststellungen von Joseph August Lux kann in diesem Buch aber am 1909 eröffneten Dolomitenhaus in Canazei und anderen Beispielen gezeigt werden, dass ausgerechnet an der geografischen Peripherie und an zum Teil exponierten Bauplätzen im Gebirge Trentino-Südtirols – eben unter der Voraussetzung neuer Formen der Mobilität und der Erweiterung von Verkehrsnetzen – Herbergen entstanden, die sich in manchen Aspekten von den Leitbildern in den urbanen Zentren unterschieden. Ergänzend dazu ist an dieser Stelle auch vorwegzunehmen, dass in Canazei 1929/1930 das einzige bislang bekannte Motel im Alpenraum errichtet wurde. An einer Reihe exemplarischer Berghotels wird aufgezeigt, dass sich in Südtirol und den angrenzenden Regionen die teilweise Herauslösung der Architektur aus ihrer Tradi­ tionsgebundenheit in anderer Form äußerte als in urbanen Ballungsräumen. Schon in den 1890er Jahren wurden hier im Hotelbau gestalterische Elemente eingesetzt, die nicht zuletzt aus politischen Gründen Assoziationen mit der Geschichte der deutschsprachigen Gebiete im alpinen Raum südlich des Brenners hervorrufen sollten. Inspiration in formaler Hinsicht bezog man parallel aus der Architekturgeschichte, z. B. der Gotik oder der mittelalterlichen Burg, und noch relativ jungen „Bautraditionen“ wie dem häufig im Hochbau der Eisenbahn verwendeten Blendfachwerk. Auf diese Weise setzten sich die Häuser in der Art einer „inventive imitation“573 aus einem Set an visuellen Referenzen zusammen. Diese stellten für ihre Erbauer patriotische „Weltanschauungssymbole“574 dar, zugleich verkörperten sie als Bedeutungsträger kulturelle Anknüpfungspunkte, in die sich die Gäste wie in eine („historische“) Gemeinschaft integrieren konnten. „Die Erfahrung gegenseitigen Wiedererkennens trug dazu bei, das Bewußtsein regionaler Identität zu festigen“, schreibt dazu der Historiker Laurence Cole.575 Die neuartige äußere Gestaltung der Häuser spiegelte sich in ihrer „modernen“ Entwurfsmethode. Denn das der Architekturproduktion zugrunde liegende formale Repertoire wurde mehrfach kopiert und das Erscheinungsbild der Berghotels so lange in Serie bzw. auf der Basis eines Modulprogramms wiederholt, bis es von neueren Kompositions- und Planungsprinzipien abgelöst wurde. Die Bautätigkeit in den alpinen Gebirgslandschaften war aber auch in anderer Hinsicht von Bedeutung. Unter den Auftraggebern der an strategisch günstigen Ausgangspunkten für Bergtouren positionierten Herbergen waren nämlich vermögende Alpinisten, darunter Unternehmer aus Deutschland. Für sie und die ihnen nachfolgenden Gäste für Höhenkuren wurden Unterkünfte erbaut, die deren Lebensstil entsprachen, aber auch die Ausgangsidee der

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Schaffung von „Alpenhäusern“ reflektieren sollten. In den komfortablen „Groß-Berghütten“ sollten im Verhältnis zum Stadthotel auch gesellschaftliche Konventionen eine untergeordnete Rolle spielen – was sich ebenfalls in das Motiv einer „teilweisen Herauslösung“, nun aber in einem frühdemokratischen Sinn von Sitten, aus ihrer Traditionsgebundenheit einfügt. Dennoch blieben die Berghotels in ihrem Bezug zu Geschichte und Überlieferung ambivalent. Äußerlich wurden die funktionale Gestalt und die „billige“576 Bauweise der „Alpenhäuser“ mit vergleichsweise jungen, aber „historisch“ wirkenden Elementen gut kaschiert, wohingegen in ihrem Inneren gotisierende Bauteile und Einrichtungen zum Einsatz gelangten, in denen der aristokratische Lebensstil in einer (lokalen) mittelalterlichen Burg unmittelbar zum Nachklingen gebracht werden sollte. Es war aber gerade die neuartige Kombination von (Seh-) Gewohnheiten und Trennung von überlieferten Regeln, die die Architektur der Berghotels im südlichen Landesteil Tirols prägten. Nicht zuletzt hatte diese besondere Form der Übersetzung des ursprünglich städtischen Bautyps Hotel in die alpine Gebirgswelt Werbeeffekte zur Folge, die zu Ausgangsbedingungen für den Erfolg des Tourismus in diesen Regionen wurden.

August Prokop: „Über Österreichische Alpen-Hotels mit besonderer Berücksichtigung Tirols“ Heute sind von den Berghotels von einst nur noch wenige erhalten. Viele Gebäude fielen Bränden anheim, wurden während des Ersten Weltkriegs stark beschädigt oder in der Folgezeit aufgrund ihrer Größe unrentabel und daher überbaut oder abgerissen. Manche von ihnen fristen noch ein Dasein als Apartmenthäuser. Somit stellen bebilderte Werbeprospekte, Postkarten, Zeitungsmeldungen und frühe Fotografien oft die einzigen Informationen dar, die heute noch von ihrer Existenz berichten. Selten blieben Architekturdarstellungen oder solche in publizierter Form erhalten. Zu den wichtigsten Zeitzeugnissen gehört die mit Abbildungen und Plänen versehene Publikation „Über Österreichische Alpen-Hotels mit besonderer Berücksichtigung Tirol’s“ (Wien 1897) von Architekt August Prokop.577 Sein auf Vorträgen basierendes Überblickswerk erschien in Fortsetzungen in der Wiener Zeitschrift „Der Bautechniker“ und als Sonderdruck. Es enthält unter anderem die einzige Dokumentation über die Vorgänge auf der Baustelle des Hotels Karersee578 und eine Reihe von Zeichnungen der Hotels Sulden und Trafoi von Otto Schmid, die zu den wenigen bekannten Quellen über das Werk des Architekten zählen. August Prokop veröffentlichte „Über Österreichische Alpen-Hotels“ aber nicht ganz ohne „treibende Kräfte“ im Hintergrund. Im Vorwort seines Werks dankte er unter anderem Theodor Christomannos, der Baufirma Musch & Lun und dem Fotografen Bernhard Johannes für ihre Unterstützung – wobei er Otto Schmid und Tony Grubhofer nicht erwähnte, obwohl diese Abbildungen beisteuerten bzw. Schmid als Architekt von Häusern, die im Zentrum der Publikation standen, nicht zu übergehen war. Vielleicht kann das aber als Zeichen für das bereits nicht mehr intakte Verhältnis zwischen den Berghotel-Entrepreneuren und Otto Schmid gewertet werden. Für sie alle war aber von Bedeutung, dass ihre Hotels in eine Reihe mit denen anderer prominenter Büros, z. B. denen von Fellner & Helmer579 in Wien, gestellt wurden.

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Kritik am (Schweizer) „Hotelkasten“ Im deutschsprachigen Raum griffen zur Zeit August Prokops im Hotelbau tätige Architekten gerne auf zwei Handbücher zurück, „Das Hotelwesen der Gegenwart“ von Eduard Guyer (Zürich 1874) und „Gasthäuser, Hotels und Restaurants“ aus der Serie „Grundriss-Vorbilder“ von Ludwig Klasen (Leipzig 1884).580 Diese Nachschlagewerke sollten den Architekten vor allem praktische Hilfe bieten – z. B. über die betrieblichen Abläufe im Beherbergungswesen –, nicht zuletzt trieben sie aber auch die Systematisierung des Hotelbaus allgemein voran. Im Unterschied zu diesen Publikationen stellte August Prokop Vorzeigeprojekte vor, zugleich warf er aber auch einen kritischen Blick auf die zu seiner Zeit bereits als vorbildlich geltende Hotellerie und ihre Rahmenbedingungen in der Schweiz. Bereits am Beginn seiner Ausführungen resümierte er: „Fast ein Säculum dauert schon dieser Fremdenzug und Fremdencult in der Schweiz an, der freilich etwas einseitig geraten ist, indem auf die Sprache, die Sitten und Gewohnheiten der Engländer vor allem Bedacht genommen[,] ja selbst deren heimathliche, ortsübliche Spiele überall berücksichtigt wurden […]. Gewiss ist es aber auch, dass kaum in einem zweiten Lande dem Fremden so viel und so Vorzügliches zu nicht zu hohem Preise geboten wird, wie gerade in der Schweiz.“581 Dennoch schloss er über die eidgenössischen Großhotels an: „Nicht immer fügen sich diese heute bereits ein enges Netz über die ganze Schweiz bildenden Riesenhotels passend in das landschaftliche Bild hinein; oft genug stört ein solches schüttkastenartiges Ungeheuer die landschaftlichen Reize; umgekehrt aber präsentiren sich selbst grösste Hôtels durch entsprechende Gliederung ihrer Masse und Länge durch geschickte Silhouette des Aufbaues und ebenso auch durch die Wahl des Baustyls und der Farbe und des Materials wie stattliche Schlossbauten und fügen sich als wahre Zierden in den Gesamtrahmen der Umgebung ein.“582 August Prokop, der den Hotelbau in den Alpen aus der Warte des Jahres 1897 analysierte, gelangte vor diesem Hintergrund zu dem Schluss, dass sich die Situation der Hotelarchitektur in der Schweiz unausgewogen präsentierte. Kastenartige Kolosse störten das Landschaftsbild (in den Bergen), wohingegen abwechslungsreich gestaltete Hotels ihre Umgebung bereicherten. Ohne diesen Punkt zu vertiefen, stellte er damit zwei verschiedene Bauformen einander gegenüber, die in der Schweiz häufiger waren als in Österreich, aber hier wie dort die Architektur großer Herbergen der Zeit prägten. Sie gehörten einer älteren und einer jüngeren Phase im Hotelbau an, wobei die Abkehr von den blockartigen Hotelkästen in der Schweiz, speziell im Oberengadin583, wie in angrenzenden Ländern um 1890 einsetzte. In dieser Ära des Umschwungs entstanden auch die ersten Berghotels in Südtirol und im angrenzenden Trentino, die in diesem Buch vorgestellt werden. Die Häuser von damals funktionierten sinngemäß bereits wie tadellos konstruierte Apparate und entsprachen in Bezug auf Hygiene und Reinlichkeit, auch was die Gebrauchsgegenstände betraf, klinischen Anforderungen.584 Schon in Bezug auf ihre Wortherkunft weisen Hotel und Hospital ein Naheverhältnis auf, bisher wurde die Entstehung der Bautypologien aber immer getrennt behandelt, weshalb ein Blick auf ihre gemeinsamen Wurzeln schon längst ausständig ist – und auch hier trifft man schon früh und in verschiedenen Zusammenhängen auf das Bild von der „Maschine“.

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St. Moritz-Bad, um 1880

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Kathedrale Notre-Dame in Paris mit dem vorgelagerten Hôtel-Dieu, dessen Gebäude sich bis auf die andere Seite der Seine erstreckten, Ausschnitt, aus: Turgots Plan von Paris, 1739

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Vom „Hôtel-Dieu“ zum „Maison de Santé“ Im Pariser Hôtel-Dieu herrschten um die Mitte des 18. Jahrhunderts (noch immer585) derart skandalöse Zustände, dass sie sogar in der „Encyclopédie“ des umfassend gebildeten Aufklärers Denis Diderot (1713–1784) dokumentiert wurden: „Picture to yourself a long row of continuous wards, where sick of every kind are brought together and where they are piled often three, four, five, and six in the same bed, the living beside the dying and dead, the air infected with the exhalations of this multitude of unhealthy bodies, carrying from one to the other the pestilential germs of their sickness and the spectacle of the sadness and agony offered and received on all sides: That is the Hôtel-Dieu.“586 Der Reformbedarf in diesem großen Spital in Paris wurde nach einem Brand im Jahr 1772 besonders augenfällig. Die Katastrophe, bei der ein ganzer Gebäudeflügel zerstört wurde, zog so große öffentliche Aufmerksamkeit nach sich, dass in der Folge von vielen Seiten Vorschläge gemacht wurden, wie man die Bedingungen hier und in ähnlichen Anstalten verbessern könnte. Dabei wurde die Bauweise von Krankenhäusern und die Hebung ihrer Standards generell verhandelt, die Diskussionsbeiträge stammten aber nicht nur von Architekten, sondern – wie später auch in Wien587 – von der Ärzteschaft und nicht zuletzt an Gesellschaftsreformen interessierten Aufklärern bzw. Utopisten. Auf diese Weise wurde im zeitlichen Umfeld der Französischen Revolution ein vorrangig Behörden, Ärzten und Architekten vorbehaltenes Thema zu einem im weitesten Sinn gesellschaftlichen gemacht. Das Resultat der Debatte war, dass das Hôtel-Dieu, in das man ursprünglich mehr zum Sterben588 als zur Genesung gebracht wurde, auf der Basis der architektonischen und außerarchitektonischen Reflexionen „Heilanstalt“ wurde. Dieser Wandlungsprozess erfolgte zwischen 1772 und dem frühen 19. Jahrhundert in einer Periode, in der viele heute gängige Typologien des öffentlichen Bauwesens Gestalt annahmen.589

Gabriel de Saint-Aubin (1724–1780), Brand des Hôtel-Dieu in Paris, 1772

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Das wiederaufgebaute Hôtel-Dieu mit der Kathedrale Notre-Dame im Hintergrund, Charles Marville (1813–1879), um 1867

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Das Hospital entwickelte sich nun von einem „environment […] of both illness and cure“ zu einem „Maison de Santé“, wenn nicht sogar in eine „machine à guérir“590, wobei die Neuausrichtung auch architektonische Neuerungen nach sich zog.591 Das alte Hôtel-Dieu war noch ein Labyrinth ohne die heute geläufige Spitalsgliederung in Abteilungen, Statio­ nen u. Ä. Unter dem Stichwort „A ward is, as it were, a machine for treating the sick“ waren Systematisierung und Ordnung Hauptforderungen an die zu reformierende Institution. Genauso wichtig war, dass sich in diesem Zusammenhang auch das Bild vom „Maison de Santé“ als Gebäude generell wandelte. Die Aufgabe seiner „Architektur“ bestand nun nicht mehr darin, die „Genesungs-Maschine“ im klassischen Sinn zu verschönern, sondern überhaupt eine neue Auffassung seiner Bauform und seines äußeren Erscheinungsbilds zu generieren. Diese sollte zu ihrer Gestalt entlang neuer „forms of need“592 finden. Über sie gelangte man zu einer neuartigen, wie „abwesend“593 wirkenden Architektur, mit der zugleich auch der erste Schritt in Richtung zum modernen Funktionalismus gesetzt wurde. Die Umorientierung setzte in einer Phase ein, in der sich erste Vorstellungen über die Bedürfnisse der sich formenden Zivilgesellschaft abzeichneten, sich damit aber auch neue Arbeitsfelder für Architekten und Ingenieure eröffneten. Zuerst mussten sich aber deren Vorstellungen – und die ihrer Auftraggeber – über Inhalt und Form von Bautypologien konkretisieren.594 Die ideale Form eines „Maison de Santé“ wurde in einer Weise beschrieben, die einiges von dem aus ihm hervorgehenden Hotel vorwegnahm. Es sollte „well appointed, with a large and magnificent garden, situated in pure air and with a beautiful view“ errichtet werden. „[In] a place with a suitable elevation, it presents from all sides the most agreeable site. There the constitution of the air is sweet and tempered, and the influence of the elements is favorable to the nature of those who dwell in it: the site is pure and bracing and in every way suitable to health. Thus this asylum contains at the same time everything that can contribute to the happiness of life, the useful and the agreeable.“595 Wie aus der Passage hervorgeht, spielte das äußere Erscheinungsbild eines solchen Hospitals oder Kurhauses vorerst noch eine untergeordnete Rolle. Neben organisatorischen Neuerungen sollte im Krankenhausbau insbesondere die Frischluftzufuhr verbessert werden. Stehende Luft in den Räumen galt allgemein als Hauptüberträger von Krankheiten, weshalb in den Spitälern funktionierende Ventilation auch die organisatorischen Abläufe bildlich in Fluss bringen sollte. Einige Architekten reagierten auf diese Hauptforderungen mit der Errichtung von langgezogenen Gebäuden, in deren Flügel die Stationen untergebracht wurden. Andere propagierten bereits den Bau von getrennten Pavillons mit Grünflächen dazwischen. Eine dritte Gruppe machte sich für abgerundete bzw. elliptische Baukörper stark, in denen die Luft besonders gut abfließen konnte. Nachdem die Kirche als Betreiberin von Einrichtungen wie dem Hôtel-Dieu in Paris den progressiven Konzepten oft kritisch gegenüberstand, wurden Entwürfe mit abgerundeten Bauteilen zuweilen auch dazu genützt, um die Kapelle eines Spitals von allen Seiten gut sichtbar ins Zentrum eines Komplexes zu rücken.596

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Vom Kurhaus zum „Hotelkasten“ Die neuen Tendenzen beeinflussten, ausgehend von so bekannten Gesundbrunnen wie Karlsbad (Karlovy Vary, Tschechien), Marienbad und Baden-Baden, auch den Kurhausbau.597 Um 1800 wurden erstmals namhafte Architekten mit Gestaltungsentwürfen für Bäder betraut, die nun als eigenständige Bauaufgabe galten. Auch opulente Idealpläne mit Kurhäusern in weitläufigen Parkanlagen waren bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts keine Seltenheit. Bad Schinznach, zwischen Zürich und Basel gelegen, verfügte ab Mitte der 1820er Jahre über ein Kurhaus598 mit einem abgerundeten Bauteil, in dem sich ebenerdig die Bäder und darüber die Zimmer befanden. Der Innenhof wurde von einem gestreckten Riegel räumlich abgeschlossen. In ihm wurden alle „öffentlichen“ Bereiche des Bads, wie Speisesaal und Salons, angeordnet.599 Im Unterschied zu den Kur- und Erholungszentren in der Nähe größerer Agglomerationen setzte sich die wie „abwesend“ wirkende Architektur in geografisch entlegenen Bergregionen erst in den 1860er Jahren durch  – in Bezug auf ihre Grundrissabwicklung und ihr sachlich-schlichtes Äußeres wurden die Gebäude aber bald überall ähnlich „funktional“ gestaltet. Isabelle Rucki schreibt in diesem Zusammenhang mit Blick auf das Oberengadin, dass die städtebauliche und soziale Integration der damals neu entstehenden Kurbetriebe in die gegebenen (bäuerlichen) Strukturen vor Ort, wo es ging, vermieden wurde.600

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Kurhaus von Bad Schinznach, Grundriss Erdgeschoss und Obergeschosse (linke Seite) Kurhaus von Bad Schinznach, Gesamtanlage, 1871 und 1874 mit einer Erweiterung des Kurund Hotelkomplexes (unten)

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Auch im trentinischen Levico errichtete man um 1860 am Ortsrand ein neues Kurhaus, nachdem eine Bädergesellschaft gegründet und das Thermalwasser von Vetriolo über einen Aquädukt zugeleitet worden war. Auf zeitgenössischen Abbildungen ist zu sehen, dass der „gesichtslose“, wie eine „Bade-Fabrik“ erscheinende Bau geradezu aus dem Landschaftsbild herausstach.601 Später wurde das Gebäude noch um zwei Flügel zu einem „Grandhotel“ erweitert. Aufgrund der Größe und des nüchternen Erscheinungsbildes solcher Kureinrichtungen war bald von „kastenartigen Ungeheuern“ die Rede. Erstaunlicherweise war es aber gerade das architektonische Schema des „Kastens“ mit An- und Zubauten, das von Autoren wie Ludwig Klasen propagiert wurde. Er ging nämlich davon aus, dass die Errichtung von (z. B. in entlegenen Bergregionen liegenden) Kurhäusern häufig ein hohes wirtschaftliches Risiko berge. Daher vertrat er die Ansicht, man solle zuerst ein kleines Gebäude verwirklichen, das bei Bedarf ohne Störung des laufenden Betriebs vergrößert werden könne.602 Vielerorts führte aber gerade diese Herangehensweise zur Entstehung der später viel kritisierten „Hotelklötze“, die die landschaftlichen Reize ihrer Umgebung massiv beeinträchtigten. Im Fall des bekannten Hotels Gurnigelbad südlich von Bern ist beispielsweise dokumentiert, dass der Bau zwischen ca. 1820 und 1881 etappenweise von einem kleinen Kurhaus zu einem wie eine gedrungene Mauer wirkenden „Hotelkoloss“ mit 560 Betten ausgebaut wurde.603 Aus vielen Alpenregionen sind ähnlich „monumentale“ Hotelerweiterungen belegt. Nicht zuletzt veranschaulichen die baulichen Entwicklungen in den Kurorten aber die Dimensionen der Stadtflucht und damit einhergehend den massiven Einfluss des von außen, z. B. in den Alpenraum, „gespülten“ Geldes. Denn kaum einer dieser Kurkomplexe wurde mit finanziellen Mitteln aus der Region verwirklicht. Daher hieß es schon um 1870: „Die Heilquellen […] sind nicht nur vortrefflich für die Kranken, sondern sie erweisen sich auch [als, Anm.] sehr stärkend für die Aktionäre.“604

Kurhaus von Levico, 1861 Gesamtansicht des Ortes mit dem im Verhältnis zu den Gebäude im Ort großen, einer „Bade-Fabrik“ ähnelnden Baukörper des Kurhauses, 1861 (rechte Seite)

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Hotelerweiterungen, schematische Darstellung in Klasen, GrundrissVorbilder, 1884 (linke Seite, oben). Das Konzept stammte von Robert Roller jun., der das Prinzip der additiven Kurhaus- und Hotelerweiterung bei seinen Projekten in Faulenseebad (linke Seite) und Gurnigelbad (oben) verwirklichte

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Sterzingerhof, unvollendet gebliebenes Kurhaus. Der Bau wurde später in das Hotel Brennerbad integriert

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Risikoreiches Tourismusgeschäft in Südtirol. Gründerzeitliche Serienproduktion im Hotelbau mit finanziellen Mitteln von außen Genauso wie im trentinischen Levico floss auch in Südtirol zuerst auswärtiges Kapital für die Realisierung touristischer Infrastrukturen ins Land. Die erste Baustufe des Dolomitenhotels Toblach wurde von der Südbahn-Gesellschaft finanziert und die ebenfalls bereits genannte „Österreichische Baugesellschaft für Kurorte“ investierte von Wien aus in die zwei weitgehend baugleichen Hotels Austria und Meranerhof in Bozen-Gries bzw. Meran. Die hier tätigen Architekten waren Wilhelm von Flattich und Emil von Förster, der seine Hotels wie von der Stange konzipierte und damit unter den Ersten war, die den seriellen Hotelbau und damit auch das Prinzip der Hotelkette vorwegnahmen. Einer der wenigen Komplexe, die in Südtirol mit „einheimischem“ Geld erbaut wurden, war hingegen der Neue Sterzingerhof am Brenner (Eröffnung: 1874). Der vom Innsbrucker Baumeister Jakob Norer (1828–1906) in U-Form geplante Bau wurde mit Mitteln der Stadt Sterzing finanziert. Es konnte aber nur ein Seitenflügel realisiert werden. Der lange unvollendet gebliebene „Torso“ ging später im Hotel Brennerbad von Musch & Lun auf (Eröffnung: 1903605). An diesem Beispiel lässt sich zeigen, dass in den Jahren des wirtschaftlichen Abschwungs nach 1873 selbst in der von Wien weit entfernten Gemeinde Sterzing keine Ressourcen mehr vorhanden waren, um ein noch in der Phase der Gründerzeit, im Umfeld von Hochkonjunktur und Spekulation, groß angedachtes touristisches Projekt zu vollenden. In den überwiegenden Fällen stammte das für die Errichtung der „Kolosse“ notwendige Kapital genauso wie ihr austauschbares architektonisches Erscheinungsbild aus den urbanen Ballungszentren – wenngleich schon in der Entstehungszeit der ersten „Hotelungeheuer“ unter den Anlegern bekannt war, dass das Tourismusgeschäft lukrativ, aber auch sehr riskant sein kann.606 Sowohl die Investitionsform als auch der „Hotelkasten“ stellten demnach rein städtische Parallelentwicklungen dar, auch wenn sich diese außerhalb der großen Agglomerationen manifestierten. Nach 1873, in den Jahren der Großen Depression nach dem Wiener Börsenkrach, konnten nur wenige der überdimensionierten Tourismusbetriebe weiterhin rentabel geführt werden. Auch in Südtirol wurde manche „Hotelruine“ von ihren Erbauern zurückgelassen und von der lokalen Bevölkerung (konservativen Kreisen und Vertretern der Kirche) schon deshalb abgelehnt, weil sie doch als Zeichen für die gewagten Geschäfte von „Zugezogenen“ und eine bald auch nicht mehr überall erwünschte „Fremdenindustrie“ stand. In Verbindung mit der Entwurfsmethode der Hotelkästen ist noch ein weiterer Aspekt zu erwähnen. Denn auch die serielle Gestaltung der „Beherbergungs-Maschinen“ nach sich wiederholenden Mustern verweist auf einen frühindustriellen Produktionsprozess. Diese Entwicklung wurde aber weniger von Architekten als vielmehr von Ingenieuren vorangetrieben, die auf der Basis der Kompositionslehre von Jean-Nicolas-Louis Durand (1760–1834) Hochbauten, allen voran für die Eisenbahn, realisierten.

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Nicolas Durand und die „Mechanisierung“ des architektonischen Entwurfs In Paris wurde 1794 parallel zur Académie royale d’architecture607, wo die theoretische Debatte (z. B. im zeitlichen Umfeld des Wiederaufbaus des Hôtel-Dieu) besonders gepflegt wurde, mit der École polytechnique eine neue Ausbildungsstätte ins Leben gerufen. Aus dieser während der Französischen Revolution gegründeten Schule gingen bekannte Ingenieure und Architekten hervor. Den ersten Lehrstuhl für Architektur besetzte Jean-Nicolas-Louis Durand. Der bekannte Architekt und Architekturzeichner wurde vor allem durch seine Publikationen „Recueil et parallèle des édifices de tout genre“608 (Paris 1800) und „Précis des leçons d’architecture données à l’École Polytechnique“ (Erstauflage: Paris 1802–1805) besonders einflussreich.609 Beide Werke dienten Generationen von Architekten als Handbücher, so etwa in Deutschland, wo vielen Anwärtern der Besuch einer prominenten Schule in Paris verwehrt blieb.610 Mit dem „Précis“ wollte Durand seinen Studierenden eine ganzheitliche, auf den Prämissen Einfachheit, Funktionalität und Wirtschaftlichkeit basierende Entwurfsmethode vermitteln, für die er empirische Design-Standards entwickelte. Sein Entwurfsschema baute auf dem „grid“ auf. Das Raster, ungeachtet aller topografischen oder landschaftlichen Verhältnisse, diente ihm als universelle Gestaltungsbasis. In dieses Schema setzte er Grund- und Aufrisse ein. Perspektivische Architekturdarstellungen lehnte er hingegen ab, denn sie waren für ihn mehr Kunst als Architektur.611 Die Entwurfslehre Durands ging demnach nicht vom Raum aus, wodurch sie primäre Proportions- und Raumvorstellungen aus der Architektur eliminierte.612 Sie führte zu einem rigorosen Schematismus, der später auch Kritik hervorrief. Beispielsweise wurde der bekannte Lehrer der „École“ von Gottfried Semper (1803–1879) spöttisch als „Schachbrettkanzler für mangelnde Ideen“613 bezeichnet. Dennoch kann die Nachwirkung des „Précis“ als „mécanisme de la composition“ bzw. – plakativ – „Bauplan-Generator“ noch bis weit ins 19. Jahrhundert nachverfolgt werden. Im Unterschied zu diesem Standardwerk befasste sich Durand im „Recueil“ als einer der ersten mit dem Thema „Bautypologien“ und zeigte auf, dass diese aus einer Wiederholung immer gleicher Elemente bestehen.614 Durch diese Reduktion des Bauens auf (endlos reproduzierbare) Bauteile oder „éléments“ beeinflusste er die Entstehung der meisten Rationalisierungs- und Standardisierungsmodelle in der Architektur maßgeblich. Er wird quasi als „Ahnherr“ aller industriellen Baumethoden betrachtet.

Blätter aus „Précis des leçons d’architecture [...]“ von Nicolas Durand (linke Seite) und der „Bahnhof zu Karlsruhe“ von Ingenieur Friedrich Eisenlohr als Beispiel für die Umsetzung der Entwurfslehre nach französischem Vorbild (links)

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Von der Rationalisierung des Eisenbahnbaus zum „standardisierten Regionalismus“ Die innovativen methodische Ansätze aus Frankreich wurden insbesondere von den Ingenieuren der Eisenbahn aufgegriffen, denn für sie war ein systematischer Entwurfsprozess im Sinn eines „Bauplan-Generators“ vor allem bei der Gestaltung von Hochbauten von Bedeutung – so kommt es nicht von ungefähr, dass man auch im österreichischen Bahnbau von einer „Franzosenzeit“615 spricht. In der Periode der Einführung des Eisenbahnwesens wurden viele Ingenieure (an der École polytechnique) in Paris ausgebildet und waren nach ihrem Studium im französischen Bahnbau tätig. Später wechselten sie häufig je nach Arbeitsangebot oder nach der Fertigstellung von Strecken, auch in Gruppen, geografisch ihren Einsatzort. Über diesen Weg gelangten einige von ihnen auch nach Österreich. Unter ihnen war neben Vincent Jacques Maniel (1813–1871)616, über den die Normierung von Hochbauten für die Eisenbahn nach Österreich-Ungarn kam, auch der Erbauer der Brennerbahn, Karl von Etzel, und der für die Südbahn-Gesellschaft tätige Wilhelm von Flattich. Nach der Privatisierung der Eisenbahn im Jahr 1848 erwarben darüber hinaus mehrere französische Anleger Konzessionen in Österreich, z. B. die Bankiersdynastie Rothschild.617 Die bei der Eisenbahn tätigen Ingenieure erkannten, dass der strikte Schematismus, der in Durands Entwurfslehre vorexerziert wurde, besonders dazu geeignet war, das gesamte Repertoire an benötigten Hochbauten und Bauteilen systematisch abzudecken. Durch die Gestaltung einer beschränkten Zahl sogenannter „Normalien“, die wiederholt verwendet werden konnten, standardisierten sie aber nicht nur Bautypen (z. B. Bahnhöfe in unterschiedlichen Größen bzw. „Classen“), sondern auch deren Bestandteile. Diese konnten nun in großen Stückzahlen gefertigt werden. Auf diese Weise vereinfachten die Ingenieure die Planungen, verkürzten die Bauzeiten und machten den Bahnbau insgesamt wirtschaftlicher. Bald erwiesen sich die ausgehend von Durands Entwurfslehre vertretenen Ansätze aber auch als Hindernis, nämlich in Verbindung mit der Realisierung von Bauaufgaben für die Eisenbahn außerhalb von urbanen Ballungsräumen. Denn abgesehen davon, dass man am Land vielerorts noch Ressentiments gegenüber dem neuen, „dahinrasenden“ Verkehrsmittel mit dem „unpoetischen Dampf“618 hatte, stießen die Ingenieure hier auf ein weiteres, noch ungelöstes „Bauproblem“. Für kleine Haltestellen benötigten sie nämlich normierte Bautypen unter Berücksichtigung der landschaftlichen Gegebenheiten. Zusätzlich mussten diese zur Verkürzung der Lieferwege mit lokal verfügbaren Baumaterialien realisiert werden. Hier konnten die Ingenieure also nicht so frei wie in den Städten ohne Rücksicht auf die spezifischen Merkmale des „architektonischen Raums“ planen, weshalb sie dazu übergingen, die Architektur der benötigten Hochbauten zu „regionalisieren“ – das heißt, sie mit Elementen zu versehen, die ortstypisch wirken sollten. Nicht zuletzt trugen auch werbliche Gründe dazu bei, dass die Entwürfe der untereinander konkurrierenden Bahngesellschaften vereinheitlicht wurden. Für die Hochbauten der einzelnen Bahnstrecken wurden je nach Region wiedererkennbare, architektonische „Codes“ entwickelt, die in der Art von Baukastensystemen funktionierten. Über diesen Weg gelangten die Ingenieure der Eisenbahnen schon früh zu Formen eines „standardisierten Regionalismus“.619

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Friedrich Eisenlohr, Bahnwartshaus Nr. 2, Wohnung für eine Bahnwartsfamilie und Bahnwartsstationen, 1865

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John Claudius Loudon, A Dwelling in the Swiss style, for a Married Couple and Family; with a Cow-house and Pigsty, aus: Encyclopedia of Cottage, Farm and Villa Architecture (London 1833). Die Publikation Loudons fand vor allem in den USA weite Verbreitung

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Vom sogenannten Schweizer Holzstil zum „Hotel im Schweizerstil“ In den meisten Publikationen werden als vorbildliche Kurhausbauten das Hotel Gurnigelbad und das Hotel Faulenseebad am Thunersee des Schweizer Architekten Robert Roller jun. (1832–1898) aus den 1870er Jahren genannt.620 Roller zählte zu den Ersten, der seine Hotels nicht mehr als einfache Putzbauten ausführte. Er hängte ihnen hölzerne Balkone vor, versah sie mit großflächigen Walmdächern und zum Teil mit Zwerchhäusern. Damit folgte er den Spuren seines gleichnamigen, aus Württemberg stammenden Vaters (1805–1858)621, der in Burgdorf bei Bern ein Architekturbüro eröffnete und zum Kreis der frühen Protagonisten des sogenannten Schweizer Holzstils zählte. Dabei handelte es sich um einen fantasievollen Umgang mit Holz bzw. hölzernen Bauteilen und Dekorationselementen, die Erinnerungen an „bäuerliches“ oder weitgehend gotisches Formengut wachrufen sollten – aber im eigentlichen Sinn keinen Regionalismus darstellten. Der sogenannte Schweizer Holzstil fand international Verbreitung, erweckte aber nur den Anschein von Rückbezug zu älteren, in der Eidgenossenschaft lokalisierbaren Bautraditionen. Der auch „Zimmermannsgotik“ genannte „Holzstil“ ist nicht einheitlich definiert und wurde auch nicht in der Schweiz geprägt, sondern „nur“ von dort ausgehend popularisiert.622 Zu seiner Verortung in der Eidgenossenschaft trug wahrscheinlich bei, dass er auch gerne auf die Bautypologie des in höfischen Kreisen schon im 18. Jahrhundert in Mode gekommenen „Schweizerhauses“ bezogen wurde. Das der bäuerlich-alpin geprägten Schweiz zugeordnete Bauschema des „Chalets“ befriedigte in seiner leicht verständlichen Art den Widerspruch zwischen der kulturellen Anziehungskraft des Volkstümlichen und dem Bedürfnis nach (sozialer) Distanz.623 Später, im sich etablierenden Umfeld von Massentransport und Massenkommunikation, in Zusammenhang mit der frühindustriellen Vorfertigung von „Chalets“624 in der Schweiz und den in Bezug auf die Einführung erfundener Traditionen und Bräuche immer einflussreicher werdenden (Welt-)Ausstellungen, gingen „Schweizerhaus“ und „Zimmermannsgotik“ zunehmend eine Symbiose ein. Ausschlaggebend hierfür war das vornehmlich städtische Publikum, dessen Blick unter diesen Voraussetzungen nicht mehr auf die eigentliche Herkunft eines Phänomens oder Objekts gelenkt wurde, sondern zunehmend auf den Wirkungsraum seiner Beliebtheit, eben die Schweiz.625 Zur allgemeinen Vorliebe für alles, was mit „Schweiz“ in Verbindung gebracht werden konnte, gehörte dann auch, dass sich viele Beherbergungsbetriebe vom Slogan „Hotel im Schweizerstil“ vor allem wirtschaftlichen Profit erhofften.626

Vom „ethnographic turn“ zur Deutschtümelei im Tourismus Südtirols In der Frühzeit des „Holzstils“ wurde seiner Verortung in der Schweiz noch kein besonderer Wert beigemessen. Die Strömung gelangte über Baumeister wie Robert Roller sen. aus dem südwestdeutschen Raum in die zentrale Alpenregion, wo z. B. im Bahn-Hochbau dekorativ verzierte hölzerne Bauteile rasch Eingang fanden. Von dort verbreiteten sie sich nicht nur im deutschsprachigen Raum, sondern über Musterbücher z. B. auch in den USA.627 Die Entwicklung der populären Bauweise zu einer Art „Herkunftsmarke“ erhielt durch den um die Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzenden „ethnographic turn“ einen zusätzlichen Schub. Dabei handelte es sich um ein allgemein zunehmendes historisch-volkskundliches Interesse am Ursprung eines Phänomens oder (architektonischen) Artefakts und dessen Verankerung z. B. in ländlich-alpinen Regionen wie der Schweiz (oder Tirols628)  – egal ob dies (ganz) der

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John Claudius Loudon, A small Inn or Public House in the Swiss Style, Bildunterschrift: „Its general appearance reminds us of the very beautiful winehouse and pleasure-garden, in the Swiss style, at Silberberg, near Stuttgard.“

Realität entsprach oder nicht.629 Denn in Zusammenhang mit der Herstellung von „ethnischem belonging“630 ging es (in der Architektur) oft mehr um symbolische Identitäten als um nachweislich echte Verbindungen zwischen Landschaften und Objekten – ein Trend, der sich, wie bereits angedeutet, im Umfeld der Weltausstellungen intensivierte.631 Dieser neuartigen „Synchronisierung“ konnte darüber hinaus aber auch eine, vielleicht noch nicht offen ausgetragene, Kritik an herrschenden politischen Systemen innewohnen. Das war unter anderem einer der Gründe, weshalb vielerorts liberal eingestellte Bürger mit dem von England ausgehenden Gothic Revival sympathisierten  – galt Großbritannien doch als „das Land mit einer gleichsam gewachsenen Verfassung“632. In Frankreich hingegen favorisierten republikanisch gesinnte Kreise eher eine Wiederbelebung der französischen Renaissance, denn diese „was possible to celebrate both its national (Gothic) origin and the influence of the classic universalist culture (Italian Renaissance)“633. Manchmal wurden Herkunft und ethnische Zurechnung aber auch dazu eingesetzt, um die Zusammengehörigkeit von Bürgern und Regionen (auch im Sinn einer künstlichen Gemeinschaft634) unter dem Dach einer Nation zu symbolisieren.635 Letzteres spielte z. B. in der Schweiz eine Rolle, nachdem sie 1848 in einen parlamentarischen Bundesstaat umgewandelt wurde. „Nationale Identität“, so der Historiker Laurence Cole, „ist nicht einfach ein Ereignis historischer Erfahrung und ethnischen Bewußtseins, sondern ein kontinuierlicher Prozess sozialer und kultureller Konstruktion.“636 In der Architektur war Eugène Viollet-le-Duc (1814–1879) unter den ersten, die Bauwerken eine „stammesgeschlechtliche“ Zugehörigkeit zuordneten und eine Verbindung zwischen „Rasse“ und „Stil“ herstellten.637 Auf diese Weise trug er maßgeblich zur Verknüpfung von „Bautyp“ und „Region“638 bei. Zugleich gilt er damit aber auch als einer der Urväter einer Entwicklung, die später zunehmend an Einfluss auf den Fremdenverkehr gewinnen sollte. Sichtbare Zeichen von Abgrenzung gewannen in den miteinander konkurrierenden Tourismusregionen in den Alpen zunehmend an Bedeutung. Bezogen auf Tirol, wo die in einem ethnisch-nationalistischen Sinn „Regionalisierung“ erst im Umfeld des Gedenkjahres um 1909639 richtig einsetzte, führten unterschiedliche Faktoren zuerst aber noch dazu, dass die Tourismusarchitektur, z. B. im südlichen Landesteil, vor allem eines sein sollte, nämlich deutschtümlich.

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Die Hinwendung zum Deutschtümlichen wurde in Südtirol unter anderem durch den Aufstand in der Lombardei und den piemontesischen Vormarsch auf das Trentino ausgelöst. Hans Heiss schreibt in „Bürgertum in Südtirol“, dass die Ereignisse im Zeitraum von 1848 bis 1866, die auch zum Verlust der österreichischen Besitzungen jenseits der Alpen führten, das Land sehr direkt betrafen und deutschnationale Emotionen aufs höchste schürten.640 Parallel dazu zogen die in der Monarchie bereits vorhandenen „ethnifizierten Konflikte“641, z. B. in Bezug auf den Zugang zu Ressourcen oder zu politischen Entscheidungsgremien, in deutschnational gesinnten Kreisen kollektive Angstvorstellungen nach sich. Ein Gefühl des „Zurückgedrängtwerdens“642 durch eine andere Sprachgemeinschaft oder „Nation“ war verbreitet. Unter diesen Voraussetzungen erfuhr „Deutschtirol“ seit den späten 1860er Jahren eine Aufladung als „Außen- und Vorposten des Deutschtums“643, was auch zur Politisierung des Reisens – nicht zuletzt in den Berggebieten entlang der italienischen Sprachgrenze644 – beitrug. Doch nicht nur die beträchtliche Zahl an Gästen aus Deutschland bewirkte die Orientierung der Region nach Norden, es bestand auch „eine starke personelle Überschneidung zwischen den Mitgliedern der Alpenvereine, den Förderern des Tourismus und [den, Anm.] Anhängern nationalliberaler Ideen“645. Wie komplex das Verhältnis von Politik und Tourismus war, veranschaulicht, dass schon in den späten 1870er Jahren im Deutschen Reich „erste Aufrufe zum touristischen Besuch der umstrittenen südlichen Sprachgebiete erschienen“646. Beispielsweise wurde in Gera 1876 ein Artikel mit dem Titel „Nationale Aufgaben beim Besuch von Tirol“ publiziert, in dem „nachdrücklich zu einem Aufenthalt im Bozner Unterland, im Nonsberg, in Ladinien und den oberitalienischen Sprachinseln aufgefordert wurde“647. Vor diesem Hintergrund sind die in den 1890er Jahren errichteten Berghotels in Südtirol auch als Orte deutschnational gesinnter Raumbeanspruchung von Gebirgsregionen bzw. als solche zu sehen, die unter den kulturellen und politischen Superioritätsvorstellungen ihrer Erbauer architektonisch Gestalt annehmen sollten.648 Die Großhotels im Ortlergebiet nahe der Lombardei und die Häuser an der Sprachgrenze in den (ladinischen) Dolomiten entstanden neben anderen, in diesem Buch bereits dargestellten Motiven, nicht zuletzt unter dem Aspekt einer Mobilisierung und Lenkung des „Deutschtums“ bzw. des „deutschen Tourismus“ in diesen Regionen, was sich insbesondere an den Ambitionen des aus Wien zugewanderten Berghotel-Entrepreneurs Theodor Christomannos und den von ihm unter dem Dach des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ zusammengeführten Mitgliedern nachzeichnen lässt.649 In diesen symbolischen Rahmen von Sprache, Kultur und Politik fügte sich auch das Erscheinungsbild der Häuser ein. Beispielsweise können ihre rauen Steinfassaden, die entfernt Erinnerungen an Burgen wachrufen, als Zeichen der Wehrhaftigkeit (gegen Italianisierung) gedeutet werden. Andere Gestaltungselemente, wie gotisierende Bauteile und Interieurs, sollten  – ganz dem Bild der Zeit entsprechend  – zum Ausdruck bringen, dass Südtirol seit je zum deutschen Kulturraum gehörte650 (wenngleich die Tatsache konsequent ausgeblendet wurde, dass die Gotik kein deutscher Nationalstil, sondern französischen Ursprungs war651). In diesen zum Teil diffusen Kanon an Vorstellungen und Projektionen reihten sich darüber hinaus auch die architektonischen Komponenten der Berghotels ein, die auf Vorbildern von den britischen Inseln beruhten. Denn die Motive aus dem Herkunftsland des Gothic Revivals ließen sich unter der Prämisse des oben Gesagten auch aus politisch-ideologischen Gründen harmonisch in die Geschmackswelt der „Alpenhäuser“ integrieren.

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Ingenieur Friedrich Eisenlohr, Wegbereiter des sogenannten Schweizer Holzstils und der Deutschtümelei in der „Tyroler“ Architektur In der Tourismusarchitektur im südlichen Landesteil Tirols lassen sich Elemente, die auf eine deutschnationale bzw. deutschtümliche Gesinnung verweisen, auf politische Ereignisse zurückführen. Sie können aber auch mit den Ingenieuren in Verbindung gebracht werden, die sich – im zeitlichen Umfeld des „ethnographic turn“ – mit Fragen der Regionalisierung von Hochbauten für die Eisenbahn befassten. Unter ihnen war der als einer der wichtigsten Wegbereiter des sogenannten Schweizer Holzstils geltende Friedrich Eisenlohr (1805–1854), der unter anderem als Leiter des Hochbauamtes der Badischen Bahn tätig war.652 Er stammte genauso wie Karl von Etzel und Wilhelm von Flattich aus Südwestdeutschland, weshalb gerade diesem geografischen Raum in Zusammenhang mit der Regionalisierung von Architektur allgemein eine besondere Rolle zukommt. Für die Strecke von Mannheim nach Basel, die zwischen 1838 und 1855 errichtet wurde, fertigte Friedrich Eisenlohr „Normalien“ für ca. 300 Hochbauten an.653 1865 veröffentlichte er diese „Sammlung von Hochbauten der Großh. Badischen Eisenbahn enthaltend Bahnhöfe, Stationen und Bahnwartshäuser, Ansichten, Schnitte und Grundrisse“ in Karlsruhe, wo er seit 1832 am Polytechnikum lehrte. Eisenlohr zählt nicht nur zu den zentralen Figuren auf dem Gebiet der Normierung des Bahn-Hochbaus. Er dürfte auch unter den Ersten gewesen sein, denen eine behutsame Einbettung der fremdartig wirkenden Bahngebäude in die gewachsenen Landschaften seiner Heimat ein besonderes Anliegen war. Neben seiner Arbeit als Ingenieur zeichnete er Städte, pittoreske Ruinen und romantische Landschaften, bekannt wurde er vor allem aber über eine Dokumentation bäuerlicher Bauformen. 1853 gab er ebenfalls in Karlsruhe die Publikation „Holzbauten des Schwarzwaldes“ heraus, die er zusammen mit Bauaufnahmen von Friedrich Feederle (1825–1869) veröffentlichte. Dieser Band ermöglichte es auch auswärtigen Architekten und Ingenieuren, die traditionellen Schwarzwälder Häuser zu studieren. Diese wiesen charakteristische, weit heruntergezogenen Schopfwalmdächer und zum Teil umlaufende Holzbalkone auf, deren Brüstungen wahrscheinlich nach dem Vorbild höfischer Balustraden aus Stein mit dekorativ geschnittenen („gelaubsagelten“) Brettern versehen wurden. Das formale Repertoire des Schwarzwaldhauses, zu dem auch die verzierten Streben gehörten, die zur Aufnahme der Druckkräfte von Balkonen und Dächern dienten, bildete aber nicht nur das Ausgangsmaterial für die Entwicklung des später sogenannten Schweizer Holzstils. Auch die großflächigen Dachlandschaften vieler Landhäuser und Hotels im Alpenraum mit ihren Zwerchhäusern, Dachgauben und Kaminen waren im ländlichen Bautyp der südwestdeutschen Mittelgebirge vorgeprägt. Insgesamt eignete sich der Kanon an vom Schwarzwaldhaus entlehnten Details besonders dafür, rasch mit anderen Formen von Architektur eine Symbiose einzugehen. Das Spektrum reicht vom Landhaus bis zur „castellated villa“ diesseits und jenseits des Atlantiks.654

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Der Scherzingerische Hof in Bärenreuthe, aus: Holzbauten des Schwarzwaldes, 1853 (oben) A Cottage Dwelling in the German Swiss Style for a Man and his Family, with accommodation for two Horses and a Cow, aus: Encyclopedia of Cottage, Farm and Villa Architecture, 1833 (linke Seite). Die Darstellung veranschaulicht, dass die Bauformen aus dem Schwarzwald schon früh als schweizertümlich betrachtet wurden

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Das s. g. Königenhäusle, Hauptansicht, Schnitt und Details (Balkon), aus: Holzbauten des Schwarzwaldes, 1853 (oben) Musch & Lun, Hotel Brennerbad, Details der vorgehängten Holzbalkone im sogenannten Schweizer Holzstil, 1901 (rechte Seite)

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Blendfachwerk Zusätzlich zu den von den Schwarzwälder Holzbauten entlehnten Bestandteilen stattete Eisenlohr seine Bahngebäude mit dem bald für den Bahnbau (und später auch dem Hotelund Villenbau) charakteristischen Blendfachwerk aus. Das häufig an den oberen Partien der Fassaden, zumeist oberflächlich applizierte bzw. am Putz aufgebrachte „Fachwerk“ hatte keine statische Funktion. Die geometrische Anordnung der Balken und der durch sie erzeugte Hell-Dunkel-Kontrast sollten dekorativ wirken und lediglich die Herstellung von optischen Bezügen zu (mittelalterlichen) Holzskelettbauten ermöglichen. Nicolas Durand, der eigentlich den Werkstoff Holz nicht favorisierte, bildete im ersten Band des „Précis“ schon auf der zweiten Tafel unter dem Titel „Construction des murs […]“ ein einfaches Fachwerkhaus („[…] pans de bois“) ab. Das kann als Hinweis darauf gewertet werden, dass er die Holzskelettbauweise zu den grundlegenden und nie ganz aus dem Repertoire der Architektur verschwundenen Konstruktionsmethoden zählte. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts gewannen das Fachwerk bzw. das Blendfachwerk erneut an Popularität. Auslösend dafür war, dass die traditionelle Holzskelettbauweise immer schon weit über urbane Räume hinaus verbreitet war und daher als scheinbar historische Bautradition wiederum gut in den Kontext eines ländlichen Bauens eingepasst werden konnte. Hinzu kam, dass die Konstruktionsmethode in manchen Baukulturen wie der Englands um 1500 zu hoher künstlerischer Qualität geführt worden war und sich daher insgesamt in das Gothic Revival gut reintegrieren ließ – nicht zuletzt in den USA, wo Fachwerkelemente z. B. unter der Bezeichnung „stick style“ (eine wieder auf Europa zurückwirkende?) „Karriere“ machten. In Südtirol wurden die Blendfachwerk-Partien an Gebäuden häufig noch auf besondere Weise „regionalisiert“. Hier versah man sie, wie das in früheren Epochen allgemein oft der Fall war, mit einem rötlichen Anstrich  – einer alten Farbe, die Erinnerungen an das ehemals weit verbreitete Ochsenblut hervorrufen sollte. Im südlichen Landesteil Tirols wurde der Ton nun aber unter der Voraussetzung der zunehmenden Synchronisierung von (erfundener) „Tradition“ und Region mit den Rot-Schattierungen von Alpenblumen und -beeren in Verbindung gebracht. Siehe dazu im Abschnitt über das Hotel Karersee im Katalogteil. Zurück zum sogenannten Schweizer Holzstil. Für die besondere Identifikation der hölzernen Bauteile mit dem zentralen Alpenraum könnte nämlich Eisenlohr selbst ausschlaggebend gewesen sein. Denn er schrieb im Vorwort zu seiner Publikation: „Diese Schwarzwälder Bauart zeigt in den Konstruktionen mit der Tyroler, namentlich mit der Bauart in einigen Schweizergegenden viele Ähnlichkeit und Verwandtschaft, und hat mit diesen ihren Schwestern unstreitig ihren Ursprung schon in den frühen Jahrhunderten unseres aufkeimenden deutschen Kultur- und Volkslebens.“655 Vor diesem Hintergrund zeigt sich, dass es eigentlich der Badische Ingenieur war, der bereits in der Zeit, in der noch wichtige Impulse im EisenbahnHochbau von Frankreich ausgingen, zu einer neuartigen Parallelisierung von Aspekten der Normierung und Typisierung mit einer bisher nicht dagewesenen Form von Ethnisierung, sprich Deutschtümelei, gelangte. Mit seiner Dokumentation von Schwarzwälder Häusern wollte er eine authentische Volkskultur aufzeichnen. Zugleich popularisierte er mit dem später sogenannten Schweizer Holzstil in Wahrheit aber eine – wenngleich als „regional“ erkannte – neue Richtung in der architektonischen Gestaltung und somit eine Form von „Hochkultur“.656

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Musch & Lun, Hotel Brennerbad, Hauptansicht (Detail), Risalit über dem Haupteingang mit BlendfachwerkDekorationen, 1900

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Ab den 1840er Jahren setzten sich Grundrisse in H-Form im Hotelbau durch. Sie erlaubten unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten. Wie bereits an früherer Stelle in diesem Buch am Beispiel des „Wharfdale Hydropathic establishment and hotel“ in Ben Ridding bei Leeds dargestellt, wurde das neue Bauschema vor allem für Land- und Berghotels populär

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Baumodelle zwischen urban und ländlich – Hotelkästen in H-Form und wenig „Volkstümelei“ in der Architektur von Hotels und Landgasthöfen in Südtirol vor 1900 Die ersten Hotels am Land, die sich in Bezug auf ihre Architektur von den Häusern in der Stadt abhoben, entstanden in den 1840er Jahren in Großbritannien. Häufig wurden sie über H-förmigem Grundriss erbaut und verfügten an einer Seite über einen Garten oder Park.657 Dieser Bautyp mit dem gestreckten Mittelteil und den zwei quergestellten Seitentrakten konnte sich auf den beengten Grundstücken in größeren Agglomerationen meistens nicht durchsetzen. Außerhalb der Zentren blieb er aber nicht zuletzt deshalb lange in Mode, weil in seinem Inneren die Räume so angeordnet werden konnten, dass sie unterschiedliche Ausblicke auf die Umgebung gewährten. Es heißt, dass vor allem Robert Roller jun. viel zur Verbreitung des Bautyps auf dem europäischen Kontinent beitrug.658 Demgegenüber fanden bäuerliche Bautraditionen im Hotelbau zunächst kaum Niederschlag – wenig erstaunlich, denn kein Gast wollte in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts z. B. in Südtirol eine Unterkunft beziehen, die ihn in ein „entfremdetes ‚nichtferiales Dasein‘“ hinausführte, wie der Ethnologe Reinhard Johler über die divergierende Codifizierung bzw. Wahrnehmung von „Stadt“ und „Land“ schreibt.659 Daher blieben hier auch bauliche Entwicklungen „vom Bauernhaus zum Grandhotel“ im Unterschied zu Regionen wie dem Oberengadin eher die Ausnahme.660 Eines der wenigen Beispiele ist der Wielandhof in Gossensass, der zwischen den späten 1880er Jahren und 1912 mit Zwischenstufen von einem Bauernhof in ein Palasthotel umgewandelt wurde. Siehe dazu im ersten Kapitel dieses Bandes. Im Südtiroler Tourismus vor dem Ersten Weltkrieg spielte das in seinem Gesamtcharakter „Volkstümliche“ nur bei der Gestaltung von Landgasthöfen eine Rolle. Beispielsweise legen die von Musch & Lun verwirklichten Projekte den Schluss nahe, dass „bäuerlich“ wirkende Typologien häufig mit dem Thema „Ausflug“ verknüpft wurden. Das 1904/1905 erbaute Restaurant Fragsburg für Baron Friedrich von Deuster (1861–1945) wurde parallel zu einem von Meran-Obermais ausgehenden Fahrweg realisiert.661 In einer Quelle hieß es über den Gasthof mit der großen Terrasse euphorisch: „Der Ausblick von dieser auf das rebengrüne und sonnige Etschland ist entzückend.“662

Restaurant Fragsburg oberhalb von Meran, Terrasse um 1900

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Imperial Hotel Trento, Situationsplan mit der Unterschrift von Franz Österreicher und Grundriss Erdgeschoss des Anbaus an das bestehende Hotel Trento, 1898 (oben) Offiziersspeisesaal im Imperial Hotel Trento, um 1917 (unten)

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Das Imperial Hotel Trento setzte sich aus zwei Bauteilen zusammen, einem „Hotelkasten“ und einem Bauteil, der den Anschein eines H-Förmigen Zuschnitts hervorrufen sollte, 1917 (oben) Deutsche Offiziere beim 11. Armeekommando, das im Imperial Hotel Trento untergebracht war, 1917 (unten)

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Vom Stadt- und Kurhotel zum Berghotel. Die Hotelarchitektur in Trentino-Südtirol vor dem Hintergrund internationaler Entwicklungen Imperial Hotel Trento Zwei charakteristische Beispiele für die in den 1870er Jahren gebräuchlichen Hotelbautypologien in Kasten- bzw. H-Form sind am nördlichen Rand des Dante-Platzes beim Bahnhof in Trient erhalten. Von 1874 bis 1876 wurde hier nach Plänen des Architekten Francesco Ranzi (1816–1882)663 mit dem Hotel Trento ein geschlossenes Stadthotel („Hôtel palatial“) mit klassizistischen Dekorationselementen, jedoch ohne Austritte ins Freie errichtet. An diesen Bestand wurde bereits 1898 – allerdings von einem anderen Baumeister – ein weiteres Hotel angeschlossen (heute: Provincia autonoma di Trento).664 Architektonisch unterschieden sich die beiden Häuser darin, dass das zweite einen H-förmigem Zuschnitt aufwies  – es wurde aber nur einer der beiden Quertrakte realisiert. Das heißt, dass sich das zweite Hotel vom ersten den fehlenden Quertrakt nur quasi optisch „lieh“. Ganz dem Modell dieses Bautyps entsprechend, wurde das Gebäude durch eine offene Veranda räumlich mit der Grünanlage am Dante Platz verbunden. Schon bei der Eröffnung im Jahr 1876 dürfte sich im Hotel Trento ein Klub für k. k. Offiziere befunden haben.665 Auch nachdem beide Hotels zusammengelegt und als „Imperial Hotel Trento“ geführt wurden, blieb dieses ein Treffpunkt hoher Militärs (aus dem Kaiserhaus) bzw. erfreute sich deren Patronage.666 Es war der Pächter Franz Österreicher667, der sich mit dem Hotel Trento, einem „Deutschen Gasthof nächst dem Bahnhofe“668, bei Adeligen und Militärs einen guten Ruf erarbeitete. Bei ihren Visiten im Trentino kehrten sie hier ein, um gewohnte, im wahrsten Wortsinn „österreichische“ (deutsche) Gastfreundschaft zu genießen. Das hatte auch Auswirkungen auf das mit Österreichers Namen eng verbundene Madonna di Campiglio, wo es ihm über seine guten Kontakte gelang, in seinem Hotel des Alpes unter anderem das Kaiserpaar zu empfangen. Über Österreichers Berghotel siehe im Katalogteil dieses Buches. Die glanzvolle Ära des „Imperial Hotel Trento“ endete in der Zeit des Ablebens von Franz Österreicher. Bereits 1908 leitete Erzherzog Eugen (1863–1954) anscheinend persönlich die Verhandlungen über einen Ankauf des Komplexes durch das k. k. Militär.669

Türkische Offiziere bei der Abfahrt nach einem Besuch beim 11. Armeekommando im Imperial Hotel Trento, 1917

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Die Projekte der „Österreichischen Baugesellschaft für Kurorte“: Hotel Austria, Hotel Meranerhof und Hotel Marienbad In den 1870er Jahren entwarf der Architekt Emil von Förster aus Wien mehrere Hotels für die „Österreichische Baugesellschaft für Kurorte“.670 Nachdem die „Baugesellschaft“ ihre Projekte in rascher Abfolge umsetzte, war sie auf eine rationelle Bauweise angewiesen. Förster „produzierte“ daher Hotels in Serie und in erweiterbarer Form, was schließlich dazu führte, dass mit dem Hotel Austria in Bozen-Gries und dem Meranerhof671 in Meran in den 1870er Jahren zwei relativ baugleiche Häuser entstanden. Einen besonders repräsentativ ausgearbeiteten Entwurf nach einem ähnlichen Bauschema veröffentlichte der Architekt 1875 in der von seinem Vater Ludwig (1797–1863) gegründeten „Allgemeinen Bauzeitung“ in Wien.672 Dabei handelte es sich um ein Hotel in Marienbad. Die im Abbildungsteil wiedergegebenen Zeichnungen und Pläne veranschaulichen Försters Herangehensweise an die Bauaufgabe. Ins Zentrum seines Kurhotels setzte er einen groß dimensionierten Speisesaal. Die Höhe des Raumes war so bemessen, dass man von einer Galerie im Mezzanin das Treiben im Saal beobachten konnte. Dem Speisesaal setzte Förster eine offene Veranda und eine große Terrasse vor, von der man in den neuen Kasinopark von Marienbad gelangen konnte. Alle weiteren öffentlichen Räume des Hotels wurden um den großen Saal herum angeordnet (Rauchzimmer, Lesezimmer etc.), wobei der Wiener Architekt das Frühstücks- und das Billardzimmer mit halbkreisförmigen Auskragungen versah. Auf diese Weise sollte den hier weilenden Gästen ein guter Ausblick in mehrere Richtungen ermöglicht werden. Auf eine vergleichbar repräsentative Gestaltung des Eingangsbereichs legte Förster hingegen keinen besonderen Wert. Allgemein erfolgte die Aufwertung der Durchgangszone beim Eingang zur Hotelhalle erst später. In den oberen Geschossen konnten die meisten „Passagierzimmer“ zu Suiten bzw. Zimmern mit sogenannten Privatsalons zusammengelegt werden, was in den Hotels der Zeit ein Qualitätskriterium war. Eduard Guyer bemerkte dazu in seinem Buch „Das Hotelwesen der Gegenwart“: „Wie viele Privatsalons im Verhältnis zu den Schlafzimmern nöthig sind, hängt von der Kundschaft (der Clientelle) eines Hotels ab. So wird ein Hotel, welches von grösseren und vornehmen Familien auf längere Zeit besucht wird, mehr Salons bedürfen als ein Passantengeschäft.“673 Dieser Grundsatz, das sei hier vorweggenommen, wurde von Musch &  Lun später bei der Konzeption von Hotels mit besonderer Sorgfalt befolgt. Jedes Gästezimmer des Hotels Marienbad war mit einem Ofen beheizbar, keines von ihnen verfügte aber über ein eigenes Bad oder WC. Die Küche und andere Nebenräume wurden im Souterrain untergebracht. Das äußere Erscheinungsbild des Hotels entsprach dem eines Palais („hôtel particulier“) mit Dekorationselementen, vornehmlich nach Vorlagen aus der Renaissance.674 Die Baukosten für das Projekt wurden im Begleittext mit 170.000 Gulden (ca. zwei Millionen Euro) angegeben. Bei einem Vergleich des geplanten Hotels für Marienbad mit den in Südtirol verwirklichten, fällt das von Emil von Förster praktizierte, serielle Entwurfsschema nicht sofort auf. Verlängert bzw. verdoppelt man jedoch den Grundriss für das zweite Obergeschoss des Hotels Marienbad, entsteht daraus – als würde man Bauklötze zusammensetzen – z. B. das Hotel Austria. Denn der Mittelteil des Hotels in Bozen-Gries bestand im Prinzip aus zwei Quertrakten des Hauses in Marienbad. Auf diese Weise konnte Förster, indem er das von Ludwig Klasen vorgeschlagene Modell für Kurhauserweiterungen geradezu perfektionierte, jedes Haus wie mithilfe eines „Bauplan-Generators“ in Serie produzieren bzw. vergrößern.

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Emil von Förster, Hotel Marienbad, Ansicht und Grundriss Erdgeschoss und erster Stock (linke Seite) Emil von Förster, Hotel Marienbad und Hotel Austria in Bozen-Gries. Die schematische Darstellung veranschaulicht die serielle Architekturproduktion (oben)

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Die frühindustrielle Entwurfsmethode kam z. B. bei den in etwa zur selben Zeit in Trient errichteten Hotels wohl bedingt durch den Baumeisterwechsel nicht zur Anwendung. Wie oben beschrieben, mussten die dort tätigen Planer andere Wege finden, um die Gebäude architektonisch sinnvoll zu verbinden. In Zusammengang mit den von Emil von Förster für die „Österreichische Baugesellschaft für Kurorte“ geplanten Hotels Austria und Meranerhof ist darüber hinaus festzuhalten, dass sie in Bezug auf ihr Gestaltungsschema noch ganz der Denkhaltung verpflichtet waren, die einst ausgehend von Nicolas Durand geprägt wurde. Als Funktionsbauten entstanden sie am Reißbrett ohne Rücksicht auf die jeweilige städtebauliche (z. B. bestehende Parzellierungen) oder landschaftliche Situation. Es war aber insbesondere ihre Größe, die schon bald Gegenstand der Kritik wurde. Wie bereits an früherer Stelle in diesem Buch erwähnt, prägte z. B. der nicht fertiggestellte Meranerhof als unfertiger „Koloss“ für lange Zeit das Bild der Passerstadt. Dessen ungeachtet ist in der „Österreichischen Baugesellschaft für Kurorte“ eine Vorläuferorganisation des ca. zwanzig Jahre später gegründeten „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ zu sehen. Dolomitenhotel Toblach – das erste „Alpen-Hotel“ in Österreich Das in seiner Frühzeit Dolomitenhotel Toblach genannte Südbahnhotel kann als Prototyp für ein Haus gesehen werden, das im Sinn von Ludwig Klasen zuerst in kleiner Form für einen Probebetrieb errichtet und später fertiggebaut bzw. erweitert wurde. Um Erfolg oder Misserfolg des Projekts im Hochpustertal abzuwarten, investierte die Südbahn-Gesellschaft 1878 für die erste Baustufe nur 50.000 Gulden (ca. 639.000 Euro). Die Bauzeit für den achtzig Betten umfassenden „Hoteltorso“ betrug ein Jahr.675 Auch wenn die von Wilhelm von Flattich geplante Herberge häufig als das erste „AlpenHotel“ der Monarchie bezeichnet wird (Seehöhe ca. 1.220 Meter), wurde es in August Prokops einschlägigem Band nur in einer kurzen Passage samt Plänen berücksichtigt.676 Nachdem Flattich auch mit der Planung der Normalien für die Pustertalbahn betraut war, können die Bahnstation Toblach und das Hotel nicht unabhängig voneinander betrachtet werden. Toblach ist nicht nur von beeindruckenden Gebirgszügen umgeben, der Ort gelangte auch als günstiger Ausgangspunkt für eine Weiterreise in die Dolomiten zu touristischer Bedeutung. Diese verkehrsstrategische Lage wollte die Südbahn nützen und ließ daher schon den Bahnhof Toblach detailreicher gestalten als andere Stationen der Pustertalbahn. Er war auch der einzige, der in Flattichs Publikation „Der Eisenbahn-Hochbau in seiner Durchführung“ (Wien 1877), auf einem Schaubild wiedergegeben wurde.677

Wilhelm von Flattich, Bahnhof Toblach, Ansicht, Eröffnung: 1871

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Wie ein Lageplan veranschaulicht, wurde das Hotel werbewirksam an das Ende einer Wiese vor den Waldrand gesetzt.678 Auf diese Weise sollte sich das Bauvorhaben naturverbunden vermitteln. Ein effektvoll geschwungener Verbindungsweg führte direkt von der Bahn zur Unterkunft. Für seinen Entwurf bezog Flattich Anleihen vom südwestdeutschen Bahnbau und den mit Dekorationen im sogenannten Schweizer Holzstil versehenen Kurhäusern von Robert Roller jun. (z. B. Hotel Faulenseebad). Wahrscheinlich wurde Rollers Bautyp in Österreich deshalb häufig übernommen, weil dieser seine Bauten im Band „Ueber Hôtelbauten, speciell Anlagen von Kur-, Saison- und Berg-Hotels“ (Berlin 1879)679 zusammen mit Bauplänen publizierte. Im Inneren des Hotels adaptierte Flattich aber Rollers Entwürfe, weil die Südbahn-Gesellschaft mit ihrem Hotel breite Gästeschichten anziehen wollte. Es sollte eine Mischung aus Passagierund Saison-Hotel entstehen. Dem musste auch die Raumabwicklung Rechnung tragen. Beiderseits des Eingangsbereichs setzte Flattich das Büro bzw. ein Spiel- und Rauchzimmer. In der ersten Baustufe des Hauses führte der Weg von hier in den Gebäudeflügel, wo sich ein Extrazimmer und ein Gastzimmer befanden. Im hinteren Teil des quergestellten Trakts wurde die Küche angeordnet. Der Speisesaal befand sich im ersten Stock direkt über dem Eingang. Ihm war eine gedeckte Holzveranda vorgelagert. Der auf dieser Etage eingerichtete Lesesalon war neben dem Spiel- und Rauchzimmer beim Eingang vorerst der einzige Gesellschaftsraum. Schon 1879 wurde der unfertige Baukörper unter Beibehaltung des Grundkonzepts durch einen zweiten Flügel komplettiert. Hier dürften auf allen Ebenen Gästezimmer eingerichtet worden sein. In der Frühzeit des Dolomitenhotels war kein Bereich einer bestimmten Gesellschaftsschicht vorbehalten. Gutbürgerliche und Aristokraten konnten ebenso das Gastzimmer aufsuchen wie einfache Bergtouristen. In vielen Hotels übernahm wenig später die sogenannte Schwemme diese Rolle. Auch der Speisesaal auf der Beletage war nicht als Rückzugsort gesellschaftlicher Eliten konzipiert. 1885 wurde das Hotel Toblach um einen Saaltrakt erweitert. Mit Abständen blieb Wilhelm von Flattich der „Hausarchitekt“, auch nachdem das Hotel 1887/1888 an das Pächterehepaar Überbacher verkauft wurde. 1892 kam es zu einem neuerlichen Anbau, nun aber mit dem Fürstenhof in Form eines weiteren Hotels, weil in organisatorischer Hinsicht der Betrieb im „Hotel der langen Wege“ kaum bewältigbar geworden war.680 Um diesem Umstand dennoch einen positiven Aspekt abzuringen, legte Flattich eine „promenade intérieure“ (auch: Wandelbahn681) durch den weitläufigen Komplex. Bahningenieure wie Flattich arbeiteten nicht nur auf der Basis innovativer Planungsstrategien, sie gingen auch in Bezug auf die Materialwahl neue Wege. In diesem Sinn wurde der Bahnhof Toblach mit bodenständig wirkenden Holzteilen im sogenannten Schweizer Holzstil versehen, die er mit „modernen“, gusseisernen Elementen kombinierte. Der Einsatz lokaler Baumaterialien verringerte Transportwege und Kosten. Zudem fügten sich Baustoffe mit Ortsbezug gut in das Set an visuellen Referenzen ein, „die leicht als Bestandteile ein und derselben Gemeinschaft wiedererkannt werden konnten“682. Die Dolomiten gelten auch als die „bleichen Berge“. Demgemäß und, weil Flattich die Auffassung vertrat, dass „in Gebirgsgegenden der Verputz durch Verwitterung leicht nothleidet“683, wurden die ebenerdigen Zonen des Toblacher Hotels mit hellem Granit verkleidet. Für die Fassaden der oberen Geschosse verwendete der Ingenieur hingegen Backstein. Sein Gestaltungsprogramm rundeten nach dem Vorbild der Kurhotels von Robert Roller jun. hölzerne Bauteile und Giebeldekorationen ab. Flattich blieb zwar nicht bei allen Entwürfen für Gebäude in Bergregionen dem Prinzip einer Abkehr vom Putzbau treu, unter anderem war es aber das Toblacher Hotel, das damit vorbildlich für die späteren Berghotels in Südtirol wurde.

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Dolomitenhotel Toblach, Lageplan, um 1877/1878 (oben). Die Darstellung veranschaulicht, dass Wilhelm von Flattich sein Hotel in Etappen verwirklichen wollte – genau so, wie es von Robert Roller jun. bzw. später im Band „Grundrissvorbilder" von Ludwig Klasen empfohlen wurde Dolomitenhotel Toblach, Grundriss Erdgeschoss und erster Stock, um 1877/1878

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Dolomitenhotel Toblach, schematische Darstellung der letzten Baustufe, um 1892, mit der am Plan hervorgehobenen „promenade intérieure“ (oben) und Postkarte, um 1900

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Otto Schmid, Hotel am Gardasee, Skizze (undatiert)

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Pittoreske „castellation“ als Prinzip und Wirkung in der Hotelarchitektur nach 1890 Neben Wilhelm von Flattich gestalteten Otto Schmid und Musch & Lun die bekanntesten Berghotels vor dem Ersten Weltkrieg in Tirol. Mit dem 1892/1893 verwirklichten Hotel Sulden schuf Otto Schmid ein „Alpenhaus“ neuen Typs, der in seinem Grundschema bald im ganzen Land und darüber hinaus nachgeahmt werden sollte. Doch sein Erstlingswerk gehörte noch der „alten Schule“ an. Otto Schmids letzter „Hotelkasten“ für den Gardasee Im Kupferstichkabinett der Akademie der bildenden Künste in Wien wird eine frühe Skizze von Otto Schmid mit dem Titel „Hotel am Gardasee“ aufbewahrt.684 Für den oberitalienischen See zeichnete er einen klassischen „Hotelkasten“ mit Erdgeschoss, drei Stockwerken, Attikageschoss und einem geraden oberen Abschluss. Der Bau sollte von zwei niedrigeren, zurückversetzten Flügeln flankiert werden. Auch wenn unklar bleibt, vor welchem Hintergrund der aus Wien stammende Architekt das Blatt anfertigte, veranschaulicht es, wie er das Thema eines großen Kurhotels interpretieren würde. Der blockartige Baukörper sollte möglichst imposant wirken und wahrscheinlich eine urban geprägte, großbürgerliche Klientel ansprechen – ein Ansatz, der gegen Ende des 19. Jahrhunderts zunehmend in die Kritik geriet. Dem Landschaftsbild in der Umgebung seines Gebäudes schenkte er hingegen noch kein Augenmerk. Hotel Roseg in Pontresina – v-förmige Öffnung des Hotelkastens „Im Oberengadin“, so Isabelle Rucki, „setzt die Kritik am monumentalen Hotelkasten zu einem Zeitpunkt ein, als in den meisten Dörfern die Hotels der ersten Generation erweitert und modernisiert werden.“685 Zeitgleich mit den Ausbauten erfolgte in Graubünden auch eine Welle von Neuerschließungen. Beispielsweise verlagerte sich der Fremdenverkehr von St. MoritzBad in der Innebene zunehmend in das lange relativ unberührt gebliebene Bergbauerndorf mit seiner kleinteiligen „städtebaulichen“ Struktur. An anderer Stelle resümiert die Kunsthistorikerin über die zunehmende „touristische Urbanisierung“ von Bergregionen: „Nichts demonstriert das Eindringen der ersten Touristenströme in die Alpenwelt so deutlich wie der Fremdkörper des Hotels, der in abgeschiedener Lage unvermutet auftaucht oder durch seine Größe das Siedlungsbild eines Bauerndorfes aufbricht. Der Standort eines Hotels, seine Einbettung in die Landschaft oder seine bewusste Distanznahme, seine architektonische Form und sein Stil sind der gebaute Ausdruck dafür, wie weit sich die gehobene Gesellschaft des 19. Jahrhunderts mit der Landschaft einlässt und wie weit sie sich von ihr distanziert. Das freiwillige Sicheinlassen mit der Natur ist mit klaren Ansprüchen an einen Lebensstandard verbunden, der auch in der einfachen Bergwelt eingehalten wird: Das Hotel darf, ja soll dem Schein nach ein romantisches Schloss sein, betriebsmäßig jedoch hat es den modernsten Ansprüchen seiner Besucher zu genügen.“686 In Bezug auf das Verhältnis von Hotel und Gebirgslandschaft schreibt Rucki weiter, dass sich die Hotelarchitektur im Oberengadin, z. B. im während der 1870er Jahre touristisch erblühenden Pontresina, unter dem Einfluss des Architekten Giovanni Sottovia (1827–1892687) zu verändern begann. Sottovia, der schon aufgrund seiner Herkunft aus der Region um Venedig ein Garant für elegante Herbergen sein musste, entwickelte mit dem von 1860 bis 1871 erbauten

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Das 1871 eröffnete Hotel Roseg in Pontresina nach der Aufstockung 1896/1897

Hotel Roseg eines der ersten Häuser, dessen Zuschnitt und Raumprogramm nicht mehr „am Reißbrett“ Gestalt annahm.688 Der „Kasten“ wurde nun von Sottovia mittig in V-Form geöffnet. Dadurch war es möglich, alle wichtigen Gesellschaftsräume und einen Teil der Gästezimmer mit Aussicht auf die Landschaft in der Umgebung anzulegen. Zu den weiteren Neuerungen seines Konzepts zählte auch der Speisesaal, der nun ebenerdig als eigenständiger Bauteil angefügt wurde. Insgesamt blieb Sottovias Bau aber Ausdruck eines Verständnisses von „Hotel“, in dem sich ein neuer Bezug zur Region in der Architektur lediglich ankündigte. Malerische „Hotel-Burgen“ nach 1890 Wirklich neue Tendenzen in der Hotelarchitektur gewannen erst nach 1890 an Kontur. Beispielsweise entstanden damals unabhängig voneinander das Hotel Sulden (1892/1893) von Otto Schmid und das Hotel Palace (1892 bis 1896) in St. Moritz-Dorf von Chiodera & Tschudy689 aus Zürich. Es lässt sich zwar aktuell nicht nachverfolgen, ob sich die Architekten der beiden Hotels kannten, dennoch griffen sie zu ähnlichen kompositorischen Mitteln. Sie gestalteten Gebäude, die sich aus mehreren weitgehend autonomen Bauteilen zusammensetzten, und lösten damit die Geschlossenheit des älteren „Hôtel palatial“ auf. Für die Gestaltung des äußeren Erscheinungsbilds des Hauses in St. Moritz orientierten sich Chiodera & Tschudy an der Burg, wohingegen Otto Schmid die Vorbildwirkung mittelalterlicher Ansitze eher indirekt erahnen lässt. Im Inneren des Hotels Sulden machte er hingegen unmittelbare Rückgriffe auf historische Motive, wodurch speziell seine Speisesäle eine singuläre Stellung in der Hotelarchitektur im Alpenraum zwischen 1890 und 1900 einnehmen. Die abwechslungsreiche Auflösung der blockhaften Hotelkästen setzte in den in nächster Nähe zueinander liegenden Berggebieten in einer Zeit ein, in der die Geschmackswelt der Briten den Tourismus in den Alpenregionen, speziell im Oberengadin, dominierte.690 Mit dem Bild der „castellation“691 zahlreicher Herrenhäuser im englischsprachigen Raum vor Augen wurde das Hotel Palace als „moderne“ Interpretation in eine Traditionslinie mit den Burgen, Wohntürmen und Ruinen Graubündens gestellt und talseitig über einem massiven Bruchsteinsockel errichtet. Mit Fantasie kann man in dem Gebäude einen Bergfried mit angeschlossenem Palas erkennen. Der wichtigste Unterschied zur introvertierten Trutzburg bestand vor allem darin, dass

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die bürgerliche „Hotel-Burg“ nun mit großen Fenstern, Loggien und Balkonen versehen wurde. Für Isabelle Rucki vollzog sich die Hinwendung zu den pittoresken (am „Picturesque“ orientierten?692) Gestaltungsformen in der Hotelarchitektur Graubündens neben Inspirationsquellen wie dem englischen Schloss oder dem „romantischem Kastell“ unter dem Einfluss des „malerischen Städtebaus“693. Unklar bleibt in diesem Zusammenhang aber, ob die Architekten aus Zürich – vergleichbar mit den politisch motivierten Ansätzen, die Otto Schmid und Theodor Christomannos als Bauherren ihres Hauses verfolgten – möglicherweise analog symbolische Verbindungen zwischen ihrem „castellated“ Hotel und dem jungen Schweizer Bundesstaat bzw. Graubünden herstellen wollten.

„Das Landschaftsbild ist durch das in den letzten zwei Jahren von den Architekten Chiodera & Tschudy in Zürich ausgeführte Palace-Hotel wesentlich bereichert worden. Mitten in dem steil abfallenden grünen Gelände zwischen Kulm und See gelegen, beherrscht es mit seinen gewaltigen Massen den ganzen Vordergrund des linken Seeufers. Das ganze Hotel ist auf Felsen gegründet; sein Turm erhebt sich zur Höhe von 68 m.“, aus: Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst, 1897

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Otto Schmid, Hotel Sulden, Architekturdarstellungen für Publikationszwecke (von Tony Grubhofer?)

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Das Hotel Sulden von Otto Schmid Am Beispiel der Hotels in St. Moritz und Sulden lässt sich darstellen, wie gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Mittelalter bzw. der Gotik in Verbindung zu bringende Motive in der Architektur in den Dienst der neuen Zeit gestellt wurden. Was im Gothic Revival mit einem aufkommenden Reformdenken in Zusammenhang gebracht werden kann – Margret Aldrich stellt es unter den Titel „Gothic Reform and Gothic Fantasy“694 – geht im Berghotelbau parallel dazu und auf unterschiedlichen Ebenen eine Synthese mit der „Region“ und der „Moderne“ ein. Zu den neuen Grundsätzen gehörten die Sichtbarmachung der Konstruktion, eine materialgerechte Bauweise und eine funktionelle Gruppierung der Baumassen.695 Nach der Definition von Georg Germann folgte manche „Gotisierung“, insbesondere im Profanbau, dem Ideal einer „inventive imitation“  – und damit einem Prinzip, das auch für die großen technischen Neuerungen des Jahrhunderts offen war – insbesondere die Elektrizität, die in den entlegenen Berghotels früher zur Verfügung stand als in vielen ländlichen Räumen allgemein. Im Gegensatz zu seinem Schweizer Pendant entstand das Hotel Sulden aber unter anderen Vorzeichen. Ursprünglich als „Alpenhaus“ mit dem Bild einer „Groß-Berghütte“ vor Augen geplant, sollte mit ihm zugleich ein gebautes „Weltanschauungssymbol“ seiner Erbauer entstehen.696 Es scheint aber, dass seine Auftraggeber, die Quereinsteiger im Tourismusgeschäft waren, in ihrem Wunsch, den Bautyp Hotel neu auszurichten, rasch von den Mechanismen des systematischen Fremdenverkehrs eingeholt wurden. Schon ihr erstes Hotel konnte nur ausreichend Publikum anziehen, wenn es sich neben Alpinisten auch an die Gäste richtete, die es aus Bergliebhaberei bzw. gesundheitlichen Gründen zur Höhen- oder Nachkur aufsuchten.697 Nur so war auch die Wirtschaftlichkeit ihres Vorhabens garantiert. Das Hotel Sulden weist aber auch Merkmale auf, die auf eine teilweise Herauslösung der Architektur(-produktion) aus ihrer Traditionsgebundenheit698 hindeuten. Denn eigentlich innovativ war es in der Hinsicht, dass es wahrscheinlich schon von Beginn an als Pilotprojekt für weitere Häuser konzipiert war. Die Entwürfe wurden schon früh dahingehend angelegt, eine Hotelproduktion in Serie zu ermöglichen  – was auch mit der ursprünglichen Leitidee der Hotelgründungen, nämlich einer Mobilisierung des „deutschen“ Tourismus in den Berggebieten an den italienischen Sprachgrenzen im Osten und Westen Südtirols übereinstimmte. 1893, bei der Eröffnung des Hotels, war sich jedoch noch kein Besucher gewahr, dass der bei genauerer Betrachtung rational gestaltete Gästetrakt der Urtyp für die „Alpenhäuser“ Pragser Wildsee, Wenter und Kitzbühel von Otto Schmid darstellte. Ferner, dass ein zweites, verwandtes Bauschema, ausgehend vom Hotel Karersee von Musch & Lun, in unterschiedlichen Größen und formal in manchen Aspekten – je nach Auftraggeber, Standort und Zweck – abgeschlankt oder verfeinert mehrfach reproduziert werden würde. Hotel mit unregelmäßiger Silhouette Der Hauptvertreter der „Picturesque-Bewegung“, der britische Landbesitzer Sir Uvedale Price (1747–1829), schrieb in seinem „Essay On The Picturesque“ (London 1794) über eine architektonische Komposition, als schildere er bereits die weithin sichtbare Silhouette des gut hundert Jahre später entstandenen Hotels Sulden: „Die sich widersprechenden Eigenschaften der Rauheit und der unerwarteten Abwechslung, vereint mit jener der Unregelmäßigkeit, sind die wirkungsvollsten Grundlagen für das Malerische.“699

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Sulden mit dem groß dimensionierten Hotel am Ende des Talkessels

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Von der Ferne müssen Gäste wie Einheimische das groß dimensionierte Hotel mit seinen unregelmäßigen Konturen wie einen im Gebirge „gestrandeten Ozeanriesen“ wahrgenommen haben. Otto Schmid war vor dem Hintergrund seiner Ausbildung bei Friedrich von Schmidt und seiner beruflichen Erfahrungen bei der „Restaurierung“ der Schlösser Runkelstein und Enn ein dem Gothic Revival nahestehender Architekt700, der die Leitsätze über die Bewegtheit einer Gesamtkomposition, das Prinzip einer differenzierten Höhenstaffelung und einer konsequent eingehaltenen Asymmetrie in einer offenen Landschaft kannte – denn es hieß auch, „the Beauty of Gothick Architecture […] consists […] in the Boldness and Irregularity of its Members“701. Der Hoteleingang, der zusammen mit dem Speisesaal als eigener Bauteil an den Gästetrakt angesetzt wurde, erweckte den Anschein, er hätte vor der Errichtung des Hotels bereits bestanden. Nicht zuletzt aufgrund seines Schopfwalmdachs und den darunterliegenden Rundbogenfenstern rief der Baukörper des Saales Erinnerungen an ein respektables ländliches Gebäude aus Stein wach. Kompositorisch ging Schmid so vor, dass er traufen- und giebelständige Bauteile im Wechsel aneinanderreihte. Die dem Gebäude vorgelagerte „Terrasse“ (Abschnitt der Geländestufe) bildete den Übergang zur Bergwelt des Suldentals. Zugleich fungierte sie auch als repräsentative Auffahrt zum Hotel. Neben der malerisch-bewegten Silhouette war die Außenfassade das bestimmende Kennzeichen des neuen Hoteltyps. Sie bestand nun fast zur Gänze aus Bruchsteinmauerwerk mit breiten Mörtelfugen, wodurch sich ein Bezug zu der das Landschaftsbild Südtirols vielerorts prägenden Burg ergab. Unregelmäßigkeit als Programm für serielle Hotelerweiterungen Auf diese Weise vollzog Otto Schmid mit dem Hotel Sulden – mehr noch als Chiodera & Tschudy mit dem Hotel Palace in St. Moritz – einen Bruch mit der tradierten Auffassung im Hotelbau, wonach sich der Gesamteindruck eines Hauses mit einem Blick erschließen sollte. Jeder Bauteil war nicht nur eine für sich stehende, „kühne“ Einzelform, sondern jeder wurde auch einer spezifischen Funktion zugeführt (Eingang, Speisesaal, Gästetrakt). Bemerkenswerterweise beeinträchtigte die „Unregelmäßigkeit als Programm“ die Erweiterbarkeit des neuen Hoteltyps nicht.702 Der Architekt fügte einfach weitere autonome Bauteile an, ohne damit das malerisch wirkende Gesamterscheinungsbild der Herberge zu mindern.703 Ganz dem eingangs erwähnten Nachschlagewerk von Ludwig Klasen entsprechend, sollte angesichts des hohen wirtschaftlichen Risikos derartiger touristischer Unternehmen zuerst einmal im Kleinen begonnen werden, um dann die modulare Bauweise bei Erfolg fortzusetzen. Schon in den Jahren nach seiner Eröffnung wurde das Hotel Sulden „weitergebaut“. Darüber hinaus war aber wahrscheinlich schon in der Zeit seiner Errichtung unter den Berghotel-Entrepreneuren – ganz im Zeichen einer modularen Serienproduktion – der Plan gefasst worden, eine ganze „Hotelkette“ in Angriff zu nehmen. Später wurde diese unter das Dach des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ gestellt. Wohl aus diesem Grund resümierte August Prokop 1897, nachdem bereits mehrere Berghotels umgesetzt waren: „Für die Herstellung dieser Hotels hat die Unternehmung Cristomanos-Schmidt und mit ihr die Herren Musch und Lun ein eigenes Programm aufgestellt, in welcher Art das Aeussere, die innere Eintheilung und die gesammte Ausgestaltung etc. beschaffen zu sein und der ganze Bau vor sich zu gehen hätten. […] Das Suldenhôtel diente in seiner äußeren Gestaltung, wie in seiner inneren Einrichtung als Muster für das Trafoi- und Karerseehôtel.“704

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Berghotels als „Weltanschauungssymbole“ Vor diesem Hintergrund erscheinen die frühen Südtiroler Berghotels in einem neuen Licht. In Bezug auf die ihnen zugrunde liegenden Entwurfsmethoden griffen Architekten wie Otto Schmid oder Musch & Lun auf die oben beschriebenen, von den Ingenieuren der Eisenbahnen für die Konzeption von Hochbauten eingeführten Modelle der Serialisierung bei gleichzeitiger „Regionalisierung“ zurück. Genauso wie diese praktizierten sie das „moderne“ Architekturproduktions-Verfahren aber nicht in urbanen Räumen, sondern auf dem Land bzw. in zum Teil entlegenen Berggebieten. Hinzu kam der werbliche Aspekt, der ebenfalls von den Bahnbauern bereits vorexerziert worden war. Jeder Entwurf für ein Berghotel musste auch auf die Geschmackswelt seines Publikums reagieren. Aus diesem Grund wurde schon früh dem Prinzip der Wiedererkennung besonderer Wert beigemessen, z. B. durch die Repetition ähnlicher Hotel-Kompositionsmodelle. Auf diese Weise sollten die Häuser auch äußerlich signalisieren, dass sie im Dienst einer neuen Zeit standen. Denn, wie in Verbindung mit dem Raumprogramm des Dolomitenhotels in Toblach bereits dargestellt, spielten in einem Land- oder Berghotel soziale Unterschiede unter den Gästen vorerst nicht mehr dieselbe Rolle wie früher. Betreiber von Eisenbahnen wie die Südbahn-Gesellschaft waren schon aus ökonomischen Gründen an einer „Demokratisierung des Reisens“ interessiert. Diese Tendenz setzte sich bei den Berghotels fort. Die Initiatoren der zuerst als „Alpenhäuser“ konzipierten Betriebe waren keine anonymen Gesellschaften aus weit entfernten Städten mehr, sondern politisch, sozial und kulturell engagierte Bürger. Ihre Berghotels waren deshalb „Weltanschauungssymbole“, weil sie zugleich für eine deutschnationale Raumbeanspruchung von Berggebieten und eine neue Form von anti-elitären Orten standen, in denen sich  – nicht zuletzt unter dem Schutz der hier zusammengeführten, gleichgesinnten Mitglieder von mehreren Sektionen des Alpenvereins – im Kleinen die Gesellschaft neu strukturieren konnte.705 Abgelegene Gegenden wie Sulden waren in den Augen von BerghotelGründern wie Theodor Christomannos für die Verwirklichung solcher Anliegen wie geschaffen.706 An anderer Stelle in diesem Buch wurde bereits beschrieben, dass die Bevölkerung Suldens mit dem Fremdenverkehr relativ unvermittelt in Berührung kam und daher zwischen den „wohlmeinenden“ Entrepreneuren und den Einheimischen noch kein Konsens darüber bestand, dass der Tourismus zur wirtschaftlichen Belebung des Tals beitragen würde. Dennoch hatten Autoren wie August Prokop zu dieser Zeit bereits erkannt, dass auch die lokale Bevölkerung bildlich ein Teil des neuartigen, „regionalisierten“ Architekturkonzepts sein würde. Ein Gebäude sollte nicht nur rein äußerlich zur Region gehörig wirken. Als „Weltanschauungssymbol“ war es auch so konzipiert, dass hier in vielerlei Hinsicht aus der Gegend Stammendes seinen Platz fand und den Gästen in einem umfassenden Sinn ein regionales (Raum-)Milieu vermittelt wurde. Das führte sogar so weit, dass Theodor Christomannos im Hotel Sulden „nicht befrackte Kellner, sondern in schmucke Etschtaler Tracht gekleidete Mädchen“707 in Dienst stellte. August Prokop über die architektonische „Regionalisierung“ des Hotels Sulden August Prokop hielt als einer der wenigen fest, dass das Hotel Sulden – das so oft als „Grandhotel“ mit einem Ort des Luxus assoziiert wird  – ein besonders kostengünstig („billig“708) ausgeführter Bau war. Dies nicht zuletzt auch, weil das „Alpenhaus“ mit einer jährlichen Sommersaison von nur drei Monaten rechnen konnte.

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Für seine Errichtung wurde weitgehend lokales Baumaterial oder solches von „österreichischen Bezugsquellen“ verwendet. Mit Blick auf die rauen Steinfassaden dokumentierte der Autor, dass man den „Rohbau“ bewusst nicht verputzte, um das regionale Erscheinungsbild nicht zu übertünchen. Ferner seien zu seiner Errichtung nur einheimische Arbeitskräfte herangezogen worden, wobei man aber „die landesübliche Gewöhnung“ und die „Leistungsfähigkeit der Arbeiter und Handwerker“ berücksichtigte. Auch wenn dabei offen bleibt, ob Otto Schmid seine Entwürfe an den handwerklichen Fähigkeiten der örtlichen Arbeiter ausrichtete oder nicht, vermittelt Prokops Darstellung, dass er Regionalität mit Funktionalität in Beziehung setzte  – z. B. wenn er schrieb: „Der Hotelbau sollte also möglichst einfach und vor Allem constructiv ausgeführt werden; die Construction sollte aber auch zugleich womöglich die Art der Decoration bedingen oder selbst die Schmückung abgeben.“ Weiter, so der Architekt und Denkmalpfleger und möglicherweise mit Verweis auf Otto Schmid als ausführendem Planer: „Solche Bauten, so unansehnlich, so derb und roh selbe zuweilen auf dem Papiere, in der Zeichnung erscheinen, wirken in der Wirklichkeit wegen ihrer Einfachheit und Schlichtheit bei guter Configuration oft ganz prächtig und imposant; durch ihre Erker, Balkone, Galerien, durch Terrassen und Veranden, die, wie der ganze Bau höchst einfach gehalten, zumeist in Holz ausgeführt sind, weisen derlei Hotels den faden, glatten Allweltcharakter anderer Hotels gänzlich von sich ab.“709

Hotel Sulden, um 1895

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Unterschiedliche „Weltanschauungen“ – gemeinsame und getrennte Wege der Berghotel-Entrepreneure Mit dem Hotel Trafoi und dem Hotel Karersee entstanden zwischen 1894 und 1896 unmittelbar auf das Hotel Sulden folgende Projekte. Nur das Hotel Trafoi wurde von Otto Schmid entworfen, wohingegen das Haus am Karersee nur noch am Beginn unter der Mitwirkung des Wiener Architekten entstanden sein dürfte. Mit der 1895 getroffenen Entscheidung, die Häuser in Trafoi und am Karersee als Betriebe unter dem Dach des gemeinnützigen „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ zu führen, wurde auch für die Unternehmen eine neue Ära eingeleitet. Otto Schmid und Theodor Christomannos lenkten nicht mehr alleine die Gestaltung und die Geschäfte der Herbergen, wodurch Vereinsmitglieder – besser Mitgesellschafter710 – wie Carl Lun zusammen mit seinem „Bureau für Architektur und Ingenieurbau“ an Einfluss gewannen. Wahrscheinlich trug das dazu bei, dass Otto Schmid beruflich schon bald eigene Wege ging und 1905 auch aus dem Verein austrat. Carl Lun waren Entrepreneurships mit starken sozioökonomischen und politischen Kompo­ nenten nicht fremd. Beispielsweise war er an der Elektrifizierung des Landstrichs zwischen Bozen und Meran und anderen Projekten mit gesellschaftlicher Relevanz federführend beteiligt.711 Als erfahrener Bauunternehmer war er aber in Bezug auf sein „gemeinwohl­ orientiertes“ Engagement von einem anderen Schlag als – zumindest anfänglich – Theodor Christomannos und Otto Schmid, die im Hotel Sulden nicht nur ein Reiseziel für Bergsteiger, sondern auch ein Projekt mit weiteren weltanschaulichen Zielen sahen. Zumindest bleiben in diesem Zusammenhang Theodor Christomannos’ Grundsätze zwischen Alpinismus, gesellschaftlichem Ansehen, politischen Anliegen und unternehmerischem Denken diffus. Augenfällig wurde das in Verbindung mit dem wahrscheinlich strategisch geplanten Aufenthalt von Kaiserin Elisabeth am Karersee 1897 – schon ein Jahr nach der Eröffnung des Hotels. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass Theodor Christomannos seine guten gesellschaftlichen Kontakte ausnützte, um den hohen Gast in die Dolomitenregion zu ziehen. Die damit zu erreichende Strahlkraft der kaiserlichen Unterkunft blieb auch nicht aus, denn deren Attraktivität am Reisemarkt steigerte sich schlagartig – allerdings einhergehend mit der Konsequenz, dass das Hotel ab dieser Zeit nicht mehr als „Alpenhaus“, „… mit allem modernen Comfort, jedoch ohne jeglichen Luxus“, sondern als exklusives Etablissement gesehen wurde. „Oft genügte schon ein solcher Monarchenbesuch“, schreibt der Historiker Habbo Knoch, um ein Hotel bekannt zu machen. „Nobilitierung und Patronage waren wichtige Werbemittel auf dem Weg zur distinktionsorientierten Kommerzialisierung des Beherbergungswesens.“712 Vor diesem Hintergrund ist anzunehmen, dass das „Interesse“ des Kaiserhauses an der KarerseeRegion auch den politischen Ambitionen Theodor Christomannos’ in Bezug auf die österreichischen Superioritätsansprüche am Dolomitengebiet in die Hände spielte. Dafür musste er aber in Kauf nehmen, dass sich die Gästekreise änderten und gesellschaftliche Abgrenzung im dortigen Hotel eine größere Rolle zu spielen begann als bisher. Das Haus bzw. der „Verein“ ging auch betrieblich in eine andere Richtung als ursprünglich von ihm geplant. Das wurde ab der 1905 beschlossenen großen Hotelerweiterung besonders offenkundig.713 Das zeigt auf, wie rasch die einstigen, mit den touristischen Entrepreneurships einhergehenden weltanschaulich-ideologischen Ziele aufgeweicht wurden und kontinuierlich wirtschaftlichen wichen – die „Ökonomisierung“ war wohl mit ein Grund für die sich bald trennenden Wege von Theodor Christomannos bzw. des „Vereins“ und Otto Schmid, was in weiterer Folge auch die Herausbildung von zwei modifizierten Berghotel-Serien bewirkte.

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Über die Kommerzialisierung des Reisens In Verbindung mit den anfänglich geplanten „Alpenhäusern“  – „…  mit allem modernen Comfort, jedoch ohne jeglichen Luxus“  – und ihrer Entwicklung zum Exklusivität vermittelnden „Grandhotel“ ist ein Blick nach Amerika interessant. Denn der Wandlungsprozess vom standardisierten, „demokratischen“ Reisen zu einem, das zur Gewinnoptimierung an Komfort und (oberflächlich) verfeinerter Prachtentfaltung ausgerichtet war, verstärkte sich möglicherweise von hier ausgehend. Am Beispiel der Eisenbahn lässt sich nämlich darstellen, dass sich der systematische Tourismus nach seinen Anfängen um die Mitte des 19.  Jahrhunderts allmählich zu einem gesellschaftlichen Phänomen wandelte, in dem Distinktion zunehmend an Bedeutung gewann. Im amerikanischen Eisenbahnwesen gab es im Unterschied zu Europa zuerst noch keine Wagenklassen. Niemand Geringerer als Charles Dickens (1812–1870), der 1842 in den USA eine Bahnreise unternahm, berichtete: „Es gibt dort keine Wagen erster und zweiter Klasse wie bei uns, sondern statt dessen Wagen für Herren und für Damen, wobei der Hauptunterschied darin besteht, daß in dem ersteren jedermann raucht, während es in dem anderen niemand tut […]. Die Wagen gleichen schäbigen Omnibussen, nur sind sie größer.“ Ferner kommentierte er die geringe Anzahl an Fenstern in den Waggons mit der trockenen Feststellung „Es gibt reichlich viel Wand“. Die Situation, dass die Eisenbahn mit wenigen Einschränkungen ein demokratisches Transportmittel war, wandelte sich erst nach 1867 mit der Eröffnung der transkontinentalen Verbindung zwischen der Ost- und der Westküste. Die gesamte Reise beanspruchte sieben Tage, die man ursprünglich im Sitzen verbrachte. Es war der Unternehmer George M. Pullman (1831–1897), dem die Synthese von Reise und Komfort ausschlaggebende Impulse zu verdanken hat. Er war der Erfinder des Palast-Schlafwagens „Pioneer“, den man bald nur noch unter dem Namen „Pullman“ kannte. Es gab aber auch andere Betreiber von „Palace-Car-Companies“. Sie hatten die Idee, dass mit den hotelähnlich ausgestatteten Schlafwägen gute Gewinne zu erzielen wären. Damit nicht genug, ließen sie diese mit prunkvollen Einrichtungen aus edlen Hölzern, mit Teppichen aus Brüssel, Kronleuchtern und Spiegeln aus Frankreich etc. versehen. Diese Form von Kommerzialisierung führte dazu, dass die „rollenden Paläste“ vornehmlich die rasch wachsenden Schichten der Wohlhabenden in den USA bedienten. In weiterer Folge zeichnete sich auch in Europa eine noch deutlichere Ent-Demokratisierung des Reisens ab und die Großhotels genannten monumentalen Gebäude wurden noch mehr „Grandhotel“ im Sinn von Luxus und sozialer Abgrenzung. Quellen: Giedion, Sigfried, Die Herrschaft der Mechanisierung, Hamburg 1994, S. 493, 497, 500, 504f. Dickens, Charles, American Notes for General Circulation, Kap. 4, in: Giedion, S. 500. Christomannos, Theodor, Sulden–Trafoi, Innsbruck 1895, S. 12. Herrenabteil eines amerikanischen Eisenbahnwaggons, 1847

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Zwei Berghotel-Serien Vor dem Hintergrund der eingangs in diesem Kapitel beschriebenen Entwicklungen waren am Beginn der 1890er Jahre im Hotel- und Kurhausbau weder die formale Gestaltung des Gästetrakts des Hotels Sulden noch dekorative Elemente im Sinn des sogenannten Schweizer Holzstils neu. Im Alpenraum wurden Herbergen vielerorts – wie Zweckbauten allgemein – über orthogonalem Grundriss errichtet. Ihre oberen Abschlüsse bildeten traufenständige Satteldächer mit eingeschobenen Zwerchhäusern an den Längsseiten.714 Über die Zwerchhäuser wurde Licht in die Dachräume geführt, ferner dienten sie ähnlich den Mitten- und Seitenrisaliten im Schlossbau der Auflockerung der Baumasse. Die Außenmauern wurden verputzt. Aus den nachfolgenden Darstellungen soll hervorgehen, dass die zwei Berghotel-Serien in Südtirol, ausgehend von diesem Grundschema, mit ähnlichen, aber dennoch divergierenden Entwurfs- bzw. Kompositionsmethoden weiterentwickelt wurden. Eine bestand aus der Repetition eines Bautyps, eine zweite aus einem modularen Programm, das je nach Kombination eine ganze Bandbreite von Bauaufgaben im Beherbergungswesen abdecken konnte, ohne an „alpiner“ Wirkung einzubüßen. Im übertragenen Sinn handelte es sich dabei um eine Vorwegnahme späterer industrieller Fertigungsprozesse und damit einen Vorgang, der eher dem städtischen Kontext zuzuordnen gewesen wäre. In diesem Zusammenhang nehmen die Berghotels in Südtirol aber genauso wie der Hochbau der Eisenbahn insofern eine Sonderstellung ein, als sich hier die Herauslösung der Architektur(-produktion) aus ihrer Traditionsgebundenheit nicht im urbanen Raum, sondern an der geografischen Peripherie vollzog.

Simplon-Hospiz auf einer Seehöhe von 1997 Metern, 1801 unter Napoleon Bonaparte begonnen und 1831 von Augustiner-Chorherren vollendet, 1918 Bauschema von frühen Zweckbauten und Herbergen (rechts)

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Gegenüberstellung der seriellen Architekturproduktion von Otto Schmid am Beispiel der Hotels in Sulden (1892/1893, oben), am Pragser Wildsee (1896–1899, Mitte) und in Kitzbühel (1900–1903, unten)

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Der Baukörper des Hotels Trafoi wurde eindrucksvoll in der alpinen Landschaft platziert, zugleich war das Gebäude aber auch ein Manifest politischer Machtvorstellungen

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Von der Repetition eines Bautyps zum modularen Bauschema – Hotel Sulden und Hotel Trafoi Für die Konzeption seines ersten Berghotels bediente sich Otto Schmid demnach – abgesehen von der Auflösung des frei stehenden Hotelkastens durch seitliche Anbauten – gängiger Kompositionselemente. Dennoch war der Bau neuartig, weil Schmid durch die Gruppierung der Volumen, das Hochziehen des Zwerchhauses des Gästetrakts mit seinem abgewalmten Dach und die unverputzt belassenen Fassaden eine bis dahin noch nicht dagewesene Gesamtwirkung erzielte. Die architektonischen Kunstgriffe, ferner die Anbringung von vorgehängten Bauteilen im sogenannten Schweizer Holzstil und unterschiedliche Fensterformen reichten aus, um das Gebäude genauso zur regionalen Architekturgeschichte passend erscheinen zu lassen wie es in den atmosphärischen Rahmen von „deutschem Alpenhaus“, politischen Superioritätsansprüchen etc. einzufügen. Hinzu kam der gotisierend gestaltete Speisesaal. Mit seiner hölzernen – und nicht, wie es damals schon zeitgemäßer gewesen wäre, aus Eisenelementen geformten  – Spitztonne untermauerte Otto Schmid den symbolischen Stellenwert des feierlichen, geradezu sakralen Aufenthaltsorts der Gäste zusätzlich. Die Bauweise des Hauses in Sulden folgte aber auch ökonomischen Grundgedanken. Es wurde mit Mitarbeitern aus der Region und einfachen, teils vor Ort vorhandenen Mitteln erbaut, was ein weiterer Grund war, weshalb es sich als Vorbild für weitere Berghotel-Projekte eignete. Sein ausgehend von rationalen Schemata weiterentwickelter Gästetrakt wurde der architektonische Urtyp für die Hotels Pragser Wildsee und Wenter – mit jeweils innen liegenden Speisesälen. Die Fortsetzung der Berghotel-Serie geschah aber nicht nur vor dem Hintergrund der finanziellen Möglichkeiten der Auftraggeber. Die „Standardisierung“ erprobter Entwurfsbzw. Kompositionsmodelle ging darüber hinaus. Denn auch wenn Theodor Christomannos an den weiteren Bauvorhaben nicht mehr beteiligt war, ist der Schluss naheliegend, dass mit der „Serialisierung“ des ursprünglichen „Alpenhaus“-Gedankens auch die initiale Leitidee einer Raumbeanspruchung von Gebirgsregionen durch „deutsche“ Tourismusunternehmer weiterverfolgt werden sollte. Wenn also später der falsche Eindruck entstand, dass eine größere Serie von Hotels zum „Verein für Alpenhotels in Tirol“ gehörte, war das möglicherweise beabsichtigt. Das späteste Projekt Otto Schmids, das Hotel Kitzbühel, kam dem initialen architektonischen Gestaltungsschema insgesamt am nächsten. Die Verwandtschaft der Häuser war bisher aber deshalb kaum Gegenstand von Erörterungen, weil das Hotel Sulden aufgrund von „Modernisierungen“ bald sein einstiges Erscheinungsbild verlor und somit die Serienproduktion nicht mehr so sichtbar war wie noch um 1900. Erste Richtungsänderungen – auch mit Blick auf die modulare „Fabrikation“ von Berghotels – kündigten sich im Umfeld der Realisierung von Otto Schmids Großhotel in Trafoi an, das zwischen 1894 und 1896 zeitgleich mit dem nach Plänen von Musch & Lun errichteten Hotel am Karersee entstand. Wenngleich auf ähnlichen Gestaltungsmitteln wie das Hotel Sulden aufgebaut, muss sich das Haus an der Stilfser-Joch-Straße aufgrund seines L-förmigen Zuschnitts, seiner Dimension und nicht zuletzt seiner eindrucksvollen Platzierung in der Berglandschaft als Bollwerk österreichischer Machtvorstellungen vermittelt haben. Nicht von ungefähr wurde das Gebäude unterhalb der „grossartigsten Gletscherbilder Europas“715 als Titelbild für August Prokops Publikation über „Alpen-Hotels“ gewählt. Viele Besucher zeigten sich vor allem von dem in Verlängerung des straßenseitigen Flügels angebauten Speisesaal beeindruckt und verglichen ihn in Bezug auf seine raumgreifende Wirkung sogar mit „kleinen Bahnhofshallen“716.

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Unübersehbar wurde im Zuge der Eröffnung des Hotels aber auch, dass das Haus nicht nur Symbol für politische Raumbeanspruchung war, sondern – zusammen mit dem Hotel Sulden – ein Sinnbild für die wirtschaftlich immer dominanter werdende Haltung seiner Betreiber. Denn die sich von „gemeinwohlorientierten“ Tourismusinitiativen zu aggressiven Marktstrategien eines „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ wandelnden Entrepreneurships nahmen vor allem lokale Unternehmer als zunehmende Vereinnahmung „ihrer“ Berggebiete wahr.717 Vom modularen Bauschema zur Diversifikation touristischer Angebote – Hotel Karersee und Folgeprojekte Das zeigte sich noch mehr am Karersee, wenngleich in anderer Form als im Ortlergebiet. Wie bereits angedeutet, entzweiten sich Otto Schmid und Theodor Christomannos bald – möglicherweise auch unter dem Einfluss des geschäftssinnigen Carl Lun und anderer Unternehmer bzw. Industrieller im Kreis der Mitglieder des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“.718 Denn Musch & Lun ging bereits bei der Gestaltung des Hotels am Karersee – die parallel zu dem in Trafoi erfolgte – darauf über, die Entwürfe und Kompositionsmethoden von Otto Schmid (kopierend?) aufzugreifen, darüber hinaus aber auch zu adaptieren, Gestaltungselemente neu zu kombinieren und damit den Charakter der Häuser zu verändern. In Weiterverfolgung von Schmids Idee der Verwirklichung einer malerischen „Hotel-Burg“ wurden am Karersee Elemente aus volkstümlichen und aristokratischen Baukulturen zusammengeführt. Ange­ lehnt an die oben beschriebenen Häuser des Schwarzwaldes, wurde der abwechslungs­reiche Körper des Hotels mit weit heruntergezogenen Schopfwalmdächern versehen. Zusätzlich stattete man ihn als sichtbares Zeichen der Verbundenheit mit den geografisch „näherliegenden“ bäuerlichen Bautraditionen des Nordtiroler Unterinntals und Bayerns mit mehreren hölzernen Glockentürmchen aus. Die sich einstellende Popularität des neuartig wirkenden Gestaltungsprinzips war auf die „inventive imitation“ eines Sets an architektonischen Referenzen zurückzuführen. Die Wiedererkennbarkeit einfacher, aber umso wirkungsmächtigerer optischer Signale war ein Faktor, der dazu beitrug, das Bewusstsein um regionale – besser alpine – Identität in der Tourismusarchitektur nachhaltig zu festigen. In ihrer Gesamtwirkung sollte die Berghotel-Serie zwar erkennbar bleiben, ein weiteres Ziel der „Überarbeitung“ war es aber, durch eine Erweiterung des Modulprogramms unterschiedliche touristische Angebote zu generieren. Offenbar wollte Musch & Lun die günstige Konjunktur im Höhentourismus nützen und quasi präindustriell produzierte Herbergen in unterschiedlichen Größen und Ausstattungen „wie vom Band laufen“ lassen. Innovativ war diese Vorgangsweise insofern, als bereits erfolgreich eingeführte Bestandteile und formale Leitideen vom Meraner „Bureau“ diversifiziert wurden. Das Hotel Karersee übernahm dabei die Funktion eines Leitbetriebs. Zu ihm gruppierten sich ein Touristenhaus und ein weiteres einfacheres Hotel, der Rosengartenhof des Bergführers Anton Dejori auf der Passhöhe.719 Unter diesen Voraussetzungen entwickelte sich der Karersee aber auch schrittweise zu einem Ort der Distinktion. Infolge des werbewirksamen Besuchs der Kaiserin wurde die Gegend ein derartiger Publikumsmagnet, dass die Gäste, die in der ehemaligen Unterkunft der hohen Dame keinen Platz mehr fanden, auf die umliegenden Unterkünfte „verteilt“ wurden. Das erzeugte auch gesellschaftlichen Druck. Denn jede Unterbringung in einem anderen Haus als dem eigentlichen Großhotel kam einem „Abstieg“ gleich.

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Aus dem Bauschema des Hotels Karersee (1894–1896, oben) gingen auch jene für kleinere Herbergen wie den Rosengartenhof (1896/1897, unten) am Karerpass hervor

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Die serielle Architekturproduktion setzte Musch & Lun beim Hotel Brennerbad (1900–1902) fort

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„Architekturtransfer“ von den Dolomiten auf den Semmering Das neuartige Bauschema von Musch & Lun wurde auch außerhalb der Landesgrenzen nachgeahmt. Beispielsweise orientierte sich das Atelier Fellner & Helmer bei der Planung des Äußeren und Inneren des Hotels Erzherzog Johann (1898/1899) am Semmering an stilistischen Motiven, die von Musch & Lun stammen könnten. Ferner entstand 1881/1882 das Südbahnhotel, das jeweils nach den neuesten Strömungen in der Hotelarchitektur erweitert wurde: An einen blockartigen Baukörper, der jenen von Emil von Förster ähnelte, wurde ein Trakt mit Dekorationselementen im sogenannten Schweizer Holzstil angebaut. Zwischen 1901 und 1903 kam an diesen Bestand ein weiterer Bauteil hinzu. Dieser wurde von den Wiener Architekten Alfred Wildhak (1869–1939) und Robert von Morpurgo (1872–1941) geplant und wies besondere Ähnlichkeit mit dem Hotel Karersee auf. Robert von Morpurgo war ein Architekt, dem man eine verschwenderische Lebensführung bescheinigte. In erster Ehe mit der Tochter eines Südbahn-Direktors verheiratet, soll er sogar mit einem eigenen Waggon als mobilem Baubüro gereist sein. Auch bescherte ihm diese Verbindung Aufträge der Südbahn-Gesellschaft (ab 1897, 1899 Bürogründung mit Alfred Wildhak). In diesem Zusammenhang dürfte er das Dolomitenhotel Toblach und innovative Aspekte auf dem Gebiet des Berghotelbaus in Südtirol kennengelernt haben. Désirée Vasko-Juhász schreibt über den an das Haus am Karersee erinnernden Anbau an das Südbahnhotel, dass sich dieser bald zu einer Art Wahrzeichen entwickelte und insgesamt „eine Neuorientierung der Semmeringer Architekturgeschichte“ einläutete. Quellen: Vasko-Juhász, Désirée, Die Südbahn. Ihre Kurorte und Hotels, Wien-Köln-Weimar 2006, S. 168ff., 222f., 234ff., 236, 241f., 288, Abb. S. 268–288. www.architektenlexikon.at/de/691.htm (18.12.2018). www.architektenlexikon.at/de/410. htm (18.12.2018). Über das Atelier Fellner & Helmer siehe an früherer Stelle in diesem Kapitel.

Südbahnhotel Semmering, Baustufe mit dem Anbau von Alfred Wildhak und Robert von Morpurgo, 1901–1903 Ansicht zum Tal (unten)

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Das demonstriert, dass die  – auch auf der Ebene des architektonischen Modulprogramms mit­vollzogene  – distinktionsorientierte Kommerzialisierung des Beherbergungswesens dazu führte, dass sich neuartige gesellschaftliche Wertungsprozesse entfachten. Mit der Aus­ gangsidee, mit den Berghotels politische Zeichen zu setzen, ging der (frühdemokratische) Gedanke einer Lockerung von gesellschaftlichen Konventionen einher – eine Vorstellung, die rasch von bis dahin nicht dagewesenen Formen (groß-)bürgerlicher Ein- und Ausgrenzung überholt wurden.720 Diese Entwicklungen am Karersee vollzogen sich vorerst auch noch ohne bemerkenswerte Veränderungen am Gebäude des Leitbetriebs. Erst später nahm diese Neuausrichtung auch architektonisch Gestalt an – weniger am Äußeren des Hotels als vielmehr in seinen Innenräumen, die – diesem Gesamtbild entsprechend – nicht mehr mit gotisierenden, sondern im Zuge der ersten großen Hotelerweiterung 1906 bis 1909 zunehmend mit barockisierenden Ausstattungen versehen wurden. Komponenten eines „Berghotel-Bausatzes“ Das Ausgangsmaterial für die modular anwendbaren „Berghotel-Bausätze“ bestand im Wesentlichen aus folgenden Komponenten: Aneinanderreihung (Addition) von unterschiedlich hohen, giebel- und traufenständig angeordneten Volumen, Akzentuierung von gestreckten Bauteilen durch Zwerchhäuser und Verkleidung großer Fassadenflächen mit unverputzt belassenem Bruchsteinmauerwerk mit breiten Mörtelfugen. Das Material stammte jeweils von örtlichen Steinbrüchen, wodurch das äußere Erscheinungsbild der Häuser regional variierte. In den oberen Partien bis zum Dach wurden häufig verputzte, mit Blendfachwerk versehene Zonen (vornehmlich Giebelfelder) gestaltet. Hinzu kam die „malerische Belebung“ bzw. Dekoration der Baukörper mit vorgehängten Balkonen und Erkern in Holzkonstruktion im sogenannten Schweizer Holzstil, unterschiedlichen Fensterformen und nicht zuletzt abwechslungsreichen Dachlandschaften mit großen, abgewalmten Satteldächern, Quergiebeln, Glockentürmchen, Wetterfahnen und Dachreitern. Für die Umsetzung derart aufwendig gestalteter Dächer wurden kunstvolle Werksätze ausgearbeitet, von denen einige im Archiv von Musch & Lun erhalten sind. Zu den wichtigsten Projekten von Musch & Lun zählten neben dem bereits genannten Hotel Karersee das Hotel Stubai und das Hotel Brennerbad sowie das äußerlich schlicht wirkende, aber innen umso reizvoller eingerichtete Hotel Plätzwiese, das in einem Almengebiet weit oberhalb von Prags auch in einer besonderen landschaftlichen Situation errichtet wurde. Mit der Fertigstellung des Hotels in Fulpmes im Nordtiroler Stubaital im Jahr 1904 endete im „Bureau“ von Musch & Lun die Ära des modularen Berghotel-Baus, was nicht zuletzt auf die Zuwanderung von Architekten aus München zurückzuführen war.

Das Hotel Stubai (1902–1904, rechts) und das kleinere Hotel Plätzwiese (1898–1900, links), zwei weitere Repräsentanten des Bauschemas von Musch & Lun

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Das Dolomitenhaus in Canazei (1907–1909) hätte in Bezug auf sein architektonisches Erscheinungsbild der Prototyp für eine weitere Berghotel-Serie werden können, was jedoch durch den Beginn des Ersten Weltkriegs vereitelt wurde

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Neuausrichtung der Berghotel-Architektur – Dolomitenhaus Canazei Das letzte größere Berghotel-Projekt von Musch & Lun war das Dolomitenhaus in Canazei, das von 1907 bis 1909 nicht zuletzt vor dem Hintergrund der zunehmenden Automobilisierung entstand. Auffallendes Merkmal seiner architektonischen Gestaltung war die Rückkehr zur geschlossenen Form des „Hotelkastens“721, die jetzt aber unter anderen Voraussetzungen vollzogen wurde als noch am Beginn der Ära des Hotelbaus – unter anderem, weil von Wien kommende Architekten wie Otto Schmid zunehmend von einer neuen Architektengeneration abgelöst wurden, die aus der Schule von Theodor Fischer (1862–1938) kam.722 Der Einfluss von Theodor Fischer, so der Architekturhistoriker Winfried Nerdinger, verlief „nicht nur in Richtung Moderne, sondern er prägte auch eine ganze Generation von Architekten, die in dem weiten Bereich zwischen Avantgarde und Konvention angesiedelt sind.“723 An seine Schüler vermittelte der Architekt und Stadtplaner unter anderem die Auffassung, dass ein Bauwerk bildlich ein Organismus ist, der aus einer Grundform „wächst“. Vor diesem Hintergrund gewann die Grundrissabwicklung eines Hotelprojekts höhere Bedeutung als bisher. Gut ablesbar ist das im Dolomitenhaus Canazei z. B. an der Anordnung der Küche, von welcher der Speisesaal und das Touristenzimmer annähernd gleich weit entfernt lagen. Die Erkenntnis, mit klaren Wegeführungen Grundrisse zu lösen „wie einen Stadtplan“724, vereinfachte die Bedienung in beiden Räumen. Das vom Städtebau entlehnte Prinzip hatte zur Folge, dass das Anlegen von „Plätzen“ auch innerhalb eines Gebäudes an Bedeutung gewann. Der „Platz“ diente als „Drehscheibe“ und ermöglichte Richtungsänderungen im Bewegungs- bzw. Funktionsablauf eines Hotels. Hinzu kam die Ablesbarkeit von einfachen Maßverhältnissen  – für Fischer, der sich zeitlebens intensiv mit Geometrie und Proportion auseinandergesetzt hatte, ein Qualitätskriterium in der Architektur. In seine Studien bezog er sogar die „Übertragung von Schwingungsverhältnissen“ mit ein (Stimmungen, Vorgänge im „Unterbewusstsein“ bei der Raumwahrnehmung).725 Fischer lehrte das Entwerfen aus den „städtebaulichen Bindungen, der regionalen Tradition und aus dem Wesen der Bauaufgabe“726, wobei angesichts von Projekten wie dem Dolomitenhaus in Canazei der Bezug zu überlieferten Bauweisen so weit zu fassen war, dass dieser auch die älteren Berghotels von Musch & Lun mit einschloss. Es handelte sich also nach wie vor nur um eine „teilweise“ Herauslösung der Architektur(-produktion) aus ihrer Traditionsgebundenheit.727 Sie zeigte sich unter anderem darin, dass auch hier eine Reihe bereits vorhandener Motive in abgewandelter Form wiederholt wurde. Abschließend kann aber die Mischung aus einfacher Formfindung durch schlichte Proportionierung, städtebauliches Denken und Rückbezug auf erprobte Entwurfsprinzipien als ein „Programm“ betrachtet werden, das – hätten das Ableben von Theodor Christomannos und der Erste Weltkrieg nicht die Verwirklichung einer Serie von „Dolomitenhäusern“ vereitelt  – die Entwicklung von einem weiteren, modular anwendbaren Bauschema für Berghotels ergeben hätte können.728

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Hotel Brennerbad, Speisesaal, anlässlich der Eröffnungsfeier am 1. Juli 1902

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Die Innenräume der Berghotels – zwischen Anachronismen und Innovationen Aufgrund der noch mangelnder technischer Möglichkeiten in der Fotografie sind von den Südtiroler Berghotels kaum Innenaufnahmen erhalten. Dennoch geben diese zusammen mit der kleinen Zahl an erhaltenen Plänen, Zeichnungen und frühen Hotelprospekten Einblicke in die Raumabwicklungen und Interieurs. Während das Dolomitenhotel Toblach anfänglich noch kaum Gesellschaftsräume aufwies, stieg deren Zahl in der Folgezeit  – vor allem in großen Berghotels wie dem am Karersee. Architektonisch resultierten Damen-, Rauch-, Musiksalon etc. aus der Diversifikation eines vormals multifunktionalen Bereichs. Zudem boten die Häuser zusammen mit der Vermietung von Zimmern auch vergleichsweise teure Privatsalons an. Man ist leicht dazu geneigt, die Qualität eines Hotels an der Zahl der öffentlichen Salons zu messen und die Vervielfältigung der Gesellschaftsbereiche als eine Parallelentwicklung zur distinktionsorientierten Kommerzialisierung des Fremdenverkehrs zu sehen. Tatsächlich wurden die unterschiedlichen Salons aber auch unter der Voraussetzung geschaffen, die Gäste von der Verpflichtung zu entheben, sich kostspielige Privatsalons mieten zu müssen.729 Das ist ein Zeichen dafür, dass die Zunahme an kollektiv genutzten Zonen bzw. an Orten der Begegnung in den Hotels als solche zu interpretieren sind, die einer gesellschaftlichen Abgrenzung entgegenwirkten bzw. entgegenwirken sollten. Sinnbildlich standen sie mehr für die Verbürgerlichung des Beherbergungswesens und weniger für „feudalen“ Luxus und Distinktion. Das wurde insbesondere gegen Ende des 19. Jahrhunderts spürbar, als wieder besonders viele kleine (Berg-) Hotels für weniger vermögende Reisende entstanden. In diesen Häusern übernahmen hauptsächlich die Eingangshallen die Funktion der Salons, und das in einer Periode, in der die Entrees insgesamt an räumlicher Bedeutung gewannen. Anfänglich boten die öffentlichen Bereiche der Berghotels ein gotisierendes, später ein barockisierendes Erscheinungsbild. Beide Formen der Gestaltung stellten aber eine „Verwechslung von Zeiten“ dar. Denn im Grunde waren sie höfischen Wohnformen entlehnt, wodurch sie – z. B. in die von Bildungsbürgern geprägten Berghotels transferiert –, anachronistisch wirkten. Souterrain mit Unterküche und Schwemme In der Regel – eine der wenigen Ausnahmen war das Haus in Sulden – verfügten die Berghotels über ein Souterrain. Die unter dem Hochparterre mit dem Hoteleingang liegende Ebene wies im Gegensatz zu einem Keller Räume mit Tageslicht und guter Luftzufuhr auf. In Gebäuden in Hanglage war es architektonisch möglich, im talseitigen Teil des Souterrains gut belichtete Räume und im rückwärtigen solche unterzubringen, die als Keller genutzt werden konnten. Die Untergeschosse bildeten neben den Speisesälen zentrale Bereiche der Hotels, weil die hier angesiedelten Räume mit einer Vielzahl von Funktionen belegt werden konnten. Ihre Bedeutung ist aber auch damit in Verbindung zu bringen, dass sich im Hotelbau eine zunehmende Verdrängung von Arbeit und Schmutz aus dem „Blickfeld des zahlenden Gastes“730 vollzog. Nicht zuletzt deshalb stellte Architekt Robert Roller  jun. schon 1879 fest, dass die Aufteilung der Räume im Souterrain zum Schwierigsten im Hotelbau zählte.731 Denn hier befand sich neben den sogenannten Unterküchen mit all ihren Nebenräumen wie Patisserie, Brotbäckerei, Lagern und Kellern für Gemüse, Milch, Butter, Fleisch, Wein oder Bier auch die zum Teil ganze Räume einnehmende Haustechnik. Manchmal wurden auf dieser Ebene auch einige preisgünstigere „Touristenzimmer“ (häufig Einzelzimmer) eingerichtet.

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Zu den wichtigsten Räumen in einem Souterrain gehörten aber die sogenannten Schwemmen. Sie waren die Schänken der Hotels, denn Bars waren in den Herbergen des späten 19. Jahrhunderts nur in Amerika bekannt.732 Robert Roller jun. schrieb über die Anordnung der „stets lästigen“ Gasträume  – hier wurde nämlich besonders viel Alkohol konsumiert: „Bei Fremden- oder Saisonhôtels, auch bei Berghôtels gehört noch in’s Souterrain, aber mit eigenem, womöglich mehr oder weniger verstecktem Eingang von außen, ein Lokal für Führer, Kutscher und derlei Volk […].“733 Die Schwemmen erfreuten sich auch deshalb großer Beliebtheit, weil man sich hier ungezwungener bewegen konnte als in der Mehrzahl der darüberliegenden Säle, Salons und Zimmer. Ursprünglich dürfte es sich bei der Bezeichnung Schwemme für einen Gastraum um einen Begriff aus der bayerischen Biergastronomie handeln. Die Schwemme war ein zum Teil in Kellergewölben (Bierkeller, Braukeller) untergebrachtes Lokal, in dem große Mengen des Gerstensafts ausgeschenkt wurden.734 Da in den Schwemmen auch einfache Leute, wie mitgereistes Personal, zukehrten, bestand die Inneneinrichtung meistens aus robusten Tischen und Bänken. Da sich in den Schwemmen bildlich die gesellschaftlichen Sphären von oben und unten zwanglos begegnen konnten, liegt es auf der Hand, dass auch manche Gäste der Berghotels von den Gesellschaftsräumen im Parterre mit ihrem steiferen Flair ab und an gerne ins Souterrain „hinabstiegen“ – z. B. um mit den Bergführern auf einen Gipfelsieg anzustoßen oder mit ihnen eine unternommene Tour Revue passieren zu lassen. Mit der Zeit entwickelten sich aus vielen Schwemmen eigene, von außen begehbare Restaurants, beispielsweise beim Hotel Karersee. Hier wurde die bereits bei der Zufahrt zum Hotel gut sichtbare Schwemme im Souterrain des Südwesttrakts schon bei der Eröffnung des Hotels 1896 „Stube“ genannt, weil sich in ihrem Umfeld eine Reihe von Touristenzimmern befand, denen sie im Sinn eines Salons als Treffpunkt zugeordnet war. Aus diesem, anfänglich für Alpinisten gedachten, Gastraum ging die spätere Christomannos-Stube hervor, die vor allem mit der Fertigstellung weiterer Etappen der Dolomitenstraße ein viel besuchter Ort wurde. Der Autoverkehr führte zu einer zunehmenden Zahl an Tagesgästen, die im bekannten Hotel nahe dem Karerpass Rast machten. Später wurde hier an der Seite des Hotels auch ein Parkplatz errichtet – wahrscheinlich einer der ersten im Land. Speisesaal In der Entstehungszeit der ersten Berghotels in Südtirol waren die Speisesäle noch die gesellschaftlichen Zentren jeder Herberge. In dieser Funktion wurden sie jedoch bald von den Empfangshallen abgelöst. Meistens wurden die Speisesäle über sogenannten Unterküchen angelegt. Diese Positionierung erfolgte nicht nur aufgrund der Arbeitsabläufe. Sie entstand vor dem Hintergrund, Betriebsamkeit, Lärm und Geruch von den repräsentativen Bereichen eines Hotels abzusondern.735 Beispielsweise achtete Architekt Felix Wilhelm Kubly (1802–1872) schon in den 1860er Jahren bei den ersten großen Engadiner Kurhäusern in Bad Tarasp und St. MoritzBad auf eine Trennung der Bereiche für die Gäste von den Küchen und den Abteilungen für Therapien. Er legte erstmals Speisesäle als angebaute Trakte wie eigenständige Gebäude an.736 Auf diese Weise entstanden zwei Arten von Speisesälen, innen und außen liegende. Mit der zunehmenden Größe der Hotels und der steigenden Zahl der Zimmer wurden sie aber im 19. Jahrhundert bald vorrangig als an drei Seiten frei stehende Flügel errichtet. In den Sälen

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wurde gespeist, hier fanden aber auch Konzerte und Bälle statt, weshalb sie zur Steigerung ihrer festlichen Atmosphäre über besondere Raumhöhen und viele Fenster verfügten. Nicht zuletzt wünschte man sich auch stützenfrei ausgeführte Hallen  – mit der Folge, dass aus statischen Gründen über ihnen meistens kein weiteres Geschoss angelegt werden konnte. Somit setzten sich die meisten Hotels aus mehreren, horizontal aneinandergereihten Bauteilen zusammen. Zwar bemühte sich Otto Schmid in Sulden, durch das Querstellen des Baukörpers des Speisesaals dessen Größe zu kaschieren, doch insgesamt kam die additive Bauweise der Großhotels lange nicht aus der Mode. Sie trug viel zum monumentalen Erscheinungsbild der Komplexe bei, was im Zeichen des frühen Landschafts- und Heimatschutzes nicht nur positive Resonanz hervorrief. In der Fachliteratur herrscht keine einheitliche Meinung über die architekturhistorischen Wurzeln der Speisesäle. Beispielsweise werden sie von Isabelle Rucki als Entlehnungen aus den Galerien im französischen Schlossbau interpretiert.737 Im Unterschied dazu verweisen die Festsäle der Berghotels in Südtirol aber auf eine direkte Provenienz aus mittelalterlichen Bautraditionen, vorzugsweise denen Großbritanniens. Damit nehmen sie in der Geschichte der Hotellerie insgesamt eine Sonderstellung ein, denn weder in Österreich noch in der Schweiz gab es in Bezug auf die Qualität ihrer Dachwerke vergleichbare Repräsentationsräume. Umso bedauerlicher ist es, dass nur noch ein einziger Speisesaal in seiner ursprünglichen Form erhalten ist. Dabei handelt es sich um den des Hotels Penegal738 auf der Mendel von Baumeister Johann Bittner (1852–1905)739, der wahrscheinlich in Anlehnung an den im Hotel des Alpes in Madonna di Campiglio von Musch & Lun geplant wurde. Seine Fertigstellung erfolgte 1896 – in dem Jahr, in dem auch das Hotel Karersee mit einem ähnlich konzipierten Saal eröffnete.

Bad Tarasp, Speisesaal des Kurhauses mit der älteren Table-d’hôte-Aufstellung der Tische (links) Mendel, Speisesaal im Hotel Penegal mit der neueren À-la-carte- oder Restaurantbestuhlung, um 1910 Die Gegenüberstellung legt den Schluss nahe, dass es für die Dachwerke der Speisesäle von Hotels möglicherweise unterschiedliche historische Vorbilder gab. Manche verweisen auf eine Herkunft aus den Galerien im französischen Schlossbau (Kurhaus, Bad Tarasp), andere auf Wurzeln in der britischen Hall (Hotel Penegal, Mendel)

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Auch mit Blick auf die multifunktionale Nutzung der Speisesäle deutet vieles darauf hin, dass die Südtiroler Beispiele nach Vorbildern von den britischen Inseln entworfen wurden, wo die „Hall“ bzw. „Great Hall“ der Ansitze und Schlösser ursprünglich der wichtigste, oft auch der einzige Wohnraum einer Großfamilie war. Hier wurde vor dem offenen Kamin gespeist, gefeiert und musiziert, weshalb manche Halle auch über eine Empore verfügte. Von den Wänden hingen häufig Wandteppiche herab. Die sonstige Einrichtung bestand aus Tischen und Bänken, die für Feste oder Musikdarbietungen zur Seite geschoben wurden. Allmählich veränderte sich der vormals private Rahmen der Versammlungsräume und, so die Architekturhistorikerin Megan Aldrich, „the Great Hall became associated with banquets and public assemblies.“740 Im 19. Jahrhundert gelangten die „Great Halls“ in Großbritannien als „diningrooms“ zu neuer Wertschätzung, z. B. in den Colleges.

Great Hall von Penshurst Place, Grafschaft Kent, 14. Jahrhundert, um 1915

In ihren Anfängen waren die „Great Halls“ genauso wie die frühen „Grandhotels“ vor allem in Bezug auf ihre Dimensionen „groß“ – und ihre Einrichtung sparsam und einfach. Die oberen Abschlüsse der Hallen und Säle bildeten unterschiedliche Formen von „Gewölben“ aus Holz, seltener aus Stein. Um die Nachempfindungen möglichst „echt“ wirken zu lassen, wurden die Dachwerke der späteren Berghotels ähnlich gestaltet und auch nicht als Eisenkonstruktionen ausgeführt, was zeitgemäßer gewesen wäre. Es ist nicht bekannt, von welchem Architekten das erste gotisierende Dachwerk in einem Südtiroler Berghotel realisiert wurde. Otto Schmid kommt aber schon als Schüler von Friedrich von Schmidt und aufgrund seiner Berufserfahrung als „Denkmalpfleger“ infrage. Wenn er nicht selbst eine Englandreise unternommen hatte, waren ihm die dortigen Dachwerke aus Musterbüchern geläufig. Naheliegenderweise dürfte er auch regionale Inspirationsquellen und solche in Oberitalien gekannt haben. Wie bereits in seiner Biografie erwähnt, verwirklichte er nach mittelalterlichen Vorbildern im Palas von Schloss Enn ein reizvoll dekoriertes, mehrfach gewölbtes Holztonnengespärre.741 Später entwickelte er in Abwandlung dieses Frühwerks die Dachkonstruktion der Speisesäle seiner Hotels in Sulden und Trafoi.

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Westminster Hall, Darstellung des Krönungsbanketts von Jakob II. (1633–1701) und Maria von Modena (1658–1718), um 1750. Neben der groß inszenierten Feier ist das Hammerbalkengewölbe mit den wappentragenden Engelsfiguren an der Unterseite der Hebelarme des hölzernen Dachwerks abgebildet Hammerbalkengewölbe, aus: Ostendorf, Friedrich, Die Geschichte des Dachwerks (Leipzig-Berlin 1908)

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Im Unterschied zum Architekten aus Wien realisierte Musch & Lun keine Speisesäle mit Holztonnengespärren, sondern nahm Anleihen an britischen Hammerbalkengewölben. Hauptwerke historischer „hammerbeam roofs“ finden sich in London.742 Sie wurden im 19. Jahrhundert mehrfach rezipiert – nicht zuletzt, weil die Ingenieure und Architekten der Zeit unter der Voraussetzung der international zunehmenden Fest- und Ausstellungstätigkeit vermehrt mit der Planung von (wieder abbaubaren) Hallen konfrontiert waren. Auch deren Dachwerke bestanden vielfach aus Holz und nicht immer aus vorgefertigten Eisenelementen.743 Speisesäle mit Holztonnengespärren Bedauerlicherweise sind über Otto Schmids ersten Speisesaal in Sulden kaum Informatio­ nen überliefert. Einzig August Prokop dokumentierte, dass sein oberer Abschluss den Querschnitt eines Spitzbogens aufwies.744 Bereits im Mittelalter handelte es sich bei solchen Holztonnengespärren745 um kunstvoll ausgeführte, an Gewölbe erinnernde Dachwerke, die an ihrer Innenseite verschalt wurden und damit den Blick in die darüberliegenden Dachräume nicht freigaben bzw. „versperrten“. Auch in motivischer Hinsicht fügten sich die Konstruktionen in die „deutschtümelnde Welt“ der Berghotels gut ein, denn sie wurden als besonders „germanisch“ assoziiert. Die hölzerne Spitztonne des Hotels Sulden blieb aber die einzige ihrer Art und in Verbindung mit ihrer Verwirklichung stellt sich die Frage, ob sie – bei allem Arbeitsangebot und dem Holzreichtum im Umfeld des Hotels  – von lokalen Handwerkern realisiert werden konnte oder ob (vom Schiffsbau kommende?746) Fachkräfte aus Oberitalien zugezogen wurden. Für den Speisesaal im Hotel Trafoi entwarf Otto Schmid wenig später ein dreifach gewölbtes Holztonnengespärre, das schon aufgrund seiner räumlichen Dimension so beeindruckend war wie eine Bahnhofshalle.747 Das „modern“ anmutende Kassettenmuster verlieh dem lang gestreckten Raum zusätzlich eine hohe Dynamik. Eine seltene Fotografie vermittelt darüber hinaus einen Eindruck, wie der Architekt die Lichtführung konzipierte. Als Inspirationsquellen könnte Otto Schmid die – zwar vergleichsweise kleine – gotische Stube der Trostburg bei Waidbruck (um 1400) genauso gedient haben wie die erhaltenen Dachwerke im oberitalienischen Sakralbau (z. B. San Zeno in Verona) bzw. die Holztonnengewölbe und -gespärre, die für die Krankensäle in mittelalterlichen Hospizen wie dem Hôtel-Dieu in Beaune entwickelt wurden. Mit seinen Nachempfindungen verlieh der Architekt den Speisesälen seiner Hotels – auch im überregionalen Kontext gesehen – ein unverwechselbares Erscheinungsbild. Das von Musch & Lun für den Speisesaal im Hotel Brennerbad geplante Dachwerk sollte ursprünglich einen ähnlichen Zuschnitt aufweisen. Schließlich realisierte man aber eine einfachere, nicht minder eindrucksvolle Variante mit dem Querschnitt eines Kielbogens. Es ist anzunehmen, dass diese allzu offensichtliche Kopie eines Gestaltungsschemas von Otto Schmid zum damals schon gespannten Verhältnis zwischen deren Büros noch zusätzlich beitrug. Das Dachwerk im Hotel Brennerbad ist auf wenigen Fotografien erhalten, darunter eine, die erstmalig einen Speisesaal mit anwesenden Gästen zeigt. Sie entstand anlässlich der Eröffnung im Jahr 1902 (siehe Foto am Beginn dieses Abschnitts).

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Hotel Trafoi, Speisesaal mit Restaurantbestuhlung, um 1910

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Middle Temple Hall, London. Das Hammerbalkengewölbe wurde 1572 fertiggestellt, historische Postkarte (oben) Musch & Lun, Hotel des Alpes, Madonna di Campiglio, Speisesaal, Schnitt, 1893

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Speisesäle mit Hammerbalkengewölben Damit war das Repertoire an motivischen Vorlagen für mittelalterlich anmutende SpeisesaalDachkonstruktionen aber noch nicht ausgeschöpft. Denn Musch & Lun bediente sich in dem Bestreben, für die Dachwerke von Speisesälen eine geeignete Formensprache zu finden, der „hammerbeam roofs“ und somit einer Konstruktionsform mit nicht minder langer Geschichte. Hammerbalkengewölbe finden sich in so prominenten Bauwerken wie der Westminster Hall748 (zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts) oder dem Middle Temple (Sitz einer der englischen Anwaltskammern) in London – beides Stätten mit staatstragender Funktion und Veranstaltungsorte prestigeträchtiger (königlicher) Zeremonien. Schon alleine daher müssen sie in der Architektur des 19. Jahrhunderts als besonders nachahmenswert gegolten haben. Die Dachwerke der Speisesäle im Hotel des Alpes in Madonna di Campiglio (1893/1894) und im Hotel Karersee (1894 bis 1896) wurden allerdings im Gegensatz zu den meisten historischen Vorbildern innen verschalt, wodurch die Konstruktionen und deren Ausmaße in den Dachräumen nicht zur Gänze einsehbar waren. Überdies wurden sie statt mit geschnitzten Partien mit Malereien versehen. Mit der Wiederbelebung historischer Gewölbeformen aus Holz erwiesen sich Otto Schmid und Musch & Lun als versierte Architekturhistoriker. Die von ihnen realisierten Dachwerke gingen von einem reichen baukulturellen Erbe aus – wobei dazu festzuhalten ist, dass es ein „Ausgangsmaterial“ repräsentierte, das im 19. Jahrhundert in Fachkreisen ambivalent diskutiert wurde. Unter dem Einfluss von Eugène Viollet-le-Duc wurden die Konstruktionen häufig nur noch als billiger Ersatz für Steingewölbe betrachtet.749 Lediglich wenige Kunsthistoriker wie Franz Kugler (1808–1858) würdigten die hölzernen (in Reaktion auf Viollet-le-Duc so bezeichneten?) „Scheingewölbe“ der Briten. In seiner „Geschichte der gothischen Baukunst“ (Stuttgart 1859) schrieb er, dass das „schifffahrende und schiffbauende Inselvolk“ so dem Werkstoff Holz verbunden gewesen sei, dass es diesen auch für „monumentale Zwecke“ heranzog. Man gab hier, so Kugler, „der Holztechnik ihr selbständiges Recht und bildete die Holzdecke in neuen, eigenthümlich kunstreichen Weisen aus.“750 Die eigentliche Wiederentdeckung der hölzernen Konstruktionen erfolgte im deutschsprachigen Raum erst mit der Herausgabe des Bandes „Die Geschichte des Dachwerks“, die der Architekturtheoretiker und Architekt Friedrich Ostendorf (1871–1915) 1908 in Berlin herausbrachte. Die in den 1890er Jahren noch für eine innovative Wiederentdeckung eines reichen baukulturellen Erbes stehenden Dachwerke der Südtiroler Berghotels waren zu diesem Zeitpunkt jedoch schon (fast) aus der Mode gekommen. Otto Schmid und Musch & Lun gingen bei ihren späteren Hotelprojekten zunehmend von kunstvoll ausgebildeten Speisesaal-Dachwerken ab. Otto Schmid führte meistens flache Holzdecken aus, eine Sonderstellung nimmt einzig der große Saal seines letzten Hotelprojekts in Kitzbühel ein, wo er ein konventionelles Hängesprengwerk innen mit Planken verkleidete, um vor allem über die Höhe des Saals einen feierlichen Raumeindruck zu erzeugen. Musch & Lun unternahm beim Wiederaufbau des Hotels Karersee nach dem Brand von 1910 bis 1912 noch einen letzten Anlauf, mit einem Holztonnengespärre auf die einstige gesellschaftliche Bedeutung der Speisesäle anzuspielen. Im Dolomitenhaus in Canazei wurde ein „moderner“ Saal mit gerader Decke konzipiert – um dafür aber die Hotelhalle mit einem steinernen Gewölbe auszustatten.

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Table d’hôte Die bereits genannte Fotografie des Hotels Brennerbad veranschaulicht, welche wichtige Rol­ le der Aufstellung der Tische in den eleganten Speisesälen zukam. Der Table d’hôte, das heißt die Anordnung einer langen Tafel entlang der Längsachse eines Saals, hat seinen Ursprung in höfischen Banketten, die anlässlich von Festen, wichtigen Ereignissen oder Zeremonien abgehalten wurden – z. B. in der königlichen Westminster Hall.751 Der Historiker Habbo Knoch schreibt im Buch „Grandhotels“, dass das gemeinsame Essen „unter Vorsitz des oft patriarchalischen Wirtes und den zufälligen Gesellschaften“752 mit ihren mehr oder weniger unterhaltsamen Gesprächen schon in Gasthöfen üblich gewesen sei. Am Table d’hôte speiste man daher später auch in den Hotels nicht à la carte, sondern das – im weitesten Sinn vom „Gastgeber“ – vorgesehene Menü. Dieses wurde meistens zusammen mit dem Zimmer zu einem festen Preis angeboten. Wahrscheinlich konnte man in den Hotels seine Tischpartner von Zeit zu Zeit wechseln, was einen Wettbewerb um gute Sitzplätze zur Folge hatte und die Speisesäle noch mehr in den Rang gesellschaftlicher Zentren hob. Die später erfolgende Veränderung der Sitzordnung hin zur Restaurantbestuhlung nahm den Speisesälen viel von ihrem einstigen Glanz. Denn damit mutierten die gemeinsamen Mahlzeiten samt der dazugehörigen Konversation von quasi öffentlichen zu mehrheitlich privaten Ereignissen.

Gesellschaftsräume Die Ankunft im Hotel Sulden war mit der in einer heutigen Herberge nicht vergleichbar. Das auf einer Geländestufe liegende Haus verfügte zwar über eine repräsentative Zufahrt, sie war dem Gebäude vorgelagert und diente auch als Terrasse und ebener Spazierweg. Doch schon August Prokop resümierte über das Entree in seine Innenräume kritisch, dass das Vestibül zu klein geraten sei, weil es als bevorzugter Aufenthaltsort der Gäste häufig auch als „Sprech-, Spiel-, Schreib- und Wartezimmer“753 benützt werde. Damit reflektierte er auf den sich zu seiner Zeit vollziehenden Wandel in Bezug auf Größe und Anordnung der öffentlichen Räume eines Hotels. In den 1890er Jahren verlagerte sich das gesellschaftliche Leben nämlich von den Speisesälen zunehmend „in die Halle und die angrenzenden Salons.“754 In älteren Hotels wie dem Hotel Marienbad von Emil von Förster gruppierten sich die Salons häufig um den Speisesaal herum, sodass sie eine Enfilade bildeten. Bei einer klassischen Enfilade handelte es sich um eine Zimmerflucht, die bei geöffneten Türen eine Durchsicht vom ersten bis zum letzten Raum zulässt. Diese Art der Grundrissabwicklung stammte von den

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Höfen Frankreichs, von wo aus sie auch im repräsentativen Profanbau („hôtel particulier“) Einzug hielt. In Hotels wurden die Raumfolgen aber bald (zusätzlich) über einen Verteilergang zugänglich gemacht. In Bezug auf die allgemeine Konfiguration der Salons änderte sich damit noch wenig, denn sie wurden nach wie vor additiv aneinandergereiht. Gut nachvollziehbar ist dies an den Grundrissen des Hotels Karersee. In Prospekten und Inseraten wurden häufig alle vorhandenen Gesellschaftsräume eines Hotels aufgezählt. Wie aber auf den wenigen erhaltenen Abbildungen aus der Frühzeit der Berghotels am Karersee und am Brenner zu sehen ist, boten die Salons ein relativ nüchternes Erscheinungsbild. Wie eingangs bereits erwähnt, wiesen vor allem große Hotels mehrere Gesellschaftsräume mit unterschiedlichen Funktionen auf. Eduard Guyer schrieb 1874, dass „nicht der Speisesaal allein als gemeinschaftlicher Raum zur Zusammenkunft der Gäste genügt, sondern Lesezimmer, Conversations-, Damen-, Musik-, Billard- und Rauchsalons verlangt werden, […]. Den Speise-, Frühstücks- und Restaurationssälen, je nach Bedürfniss in ein Lokal vereinigt oder in mehrere geschieden, schliesst sich gewöhnlich das Lesezimmer an, welches gleichzeitig als Versammlungslokal vor und nach den Mahlzeiten dient, bis sich die Gesellschaft in ihre Privatzimmer oder in’s Musik-, Damen- und Rauchzimmer zurückzieht. Letzteres bringt man gewöhnlich in möglichster Nähe des Entrees und in Verbindung mit allfälligen Billard- oder Spielsalons an, um die Benutzung möglichst zu erleichtern. Das Musikzimmer sollte gut von allen Räumen getrennt sein und die Benutzung des Conversationssalons oder Lesezimmers zu Musikaufführungen nur ausnahmsweise gestattet sein, denn es reisen nicht lauter Virtuosen, deren Spiel Genuss gewährt.“755

Hotel Brennerbad, Musik- und Damensalon, um 1910 Schematische Darstellungen von Speisesälen mit Table-d’hôtebzw. Restaurantbestuhlung, aus: Klasen, Grundriss-Vorbilder, Leipzig 1884 (linke Seite)

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Berghotels verfügten mit den sie umgebenden Gebirgen allein schon über Qualitäten, mit denen andere Häuser nicht aufwarten konnten. Aus diesem Grund hieß es bereits 1879 im Buch „Ueber Hotelbauten“ von Robert Roller jun., dass die Gäste derselben „in unserem Land [der Schweiz, Anm.] vielmehr die Erhabenheiten und Schönheiten der Natur, als luxuriöse und theure Ausstattung der ihm als zu vorübergehender Wohnstätte dienenden Räume 756 suchten, weshalb man hier außer dem Speisesaal auf die Gemeinschaftsräume verzichten könne. Diese einzurichten lohne sich bei einem Berghotel nicht, das nur wenigen Monate im Jahr geöffnet sei, so der Architekt. Es ist gut vorstellbar, dass Otto Schmid bei der Konzeption des Entrees in sein „Alpenhaus“ in Sulden von solchen Grundsätzen ausging. Es könnte sogar der von Theodor Christomannos geprägte Slogan „…  mit allem modernen Comfort, jedoch ohne jeglichen Luxus“ auf den Einfluss Robert Rollers zurückzuführen sein. Dennoch kritisierte August Prokop den zu klein geratenen Empfangsbereich im Hotel Sulden, womit er sich wahrscheinlich nicht spezifisch auf den Entwurf des Architekten bezog, sondern vielmehr auf die Tatsache, dass nicht nur in Südtirol, sondern auch in Ländern wie der Schweiz ab den 1890er Jahren viele neu erbaute Häuser um die Gunst von Alpinisten und Kurgästen konkurrierten.757 Wie oben bereits am Beispiel der von Musch & Lun praktizierten Diversifikation der Hotelbauten nach Größe beschrieben, entstanden damals auch viele kleinere Häuser, in denen aus Platzgründen nicht mehr Salons, sondern nur noch multifunktionale Aufenthaltszonen eingerichtet wurden. Architekturhistorisch konnten diese ebenfalls mit den „Great Halls“ britischer Schlösser und Ansitze in Beziehung gesetzt werden, was dazu führte, dass diese bald nicht mehr als vorbildlich für die Konzeption von Speisesälen betrachtet wurden, sondern vielmehr für die Gestaltung von Hotelfoyers. Hotelhalle beim Eingang Unterschiede in Bezug auf die Innenraumgestaltung der Empfangshallen, die nach dem Hotel Sulden entstanden, lassen sich gut an frühen Illustrationen für Prospekte und Fotografien darstellen. Wie es scheint, wurden die Entrees zu Symbolträgern der ursprünglichen „Alpenhaus“-Leitideen gemacht und hier über Objekte Referenzen zu Bergwelt und Region erzeugt – auch wenn dabei zuweilen Originalität Vorrang gegenüber Authentizität genoss. Eine Abbildung zeigt das Vestibül des Hotels in Trafoi von Otto Schmid mit seinem umlaufenden Getäfel und den an der Wand befestigten Artefakten. In ihrem Zusammenhang ist überliefert, dass sich Theodor Christomannos intensiv an der Ausgestaltung der Innenräume beteiligte und bei Händlern von Meran bis Wien Jagdtrophäen, Zinn, Waffen, Objekte aus dem Sakralbereich und nicht zuletzt Orientteppiche ankaufte.758 Wie es scheint, traf er mit seiner Wahl ganz den Geschmack der Hotelgäste, welche die Kombination von solchen, die man eher einem Herrenhaus oder einer Burg zuordnen würde, mit denen aus dem volkstümlichen Bereich als besonders bodenständig wahrnahmen. Ein ähnliches Ambiente wurde auch in der Halle des Hotels Karersee erzeugt. Nachdem das Hotel aber von Musch & Lun konzipiert worden war, nahm das Entree schon architektonisch einen anderen Stellenwert ein als in den Häusern von Otto Schmid. Hier wurde er nicht mehr als Durchgangszone, sondern in der Art eines Empfangs- und Aufenthaltsbereichs angelegt, der zusammen mit dem Haupteingang und dem Treppenhaus eine Raumfolge mit fließenden Übergängen bildete. Seitlich des Foyers lag das Büro des Hoteldirektors bzw. die Rezeption.

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Hotel Karersee, Eingangshalle, Prospekt, um 1896 Die Darstellung veranschaulicht, dass es in den Berghotels zu einer Angleichung der ländlich anmutenden Dekorationen und der volkstümlich wirkenden Accessoires der Gäste kommen sollte. Bedauerlicherweise ist keine Fotografie erhalten, welche das tatsächliche Raummilieu im Hotel Karersee mit anwesenden Gästen zeigt

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Berghotels und „ethnisches belonging“ In den Häusern des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ setzte sich die Dekoration der Entrees aus einem Zusammenspiel von bäuerlich-alpenländischen Objekten (Kunstgegenstände, Kunsthandwerk etc.) und Stilmitteln anderen Ursprungs (Orientteppiche, Waffen etc.) zusammen. Sie trugen zur Erzeugung eines „ethnischen belongings“ zwischen dem Hotel und seinem Standort bei, wenngleich diese nicht unbedingt aus der Gebirgswelt Südtirols stammten. Die künstlichen Inszenierungen waren für die „Macher“ der Berghotels  – allen voran Theodor Christomannos mit seiner persönlichen Vorliebe für die Überschreitung von (gesellschaftlichen) Grenzen – eine Möglichkeit, den Bergliebhabern und Touristen einen greifbaren symbolischen Rahmen für den aufkeimenden Begriff „Region“ zu liefern und sich bzw. dem „Verein“ damit zugleich Wettbewerbsvorteile im Tourismus zu sichern. Während eine „Consomme à la tirolienne“ oder ein „Gâteau Andreas Hofer“ – wie anlässlich der Eröffnung des Hotels Karersee 1896 serviert  – auf leicht erkennbare Weise originelle Belustigungen darstellten, wurde eine in „schmucke Etschtaler Tracht“ (Christomannos) gekleidete „Moidl“ als Kellnerin oder ein Bergführer mit seiner einfachen Kopfbedeckung von ihnen in den Rang eines geradezu Authentizität garantierenden Artefakts gehoben. Vor dem Hintergrund so starker Inszenierungen, in deren Zusammenhang auch die Aufhebung des Toilettenzwangs (Kleiderordnung) in den Berghotels von Bedeutung war, ist es wenig erstaunlich, dass in die neuartige Raumatmosphäre der Häuser auch von Seiten der Gäste volkstümlich wirkende „Moden“ integriert wurden. Das Tragen von Tirolerhüten sollte ebenfalls „ethnisches belonging“ signalisieren. Wie ernst die äußerlichen Signale der „Tuchfühlung“ von „oben“ nach „unten“, zwischen den Gästen und den Bereisten, den einfachen „Moidln“, Bergführern etc., gemeint war, muss aber dahingestellt bleiben. Die wie eine „Bodenständigkeitspirsch“ wirkende Selbst-Folklorisierung von Touristen war schon seit der zweiten Hälfte der 1880er-Jahre wiederholt Gegenstand humorvoller Darstellungen und Karikaturen in illustrierten Blättern. Eine solche Serie wurde z. B. unter dem Titel „Promenade en Tyrol“ im satirischen Wochenblatt „Journal amusant“ (Paris 1886) herausgebracht. Quellen: Die schöne Wortbildung „Bodenständigkeitspirsch“ stammt vom Literaten, Stegreifredner und Journalisten Anton Kuh (1890–1941). Aufgegriffen wurde der Begriff von Reinhard Johler, in: Ders., „Ethnisierte Materialien“ – „materialisierte Ethnien“. Zur Nationalisierung von Volkskunst und Bauernhaus in Österreich(-Ungarn), in: Moravánsky, Ákos (Hrsg.), Das entfernte Dorf. Moderne Kunst und ethnischer Artefakt, Wien 2002, S. 61–87. Christomannos, Theodor, Sulden–Trafoi, Innsbruck 1895.

Selbst-Folklorisierung von Gästen in Tirol, Karikatur, Paris 1886: „Seien Sie nicht überrascht, dass die schöne Gräfin von Flirthausen ihre Hand nach diesem Bauern ausstreckt; dieser Bauer ist kein anderer als der edle Baron von Sembalh, Hauptmann der Husaren.“

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Charakteristische Elemente vieler Hotelhallen von Musch & Lun waren die mit Schnitzereien verzierten Holzbalkendecken und -säulen, die in den großen Räumen wahrscheinlich auch statische Funktion hatten. Eine Abbildung in einem der ersten Hotelprospekte zeigt das geschmückte Foyer mit anwesenden Gästen, wobei auffällt, dass der Künstler manche von ihnen dem Raummilieu angeglichen hatte. Offenbar zielten die Inszenierungen darauf ab, dass sich auch das Publikum der Häuser mit tirolerisch wirkenden Hüten und Accessoires ausstattete, um sich mit seinem Habitus in das „ethnische belonging“ des Berghotels einzufügen – genauso, wie das auch über Theodor Christomannos selbst überliefert ist. Er trug nämlich sogar zu wichtigen Anlässen keinen Anzug, sondern zeigte sich stets im sogenannten Bergsteigerkostüm.759 Wenn Musch & Lun für andere Auftraggeber als den „Verein für Alpenhotels in Tirol“ Berghotels realisierte, wurden die Empfänge geradezu „castellated“. Auf das Vorbild der britischen „Great Hall“ verwies insbesondere das Foyer des Hotels Plätzwiese bei Prags auf ca. 2.000 Metern Seehöhe. Hier war das Entree genauso wie im Hotel Brennerbad mit einem offenen Kamin ausgestattet. Beide Hallen zählten zu den schönsten, die das Meraner „Bureau“ je realisierte, wenngleich bei ihrer Einrichtung dekorative Arrangements mit Ziergegenständen unterschiedlicher Art kaum eine Rolle spielten. Neben den mit Schnitzereien versehenen hölzernen Täfelungen, Decken und Säulen wurden hier auch mit Malereien versehene Wandpartien als Stilmittel eingesetzt. Bei fast allen Hotelprojekten von Otto Schmid und Musch & Lun stammten diese von Karl Lartschneider (ca. 1875–1916).760 Die Halle des Hotels Brennerbad und des Speisesaals im Hotel Plätzwiese stattete er mit großflächigen, Tapisserien ähnelnden Wandgestaltungen aus, um den Bezug zum „Mittelalter“ zusätzlich zur Geltung zu bringen. An den Hallen der Berghotels lässt sich veranschaulichen, dass deren Ausstattung im Kontext der Mobilisierung und Lenkung des „Deutschtums“ bzw. des „deutschen Tourismus“ in den Berggebieten – und damit die Erzeugung einer spezifischen Form von „regionaler Identität“ – zuerst noch nicht in besonderer Weise an die „Bewahrung von Überresten des bäuerlichen Lebens“761 geknüpft war. Das zeigte sich auch an der Einrichtung der Foyers mit ihren urban wirkenden Korbmöbeln. Im Unterschied zur Vorstellung von massiven gotisierenden Interieurs manifestierte sich an den leichten Tischen und Sitzgelegenheiten, wie offen das Gothic Revival in seiner späten Phase für kunsthandwerkliche Innovationen war.762 Das Kunstgewerbe betreffende Reformgedanken äußerten sich gekoppelt an größere gesellschaftspolitische Ansätze. Denn es fanden nicht teure handwerkliche Einzelanfertigungen in den Berghotels Platz, sondern „gutes“ Kunsthandwerk, das für das große Publikum produziert wurde.763 Gerade das von Korbmachern geflochtene Mobiliar konnte in vielen Variationen und auf industrieller Basis erzeugt werden.764 Das Spektrum reichte von sachlich-schlicht bis dekorativ-verspielt, wobei sogar mit gotisierenden Spitzbogenformen, barockisierenden Schnörkeln oder orientalisierenden Ornamenten versehene Objekte hergestellt wurden. Bekannte Manufakturen waren in Wien beheimatet, wo nicht zuletzt auch manches Bugholzmöbel der Firma Thonet – darunter der sogenannte „Konsumthonet“ (Stuhl Nr. 14) – mit geflochtenen Partien einer speziellen Machart, dem sogenannten „Wiener Geflecht“, versehen wurden.765 Von den lose im Raum verteilten Sitzgarnituren aus konnten die Gäste nicht nur das Kommen und Gehen zwischen Haupteingang, Rezeption und Treppe gut beobachten, die Korbmöbel eigneten sich auch für die als Saisonbetriebe geführten Berghotels, die oft samt Inventar in ein in den Wintermonaten geöffnetes Haus übersiedelten.

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Hotel Plätzwiese, Eingangshalle (oben), um 1900, und Wandabwicklung mit dem offenen Kamin (unten) Die stark kolorierte Postkarte veranschaulicht das Zusammenwirken von innovativen Korb- und Bugholzmöbeln mit den im Verhältnis dazu anachronistisch anmutenden historisierenden Elementen wie dem offenen Kamin, der sich auch in einem britischen Herrenhaus finden könnte.

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Korb- und Bugholzmöbel Die Herauslösung der Architektur(-produktion) aus ihrer Traditionsgebundenheit lässt sich nicht nur am Beispiel des Berghotel-Baus des späten 19. Jahrhunderts darstellen, sondern spiegelte sich auch in Möbeldesign und -herstellung. Die „verhältnismäßige Billigkeit“ von Werkstoffen wie Bambus, Rattan, Weidenrohr und Bugholz führte dazu, dass aus diesen Materia­lien bestehende Einrichtungsgegenstände vor allem in den USA und Europa schon früh in großen Stückzahlen gefertigt wurden. Die malerisch geschwungenen Möbel – formal erinnerten sie häufig an gotisches Maßwerk – wurden zudem erfolgreich bei Weltausstellun­ gen präsentiert, was ihrem Absatz großen Schwung verlieh. Doch anders als Bugholzmöbel konnten solche aus Weidenrohr und Rattan fast nur in handwerklicher Produktion hergestellt werden. In Österreich gab es mehrere staatliche Förderungsmaßnahmen, die insbesondere der ländlichen Bevölkerung durch die Erzeugung geflochtener Einrichtungsgegenstände ein zusätzliches Einkommen ermöglichen sollten. Ihr Vertrieb erfolgte zuerst aber nur in einem kleinen geografischen Kreis, wohingegen in Bayern, Frankreich und den USA bereits eine exportorientierte Korbmöbelindustrie existierte. Den eigentlich Schritt hin zu einer „globalisierten“ Möbelproduktion machten aber die Her­ steller von Bugholzmöbeln wie Thonet. Basis ihrer nahezu weltweit verfügbaren Produkte war ein Baukastensystem, dessen „einzelne Komponenten arbeitsteilig gefertigt und nach Bedarf kombiniert werden konnten.“ Modelle wie der Stuhl Nr. 14 (heute 214) wurden noch in ihre Einzelteile zerlegt an die Kunden ausgeliefert. 1929 wurde berichtet, dass der „Kaffeehaus-“ oder auch sogenannte „Konsumthonet“ bereits 10 Millionen Mal angefertigt worden sei. In Bezug auf ihre Formgebung wiesen die gebogenen Möbel aus Rattan und Holz ein unübersehbares wechselseitiges Verhältnis auf, manche von ihnen wurden auch in Kombination aus Holz und Flechtwerk (z. B. dem „Wiener Geflecht“) hergestellt. Die folgenden Zahlen veranschaulichen aber, dass zwischen handwerklicher und industrieller Produktion zuerst noch kein nennenswerter Unterschied bestand: 1895 erzeugten in Birmingham die 300 Arbeiter eines Bambusmöbelherstellers in der Woche 4.000 Möbel (ca. 200.000 im Jahr). Um 1900 produzierten die 6.000 Mitarbeiter des Bugholzmöbel-„Konzerns“ Thonet an fünf Standorten 4.000 Einrichtungsgegenstände pro Tag. Quellen: Kramer, Ferdinand, Die Thonetindustrie, in: Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit, H. 8, Berlin 1929, S. 206–209. Ottillinger, Eva B., Korbmöbel, Salzburg-Wien 1990, S. 72–101. www.thonet.de (20.10.2020).

Der Transport von Korbmöbeln gestaltete sich schwieriger als der von solchen aus Bugholz, die in ihre Einzelteile zerlegt ausgeliefert wurden,. Wakefield Rattan Company, Massachusetts, 1917

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Thonet, Modellübersicht, 1873, und Biegeformen, Konstruktionszeichnung, um 1860 (linke Seite) Männer bei der Arbeit mit den HolzBiegeformen, Arbeiterinnen und Arbeiter in der Sessel-Produktion und Frauen beim Verpacken der Einzelteile, Thonet-Fabrik in Bystritz (Bystrzyca, Polen), 1921

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Um 1900 wandelten sich die Interieurs der Berghotels und es gelangten immer mehr von Tischlern und Tapezierern – und nicht mehr von Korbmachern  – produzierte Möbel in die Aufenthaltsräume. Wie eine Fotografie des Entrees im Hotel Brennerbad zeigt, wurden Korbund Polstersessel zuerst noch im Wechsel aufgestellt. Bald wurden die Sitzgelegenheiten aus Rattan oder Peddigrohr aber ganz aus den Häusern verdrängt und es zementierte sich allmählich das Bild von dem mit Samtstoffen bezogenen Mobiliar und weichen Spannteppichen „plüschig“ eingerichteten „Grandhotel“. Gästezimmer und technische Ausstattung Bereits mit den ersten Bemühungen, den Tourismus in Österreich zu systematisieren, gingen auch solche einher, einheitliche Standards für die Einrichtung von Gästezimmern festzulegen.766 Beispielsweise wurde beim zweiten „Delegiertentag zur Förderung des Fremdenverkehrs in den österreichischen Kronländern“ 1885 auf zwei getrennten Blättern dargestellt, welchen Umfang die Grundausstattung eines Zimmers in einem Gasthof und in einem Hotel haben sollte.767 In einem Grazer Hotel wurde sogar ein Musterzimmer ausgestellt. Zudem gab der „Verein zur Förderung des Fremdenverkehrs in der Steiermark“ einen Leitfaden mit detaillierten Angaben für alle Wirte und Hoteldirektoren heraus. Das Motto für die Einrichtung der Zimmer war „geschmackvoll und mustergiltig und dabei so billig“768, dass man vermutlich auf breiter Ebene mit dem Effekt von preisgünstigen Möbeln rechnete, wenn diese in großen Stückzahlen hergestellt würden. Es ist davon auszugehen, dass die Ersteinrichtung der Zimmer im Hotel Sulden von lokalen Tischlern hergestellt wurde. 1898 geliefertes Mobiliar stammte aber, wie erhaltenes Planmaterial zeigt, von Musch & Lun und wurde wahrscheinlich auch in der eigenen Produktion in Meran erzeugt. Die Zusammensetzung eines Zimmers (Blatt Nr. X3_6441) ähnelte in vereinfachter Form der oben genannten von 1885, ergänzt durch einen gepolsterten Diwan769 (auch: Ottomane, Tagesbett bzw. daybed). Für das Hotel Karersee und das Hotel Brennerbad fertigte Musch & Lun vergleichbare Entwürfe an, wobei diese zum Teil mit an den Jugendstil erinnernden Applikationen versehen waren. Normalerweise wurden die Zimmer (zweihüftig) beiderseits eines Gangs angelegt. Zusätzlich verfügten viele von ihnen über in einer Achse angeordnete Innentüren. Das ermöglichte  – im Sinn der aus dem Schlossbau bekannten, höfischen Enfilade – den Zusammenschluss von mehreren Einheiten zu Suiten. Ganze Reihen von Zimmern, die zusammen auch ganze Appartements ergeben konnten, wurden nur von bessergestellten Gästen bewohnt, die manchmal auch samt Personal reisten, das meistens in den Dachgeschossen der Hotels untergebracht wurde. Solche Gäste ließen sich im Hotel ein oder mehrere Schlaf- bzw. Familienzimmer einrichten770, die auch über ein Wohnzimmer bzw. einen Privatsalon verfügten, wo auch gespeist werden konnte.771 Diese Einteilung ist an den Grundrissen des vergleichsweise spät errichteten Hotels Brennerbad gut zu erkennen, wo ein Kuraufenthalt mehrere Wochen dauerte und ausreichend vermögende Gäste daher eine private Wohneinheit einem Zimmer vorzogen. Daneben gab es

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Das Fremdenzimmer, 1885 „Heute reisen alle Gesellschaftsclassen, das grösste Contingent aber liefert der Mittelstand; dieser verfügt wohl über eine Ferienzeit von einigen Wochen, das Reisebudget aber ist bei einem grossen Theil desselben ein knappbemessenes, welches nicht überschritten werden darf. Billigkeit zieht an und entschädigt durch grösseren Zuspruch; Theuerung stösst ab und bringt durch schwachen Besuch den Gasthofbesitzern keinen Nutzen. Schaffen die Gasthofbesitzer in den österreichischen Alpenländern modernen Comfort, sorgen sie für echte Getränke, gute und billige Speisen, so gehen sie einer glücklichen Zukunft entgegen; denn bei den heutigen Verhältnissen der Welt und der Geschmacksrichtung ihrer Völker hat das Hôtel als solches eine grosse volkswirtschaftliche Bedeutung erlangt. Es ist das vorübergehende Heim von Millionen Menschen geworden; es ist Mittel zum Zweck, Millionen fremden Geldes für unsere Alpenländer zu gewinnen!“ Quelle: Das Fremdenzimmer (1885), in: Burkert, Günther, Der Beginn des modernen Fremdenverkehrs in den österreichischen Kronländern, Graz 1981, S. 63.

Musterzimmer für einen Gasthof auf dem Land (linke Seite) und ein Hotel (rechts), 1885

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Musch & Lun, Musterzimmer für das Hotel Sulden, 1898

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Hotel Brennerbad, Alkoven-Zimmer, um 1910

hier auch vereinzelt Eckzimmer vom Typ eines „Wohn- und Alkoven-Schlafzimmers“, was auf Entwicklungen in Bezug auf die Grundrisse der Räume hindeutet. Eduard Guyer veranschaulichte im Buch „Das Hotelwesen der Gegenwart“ die Unterschiede zwischen den Zuschnitten der Zimmer, z. B. zeigt er auf einem zweiteiligen Blatt die „Französische Zimmereintheilung“772. Oben ist ein Zimmer mit Doppelbett und unten eines mit zwei getrennten Schlafbereichen abgebildet. Beide Varianten verfügen über Alkoven. Dabei handelte es sich um meist fensterlose Nischen oder Nebenräume für die Betten. Als Raumkonzepte stammten die Alkoven ursprünglich von arabischen Wohnhäusern. Im 17. Jahrhundert breiteten sie sich über Spanien auf dem gesamten europäischen Kontinent aus.773 Die Trennung zum Wohnbereich erfolgte mit einem schweren Vorhang oder einer Schiebetüre. Die Pläne der Hotelzimmer vermitteln das Bemühen des ausführenden Architekten, in den Bau von Herbergen einheitliche Raumtypen einzuführen, die allen Touristen ein gleich komfortables Wohnen ermöglichen sollten. Im Unterschied dazu demonstrieren die auf den ersten Blick einfacher wirkenden Grundrissabwicklungen von Otto Schmid und Musch & Lun, dass man nicht eine Vereinheitlichung der Zimmer anstrebte, sondern die Räume in den Gästetrakten durch Verbindungsmöglichkeiten variabel halten wollte. Der kommerzielle Aspekt stand dabei dem ursprünglichen „Alpenhaus“Gedanken nicht (ganz) entgegen, zumal den Gästen die Entscheidung überlassen wurde, ob sie nur ein einfaches oder mehrere Zimmer mieten wollten. Die Preise richteten sich nach Lage, Größe und Zahl der bewohnten Räume, wobei die Privatsalons jeweils die mit Abstand

Schematische Darstellung eines Hotelzimmers mit Privatsalon, aus: Klasen, Grundriss-Vorbilder, Leipzig 1884

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A Vorzimmer B Wohnzimmer C Alkoven D Toilette und Badezimmer E Salon F Schlafzimmer G Garderobe H Privatcloset I Dienerzimmer

I

1 Tisch 2 Waschtisch 3 Schreibtisch 4 Buffet 5 Causeuse/Sofa 6 Fauteuil 7 Sessel 8 Tabouret/Tischchen 9 Nachttisch 10 Badewanne 11 Toilettentisch

12 Closet mit Toilette (transportabel) 13 Wandschrank 14 Raum für Gepäck und Kleider 15 Wasserkübel 16 Arbeitstisch 17 Chaiselounge/ Ottomane 18 Ofen/Kamin 19 Zwischentüre

Französische (oben) und amerikanische (unten) Zimmereinteilung, Planrekonstruktionen nach Eduard Guyer, Das Hotelwesen der Gegenwart, Zürich 1874

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teuersten Einheiten waren. Bemerkenswert waren in diesem Zusammenhang auch die (von Theodor Christomannos verfassten?) Prospekte der Berghotels, wo immer von Preisen für Kost und Logis „aufwärts“774 die Rede war, z. B. „Zimmer mit 2 Betten 2,50 fl. aufwärts“ oder „Privat-Salon von 5 fl. an aufwärts“ (37 bzw. 74 Euro). Möglicherweise weist das auch darauf hin, dass die Angebote verhandelbar waren. Für den Aufenthalt von Kindern und der mitreisenden Dienerschaft wurde dieser Annahme entsprechend „nach Übereinkommen“ bezahlt. Eine weiteres Merkmal der „Französischen Zimmereintheilung“ war, dass die Zimmer mit Öfen und noch nicht zentral beheizt wurden. Zudem verfügten sie über keinen Wasseranschluss, was die Montage eines WCs ermöglicht hätte. Die Zimmer wurden zwar mit einem vom übrigen Raum abgesonderten „Closet“ ausgestattet, die eigentliche Toilette war aber beweglich – d. h. sie wurde vom Personal, ohne mit dem Gast in Berührung zu kommen, bei Bedarf abgeholt und gereinigt retourniert.775 Badezimmer Im Verlauf des 19. Jahrhunderts nahm das moderne Badezimmer Gestalt an, wenngleich es noch lange eine Einrichtung für privilegierte Oberschichten war und seine Verbürgerlichung erst verhältnismäßig spät einsetzte. Eine ähnliche Situation zeigte sich in der internationalen Hotellerie, wo die Sanitäranlagen im Gegensatz zu anderen Innovationen wie der elektrischen Beleuchtung lange im Stadium rudimentärer Einrichtungen verharrten.776 Sigfried Giedion schreibt, dass das Wasser zunehmend in den gesamten „Organismus“777 der Städte und der Gebäude eindrang, wobei in den USA die ersten Hochhäuser erbaut wurden, in denen „jedem Schlafzimmer sein Bad“ zugeordnet wurde. „Gleich Pullmanns Schlafwagen The Pioneer von 1865 war dies ein wichtiger Schritt zur Demokratisierung des Komforts, wenn ein Mittelklassehotel eine Wohneinheit aus Schlafzimmer, Bad und Wandschrank ausbildete. […] Die praktische Umsetzung […] beeinflusste augenblicklich den ganzen Grundriss […].“778 Der Autor resümiert an anderer Stelle aber auch, dass die technische Ausstattung der Bäder im Unterschied zu anderen komplizierten Maschinen und Apparaturen wie Lokomotiven und Schlafwägen eine unsystematische Entwicklung durchlief. „Der Grund dafür ist immer derselbe. Es fehlt an Inspiration, sobald [eine Vorrichtung rein, Anm.] für menschliche Bedürfnisse gebraucht wird.“779 Wie oben aus dem Beispiel der Toilette bereits hervorging, stand für die Körperpflege zuerst eine Reihe mobiler Einzelteile zur Verfügung, die später in einer Zelle zusammengeführt wurden und sich damit räumlich stabilisierten – ein Prozess, der sich in Großbritannien zu vollziehen begann, wo auch die sanitäre Ausstattung der Räume zwischen 1880 und 1910 einen besonders guten Ruf genoss.780 Die eigentliche Systematisierung der Nasszelle geht aber auf amerikanische Hotels zurück.781 Hier wurden die ersten standardisierten Badezimmer eingerichtet, aus denen das spätere „Kompaktbadezimmer“ hervorging. Die Kombination von Zimmer mit Bad ermöglichte es allen Reisenden gleichermaßen, in den Genuss eines privaten Bereichs für die Körperpflege zu gelangen, wobei die damit einhergehende Typisierung der Grundrisse erst zu dem Zeitpunkt auch zu einer „Demokratisierung des Komforts“782 gelangte, ab dem für die Nasszellen keine Aufschläge mehr berechnet wurden. Eduard Guyer zeigt in seinem Handbuch von 1874 neben der französischen auch die „Zimmereintheilung eines amerikanischen Hôtels“.783 Die Schlafzimmer wurden in getrennten Räumen mit einem Wohnbereich in der Mitte angeordnet, wobei beide Ruhezonen über ein eigenes

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Bad mit gesonderter Toilette verfügten. Für das Hotelpersonal gab es pro Einheit je ein kleines Kabinett, das vom Gang aus zugänglich war. Die standardisierte Einführung der Nasszellen hatte allerdings eine merkliche Verkleinerung der Wohn- und Schlafbereiche zur Folge. Bäder wurden bald zu Qualitätskriterien der amerikanischen Hotels. Die durch sie verursachten Grundrisslösungen waren aber  – wie das oben nicht zuletzt auch am Beispiel der Grundrissabwicklungen in den Berghotels dargestellt wurde – in den meisten europäischen Hotels vor dem Ersten Weltkrieg noch undenkbar. Es dauerte daher noch fast ein halbes Jahrhundert, bis sich die Einheit Schlafzimmer-Bad vor dem Hintergrund der Entwicklungen im angloamerikanischen Raum auch in Europa durchsetzte.784 Um 1900 war es hier selbst in guten Hotels noch durchaus üblich, dass pro Stockwerk nur ein Bad eingerichtet wurde.785 Das lässt sich auch an allen Berghotels in Südtirol feststellen, obwohl gerade in diesen Häusern die Zuleitung von klarem fließenden Wasser einfach war. Anhand von erhaltenen Plänen lässt sich dokumentieren, wo und wie die Erschließung von Gebirgsquellen vor der Umsetzung der Bauvorhaben erfolgte786, wohingegen kein Material erhalten ist, das detailliert Auskunft über die Installationen und die Ausstattung der Bäder geben würde. Daher stellt sich auch die Frage, wie die Warmwasseraufbereitung erfolgte. Diese Situation änderte sich erst in der Zwischenkriegszeit, in der z. B. im Hotel Karersee etappenweise pro Zimmer ein Bad eingebaut wurde, was aber massive Umbauten erforderte.787 Musch & Lun gelang es zwar noch, durch eine neue Zimmereinteilung den Zusammenschluss von mehreren Räumen zu Suiten zu ermöglichen, doch der Luxus von privaten Nasszellen gelangte mit solcher zeitlicher Verzögerung in das große Gebäude, dass der Modernisierungsschritt letztlich nur noch als ein Qualitätsmerkmal unter anderen wahrgenommen wurde. Heizung Die ersten beiden Hotels von Otto Schmid in Sulden und Trafoi verfügten über Zentralheizungen, wohingegen solche Systeme in den Häusern von Musch & Lun (möglicherweise aus Kostengründen) nicht sofort eingebaut wurden. Sogenannte Niederdruck-Dampfheizungen788 waren eine Entwicklung, die sich zwischen 1870 und 1880 von Großbritannien herkommend in den kontinentalen Hotels durchzusetzen begann.789 Bei diesen Heizungen wird Wasser in einem in den Kellerräumen untergebrachten Kessel erhitzt, von wo aus der Dampf in die Leitungen strömt, dort die Luft verdrängt und die Heizkörper erwärmt. „Die Rohrleitungen bestanden aus Schmiedeeisen oder manchmal auch aus Kupfer. Als Heizkörper kamen erst Rippenrohre oder Rohrschlangen zum Einsatz, ab ca. 1880 gusseiserne Radiatoren mit aufwendigen Verzierungen.“790 Es liegt auf der Hand, dass sich die teuren Heizungssysteme in den nur wenige Monate im Jahr geöffneten Berghotels nicht überall durchsetzten. Stattdessen war meistens pro Zimmer ein konventioneller Ofen vorgesehen, wobei anzunehmen ist, dass nicht schwere gefütterte Porzellanöfen, sondern leichtere Eisenöfen zum Zug kamen.791 Im Unterschied dazu dürften die offenen Kamine in den Hallen mancher Berghotels von Musch & Lun mehr atmosphärisch-dekorativen Zwecken gedient haben als dem, eine wohlige Raumtemperatur zu erzeugen.792 An dieser Stelle ist abschließend vorwegzunehmen, dass der Hotelbrand im Hotel Karersee im Jahr 1910 nicht von der Heizung bzw. einem Ofen ausging, sondern von der Küche, wo offenbar ein schlecht gewarteter Abzug einen folgenschweren Kaminbrand verursachte.793

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Edward Theodore Compton, Hotel Karersee, um 1912

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Elektrizität Wie auch die Hoteliers in der Schweiz794 gehörten die Betreiber der Berghotels in Südtirol zu den Pionieren bei der Anwendung von Elektrizität bzw. elektrisch betriebenen Einrichtungen wie Aufzügen.795 Die Errichtung der Kraftwerke erfolgte meistens vor denen der Hotelgebäude, weil man den Strom auch für den Antrieb von Baumaschinen nützte. Das 1892 fertiggestellte Kraftwerk am Zaybach beim Hotel Sulden war sogar das erste im Vinschgau. Der kleine Bau steht heute unter Denkmalschutz. In Verbindung mit dem Hotel Karersee entstanden im Abstand weniger Jahre sogar zwei Kraftwerke, weil die Stromerzeugung mit der Hotelerweiterung von 1906 bis 1909 Schritt halten musste. In der Gegend um Welschnofen versorgte das zweite „Hotelwerk“ dann auch andere Unternehmen. Über die Elektrizitätswerke im Umfeld des Karersees wird aber auch berichtet, dass die Stromerzeugung noch nicht ganzjährig gesichert und die Energieübertragung bis zum Hotel unstabil war. Im Sommer führten die Bäche nur wenig Wasser und die Leitungen durch den Wald waren störanfällig. Dennoch muss der Anblick des Hotels bei Nacht beeindruckend gewesen sein. Edward Theodore Compton hielt das festlich beleuchtete Gebäude auf einer Illustration im „Christomannos-Gedenkbuch“796 fest. Hier sind auch Gruppen von Gästen zu sehen, die im Schein der an hohen Masten befestigten Außenbeleuchtung noch in den Abendstunden vor dem Haus flanieren. Ähnliche Lampen sind auch auf Fotografien von anderen Häusern zu erkennen, z. B. dem Hotel Sulden oder dem Hotel Pragser Wildsee. Die Zimmerpreise wurden in den Hotels in Sulden, Trafoi und am Karersee jeweils „incl. elektr. Licht“ angesetzt.797 Es sind aber nur wenige Bildinformationen erhalten, auf denen auch Lampen zu sehen sind, wie z. B. auf der bereits genannten Fotografie des Speisesaals im Hotel Brennerbad. In dem großen Raum waren an von der Decke herabhängenden Messingringen mehrere Leuchten in eiförmigen Glasschirmen befestigt. Im Hotel Plätzwiese hingegen, wo es keine Elektrizität gab, verströmten ähnlich gestaltete, mit Kerzen oder Petroleumlampen bestückte „Kronleuchter“ ein angenehm warmes Licht.

Kronleuchter aus Geweih, Inserat, 1893

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Hotel Plätzwiese, um 1900 Speisesaal mit den Kronleuchtern, an denen man z. B. Petroleumlampen befestigen konnte

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Resümee: Über den Anachronismus von Zeit und Zeitgeschmack in den Innenräumen der Berghotels Wahrscheinlich konnte man in keiner Empfangshalle so „fürstlich wohnen“ wie im Berghotel auf der Plätzwiese. Auch wenn sich die Gäste hier in einem Ambiente wiederfanden, das nicht mit technischen Neuerungen wie elektrischem Strom aufwarten konnte, vermittelte schon das Entree viel vom Flair eines feudalen Herrensitzes. Auch in historischen Häusern wurden viele solcher Repräsentationsräume in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts „castellated“ – das Projekt von Musch & Lun war also am Puls der Zeit. Dennoch hat der Bezug zu den „Great Halls“ der politischen, sozialen und kulturellen Eliten von einst einen anachronistischen Beigeschmack, stammten die Auftraggeber der Hotels in den Gebirgslandschaften im südlichen Tirol doch mehrheitlich aus dem lokalen Bildungsbürgertum. Sie verbanden mit ihren Entrepreneurships politische Zielsetzungen und wollten mit den unter ihrer Federführung entstandenen Berghotels auch starke symbolische Zeichen setzen. Gerade Foyers wie jenes auf der Plätzwiese wurden aber in einer „Welt“ angesiedelt, die nicht von einer den Leitideen entsprechenden sozialkritischen Reflexion zeugen. In der Tourismusarchitektur des 19. Jahrhunderts stellten retroversive Rückgriffe auf feudale Bautypologien wie Burg und Palast  – wenngleich unter divergierenden kulturellen Voraussetzungen auf den Reisesektor übertragen – wiederkehrende Phänomene dar und waren international von den Berggebieten Südtirols und der Schweiz798 über die Küstenstädte Europas bis zu den sogenannten „Castles of the North“ in den Gebirgen Kanadas weit verbreitet. Die Selbstverständlichkeit, mit der „Schlösser ohne Könige“ verwirklicht wurden, offenbart nicht zuletzt, zu welchen Konzessionen liberal eingestellte Unternehmer bereit waren, wenn es um den Gewinn von Marktanteilen im konkurrenzreichen Tourismusgeschäft ging.799 Mit der „castellation“ von Innenräumen  – in Südtirol manchmal mit Versatzstücken aus dem bäuerlich-volkstümlichen Bereich zusätzlich „regionalisiert“  – wurde ein bürgerliches Idyll geschaffen, das „angesichts einer sich wandelnden industriellen Welt als Botschaft sozialer Harmonie gegen [italienischsprachige, Anm.] Außenseiter“800 fungieren sollte. Der Einsatz aus aristokratischen Wohnformen entlehnter „Zeichen“ bildete einen Komplex an zwar denkwürdigen Referenzen, diese waren aber dazu gedacht, in den Berghotels „a secure society with no class conflicts“801 zusammenzuführen. Die aus Herrenhäusern und Ansitzen stammenden optischen Bezugssysteme sollten von allen Gästen gleichermaßen identifiziert und anerkannt werden, was viel zur Schaffung eines grundlegenden Bewusstseins um „Region“ und „Nation“ beitrug. Langfristig war aber der damit einhergehende Zugewinn an werbewirksamer Anziehungskraft der Berghotels ebenfalls nicht zu vergessen. Bald entsprach auch in den heimischen Gebirgslandschaften das gotisierende Erscheinungsbild von Hotelhallen und Speisesälen nicht mehr den ökonomischen Kalkülen und Betriebskonzepten der Entrepreneure und sie gingen nach internationalem Vorbild auf barockisierende Gestaltungsmotive über.802 Ein gutes Beispiel hierfür ist die zweite, nordseitig an das Hotel Karersee angebaute Halle aus dem Jahr 1908. Für die Konzeption derartiger Repräsentationsräume bezogen die Architekten und ihre Auftraggeber nicht mehr Anregungen aus mehr oder weniger lokalen Bautraditionen, sondern aus der französischen Schlossarchitektur des Barock – also aus der Epoche des Absolutismus und somit einem Zeitalter, in dem Herrscher alleine und ohne (ständische oder gar demokratische) Mitsprache regierten.

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Die Berghotels entfernten sich somit immer weiter von den Begriffen eines standardisierten Zweckbaus und wurden zunehmend mit „in geschmacklicher Hinsicht“ bedenklich schwachen „historischen Masken“ versehen – um an dieser Stelle noch einmal auf den spitzzüngigen Kommentar von Joseph August Lux im Beitrag „Das Hotel, ein Bauproblem“ zurückzukommen. Vor diesem Hintergrund bleibt abschließend nur noch festzuhalten, dass die Anachronismen zwischen der unter den Prämissen des Fremdenverkehrs vorgenommenen Architekturproduktion und dem Symbolgehalt der zum Zug gelangten Motive einer der Gründe festzumachen ist, warum die Ära der „großen“ Hotels mit dem Ersten Weltkrieg endete und gerade dieser Beherbergungstyp – auch unter dem Einfluss des Heimatschutzes – in der klassischen Moderne zum Feindbild vieler Architekten mutierte.803

Musch & Lun, Hotel Karersee, neue Zufahrt. Die „castellation“ der Innenräume und Außenbereiche wurde noch in den 1930er Jahren vorangetrieben. Der Entwurf für die „feudale“ Hotel-Zufahrt mit vorgelagerter Gartenanlage erinnert an Vorbilder aus dem Barock

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Endnoten 1

Lux, Joseph August, Das Hotel, ein Bauproblem, in: Der Architekt, Wien 1909, S. 17. 2 Vgl.: Spode, Hasso, Eine kurze Geschichte des Hotels. Zur Industrialisierung der Gastlichkeit, in: Langreiter, Nikola, Löffler, Klara, Spode, Hasso (Hrsg.), Voyage – Jahrbuch für Reise- & Tourismusforschung, Bd. 9, Das Hotel, Berlin 2011, S. 10–31, hier: 10f. 3 Bresan, Uwe, Joseph August Lux, der vergessene Apologet der Modernen Architektur, in: Quer – Architektur und Leben im urbanen Raum, Nr. 15, Wien 2005, online: www.quer-magazin.at/ home/15-2015/joseph-august-lux (20.5.2019). 4 Senarclens de Grancy, Antje, „IngenieurÄsthetik“. Technik als Medium des Ästhetischen in der Architektur bei Joseph August Lux, in: Wolkenkuckucksheim. Internationale Zeitschrift zur Theorie der Architektur, H. 33, Bielefeld 2014, S. 132. 5 Lux, Joseph August, Das Hotel, ein Bauproblem. 6 Zur Vereinfachung werden in diesem Buch durchgehend die Bezeichnungen Südtirol, Trentino und Nordtirol verwendet. Gemeint sind die Landesteile Tirols innerhalb ihrer jeweiligen Grenzen nach dem Ersten Weltkrieg. 7 Musch & Lun realisierte mit dem Hotel Brennerbad und dem Hotel Stubai in Fulpmes/Nordtirol die beiden letzten Projekte nach dem Gestaltungsschema des Hotels Karersee. Darüber hinaus entspricht die Periode um 1905 der Zeit, in der die internationale Heimatschutzbewegung zu ihrem Höhepunkt gelangte. Siehe dazu auch im Abschnitt über das Hotel Stu­bai für Josef Riehl im zweiten Band dieses Buches. 8 Lux, Joseph August, Das Hotel, ein Bauproblem, S. 17. 9 Forschungsprojekt: Musch & Lun. Architekten, En­ tre­preneure und Politiker der Gründerzeit in Süd­ tirol. Projektleitung: Bettina Schlorhaufer, Arbeits­ be­reich Architekturtheorie, Institut für Architek­ tur­theorie, Baugeschichte und Denkmal­pflege, Uni­ver­sität Innsbruck. Projekt­phasen: Teil 1) Inven­ tari­sierung des Musch & Lun Archivs (TWF/Tiro­ler Wissen­schafts-Förderungs­fonds 06.2012–08.2012). Teil 2) Aufar­bei­tung und Interpretation des Musch & Lun Archivs (Auto­nome Provinz Bozen, Amt für Bildungs­förder­ung, Universität und For­ schung, 03.2013–09.2015). 10 Forschungsprojekt und Buch: Berghotels 1890– 1930: Südtirol, Nordtirol, Trentino. Projektleitung: Bettina Schlorhaufer, Arbeitsbereich Architekturtheorie, Institut für Architekturtheorie, Baugeschichte und Denkmalpflege, Universität Innsbruck (Betrieb „Landesmuseen“/Touriseum, 11.2016–05.2019). 11 Lässer, S. 37. Alle hier angeführten Standardwerke werden nur mit dem Namen des Autors zitiert, z. B. Lässer, Giedion, Rucki, Pevsner etc. Siehe auch: „Abkürzungen“. 12 In dem eingangs angeführten Artikel „Das Hotel, ein Bau­problem“ schreibt Joseph August Lux, das Hotel ist „eine Synthese von Klinik, Wagon-lits und Ma­ schine“. Vgl. am Beginn des ersten Kapitels dieses Buches.

13 Giedion, S. 714. 14 Ebd., S. 711. 15 Ebd. 16 Ebd., S. 714. 17 Ebd., S. 712. 18 Rucki, S. 24. 19 Giedion, S. 712. 20 Ebd., S. 714. 21 Moravánsky, Ákos (Hrsg.), Das entfernte Dorf. Moderne Kunst und ethnischer Artefakt, Wien 2002, S. 7. 22 Obermair, Hannes, Risse, Stefanie, Romeo, Carlo (Hrsg.), Regionale Zivilgesellschaft in Bewegung/ Cittadini innanzi tutto, Festschrift für Hans Heiss, Wien–Bozen 2012. 23 Lux, Joseph August, Das Hotel, ein Bauproblem. 24 Vgl.: www.historischehotels.ch (28.6.2019). 25 Knoch, S. 36f. Vgl.: Pevsner, S. 175. 26 Giedion, S. 13. 27 Ebd., S. 14. 28 Ebd., S. 429ff. 29 Ebd., S. 481ff. 30 Ebd., S. 493. 31 Pevsner, S. 172f. 32 Ebd., S. 170. 33 Im Lauf des 19. Jahrhunderts wurde auch nicht mehr jedes Hotel von einem Wirt geführt. Die Übergänge vom Wirt zum Geschäftsführer (Géant) bzw. von der Gastwirtschaft zur Hotelgesellschaft (in diesem Buch z. B. dem „Verein für Alpenhotels in Tirol“) waren fließend. Vgl.: Guyer, S. 139–142. 34 Vgl.: Pevsner, S. 169. 35 Ebd., S. 169, 173, 175, 179. 36 Heiss, Hans, Eine weit zurückreichende Tradition: Ursprünge und Wandel des Gastgewerbes, in: Leonardi, Andrea (Hrsg.), Die Region TrentinoSüdtirol im 20. Jahrhundert, Bd. 2: Wirtschaft, Trient 2009, S. 392f. Vgl. Leonardi, Andrea, Vom Elitetourismus zum Massentourismus, in: ebd., S. 341ff. 37 Rucki, S. 84. 38 Schlorhaufer, Bettina, Schloss Prösels, Grote, Georg (Hrsg.), Architektur wird Region/Dall’architettura alla regione/Architecture becomes Region, Basel 2017. 39 Lux, Joseph August, Das Hotel, ein Bauproblem. In der Nachfolge wird die Schreibweise „Wagonlits“ beibehalten, auch wenn es genaugenommen „Wagons-Lits“ heißen sollte. Im Anschluss an die hier zitierte Passage schreibt der Autor: „Vielleicht gelangen wir in fünfzig Jahren zu solchen ausgezeichneten Hotels, vorausgesetzt, daß der Fortschritt mit dem heutigen Tempo wächst.“ Der von John Ruskin (1819–1900), William Morris (1834–1896) und anderen Vordenkern beeinflusste Joseph August Lux (1871–1947) war nach Uwe Bresan „überall dort zugegen, wo sich die Moderne Bahn brach“ (Deutscher Werkbund, Wiener Werkstätten etc.). Vor diesem Hintergrund bemängelte Lux polemisch, dass sich viele bestehende Stadthotels „in Hamburg, Berlin, Frankfurt, München (Wien hat

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keines)“ noch immer hinter einer „historischen Maske“ verbergen. Im Sinn einer grundlegenden Erneuerung der Architektur sah er die neuen Aufgaben im Hotelbau in einem ingenieurmäßigen, konstruktiven und organischen Denken, weniger in einem künstlerischen. Vgl.: Bresan, Uwe, Joseph August Lux, der vergessene Apologet der Modernen Architektur. Pevsner, S. 192. Über die Synthese des Hotels aus „Klinik, Wagon-lits und Maschine“ siehe auch im dritten Kapitel dieses Buches. 40 In Verbindung mit Reflexionen über die Moderne war der Ozeandampfer (neben dem Auto und dem Flugzeug) schon früh eine wiederkehrende Metapher für Typisierung, Rationalisierung, Standardisierung und Industrialisierung in Inge­ nieurbau und Architektur. Beispielsweise bezog sich Joseph August Lux auch in seiner 1910 erschie­ nenen Publikation „Ingenieur-Ästhetik“ auf die neuen Transportmittel: „Nicht in der Archi­tektur, sondern in den Fahrzeugen, in der modernen Verkehrstechnik spiegelt sich unsere Kultur. Wenn wir nach dem Stil unserer Zeit fragen, hier haben wir ihn.“ Vgl.: Lux, Joseph August, Ingenieur-Ästhetik, München 1910, S. 53, in: Senarclens de Grancy, Antje, „Ingenieur-Ästhetik“. Technik als Medium des Ästhetischen in der Architektur bei Joseph August Lux, S. 131. Zu besonderer Bekanntheit gelangte die Metapher des Ozeandampfers allerdings über Le Corbusier (1887–1965), der auf dem Umschlag von „Vers une architecture“ (Paris 1923) den Außengang eines Ozeandampfers abbildete und in seinem zu den Manifesten der Modernen Bewegung zählenden Werk unter anderem den viel zitierten Satz „Das Haus ist eine Wohnmaschine“ festhielt. 41 Vgl.: Knoch, S. 15f., 52. Der Autor sieht im Unter­schied zu diesem Buch, in dem urbane Zentren wie Wien immer „nur“ den Hintergrund für Er­scheinungen in Südtirol bilden, im Grandhotel (Großhotel) eine Parallelentwicklung zur sich formenden Metropole (Großstadt). Auf der Basis von erhaltenen Bauplänen kann in diesem Buch darüber hinaus dokumentiert werden, wie früh und auf welche Weise die architektonische Gestaltung von Hotels auch im südlichen Landesteil Tirols systematisiert wurde. 42 Heiss, Hans, Tourismus und Urbanisierung. Fremdenverkehr und Stadtentwicklung in den österreichischen Alpenländern bis 1914, in: Niederstätter, Alois (Hrsg.), Stadt. Strom – Straße – Schiene. Die Bedeutung des Verkehrs für die Genese der mitteleuropäischen Städtelandschaft, Linz 2001, S. 217–246, hier S. 223ff. 43 „Take-off“, auch: Rostow’scher „Take-off“. Benannt nach dem US-amerikanischen Ökonomen, Wirt­ schaftshistoriker und Politikberater Walt Whitman Rostow, der den Begriff in „The Stages of Economic Growth: A Non-Communist Manifesto“ (Cambridge 1960) einführte. Laut Rostow durchläuft jedes Land in seiner Entwicklung eine systematische Abfolge von fünf Stufen. In seinem Modernisierungsmodell steht „Take-off“ für die wichtige Phase einer Schwellen- bzw. Über­gangszeit, in der sich Indu­ strien ausbreiten, neue Wirtschaftsformen wie z. B. der Tourismus entstehen und die Urbanisierung zunimmt.

44 Vasko-Juhász, S. 66. Schmitt, S. 41. Knoch, S. 49f., 51f., 79f., 103. Im Unterschied zu diesen Autoren schreibt Pevsner, dass in den späten 50er und frühen 60er Jahren des 19. Jahrhunderts generell viele große Hotelbauten entstanden seien (vgl. Pevsner, S. 188f.). Allen genannten Autoren ist aber gemeinsam, dass sie auf die Vorbildfunktion der britischen Großhotels hinweisen. Darüber hinaus schreibt Habbo Knoch über die wirtschaftliche Situation und das Reiseaufkommen in Großbritannien (vgl. Knoch, S. 33): „Englische Familien auch der oberen Mittelschicht konnten sich aufgrund ihres Kauf­ kraftvorteils und nach einer ersten beruflichen Etablierungsphase seit Mitte des Jahrhunderts eine regelmäßige, oft jährliche Europareise zu Er­ho­ lungszwecken leisten und wurden so zu den wichtigen Katalysatoren der touristischen Infrastruktur.“ 45 Zur Diskussion der Begriffe Hotel und Großhotel siehe in der Einleitung zu diesem Buch. 46 Vasko-Juhász, S. 125f. 47 Angerer, Johann, Das Fremdenwesen im deutschen Südtirol, Separatdruck aus dem statistischen Beri­ chte der Handels- und Gewerbekammer Bozen für das Jahr 1880, Bozen 1881, S. 5. 48 Giedion, S. 712. 49 Sandgruber, Roman, Die Entstehung der österreichischen Tourismusregionen, in: Leonardi, Andrea, Heiss, Hans (Hrsg.), Tourismus und Entwicklung im Alpenraum 18.–20. Jh., Tourismus & Museum, Studienreihe des Touriseums, Bd. 1, InnsbruckWien-München-Bozen 2003, S. 206. Riha, Ortrun, Grundwissen Geschichte, Theorie, Ethik der Medi­ zin, Bern 2008, S. 60, 77f. Price, Robin, Hydropathy in England 1840–70, in: Medical History, Nr. 25, Cambridge 1981, S. 269–280, hier S. 269f., online: www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/issues/119026/ (15.5.2019). Averbeck, Hubertus, Von der Kalt­ wasserkur bis zur physikalischen Therapie. Betrachtungen zu Personen und zur Zeit der wichtigsten Entwicklungen im 19. Jahrhundert, Bremen 2012, S. 111. 50 Leonardi, Andrea, Vom Elitetourismus zum Massentourismus, in: Ders. (Hrsg.), Die Region Trentino-Südtirol im 20. Jahrhundert, S. 342. Steinegger Fritz, Die Heilbäder Tirols als Erholungsund Fremdenverkehrszentren im Alpenraum; in: Nössing, Josef (Hrsg.), Die Alpen als Heilungsund Erholungsraum, Bozen 1994, S. 120. Habrich, Christa, Medizin- und naturwissenschaftshistorische Aspekte der Alpen als Heilungs- und Erholungsraum, in: Ebd., S. 22f. In Verbindung mit den von Steinegger angegebenen Zahlen ist bemerkenswert, dass es in Tirol nur selten Kurzentren mit warmem Wasser gab (z. B. Brennerbad). Im Engadin war bzw. ist die Situation ähnlich, dort gibt es mit Bad Vals ebenfalls nur eine Therme. Vgl.: Gartmann, Johannes, Bäder und Höhenkuren in Graubünden, in: Ebd., S. 214. Lässer, S. 35. 51 Das Hotel zählt zu den zivilen Bauaufgaben (Gefängnis, Hospital etc.), die sich um 1800 typologisch und architektonisch konkretisierten und gestalterisch differenzierten. In mehreren Publikationen wird in Zusammenhang mit den frühesten Hotelbauten auf den Badischen Hof in

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Baden-Baden von Friedrich Weinbrenner (1766– 1826) verwiesen. 1807–1809 baute der Architekt hier ein ehemaliges Kloster in ein Hotel um. Vgl.: Pevsner, S. 172f. Rucki, S. 38. Knoch, S. 29. Siehe auch im dritten Kapitel dieses Buches. Giedion, S. 711f. Ausgangspunkt für die Entwicklung des modernen Badezimmers bildete eine „universale Einstellung“ gegenüber der menschlichen Natur als Ganzes. Die alternativen Ansätze in Bezug auf Heilung, Kur und Lebensreform (Prießnitz’ Kaltwassertherapie, Diäten, „unverfälschte Nah­ rung“ etc.) erfuhren aber eine zunehmende Spezia­ lisierung. Mit Spezialisierung („spezialistischer Einstellung“) meint Giedion die um sich greifende „Mechanisierung“ vieler Lebensbereiche und -räume, unter anderem das moderne Badezimmer. Ebd., S. 712f. Heyll, Uwe, Wasser, Fasten, Luft und Licht. Die Geschichte der Naturheilkunde in Deutschland, Frankfurt/Main-New York 2006, S. 13–18. Averbeck, Hubertus, Von der Kaltwasserkur bis zur physikalischen Therapie, S. 152ff. Während Vincenz Prießnitz häufig als „Vater der Naturheilkunde“ bezeichnet wird, gilt sein Schulkamerad und späterer Konkurrent Johann Schroth, der Begründer der Schroth-Kur, als „Vater der Diät“. Vgl.: Ebd., S. 28ff. Rohde, Jürgen, Johann Schroth (1798–1856) – Gründer der Schroth-Kur, in: Schweizerische Zeitschrift für Ganzheitsmedizin, Nr. 24, Basel 2012, S. 109–116. Riha, Ortrun, Grundwissen Geschichte, Theorie, Ethik der Medizin, S. 78f. Der Begriff „romantische Medizin“ ist genauso verbreitet wie umstritten. Er steht hier für die Natur­ heilkunde als Gegenbewegung zur Schulmedizin in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Vgl.: Riha, Ortrun, Grundwissen Geschichte, Theorie, Ethik der Medizin, S. 61ff. 1886 veröffentlichte Sebastian Kneipp „Meine Wasser-Kur“. Später stellte sich allerdings heraus, dass das Werk ein Plagiat war, denn Kneipp verwendete unverblümt Material aus Werken über Prießnitz’ Wasserkur. Darüber hinaus gilt heute als nachgewiesen, dass Kneipp die Veröffentlichungen der „Wasser-Hähne“ kannte. Siehe unten. Vgl.: Averbeck, Hubertus, Von der Kaltwasserkur bis zur physikalischen Therapie, S. 229ff. Giedion, S. 714. Über die Synthese von „Klinik, Wagon-lits und Maschine“ im Hotelbau siehe im Abschnitt „Das Berghotel. Das Hotel als Bautyp und seine Entwick­ lung zum Berghotel in Südtirol“ in diesem Buch. In diesem Zusammenhang wird häufig auf die – spöttisch – „schlesischen Wasser-Hähne“ verwiesen: Johann Siegmund Hahn (1696–1773) wird gemeinsam mit seinem Vater Siegmund (1664–1742) zu den Mitbegründern der Kaltwassertherapie in Deutschland gezählt. Johann Siegmund Hahn veröffentlichte das Buch „Unterricht von Krafft und Würckung des frischen Wassers in die Leiber der Menschen besonders der Krancken bey dessen innerlichen und äusserlichen Gebrauch“ (BreslauLeipzig 1737). Auch wenn es naheliegend erscheint, bleibt in Verbindung mit diesem Werk unklar, inwieweit es Einfluss auf die Entwicklung des

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Prießnitz’schen Ansatzes zu einer systematischen Kaltwassertherapie haben konnte – unter anderem, weil die Frage, ob Prießnitz lesen und schreiben konnte, kontroversiell diskutiert wird. Vgl. Heyll, Uwe, Wasser, Fasten, Luft und Licht. Die Geschichte der Naturheilkunde in Deutschland, S. 13 (Fußnote 2), 17. Averbeck, Hubertus, Von der Kaltwasserkur bis zur physikalischen Therapie, S. 137ff., 229ff. Als eigentlicher Begründer der Kaltwassertherapie gilt der britische Physiker John Floyer (1649– 1734), über den es heißt: „He was the advocate of cold bathing.“ Die große Popularität von Kaltwassertherapien in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist aber auch in Großbritannien auf die medizinischen Erfolge von Prießnitz zurückzuführen. Europareisende oder in England praktizierende deutsche Ärzte „reimportierten“ das Wissen um die heilenden Kräfte des kalten Wassers vom Kontinent auf die britische Insel. Von dort fand die neue Mode quasi „im Gepäck“ der britischen Touristen den Weg zurück. Vgl.: Price, Robin, Hydropathy in England 1840–70, S. 271f., 273f., hier 271. Browne, Janet, Spas and Sensibilities: Darwin at Malvern, in: Medical History, Supplement, Nr. 10, Cambridge 1990, S. 102–113, online: www.ncbi.nlm. nih.gov/pmc/issues/172559/ (15.5.2019). Lesky, Erna, Die Wiener medizinische Schule im 19. Jahrhundert, Graz 1965, S. 50f., 178, 336. Matscher, Hans, Von der Kuh- zur Kurstadt – Anfänge des Fremdenwesens in Merano, in: Pokorny, Bruno, Aus Merans Werdezeit 1870– 1900, Meran 1929, S. 42. Vgl.: Sandgruber, Roman, Die Entstehung der österreichischen Tourismusregionen, in: Leonardi, Andrea, Heiss Hans (Hrsg.), Tourismus und Entwicklung im Alpenraum 18.–20. Jh., S. 209f. Der Autor dokumentiert hier in Verbindung mit der Entwicklung des Semmerings als Tourismusdestination, dass der Ort Reichenau an der Rax von der Eröffnung einer Kaltwasserheilanstalt besonders profitierte. Das „Rudolfsbad“ wurde aber erst 1866 eröffnet. Ebd. Reinthaler, Maria, Schaffende, in: Pokorny, Bruno, Aus Merans Werdezeit, S. 174f. Pernwerth v. [Bärnstein, Wilhelm, Anm.], Das Fremdenwesen in Tirol. Mit besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse im deutschen Südtirol, Vortrag auf dem Fremdenverkehrstage in Brixen am 20.1.1889, Meran 1889, S. 13. Rucki, S. 24. Leonardi, Andrea, Turismo e modernizzazione economica nell’area alpina austriaca: analisi di alcuni indicatori quali-quantitativi, in: Ders., Heiss, Hans (Hrsg.), Tourismus und Entwicklung im Alpenraum 18.–20. Jh., Tourismus & Museum, Studienreihe des Touriseums, Bd. 1, Innsbruck-Wien-München-Bozen 2003, S. 275. Sandgruber, Roman, Ökonomie und Politik. Österreichische Wirtschaftsgeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Wien 1995, S. 283f., 288ff. Malfèr, Viktor, Der Kurort Gries, in: Südtiroler Kulturinstitut (Hrsg.), Stadt im Umbruch – Beiträge über Bozen seit 1900, Bozen 1973, S. 162. Hier wird

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der Bau des Hotels Sonnenhof in der Fagenstraße 37 mit 1888 angegeben (heute: Schülerheim bzw. Con­ vit­to provinciale „Damiano Chiesa“). Vgl.: de.wikipedia.org/wiki/Josef_Adam_Irschara (11.1.2018). Koepf, Hans, Binding, Günther, Bildwörterbuch der Architektur, vierte überarbeitete Auflage, Stuttgart 2005, S. 249. Vgl.: Rucki, S. 63. Vgl.: Hotel und Hôtel, in: Seidl, Ernst (Hrsg.), Lexikon der Bautypen. Funktionen und Formen der Architektur, Stuttgart 2016, S. 231–236. Schmitt, S. 24. Pevsner, S. 170. Knoch, S. 34f. Das Wort Hotel (Hôtel) tritt in seiner heutigen Bedeutung zum ersten Mal in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts im englischen Sprachraum auf. Habbo Knoch schreibt darüber hinaus: „Als mit der [Französischen, Anm.] Revolution von 1789 das adelige Privileg auf die Be­ zeich­nung ‚hôtel‘ endete, übernahmen viele Pariser Gasthäuser der gehobenen Klasse diese Bezeichnung, zumal sie oft in adeligen Palais eingerichtet wurden.“ Knoch, ebd. Vasko-Juhász, S. 68. Vgl.: Koepf, Hans, Binding, Günther, Bildwörterbuch der Architektur, S. 248f. Vgl.: Lässer, S. 13: „Das erste Hospiz in Tirol wurde 1140 in St. Valentin auf der Heide errichtet, 1386 jenes in St. Christoph.“ Ferner entstand mit dem Klösterle bei Laag/Neumarkt um 1220 (Erweiterungen um 1300, Umbauten aus dem 16. Jahrhundert) ein weiteres, vielbesuchtes Hospiz in Südtirol. Angeblich soll hier auch Albrecht Dürer (1471–1528) bei seiner Durchreise nach Venedig genächtigt haben Vgl.: www.provinz.bz.it/kunstkultur/denkmalpflege/monumentbrowser-suche. asp?status=detail&id=16264 (23.8.2019). Pevsner schreibt hier in Verbindung mit Klosterregeln, nach denen Reisenden egal welchen Standes Unterkunft zu gewähren war, z. B.: „Ein Dokument aus dem Jahre 1232 berichtet, daß bei­spielsweise Esslingen ,pauperes, peregrini, transeuntes, mulieres in partu agentes, parvuli a patribus et matribus derelicti, debiles et claudi generaliter omnes‘ (‚Arme, Pilger, Durchreisende, schwangere Frauen, ausgesetzte Kinder, Geistes­ kranke und Gebrechliche – also wirklich jeden‘) aufnahm.“ Vgl.: Pevsner, S. 139. Vidler, S. 51ff. Rucki, S. 28. Vasko-Juhász, S. 65. Vgl.: Pevsner, S. 179: Die architektonische Qualität früher Hotels wurde vielerorts bemängelt, nicht nur in Europa, sondern auch in den USA. Der Verweis auf die „Kaserne“ war ebenso gebräuchlich wie der auf die Festung oder die Strafanstalt. Schmitt, S. 62. Rucki, S. 262. Pevsner, S. 173. Knoch, S. 32. Pevsner zitiert an dieser Stelle Nicolas Durand (1760–1834), der schrieb, dass Hotels in ganz Europa schlicht Privathäuser seien, „die weder mehr Ordnung noch mehr Komfort oder mehr Sauberkeit bieten als die meisten Bauernhäuser“. Auf Durand und seine Ent­wurfslehre, die nachhaltigen Einfluss auf den Eisenbahn-Hochbau hatte, wird im Kapitel „Das Berghotel. Das Hotel als Bautyp und seine Entwicklung zum Berghotel in Südtirol“ näher eingegangen.

79 Die Ausdrucksweise wurde auch von vielen anderen Hoteliers in Südtirol übernommen, z. B. von Eduard Hellenstainer für das Hotel Pragser Wildsee. Vgl. im Abschnitt über das Hotel Pragser Wildsee im Katalogteil dieses Buches. 80 Christomannos, Theodor, Sulden–Trafoi. Schil­ derungen aus dem Ortlergebiete mit Illustrationen nach Originalen von E. T. Compton, Tony Grubhofer, Wilhelm Humer, Carl Jordan, F. Rabending und A. von Schröter, Innsbruck 1895, S. 12. 81 Neue-Alpen-Hotels, in: Der Alpenfreund. Illustrierte Touristen-Zeitschrift für das Alpengebiet, Nr. 14, 15.7.1896, S. 160. 82 Siehe dazu im Anhang das Kapitel über den Brand des Hotels Karersee im Jahr 1910 und die darauf folgenden Schadenersatzansprüche. 83 Knoch, S. 31f. Pevsner, S. 172f. 84 Pevsner, S. 173. Der Autor zitiert hier aus „Dr. Katzenbergers Badereise“ (Heidelberg 1809), einer Satire von Jean Paul (1763–1825). Goethe stieg in Marienbad zuerst in der Pension zur Goldenen Traube (heute: Stadtmuseum) und dann im Palais Klebelsberg ab. 85 Knoch, S. 32. 86 Herzog, Mirko, Mazohl-Wallnig, Brigitte, „… zauberische Aussichten, wohl unterhaltene Chausseen, …“ Per Extrapost durch Tirol: „Blicktourismus“ um 1800, in: Landesmuseum Schloss Tirol, de Rachewiltz, Siegfried (Hrsg.), Der Weg in den Süden. Reisen durch Tirol von Dürer bis Heine, Meran 1998, S. 50, 55, 60. 87 Ebd. Knoch, S. 32f., 52. 88 Ebd., S. 51. 89 Sandgruber, Roman, Ökonomie und Politik, S. 238f. 90 Ebd., S. 239. 91 Ebd., S. 239f., vgl.: 250 (erneute Verstaatlichung). Die Westbahn wurde schon 1838 geplant. Sie wurde aber als Konkurrenz zur Donauschifffahrt betrachtet und daher erst später umgesetzt. Über die Entwicklung des Eisenbahnbaus in Tirol allgemein, vgl.: Held, Hubert, Die Baugeschichte der Brennerbahn 1836–1867, Innsbruck-Wien-Bozen 2018, hier S. 234ff. 92 Vasko-Juhász, S. 51f. 93 Über die Synthese von „Klinik, Wagon-lits und Maschine“ im Hotelbau siehe im Abschnitt „Das Berghotel. Das Hotel als Bautyp und seine Entwick­ lung zum Berghotel in Südtirol“ in diesem Buch. 94 Ebd., S. 245f. 95 Ebd., S. 247. 96 Ebd., S. 248. Lesky, Erna, Die Wiener medizinische Schule, S. 292. Die Epidemie dauerte 141 Tage, die von Roman Sandgruber angegebenen Zahlen beziehen sich alleine auf das Jahr 1873. 97 Sandgruber, Roman, Ökonomie und Politik, S. 248f. Ders., Der große Krach, in: Historisches Museum der Stadt Wien (Hrsg.), Traum und Wirklichkeit – Wien 1870–1930, Wien 1985, S. 68–75. 98 Sandgruber, Roman, Ökonomie und Politik, S. 286. 99 Alpen-Zeitung, 23.4.1931, S. 2. Ankündigung der Gründung der „Österreichischen Baugesellschaft für Kurorte“ und Bekanntgabe ihrer Tätigkeit, vgl.: Österreichische Badezeitung, 16.6.1872, S. 6. Tiroler Volksblatt, 30.10.1872, S. 4.

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100 MEZ, 3.7.1872, S. 2. Ortner, Johannes, Der Meraner -Hof-Steg, der Lenoir-Steg, in: Meraner Stadt­ anzeiger 01/2013, S. 26. 101 Gander, Walter, Schmidt, Magdalene, Auf gerader Linie – Städtebau und Architektur in Meran 1860– 1960, Bozen 2017, S. 181f. Pixner-Pertoll, Anna, Ins Licht gebaut. Die Meraner Villen, ihre Gärten und die Entwicklung der Stadt (1860–1920), Bozen 2009, S. 41, 218. 102 MEZ, ebd. 103 Zeitgenössischer Bericht über die Planung des Gebäudes des späteren Meranerhofs, vgl.: BZZ, 3.5.1872, S. 7. 104 MEZ, 7.11.1882, S. 3. Der Physiker und Chemiker George André Lenoir stammte aus Kassel, übersiedelte um 1850 nach Wien und nahm die österreichische Staatsbürgerschaft an. Über Herstellung und Verkauf von Mikroskopen kam er zu einem beträchtlichen Vermögen. Er blieb ehe- und kinderlos. Als Unternehmer betätigte er sich auch im Immobiliengeschäft und profitierte in diesem Bereich vom Preisverfall infolge des Wiener Börsen­ krachs. Neben dem Meranerhof übernahm er 1878 auch Bad Sliač und führte den dortigen Kur­ betrieb ab den 1890er Jahren unter dem Dach seiner wohltätigen Einrichtung als „Eigentum der Stiftung der Brüder George und Conrad Lenoir in Kassel zur Erziehung von Waisen ohne Rücksicht auf Konfession und Nationalität, nach den Ideen Pestalozzis auf dem Stiftgut Teichhof im Lossetal bei Hess-Lichtenau“. Vgl.: de.wikipedia.org/wiki/George_ André_Lenoir (12.4.2018). Bäder-Almanach.Mittei­ lun­gen der Bäder, Luftkurorte und Heil­an­stalten in Deutschland, Oesterreich, der Schweiz und den angrenzenden Gebieten für Aerzte und Heilbedürftige, 10. Ausgabe, Berlin 1907, S. 393. Gander, Walter, Schmidt, Magdalene, Auf gerader Linie, S. 181. 105 MEZ, 17.5.1883, S. 3. 106 BZZ, 30.3.1883, S. 2. 107 Vgl.: Inserat, MEZ, 17.4.1888, S. 6. 108 BTV, 4.4.1883, S. 2. 109 Pokorny, Bruno, Aus Merans Werdezeit, S. 256. 110 Freundliche Mitteilung Karin Maringgele, Touriseum Meran, E-Mail 2.5.2018. 111 Die hier gemachte Darstellung beruht auf Recher­ chen in Zeitungen und in Adressbüchern der Stadt Meran. Sie stimmt nicht mit der von Pokorny überein. Dort heißt es, Freytag habe den Meranerhof, den er offenbar zwischen 1893/1894 gemeinsam mit Lenoir betrieb, schon 1896 verkauft, vgl.: Ebd., S. 257. 112 MEZ, 21.2.1906, S. 4f. 113 Malfèr, Viktor, Der Kurort Gries, S. 157. 114 Kühne, Olaf, Landschaftstheorie und Landschafts­ praxis. Eine Einführung aus sozialkonstruktivistischer Perspektive, Wiesbaden 2013, S. 93. 115 Schlorhaufer, Bettina, Bahnhöfe in Südtirol – Regio­ nalität „aus dem Katalog“, in: Dies., Schloss Prösels, Grote, Georg (Hrsg.), Architektur wird Region, S. 56f. 116 MEZ, 7.11.1882, S. 3: „In der Bilanz des Jahres 1880 wurden die Realitäten mit 755.716 Gulden angegeben und ein Verlustsaldo von 719.826 Gulden ausgewiesen, dessen Sanierung nur im Wege einer Capitals-Reduction möglich war.“ 1880 waren das ca. 9,613 bzw. 9,157 Mio. Euro. 117 Vasko-Juhász, S. 110.

118 Ebd., S. 111. 119 Heiss, Hans, Grandhotel Toblach – Pionier des Tourismus in den Alpen, Bozen-Wien 1999, S. 42f. 120 Ebd., S. 23. 121 Angerer, Johann, Das Fremdenwesen im deutschen Südtirol, S. 3. 122 Prokop, S. 15. 123 Pokorny, Bruno, Aus Merans Werdezeit, S. 256. 124 Heiss, Hans, Grandhotel Toblach, S. 24. 125 Ebd. 126 Giedion, S. 526. Heute ist für derartiges Mobiliar eher der Begriff Korb- bzw. Peddigrohrmöbel gebräuchlich. Siehe dazu auch im Abschnitt über Hotelhallen im dritten Kapitel dieses Buches. 127 Vgl.: Zwanowetz, Georg, Das Straßenwesen Tirols seit der Eröffnung der Eisenbahn Innsbruck– Kufstein (1858). Dargestellt unter Berücksichtigung der regionalen Bahnbaugeschichte, in: Tiroler Wirt­ schaftsstudien, 11. Folge, Innsbruck 1986, S. 51. 128 Burkert Günther, Der Beginn des modernen Frem­ den­verkehrs in den österreichischen Kronländern. Föderalistische und nationale Elemente als bestimmende Faktoren, in: Schöpfer Gerald (Hrsg.), Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Graz 1981, S. 4. 129 Ebd., S. 15ff. Über die „Organisation des Tiroler Fremdenverkehrs 1889–1910“, vgl.: Lässer, S. 45ff., hier 49ff. 130 Angerer, Johann, Die Brennerbahn in ihren Beziehungen zum Lande Tirol, Innsbruck 1892. 131 Matis, Herbert, Österreichs Wirtschaft 1848–1913. Konjunkturelle Dynamik und gesellschaftlicher Wandel im Zeitalter Franz Josephs I., Berlin 1972, S. 187. 132 Angerer, Johann, Die Brennerbahn, S. 4. 133 Angerer, Johann, Das Fremdenwesen im deutschen Südtirol, S. 14. 134 Angerer, Johann, Die Brennerbahn, S. 4. 135 Vgl. auch: 1898/1900, Pension Marie Gröbner, Gossensass, im Katalogteil dieses Buches. Vgl.: Weber, Franz Sylvester, Von alten und neuen Herbergen südlich des Brenners, in: Tirol – Natur, Kunst, Volk, Leben, H. 5, Innsbruck 1925, S. 27f. Held, Hubert, Die Baugeschichte der Brennerbahn 1836–1867, S. 354f. 136 Zu den Brüdern Ludwig siehe im Abschnitt über das Hotel Oberbozen im Katalogteil dieses Buches. 137 Zwanowetz, Georg, Das Straßenwesen, S. 47f. Vgl.: Lässer, S. 40. 138 Vgl.: Heiss, Hans, Eine weit zurückreichende Tradition: Ursprünge und Wandel des Gastgewerbes, in: Leonardi, Andrea (Hrsg.), Die Region Trentino-Südtirol im 20. Jahrhundert, S. 383–403, hier S. 390ff. 139 Ebd. 140 Angerer, Johann, Das Fremdenwesen im deutschen Südtirol, S. 3f. 141 Ebd., S. 7. 142 Ebd., S. 6. 143 Gidl, Anneliese, Alpenverein. Die Städter entdecken die Alpen, Wien 2007, S. 87ff., 105ff., 299. Lässer, S. 27ff. Leonardi, Andrea, Turismo e modernizzazione economica nell’area alpina austriaca, in: Ders., Heiss, Hans (Hrsg.), Tourismus und Entwicklung im Alpenraum 18.–20. Jh., S. 235ff.

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144 Ebd., S. 7. 145 Ebd., S. 9f. 146 Angerer Johann, Enquete zur Förderung des Fremdenverkehrs in Tirol, abgehalten in Innsbruck am 31. März 1890, Innsbruck 1890, S. 7ff. Die Berg­ führer benötigten laut Bergführerordnung für Tirol und Vorarlberg vom 4. September 1871 für die Ausübung ihres Berufs eine behördliche Genehmigung, wodurch sie statistisch erfassbar waren. Vgl. Gidl, Anneliese, Alpenverein, S. 60ff. 147 Ebd., S. 9f. 148 Lässer, S. 285ff. 149 Burkert, Günther, Der Beginn des modernen Fremdenverkehrs in den österreichischen Kronländern, S. 16. Der Autor nennt hier eine jährliche Fördersumme des Landes Tirol in Höhe von 2.000 Kronen (um 1900 waren das ca. 14.200 Euro). 150 Angerer Johann, Enquete, S. 17. 151 Ebd. 152 Ebd., S. 72. 153 Angerer, Johann, Das Fremdenwesen im deutschen Südtirol, S. 3. 154 Kirzner, Israel M., Wettbewerb und Unternehmertum, Tübingen 1978, S. 70. 155 Leonardi, Andrea, Vom Elitetourismus zum Massentourismus, in: Ders. (Hrsg.), Die Region Trentino-Südtirol im 20. Jahrhundert, S. 342f. Vgl.: Gidl, Anneliese, Alpenverein, S. 251ff. 156 In einem Bericht über die Beerdigung Theodor Christomannos, in der auch Auszüge aus den Grabreden wiedergegeben wurden, heißt es u. a.: „Du warst den Bergführern ein fürsorgender Vater und halfst mit an dem Ausbau großen Werkes der Führerversorgung.“ Vgl.: MZZ, Nr. 16, 5.2.1911, S. 2. Vgl.: Heiss, Hans, Eine weit zurückreichende Tradition: Ursprünge und Wandel des Gastgewerbes, in: Leonardi, Andrea (Hrsg.), Die Region Trentino-Südtirol im 20. Jahrhundert, S. 392f. 157 Sandgruber, Roman, Ökonomie und Politik, S. 251. 158 Kirzner, Israel M., Wettbewerb und Unternehmertum, S. 25 (hier), 28 und 33. Der Autor beschreibt das „unternehmerische Element“ ferner als „aktiv, kreativ und menschlich“ (im Unterschied zu „passiv, automatisch und mechanisch“) und als eines, das nur das Wissen benötigt, wo es „unausgenützte Gelegenheiten“ gibt. „Die Entdeckung der unausgenützten Gelegenheiten erfordert Findigkeit. Rechenoperationen nützen nichts, und Ökonomisieren und Optimieren an sich werden dieses Wissen nicht hervorbringen.“ 159 Sandgruber, Roman, Die Entstehung der österreichischen Tourismusregionen, in: Leonardi, Andrea, Heiss, Hans (Hrsg.), Tourismus und Entwicklung im Alpenraum 18.–20. Jh., S. 201ff. Die tourismusfeindliche Haltung der Kirche ist insofern paradox, als parallel zur Entwicklung des systematischen Fremdenverkehrs auch das Wallfahrtswesen expandierte. Baumgartner, Elisabeth, Eisenbahn­ landschaft Alt-Tirol. Verkehrsgeschichte zwischen Kufstein und Ala im Spannungsfeld von Tourismus, Politik und Kultur, Innsbruck 1990, S. 123ff. Burkert, Günther, Der Beginn des modernen Fremdenverkehrs in den österreichi-

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schen Kronländern, S. 16. Vgl. den anlässlich der Eröffnung des Hotels Trafoi erschienenen Beitrag „Vom Fuße des Ortler“, Volksblatt, 1.7.1896, S. 7. Angerer, Johann, Vergleichende Betrachtungen über den Fremdenverkehr in Tirol und in der Schweiz, Innsbruck 1899, S. 7, 12f., hier S. 24. Vgl.: Fontana, Josef, Der Kulturkampf in Tirol/1861–1892, Schriftenreihe des Südtiroler Kulturinstituts, Bd. 6, Bozen 1978, S. 63ff., 352ff. Ebd., S. 355f. Vgl. die entsprechende Stelle über die Kapelle beim Hotel Sulden im Katalogteil. Gidl, Anneliese, Alpenverein, S. 68. Cole, Laurence, „Für Gott, Kaiser und Vaterland“, S. 383. Angerer, Johann, Vergleichende Betrachtungen, S. 24. Ebd., S. 11, 15. Lässer, S. 52ff. Ebd., S. 28. Lesky, Erna, Die Wiener medizinische Schule, S. 46f. Gebräuchlich war auch der Begriff „morbus Viennensis“. Im frühen 19. Jahrhundert wurde die Krankheit noch nicht als (europaweit grassierende) Epidemie erkannt, vgl.: Dietrich-Daum, Elisabeth, Die „Wiener Krankheit“. Eine Sozialgeschichte der Tuberkulose in Österreich, in: Sozial- und wirtschaftshistorische Studien, Bd. 32, Wien-München 2007, S. 103f., 136. Lesky, Erna, Die Wiener medizinische Schule, S. 280f., 332. Dietrich-Daum, Elisabeth, Die „Wiener Krankheit“, S. 109, 118, 136. In Wien trat eine Wende erst 1886 ein, weshalb die Tuberkulose ab diesem Jahr nicht mehr den Titel „morbus Viennensis“ verdient. Lesky, Erna, Die Wiener medizinische Schule, S. 332. Dietrich-Daum, Elisabeth, Die „Wiener Krankheit“, S. 136. Lesky, Erna, Die Wiener medizinische Schule, S. 281. Vidler, S. 71. Vidler schreibt über die französischen Vordenker, dass sie ein neues „social and environmental field“ öffneten, „the bases on which an entire discipline of urban pathology would be developed after 1789, beginning with the Essai sur Ia topographie-physique et médicale de Paris by the doctor Audin-Rouviere, and ending with the urban ‚surgery‘ of Haussmann.“ Lesky, Erna, Die Wiener medizinische Schule, S. 281f. Allgemein über Wien und seine städtebauliche Entwicklung im 19. Jahrhundert: Blau, Eve, Die historische Stadt: Muster von Wachstum und urbanem Leben, in: Dies., Rotes Wien: Architektur 1919– 1934. Stadt – Raum – Politik, Wien 2014, S. 69–109, hier S. 70, 83. Ebd., S. 148f. Robert Koch gelang der Nachweis des TuberkelBazillus. Er wird auch gerne als Entdecker des Cholera-Bazillus (1883) bezeichnet, was unrichtig ist. Über die eigentliche Entdeckungsgeschichte des Cholera-Erregers vgl. unter anderem: de.wikipedia.org/wiki/Robert_Koch (20.1.2018). Sandgruber, Roman, Ökonomie und Politik, S. 284f. Ders., Die Entstehung der österreichischen Tourismusregionen, in: Leonardi, Andrea, Heiss, Hans (Hrsg.), Tourismus und Entwicklung im Alpenraum 18.–20. Jh., S. 207.

179 Lesky, Erna, Die Wiener medizinische Schule, S. 332. 180 Vgl.: de.wikipedia.org/wiki/Tuberkulose#Die_ Tuberkulose_in_der_Kunst (5.2.2018). blauerheinrich.jimdo.com/tb-und-kunst/ (5.2.2018). 181 Siehe dazu auch im Abschnitt „Hotelhalle beim Eingang“ im dritten Kapitel dieses Buches. 182 Lesky, Erna, Die Wiener medizinische Schule, S. 332. 183 Ebd., S. 333. 184 Vasko-Juhász, S. 124. 185 Bäder-Almanach. Mitteilungen der Bäder, Luftkurorte und Heilanstalten in Deutschland, Oesterreich, der Schweiz und den angrenzenden Gebieten für Aerzte und Heilbedürftige, 6. Ausgabe, Berlin 1895, S. 161, 168. Der „Bäder-Almanach“ berichtete über Heilverfahren, Kur­orte, Heilanstalten und Sanatorien aller Art und wurde allen ca. 30.000 deutschen Ärzten kostenlos zur Verfügung gestellt. Die zum Teil ausführlich beschriebenen Kurorte, Sanatorien etc. – mehrheitlich Lungenheilanstalten – hatten eine Eintragungsgebühr zu entrichten, die je nach Umfang des Eintrags nicht unerheblich gewesen sein dürfte. 1882 erschien die erste Ausgabe, in unregelmäßiger Folge die weiteren Ausgaben bis zur 17. im Jahr 1933. Herausgeber war der in jüdischem Besitz befindliche Verlag Rudolf Mosse (1843–1920), der zu den führenden seiner Zeit in Berlin gehörte. Vgl.: Averbeck, Hubertus, Von der Kaltwasserkur bis zur physikalischen Therapie. Betrachtungen zu Personen und zur Zeit der wichtigsten Entwicklungen im 19. Jahrhundert, Bremen 2012, S. 813. 186 Bäder-Almanach, 10. Ausgabe, Berlin 1907, S. 129. Weiter unten heißt es: „[Riva bietet, Anm.] ein Hochquellwasser, wie es kaum ein Alpental des Südens in grösserer Reinheit bei gleichmässiger Frische darbietet […]. Es wird ja doch immer allgemeiner und lauter darüber geklagt, dass die schönsten Punkte an der Mittelmeerküste kein Hochquellwasser gleich den südlichen Alpentälern besitzen, durch Brustkranke bereits gänzlich verseucht und entweder dem Mistral oder der eisigen Bora preisgegeben sind.“ 187 Vgl.: Rucki, S. 32. 188 Schmitt, S. 169. 189 Gronenberg, Tag, Vienna – City of Modernity 1890– 1914, Oxford-Bern-Berlin 2007, S. 171. 190 Altenberg, Peter, Semmering 1912, Berlin 1912, S. 25f. 191 Vasko-Juhász, S. 340. 192 Malfèr, Viktor, Der Kurort Gries, S. 166ff. 193 Matscher, Hans, Von der Kuh- zur Kurstadt, in: Pokorny, Bruno, Aus Merans Werdezeit, S 42. Vgl.: Rohrer, Josef, Zimmer frei. Das Buch zum Touriseum, 2. Aufl., Meran 2010, S. 54. 194 Dosch, Leza, Die Bauten der Rhätischen Bahn. Geschichte einer Architektur von 1889 bis 1949, Chur 1984, S. 18f. 195 Ebd. 196 Ebd. Vgl.: de.wikipedia.org/wiki/Davos#Der_Kurort (20.1.2018). 197 Gutenbrunner, Christian, Hildebrandt, Gunther (Hrsg.), Handbuch der Balneologie und medizinischen Klimatologie, Berlin-Heidelberg 1998, S. 581. 198 Oertel, Max Joseph, in: Neue Deutsche Biographie, www.deutsche-biographie.de/pnd117106259.html (19.01.2018).

199 Burckhardt, Lucius, Landschaftsentwicklung und Gesellschaftsstruktur, in: Achleitner, Friedrich (Hrsg.), Die Ware Landschaft. Eine kritische Analyse des Landschaftsbegriffs, Salzburg 1977, S. 11f. 200 Zum Straßenbau in Tirol ab dem 18. Jahrhundert vgl.: Herzog, Mirko, Mazohl-Wallnig, Brigitte, „… zauberische Aussichten, wohl unterhaltene Chausseen, …“, S. 62ff. Eisath, Kathrin, Die Eggenstaler Straße. Eine straßenbauliche Pionierleistung, Bozen 2017, S. 40ff. 201 Matis, Herbert, Österreichs Wirtschaft 1848–1913, S. 102, 104. 202 Ebd., S. 101. 203 Zwanowetz, Georg, Das Straßenwesen, S. 25–27. Zwanowetz erläutert hier die Entwicklung des Straßenbaus in Tirol nach 1858/1859 im Rahmen der Fachdiskussion, z. B. in Bezug auf von Historikern gewählte Zeiträume, die er für Tirol nicht für repräsentativ hält. 204 Ebd., S. 48f. 205 Bisti, Paolo Luconi, Madonna di Campiglio – storia e mito di un villagio alpino, Verona 2013, S. 78ff. Dal Negro, Touriseum Meran (Hrsg.), Francesco, Hotel des Alpes – historische Gastlichkeit von Savoyen bis Tirol, Bozen 2007, S. 174f. Vgl.: Leonardi, Andrea, Turismo e modernizzazione economica nell’ area alpina austriaca, S. 244f. 206 Bisti, Paolo Luconi, Madonna di Campiglio, S. 96ff. Pointner, Susanne Angelika, Die Entwicklung des Tourismus in Madonna di Campiglio, unveröff. phil. Dipl., Universität Innsbruck, Innsbruck 2004, S. 21. Die Autorin schreibt: „Die Strasse, von der aus man einen herrlichen Blick auf die Brenta hatte, verlief entlang des linken Ufers der Sarca; im Wagen brauchte man drei Stunden, praktisch genauso lange wie zu Fuß.“ Vgl.: Hartungen, Christoph H. von, Miti e realità degli albori del turismo nelle dolomiti, in: Recusani, Giovanna (Hrsg.), Gottfried Hofer a Madonna di Campiglio. Arte e turismo nelle Dolomiti tra Otto e Novecento, Trient 2006, S. 18–27. 207 Bisti, Paolo Luconi, Madonna di Campiglio, S. 124ff. 208 Pernwerth v. [Bärnstein, Wilhelm, Anm.], Das Fremdenwesen in Tirol, S. 4. 209 Über Anton Kofler und seine bedeutende Rolle für den Tiroler Tourismus vgl. an gesonderter Stelle im Abschnitt über das Hotel Kitzbühel im Katalogteil dieses Buches. 210 Angerer Johann, Enquete, S. 19. 211 Ebd. 212 Ebd., S. 20f., 22, 25. 213 Ebd., S. 30–34. 214 Zwanowetz, Georg, Das Straßenwesen, S. 54f., 58. Eisath, Kathrin, Die Eggenstaler Straße, S. 42. Vgl.: Fünf Millionen Gulden für neue Kunststrassen in Tirol, in: Salzburger Fremden-Zeitung, 15.3.1898, S. 8f. 215 Die Bezeichnung „Dolomitenstraße“ wurde stets auf unterschiedliche Strecken angewendet, vgl.: Ebd., S. 58f. 216 Eisath, Kathrin, Die Eggenstaler Straße, S. 96ff., 108f. 217 Angerer, Johann, Programm zur Erbauung neuer Straßen in Tirol, in: Münchner Neueste Nachrichten, 25.5.1895, o. S.

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218 Pernwerth v. [Bärnstein, Wilhelm, Anm.], Das Fremdenwesen in Tirol, S. 5. Allgemein zum Bau der Mendelstraße vgl.: Sölva, Martin, Andergassen, Gotthard, Die Mendel. Ein Pass mit glanzvoller Geschichte, Bozen, 2003, S. 33ff. Dissertori, Arnold, Die Mendel: Vom Handelspfad zum „Luft-Curort“ und zur beliebten Sommerfrische, in: 80 Jahre Mendelbahn 1903–1983, o. O. 1983, o. S. 219 Angerer, Johann, Das Fremdenwesen im deutschen Südtirol, S. 13. Vgl.: Pokorny, Bruno, Aus Merans Werdezeit 1870–1900, S. 121. 220 Ebd., S. 24f. 221 Rucki, S. 21. 222 Burckhardt, Lucius, Landschaftsentwicklung und Gesellschaftsstruktur, S. 10. 223 Huber Florian, Grenzkatholizismen. Religion, Raum und Nation in Tirol 1830–1848, in: De Benedictis, Angela, Corni, Gustavo, Mazohl, Brigitte, Rando, Daniela, Schorn-Schütte, Luise (Hrsg.), Schriften zur politischen Kommunikation, Bd. 23, Göttingen 2016, S. 168ff. Ders., Religiöse Ethnographien – Religion, Raum und Nation in vormärzlichen Landesbeschreibungen, in: Obermair, Hannes, Risse, Stefanie, Romeo, Carlo (Hrsg.), Regionale Zivilgesellschaft in Bewegung, S. 12–31. 224 Der vollständige Titel der Publikation von Johann Jakob Staffler lautet „Tirol und Vorarlberg, stati­ stisch und topographisch, mit geschichtlichen Bemerkungen“ (2 Teile, Innsbruck 1839–1846, 2. Aufl. 1847, Reprint Bozen 1990). Pfaundler-Spat, Gertrud, Tirol-Lexikon. Ein Nachschlagewerk über Menschen und Orte des Bundeslandes Tirol, vollst. überarbeitete u. ergänzte Aufl., Innsbruck-Wien-Bozen 2005, S. 577f. Ratzel, Friedrich, Staffler, Johann Jakob, in: Allgemeine Deutsche Biographie 35 (1893), S. 382–383. 225 Huber Florian, Religiöse Ethnographien, S. 13. Ders., Grenzkatholizismen, S. 168. Der Autor vergleicht in seinem Aufsatz sowie im Band „Grenzka­tho­li­ zismen“ (S. 169–171) Werke der beiden Geistlichen Beda Weber und Gioseffo Pinamonti (1783–1848). „Es handel­te sich um die ersten öffentlich vorgetra­ genen Selbstreflexionen unter den Bedingungen des Vormärz – die neue Provinz ‚Tirol‘ rückte in ihnen ein gutes Stück weiter zusammen, wurde aber gleichermaßen von neuen Differenzen durchzogen. Will man verstehen, weshalb sich die Tiroler Landesteile nicht nur politisch und national, sondern auch religiös entzweien, so muss man den Beginn dieses Entkoppelungsprozesses in den Blick rücken, an dessen Ursprung auch die beiden Landes­beschreibungen standen.“ (Grenz­ka­ tho­­li­zismen, S. 168) Weiter schreibt er, dass beide Autoren in der Phase des Umbruchs zwischen 1790 und 1830 mit ihren Abhandlungen über das „Trentino“ bzw. den Landesteil „Tirol“, „räumlich, natio­nal und religiös aufgeladene und vor allem folgenreiche Grundbegriffe“ prägten, „die sich zwar wechsel­seitig ausschlossen, aber eng aufeinander abgestimmt und gegenseitig konstitutiv waren.“ (Religiöse Ethno­graphien, S. 13) Auf diese Weise hatten ihre Landesbeschreibungen nicht zuletzt auch nach­haltigen Einfluss auf die Wahrnehmung der Tourismusregionen.

226 Ebd., S. 18. Vgl.: Huber Florian, Grenzkatholizismen, S. 175f. 227 Allgemein über die Bedeutung der Reiseliteratur als Genre, vgl.: Brenner, Peter J. (Hrsg.), Der Reisebericht. Die Entwicklung einer Gattung in der deutschen Literatur, Frankfurt/Main 1989. 228 Dreyer, Alois, Ludwig Steub und Tirol, in: Zeitschrift des Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg, Jahrgang 5, Folge 3, Innsbruck 1912, zit. in: Wackernell, Joseph, Ludwig Steub, Adolf Pichler und der Tiroler Sängerkrieg, Innsbruck 1916, S. 4. 229 orawww.uibk.ac.at/apex/uprod/f ?p=LLW:4:0::::P4_ ID:1064 (11.7.2019). www.biographien.ac.at/oebl/ oebl_S/Steub_Ludwig_1812_1888.xml (11.7.2019). 230 Angerer, Johann, Das Fremdenwesen im deutschen Südtirol, S. 5. 231 Bäder-Almanach, S. 96f. 232 König, Stefan, Die Alpenwanderer. Forscher, Schwärmer, Visionäre. Große Fußreisen durch das Gebirge. Eine Wiederentdeckung, Innsbruck 2009, S. 134. 233 Heinrich August Noë, in: Allgemeine Deutsche Biografie, Band 52 (1906), S. 642–645 (online: de. wikisource.org/wiki/ADB:Noë,_Heinrich, 25.4.2018). 234 1866 veröffentlichte Noë die Schrift „Ach wie dumm geht es in Baiern zu“, in der er den Hochmut „der Pfaffen“ kritisierte. Daraufhin verließ er München und wohnte zuerst in Mittenwald, bevor er nach Wien und Innsbruck bzw. später – zum Teil ohne festen Wohnsitz – an Orte in verschiedenen Gegenden Europas zog. Vgl.: König, Stefan, Die Alpenwanderer, S. 122ff. 235 Ebd., S. 131. 236 Christomannos, Theodor, Sulden–Trafoi, S. 41ff. 237 König, Stefan, Die Alpenwanderer, S. 130f. Die Südbahn-Gesellschaft stellte Noë zeitweise sogar ein Haus in Abbazia (heute: Opatija, Kroatien) zur Verfügung. Um 1894 endete die Zeit der Zusammenarbeit Noës mit dem Bahnbetreiber im zeitlichen Umfeld des Ablebens seiner Tochter. 238 Angerer, Johann, Das Fremdenwesen im deutschen Südtirol, S. 5. 239 Huber, Florian, Religiöse Ethnographien, S. 19. 240 Ebd. 241 Christomannos, Theodor, Sulden–Trafoi, S. 5. 242 Vgl.: Fridolin Plant’s Reise-Führer durch Vinschgau, Oberinntal bis Landeck und die Seitentäler, Meran 1909. 243 Christomannos, Theodor, Sulden–Trafoi, S. 12. 244 Vgl.: Schmitt, S. 34f. Vasko-Juhász, S. 236. 245 Angerer, Johann, Das Fremdenwesen im deutschen Südtirol, S. 13. 246 Vgl.: Prokop, S. 22. Hier schreibt der Autor über die buchstäbliche Weitsicht Theodor Christomannos’, dass dieser zusammen mit den „Wald- und Wiesenparcellen“ häufig auch Quellen erwarb, um damit sofort die Wasserversorgung der späteren Berghotels sicherzustellen. 247 Enzensberger, Hans Magnus, Vergebliche Brandung der Ferne – eine Theorie des Tourismus, in: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, XII. Jahrgang, Heft 8, Stuttgart 1958, S. 701ff. Vgl.: Burckhardt, Lucius, Landschaftsentwicklung und Gesellschaftsstruktur, S. 13.

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248 Vgl.: Vasko-Juhász, S. 261ff., 276ff. 249 Zu Alexander Günter und der Entwicklung des „Châteauesque“ allgemein vgl.: Schlorhaufer, Bettina, Alexander Günther und sein Architekt Fritz Schumacher auf Schloss Prösels, in: Dies., Schloss Prösels, Grote, Georg (Hrsg.), Architektur wird Region, S. 67ff. Dies., Architektur wird Region – „Regional shapes as a starting point for the new style“, in: Ebd., S. 40f. 250 Trapp, Oswald, Weingartner-Hörmann, Magdalena, Tiroler Burgenbuch, Bd. VIII. (Raum Bozen), Bozen 1989, S. 35f. 251 Kirzner, Israel M., Wettbewerb und Unternehmer­ tum, S. 39. 252 Ebd. 253 Die Sektion eines Alpenvereins oder einer anderen alpinen Organisation ist ein unabhängiger, zumeist lokaler Verein (z. B. Sektion Meran), der zusammen mit den anderen Sektionen den Hauptverein („Alpenverein“) bildet. Nur über die Mitgliedschaft in einer Sektion ist eine Mitgliedschaft im Alpenverein möglich. Der Alpenverein Südtirol besteht heute aus 32 Sektionen mit insgesamt 57.400 Mitgliedern. Vgl.: de.wikipedia.org/wiki/ Sektion_(Alpenverein) (18.3.2018). 254 Hierbei soll es sich um eine Aussage des „Gletscherpfarrers“ und Mitbegründers des Deutschen Alpenvereins Franz Senn handeln, vgl.: www.alpenverein.at/portal/der-verein/geschichte/ index.php (16.2.2018). 255 Ebd., S. 2f. Gidl, Anneliese, Alpenverein, S. 67–79. 256 Der Jurist Hoffmann wurde für seine Verdienste im Staatsdienst 1872 nobilitiert. 1876 Ernennung zum Reichsfinanzminister und zum Mitglied des Herrenhauses. Bereits im April 1880 wechselte er – „seinen persönlichen Neigungen folgend“ – vom Amt des Finanzministers zu dem eines Generalintendanten der Wiener Hoftheater. Vgl.: Marktl-Futter, Edith, Hofmann, Leopold Freiherr von, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 9, München 1972, S. 457f., online: www.deutsche-biographie.de/ pnd11695180X.html#ndbcontent (15.7.2019). 257 Burkert, Günther, Der Beginn des modernen Fremdenverkehrs in den österreichischen Kronländern, S. 3, 5. 258 Ebd., S. 8. 259 Vgl.: Lässer, S. 45ff. 260 Burkert, Günther, Der Beginn des modernen Fremdenverkehrs in den österreichischen Kronländern, S. 9f. Vgl.: Lässer, S. 45. Der Autor spricht hier missverständlich von einem „Fremdenverkehrstag in Graz“. Vgl.: Delegiertentag zur Förderung des Fremdenverkehrs in Graz, in: Mitteilungen des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins, Bd. 10, Salzburg 1884, S. 129f. 261 Zwanowetz, Georg, Das Straßenwesen, S. 51. Vgl.: Burkert Günther, Der Beginn des modernen Fremdenverkehrs in den österreichischen Kronländern, Fußnote 51: Die älteste Organisationsform des Tourismus auf kommunaler Ebene war der Verkehrsverein, in Österreich geregelt durch ein Gesetz von 1867, in dem den Landtagen vom Staat indirekt die Kompetenz für das Fremdenverkehrswesen übertragen wurde.

262 Burkert, Günther, Der Beginn des modernen Fremdenverkehrs in den österreichischen Kronländern, S. 26f.: „Abgesehen von dem zum Minister avancierten Leopold Friedrich Freiherr von Hofmann, saßen ab 1885 Dr. Johann Angerer, Leopold Ritter v. Moro, Dr. Julius von Derschatta und Peter Freiherr v. Pirquet als Vertreter der Fremdenverkehrsinteressen im Reichsrat.“ 263 Cole, Laurence, „Für Gott, Kaiser und Vaterland“, S. 81. Plattner, Irmgard, Fin de siècle in Tirol – Provinzkultur und Provinzgesellschaft um die Jahrhundertwende, Innsbruck-Wien 1999, S. 159– 170, hier: 165f. 264 Ebd., S. 58. 265 Vgl.: Staffler, Richard, Theodor Christomannos, der Bahnbrecher des Tiroler Fremdenverkehrs, in: Der Schlern, H. 4, Bozen 1954, S. 148. 266 Grubhofer, Tony, Erinnerungen an Theodor, in: Christomannos Gedenkbuch, Meran 1912, S. 19. 267 Zit. in: Zwanowetz, Georg, Das Straßenwesen, S. 59. Vgl.: Schwienbacher, S. 78. 268 Eisath, Kathrin, Die Eggenstaler Straße, S. 96–101. 269 Zit. in: Zwanowetz, Georg, Das Straßenwesen, S. 59. 270 Allgemein über den Übergang von der „Postkutsche zum Automobil“, vgl.: Brilli, Attilio, Das rasende Leben – die Anfänge des Reisens mit dem Automobil, Berlin 1999. Giucci, Guillermo, The Cultural Life of the Automobile: Roads to Modernity, Austin 2012. 271 Der Begriff „Suldenbegeisterung“ könnte von Tony Grubhofer stammen, vgl.: Grubhofer, Tony, Erinnerungen an Theodor, S. 17. Vgl.: Suldenstraße und Fremdenverkehr, MEZ, 23.2.1924, S. 6. 272 Heiss, Hans, Theodor Christomannos und der Bau der Alpenhotels im Tiroler Raum, in: Südtiroler Kulturinstitut (Hrsg.), Ortler – „Der höchste Spiz im ganzen Tyrol“, Bozen 2004, S. 134. 273 Über das unterschiedliche Verhältnis des hohen bzw. niederen Klerus zum Tourismus vgl. im Abschnitt „1890 und 1892: Systematischer Fremdenverkehr trotz anhaltender Kritik“ in diesem Kapitel des Buches. 274 Statistik aus der Schriftenreihe des Südtiroler Wirtschafts- und Sozialinstituts, Bd. 69, Bozen 1975, S. 24, in: Schwienbacher, S. 25f. 275 Schwienbacher, S. 27f. 276 Ebd., S. 28f. Leopold Friedrich Freiherr von Hoffmann war im Zeitraum von 1862 bis 1873 insgesamt neun Jahre Präsident des „OeAV“. Vgl.: Gidl, Anneliese, Alpenverein, S. 40. 277 Christomannos, Theodor, Sulden–Trafoi, S. 10. 278 Schmid, S. 44 und 45 (hier auch Fußnote 111). Der Autor beruft sich auf Dokumente im Verfachbuch Glurns. Das Teilstück des Rumwaldes (im Gebiet zwischen Außersulden und Sulden) stammte aus dem Besitz der Gemeinde Mals. Klaus Schmid geht davon aus, dass das relativ große Grundstück von Theodor Christomannos schon damals für den Bau eines Alpenhauses bzw. Hotels gedacht war. Tatsächlich entstand das wenig später errichtete Hotel Sulden aber an einem anderen Standort, nämlich oberhalb der Gampenhöfe in Innersulden. Dieses Grundstück dürfte über eine Schenkung in den Besitz von Theodor Christomannos und Otto Schmid gelangt sein (siehe unten).

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279 MEZ, 23.2.1890, S. 5. 280 Gemeint ist ein Bild des bekannten, in München tätigen Osttiroler Malers Franz (von) Defregger (1835– 1921). 281 MEZ, 9.4.1890, S. 2. 282 MEZ, 23.2.1924, S. 6. 283 Christomannos, Theodor, Sulden–Trafoi, S. 10. 284 MEZ, 23.2.1924, S. 6. 285 Volksblatt, 22.8.1891, S. 6. 286 Roland Flückiger-Seiler schreibt in diesem Zusam­ menhang: „Das zähe Festhalten an bäuerlichen Werten hatte einen sozialen Hintergrund: Mit dem Besitz an Boden und Vieh war nicht nur die materielle Existenz gebunden, sondern damit definierte der Bergbewohner auch seinen sozialen Status in der Gemeinschaft. Lohnarbeit galt in diesem wirtschaftlichen System als Zeichen von Abhängigkeit und Armut.“, in: Flückiger-Seiler (3), S. 92. 287 Volksblatt, 22.8.1891, S. 6. 288 Der Burggräfler, 20.7.1892, S. 6. MEZ, 15.6.1898, S. 3. Vgl.: Schmid, S. 59f., 96. Der Autor schreibt, dass für die Befahrung der Suldenstraße eine Maut eingehoben wurde, die aber zu deren Erhaltung nicht ausreichte. Die Wartung wurde daher zuerst für fünf Jahre von den Sektionen Austria und Meran des Alpenvereins übernommen, später trug Otto Schmid als Besitzer des Hotels Sulden einen großen Teil dieser Kosten. Erst 1898 konnten die Talbewohner über Vermittlung der k. k. Bezirkshauptmannschaft dazu bewogen werden, sich ebenfalls an der Instandhaltung zu beteiligen. 289 Der Burggräfler, 20.7.1892, S. 6. 290 Vgl.: Rucki, S. 88f. Die Autorin schreibt hier, dass auch im Oberengadin in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts Rückwanderer ihr im Ausland erworbenes Geld in den Tourismus investierten. 291 Schalek, Alice, Das Karerseehotel, in: Neue Freie Presse, 19.8.1910, S. 1–3, hier S. 2. Schaleks umfassender Beitrag erschien wenige Tage nach dem Brand des Hotels am Karersee. Obwohl die Autorin in diesem Artikel die Arbeit von Theodor Christomannos schmeichelhaft in den Vordergrund stellt, ist er insofern bemerkenswert, als er die Opposition der Kirche gegen den Tourismus gut zum Ausdruck bringt. Wenige Tage vor der Veröffentlichung dieses Texts publizierte Schalek eine kleine Krimi­ nalgeschichte mit dem Titel „Zeugen“, die im Hotel Sulden spielt, vgl.: Neue Freie Presse, 12.8.1910, S. 1–4. Die in Wien geborene Alice Therese Emma Schalek (1874–1956) war vielseitig tätig, z. B. als Rednerin, Autorin, Journalistin, Fotografin sowie als einzige weibliche Kriegsberichterstatterin im k. k. Kriegspressequartier. Ferner verfasste sie unter dem Pseudonym Paul Michaely auch einen Roman. Aufgrund ihrer jüdischen Wurzeln und weil sie offen mit dem Kommunismus sympathisierte, musste sie aus Österreich flüchten und lebte nach Zwischenstationen später zurückgezogen in New York. Vgl.: de.wikipedia.org/wiki/Alice_Schalek (18.9.2018). 292 BZN, 8.3.1904, S. 5f. 293 Dank für Hinweise und Informationen: Jutta HeuglChristomannos, Wien. Markus Gamper, Stadtarchiv Meran. Vgl.: Grubhofer, Tony, Erinnerungen an Theodor, in: Christomannos Gedenkbuch, Meran

1912. Staffler, Richard, Theodor Christomannos, der Bahnbrecher des Tiroler Fremdenverkehrs, in: Der Schlern, H. 4, Bozen 1954, S. 146–151. Baumgartner, Elisabeth, Eisenbahnlandschaft Alt-Tirol, S. 116–118. Schwienbacher, Stefan, Theodor Christomannos – die Alpenhotels Sulden, Trafoi und Karersee, unveröffentl. phil.-Dipl., Wien 1997. Heiss, Hans, Theodor Christomannos und der Bau der Alpenhotels im Tiroler Raum, in: Südtiroler Kulturinstitut (Hrsg.), Ortler – „Der höchste Spiz im ganzen Tyrol“, Bozen 2004, S. 133–144. Heugl-Christomannos, Jutta, Theodor Christomannos. Meine persönliche Spuren­ suche, in: Der Schlern, H. 6, Bozen 2011, S. 52–69. 294 MEZ, 15.12.1907, S. 11. In der Traueranzeige für seinen Sohn führt Theodor Christomannos an, dass dieser am 12. Dezember dreißigjährig als Arzt „in getreuer Ausübung seiner Berufspflicht“ an der Medizinischen Klinik in Innsbruck verstorben sei. 295 Vgl. Ranglisten des Kaiserlichen und Königlichen Heeres 1918 (Wien, 1918), (online: library.hungaricana. hu/hu/view/RanglistenHeeres_1918/?pg=1121&layout=s, 1.10.2018). Salzburger Volksblatt, 10.3.1936. Hier wird Dr. Sigurd Christomannos als „Notariatskandidat“ erwähnt. 296 Sölder, Otto v., Theodor Christomannos, in: Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins, 37, 1911, S. 33–35, hier: S. 35. 297 Eigentlich: Cléopâtre-Diane de Merode (auch: Mérode, 1875–1966), eine international beachtete Ballerina und Varietétänzerin in Paris, die bekannten Künstlern Modell stand und vielfach fotografiert wurde. Aufsehen erregte sie auch als Kurtisane. Im Nach­lass von Theodor Christomannos finden sich mehrere Atelier­ foto­grafien von ihr. Eindeutige Nachweise einer Vaterschaft existieren nicht. Diese Vermutung wurde vor allem postum verbreitet. Über die Her­kunft von Cléo de Merode gibt es noch zwei weitere, voneinander abweichende Informationen. Die einen besagen, sie sei die (uneheliche?) Tochter der belgischen Baronin Vincentia de Merode (1850–1899), die anderen, dass ihr Vater der österreichische Genremaler Carl Freiherr von Merode (1853–1909) und ihre Mutter eine Wiener Schauspielerin sei. Vgl.: HeuglChristomannos, Jutta, Theodor Christomannos, S. 55. Vgl.: www.stagebeauty.net (4.6.2020). gw.geneanet.org/pierfit?lang=en&p=vincentia&n=de+merode (4.6.2020). de.wikipedia.org/wiki/ Carl_von_Merode (4.6.2020). 298 Vgl.: Ráczová, Zuzana, Das Archiv der griechisch-orientalischen Kirchengemeinde zum hl. Georg in Wien (18.–20. Jahrhundert), phil. Dipl., Wien 2012. 299 Neue Freie Presse, 24.3.1900, S. 4. 300 Verein für Alpenhotels in Tirol, Handelskammer Bozen, Handelsregister. 301 Der Alpinist, Eisläufer und Maler Demeter Diamantidi (1839–1893) war ebenfalls ein Verwandter von Theodor Christomannos. 302 Freundliche Mitteilung Alessandro Giannelli Viscardi, Este, E-Mail 3.9.2018. Elsa Zenobio-Albrizzi hatte zwei Töchter, Sophie (auch: Sophia) und Alba. 303 Wahrscheinlich eine falsche Angabe anlässlich des Todes von Tony Grubhofer im Jahr 1935, vgl.: Alpenzeitung, 8.5.1935, S. 4.

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304 Freundliche Mitteilung Peter Goller, Universitätsarchiv Innsbruck, E-Mail 3.7.2019. 305 Vgl. z. B.: Schwienbacher, S. 8. Staffler, Richard, Theodor Christomannos, S. 147. 306 Schwienbacher, ebd. 307 Freundliche Mitteilung Petra Hesse, Universitätsarchiv Leipzig, E-Mail 23.7.2019. An der Universität Leipzig war Christomannos vom 22. November 1874 bis 23. Oktober 1875 im Fach Rechtswissenschaft inskribiert. Abgang mit einer Bescheinigung der gehörten Vorlesungen. 308 de.wikipedia.org/wiki/Corps_Gothia_Innsbruck (25.5.2018). 309 BZZ, 2.2.1911, S. 3. 310 Der Beginn seiner Tätigkeit als Entrepreneur könnte mit dem Kauf eines ca. 173.000 m2 großen Teilstücks des Rumwalds in Sulden zusammenfallen, das er von der Gemeinde Mals erwarb. Vgl.: Schmid, S. 44 und 45 (Fußnote 111). Siehe dazu auch im Abschnitt zum Bau der Suldenstraße in diesem Buch. 311 Über den Politiker Theodor Christomannos, vgl.: Schwienbacher, S. 112ff. 312 Vgl.: de.wikipedia.org/wiki/Martelltal (1.10.2018). Über die Gewässer im Martelltal: „Die Plima bezieht ihr Wasser über einige Zuflüsse, die heute noch zu einem erheblichen Teil von Gletschern gespeist werden. In den Gletschern am Fuß des Cevedale entstanden im 19. Jahrhundert immer wieder Gletscherseen, deren Ausbrüche das Tal verheerten und große Verwüstungen anrichteten. Lange Zeit konnte sich die Bevölkerung diese plötzlich hereinbrechenden Wassermassen nicht erklären, weil sie auch bei schönem Wetter offenbar grundlos auftreten konnten. 1891 war eine solche Katastrophe der Anlass, auf Zufall eine Schutzmauer zu errichten. Sie konnte sich bereits 1894 erstmals erfolgreich bewähren. Heute existiert diese Gefahr nicht mehr, weil die Gletscher an diesen Stellen verschwunden sind.“ Vgl.: Schaffernak, Friedrich, Grundriss der Flussmorphologie und des Flussbaues, Wien 1950, S. 70: „Bauliche Maßnahmen gegen Gletscherausbrüche. Gletscherausbrüchen kann nichts widerstehen. Man muß die gefährlichen Wasseransammlungen verhindern oder beherrschen. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten. Z. B. beim Ausbruche des Zufallferners im Martelltale (1891) ist durch Errichtung einer Talsperre flußab der Ausbruchstelle der schädliche Wasserabfluß aus dem entstandenen Gletschersee verhindert und dann geregelt worden.“ Bauleiter bei der Errichtung der Talsperre im Martelltal war Josef Lun, vgl.: BZN, 8.3.1904, S. 5f. 313 MEZ, 5.2.1911, S. 2. 314 Ebd. 315 MEZ, 15.4.1891, S. 2. Hier heißt es, dass die Pläne für die Bahntrasse von Meran nach Landeck bereits fertig seien. 316 Der Burggräfler, 23.4.1910, S. 6. Vgl.: Heiss, Hans, Theodor Christomannos, S. 135. 317 Innsbrucker Tagblatt, 22.1.1890, S. 1f. 318 Illustrirte Zeitung Leipzig 4.7.1891, S. 21f., TLMF, Sign. FB_7802. 319 Tiroler Tagblatt, 8.7.1902, S. 1f.

320 Tiroler Tagblatt, 15.9.1902, S. 1f. 321 Ebd. 322 Neben den allgemeinen Informationen im dritten Kapitel dieses Buches siehe dazu insbesondere im Abschnitt über das Dolomitenhaus in Canazei im Katalogteil. 323 Grubhofer, Tony, Erinnerungen an Theodor, S. 18. 324 Der Burggräfler, 7.9.1892, S. 5. 325 Das Stück wurde am 14. Oktober 1911 gleich an mehreren Bühnen uraufgeführt, unter anderem in Wien. Vgl.: de.wikipedia.org/wiki/Das_weite_Land (21.11.2019). 326 Schwienbacher, S. 102ff. 327 Ebd. 328 Kassabuch Hotel Karersee, Privatsammlung Christine Geiger, Karersee. 329 MEZ, 5.2.1911, S. 2. 330 Sölder, Otto v., Theodor Christomannos, S. 34. 331 Christomannos, Theodor, Sulden–Trafoi, S. 19 f. 332 BZN, 3.4.1903, S. 5. 333 BZN, 15.6.1897, S. 5. Vgl.: Schmid, S. 96, 99, 104: Rosa Marti stammte aus Aarwangen (Kanton Bern) und war Protestantin. Das könnte für Otto Schmid Motivation gewesen sein, im Damensalon des Hotels Sulden evangelische Gottesdienste abzuhalten bzw. später nahe dem Hotel eine evangelische Kapelle zu bauen. 334 MEZ, 20.4.1921, S. 4. Hier ist aber nur der Tod von einem Sohn angegeben. 335 Schmid, S. 103f. Der Realschüler und Standschützen-Unterjäger Fritz wurde von einer Lawine in den Tod gerissen, nachdem gerade eine auf „dem Kriegsschauplatz erlittene Verletzung geheilt“ war (vgl.: MEZ, 22.12.1915, S. 6). Gustav starb bei der Jagd. 336 Freundliche Mitteilung Familie Schmid, namentlich Johanna Wimmer und Arthur Schmid sen., Wien, 4.7.2018. Die Familie stellte neben Stammbäumen und anderen Informationen auch die Briefe von Otto Schmid zur Verfügung, aus denen in der Nachfolge zitiert wird. Josef Schmid hatte fünf Söhne und drei Töchter. Alle Kinder erhielten eine gutbürgerliche Ausbildung. Nur das Gut Kanzelhof in Maria Lanzendorf steht heute noch in Familienbesitz. Es zählt zu den größten BioBetrieben in Österreich. Andere Teile der Familie leben in Nordtirol und Wien. Sie gingen unter anderem aus der Linie der Familie hervor, die sich auf den Architekten Otto Schmid zurückführen lässt. 337 1886 Erhebung in den Freiherrenstand. Hier durchgängige Schreibweise „Friedrich von Schmidt“. Vgl.: www.architektenlexikon.at/de/555.htm (9.7.2018). 338 MEZ, 16.7.1889, S. 3. 339 Dass sich Otto Schmid lieber Baumeister als Architekt nannte, geht z. B. aus einem Bericht anlässlich der Eröffnung des Hotels Trafoi hervor. Vgl.: BTV, 8.7.1896, S. 5. Ferner verwendete er auch Briefköpfe mit dem Berufstitel „Stadtbaumeister von Wien“. 340 Die Ausbildung bzw. Meisterprüfung zum „Bauund Steinmetzhandwerk“ wurde später getrennt. „Stadtbaumeister von Wien“ wurde man, wenn man die Konzession in der Stadt hatte, Landbaumeister in den Vororten Wiens. Freundliche Mitteilung Dr. Inge Scheidl, Architektenlexikon Wien 1770–1945 (Architekturzentrum Wien), E-Mail 21.9.2018.

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341 Alofsin, Anthony, Architektur beim Wort nehmen. Die Sprache der Baukunst im Habsburgerreich und in seinen Nachfolgestaaten, 1867–1933, Salzburg 2011, S. 30. Der Autor schließt hier über die Wiederbelebung der einst praktizierten, mittelalterlichen Arbeitsweisen in den Bauhütten an – als würde er sich auf die Arbeitsweise der späteren Kerngruppe des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ (Otto Schmid, Theodor Christomannos und Tony Grubhofer) und nicht auf Friedrich von Schmidt beziehen: „Die Kunsthandwerker sollten zusammen reisen, Skizzen anfertigen, Details zeichnerisch festhalten und innerhalb einer kleinen Gemeinschaft zusammen arbeiten.“ 342 Vgl.: www.dorotheum.com/auktionen/aktuelle-auktionen/kataloge/list-lots-detail/auktion/10645-fotografie/lotID/27/lot/1702397-otto-schmidt.html (25.6.2018). 343 Vgl.: Trapp, Oswald, Hörmann, Magdalena (Hrsg.), Tiroler Burgenbuch, Bd. 10, Überetsch und Südtiroler Unterland, Bozen 2011, Abb. S. 335, 337, 341. 344 Johann Wunibald Deininger (1849–1931) war ein bekannter Architekt, Denkmalpfleger und Direktor der Staatsgewerbeschule in Innsbruck. Der vollständige Titel der Publikation, in der Otto Schmidts Fotografien von Schloss Enn veröffentlicht wurden, lautet: Kunstschätze aus Tirol, Heliogravuren nach photographischen Aufnahmen von Otto Schmidt mit erläuterndem Text von Joh. W. Deininger; Abt. 4: Malerische Innenräume, Wien 1902. Die Bände „Kunstschätze aus Tirol“ erschienen ab 1887. Vgl.: de.wikipedia.org/wiki/Johann_Wunibald_Deininger (20.9.2018). 345 Freundliche Mitteilung Paulus Ebner, Leiter des Archivs der Technischen Universität Wien, E-Mail 26.6.2018. 346 In dieser Publikation wird durchgehend der Begriff Gothic Revival anstelle von Neo- oder Neugotik verwendet, um damit dem weit über die Architektur hinausgreifenden Einfluss der facettenreichen und lang anhaltenden Strömung gerecht zu werden. Vgl.: Aldrich, Megan, Gothic Revival, London 1994, S. 9. Die Autorin schreibt hier: „The phenomenon of the Gothic Revival is of great interest to historians and to enthusiasts of architecture and design because of its links with other aspects of cultural life, namely, literature, scholarship and collecting. These intellectual activities gave impetus to those who chose the Gothic as a style for their houses or furnishings. Despite its distinctive appearance, it was seldom chosen purely for its visual and aesthetic properties. The Gothic generated literature, theory and debate about its forms, its symbolism and its origins, and thus it became the chosen style for thinking people who wished to associate themselves with the past, with scholarship, or with the unusual, the exotic, and the remote. […] The Gothic Revival was undoubtedly a design phenomenon that reached its widest extent in the Englishspeaking world. It was also influential in Germany and France during the nineteenth century and made its appearance in other European countries.“ 347 Alofsin, Anthony, Architektur beim Wort nehmen, S. 29.

348 Vgl.: Dombaumeister Friedrich Freiherr v. Schmidt, Nachruf, in: Der Bautechniker, Jg. XI, Nr. 5, Wien 1891, S. 63. 349 Freundliche Mitteilung Eva Schober, Universitätsarchiv der Akademie der bildenden Künste in Wien, E-Mail 14.6.2018 bzw. telefonisch 4.7.2018. Leider ist der Entwurf nicht erhalten, nur der Akteneintrag. 350 Die Akademie der bildenden Künste war damals die einzige Architekturschule in der Monarchie, in der „Architektonisches Zeichnen“ als eigenes Unterrichtsfach angeboten wurde. Vgl.: Alofsin, Anthony, Architektur beim Wort nehmen, S. 29. 351 Freundliche Mitteilung René Schober, Kustos im Kupferstichkabinett der Akademie der bildenden Künste in Wien, 4.7.2018. 352 Unter anderem war er von 1860 bis 1881 Mitglied der k. k. Central-Commission für die Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale, die seit den 1850er Jahren bestand und zu den Vorgängerinstitutionen des heutigen Bundesdenkmalamts in Österreich bzw. des Landesdenkmalamts in der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol zählt. Vgl.: www.architektenlexikon.at/de/555.htm (6.3.2019). 353 Trapp Oswald (Hrsg.), Tiroler Burgenbuch, Bd. 5, Sarntal, Bozen 1981, S. 109–176, hier S. 130. 354 Der heutige Zustand der Burg Rungelstein, in: Mittheilungen der kaiserl. königl. CentralCommission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale, Wien 1875, Anhang S. XXXVf. 355 Ebd.: „Professor Schmidt schliesst seinen Bericht mit einer Hinweisung auf noch andere ähnliche Kunstwerke des Etschlandes. Begünstigt durch die herrliche Lage und die Fruchtbarkeit des Bodens, war dieser südlichste Theil des alten deutschen Reiches der Sitz unzähliger Adelsgeschlechter, welche vermöge ihres Wohlstandes und angeregt durch das nahe kunstliebende Italien eine Pracht und einen Luxus entwickelten, wie solcher, in Deutschland wenigstens, nur mehr in den freien Reichsstädten wiederzufinden war. Die Glanzepo­che dieses üppigen Lebens, zu dessen Ver­schöne­rung alle freien Künste das ihrige beitrugen, fällt in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts. Es ist bezeichnend auch für die damaligen politischen Verhältnisse, dass in diesem paradiesischen, gegen Deutschland durch mächtige Gebirge abgeschlossenen, gegen Italien ganz offenen Erdwinkel, ganz exclusiv deutsche Kunst geübt wurde, welche hier viel später als an anderen Orten der italienischen Kunstweise gewichen ist. Aus dieser Epoche nun, in welche auch die Burg Rungelstein gehört, existiren im Etschlande noch eine Reihe sehr werthvoller Ueberreste. Namentlich sind es Werke der Malerei, welche sofern sie kirchliche Kunst betreffen, bis in das dreizehnte und vierzehnte Jahrhundert zurückgreifen und welche das ehemalige Vorhandensein einer selbstständigen Malerschule in jener Gegend verrathen.“ 356 Ebd. 357 Centralblatt der Bauverwaltung, Nr. 43, Berlin, 25.10.1884, S. 441f. Zu den Restaurierungsmaßnahmen im Detail vgl.: Trapp, Oswald (Hrsg.), Tiroler Burgenbuch, Bd. 5, S. 148f. 358 BZZ, 13.11.1885, S. 3.

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359 Vgl.: MEZ, 13.11.1885, S. 3 (Nennung von Architekt Schmid). MEZ, 17.11.1885, S. 4 (Nennung von Dombaumeister Schmidt aus Wien). 360 Volksblatt, 11.3.1885, S. 4. 361 Ein Hinweis darauf ist auch Otto Schmids erste Eintragung im Gästebuch von Schloss Enn am 3. Mai 1884. Weitere Eintragungen 1887, 1888, 1890 und 1892 (hier als „Burgbaumeister von Enn“). Freundlicher Hinweis von Giovanni Rubin de Cervin Albrizzi (Schloss Enn, 16.8.2017). Vgl.: Albrizzi, Giovanni Rubin de Cervin, Schloß Enn – Rettung und Restaurierung im 19. Jahrhundert, in: ARX – Burgen und Schlösser in Bayern, Österreich und Südtirol, hrsg. v. Südtiroler Burgeninstitut, Nr. 1, Bozen 2005, S. 5. Vgl.: Schmid, S. 13. 362 Vgl.: Schlorhaufer, Bettina, „Burg“ wird „Schloss“ – Regionalisierung als soziales und architektonisches Phänomen, in: Dies., Schloss Prösels, Grote, Georg (Hrsg.), Architektur wird Region, S. 64ff. 363 Verzeichnis der auf Schloss Enn aufbewahrten Originalpläne von Otto Schmid, vgl.: HörmannWeingartner, Magdalena, Schloss Enn, in: Trapp, Oswald, Hörmann, Magdalena (Hrsg.), Tiroler Burgenbuch, Bd. 10, S. 334, Abb. S. 342f. Albrizzi, Giovanni Rubin de Cervin, Schloß Enn – Rettung und Restaurierung im 19. Jahrhundert, S. 5. Der Autor verweist auf die stilistische Verwandtschaft ähnlicher Bestandsaufnahmen und Pläne in Schloss Runkelstein. Diese werden zwar Friedrich von Schmidt zugeschrieben, könnten aber von Otto Schmid angefertigt worden sein. 364 Aldrich, Megan, Gothic Revival, S. 38. Megan Aldrich schreibt hier über den Begriff „castellation“ und die lange Tradition der architektonischen Überarbeitung von Schlössern und Herrenhäusern in Großbritannien: „In most examples where castellation was used in early eighteenth century, it was where a building was already medieval in date and its owner wished for a appropriate architectural‚ improvements‘“. 365 Das fürstl. Liechtenstein’sche Schloss Fischhorn im Pinzgau. Restauration von Friedrich Schmidt, k. k. Professor an der Akademie der bildenden Künste, Oberbaurath, Dombaumeister bei St. Stephan, in: Allgemeine Bauzeitung, Wien 1870, S. 70–72, Tafeln 9–16. de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Fischhorn (28.9.2018): Am 21. September 1920 zerstörte ein Brand große Teile des Schlosses. Der Wiederaufbau erfolgte in Anlehnung an das vor dem Umbau bestehende, schlichte Erscheinungsbild. 366 In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass die eigentlichen Anfänge des „Gothic Revivals“ im englischen Garten liegen, wo künstliche Ruinen „die Stimmung in einem Gartenteil kulissenhaft erhöhen“ sollten. Im Burggrafenamt oder dem Bozner Unterland kam später dem Thema der Einbettung des „mittelalterlichen“ Bauwerks (Burg, Ansitz) in die Landschaft und die „Steigerung des Anblicks“ ein hohes Maß an Aufmerksamkeit zu. Bauherren und Architekten widmeten sich auch vor diesem Hintergrund einer Überarbeitung bzw. Intensivierung der mittelalterlichen Erscheinungsbilder der Gebäude. Germann, Georg, Neugotik – Geschichte ihrer Architekturtheorie,

Stuttgart 1974, S. 51ff. Vgl.: Picturesque Landscapes and Gothic Villas, in: Aldrich, Megan, Gothic Revival, S. 43ff. Zu den Umbauvorhaben am Äußeren von Schloss Enn sind mit wenigen Ausnahmen keine Pläne erhalten. 367 Die Gotik galt traditionell als sakraler Baustil. Unter anderem ausgelöst durch den Wettbewerb für den Wiederaufbau des britischen Parlaments (1840 bis um 1870) nach dem Brand von 1834 kam es zu großen Kontroversen über den zu verwendenden Baustil für das „profane“ Gebäude, die sich über internationale Zeitschriften bis in den deutschsprachigen Raum verbreiteten, darunter The Ecclesiologist, die Annales archéologiques und das Kölner Domblatt. Schließlich gelangte die Debatte über das „Gothic Revival“ im Profanbau über den sogenannten Kölner Kreis und den ihm nahestehenden Friedrich von Schmidt nach Österreich. Der Kölner Kreis hatte enge Verbindungen zu „ähnlichen progotischen Vereinigungen im damaligen England.“ Alofsin, Anthony, Architektur beim Wort nehmen, S. 29. Vgl.: Germann, Georg, Neugotik, S. 93ff. Aldrich, Megan, Gothic Revival, S. 20f., 38, 134ff. Über weitere Gründe, warum auch in Südtirol viele Bauherren mit einer Wiederbelebung mittelalterlicher („gotischer“) Baustile sympathisierten, siehe auch im Abschnitt „Vom ‚ethnographic turn‘ zur Deutschtümelei im Tourismus Südtirols“ im dritten Kapitel dieses Buches. 368 Dabei handelt es sich um einen Ausspruch von Horace Walpole, den Besitzer des „little gothic castle“ Strawberry Hill, in: Ders., A Description Of The Villa, London 1798, in: Tüting, Marion, RokokoGotik. Ein Phänomen des englischen „Gothic Revival“ im 18. Jahrhundert, Hildesheim-ZürichNew York 2004, S. 168, vgl. Fußnote 317. 369 Aldrich, Megan, Gothic Revival, S. 110–127. 1833 publizierte der schottische Landschaftsarchitekt John Claudius Loudon mit „Encyclopedia of Cottage, Farm and Villa Architecture“, wie Aldrich schreibt, „the Bible of middle-class building and garden design“. Der das ganze 19. Jahrhundert hindurch einflussreich bleibende Band fand weit über die Grenzen Großbritanniens, insbesondere in den USA, Verbreitung. Die zunehmende Popularisierung des „Gothic Revivals“ führte aber auch zu dessen Banalisierung („debasement“). Megan Aldrich schreibt über die weiteren Entwicklungen, „The result of this was a search for greater accuracy and archaeological correctness in Gothic design, accompanied by moral and religious concerns.“ Dieses Bemühen um historische Exaktheit (Primärquellen, Mustersammlungen etc.) hatte auch Einfluss auf die „castellation“ Südtiroler Ansitze und Schlösser, z. B. Runkelstein und Enn. Darüber hinaus wirkte sich der neue Zugang auf den „ethnographic turn“ allgemein aus – gemeint ist damit der Prozess der Identifikation und Konstruktion von „Geschichte“ als nationales (regionales) Ereignis. Vgl. im Abschnitt: Deutsche kulturelle Hegemonie in Tirol, in: Cole, Laurence, „Für Gott, Kaiser und Vaterland“, S. 93ff. Siehe dazu auch im Abschnitt „Vom ‚ethnographic turn‘ zur Deutschtümelei im Tourismus Südtirols“ im dritten Kapitel dieses Buches.

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370 „Gothic Revival“ und Wiederaufleben des „mittelalterlichen Lebensgefühls“ waren zwei unterschiedliche Strömungen. Fragen über das „Gothic Revival“ wurden in Fachkreisen geführt, wohingegen sich das populärkulturelle Geschichtsverständnis unter dem Einfluss der entstehenden Volkskunde und bezogen auf Tirol insbesondere vor dem Hintergrund der Jubiläumsjahre 1863 und 1909 entwickelte. Über das Geschichtsverständnis und die öffentliche Inszenierung von „Mittelalter“ in Tirol im zeitlichen Umfeld von 1863, dem Gedenkjahr von 1363 (Übergabe Tirols an die Habsburger durch Margarethe von Görz-Tirol, auch: Maultasch, 1318– 1369). Vgl.: Cole, Laurence, „Für Gott, Kaiser und Vaterland“, S. 93ff., 323ff. (hier über die Tiroler Jahrhundertfeier von 1909). 371 Malfèr, Viktor, Der Kurort Gries, S. 159. 372 Zum Gedächtnisse Friedrich Schmidt’s, Urtheile und Gutachten aus der Zeit seiner Wirksamkeit als Mitglied der k. k. Central-Commission für Kunst und historische Denkmale, Wien 1893, S. 10. 373 Trapp, Oswald, Hörmann, Magdalena (Hrsg.), Tiroler Burgenbuch, Bd. 10, S. 344, Fußnote 49. 374 Allgemein zu den Restaurierungen, vgl.: BZZ, 23.10.1886, S. 2. Volksbote, 20.10.1886, S. 3. Salzburger Fremden-Zeitung, 27.11.1897, S. 1. MEZ, 16.7.1889, S. 3. 375 Dass Otto Schmid mit dem Bauhüttenwesen sympathisierte, wurde oben bereits dargestellt. Über den Zusammenhang zwischen der Freimaurerei und der in der Romantik aufkommenden Vorstell­ ung einer Wiederbelebung verlorengegangener „Hüttengeheimnisse“, vgl.: Germann, Georg, Neugotik, S. 119. 376 Aldrich, Megan, Gothic Revival, S. 149f. 377 Ebd., S. 38. 378 Vgl.: Schlorhaufer, Bettina, Fritz Schumacher gestaltet den „Rittersaal“ von Schloss Prösels – arbeiten wie „Robinson auf ferner Insel“, bzw. dies., Der „so genannte Überetscher Stil“ und seine Vor­ bildwirkung, in: Dies., Schloss Prösels, Grote, Georg (Hrsg.), Architektur wird Region, S. 73ff. bzw. 78f. 379 Ebd., S. 354. 380 Freundlicher Hinweis von Philipp Schleidt, antike Baustoffe und historische Fliesen, Wien, E-Mail 23.8.2018. Philipp Schleidt vermutet, dass die Bodenfliesen im Saal von Schloss Enn von Villeroy und Boch in Mettlach stammen. Dort seien um 1900 moderne Nachbildungen mittelalterlicher Fliesenmuster produziert worden. 381 MEZ, 16.7.1889, S. 3. 382 Regierungsrat Tony Grubhofer gestorben, in: Alpenzeitung, 8.5.1935, S. 4. 383 Auf das Verwandtschaftsverhältnis wurde erstmals im Tiroler Burgenbuch hingewiesen, es konnte aber erst nach Hinweisen von Jutta HeuglChristomannos nachgewiesen werden. Vgl.: Trapp, Oswald, Hörmann, Magdalena (Hrsg.), Tiroler Burgenbuch, Bd. 10, Fußnote 65. 384 Thaler, Werner, Montan 2, Montan 2003, S. 101. Eine Inschrift auf der Fassade des Elsenhofs verweist auf das Jahr seiner Fertigstellung, 1894. Leider sind weder im Archiv von Schloss Enn noch im Bauamt von Montan Originalpläne zum Umbau des Elsenhofs erhalten.

385 Vgl.: Rohrer, Josef, Hotelier Alexander Ellmenreich. Kurzbericht (unveröff. Manuskript). Freundlich zur Verfügung gestellt von Florian Ellmenreich, Hotel Adria, Meran. 386 MEZ, 11.12.1896, S. 3. 387 MEZ, 10.6.1908, S. 4. 388 Schmid, S. 98f., 102. 389 Die Büroadresse befindet sich am Stempel eines Briefes von Otto Schmid aus dem Jahr 1901 in Bezug auf die Gründung des Verschönerungsvereins in Sulden. Freundliche Mitteilung von Klaus Schmid, 7.1.2014. 390 Vgl.: Schwienbacher, S. 81, Fußnote 187. Der Autor berichtet hier, dass Theodor Christomannos noch 1912 in einen Prozess mit Otto Schmid involviert gewesen sein soll, bei dem es um einen Streitwert von 20.000 Kronen (ca. 113.330 Euro) ging. Er beruft sich hier allerdings auf Dokumente in nicht näher genanntem Privatbesitz. Vgl.: Schmid, S. 96. 391 Verein für Alpenhotels in Tirol, Protokoll der Generalversammlung, Meran, 17.12.1905, TLMF, Sign. FB_137017_76. 392 Koop, Volker, Vom „Hotel Kitzbühel“ zum Grand Hotel, in: Freiberger, Ernst (Hrsg.), Geschichte des Grand Hotels Kitzbühel, Kitzbühel 2005, Stadt­ archiv Kitzbühel. Vgl.: Schmid., S. 88f. 393 Ebd., S. 100f. MEZ, 23.8.1907, S. 5. 394 Volksbote, 3.6.1920, S. 6. 395 MEZ, 20.4.1921, S. 4. 396 Schmid, S. 62f. 397 Prokop, S. 22. 398 Vgl.: Prokop, S. 22. 399 BZZ, 12.8.1897, S. 1. 400 MEZ, 2.9.1900, S. 4. Vgl.: Touriseum, Hotelprospekt, Inv. 4087399. 401 Richardi, Hans-Günter, Das Hotel am Pragser Wildsee. Geschichte eines Grandhotels in den Dolomiten, Prags 2012, S. 132ff., 154 und 156 (Abb.). 402 Volksblatt, 19.5.1904, S. 6. 403 MEZ, 21.4.1911, S. 3. Hier berichtet Otto Schmid (hier: Schmidt) von diesem Umbauvorhaben als Zeuge im Prozess auf Schadenersatz in der Nachfolge des Brandes im Hotel Karersee. 404 Diese Biografie von Tony Grubhofer basiert auf den Angaben von Carl Kraus im AKL – Allgemeines Künstlerlexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker, 2009. Mit freundlicher Genehmigung des Autors. Bibliografie, Werkverzeich­nis sowie Liste der Ausstellungen und Ausstellungs­beteili­ gungen siehe dort. 405 Regierungsrat Tony Grubhofer gestorben, in: Alpenzeitung, 8.5.1935, S. 4. 406 Todesanzeige Tony Grubhofer, Tiroler Anzeiger, 6.5.1935, S. 10. 407 Tiroler Anzeiger, 7.2.1935, S. 5. 408 it.wikipedia.org/wiki/Ferdinando_Acton (11.1.2019). 409 Der eigentliche Name der zum Teil auch farbig bebilderten Zeitschrift war „The Studio: An Illustrated Magazine of Fine and Applied Art“ und erschien von 1893 bis 1964 in London. Durch seinen Bezug zu Kunst und Kunsthandwerk hatte das Magazin besonderen Einfluss auf die Jugendstil- und die Artsand-Crafts-Bewegung. 410 Zimmeter, Kunibert, Tony Grubhofer. Ein Gedenkblatt zu seinem 70. Geburtstag, in: Der Schlern, H. 3, Bozen 1925, S. 71–73, hier: 72.

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411 Tiroler Anzeiger, 7.2.1935, S. 5. 412 Zimmeter, Kunibert, Tony Grubhofer, S. 72. 413 1895–1897, Villa Hübel (auch: St. Georgen) für Rudolf Hübel (abgerissen), Ifingerstraße 7, I-39012 Meran, Kat.: H3.131, X2.356, X8.450, Abb. in: Der Architekt, Wiener Monatshefte für Bauwesen und decorative Kunst, 5. Jg., Wien 1899, S. 3, Schaubild von Tony Grubhofer, Tafel 5. Originaldruck des Schaubilds im Musch & Lun Archiv, Sign. H3_2436. Wahrscheinlich stammt auch das folgende, unsignierte Schaubild von Tony Grubhofer: 1899/1900, Villa Ultenhof für Armand Freiherr Dumreicher von Österreicher, Winkelweg 71, Original im Musch & Lun Archiv, Sign. D1_1050. 414 TLMF, Sign. FB_7778. 415 Anton Edlinger (biografische Daten unbekannt) war ein Redakteur der Meraner Zeitung. MEZ, 13.11.1886, S. 19 (Vorankündigung). MEZ, 29.9.1887, S. 14 (Rezensionen). 416 Christomannos, Theodor, Grubhofer, Tony, Kurort Meran, 77. Versammlung Deutscher Naturforscher u. Ärzte, Meran 1905, TLMF, Sign. W_5049. 417 Dolomiten, 12.3.1934, S. 3. 418 Der Begriff Montage stammt ursprünglich aus der Literatur, wo er als Bezeichnung für das Zusammenfügen von Texten oder Textteilen, die unterschiedliche Inhalte, Sprachebenen und -stile transportieren, verwendet wird. In der bildenden Kunst wäre das Äquivalent zur Montage die Collage. In Verbindung mit den Bildschöpfungen von Tony Grubhofer wird auf den Begriff Collage deshalb verzichtet, weil der Künstler im eigentlichen Sinn der Collage keine Bilder und Bildteile zusammenklebte (das französische Wort „coller“ bedeutet „kleben“). 419 Auch: Hermann von Gilm, Hermann Gilm von Rosenegg. 420 Museumsverein Bozen (Hrsg.), 125 Jahre Museumsverein Bozen 1882–2007. Ein Stück Südtiroler Zeitgeschichte, Bozen 2007, S. 78ff. Cossetto, Milena, Die k. k. Fachschule für Holzindustrie in Bozen, in: Stadtarchiv Bozen (Hrsg.), Dominikaner in Bozen, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung, Bozen 2010, S. 125. 421 75 Jahre Bundesgewerbeschule Innsbruck, Innsbruck 1957, TLMF. 422 Stadtarchiv Bozen, Magistratsprotokoll-Bücher, Ansuchen des Toni Grubhofer um Heimatrecht (befürwortet), 10.6.1921, bzw. Ansuchen des Toni Grubhofer jun. um Heimatrecht (befürwortet), 28.6.1922. 423 Dolomiten, 19.12.1923, S. 2. 424 MEZ, 25.2.1922, S. 3. 425 MEZ, 5.5.1880, S. 4. Der Burggräfler, 16.5.1891, S. 5. Ebd., 7.4.1886, S. 6. Ebd., 11.7.1888, S. 6. BZZ, 11.1.1922, S. 4. Dolomiten, 12.3.1934, S. 3. 426 Der Burggräfler, 15.9.1915, S. 6. 427 Pokorny, Bruno, Aus Merans Werdezeit 1870–1900, Meran 1929, S. 215. 428 Über den Begriff „middling provincials“, vgl. in den Abschnitten „Engmaschige AkteurNetzwerke“ in diesem Kapitel und „Das Berghotel als Weltanschauungssymbol“ im Kapitel „Das Berghotel“ in diesem Buch. 429 BZZ, 8.10.1905, S. 4. Dolomiten, 12.3.1934, S. 3.

430 Vgl. dazu auch: Malfèr, Viktor, Der Kurort Gries, S. 166f. 431 1901/1903/1909, Villa Waldhaus mit Nebengebäuden, Badehaus und Verkaufsladen für Dr. Sebastian Huber (heute: Golf Club Carezza Residence, vollständig überbaut), Karerseestraße 3a, I-39056 Welschnofen, Musch & Lun Archiv, Kat.: H6.140, X8.447, Dok./Lit.: Bauamt Welschnofen (Plankopien: Sammlung Touriseum – Südtiroler Landesmuseum für Tourismus, Blätter Nr. TOUR_4100483 bis TOUR_4100491). 432 BZZ, 28.3.1906, S. 4. Das Anwesen musste damals wegen der Errichtung eines Tunnels für die Vinschgaubahn geräumt werden, es war aber noch länger in Besitz von Sebastian Huber. 433 1893/1904, Umbau („Korrektur“) eines Fahrwegs nach Josefsberg oberhalb der Brauerei Forst, I-39022 Algund, Musch & Lun Archiv, Kat.: H6.141, Dok./Lit.: –. Vgl.: Der Burggräfler, 11.4.1891, S. 12. 434 MZZ, 21.4.1869, S. 3f. www.sagen.at/doku/quellen/ quellen_s_tirol/josefsberg.html (24.1.2018). 435 BTV, 8.7.1891, S. 2. 436 Der Kauf der Liegenschaft erfolgte im Jahr 1889 für einen Preis von 56.800 Gulden (ca. 779.200 Euro), vgl.: Der Burggräfler, 10.4.1889, S. 6. Umbauten von Musch & Lun: 1904/1905, Aufstockung Pension Neuhaus für Dr. Sebastian Huber, Rufinplatz 2 (heute: Carduccistraße), I-39012 Meran, Musch & Lun Archiv, Kat.: H6.139, Dok./Lit.: Pixner-Pertoll, Anna, Ins Licht gebaut. S. 274. 1907, Anbau an die Pension Neuhaus von Dr. Sebastian Huber, Rufinplatz 2 (heute: Passerpromenade), I-39012 Meran (in Zusammenarbeit mit Architekt Gustav Birkenstaedt, um 1872–1912), Musch & Lun Archiv, Kat.: H6.138, Dok./Lit.: Pixner-Pertoll, Anna, Ins Licht gebaut, ebd. 437 Die Biografie entstand auf der Basis eines Nachrufs. Vgl.: Dolomiten, 15.10.1930, S. 6. 438 Freundliche Mitteilung Peter Goller, Universitätsarchiv Innsbruck, E-Mail 8.7.2019. 439 MEZ, 19.2.1917, S. 4f. Tiroler Anzeiger, 20.2.1917, S. 3f. Attlmayr, Ernst, Tiroler Pioniere der Technik – 35 Lebensbilder, in: Tiroler Wirtschaftsstudien, Nr. 23, Innsbruck-München 1968, S. 68–71. Pfaundler-Spat, Gertrud, Tirol Lexikon. Ein Nachschlagewerk über Menschen und Orte des Bundeslandes Tirol, 2. Aufl., Innsbruck-Wien-Bozen 2005, S. 479. 100 Jahre Karwendelbahn, online: web. archive.org/web/20160312032433. www.schienenweg.at/index.php?page=Thread&threadID=18594 (6.2.2019). Judmaier, Diethelm, Der Ingenieur Josef Riehl (1842–1917) – „Eisenbahnvater Tirols“, o. O., o. J., online: archiv-baukunst.uibk.ac.at/download/ Josef Riehl_071112.pdf (6.2.1019). 440 MEZ, 21.4.1895, S. 3. 441 1902–1904, Hotel Stubai (auch: Hotel Stubaier Hof, Grandhotel Stubai, 1972 abgerissen, heute an diesem Standort: Schülerwohnheim Don Bosco der Österreichischen Provinz der Gesellschaft der Salesianer Don Boscos), Bahnstraße 49, A-6166 Fulpmes, Musch & Lun Archiv, Kat.: R2.18, Dok./Lit.: Archiv der Gemeinde Fulpmes (Abb.). 442 MEZ, 19.2.1917, S. 5. 443 www.architektenlexikon.at/de/1213.htm Stellenwert (2.8.2018).

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444 1909/1912, Errichtung des Kraftwerks Schnalstal, Hauptstraße, I-39025 Naturns, Musch & Lun Archiv, Kat.: X7.433, X8.446, Dok./Lit.: Weiteres Plan­ma­terial in der Sammlung des Jenbacher Museums. Architektur in Südtirol. 1900 bis heute, Architek­ ten­kammer der Provinz Bozen (Hrsg.), Bozen 1993, S. 51. www.tecneum.eu/index.php?option=com_ tecneum&task=object&id=400 (11.2.2019). 445 MEZ, 19.2.1917, S. 5. 446 Es bedeutet einen großen Verlust für die Forschung, dass der Nachlass Riehls von den späteren Inhabern seiner Firma Innerebner & Mayer bzw. Innerebner ohne Rücksprache mit Forschungseinrichtungen, Museen oder Archiven vor wenigen Jahren entsorgt wurde. Von einzelnen Institutionen und Privatsammlern konnten nur kleinere Teile der wertvollen Sammlung gerettet werden, u. a. vom Verein Tiroler Museumsbahnen in Innsbruck. Das ist auch der Grund, weshalb bis heute keine Monografie mit Gesamtwerkverzeichnis über die Bauten und Projekte Josef Riehls vorliegt. Lediglich Diethelm Judmaier erfasste einen Teil des reichen Schaffens von Josef Riehl, vgl.: Judmaier, Diethelm, Der Ingenieur Josef Riehl (1842–1917) – „Eisenbahnvater Tirols“. 447 Allgemein über Carl (falsch: Karl) Lun: Künigl, Emil, Karl Lun. Zum ersten Jahrestage seines Todes (7. März 1925), in: Der Schlern, H. 3, Bozen 1926, S. 73–78 (mehrere Abb. auf den Folgeseiten). Mascotti, Albert, Josef Musch & Karl Lun, in: Turris Babel, H. 5, Bozen 1986, S. 28–34. Das von Mascotti zusammengestellte Werkverzeichnis wurde im Rahmen des Forschungsprojekts „Musch & Lun. Architekten, Entrepreneure und Politiker der Gründerzeit in Tirol“ überarbeitet und erweitert. Projektleitung: Bettina Schlorhaufer, Arbeitsbereich Architekturtheorie, Institut für Architekturtheorie und Baugeschichte, Universität Innsbruck. Projektphasen und Finanzierung: Teil 1) Inventarisierung des Musch & Lun Archivs (TWF 06.2012–08.2012). Teil 2) Aufarbeitung und Interpretation des Musch & Lun Archivs (Autonome Provinz Bozen, Amt für Bildungsförderung, Universität und Forschung, 03.2013–09.2015). Teil 3) Berghotels in Südtirol, ca. 1890 bis 1920 (Autonome Provinz Bozen/Betrieb Landesmuseen/Touriseum, 10.2016–05.2019). Forschungsbericht: txt.architekturtheorie.eu/?cat=42 (31.1.2019). 448 MEZ, 5.3.1887, S. 3. BTV, 24.5.1888, S. 10. Beide Unter­ nehmen gingen nach dem Ausscheiden von Josef Musch auf Carl Lun über, vgl.: BZZ, 4.8.1910, S. 2. Das Gelände der „Fabrik von bautechnischen Artikeln, Kunst- und Möbeltischlerei“ in der Meraner Schießstandstraße war bis 2014 in Familienbesitz. 449 MEZ, 22.4.1884, S. 7. 450 MEZ, 31.10.1893, S. 3. 451 Allgemein über die Familie Lun, vgl.: Weber, Franz Sylvester, Heinrich Lun, seine Vorfahren und sein Stamm, die Lun vom Lunhofe zu Unterplatten, in: Der Schlern, H. 3, Bozen 1925, S. 76–86 (hier: S. 85, ein kurzer Nachruf auf Baurat Carl Lun, der während der Drucklegung des Beitrags über seine Familie verstorben war).

452 Der Tiroler/Der Landsmann, 7.3.1925, S. 4. Vgl. Südtiroler Volksblatt, 14.3.1925, S. 6. 453 Dolomiten, 4.3.1939, S. 5. Viele freundliche Hinweise in Bezug auf die familiären Verbindungen von Musch & Lun stammen von Barbara Sträuli, Zürich, 15.12.2014. 454 Dolomiten, 13.10.1928, S. 5. 455 Sohn Bruno Musch verstarb 61-jährig in Wien, vgl.: Dolomiten 15.5.1943, S. 4. 456 Freundliche Mitteilung Peter Mayersbach, Innsbruck, 12.7.2013. 457 MEZ 6.8.1910, S. 3. Mitteilung über die Trennung der Inhaber der „Fabrik von bautechnischen Artikeln, Kunst- und Möbeltischlerei“ und dass diese nun an den Alleinunternehmer Carl Lun übergeht. Vgl.: Handelskammer Bozen, Handelsregister. In der Folge gründete Josef Musch eine eigene Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die erst 1925 aus dem Handelsregister Bozen gelöscht wurde. Der lange Abstand zum Konkurs der Firma im Jahr 1913 dürfte auf den Ersten Weltkrieg und die Nachkriegszeit zurückzuführen sein, in der erst nach und nach im Zug der Italianisierung Südtirols das Handelsregister auf den neusten Stand gebracht wurde. Freundliche Mitteilung Stephan Bertagnolli, Handelskammer Bozen, 28.10.2019. 458 MZZ, 25.9.1910, S. 3. MZZ, 8.6.1913, S. 4. 459 Allgemein zu den Villen von Musch & Lun, vgl.: Pixner-Pertoll. 460 1901, Villa Musch & Lun, Burggrafenstraße 6 (heute: 30.-April-Straße 4), I-39012 Meran, Musch & Lun Archiv Kat.: X1.352, X6.415, X8.460, Dok./Lit.: Südtiroler Denkmalamt, BLR-LAB 4791 vom 07/08/1989. Pixner-Pertoll, S. 114f. (Abb.), 253. Auf dem Grundriss des Hochparterres auf Blatt Nr. X1_6366 ist zu sehen, dass zwei mit „Privatkanzlei“ beschriftete Büros eingerichtet wurden. Eines davon grenzte an ein Sitzungszimmer und dürfte von Carl Lun benützt worden sein, das andere schloss an den „Zeichensaal“ an und könnte das von Josef Musch gewesen sein. 461 1912, Villa Musch (auch: Villa Ebner, Pension Anna), Maiastraße 2, I-39012 Meran (in Zusammenarbeit mit Gustav Birkenstaedt). Diese Villa entstand nach der Trennung von Carl Lun, weshalb sich keine Pläne im Musch & Lun Archiv finden, Dok./ Lit.: Südtiroler Denkmalamt, BLR-LAB 4791 vom 07/08/1989. Pixner-Pertoll, S. 118 (Abb.), 269. 462 1885/1914, Hotel-Pension Austria (heute: Hotel Adria) des Herrn Ferdinand Langguth, Waldergasse 137 (heute: Hermann-Gilm-Weg 2), I-39012 Meran, Musch & Lun Archiv, Kat.: L1.34, Dok./Lit.: Rohrer, Josef, Geschichte des Hotels Austria-Adria, Auftragsforschung für Florian Ellmenreich, Hotel Adria, Manuskript, Meran 2014. Mit freundlicher Genehmigung von Florian Ellmenreich. 463 Volksblatt, 20.3.1875, S. 2. BZZ, 10.4.1875, S. 3. 464 Am 28. Oktober 1881 erwarben Josef Musch und Carl Lun zwölf Parzellen aus dem sogenannten „Waldergut“ in Meran-Obermais. Dabei handelte es sich um einen ehemaligen Weinberg, Parz. Nr. 2105. Auf einem Teil des Baugrundes wurde

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1886 das Hotel Austria (heute Hotel Adria) errichtet. Der Vertrag über den Ankauf der Grundparzelle für die Errichtung des Hotels Austria (später: Hotel Adria) ist im Hotel ausgestellt. Mit freundlicher Genehmigung von Florian Ellmenreich, Hotel Adria. 465 MZZ, 8.6.1881, S. 4. 466 1881, Stadt-Erweiterungs-Plan für Meran, Kat.: SAM, PLAN_321, Dok./Lit.: Gadner, Walter, Schmidt, Magdalene, Stadtgestalt und Stadterweiterungen in Meran bis 1918, in: Pixner-Pertoll, S. 211–243 (Abb. S. 221). 467 1881, Cadre-Kaserne für die Stadt Meran (später: Andreas-Hofer-Kaserne, abgerissen), AndreasHofer-Straße 11, I-39012 Meran, Musch & Lun Archiv, Kat.: S7.177, Dok./Lit.: –. 468 1882–1883; 1888/1898; 1905; 1932–1933, Hotel Habsburgerhof (heute: Hotel Bellevue), Habsburgerstraße (heute: Freiheitsstraße 194), I-39012 Meran, Musch & Lun Archiv, Kat.: F2.89 bzw. B3.42 (Umbau Hotel Bellevue), Dok./Lit.: Südtiroler Denkmalamt, BLR-LAB 1640 vom 30/03/1981. PixnerPertoll, S. 68 (Abb.), 74 f. (Abb.), 95, 136, 220. Der Entwurf des Hotels wurde nicht von Musch & Lun alleine realisiert. Zumindest die Fassaden (z. B. Blätter Nr. F2_1738 und F2_1741) wurden laut Stempel vom polnischen Architekten Jan B. Zawiejski (eigentlich Jan Baptysta Feintuch, 1854–1922) – später Stadtbaumeister von Krakau – gestaltet. Carl Lun und Jan Zawiejski könnten schon in ihrer Studienzeit zusammengetroffen sein, denn Zawiejski studierte wie Lun in München und Wien. Zu seinen wichtigsten Bauten zählt das barockisierende Juliusz Slowacki Theater in Krakau (1893). 469 Josef Musch hatte die Steuernummer 1388 und Carl Lun die Nummer 1410, SAM_Steuerregister, Sign. SR_1524 bzw. Sign. SR_1525. 470 Handelskammer Bozen, Handelsregister. Dort findet sich nur der einzeilige Vermerk über die Eintragung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung unter dem Firmenwortlaut „J. Musch & C. Lun“ (ohne begleitende Dokumente) – übrigens auf derselben Seite, auf der sich auch die Eintragung von „Josef Musch“ Gesellschaft mit beschränkter Haftung findet. 471 MEZ, 5.3.1887, S. 3. 472 MEZ, 21.9.1888, S. 2. BTV, 14.5.1888, S. 10. Die Bauund Möbeltischlerei wurde als offene Gesellschaft bzw. OHG gegründet. Dieser Firmensitz bestand bis in die jüngste Vergangenheit unter dem späteren Namen des Unternehmens, Kinkelin in der Schießstandstraße in Meran. 473 Schlorhaufer, Bettina, Theodor Prachensky. Architekt und Stadtplaner 1888–1970, in: Dies., Boeckl, Matthias, Theodor Prachensky – Architekt und Maler, Innsbruck-Bozen 2006, S. 11. Schlorhaufer, Bettina, Franz Baumann – Architekt der Moderne in Tirol, in: Hambrusch, Horst, Joachim Moroder, Bettina Schlorhaufer (Hrsg.), Franz Baumann: Architekt der Moderne in Tirol, Wien-Bozen 1998, S. 16f. 474 Der Burggräfler, 20.4.1907, S. 6. 475 Z. B.: 1896–1898/1904/1905/1911/1920–1922, Kraftwerk Töll der Etschwerke, Brauhausstraße (Vinschgauerstraße), I-39022 Algund, Musch & Lun

Archiv, Kat.: E3.28, Verträge: S6_5318 und S6_5319, Dok.:/Lit. (Auswahl): Südtiroler Denkmalamt, BLR-LAB 4785 vom 10/08/1987. Der Bautechniker. Centralorgan für das österreichische Bauwesen. Organ des Vereines der österreichischen ClementFabrikanten und des Vereines der Baumeister im Königreiche Böhmen und der Baumeister in Nieder-Oesterreich. Zeitschrift für Bau- und Verkehrswesen, Technik und Gewerbe, Nr. 6, Wien 1897, S. 106. Etschwerke/Azienda Energetica Consorziale (Hrsg.), Wasserkraftwerk auf der Töll, Bozen 1998. Ders. (Hrsg.), Das elektrische Jahrhundert 1898–1998, Bozen 1998, S. 13 ff. Mitterer, Wittfrieda (Hrsg.), Megawatt & Widerstand. Die Ära der Großkraftwerke in Südtirol, Technisches Kulturgut im Rampenlicht, Bozen 2005, S. 96. www.tecneum.eu/index.php?option=com_tecneum&task=object&id=312 (4.2.2019). 476 Nur etwa zwei Jahre früher wurde in den USA von der Edward Dean Adams Power Plant das flächenmäßig ähnliche Gebiet zwischen den Städten Niagara Falls und Buffalo mit Strom versorgt. Vgl.: Schlorhaufer, Bettina, Wie der Strom zur Steckdose kam. 1898 nahm in Südtirol das erste Stromverbundnetz weltweit seinen Betrieb auf, txt. architecturaltheory.eu/?p=1886&lang=de (4.2.2019). 477 Flückiger-Seiler (1), S. 94. 478 BTV, 6.3.1907, S. 8. 479 BTV, 1.4.1914, S. 2. Carl Lun wurde in dieser Funktion von Dr. Paul von Hepperger abgelöst. Hepperger war wie Dr. Stainer Rechtsanwalt in Meran. Vgl.: MZZ, 23.2.1916, S. 4. Hier wird bekanntgegeben, dass Carl Lun seinen Vorgänger Dr. Paul von Hepperger neuerlich an der Spitze des Vereins ablöst. 480 Die Biografie entstand auf der Basis folgender Zeitungsberichte und Nachrufe: Volksblatt, 11.12.1889, S. 3. MEZ, 1.9.1897, S. 4. Innsbrucker Nachrichten, 5.3.1904, S. 3. MEZ, 6.3.1904, S. 3. BZN, 8.3.1904, S. 5f. BTV, 8.3.1904, S. 1. 481 Siehe dazu auch den Originaltext über die Errichtung des Hotels Karersee unter der Bauleitung von Josef Lun an anderer Stelle in diesem Buch. 482 Der Gründungsprozess erfolgte nach dem Vereinsgesetz von 1852 und nahm ca. ein Jahr in Anspruch, weil die Statthalterei für Tirol und Vorarlberg Einwände gegen einige Paragrafen in den Statuten erhob. Die Statuten werden an gesonderter Stelle wiedergegeben. TLA, Vereine in Deutsch-Tirol und Vorarlberg, 1819 bis 1943, Rep. 625 A. TLA, Verein für Alpenhotels in Tirol, Statthalterei für Tirol und Vorarlberg, Verein, Z. 8490, 1895. TLA, Auflösung des Vereins für Alpenhotels in Tirol, 1906, Statthalterei für Tirol und Vorarlberg, Verein, Z. 19467-09. Statuten des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ siehe im Anhang dieses Bandes. 483 MEZ, 21.4.1895, S. 3. 484 Christomannos, Theodor, Sulden–Trafoi, S. 81. Nicht nur hier schrieb Theodor Christomannos von einer „Suldenhôtel-Gesellschaft“, die Diktion findet sich auch auf frühen Prospekten wieder (TLMF). Möglicherweise war das der Grund, weshalb manche Autoren davon ausgingen, dass diese Körperschaft tatsächlich bestand. Vgl.: Schmid,

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S. 32. Auch hier schreibt der Autor, Theodor Christomannos und Otto Schmid hätten das Hotel Sulden aus eigener Tasche errichtet und dafür eine „Suldenhôtel-Gesellschaft“ gegründet. „Der wirtschaftliche Erfolg des Hauses und der Bedarf an zusätzlichen Geldmitteln ließ die Idee des Vereins für Alpenhotels Wirklichkeit werden.“ 485 Schmid, S. 125. Hier gibt der Autor ein Schreiben von Theodor Christomannos wieder, das sich heute nicht mehr in den Akten des TLA befindet und auch nicht von Schwienbacher zitiert wird. In diesem Brief heißt es unter anderem: „Er [Theodor Christomannos, Anm.] und der Wiener Architekt Otto Schmid waren diejenigen, die auf den glücklichen Gedanken kamen, im Suldenthale ein mit allen Comforts der Neuzeit eingerichtetes Fremdenhaus zu erbauen und kann in der That dasselbe als ein Muster in seiner Art bezeichnet werden.“ 486 MEZ, 21.4.1895, S. 3. Während der genannte „Forstrath Stainer aus Innsbruck“ nicht lange im Verein geblieben zu sein scheint, zählte Hans Gritsch (eigentlich seine Gattin Maria) zu den langjährigen Mitgliedern. Vgl.: „Verein für Alpenhotels in Tirol Ges. m. b. H., Mitglieder und Einlagesummen, 31.3.1906“ an gesonderter Stelle in diesem Buch. Vgl.: Schmid, S. 125f. 487 Verein für Alpenhotels in Tirol, Protokoll der Generalversammlung, Meran, 17.12.1905, TLMF, Sign. FB_137017_76. 488 Tiroler Volksblatt, 30.10.1872, S. 4. 489 Angerer, Johann, Enquete, S. 72. 490 Pustertaler Bote, 13.11.1896, S. 4. 491 Cole, Laurence, „Für Gott, Kaiser und Vaterland“, S. 81. 492 Ebd. 493 Steckl, Hannes, Heiss, Hans, Klein- und mittelständische Lebenswelten, in: Die Habsburgermonarchie 1848–1918, Bd. IX (1. Teilband: „Soziale Strukturen“), Wien 2010, S. 561–619, S. 568. Ders., Bürgertum in Südtirol. Umrisse eines verkannten Phänomens, in: Bruckmüller, Ernst, Döcker, Ulrike, Stekl, Hannes, Urbanitsch, Peter (Hrsg.), Bürgertum in der Habsburgermonarchie, Wien-Köln 1990, S. 299–317. 494 Nicht nur in Südtirol wurden die „kleinstädtischen Horizonte“ durch „besitz- und bildungsbürgerliche Aufsteiger“ und Zuwanderer systematisch aufgebrochen (Steckl, Hannes, Heiss, Hans, ebd.), weshalb sie von manchen Historikern aufgrund ihrer Vermittlerrolle in Verbindung mit unterschiedlichen (Unternehmens-)Gründungen auch als „middling provincials“ bezeichnet werden. Siehe dazu auch im Abschnitt „Das Berghotel als Weltanschauungssymbol“ im Kapitel „Das Berghotel“ in diesem Buch. Vgl.: Augusteijn, Joost, Storm, Eric, Introduction: Region and State, in: Augusteijn, Joost, Storm, Eric (Hrsg.), Region and State in Nineteenth-Century Europe: NationBuilding, Regional Identities and Separatism, Basingstoke 2012, S. 4. Über den „neuen Generationentypus“ (Hans Heiss) im Tourismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts vgl.: Heiss, Hans, Eine weit zurückreichende Tradition, in: Leonardi, Andrea (Hrsg.), Die Region Trentino-Südtirol im 20. Jahrhundert, S. 390f. Vgl.: Rucki, S. 84f.

495 Vgl.: Steckl, Hannes, Heiss, Hans, Klein- und mittelständische Lebenswelten, S. 563. 496 Paragraph 2 der Statuten des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“. Siehe auch im Anhang. 497 BZZ, 3.7.1906, S. 3. 498 BTV, 7.7.1896, S. 3. 499 Beispielsweise wurde vor der Gründung des Hotelbauvereins in Kitzbühel noch von der Gründung eines „Actienhotels“ berichtet. Vgl.: Innsbrucker Nachrichten, 1.2.1900, S. 3. Siehe dazu auch im Abschnitt über das Hotel Kitzbühel im Katalogteil dieses Buches. 500 Vgl. Schmid, S. 125f. 501 Pernwerth [v. Bärnstein, Wilhelm, Anm.], Das Fremdenwesen in Tirol, S. 13. Vgl. dazu den Abschnitt „Großhotels und Kurzentren mit und ohne Anbindung an die Eisenbahn“ an anderer Stelle in diesem Buch. 502 Über das Weisslahnbad siehe auch im entsprechenden Abschnitt im Katalogteil dieses Buches. 503 Bildungsausschuss Tiers (Hrsg.), Tiers am Rosengarten. Biographie eines Bergdorfes, Bozen 1998, S. 116. 504 Über den Rosengartenhof siehe auch im entsprechenden Abschnitt im Katalogteil dieses Buches. 505 Siehe dazu im Abschnitt „Architekturtransfer“: Von den Dolomiten nach Nordtirol und auf den Semmering, im Kapitel „Das Berghotel. Das Hotel als Bautyp und seine Entwicklung zum Berghotel in Südtirol“. Vgl.: Vasko-Juhász, S. 288. 506 MEZ, 7.2.1902, S. 3. 507 Südtiroler Volksblatt, 20.6.1905, S. 1f. Über die Brennerbad-Gesellschaft im Detail siehe im Katalogteil dieses Buches. 508 Ebd. 509 Ebd. 510 RGBl. Nr. 58/1906, Gesetz vom 6. März 1906, über Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH-Gesetz – GmbHG). Vgl.: www.ris.bka.gv.at/ GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10001720 (21.11.2019). 511 Verein für Alpenhotels in Tirol Ges. m. b. H., Handelskammer Bozen, Handelsregister, „Betrag der geleisteten und eingeforderten Einzahlungen“. Wenn man die genannten Kapitalerhöhungen zusammenzählt, kommt man auf einen Betrag von 1,364.000 Kronen (ca. 7,729.106 Euro). Die Abwei­ chung könnte auch daher rühren, dass einzelne neue Gesellschafter nicht Bargeld, sondern Waren in die Organisation einbrachten. Naheliegend wäre das z. B. für den Sekthersteller Otto Henkell. Siehe unten. 512 Verein für Alpenhotels in Tirol, Protokoll der Generalversammlung, Meran, 17.12.1905, TLMF, Sign. FB_137017_76. 513 Ebd. 514 de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Fulda (7.11.2018): „Ludwig Fulda war einer der meistgespielten Bühnenautoren seiner Zeit mit engen Beziehungen zum literarischen Leben und zu den literarischen Institutionen vom Kaiserreich bis zur Weimarer Republik. Zu seinen bedeutendsten Bühnenstücken zählt ‚Der Talisman‘. […] Als Übersetzer vor allem von Werken Molières hat er sich bleibende Ver­ dienste erworben. Bis heute viel gespielt ist seine

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Übertragung des ‚Cyrano de Bergerac‘ von Edmond Rostand. Durch seine maßgebliche Beteiligung am Aufruf von 93 prominenten Gelehrten und Künstlern ‚An die Kulturwelt!‘ im September 1914 leistete er einen viel beachteten Beitrag zur Propaganda im Ersten Weltkrieg.“ 515 TLA, Vereine in Deutsch-Tirol und Vorarlberg, 1819– 1943, Rep. 625 A, freiwillige Auflösung des Vereins, Zl. 19467-09. Der Verein wurde demnach nicht mit der Gründung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung aufgelöst, sondern erst im Jahr 1909 (beiliegend ein Schreiben von Theodor Christomannos, dat. 27.2.1909). 516 Verein für Alpenhotels in Tirol GeS. m. b. H., Handelskammer Bozen, Handelsregister. BTV, 29.8.1906, S. 7. 517 Ebd. 518 MEZ, 9.8.1908, S. 3. Diese Steuer wird hier zum Teil auch als „120% Kommunalumlage“ bezeichnet. 519 Ebd. 520 Ebd. 521 Pustertaler Bote, 23.10.1908, S. 6. 522 Verein für Alpenhotels in Tirol, Protokoll der Generalversammlung, Meran, 17.12.1905, TLMF, Sign. FB_137017_76. 523 Über das Christomannos-Haus siehe im Abschnitt über das Dolomitenhaus in Canazei im Katalogteil dieses Buches. 524 Ebd. 525 Auch dieser Verein wurde 1906 in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung umgewandelt, vgl. Schmid, S. 89, 91. Vgl.: Abschnitt über das Hotel Kitzbühel im vierten Kapitel dieses Buches. 526 Biografien der hier und in der Nachfolge genannten Personen, vgl.: „Verein für Alpenhotels in Tirol“ Ges. m. b. H., Mitglieder und Einlagesummen, 31.3.1906, an gesonderter Stelle. 527 Albrich, Thomas (Hrsg.), Jüdische Lebensge­schich­ ten aus Tirol. Vom Mittelalter bis zur Gegen­wart, Innsbruck-Wien 2012, S. 14f. Ders. (Hrsg.), Jüdisches Leben im historischen Tirol, Bd. 2 (Von der bayerischen Zeit 1806 bis zum Ende der Monarchie 1918), Innsbruck-Wien 2013, S. 228–231. 528 Beyle, Annette, Entstehung und Entwicklung der Vorarlberger Industrie, S. 9, online: wirtschaftsarchiv-v.at/files/Industrie.pdf (20.7.2019). 529 Vgl. über das überall aufblühende Vereinswesen: Steckl, Hannes, Heiss, Hans, Klein- und mittelständische Lebenswelten, S. 567. 530 Freundliche Mitteilung des Archivars der Sektion Rheinland des Deutschen Alpenvereins, Reinhold Kurse, E-Mail 2.3.2020. Vgl.: de.wikipedia.org/ wiki/Sektion_Rheinland-Köln_des_Deutschen_ Alpenvereins (18.7.2019). 531 Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950, Band 5, Wien 1972, S. 299f. 532 Das veranschaulichen Dokumente, die im Bauamt Welschnofen zusammen mit den Einreichplänen der Kölner Hütte aufbewahrt werden. 533 www.heidermanns.net/gen-pers.php?ID=40647 (22.7.2019). 534 Verein für Alpenhotels in Tirol Ges. m. b. H., Handelskammer Bozen, Handelsregister. Die in der Folge angegebenen Beträge weichen von den

oben angegebenen Kapitalerhöhungen ab. Das könnte darauf zurückzuführen sein, dass nicht nur Bareinlagen in die Kasse des „Vereins für Alpenhotels in Tirol Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ flossen, sondern ev. auch Sachwerte wie z. B. Sekt. 535 (Linzer) Tages-Post, 21.11.1925, S. 4. Er gehört zudem von 1908 bis 1914 der Meraner Stadtvertretung an. 536 Der Burggräfler, 7.6.1923, S. 4. Auf ihn geht ein umfassender Nachruf auf Theodor Christomannos in der Zeitschrift des Alpenvereins zurück, vgl.: Sölder, Otto v., Theodor Christomannos, in: Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins, 37, 1911, S. 33–35. 537 de.wikipedia.org/wiki/Otto_Henkell (22.7.2019). 538 BZZ, 17.12.1894, S. 3. BZZ, 30.5.1895, S. 2. MZZ, 21.7.1912, S. 16. Czernowitzer Tagblatt, 28.2.1912, S. 1 (hier als „Industrieller“ bezeichnet). Alfred Escher war Besitzer des Handelshauses Escher & Co. in Triest. Nach den Angaben in mehreren Gästelisten dürfte er mit seiner Frau regelmäßig in Südtirol zu Gast gewesen sein. 539 Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv Austria, Kriegspressequartier Alben, online: www. bildarchivaustria.at/Pages/Search/Result.aspx?p_ ItemID=1 (22.7.2019). 540 www.bildarchivaustria.at/Pages/ImageDetail. aspx?p_iBildID=15588777 (22.7.2019). 541 Deutscher Verein für Dolomitenhäuser GeS. m. b. H, Handelskammer Bozen, Handelsregister. Der Gesellschaftsvertrag wurde am 3.6.1907 abgeschlossen, die Gesellschaftsgründung erfolgte am 1.8.1907 und der Firmensitz war Bozen. Die Gesellschaft wurde zwischen 1921 und 1925 liquidiert. Vgl.: BZZ, 3.10.1907, S. 3. Ebd., 16.10.1907, S. 4. 542 Satzungen des „Deutschen Vereins für Dolomitenhäuser“ Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Bozen, Handelskammer Bozen, Handelsregister. 543 Detaillierte Informationen über den „Deutschen Verein für Dolomitenhäuser“ siehe im Abschnitt über das Dolomitenhaus in Canazei im Katalogteil dieses Buches. 544 Kustatscher, Erika, Staffler (Familie), in: Neue Deutsche Biographie, www.deutsche-biographie.de/ sfz125323.html (31.10.2019). 545 Satzungen des „Deutschen Vereins für Dolomitenhäuser“ Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Bozen, Handelskammer Bozen, Handelsregister. 546 Verein für Alpenhotels in Tirol, Protokoll der Generalversammlung, Meran, 17.12.1905, TLMF, Sign. FB_137017_76. 547 Verein für Alpenhotels in Tirol Ges. m. b. H., Handelskammer Bozen, Handelsregister, eingetragen im Verzeichnis der Wirtschafts- und Verwaltungsdaten mit der Nummer BZ-7379 am 8.4.1925. 548 Vgl. auch in Bezug auf die Tourismusarchitektur: Schlorhaufer, Bettina, Italianisierung Südtirols – „Neues Schema“, neuer Regionalismus, in: Dies., Schloss Prösels, Grote, Georg (Hrsg.), Architektur wird Region, S. 127ff.

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549 Verein für Alpenhotels in Tirol Ges. m. b. H., Handelskammer Bozen, Handelsregister. Die „Italianisierung“ im Handelsregister erfolgte am 30.6.1927, die Registrierung am 7.7.1927. Vgl.: Fogli Annunzi Legali Prefettura Trento, 7.5.1927, S. 3. Die Vorstände waren damals Leonhard von Dal Lago, Sebastian Huber und Hans Stainer. 550 Die Umrechnung von Kronen in Lire (bzw. ab 1925 in österreichische Schilling) erfolgte auf der Basis eines 1919 festgelegten Kurses, ab April 1919 in einem Verhältnis von 100:40 bzw. ab November 1919 in einem Verhältnis von 100:60, was zu schwerwiegenden Geld- und Kapitalverlusten in Südtirol führte. Zum Vergleich: Der Umrechnungskurs betrug 1914 noch 100:105. Vgl.: Steurer, Leopold, Südtirol zwischen Rom und Berlin 1919–1939, Wien-München-Zürich 1980, S. 121. Einen weiteren Anhaltspunkt bezüglich der Umrechnungsverhältnisse bietet das protokollierte Stammkapital der Brennerbad-Gesellschaft. Dieses wurde 1925 mit 591.000 Lire angegeben und dazu der Gegenwert von 985.000 Kronen notiert. Vgl.: Brennerbad-Gesellschaft, Handelskammer Bozen, Handelsregister. 551 Vgl.: Verein für Alpenhotels in Tirol Ges. m. b. H., Handelskammer Bozen, Handelsregister, Protokoll der Generalversammlung, 29.5.1927. Über das Verhältnis Italiens zu Österreich und die Bedeutung eines (von Deutschland und seinen slawischen Nachbarn) unabhängigen Österreichs in den 1920er Jahren, vgl.: Steininger, Rolf, Südtirol im 20. Jahrhundert. Vom Leben und Überleben einer Minderheit, Innsbruck-Wien 1997, S. 120f. 552 Plank, Sonja Anna, Faschistische Enteignungs­ politik am Beispiel der Combattenti-Höfe im Raum Meran, unveröff. phil. Dipl., Universität Innsbruck, Innsbruck 2008, S. 36, 42. 553 Ebd., S. 44. 554 Verein für Alpenhotels in Tirol Ges. m. b. H., Handelskammer Bozen, Handelsregister. 555 Foglio Annunzi Legali Prefettura Bolzano, 31.3.1945, S. 22. 556 Verein für Alpenhotels in Tirol GeS. m. b. H, Handelskammer Bozen, Handelsregister. Die „Società Iniziative Turistiche Alberghiere S.I.T. A. S.A.R.L.“ ging in Konkurs und wurde nach ihrer Liquidation am 2.4.1980 aus dem Handelsregister Bozen gelöscht. 557 Vgl.: Schlorhaufer, Bettina, Architektur wird Region – „Regional shapes as a starting point for the new style“, in: Dies., Schloss Prösels, Grote, Georg (Hrsg.), Architektur wird Region, S. 35ff. 558 Prokop, S. 23. 559 Vgl.: Conrad, Claus, Historismus für den Fremdenverkehr und altdeutsche Gemütlichkeit, in: Obermair, Hannes, Risse, Stefanie, Romeo, Carlo (Hrsg.), Regionale Zivilgesellschaft in Bewegung/ Cittadini innanzi tutto, Festschrift für Hans Heiss, Wien-Bozen 2012, S. 118–137, hier: 127. 560 Van Brunt, Henry, On the Present Condition and Prospects of Architecture, in: Atlantic Monthly, Bd. 57, Nr. 341, Boston 1886, S. 374– 384, hier: 380f., online: babel.hathitrust.org/ cgi/pt?id=chi.19233324&view=1up&seq=384&si-

ze=125 (19.2.2020). Vgl.: Pevsner, S. 9. Henry Van Brunt (1832–1903), der in seinen frühen Jahren u. a. für Richard Morris Hunt (1827–1895) in New York arbeitete, schrieb neben seiner Tätigkeit als Architekt auch Aufsätze bzw. übersetzte Eugène Viollet-le-Ducs (1814–1879) „Dictionnaire raisonné […]“ (Paris 1854–1868) ins Englische. Seine eigenen Entwürfe gestaltete er häufig im sogenannten Richardsonian Romanesque. Dabei handelte es sich um eine Strömung in der US-amerikanischen Architektur, die sich vorrangig an Vorbildern aus der europäischen Romanik orientierte. In seinem Aufsatz „On the Present Condition and Prospects of Architecture“ hinterfragte er hingegen diesen Bezug zu den „toten Stilen“ und forderte wie viele seiner Zeitgenossen die Entwicklung eines „amerikanischen Stils“ in der Architektur („What wonder if the superficial critic, seeking for a characteristic type and finding none, cries out that art is dead, that there is no American style?“). Dazu passt, dass er seinen Ruf nach mehr „Americanness“ in der Architektur gerade in einem Artikel in der Zeitschrift „Atlantic Monthly“ äußerte, die von mehreren progressiven Vordenkern und Schriftstellern, darunter Ralph Waldo Emerson (1803–1882), 1857 in Boston gegründet wurde. Vgl.: de.wikipedia.org/wiki/Henry_Van_Brunt (19.2.2020). en.wikipedia.org/wiki/The_Atlantic (19.2.2020). 561 Vgl. Pevsner, S. 175, 176, 183. 562 Lux, Joseph August, Das Hotel, ein Bauproblem. Gesamtes Zitat am Beginn des ersten Kapitels dieses Buches. 563 Gleiter, Jörg. H., Traditionelle Theorie. Architektur­ theorie 1863 bis 1938, Berlin 2019, S. 28. Hier spricht der Architekturtheoretiker von einer „teilweisen Herauslösung der Architektur aus ihrer Traditions­ gebundenheit“, in welche die Entwurfspraxis mit­ ein­zubeziehen sei. Sie setzte am Übergang von handwerklichen Herstellungs­verfahren zur Maschinenproduktion und den damit einhergehenden gesellschaftlichen Veränderungen ein, z. B. dem Anwachsen der Städte mit ihren sozialen und hygienischen Problemen. „Vereinfacht ausgedrückt“, so Jörg Gleiter, „was helfen Schlösser, Villen und Kirchen, wenn es darum geht, eine Bahnhofshalle, ein Rathaus für eine Millionenstadt, eine Tankstelle oder ein Verwaltungsgebäude für eine Versicherung zu bauen.“ 564 Knoch, S. 15f. 565 Siehe dazu auch im Abschnitt „Bautypologisches zum Thema Hotel und Hospiz bzw. Hospital“ im ersten Kapitel dieses Buches. 566 Knoch, S. 17ff. Pevsner, S. 173. 567 Pevsner, S. 173, 175, 183. 568 Vgl.: Pevsner, S. 176. Eine ähnliche Entwicklung von der heilklimatischen Kur zum Erholungsurlaub zeigte sich auch an vielen Küsten. „Eine frühe amerikanische Besonderheit“, schreibt Nikolaus Pevsner, „waren die Ferienhotels, zumeist Holzbauten mit langen Veranden.“ Er zitiert an dieser Stelle aus dem „Chamber’s Journal“ (1854), das Mount Vernon Hotel in Cape May (New Jersey) sei „so überwältigend groß, dass ein Engländer nur mit Mühe glauben mag, daß es sich um ein Hotel han-

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delt.“ Der Beherbergungsbetrieb hätte über 2.000 Gäste aufnehmen können und der Speisesaal sei 130 Meter lang gewesen. Vgl.: Schmitt, S. 76. Hier ist dokumentiert, dass in Frankreich die Kurorte im Landesinneren auf eine längere Tradition zurückblickten als z. B. die Seebäder an der Côte d’Azur, die erst später Zentren des Wintertourismus wurden. 569 Pevsner, S. 172f. Vgl.: Knoch, S. 29. Schmitt, S. 110f. Friedrich Weinbrenner führte in Karlsruhe auch eine private Bauschule, die unter anderem auch viele Studenten aus der deutschsprachigen Schweiz anzog. Später ging aus der nach dem Vorbild der École polytechnique in Paris gegründeten Einrichtung das Polytechnikum Karlsruhe hervor. Vgl. Flückiger-Seiler (1), S. 39f. 570 Lux, Joseph August, Das Hotel, ein Bauproblem, S. 17. 571 Ebd. Siehe dazu auch die entsprechende Fußnote am Beginn des ersten Kapitels dieses Buches. 572 Über die Neuausrichtung der Tourismusarchitektur nach dem Ersten Weltkrieg in Nord- und Südtirol, vgl.: Schlorhaufer, Bettina, Architektur wird Region. Nach dem Ersten Weltkrieg, in: Dies., Schloss Prösels, Grote, Georg (Hrsg.), Architektur wird Region, S. 109–169. 573 Germann, Georg, Neugotik, S. 170f. Hier schreibt der Autor, dass sich das Ideal einer „inventive imitation“ im Gothic Revival um 1850 erstmals manifestierte („‚copyism‘ wird verpönt, hinter ‚originality‘ wittern Doktrinäre Ketzerei“). „Man glaubt, die Sprache der Gotik genug zu verstehen, um neue Formen zu erfinden, landesfremde Vorbilder werden erlaubt, die Einführung der Polychromie an Außenmauern mittels verschiedenfarbiger Steine oder Backsteine wird begrüßt, ja man beginnt in England, sich immer ernsthafter mit den Vorteilen der Vorfabrikation […] auseinanderzusetzen.“ Germann fährt fort, als würde er sich auf Otto Schmid und sein Umfeld an Hotel-Entrepreneuren beziehen: „Der fruchtbarste Gedanke der deutschen Neugotiker ist wohl der Bauhüttengedanke. Für Reichensperger [1808–1895, Anm.], den Redakteur des Kölner Domblatts, ist die Bauhütte zugleich der Ort der unakademisch-handwerklichen Ausbildung, welche eine volkstümliche Kunst garantiert, und die Zelle in einem christlich-nationalen, bürgerlich-nationalen Staat.“ Megan Aldrich beschreibt die Entwicklung unter dem Titel „Gothic Reform and Gothic Fantasy“ als eine, die sich neben Musterbüchern, vor allem ausgehend von der Weltausstellung in London 1862, international verbreitete. Vgl.: Aldrich, Megan, Gothic Revival, S. 175– 229, hier: 211f. Siehe dazu auch im Abschnitt „Das Hotel Sulden von Otto Schmid“. 574 Der Begriff „Weltanschauungssymbol“ wird hier nach der Definition des Kunsthistorikers Adrian von Buttlar verwendet. Er sah im englischen Landsitz ein „Weltanschauungssymbol“, das „innerhalb der konkreten historischen Situation und im Netzwerk sozialer Interaktion als soziales Symbol fungierte“. Buttlar, Adrian von, Der Englische Landsitz, 1715–1760: Symbol eines liberalen Weltentwurfs, Mittenwald 1982, S. 13. Vgl.: Tüting, Marion, Rokoko-Gotik, S. 176.

575 Cole, Laurence, „Für Gott, Kaiser und Vaterland“, S. 95f. 576 Prokop, S. 23f. Das Diktum der „billigen Bauweise“ der Berghotels erklärt sich neben der rationellen Bauweise insbesondere aus ihrer kurzen jährlichen Saison von nur ca. drei Monaten. Siehe dazu auch an späterer Stelle in diesem Kapitel. 577 Der in Iglau (heute: Jihlava, Tschechische Republik) geborene August Prokop (1838–1915) studierte genauso wie Otto Schmid zuerst an der k. k. Technischen Hochschule und später an der k. k. Akademie der bildenden Künste in Wien, unter anderem bei Friedrich von Schmidt. Er wurde weniger als Architekt denn als Architekturlehrer in den Fächern Hochbau, Kunst- und Baugeschichte sowie als Denkmalpfleger bekannt. Als angesehener Akademiker, Vortragender und Autor zog er sich im Alter nach Bozen-Gries zurück. Anlässlich der Weltausstellung in Wien 1873 wurde nach seinen Plänen das Hotel Union erbaut. Österreichisches biographisches Lexikon 1815–1950, Bd. 8, Wien 1982, S. 302, online: www.biographien.ac.at/oebl/oebl_P/ Prokop_August_1838_1915.xml (27.3.2020). Vgl.: Vasko-Juhász, S. 46f. 578 August Prokops Schilderungen über die Baustelle des Hotels Karersee werden an gesonderter Stelle in diesem Buch wiedergegeben. 579 Das Büro Fellner & Helmer (auch: Atelier Fellner &  Helmer) in Wien, gegründet von den Architekten Ferdinand Fellner d. J. (1847–1916) und Hermann Helmer (1849–1919), bestand von 1873 bis 1919. Besonders bekannt wurden ihre Theater und Konzerthäuser. Im Hotelbau verwirklichten sie insbesondere Projekte am Semmering, z. B. 1899 das Hotel Erzherzog Johann. Vgl.: www.architektenlexikon.at/de/220.htm (2.8.2018). www.architektenlexikon.at/de/126.htm (2.8.2018). 580 Der vollständige Titel lautet: Klasen, Ludwig, Grundriss-Vorbilder von Gebäuden aller Art: Handbuch für Baubehörden, Bauherren, Architekten, Ingenieure, Baumeister, Bauunternehmer, Bauhandwerker und technische Lehranstalten, Bd. 2, Gasthäuser, Hotels und Restaurants, Leipzig 1884. 581 Vgl. Knoch, S. 103. Hier schreibt der Autor, dass bei den Briten ab den 1860er Jahren Europareisen starke Zuwächse verzeichneten. Die Zahl der Kanalüberquerungen stieg bis um 1900 von jährlich ca. 300.000 auf mehr als eine Million an. 582 Prokop, S. 2. 583 Vgl.: Rucki, S. 125. 584 Lux, Joseph August, Das Hotel, ein Bauproblem, S. 17. 585 Das Hôtel-Dieu gehörte schon früh zu den besonders berüchtigten Krankenanstalten in Paris, weil hier im Unterschied zu anderen Einrichtungen keine Spezialisierung gegeben war, z. B. wurden Patienten mit ansteckenden Krankheiten nicht isoliert. Gegen Ende des Mittelalters, so Nikolaus Pevsner, belief sich die Zahl der Betten auf 450 und die der Kranken auf 1.280. Die Sterberaten seien verheerend gewesen. Baulich erstreckte sich das Hôtel-Dieu mit seinen vier großen Krankensälen vom Platz vor dem Eingang zur Kathedrale Notre-

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Dame bis auf das Südufer der Seine. Zwei Brücken, eine davon mit Gebäuden überbaut, führten auf die andere Flussseite. Vgl.: Pevsner, S. 141f. (Abb.), 146, 150f. (Abb.), 154. 586 Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers, in: Vidler, S. 57. 587 Siehe dazu im Abschnitt „Prophylaktisch zur Erholung oder aus medizinischem Grund zur Höhenkur“ im ersten Kapitel dieses Buches. 588 Vgl.: Pevsner, S. 153. Noch in einem Bericht von 1788 war in Bezug auf das Hôtel-Dieu in Paris von einer „assemblage monstreux“ die Rede, „plus propre à prolonger les maux, à détruire, qu’a rétablir & à conserver la santé (‚ein monströses zusammengestückeltes Gebilde, eher geeignet das Leiden zu verlängern, zu zerstören, als die Gesundheit wiederherzustellen und zu erhalten‘).“ 589 Vidler, S. 51. Der Autor schreibt hier, dass „necessary building types in the architect’s repertoire, were, as late as 1770, hardly distinguishable from each other, all absorbed in the generalized system of assistance inherited from the seventeenth century.“ 590 Vgl.: Pevsner, S. 150f. Der Autor zitiert hier den Naturwissenschaftler Jean-Baptiste Le Roy (1720– 1800), der 1773 zusammen mit dem Architekten Charles-François Viel (1745–1819) einen revolutionären Vorschlag für den Wiederaufbau des Pariser Hôtel-Dieu machte. Unter anderem sollten die Krankensäle von einem Innenhof ausgehend, zeilenförmig angeordnet werden. Der Spruch stammt aus den beigefügten Erläuterungen. 591 Vidler, S. 58, 57, 61 (in der Reihenfolge der Zitate). 592 Ebd., S. 56. 593 Ebd. Vidler erläutert hier, die „Abwesenheit von Architektur“ meint nicht eine „architecture without architects“, sondern vielmehr „another kind of architecture, one that drew on alternative figurative sources for its imagery and that found its means for ‚embellishment‘ not in the classical repertory, but in the forms of need. One thing was clear, however: the classical hospital, the form of which had been more or less set by the late seventeenth century, had to be replaced.“ 594 Ebd. 595 Ebd., S. 57. 596 Ebd., S. 58, 60ff. 597 Rucki, S. 26. 598 Heute Kurhotel Bad Schinznach, vgl.: www.bad-schinznach.ch (1.4.2020). 599 Rucki, S. 24f. 600 Ebd., S. 87. 601 Le aque minerali ferruginose del Vetriolo nel Trento, Trient 1891, TLMF, Sign. W_2055. 602 Klasen, S. 135. 603 Vasko-Juhász, S. 93. 604 Rucki, S. 90. Die Autorin zitiert aus der „Alpenpost“ von 1873, in der St. Moritz gemeint war. Die heute vor allem als Zentrum des Wintersports bekannte Gemeinde ging aus einem Kurbad hervor. 605 Siehe auch die detaillierte Beschreibung des Hotels Brennerbad im entsprechenden Abschnitt im vierten Kapitel dieses Buches.

606 Vgl. dazu auch: Rucki, S. 83f. Die Autorin bezieht sich allerdings auf die Situation in der Schweiz. 607 Ab 1816 reorganisiert und in der Académie des beaux arts de l’Institut de France aufgegangen. Vgl.: fr.wikipedia.org/wiki/Acad%C3%A9mie_royale_d%27architecture (11.8.2020). 608 Der vollständige Titel lautet: „Recueil et parallèle des édifices de tout genre anciens et modernes, remarquables par leur beauté, par leur grandeur, ou par leur singularité, et dessinés sur une même échelle“. 609 Lee, Christopher C.M., The Deep Structure of Type. The Construction of a Common Knowledge in Durand’s Method, in: Aureli, Pier Vittorio (Hrsg.), The City as a Project, Berlin 2014, S. 174. Hier schreibt der Autor über Durand: „He was above all a simple citoyen, product of the new bourgeois revolutionary engagement: l’homme inconnu, a man conscious of his civic responsibilities, one who refuses every form of renown while working quietly toward the construction of the new revolutionary society.” 610 Braham, Allan, The Architecture of the French Enlightment, Berkeley-Los Angeles 1980, S. 254. 611 Vgl.: Gómez-Pérez, Alberto, Architecture and the Crisis of Modern Science, Cambridge/MA 1983, S. 308: Durand „eschewed the use of atmospheric effects or perspectives, avoided shading, and explicitly rejected watercolor, which was ‚employed only by those who believed that the objective of architecture was to please the eye.‘“ 612 Kruft, Hanno-Walter, Geschichte der Architekturtheorie, München 1985, S. 312. 613 Ebd. 614 Lee, Christopher C. M., The Deep Structure of Type, S. 186. Lee bezieht sich auf den Absolventen der École polytechnique in Paris und ausgewiesenen DurandKenner Antoine Picon (vgl.: Picon, Antoine, From „Poetry of Art“ to Method“, Los Angeles 2000), wenn er schreibt: „The Recueil thus provided students of architecture with empirical standards for design. Picon has argued that Durand’s idea of type can be found in the Recueil, where ‚the type is a complex device stabilized by function and usage, a condensation of architectural culture; it relates symmetrically to the element. The architect’s apprenticeship begins with a catalogue of the elements of buildings; the practice of design starts with a survey of established types, just as we comb a library for reference before starting to write an academic treatise.‘“ 615 Vasko-Juhász, S. 51f. Vgl. an früherer Stelle in diesem Buch. 616 Ebd. Biografie, in: Historisches Museum der österreichischen Eisenbahnen (Hrsg.), Beschreibender Katalog des k. k. historischen Museums der österreichischen Eisenbahnen, Wien 1902, S. 322. Vgl.: Kubinszky, Mihöly, Die Hochbauten der ehemaligen Theissbahn und ihr Erhalt, in: Icomos-Hefte XXVII, München 1998, S. 77–82, hier: 78. Der Autor schreibt hier, dass Maniel hauptsächlich „bei der Entwicklung von weiteren Projekten, darunter der vielfältig gestalteten Entwürfe für Normbauten tätig war. […] Die Südbahn […] vertrat zu dieser Zeit […] anfangs noch einen strengen Purismus. Demnach wurden

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die Hochbauten in einfache Baublöcke komponiert, […]. Betrachtet man die Schlichtheit dieser Bauten […] ist es umso erstaunlicher, daß die Theissbahn all ihre Hochbauten mit betonten Schmuckelementen des während der Mitte des 19. Jahrhunderts in Mitteleuropa verbreiteten romantischen Baustils errichtete. Dieser romantische Stil basierte auf der Nachahmung der Baukörpergestalt und Detailgestaltung mittelalterlicher Burgen und englischer Landhäuser (‚Scotch baroness- und -castellated mansion‘), erhielt aber unter dem Einfluß der in München aufgrund der Toskanabegeisterung König Ludwigs I. bevorzugten italienischen Renaissance auch derartige Elemente […].“ 617 Vasko-Juhász, S. 52f. 618 Clewing, Hans Joachim, Friedrich Eisenlohr, der Zeichner und Baumeister, in: Landesverein Badische Heimat e.V. (Hrsg.), Badische Heimat, Nr. 36, Freiburg/Br. 1956, S. 23. 619 Friedl, Guido, Der Architekt Wilhelm von Flattich (1826–1900), in: Dissertationen der Universität Wien 141, Wien 1979, S. 59ff. Vasko-Juhász, S. 53. Schlorhaufer, Bettina, Die Ingenieure der Eisenbahngesellschaften regionalisieren Architektur, in: Dies., Schloss Prösels, Grote, Georg (Hrsg.), Architektur wird Region, S. 54ff. 620 Ebd. Flückiger-Seiler (1), S. 60f. Vasko-Juhász, S. 92ff. 621 Christoph Robert August Roller (sen.) stammte aus Erzingen (zwischen Tübingen und Rottweil) und studierte unter anderem an der Kunstschule Stuttgart. Später ließ er sich in Burgdorf bei Bern nieder. Biografien von Christoph Robert August Roller (Vater) und Conrad Emanuel Robert Roller (Sohn), vgl.: Schweizerisches Künstler-Lexikon, Band 2, Frauenfeld 1908, S. 664f. Freundliche Mitteilung von Roland Flückiger-Sailer, E-Mail, 29.2.1996. 622 Flückiger-Seiler (1), S. 22f. Der Autor schreibt hier, dass der deutsche Ingenieur Ernst Georg Gladbach (1812–1896), der seit 1857 den Lehrstuhl für Baukon­ struktion am Polytechnikum in Zürich innehatte, die „konstruktive Basis für die Festlegung des neuen Schweizer Holzstils entwickelte“. Zur Popularisierung der „Zimmermannsgotik“ siehe auch im Kapitel, „Pattern Books and Villas: Gothic for the Middle Class“, in: Aldrich, Megan, Gothic Revival, S. 102–127. Vgl.: Weidmann, Ruedi, Die Eisenbahn und der Schweizer Holzstil, in: TEC21 – Die Schweizer Fachzeitschrift für Architektur, Ingenieurwesen und Umwelt, Bd. 137, H. 42–43, Zürich 2011, S. 29–35. Stegmann, Knut, Analyzing Historical Timber Structures – a Case Study on Ernst Gladbach (1812–1896) and his Research on the „Swiss Style“, in: Robert Carvais et al. (Hrsg.): Nuts & Bolts of Construction History. Culture, Technology and Society, Vol. 1, Paris 2012, S. 3–10. 623 Johler, Reinhard, „Ethnisierte Materialien“ – „materialisierte Ethnien“. Zur Nationalisierung von Volkskunst und Bauernhaus in Österreich (-Ungarn), in: Moravánsky, Ákos (Hrsg.), Das entfernte Dorf. Moderne Kunst und ethnischer Arte­ fakt, Wien 2002, S. 65f. Moravánsky, Ákos, Die Entdeckung des Nahen, in: Ebd. S. 101f. Vgl.:

Schlorhaufer, Bettina, Architektur wird Region – „regional shapes as a starting point for the new style“, in: Dies., Schloss Prösels, Grote, Georg (Hrsg.), Architektur wird Region, S. 35–47. 624 Flückiger-Seiler (1), S. 22f. Die ersten, in Serie produzierten Chalets wurden in Interlaken in einer Fabrik hergestellt, die zuvor auf die Fertigung von Parkettböden spezialisiert war. 625 Neben den an anderer Stelle genannten Publikationen, siehe z. B. auch: Hobsbawm, Eric, Introduction: Inventing Traditions, in: Hobsbawm, Eric, Ranger, Terence (Hrsg.), The Invention of Tradition, Cambridge 1983, S. 2f. Vgl.: Stoklund, Bjarne, The Role of the International Exhibitions in the Construction of National Cultures in the 19th Century, in: Ethnologia Europaea – Journal of European Ethnology, Vol. 24/1, Kopenhagen 1994, S. 35–44. Storm, Eric, Die Ideologie des Regionalismus in Architekturzeitschriften Deutschlands, Frankreichs und Spaniens 1900– 1925, in: Krauskopf, Kai, Lippert, Hans-Georg, Zaschke, Kerstin (Hrsg.), Neue Tradition. Vorbilder, Mechanismen und Ideen, Dresden 2012, S. 5. 626 Vasko-Juhász, S. 92. 627 Neben der bereits in der Biografie von Otto Schmid im zweiten Kapitel dieses Buches genannten, als einflussreich geltenden Publikation des schottischen Landschaftsarchitekten John Claudius Loudon, „Encyclopedia of Cottage, Farm and Villa Architecture“ (London 1833), die viel zur Verbrei­tung des Gothic Revivals und damit auch der Zimmer­ mannsgotik („carpenter Gothic“) in den USA beitrug, ist ferner auf „Cottage residences, or, A series of designs for rural cottages and cottage villas, and their gardens and grounds: adapted to North America“ (New York 1842) von Andrew Jackson Downing (1815–1852) und den gemeinsam mit dem Landschaftsgärtner und Architekten Calvert Vaux (1824–1895) herausgebrachten Band „Villas and cottages – a series of designs prepared for execution in the United States“ (New York 1857) zu verweisen. Vgl.: Aldrich, Megan, Gothic Revival, S. 110–127. 628 In Tirol lässt sich der gleiche Prozess z. B. im Umfeld des Jubiläums von 1363 (Übergabe Tirols an die Habsburger durch Margarethe von Görz-Tirol, auch: Maultasch, 1318–1369) im Jahr 1863 nachweisen, wo die Konstruktion von „Geschichte“ dazu genützt wurde, die Feiern als nationales (regionales) Ereignis zu orchestrieren. Siehe im Kapitel „Deutsche kulturelle Hegemonie in Tirol“, in: Cole, Laurence, „Für Gott, Kaiser und Vaterland“, S. 93ff. Vgl. im Abschnitt „Schloss Enn: Konservieren oder weiterbauen?“ im zweiten Kapitel dieses Buches. 629 Das galt auch für das Gothic Revival in der Zeit der ersten Weltausstellungen und am Übergang zu Reformbewegungen wie Arts and Crafts. Megan Aldrich zitiert in diesem Zusammenhang einen amerikanischen Architekturkritiker: „One of the principles upon which the promoters of the Gothic revival insisted with energy and eloquence was ‚truth in architecture‘… But the new reformers say that truth is not the peculiar possession of Gothic architecture.“ Aldrich, Megan, Gothic Revival, S. 208f.

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630 Johler, Reinhard, „Ethnisierte Materialien“ – „materialisierte Ethnien“, in: Moravánsky, Ákos (Hrsg.), Das entfernte Dorf, S. 66. 631 Elke Krasny schreibt, dass auch bei den Weltausstellungen der Akzent auf der „Spürbarkeit und nicht auf der Echtheit“ lag, z. B. in Bezug auf ein Ausstellungsobjekt und dessen geografische Herkunft. Krasny, Elke, Binnenexotismus und Binnenkolonialismus. „Das Bauernhaus mit seiner Einrichtung und seinem Geräthe“ auf der Wiener Weltausstellung 1873, in: Aigner, Anita (Hrsg.), Vernakulare Moderne. Grenzüberschreitungen in der Architektur um 1900. Das Bauernhaus und seine Aneignung, Bielefeld 2010, S. 51. 632 Germann, Georg, Neugotik, S. 94. Der Autor zitiert hier den oben bereits genannten GothicRevival-Propagandisten August Reichensperger, der ab 1849 Redakteur beim Kölner Domblatt war. Reichensperger bereiste 1860 Großbritannien, das Ursprungsland des seiner Ansicht nach am höchsten stehenden Gothic Revivals, und schrieb: „England for ever. England ist germanischer als Deutschland; dort fühle ich mich am meisten germanisch angeweht, und dort möchte ich auch zur ewigen Ruhe bestattet werden.“ 633 Mihail, Benoît, Nationalism and Architecture in Nineteenth-Century France. The Example of the French Renaissance Revival, in: Van Santvoort, Linda, De Maeyer, Jan, Verschaffel, Tom (Hrsg.), Sources of Regionalism in the Nineteenth Century, S. 61. 634 Hobsbawm, Eric, Mass-Producing Traditions, in: Ders., Ranger, Terence (Hrsg.), The Invention of Tradition, S. 263–307, hier: 265, 267. Hobsbawm zitiert hier unter anderem den italienischen Schriftsteller, Maler und Politiker Massimo d’Azeglio (1798–1866), der den Spruch getan haben soll: „We have made Italy, now we have to make Italians.“ 635 Augusteijn, Joost, Storm, Eric (Hrsg.), Region and State in Nineteenth-Century Europe: NationBuilding, Regional Identities and Separatism, Basingstoke 2012, S. 21. 636 Cole, Laurence, „Für Gott, Kaiser und Vaterland“, S. 93. 637 In diesem Zusammenhang wird häufig eine bekannte Formulierung Viollet-le-Ducs aus seinem „Dictionnaire“ zitiert: „N’est-ce pas une vraie satisfaction pour l’esprit en quittant les édifices romans du Berri, de trouver en Poitou, en Normandie ou en Languedoc des styles différentes, des écoles variées, reflétant, pour ainsi dire, les génies divers de ces peuples.“ Über die Verbindung zwischen dem Haustyp und den klimatischen und geologischen Verhältnissen der ursprünglichen Heimat eines Volkes bzw. einer Rasse ging er hingegen in „Histoire de l’habitation humaine“ (Paris 1875) ein. Vgl.: Viollet-le-Duc, Eugène, Dictionnaire raisonné de l’architecture française du XIe au XVIe siècle, Vol. VIII, Paris 1866, S. 191, online: fr.wikisource.org/wiki/Dictionnaire_raisonné_de_l’architecture_française_du_XIe_au_XVIe_siècle/Sculpture (22.12.2016). Gubler, Jacques, Viollet-le-Duc et l’architecture rurale, in: Unsere Kunstdenkmäler: Mitteilungsblatt für die Mitglieder der Gesellschaft

für Schweizerische Kunstgeschichte, Bd. 30, H. 4, 1979, S. 399, online: dx.doi.org/10.5169/seals-393351 (24.8.2016). Vgl.: Aldrich, Megan, Gothic Revival, S. 216ff. 638 Voraussetzung für die Etablierung des Begriffs „Region“ war, dass dieser seit dem Ende des 18. Jahrhunderts zunehmend das Wort „Provinz“ ablöste. „Provinzen“ wurden damals vermehrt als „archaische Räume“ und die Regionen als sub-nationale Identitäten gesehen. Vgl.: Augusteijn, Joost, Storm, Eric (Hrsg.), Region and State in NineteenthCentury Europe, S. 22. 639 Siehe dazu z. B. im Abschnitt über das Hotel Kareresee im Katalogteil dieses Buches. Allgemein über die Tiroler Jahrhundertfeier von 1909, vgl.: Cole, Laurence, „Für Gott, Kaiser und Vaterland“, S. 323ff. 640 Heiss, Hans, Bürgertum in Südtirol. Umrisse eines verkannten Phänomens, in: Bruckmüller, Ernst, Döcker, Ulrike, Steckl, Hannes, Urbanitsch, Peter (Hrsg.), Bürgertum in der Habsburgermonarchie, S. 307. Conrad, Claus, Historismus für den Fremdenverkehr und altdeutsche Gemütlichkeit, in: Obermair, Hannes, Risse, Stefanie, Romeo, Carlo (Hrsg.), Regionale Zivilgesellschaft in Bewegung, S. 127. 641 Wedekind, Michael, Tourismus und Nation. Zur Politisierung des Reisens in der späten Habsburgermonarchie, in: Ebd., S. 68–93, hier: 70. 642 Ebd. 643 Ebd. Vgl. die Abschnitte „Deutsche kulturelle Hegemonie in Tirol“ und „Sprache: Erfahrung und Erwartung“, in: Cole, Laurence, „Für Gott, Kaiser und Vaterland“, S. 93ff., 101ff. 644 Wie aufgeheizt die Situation insgesamt war, vermittelt der Umstand, dass je nach Sprachgruppe „italianisierte“ bzw. „germanisierte“ Landkarten, z. B. von den umstrittenen Berggebieten im Trentino, angefertigt wurden, ferner dass 1899 in Trient der Plan gefasst wurde, nach dem Modell des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ eine analoge Organisation zu schaffen, um „durch italienischen Bodenerwerb in touristisch attraktiven Hochgebirgslagen des Trentino weitere deutsch/österreichische Hotelund Hüttenbauten zu vereiteln […]. Eine nach Südtiroler Vorbild geplante Società per Alberghi Alpini sollte mit Kapitalbeteiligung vor allem reichsitalienischer Einleger Bauten nicht nur in den Dolomiten (an den Pässen von Sella, Pordoi, Fedaia, San Pellegrino und Lusia) errichten, sondern insonderheit in der Brenta-Gruppe – ‚der einzigen uns gehörenden Berggruppe‘“. Cole, Laurence, „Für Gott, Kaiser und Vaterland“, S. 391. Wedekind, Michael, Von Grenzen und Abgründen: Berg- und Abgrenzungsdiskurse in ethnischen Konflikträumen, in: Góry – literatura – kultura = Berge – Literatur – Kultur, Bd. 11, Wrocław (in print), S. 221–246, hier: 235 (online). 645 Cole, Laurence, „Für Gott, Kaiser und Vaterland“, S. 390. 646 Wedekind, Michael, Tourismus und Nation, S. 71. 647 Ebd. Michael Wedekind schreibt weiter: „Der Verfasser, Hans August Lotz (1833–1894), Mitbegründer des Deutschen Schulvereins, hielt

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es mit Blick auf das ‚wahrhaft erschreckende Vordringen des wälschen Elementes‘ und die präsumtive Verleugnung deutscher Interessen durch die habsburgischen Behörden für eine nationale Pflicht, durch ‚rege[n], auffrischende[n] Besuch aus dem Norden‘ die bedrängte Grenzbevölkerung ‚auf den letzten sonnigen Südabhängen der deutschen Alpen‘ vor der Italianisierung zu bewahren und zu ihrer materiellen und geistigen Hebung beizutragen. Ähnliche Aufrufe an Reisende aus dem wilhelminischen Reich, in den Sprachgrenzgebieten für eine Stärkung des nationalen Bewusstseins und deutsche Interessen einzutreten, intentionale Loyalitäten und Bindungen mit der Gesamtnation sicherzustellen, waren in der Nachfolge immer wieder in den Schriften des deutschen und österreichischen Schutzvereinswesens zu finden.“ Vgl. Cole, Laurence, „Für Gott, Kaiser und Vaterland“, S. 391. Hier schreibt der Autor, „Touristenzeitungen wie die ‚Gardasee-Post‘ zielten darauf ab, deutschsprachige Gäste für die in deutscher Hand befindlichen Hotels zu gewinnen, während die ‚Deutsche Zeitung‘ einen völkischen Ton anschlug und deutsche Touristen aufforderte, durch ihren regelmäßigen Besuch dazu beizutragen, den deutschen Anspruch auf Italienischtirol zu festigen.“ 648 Wedekind, Michael, Tourismus und Nation, S. 72. 649 Ausführliche Informationen über Theodor Christomannos und die Mitglieder des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ siehe im zweiten Kapitel dieses Buches. 650 Siehe dazu auch in den Kapiteln „Deutsche kulturelle Hegemonie in Tirol“ und „Sprache als Erwartung“, in: Cole, Laurence, „Für Gott, Kaiser und Vaterland“, S. 93–107. 651 Unter anderem trug Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) mit seiner Begeisterung für das Straßburger Münster („das ist deutsche Baukunst, unsere Baukunst“) viel dazu bei, dass die Gotik als deutscher Nationalstil betrachtet wurde. Ausgehend von Großbritannien, wo die Gotik ebenfalls „Inbegriff des nationalen Stils“ war, wurde sie zudem als Ausdruck „eines christlichen Volkes“ gesehen. Diese umfassende Sichtweise war gut mit dem Fremdenverkehr vereinbar, ließen sich in den Terminus „christlich“ doch auch Protestanten und Anglikaner unterschiedslos integrieren. Conrad, Claus, Historismus für den Fremdenverkehr und altdeutsche Gemütlichkeit, in: Obermair, Hannes, Risse, Stefanie, Romeo, Carlo (Hrsg.), Regionale Zivilgesellschaft in Bewegung, S. 126. Vgl.: Germann, Georg, Neugotik, S. 170. Aldrich, Megan, Gothic Revival, S. 196. 652 Über Friedrich Eisenlohr siehe auch im Abschnitt „Die Neugotik als Ausgangspunkt eines neuen Stils“, in: Germann, Georg, Neugotik, S. 153. 653 In Verbindung mit Eisenlohr wird überdies berichtet, dass seine für die Uhrmacherschule in Furtwangen entworfene „Bahnhäusleuhr“ Vorbild für die heute noch bekannten Schwarzwälder Kuckucksuhren wurde. 654 Auf eine rasche Übernahme der ländlichen Bauweise aus dem Schwarzwald in den USA verweist unter anderem auch die bereits mehrfach

genannte „Encyclopedia of Cottage, Farm and Villa Architecture“ von Landschaftsarchitekt John Claudius Loudon. In der 1846 publizierten und mehr als 1.300 Seiten umfassenden Neuauflage seines Musterbuchs („pattern book“) finden sich mehrere Abbildungen mit Farmen oder „Cottage Dwellings in Various Styles“, die auf Vorbilder in Südwestdeutschland zurückgehen, z. B.: S. 46, 99. Vgl. ähnliche formale Rezeptionen, in: Aldrich, Megan, Gothic Revival, S. 195, 197 bzw. im Abschnitt „Pattern Books and Villas: Gothic for the Middle Class“, ebd., S. 102–127. 655 Eisenlohr, Friedrich, Holzbauten des Schwarzwaldes, Karlsruhe 1853, S. 1. 656 Vgl.: Cole, Laurence, „Für Gott, Kaiser und Vaterland“, S. 368f., hier: 369. Der Autor bezieht sich an dieser Stelle auf die Funktionsweisen von Heimat(-nostalgie) „angesichts einer sich wandelnden industriellen Welt als Botschaft sozialer Harmonie gegen Außenseiter“ und zitiert unter anderem Ernest Gellner („Nationalismus und Moderne, Berlin 1991, S. 206), der sagt, dass eine Kultur, an der jeder teilnimmt, aus einem Komplex an Referenzpunkten besteht: „Auch wenn der Inhalt dieser Referenzpunkte fast immer umstritten ist, müssen sie zumindest grundsätzlich von jedem anerkannt werden. Dies geschieht durch einen Prozeß der Identifizierung und Kodifizierung. In diesem Sinne wird eine Nation – oder Region – ,geschaffen‘. Oder, wie Gellner nahelegt: ,Allgemein gesprochen leidet die nationalistische Ideologie durchgehend unter falschem Bewußtsein. Ihre Mythen verkehren die Realität: Sie behauptet, eine authentische Volkskultur zu verteidigen, während sie doch in Wahrheit eine neue Hochkultur schmiedet. […]. Nationalistische Ideologie predigt und verteidigt die Kontinuität, verdankt jedoch alles einem entscheidenden und unermeßlich tiefen Bruch in der menschlichen Geschichte.‘“ Vgl.: Germann, Georg, Neugotik, S. 153. Hier resümiert der Autor über Friedrich Eisenlohr sinngemäß. Er schreibt z. B. über Eisenlohrs Gotik-Rezeption, dass dieser „das Primat der Konstruktion von der Nachahmung gotischer Ornamente“ befreite, war er doch für eine „Erneuerung im Sinne freier Entfaltung des Prinzipmäßigen“ (Eisenlohr, 1852). Von ähnlichen Prämissen ging der Ingenieur bei der Übertragung bäuerlicher Bauformen aus dem Schwarzwald in den Eisenbahn-Hochbau vor. 657 Vasko-Juhász, S. 70f. 658 Flückiger-Seiler (1), S. 60. Der Autor schreibt, dass der H-förmige Zuschnitt für ein Hotel in der Schweiz erstmals von Robert Roller jun. 1863/1864 für das Hotel Jungfraublick in Interlaken angewendet worden sei. Er bezeichnet Robert Roller jun. sogar als Erfinder des Grundriss-Typs. Tatsächlich wurde dieser aber aus England auf den Kontinent transferiert. Unbestritten ist hingegen, dass Robert Roller jun. viel zur Popularisierung dieses Zuschnitts im Hotelbau beigetragen haben dürfte, weil er seine Bauten zusammen mit Plänen 1879 publizierte. Siehe unten, im Abschnitt über das Dolomitenhotel Toblach.

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659 Johler, Reinhard, „Ethnisierte Materialien“ – „materialisierte Ethnien“, in: Moravánsky, Ákos (Hrsg.), Das entfernte Dorf, S. 61–94, hier: 61. 660 Rucki, S. 114ff. 661 1904/1905–1915, Straßenbau zur Fragsburg und Restaurant Fragsburg für Baron Friedrich von Deuster (heute: Hotel Castel Fragsburg), Fragsburgstraße 3, I-39012 Meran, Kat.: D2.69. Dok./Lit.: Mieth, Sven, Rohrer, Josef, Rosani, Tiziano, Trauttmansdorff. Geschichte(n) eines Schlosses, Südtiroler Landesmuseum für Kulturund Landesgeschichte Schloss Tirol, Bereich Tourismusmuseum Schloss Trauttmansdorff (Hrsg.), Meran 2001, S. 79 ff. Der aus der Gegend von Würzburg stammende Großgrundbesitzer Friedrich von Deuster (1861–1945) erwarb in den Jahren 1896/1897 in Meran nicht nur Schloss Trauttmansdorff, das er selbst bewohnte, sondern stellte auf seinem Anwesen auch landwirtschaftliche und industrielle Produkte her (z. B. Ziegel). Zu Trauttmansdorff gehörte schon damals ein Gastronomiebetrieb. Für die Ausweitung seiner Geschäfte im damals noch jungen Tourismus widmete er sich ab 1902 zusammen mit seinem Landsmann Kommerzialrat Robert Hasenclever (biografische Daten unbekannt) dem genannten Straßenbauprojekt und ließ wenig später das Restaurant Fragsburg errichten. Der Fahrweg führte von Schloss Labers über den Stegerhof den Freiberg entlang hinauf bis zum Weißplatterhof. Für diese Strecke konzipierte Musch & Lun auch kleine Brücken. 662 Mazegger, Bernhard, Chronik von Mais, seiner Edelsitze, Schlösser und Kirchen, Arbeitskreis Chronik von Mais (Hrsg.), erweiterte Neuauflage der Chronik von Mais (1905), Lana 1985, S. 183. 663 Burnazzi, Elisa, Campolongo, Fabio, Palazzo Ranzi a Trento, un cantiere alle soglie d’Italia: Francesco Ranzi, Francesco Saverio Tamanini, Andrea Malfatti: architettura e scultura per il risorgimento delle arti e dell’economia in Trentino, Trient 2011, S. 30ff. 664 BTV, 9.11.1876, S. 3. 665 Ebd. 666 Vgl. Knoch, S. 36. Siehe dazu auch an späterer Stelle in diesem Kapitel. 667 Biografische Angaben über Franz Österreicher siehe an gesonderter Stelle im Katalogteil dieses Buches im Abschnitt über das Hotel des Alpes in Madonna di Campiglio. 668 Aus einem Inserat für das „Hôtel Trento“, 1877. 669 BZN, 6.3.1908, S. 4. 670 Über die „Österreichische Baugesellschaft für Kurorte“ und den Meranerhof siehe auch im ersten Kapitel dieses Buches. 671 Schematische Grundrisse, TLMF, Sign. W_2332_6. 672 Hôtel und Pensionsgebäude im neuen Kasino-Park in Marienbad, in: Allgemeine Bauzeitung, Wien 1875, S. 75, Tafeln 65–71. 673 Rucki, S. 32. Die Autorin zitiert hier aus dem 1885 in überarbeiteter und erweiterter Form erschienenen Handbuch von Guyer, S. 115. 674 Das publizierte Hotelprojekt für Marienbad wies z. B. im Unterschied zu dem in Bozen-Gries verwirklichten reich verzierte Fassaden auf. Dabei handel-

te es sich um eine gängige Praxis. Die Architekten legten kunstvoll gestaltete Pläne vor, die aber von den Bauherren meistens aus Kostengründen „abgeschlankt“ wurden. 675 Vasko-Juhász, S. 106. 676 Prokop, S. 15f. 677 Der gesamte Titel der Publikation lautet: „Der Eisenbahn-Hochbau in seiner Durchführung auf den Linien der k. k. priv. Südbahn-Gesellschaft, unter Mitwirkung des Architekten Franz Wilhelm“. Hier: VIII. Heft, Wien 1877. 678 Baupläne zum Dolomitenhotel Toblach, vgl: Heiss, Hans, Grandhotel Toblach – Pionier des Tourismus in den Alpen, S. 20f., 42. Vasko-Juhász, S. 107, 111, 113. Beschreibungen der Raumkonfiguration des Hotels und seiner Ausbaustufen, vgl.: Vasko-Juhász, S. 106ff. Heiss, S. 20ff. 679 Roller, Robert, Ueber Hôtelbauten speciell Anlagen von Kur-, Saison- und Berg-Hôtels mit erläuternden Beispielen bewährter schweizerischer Etablissements, in: Romberg’s Zeitschrift für praktische Baukunst, Berlin 1879. 680 Vasko-Juhász, S. 112. 681 Ebd. Hier schreibt die Autorin, dass eine neben funktionalen auch therapeutischen Zwecken gerecht werdende, sogenannte „Wandelbahn“ von Robert Roller jun. im Hotel Grunigelbad realisiert wurde. Demnach scheinen in den immer größer werdenden Hotel- und Kurkomplexen derartige Innengänge also öfter angelegt worden zu sein. 682 Cole, Laurence, „Für Gott, Kaiser und Vaterland“, S. 95. Vgl.: Moravánsky, Ákos, Die Entdeckung des Nahen, in: Ders. (Hrsg.), Das entfernte Dorf, S. 97. Ähnliches galt auch für die USA. Ákos Moravánsky schreibt hier über die identitätsstiftende Rolle von Baumaterialien in Amerika und die Rückwirkung dieser Entwicklung auf Europa, „Stadtplaner wie Frederick Law Olmsted und Architekten wie Henry Hobson Richardson haben die Naturbegeisterung und Großstadtkritik von Henry David Thoreau oder Ralph Waldo Emerson als Aufruf zur Schaffung einer die amerikanische Identität ausdrückenden Baukunst verstanden, in der natürliche Baustoffe wie Granit und Holz dominieren. Sie haben damit der in vielen europäischen Ländern seit langem begonnenen Suche nach einem Nationalstil einen neuen Impuls gegeben.“ 683 Vasko-Juhász, S. 264. 684 Akademie der bildenden Künste Wien, Kupferstichkabinett, Inv. Nr. HZ 23.229, o. Dat., o. Sign. 685 Rucki, S. 125. 686 Ebd., S. 41. 687 Ebd., S. 172f. Flückiger-Seiler (1), S. 83. Giovanni Sottovia stammte aus Vicenza. 688 Ebd. S. 109f., 269. Flückiger-Seiler (1), ebd. 689 Das Architekturbüro Chiodera & Tschudy (auch: Chiodera und Tschudy) bestand von 1878 bis 1908 in Zürich. Alfred Chiodera (1850–1916) stammte aus Mailand und wurde in Stuttgart ausgebildet. Theophil Tschudy (1847–1911) studierte Architektur an der ETH Zürich. Im gemeinsamen Büro war Chiodera für die künstlerischen, Tschudy mehr für die technisch-kaufmännischen Arbeiten zuständig. de.wikipedia.org/wiki/Chiodera_und_Tschudy (6.9.2018).

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690 Rucki, S. 131. Prokop, S. 2. Knoch, S. 33, 103. 691 Über die Begriffe „castellation“ und „castellated“ siehe in der Biografie von Otto Schmid im Abschnitt „Schloss Enn: Konservieren oder weiterbauen?“ im zweiten Kapitel dieses Buches. 692 Ebd., S. 128. Hier schreibt die Autorin, „Die kompositorischen Mittel und architektonischen Zeichen, die Assoziationen eines pittoresken Schlosses wachrufen, lassen sich leicht dechiffrieren.“ Unklar bleibt, ob sie „pittoresk“ auf die „PicturesqueBewegung“ und das unter anderem von Uvedale Price, einem Hauptvertreter der Strömung, prokla­ mierte Ziel, „Landschaft durch Bilder zu verändern“, bezieht. Price wollte durch eine „Verbesserung von Landschaft durch Interventionen“ das „Erleben der Alpen durch sinnliche Wahrnehmung“ intensivieren. Vgl.: Stacher, Susanne, Sublime Visionen – Architektur in den Alpen, Basel 2018, S. 34–37, hier: 37. Eine Art „pittoreske Gotik“ auf der Basis asymmetrischer Grundrisse – wie beim Hotel Palace – wurde gegen Ende des 18. Jahrhunderts vom führenden Theoretiker der „Picturesque-Bewegung“, dem Architekten Richard Payne Knight (1750–1824), geprägt. Vgl.: Tüting, Marion, Rokoko-Gotik, S. 43ff., hier: S. 44 und Fußnote 112. Vgl.: Germann, Georg, Neugotik, S. 109. Hier schreibt der Autor, dass starke Asymmetrie (hier noch bezogen auf den Sakralbau um 1850) nur in offenen Landschaften als malerisch empfunden wurde. Darüber hinaus sei dem am Ort erhältlichen Material Rechnung zu tragen. 693 Rucki, ebd. Die Autorin bezieht sich hier auf das einflussreiche und mehrfach wiederaufgelegte Werk „Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen“ (Erstausgabe Wien 1889) von Camillo Sitte (1843–1903), vertieft aber an dieser Stelle den Bezug zwischen dem Platz als einem der Haupt­ themen Sittes und dem Hotel in St. Moritz nicht. 694 Aldrich, Megan, Gothic Revival, S. 175–221, hier: 211. Die Autorin hebt in diesem Kapitel unter anderem hervor, dass sich die Sichtweise auf die „Gotik“ vor allem unter dem Einfluss der Weltausstellung in London 1862 änderte, und zitiert den amerikanischen Architekturkritiker H. Hudson Holly, der 1878 festhielt, „One of the principles upon which the promoters of the Gothic Revival insisted with energy and eloquence was ‚truth in architecture‘ […] But the new reformers say, that truth is not the peculiar possession of Gothic architecture.“ Bemerkenswert ist in Verbindung mit dieser Neuorientierung, dass sie – bezogen auf Tirol – zeitlich mit dem Jubiläumsjahr 1863, dem Gedenkjahr von 1363 (Übergabe Tirols an die Habsburger durch Margarethe von GörzTirol, auch: Maultasch, 1318–1369) zusammenfällt, das viel zur Popularisierung des „Mittelalters“ bzw. der romantischen Wiederbelebung „mittelalterlichen Lebensgefühls“ im Land beitrug. Vgl.: Cole, Laurence, „Für Gott, Kaiser und Vaterland“, S. 93ff. Siehe dazu auch im Abschnitt „Schloss Enn und seine Vorbildwirkung auf die späteren Berghotels“ in der Biografie von Otto Schmid. 695 Germann, Georg, Neugotik, S. 170f. 696 Es existiert kein Entwurf für ein „Alpenhaus“. Dennoch stellte das vom „Verein für Alpenhotels in Tirol“ erweiterte Dolomiten-Hotel Weisslahnbad

am ehesten das dar, was damit gemeint war. Siehe dazu im entsprechenden Abschnitt im Katalogteil dieses Buches. 697 Einen Hinweis auf diese unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten getroffenen Veränderungen der Architektur des „Alpenhauses“ zum Hotel Sulden gab Theodor Christomannos selbst, indem er über „Arme Bemitleidenswerthe“ schrieb, „die in Folge körperlicher Ungeübtheit nicht ‚kraxeln‘ können […]“ und trotzdem die Berge ohne Verzicht auf den gewohnten Komfort aufsuchen wollen. Das vollständige Zitat siehe im Abschnitt „Das ‚Wirken der Naturkräfte‘“ in der Christomannos-Biografie im zweiten Kapitel dieses Buches. Ferner ist anzunehmen, dass die Ausrichtung der BerghotelEntrepreneurships auf Kurgäste mit ein Grund war, warum gerade der Meraner Kurarzt Sebastian Huber zum Vizepräsidenten des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ nominiert wurde. 698 Gleiter, Jörg. H., Traditionelle Theorie, S. 28. 699 Price, Uvedale, Essay On The Picturesque, As Compared With The Sublime And The Beautiful (London 1794), in: Tüting, Marion, Rokoko-Gotik, S. 44. Allgemein über Uvedale Price, vgl. Stacher, Susanne, Sublime Visionen, S. 34ff. 700 Prokop, S. 22. Der Autor schreibt hier, dass Otto Schmid „durch seine Restaurationen des Schlosses Runkelstein die landläufige Bauweise genügend kennen gelernt hatte“. Für ihn war das Denkmal aber nicht (nur) in Bezug auf seine Vorbildwirkung auf das Hotel Sulden als Ausdruck von Regionalität in der Architektur von Bedeutung. Ihm ging es vor allem um den Hinweis, dass es sich bei Runkelstein um ein prominentes Restaurierungsprojekt handelte, das auch im entfernten Wien besonders wahrgenommen wurde. 701 Tüting, Marion, Rokoko-Gotik, S. 45, Fußnote 114. Der Spruch stammt aus der Mitte des 18. Jahrhunderts und bezog sich ursprünglich auf Landhäuser: „I would by no means have my Front regular […] since the Beauty of Gothick Architecture (in my opinion) consists […] in the Boldness and Irregularity of its Members.“ 702 Ebd. Im Prinzip folgten auch die ersten Hotelerweiterungen dem bereits über hundert Jahre praktizierten Modell, das schon beim Anbau an so bekannte Landsitze wie „Strawberry Hill“ befolgt wurde. Gebäude sollten durch „einfach zu planende“ Anfügungen vergrößert werden, „die im Zusammenspiel mit der gotischen Einzelform zudem als stilecht aufzufassen waren.“ 703 Zur detaillierten Bau- und Umbaugeschichte des Hotels Sulden siehe im Katalogteil dieses Buches. 704 Prokop, S. 22f. Ähnliche Entwurfsmethoden wendete Musch & Lun wenig später z. B. auch für die Gestaltung von Villen an. Es sind mehrere „VillenBauprogramme“ im Werk von Musch & Lun nachweisbar, darunter die sich ähnelnden Entwürfe für die Villen Hübel und Ultenhof in Meran. Vgl.: Schlorhaufer, Bettina, Musch & Lun und die Entwicklung von „regionalisierten Villentypen“, in: Dies., Schloss Prösels, Grote, Georg (Hrsg.), Architektur wird Region, S. 87ff.

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705 Vgl.: Storm, Eric, The Culture of Regionalism: Art, Architecture and International Exhibitions in France, Germany and Spain, 1890–1939, Manchester 2010, S. 11. Der Autor schreibt: „Furthermore regionalism with its stress on participation and its antielitism also had a clear democratic component.“ 706 Über Theodor Christomannos und seine politischen Anliegen, die er mit der Verwirklichung von touristischen Initiativen in der Dolomitenregion erzielen wollte, siehe unter „Das Christomannos-Haus am Pordoijoch (2.250 Meter Seehöhe)“ an gesonderter Stelle im Abschnitt über das Dolomitenhaus Canazei im Katalogteil dieses Buches. 707 Christomannos, Theodor, Sulden–Trafoi, S. 14. 708 Hier und in Bezug auf die nachfolgenden Zitate in diesem Abschnitt: Prokop, S. 23f. 709 Ebd. 710 Über die Gründung und Geschäftsgebarung des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ siehe im Abschnitt „Der ‚Verein für Alpenhotels in Tirol‘ und sein Verhältnis zu anderen Netzwerken und Entrepreneuren im Tourismusgeschäft“ im zweiten Kapitel dieses Buches. 711 In Bezug auf die Einführung der Elektrizität in Südtirol siehe im Abschnitt „Technische Innovationen: Heizung und Beleuchtung des Hotels Sulden (Elektrizitätswerk)“ im Katalogteil dieses Buches. 712 Knoch, S. 35f., hier: 36. Unter den Tourismusunternehmern, die besonders von der Präsenz hoher Militärs oder von Mitgliedern des Kaiserhauses in seinen Hotels wirtschaftlich profitierten, war Franz Österreicher, der das Imperial Hotel Trento und das Hotel des Alpes in Madonna di Campiglio führte. Das österreichische Kaiserpaar war gleich zwei Mal in Madonna di Campiglio zu Gast (1889 und 1894), was auch den Gastgeber im übertragenen Sinn „nobilitierte“. Siehe auch im Abschnitt über das Hotel des Alpes im Katalogteil dieses Buches. 713 Vgl.: Verein für Alpenhotels in Tirol, Protokoll der Generalversammlung, Meran, 17.12.1905, TLMF, Sign. FB_137017_76. Während Theodor Christomannos zur Untermauerung deutschen Unternehmertums in den Dolomiten weitere Projekte in Angriff nehmen wollte, wollten die anderen Mitglieder im „Verein für Alpenhotels in Tirol“ lieber das bestehende Hotel Karersee groß ausbauen, um damit gute Gewinne zu lukrieren. In weiterer Folge führte das 1907 zur Gründung des „Deutschen Vereins für Dolomitenhäuser Gesellschaft mit beschränkter Haftung“. Siehe auch im entsprechenden Abschnitt im zweiten Kapitel dieses Buches sowie im Abschnitt über das Dolomitenhaus Canazei im Katalogteil. 714 Vgl. z. B.: Prokop, Abb. S. 16. Rucki, Abb. S. 94, 98. Vasko-Juhász, S. 81–84. 715 Prokop, S. 24. 716 MEZ, 14.1.1898, S. 2. 717 Das zeichnete sich insbesondere in Zusammen­hang mit der geplanten Übernahme des Unterkunfts­ hauses auf der Franzenshöhe durch den „Verein für Alpenhotels in Tirol“ ab. Siehe dazu im Abschnitt über das Hotel Trafoi im Katalogteil dieses Buches.

718 Siehe dazu in der Biografie von Otto Schmid im zweiten Kapitel dieses Buches. 719 Siehe dazu auch im Abschnitt über den Rosengartenhof im Katalogteil dieses Buches. 720 Einen guten Einblick in die entstandenen gesellschaftlichen Veränderungen am Karersee vermittelt die Berichterstattung rund um den Hotelbrand 1910. Siehe dazu im Katalogteil dieses Buches. 721 Die Rückkehr zur Bauform der geschlossenen, teilweise „castellated“ gestalteten Hotelkästen lässt sich auch an einigen, in etwa zeitgleich entstandenen Projekten im Engadin nachweisen, z. B. denen des Architekten Karl Koller (1873–1946), der vor der Eröffnung eines eigenen Büros bei Chiodera & Tschudy in Zürich tätig war. Ein gutes Beispiel ist das Hotel Waldhaus in Sils Maria (1906–1908), das jedoch in Bezug auf seine Grundrisskonfiguration noch der älteren Tradition der additiven Raumabwicklung verpflichtet war. Isabelle Rucki schreibt, dass der Bau vor allem in Hinsicht auf seine Fernwirkung so konzipiert wurde. Bemerkenswerterweise kam es im Engadin aber auch zu gegenläufigen Entwicklungen im Hotelbau, z. B. wurde vom Theodor-Fischer-Schüler Nicolaus Hartmann jun. (1880–1956) das Hotel La Margna in St. Moritz 1906/1907 unter den Prämissen des Heimatschutzes über einen dem Hotel Sulden gleichenden Grundschema errichtet. Vgl.: Rucki, S. 134ff., 135 (Abb.), 142ff., 294, 309. Biografie Karl Kollers, ebd., S. 179ff., bzw. Nicolaus Hartmanns, ebd., S. 177ff. 722 Zu den bekanntesten zählen neben Johann Müller (biografische Daten unbekannt), der für einige Jahre bei Musch & Lun tätig war, Martin Dülfer (1859–1942), der Erbauer des Stadttheaters Teatro Puccini in Meran, die Brüder Aloys (1872–1969) und Gustav (1876–1953) Ludwig sowie Wilhelm Kürschner (1869–1914), der zeitweise Stadtarchitekt von Bozen war. Manche von ihnen, wie Martin Dülfer, kamen über Vermittlung von Theodor Fischer oder in Verbindung mit seinen Projekten nach Südtirol. Über die Brüder Ludwig siehe auch im Abschnitt über das Hotel Oberbozen (Hotel Holzner) im Katalogteil dieses Buches. 723 Nerdinger, Winfried, Theodor Fischer. Architekt und Städtebauer 1862–1938, Berlin 1988, S. 94. 724 Ebd., S. 92. 725 Ebd., S. 97f. Einen Ausgangspunkt für Theodor Fischers Studien über Maß und Proportion bildete die Arbeit, die von seinem Lehrer in Baugeschichte und Bauformenlehre an der Technischen Hoch­ schule in München, August Thiersch (1843–1917), 1883 im einflussreichen „Handbuch der Architek­ tur“ vorgelegt wurde. Vgl.: Thiersch, August, Propor­tionen in der Architektur, in: Handbuch der Architektur, Teil IV., 1. Halbband, Darmstadt 1883. Im deutschsprachigen Raum war das mehrteilige„Handbuch der Architektur“ zwischen 1880 und 1943 (letzter Band) ein nachhaltig einflussreiches Nachschlagewerk bzw. Lexikon über historische Baukunde. 726 Ebd., S. 89. 727 Gleiter, Jörg. H., Traditionelle Theorie, S. 28. Siehe dazu auch am Beginn dieses Kapitels.

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728 Diesen Schluss legt nicht zuletzt die ähnliche Gestaltung des Dolomitenhauses in Canazei und des Christomannos-Hauses am Pordoijoch nahe – auch wenn letzteres mehr als Schutzhütte gedacht war. Siehe dazu im Abschnitt über das Dolomitenhaus Canazei im Katalogteil. 729 Guyer, S. 82. Der Autor schreibt hier, dass in Stadthotels die Privatsalons auch oft von Geschäftsleuten gemietet wurden, die diese für „Privatunterredungen“ nutzten. Die Privatsalons seien hauptsächlich in der ersten und zweiten Etage eines Hotels einzurichten. 730 Rucki, S. 144. 731 Roller, Robert jun., Ueber Hotelbauten, speciell Anlagen von Kur-, Saison- und Berg-Hotels mit erläuternden Beispielen bewährter Schweizerischer Etablissements, Berlin 1879, S. 5. 732 In den amerikanischen Hotels kam den Bars insbesondere als Ort für geschäftliche Besprechungen eine zentrale Rolle zu. In Europa wurde der Raumtyp aber nur zögernd übernommen – nicht zuletzt, weil in den amerikanischen Bars alle Getränke im Stehen eingenommen wurden, was in den „continentalen Kaffeesälen für Herren“ undenkbar gewesen wäre. Vgl.: Schmitt, S. 156. Guyer, S. 94. 733 Roller, Robert jun., Ueber Hotelbauten, S. 5. 734 Im Wörterbuch der Gebrüder Grimm wird der Begriff „Schwemme“ auf eine althochdeutsche Redewendung zurückgeführt: „Den Mund mit der Schwemme reiten“ war eine Umschreibung für trinken, aber auch für Pferdeschwemmen in seichten Gewässern oder Flussläufen (vgl. die berühmte barocke Pferdeschwemme in Salzburg von Johann Bernhard Fischer von Erlach, 1656–1723). Die Bezeichnung „Schwemme“ wird aber auch für „Hochbetrieb“ und „Massenandrang“ verwendet. In einer Bierbrauerei oder einer Brauereigaststätte war die „Schwemme“ zudem häufig der Bereich, in dem angezapft wurde. Dabei ereignete sich ab und zu auch eine „Überschwemmung“. Nicht zuletzt wurde in den Braugaststätten gerne unter den Tisch uriniert. Von Zeit zu Zeit wurde zur Beseitigung des Geruchs Wasser unter die Tische gekippt – was ebenfalls zu einer „Schwemme“ führte. Vgl.: Schlorhaufer, Bettina, Joachim Moroder, Siegfried Mazagg – Interpret der frühen Moderne in Tirol, Wien-New York 2013, S. 251f. de.wikipedia.org/ wiki/Schwemme_(Gaststätte) (31.8.2018). 735 Guyer, S. 95. 736 Vgl.: Rucki, S. 93ff. Flückiger-Seiler, Roland, „Der Märchenzauber König Laurins ...“. Von der einfachen Gaststube zum luxuriösen Festsaal, in: Kunst + Architektur in der Schweiz, Nr. 4, 2016, S. 30–41, hier: 33. 737 Rucki, S. 163. Hier schreibt die Autorin: „Das Hotelleben spielt sich zu einem wesentlichen Teil in diesem neuen, grosszügigen Saal ab; hier essen die Gäste gemeinsam an der Table d’hôte, und ab und zu finden im selben Saal Bälle und Konzerte statt. Speisesaal, Festsaal und Musiksaal in einem, erinnert dieser Raum an den Typus der langgestreckten Schlossgalerie, die in den französischen Schlössern des 16. und 17. Jahrhunderts meist in einem separaten Flügel untergebracht war.“ Sie setzt auch den

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auf S. 97 abgebildeten Speisesaal des Kurhauses in Bad Tarasp nicht in Verbindung mit im weitesten Sinn mittelalterlichen britischen Bautraditionen. Das Hotel Penegal wurde 1895/1896 von Alois Schrott (1838–1902), einem Versicherungs- und Realitätenmakler aus Innsbruck, erbaut. In den Mittelteil des Hotels integrierte man eine bereits bestehende Villa. An ihren Seiten wurden Flügel mit den Gästetrakten und seitlich dahinter der Speisesaal Johann Bittners angesetzt. Sölva, Martin, Andergassen, Gotthard, Die Mendel: Ein Pass mit glanzvoller Geschichte, Bozen 2003, S. 58f. Vgl.: Prokop, S. 22. Die hier veröffentlichten Pläne zeigen allerdings nicht den Speisesaal-Anbau Bittners. Sein Name wird zusammen mit diesem Hotel auch immer nur in Verbindung mit dem Speisesaal und nicht mit dem gesamten Gebäude erwähnt. Vgl. z. B.: BZZ, 7.7.1896. S. 2. Baumgartner, Elisabeth, Eisenbahnlandschaft Alt-Tirol, S. 119. Aldrich, Megan, Gothic Revival, S. 230. Über die Umbauten Otto Schmids am Schloss Enn siehe im zweiten Kapitel dieses Buches. Thiersch, August, Proportionen in der Architektur, in: Handbuch der Architektur, Teil IV., 1. Halbband, Darmstadt 1883, S. 254f. Hier wird die Great Hall des Middle Temple in London mit „ihrem sichtbaren verzierten Dachwerk“ abgebildet, ohne aber auf Typologie und Konstruktionsweise von „hammerbeam roofs“ näher einzugehen. Vgl.: Breymann, G. A., Warth, Otto, Allgemeine Baukonstruktionslehre mit besonderer Beziehung auf das Hochbauwesen, II. Bd.: Konstruktionen in Holz, Leipzig 1900, S. 226ff. Freundlicher Hinweis von Walter Hauser, Bundesdenkmalamt, Abteilung für Tirol, Innsbruck, 16.4.2019. Prokop, S. 24. Eißing (auch: Eissing), Thomas, Zur Entstehung der Holztonnengespärre und Holztonnengewölbe im mittleren und nördlichen Frankreich und ihre Vermittlung nach Mitteldeutschland, in: Jahrbuch für Hausforschung, Bd. 56, West- und mitteleuropäischer Hausbau im Wandel 1150–1350, Marburg 2016, S. 94f., online: www.researchgate.net/publication/313726250_ Zur_Enstehung_der_Holztonnengesparre_und_ Holztonnengewolbe_im_mittleren_und_nordlichen_ Frankreich_und_ihre_Vermittlung_nach_Mittel­ deutschland (31.3.2019). Der Autor schreibt hier, dass „Tonnengespärre mit eingeschriebenen spitzbogigen Querschnitten“ erstmals im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts nachgewiesen werden können. „Ein frühes Beispiel ist in Bayeux über der ‚Maison impasse Prud’homme‘ von 1226 […] erhalten.“ Eißing, Thomas, Zur Entstehung der Holztonnengespärre und Holztonnengewölbe, S. 89–124. Auf S. 90 definiert der Autor den Begriff Holztonnengespärre mit Verweis auf das Standardwerk von Friedrich Ostendorf, „Die Geschichte des Dachwerks“ (LeipzigBerlin 1908, S. 90): „Ostendorf unterscheidet zwischen ‚sichtbaren‘ und ‚offenen‘ Dachwerken. Als sichtbar definiert er die Tragkonstruktionen, die dem Betrachter den Blick auf das Tragwerk bis unter die Dachhaut ermöglichen. Beim offenen Dachwerk behindert dagegen eine unter den Traghölzern in den Dachraum eingestülpte Schalung die Sicht auf

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das Tragwerk bzw. die Dachhaut. Das Dachwerk ist daher zum unteren Raum hin offen, aber die Tragkonstruktion ist nicht sichtbar. Ostendorf bezeichnet die offenen Dachwerke zwar auch als verschalte Holztonnen­gewölbe, verwendet diesen Begriff jedoch nicht als Gliederungsbegriff, weil es ihm im Sinne seiner Genesevorstellung wichtig ist, die Entwicklung der Holztonnengewölbe aus dem sichtbaren ‚germanischen‘ Dachwerk zu betonen und jede Assoziation mit den in der antiken Bautechnik wurzelnden Steingewölbeformen zu vermeiden. […] Die Traggerüste, die für eine in den Dachraum hineinreichende Verschalung genutzt werden oder genutzt werden könnten, werden im Folgenden als Holztonnengespärre bezeichnet.“ Ebd., S. 56. Auch wenn es in Verbindung mit den Speisesälen in den Südtiroler Berghotels weit hergeholt scheint, sei hier der Vollständigkeit halber erwähnt, dass z. B. in Verbindung mit dem Bau des ebenfalls eine Spitzbogenform aufweisenden Dachwerks des Palazzo della Ragione in Padua (um 1420) angenommen wird, dass hier mit kostspieligen venezianischen Schiffszimmerern ausgewiesene Fachleute tätig waren. MEZ, 14.1.1898, S. 2. Die 1097 erbaute Westminster Hall war ursprünglich ein dreischiffiger Saal. Unter König Richard II. (1367–1400) wurde der Bau unter Verwendung des vorhandenen Mauerwerks in eine einschiffige, stützenfrei ausgeführte Halle mit sichtbarem Dachtragwerk umgebaut. Der bereits genannte Architekt und Autor Friedrich Ostendorf schrieb in „Die Geschichte des Dachwerks“, S. 109: „Die Neuerung am Dachwerk von Westminster besteht darin, daß hier das waagrechte Holz des Fußes weit in den Raum hereinragt, unterstützt von einem an der Wand stehenden Klappstiel nebst drei Bügen.“ Bei besonders kunstvoll ausgeführten „hammerbeam roofs“ liegen die manchmal an ihrer Unterseite in Engelsfiguren auslaufenden Hebelarme auf geschwungenen Winkeln auf. Eißing, Thomas, Zur Entstehung der Holzton­nen-­ gespärre und Holztonnengewölbe, S. 90. Hier schreibt der Autor: „Holztonnengewölbe standen im Gegen satz zu den Steingewölben weniger oder gar nicht im Blickfeld der architekturhistorischen Forschung. Sie gelten als einfach oder, wie Violett-le-Duc es formulierte, als ein ‚billiger‘ Ersatz für die Steintonne.“ Kugler, Franz, „Geschichte der Baukunst“, 5 Bde., Stuttgart 1856–1873. Hier Bd. 3, Stuttgart 1859, S. 137. 1821 gelangte die Westminster Hall ins Rampenlicht, weil hier das prunkvolle Krönungsbankett für König George IV. stattfand. Dieses wurde auf einem bekannten Gemälde aus demselben Jahr mit dem Titel „The Coronation Banquet of King George IV. in Westminster Hall“ (Museum of London) verewigt, auf dem nicht nur die festlich gedeckte Tafel (in der Table d’hôte-Aufstellung), sondern auch die beindruckenden Dimensionen der Halle mit ihrem „hammerbeam roof“ zu sehen sind. Knoch, S. 32. Prokop, S. 24. Rucki, S. 163.

755 Guyer, S. 55. 756 Roller, Robert jun., Ueber Hotelbauten, S. 6. 757 Schmitt, S. 76. Hier schreibt der Autor, „Von 1894 bis 1912 ließ der Bauboom die Zahl der Hotels in der Schweiz um mehr als das doppelte steigen, von 1.693 auf 3.585 Betriebe.“ 758 Siehe dazu im Abschnitt „Kassabuch Hotel Karersee“ im Katalogteil dieses Buches. 759 Siehe dazu auch in der Biografie Theodor Christomannos’ im zweiten Kapitel dieses Buches. 760 Über Karl Lartschneider siehe im Abschnitt über das Hotel Stubai im Katalogteil dieses Buches. 761 Cole, Laurence, „Für Gott, Kaiser und Vaterland“, S. 391f. Vgl.: Conrad, Claus, Historismus für den Fremdenverkehr und altdeutsche Gemütlichkeit, S. 126f. 762 Giedion, S. 526. Vgl.: Ottillinger, Eva B., Korbmöbel, Salzburg-Wien 1990, S. 94ff. Peters, Ursula, Künst­lerentwürfe für Korbmöbel um 1900 – Richard Riemerschmid und die Dresdner Fabrik kunstgewer­blicher Korbmöbel, in: Germanisches Nationalmuseum/Monatsanzeiger, Nr. 155, Nürnberg 1994, S. 3–5, hier: 3: „Im Verlauf des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Korbmacherei im Zuge der Ge­wer­beförderung zu einem florierenden Industrie­ zweig. Sessel, Paravents, Fußschemel, Etageren, Handarbeitskästen, Spiegelrahmen, Blu­mentische, Vogelkäfige, ja sogar Kanapees, Kronleuchter und Schreibtische wurden schließlich in Flechtarbeit hergestellt. […] Es war leicht und von daher praktisch zu handhaben, relativ günstig im Preis und entsprach so den Anforderungen der sich entwickelnden bürgerlichen Wohnkultur.“ Aus Rattan oder Peddigrohr geflochtene Möbel waren auch in den USA besonders beliebt, unter anderem unter der Bezeichnung „Wicker furniture“. Vgl.: Ottillinger, Eva B., Korbmöbel, S. 73–77. 763 Vgl.: Dosch, Leza, Kunst und Landschaft in Graubünden, S. 162. Der Autor geht hier auf die Bezüge zwischen Heimatschutz, Arts and Crafts und Deutschem Werkbund als Reformbewegungen ein und beschreibt deren divergierenden Zugang zum Thema industrielle Produktion von ursprünglich handwerklich gefertigten Produkten. 764 Ottillinger, Eva B., Korbmöbel, S. 83f. Hier schreibt die Autorin: „Während jedoch Handwerksmeister auf Grund der strengen Zunftordnungen nur Produkte ihres Handwerkszweiges produzieren durften, war es Inhabern einer Fabriksbefugnis möglich, Mitarbeiter aus unterschiedlichen Gewer­ ben zu beschäftigen und Erzeugnisse anzubieten, deren Herstellung verschiedener Handwerks­techniken bedarf, wie etwa die Strohsessel­fa­ bri­kation. Für den Bau des Holzrahmens waren Tischler oder Drechsler nötig, für die Rohr- oder Strohsitze hingegen Flechter.“ Die (Korb-)Möbel­ produktion wurde daher früh industrialisiert, Fertigungsprozesse (teil-)mechanisiert und in Fabriken wie der von Michael Thonet rasch in standardisierte Arbeitsschritte unterteilt. 765 Ebd., S. 81. 766 Zur Institutionalisierung des Fremdenverkehrs in Österreich siehe im Abschnitt „Alpenverein und Straßenbau“ im ersten Kapitel dieses Buches.

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767 Burkert Günther, Der Beginn des modernen Fremdenverkehrs in den österreichischen Kronländern, S. 59f. 768 Ebd., S. 61–63, hier: 61. 769 Für das Möbel gibt es keine einheitliche Bezeichnung. Es zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass es über keine Rücken- und nur eine Seitenlehne verfügt. Manchmal bestanden die Lehnen auch aus großen, mit Rosshaar gefüllten Rollen. Begriffe wie Diwan und Ottomane verweisen auf eine arabische Herkunft der gepolsterten Ruhe­bank, die häufig für den Mittagsschlaf verwendet wurde und wird. 770 Einen Hinweis darauf, dass die Zimmer bzw. Suiten in den Hotels (bzw. Kurhotels?) nach den Wünschen der Gäste eingerichtet wurden, gibt z. B. das Hotel Emma in Meran, wo Musch & Lun auf allen Ebenen größere Räume für die Lagerung von Möbeln einrichtete. Vgl.: 1907/1908/1924, Hotel Emma für Hermann Hellenstainer (heute: Fachoberschule für Tourismus und Biotechnologie „Marie Curie“), Mazziniplatz 1, I-39012 Meran (in Zusammenarbeit mit Architekt Gustav Birkenstaedt, 1871–1912), Kat.: H5.35, X3.367, X7.421, X8.452, Dok./Lit.: Amt für Bau- und Kunstdenkmäler (Denkmalschutz, BLR-LAB 3711 vom 29/07/1985). SAM, Sign. 4393.382 (Foto des Ar­ chi­tekturmodells). Pixner-Pertoll, Anna, Ins Licht gebaut, S. 116 f. (Abb.). Architektenkammer der Provinz Bozen (Hrsg.), Architektur in Südtirol, S. 67 (Abb.). www.tecneum.eu/index.php?option=com_ tecneum&task=object&id=578 (8.7.2020). 771 Vgl.: Knoch, S. 47. 772 Guyer, S. 85. 773 Koepf, Hans, Binding, Günther, Bildwörterbuch der Architektur, S. 11. 774 Beispielsweise in einem der ersten Prospekte für das Hotel Sulden, TLMF, Sign. FB_1644_57, S. 15. Vgl. die Angaben im Abschnitt über das Hotel Sulden im Katalogteil (aus: TLMF, Sign. W_5049, Nr. 73), wo für einen Privatsalon noch „fl. 10,– [ca. 148 Euro] an“ aufwärts berechnet wurden. 775 Reso, Evelyn, Das Klo auf Reisen. Kulturgeschichtliche Einblicke in die Welt der Toilette, Museumsbroschüre des Touriseums, Südtiroler Landesmuseum für Tourismus, Meran 2012, S. 1–8. 776 Vgl.: Flückiger-Seiler (1), S. 94–133. Hier beschreibt der Autor detailliert technische Innovationen im Schweizer Hotelbau und fasst charakteristische Beispiele auf chronologisch geordneten Tabellen zusammen. 777 Giedion, S. 736f. Der Autor schreibt hier: „Erst gingen die Wasserleitungen ins Parterre, dann in die Stockwerke und schließlich in jede einzelne Woh­nung. Nur ein Film könnte das Eindringen des fließenden Wassers in den Stadtorganismus, seinen Sprung in die Stockwerke in die Küche und schließlich in das Bad plastisch darstellen; Worte sind dafür zu schwerfällig.“ 778 Ebd., S. 751. 779 Ebd., S. 734. 780 Ebd., S. 739ff., S. 749. Vgl.: Rucki, S. 158f. Sigfried Giedion führt an, dass in einem Hotel in Boston schon 1877 alle Zimmer mit fließendem warmen

und kalten Wasser ausgestattet waren. Isabelle Rucki schreibt im Unterschied dazu und ohne auf die Entwicklungen in den USA einzugehen: „Die Privatisierung des sanitären Bereichs und der Anspruch auf ein eigenes Bad im Hotelzimmer ist von England (und den Ansprüchen englischer Gäste im Ausland) ausgegangen.“ Ein Hotelzimmer mit Bad, „nach dem neuesten englischen System einge­richtet“, wie es oft in Annoncen hieß, war ein Merkmal für Qualität, so die Autorin. 781 Giedion, S. 746–752. Hier beschreibt der Autor den Einfluss des Hotels auf „Die amerikani­sche Badezelle“ und die Entstehung von Standard­ grundrissen, in denen das Bad immer als Anhang zum Schlafzimmer gesehen wurde. 782 Ebd., S. 751. 783 Guyer, S. 86. 784 Giedion, S. 747. 785 Rucki, S. 132. 786 Z. B.: Hotel Karersee (TOUR_ 4100468), Hotel Plätzwiese (P3_4375), Hotel Canazei (C2_0950). 787 Vgl. z. B.: TOUR_ 4100314 bis TOUR_ 4100317. Auf den Plänen aus dem Jahr 1929 ist zu sehen, dass bei den Zimmern auch Zwischenwände versetzt wurden. Es handelte sich somit um einen inva­siven Eingriff in die Grundrisskonfiguration der Gästetrakte – der allerdings die spätere Umwand­lung des Gebäudes in ein Apartmenthaus vereinfacht haben könnte. 788 Siehe dazu auch im Abschnitt über das Hotel Sulden im Katalogteil. Die Lieferanten stammten meistens aus Deutschland. Manche von ihnen betrieben auch Niederlassungen in Wien. Musch & Lun baute derartige Heizungssysteme auch in Meraner Villen ein. 789 Vgl.: Flückiger-Seiler (1), S. 118f. Hier schreibt der Autor, dass in manchen Häusern getrennte Systeme eingebaut wurden, Niederdruck-Damp­fheizungen für die öffentlichen Bereiche der Hotels und Nieder­ druck-Dampf-Warmwasserheizungen, mit denen die Heizkörper in den Zimmern erwärmt wurden. 790 www.baunetzwissen.de/heizung/fachwissen/ entwicklung-der-heizung/dampfheizung-161062 (13.7.2020). 791 Guyer, S. 89f. Hier heißt es: „Es ist selbstverständlich, dass die Heizungsfrage, auch abgesehen von einer Zentralfeuerung, von vornherein entschieden werden muss, da die ganze Anlage, Eintheilung und Konstruktion eines Baues mit derselben in engster Verbindung steht. Der Unterschied in der Be­ lastung der Balken durch einen schweren gefüt­terten Porzellanofen oder einen leichten Eisenblechofen, die Richtung der Kaminzüge und der dadurch nöthigen Mauerdicke, je nachdem Kamine und Oefen an den Zwischenwänden oder den Hauptmauern mit innerer oder äusserer Einfeuerung verwendet werden, das Anbringen der Zimmer- und Zwischenthüren und die Rücksicht auf die Stellung der Betten und die Möblirung der Räume sind tief eingreifende Fragen, welche nicht erst während des Baues beantwortet werden dürfen.“ 792 Von der Hotelhalle des Hotels Plätzwiese existieren Innenraumfotografien, die zeigen, dass der offene Kamin zeitweise abgedeckt worden sein dürfte.

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Damit sollte wahrscheinlich verhindert werden, dass über den Kamin zu viel kalte Luft in den Innenraum dringt. 793 Nähere Informationen zum Brand im Hotel Karersee im entsprechenden Abschnitt im Katalogteil. 794 Über die Pionierleistungen der Schweizer Hoteliers, vgl.: Flückiger-Seiler (1), S. 94–133. 795 Prokop, S. 22. 796 TLMF, Sign. FB_32631, S. 55. Vgl.: digital.tessmann.it/ tessmannDigital/Medium/Seite/12518/62 (14.7.2020). 797 Z. B. in einem der ersten Prospekte für das Hotel Sulden, TLMF, Sign. FB_1644_57, S. 15. 798 Vgl. Rucki, S. 162f. 799 In der Schweizer Hotelarchitektur war dieser Anachronismus ebenfalls augenfällig. Vgl. Rucki, S. 162f. Die Autorin schreibt: „Der Schweizer Kunst­ historiker Albert Knöpfli bemerkt hierzu treffend: Gerade weil der ‚echte‘ Schlossbau in der schweizerischen Demokratie des 19. Jahrhunderts eher als Anachronismus anzusprechen ist und Schlösser ohne Könige fast ebensoschwer vorstellbar sind wie Gotik ohne Gott, so liegt eine nicht zu unterschätzende Bedeutung des Architekturmotives ‚Schloss‘ unter schweizerischen Gesichtspunkten in den erstaunlich vielfältigen Formen seiner funktionsfremden Übertragung [...]“. 800 Cole, Laurence, „Für Gott, Kaiser und Vaterland“, S. 368. 801 Ebd., Der Autor zitiert hier aus: Frykman, Jonas, Löfgren, Orvar, Culture builders. A historical anthropology of middle-class life, New BrunswickLondon 1983, S. 63. 802 Vgl.: Rucki, S. 164, Schmitt, S. 12. 803 Vgl.: Flückiger-Seiler (1), S. 24f. Der Band „Architektur wird Region/Dall’architettura alla regione/Architecture becomes Region“, der sich mit der Tourismusarchitektur Nord- und Südtirols nach dem Ersten Weltkrieg auseinandersetzt, knüpft thematisch an den hier endenden Band von „Berghotels 1890–1930: Südtirol, Nordtirol, Trentino“ an. Vgl.: Schlorhaufer, Bettina, Schloss Prösels, Grote, Georg (Hrsg.), Architektur wird Region/Dall’architettura alla regione/Architecture becomes Region, Basel 2017.

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Register Personen Altenberg, Peter 71, 74, 76 Angerer, Johann 54ff., 60, 61, 62, 63, 64, 65, 66, 67, 78, 83, 84, 85, 86, 88, 92, 97, 152 Arnold, Eduard 159, 161 Baumann, Franz 143 Benesch, Friedrich 106 Beckert, Max 107 Bittner, Johann 239 Blondel, Jacques-François 34 Brehmer, Hermann 70, 77 Brüder Ludwig 56, 58 Charlier, Max 159, 160, 162, 163 Charlier, Paul 163 Chiattone, Gabriele (Chiattone-Werkstatt) 23, 125, 131 Chiodera & Tschudy 214, 215 Christomannos, Demeter Walter 102 Christomannos, Johann Anastasios 104 Christomannos, Johann (Hans) 102 Christomannos, Karl 103 Christomannos, Konstantin 103 Christomannos, Maria (geborene Tirka) 103 Christomannos, Sigurd 102 Christomannos, Theodor 16, 35, 65, 75, 83, 85, 86, 88, 92, 93, 95, 96, 97, 98, 99, 109, 102ff., 107, 114, 122, 123, 127, 129, 133, 134, 135, 138, 145, 147, 150, 151, 156, 158, 159, 160, 162, 163, 170, 193, 215, 220, 222, 223, 227, 228, 235, 238, 248, 250, 251, 261, 264 Compton, Edward Theodore 106, 263, 264 Dal Lago (Dallago), Leonhard 157, 159, 160 Deininger, Johann Wunibald 111 Dejori, Anton 152, 153, 228 Dettweiler, Peter 70, 71 Deuster, Friedrich von 201 Diamantidi (Familie) 102 Dissertori (Südbahn-Ingenieur) 58 Dumba, Irene 102, 159, 160, 162 Dumba, Nikolaus 102, 160 Durand, Jean-Nicolas-Louis 185, 186, 187, 188, 198, 208 Eisenlohr, Friedrich 187, 189, 194, 198 Elisabeth von Österreich-Ungarn, Kaiserin 103, 222 Eller, Johann 61, 67, 95, 97, 98 Escher, Alfred 163 Esterle, Max von 108, 132, 136, 138 Etzel, Karl (Carl) von 53, 57, 137, 188, 194 Eugen, Erzherzog von Österreich 204 Feederle, Friedrich 194 Fischer, Theodor 235 Flattich, Wilhelm von 25, 47, 49, 51, 52, 53, 57, 140, 185, 188, 194, 208, 209, 210, 213 Förster, Emil von 43, 44, 47, 49, 185, 205, 207, 208, 231, 246 Franz Joseph I., Kaiser 62 Freytag, Friedrich 44 Fürth, Adolf 159, 161 Fürth, Emil von 159, 161 Fulda, Ludwig 157 Funk, Heinrich 126 Gritsch, Hans 147, 159 Gritsch, Maria 159

Gröbner, August 56, 57 Gröbner, Leopold 55, 57 Gröbner (Familie) 56, 57, 58, Grubhofer, Tony 23, 56, 58, 63, 86, 87, 90, 96, 100, 102, 103, 106, 109, 114, 119, 122, 125, 126ff., 130, 136, 138, 147, 150, 155, 161, 170, 216, Grubhofer, Sophie (geborene Zenobio-Albrizzi) 103, 126ff., 159, 161, 162 Guyer, Eduard 19, 172, 205, 247, 259, 260, 261 Hämmerle, Guntram 159, 161, 162 Hämmerle, Otto 159, 161, 162 Hartmann, August 157, 159, 160 Henkell, Otto 163 Hoffman (Hofmann), Leopold Friedrich 92, 97, 98, 99, 135 Huber, Franz 159 Huber, Johann Nepomuk 76 Huber, Sebastian 76, 100, 129, 133ff., 139, 147, 150, 152, 159 Irschara, Adam 31 Johannes, Bernhard 106, 107, 170 Kieser, Anna 159, 161 Kieser, Irma 159, 161 Kinkelin, Alexander 139, 165 Kinkelin (Familie) 139 Kneipp, Sebastian 26 Klasen, Ludwig 19, 172, 180, 183, 205, 208, 210, 219, 247, 259 Kofler, Anton 83 Kubly, Felix Wilhelm 238 Kugler, Franz 245 Lartschneider, Karl 251 Lenoir, George André 44 Lohner, Ludwig 159, 160, 161, 162 Loudon, John Claudius 190, 192 Ludwig, Alois (siehe Brüder Ludwig) Ludwig, Gustav Josef (siehe Brüder Ludwig) Lun, Antonia 139 Lun, Carl 65, 100, 107, 129, 133, 137, 138ff., 142, 143, 144, 145, 147, 150, 157, 158, 159, 160, 162, 164, 165, 222, 228 Lun, Caroline (Lina) 159 Lun, Josef 100, 122, 136, 137, 145ff. Lun, Josefine 139 Lun, Maria 139 Lutz, Franziska (Fanny) 102 Lux, Joseph August 12, 13, 17, 22, 40, 166, 168, 169, 267 Mages, Freiherr von 159, 160, 162, 163 Maniel, Vincent Jacques 188 Margarit (Margarith, Familie) 102 Marti, Rosa 111 Marville, Charles 176 Mazegger, Bernhard sen. 30, 31 Merode, Cléo de 102 Miller, Oskar von 137, 143 Morpurgo, Robert von 231 Musch, Bernhard 139 Musch, Josef 138, 139, 140, 141, 142 Musch, Oskar 139, 165 Noë, Heinrich 86, 87, 129 Norer, Jakob 185 Oertel, Max Joseph 77, 86 Österreicher, Franz 82, 202, 204 Ostendorf, Friedrich 241, 245 Paar, Ludwig (Graf) 159, 160

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Payer, Julius 95 Peithner von Lichtenfels, Eduard 126 Pechlaner, Maria 137 Pernwerth (von Bärenstein), Wilhelm 60, 83 Prachensky, Theodor 143 Prießnitz (Priessnitz), Vincenz 26, 29, 70, 75 Prokop, August 19, 109, 137, 170, 172, 208, 219, 220, 221, 227, 242, 246, 248, Ranzi, Francesco 204 Riehl, Josef 100, 129, 136ff., 143, 145, 147, 159 Righi, Giovanni Battista 82 Roller Robert, jun. 183, 191, 201, 209, 210, 237, 238, 248 Roller Robert, sen. 191 Schalek, Alice 99 Scheibler, Carl 159, 160, 162 Schidlach, Rosa von 137 Schintlholzer, Antonia 111 Schmid, Hermann 111 Schmid, Otto 12, 14, 66, 100, 103, 105, 111ff., 114, 124, 125, 127, 129, 144, 147, 150, 162, 170, 212, 213, 214, 215, 216, 217, 219, 220, 221, 222, 225, 227, 228, 235, 239, 240, 242, 245, 248, 251, 259, 262 Schmidt, Friedrich von 111, 112, 113, 115, 118, 219, 240 Schmidt, Otto 111, 117, 121 Schnitzler, Arthur 109 Schrötter von Kristelli, Leopold 72 Schwarz, Arnold 159, 161, 162 Schwarz, Sigismund (Siegmund) 159, 161, 162 Schwarzenberg, Mathilde von 76 Schwarz-Senborn, Wilhelm von 92 Semper, Gottfried 187 Senn, Franz 67 Škoda, Joseph von 69, 70, 72 Sölder zu Prackenstein, Otto von 163 Sottovia, Giovanni 213 Stainer, Albertine 159, 161 Stainer, Antonia 159, 160 Stainer, Hans 97, 104, 129, 133, 135f., 139, 147, 150, 151, 156, 159, 160, 161 Staffler, Flora 56 Staffler, Franz 164 Staffler, Johann Jakob 85, 86 Staffler, Franz 164 Steub, Ludwig 85, 86 Tirka (Familie) 102 Tirka, Maria (siehe Christomannos, Maria) 102, 103 Überbacher-Minatti (Ueberbacher), Elise 44, 51, 52, 56, 209 Überbacher-Minatti, Ignaz 51, 52, 209 Van Brunt, Henry 166 Viollet-le-Duc, Eugène 192, 245 Vorster, Julius 159, 160 Weber, Beda 85, 86 Weinbrenner, Friedrich 168 Wildhak, Alfred 231 Wolkenstein, Albert (Graf) 159, 160 Zenobio-Albrizzi, Elsa (geborene Margarit) 103, 113, 115, 122, 126

Orte Abbazia 43 Alland 72 Alt-Prags 25 Arco 60, 75 Augsburg 137 Baden-Baden 168, 178 Bad Tarasp 31, 238, 239 Bad Schinznach 178, 179 Bad Sliač (auch: Szliács, Sliačske kúpele) 43 Basel 38, 53, 140, 178, 194 Beaune 12, 13, 242 Bern 180, 191 Bozen (Bozen-Gries) 31, 38, 41, 42, 43, 46, 47, 49, 51, 52, 54, 55, 56, 60, 65, 67, 76, 79, 83, 84, 86, 91, 92, 93, 103, 106, 111, 112, 113, 115, 116, 132, 133, 136, 138, 139, 140, 141, 143, 145, 147, 157, 161, 162, 163, 165, 185, 205, 207, 222 Brenner 106, 136, 169, 185, 247 Brennerbad 57, 152, 155, 184, 185, 197, 199, 230, 232, 236, 242, 246, 247, 251, 256, 259, 264 Brixen 137, 139, 152 Bruck an der Leitha 145 Budweis (České Budějovice) 38 Canazei 12, 19, 67, 110, 158, 163, 164, 169, 234, 234, 245 Davos 70, 71, 77, 89 Faulenseebad 182, 191, 209 Franzenshöhe 82 Fulpmes 136, 137, 138, 145, 232 Glurns 54 Gmunden 38, 43 Görz 43, 75 Gossensass 55, 56, 57, 58, 129, 201 Graun 124 Graz 92, 256, 257 Gurnigelbad 180, 183, 191 Hall in Tirol 54, 55, Hopfgarten 145 Igls 138 Innsbruck 54, 83, 103, 104, 119, 123, 126, 132, 133, 135, 136, 137, 138, 140, 145, 147, 151, 156, 185 Josefsberg 135 Karlsbad (Karlovy Vary) 107, 178 Karlsruhe 137, 187, 194 Karersee 12, 14, 23, 35, 56, 76, 83, 84, 88, 90, 93, 99, 103, 109, 110, 124, 131, 134, 135, 136, 137, 143, 144, 145, 147, 148, 149, 151, 152, 153, 154, 155, 156, 157, 158, 163, 164, 165, 198, 170, 217, 219, 222, 227, 228, 229, 231, 232, 237, 238, 239, 245, 247, 248, 249, 250, 256, 262, 263, 264, 266, 267 Kitzbühel 19, 123, 124, 162, 217, 225, 227, 245, 143, Klagenfurt 92 Lana 54, 145 Levico 180, 181, 185 London 127, 166, 242, 244, 245 Madonna di Campiglio 82, 204, 239, 244, 245 Maloja 35, 36, 37 Mals 38, 88, 106 Maria Lanzendorf 111 Marienbad (Mariánské Lázně) 40, 43, 178, 205, 207, 246 Marling 133, 135 Mannheim 38, 194

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Bildnachweis Matrei am Brenner 137 Mayrhofen 145 Mendel 84, 93, 239 Meran (Meran-Obermais) 14, 31, 38, 43, 44, 45, 47, 52, 54, 55, 60, 65, 72, 75, 76, 77, 78, 79, 83, 84, 88, 91, 93, 95, 97, 98, 99, 100, 102, 103, 104, 104, 106, 107, 109, 122, 123, 127, 128, 129, 131, 133, 134, 135, 138, 139, 140, 141, 142, 143, 144, 145, 147, 150, 151, 152, 157, 158, 159, 160, 161, 163, 164, 185, 201, 205, 222, 228, 248, 251, 256 München 12, 38, 40, 51, 56, 67, 85, 86, 107, 126, 127, 134, 139, 232, Neumarkt 54 Oberbozen 19, 58 Paris 53, 69, 127, 129, 196, 174, 175, 177, 187, 188, Plätzwiese (Plätzwiesen) 232, 251, 252, 264, 265, 266 Pontresina 98, 213, 214 Pordoi 93, 158 Pragser Wildsee 19, 124, 130, 217, 225, 227, 264 Riva 75 Salzburg 38, 40, 115 Semmering 74, 76, 155, 231 St. Anton am Arlberg 14, 58 St. Christoph am Arlberg 32, St. Moritz 31, 173, 213, 214, 217, 219, 238 Schloss Enn (Montan) 100, 103, 111, 113, 114, 115, 116, 117, 118, 119, 121, 122, 124, 126, 127, 161, 240 Schloss Runkelstein 112, 113, 115, 119, 122, 124, 219 Spondinig 151, 158 Sterzing 47, 137, 185 Sulden 35, 61, 63, 66, 67, 88, 93, 95, 96, 97, 98, 99, 100, 103, 106, 110, 111, 119, 122, 123, 124, 129, 144, 145, 147, 151, 152, 154, 160, 170, 213, 214, 216, 217, 218, 219, 220, 221, 222, 224, 225, 227, 228, 237, 239, 240, 242, 246, 248, 256, 258, 262, 264 Toblach 16, 25, 43, 44, 47, 49, 51, 52, 55, 61, 65, 75, 91, 93, 106, 185, 208, 209, 210, 211, 220, 231, 237 Trafoi 23, 35, 66, 82, 88, 90, 93, 110, 119, 120, 121, 135, 144, 147, 151, 152, 154, 155, 158, 160, 163, 167, 170, 219, 222, 226, 227, 228, 240, 242, 243, 248, 262, 264 Trient 63, 82, 202, 203, 204, 208 Triest 38, 53, 163 Trostburg (Waidbruck) 118, 242 Verona 38, 242 Venedig 103, 113, 114, 115, 122, 126, 127, 213 Vetriolo 180, 181 Vigo di Fassa 83, 93 Weisslahnbad 135, 152, 153 Welschnofen 83, 84, 93, 124 Wien 12, 19, 31, 33, 38, 40, 41, 43, 44, 47, 51, 53, 54, 55, 60, 62, 63, 64, 68, 69, 70, 72, 76, 92, 99, 102, 103, 107, 109, 111, 112, 113, 114, 115, 126, 127, 133, 134, 137, 138, 139, 140, 141, 147, 149, 150, 155, 156, 157, 162, 164, 170, 175, 185, 193, 205, 213, 222, 231, 235, 242, 248, 251 Zell am See 57, 115 Zürich 35, 38, 178

Akademie der bildenden Künste, Kupferstichkabinett, Wien 112, 212 Alpine Majestäten und ihr Gefolge. Die Gebirgswelt der Erde in Bildern, Bd. 1 (München 1901) 109 Architektonische Rundschau, Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst (Stuttgart 1897), Heidelberger historische Bestände – digital 215 Bauamt Welschnofen 153 Biblioteca e Archivio storico, Trient 202 Blondel, Jacques-François, Abrégé d‘architecture, concernant la distribution, la décoration et la construction des bâtiments civils […], Bibliothèque Mazarine, Paris 34 Burkert Günther, Der Beginn des modernen Fremdenverkehrs in den österreichischen Kronländern […], in: Schöpfer Gerald (Hrsg.), Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft für Wirtschafts- und Sozialgeschichte (Graz 1981) 256, 257 Christomannos, Theodor, Sulden–Trafoi. Schilderungen aus dem Ortlergebiete […], (Innsbruck 1895) 63, 98 Christomannos, Theodor, Die neue Dolomitenstraße Bozen–Cortina–Toblach und ihre Nebenlinien (Wien 1909) 156, 158 Christomannos Gedenkbuch. Erinnerungen an Theodor. Von seinem Freunde Tony Grubhofer (Meran 1912) 263 Das fürstl. Liechtenstein’sche Schloss Fischhorn im Pinzgau. Restauration von Friedrich Schmidt […], in: Allgemeine Bauzeitung (Wien 1870, S. 70–72, Tafeln 9–16) 115 Durand, Nicolas-Louis, Précis des leçons d’architectures données à l’École Polytechnique (Erstauflage: Paris 1802–1805), Bibliothèque nationale de France, Gallica 186 Eisenlohr, Friedrich, Sammlung von Hochbauten der Großh. Badischen Eisenbahn enthaltend Bahnhöfe, Stationen und Bahnwartshäuser […], (Karlsruhe 1865), Bayrische Staatsbibliothek, München 187, 189 Eisenlohr, Friedrich, Feederle, Friedrich, Holzbauten des Schwarzwaldes (Karlsruhe 1853), Badische Landesbibliothek, Karlsruhe 195, 196 Esterle, Max von, Tirols Koryphäen (Innsbruck 1911) 108, 126, 136 Flattich, Wilhelm von, Der Eisenbahn-Hochbau in seiner Durchführung (Wien 1877) 208 Forschungsinstitut Brenner-Archiv, Universität Innsbruck 87

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Giedion, Sigfried, Die Herrschaft der Mechanisierung. Ein Beitrag zur anonymen Geschichte (Hamburg 1994) 223

Rucki, Isabelle, Das Hotel in den Alpen. Die Geschichte der Oberengadiner Hotelarchitektur ab 1860 (Zürich 2012) 178, 179, 214, 239 Sammlung Giovanni Rubin de Cervin Albrizzi und Familie, Schloss Enn/Montan 114, 116, 117, 120, 121, 126

Hôtel und Pensionsgebäude im neuen Kasino-Park in Marienbad, in: Allgemeine Bauzeitung (Wien 1875, S. 75, Tafeln 65–71) 206, 207

Sammlung Paolo Bisti, Madonna di Campiglio 82

https://historyofworldphotography.weebly.com/johannes-b-partenkirchen 107

Sammlung Hotel Dolomiti, Canazei 110 Sammlung Familien Psenner und Schroffenegger, Dolomitenhotel Weisslahnbad, Tiers 152

Klasen, Ludwig, Grundriss-Vorbilder von Gebäuden aller Art. Handbuch für Baubehörden, Bauherren, Architekten, Ingenieure, […], Bd. 2, Gasthäuser, Hotels und Restaurants (Leipzig 1884) 182, 246, 259

Sammlung Ludwig Eimannsberger, Innsbruck 124

Landesbibliothek Dr. Friedrich Teßmann, Bozen 154, 239 Loudon, John Claudius, Encyclopedia of Cottage, Farm and Villa Architecture (London 1833) 190, 192, 194

Sammlung Günther Ennemoser, Gossensass 58, 59 Sammlung Roland Flückiger-Seiler, Bern 182, 183 Sammlung Caroline M. Heiss, Pragser Wildsee 130, 225, 232, 252, 265

Lucius Beebe Memorial Library, Wakefield, Mass. 253

Sammlung Jutta Heugl-Christomannos, Wien 102, 103, 109, 132

Luison, Anna, Institut für Architekturtheorie und Baugeschichte, Arbeitsbereich Architekturtheorie, Universität Innsbruck 39, 200, 224, 290

Sammlung Bettina Schlorhaufer, Innsbruck 244

Lux, Joseph August, Das Hotel, ein Bauproblem, in: Der Architekt (Wien 1909, S. 17) 13

Stadtarchiv Meran 72, 142, 243 The Studio (London 1895) 119

Musch & Lun Archiv, Thomas Kinkelin, Meran 141, 144, 197, 199, 244, 252, 258, 267

Thonet GmbH, Frankenberg/Eder 254, 255

Museum Boppard 73

Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Ferdinandeumsbibliothek, Innsbruck 23, 25, 32, 41, 42, 45, 48, 49, 50, 56, 57, 79, 80, 81, 84, 89, 94, 96, 105, 122, 125, 128, 129, 148, 167, 180, 181, 184, 218, 221, 225, 226, 229, 230, 236, 247, 249, 250, 259, 264

Museumsverein Bozen 104 Österreichische Nationalbibliothek, AKON (Ansichtskarten online), Wien 112, 134, 137, 153, 201, 211, 231, 233, 234 Österreichische Nationalbibliothek, Kriegspressequartier Alben 1914–1918, Wien 111, 202, 203, 204 Ostendorf, Friedrich, Die Geschichte des Dachwerks (Leipzig-Berlin 1908), Heidelberger historische Bestände – digital 241

Touriseum – Südtiroler Landesmuseum für Tourismus, Meran 30, 43, 46, 90, 93, 101, 146, 207, 229 Vasko-Juhász, Désirée, Die Südbahn. Ihre Kurorte und Hotels (Wien-Köln-Weimar 2006) 210, 211, 231 Wellcome Library, London 26, 27, 28, 29, 31, 68, Wikimedia Commons 33, 36, 37, 46, 52, 71, 72, 168, 169, 173, 174, 175, 176, 224, 240, 241

Pokorny, Bruno, Aus Merans Werdezeit 1870–1900 (Meran 1929) 133

www.biographien.ac.at 53

Prokop, August, Über österreichische Alpen-Hotels mit besonderer Berücksichtigung Tirol’s, (Wien 1897) 51, 216

www.tobla.net 24

Reimer, Hans, Die Lutherischen in Südtirol. Die Geschichte der evangelischen Gemeinde in Meran. Eine Spurensuche zum Protestantismus in Südtirol und im Trentino (Bozen 2009) 66, 111

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Impressum Herausgeber Betrieb Landesmuseen Touriseum – Südtiroler Landesmuseum für Tourismus, I-Meran www.touriseum.it Autorin Bettina Schlorhaufer Institut für Architekturtheorie, Baugeschichte und Denkmalpflege, Arbeitsbereich Architekturtheorie, Universität Innsbruck, A-Innsbruck www.architekturtheorie.eu Acquisitions Editor: David Marold, Birkhäuser Verlag, A-Wien Content & Production Editor: Bettina R. Algieri, Birkhäuser Verlag, A-Wien Lektorat: Esther Pirchner, A-Innsbruck Grafisches Konzept: Grafik Caldonazzi, Atelier für visuelle Kommunikation, A-6820 Frastanz www.caldonazzi.at Satz, Planrekonstruktionen und Architekturdarstellungen: Anna Luison, Institut für Architekturtheorie, Baugeschichte und Denkmalpflege, Arbeitsbereich Architekturtheorie, Universität Innsbruck, A-Innsbruck Druck: Beltz Grafische Betriebe GmbH, D-Bad Langensalza Library of Congress Control Number: 2022933820 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts.

ISBN 978-3-0356-2582-0 e-ISBN (PDF) 978-3-0356-2583-7

© 2022 Birkhäuser Verlag GmbH, Basel Postfach 44, CH-4009 Basel, Schweiz Ein Unternehmen der Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston 9 8 7 6 5 4 3 2 www.birkhauser.com

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BERGHOTELS 1890–1930

BERGHOTELS 1890–1930

Südtirol | Nordtirol | Trentino Bauten und Projekte von Musch & Lun und Otto Schmid Band 2 | 2. Auflage Bettina Schlorhaufer

Birkhäuser Basel

Inhalt Bauten und Projekte von Musch & Lun und Otto Schmid (in chronologischer Reihenfolge) – Allgemeines Abkürzungen Umrechnung historischer Währungen in Euro

1892/1893 | Hotel Sulden für Theodor Christomannos und Otto Schmid, Sulden Das Hotel Sulden – Prototyp für weitere Projekte von Otto Schmid Hotel Sulden (aus einem Hotelprospekt, um 1896) Innenraumgestaltung und „Alpenhaus-Atmosphäre“ Rad-Touristik. Über’s Stilfserjoch und den Tonale-Pass nach Riva am Gardasee, 1898 Technische Innovationen: Heizung und Beleuchtung des Hotels Sulden (Elektrizitätswerk) Weitere An- und Umbauten am Hotel Sulden nach 1893 Evangelische Kapelle beim Hotel Sulden, 1904–1911 (Benediktion: 30.7.1911) Der Tiroler Volksbote über den Bau der protestantischen (anglikanischen) Kapelle in Sulden durch den Architekten und Hotelbesitzer Otto Schmid, 1904

7 7 9

10 14 15 16 17 18 18 21 22

1893/1894 | Hotel des Alpes, Speisesaal, An- und Zubauten für Franz Österreicher, Madonna di Campiglio Die Umwandlung des Hospizes von Madonna di Campiglio in das Stabilimento Alpino 1874, dokumentiert vom britischen Juristen und Alpinisten Douglas Freshfield (1845–1934) Speisesaal (Errichtung 1893/1894, Wandmalereien 1895–1897) Franz Österreicher Südosttrakt des Hotels des Alpes und weitere Bauteile Kirche Santa Maria Antica (Benediktion: 16.8.1895)

26 27 28 29 36

1893–1895 | Hotel Stötter für Carl Stötter, Sterzing Über die Entwicklung des Fremdenverkehrs in Sterzing

38 40

1895 | Dolomiten-Hotel Weisslahnbad, Erweiterung und Anbau eines Speisesaales für den „Verein für Alpenhotels in Tirol“, Tiers Das „Dolomiten-Hôtel“ Weisslahnbad Erste Bauphase, 1895 Anbau eines Speisesaales, 1903/1904

42 44 44 44

1894–1896 | Hotel Trafoi für den „Verein für Alpenhotels in Tirol“, Trafoi Lage und Zuschnitt des Baukörpers Gesellschaftsräume und Speisesaal „Bausätze“ für Berghotels Das Hotel Trafoi im Ersten Weltkrieg

48 49 54 57 57

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24

1894–1896 | Hotel Karersee für den „Verein für Alpenhotels in Tirol“, Welschnofen Die Errichtung des Hotels Karersee, 1894 bis 1896 August Prokop – Bericht von der Baustelle des Hotels Karersee Architektonisches Erscheinungsbild und Raumprogramm des Hotels Karersee Technisches: Beheizung und Beleuchtung des Hotels Karersee um 1896 Raumatmosphäre Von „weichen“ zu „harten“ Formen der „Regionalisierung“ Erste Hotelerweiterung, 1906 bis 1909 Der Hotelbrand vom 15. August 1910 und die in seiner Nachfolge erhobenen Schadenersatzforderungen Wiederaufbau nach dem Hotelbrand, 1910 bis 1912 Kassabuch Hotel Karersee (Neueinrichtung des Hotels 1911/1912 etc., Privatsammlung Christine Geiger, Karersee) Das Hotel Karersee im Ersten Weltkrieg und Bauprojekte in der Zwischenkriegszeit, z. B. Freibadanlage, 1936 Zum Hotel Karersee gehörige Einrichtungen, weitere Villen und Projekte von Musch & Lun - Elektrizitätswerk I. des Hotels Karersee (1896, heute: Forstliche Aufsichtsstelle Latemar und Sägewerk, Karerseestraße 110, I-39056 Welschnofen) - bzw. Elektrizitätswerk II. (1908, auch: Karerseewerk) - Alpen-Kapelle (heute: Kirche St. Josef), 1896/1897 (Benediktion: 13.6.1897) - Villen im Umfeld des Hotels Karersee: Villa Waldhaus von Dr. Sebastian Huber (1899/1900) und Villa Dr. Ludwig Fulda (1905/1906) - Försterhaus, 1907/1922 (Bausubstanz heute in die Forstschule Latemar integriert)

60 63 64 70 71 81 82 84 91 93 108 109 114

114 116 118 126

1896/1897 | Rosengartenhof für Anton Dejori, Karerpass

128

1896–1899 | Hotel Pragser Wildsee für Eduard Hellenstainer, Prags Emma Hellenstainer und die Anfänge der Bewirtung von Gästen am Pragser Wildsee

132 133 136 137 143 143 148 152

Emma Hellenstainer Erste Baustufe, 1896 bis 1899 Zweite Baustufe, 1902/1903 Das Hotel Pragser Wildsee im Umfeld des aufkommenden Natur- und Heimatschutzes Dritte Baustufe, 1928/1929 Kapelle „Zur Schmerzhaften Muttergottes“ beim Hotel Pragser Wildsee, 1903–1904 (Benediktion: 3.7.1904) 1898–1900 | Hotel Plätzwiese für Hans Leipold, Prags

154

1898–1900 | Pension Gudrunhausen für Marie Gröbner, Gossensass

168

1900–1902 | Hotel Brennerbad für die Brennerbad-Gesellschaft, Brenner Brennerbad Sterzingerhof Badkirchlein „Maria Hilf“ (Benediktion: 20.7.1886) Ferdinand Langguth, Pächter des Sterzingerhofs Ferdinand Langguth Brennerbad-Gesellschaft Hotel Brennerbad Brunnen und Verkaufspavillon Hotel Brennerbad (Projekte?) Das Hotel Brennerbad im Ersten Weltkrieg

176 177 178 180 180 182 183 184 196 197

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1900–1902 | Hotel und Pension Wenter für Amalie Wenter, Graun Über das Hotel Wenter während des Ersten Weltkriegs, 1917

198 202

1900–1903 | Hotel Kitzbühel für den Hotelbauverein Kitzbühel, Kitzbühel

204 206 211 212 213

Franz Reisch Hotelbauverein Kitzbühel Anton Kofler Das Hotel Kitzbühel und seine Bauphasen 1902–1904 | Hotel Stubai für Josef Riehl, Fulpmes Das Hotel bei der Endstation der Stubaitalbahn in Fulpmes und sein Erscheinungsbild Karl Lartschneider Über das Hotel Stubai und die Wandmalereien von Karl Lartschneider, 1904 Abkehr vom „schlossähnlichen“ Hotelbau unter dem Einfluss der Heimatschutzbewegung

222 226 226 227 228

1902 | Hotel Langguth für Ferdinand Langguth (Projekt), Brenner

230

1905–1907 | Hotel Oberbozen (Hotel Holzner) für die Aktiengesellschaft Rittner Bahn, Oberbozen

234 235 237 237 242 243

Hans Holzner Die Rittner Bahn und ein Entwurf für den Bahnhof Oberbozen von Musch & Lun Hotel Oberbozen Das Architekturbüro Brüder Ludwig, München-Bozen Hotelerweiterungsprojekte der Brüder Ludwig, 1912 1907–1909 | Dolomitenhaus Canazei für den „Deutschen Verein für Dolomitenhäuser“ Gesellschaft mit beschränkter Haftung Der „Deutsche Verein für Dolomitenhäuser“ Gesellschaft mit beschränkter Haftung Canazei Das Christomannos-Haus am Pordoijoch (2.250 Meter Seehöhe) Bau- und Umbaugeschichte des Dolomitenhauses und der Dependance (heute: Hotel Laurin) 1929/1930 Umbau des Stall- und Wäschereigebäudes in ein „Berg-Motel“

246 247 252 256 258 264

1908 | Hotel (Projekt), St. Anton am Arlberg Hotel St. Anton, Variante 1, 1908 Hotel St. Anton, Variante 2, 1911

270 271 274

Anhang Hotel Karersee – Planbestände und Dokumentationen „Verein für Alpenhotels in Tirol“ – Statuten

276 276 282



Endnoten 286 Register 300 Bildnachweis 302 304 Impressum

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Bauten und Projekte von Musch & Lun und Otto Schmid (in chronologischer Reihenfolge) – Allgemeines Projekttitel:

Name und Auftraggeber

Jahr, Name, Adresse:

Baujahr, Name (spätere Namen) und Adresse

Bau- bzw. Projektphasen: Weitere, in diesem Buch dokumentierte Bauphasen bzw. Projektphasen bei unverwirklicht gebliebenen Projekten Architektur:

Architekt

Kat.:

Fundstellen im Musch & Lun Archiv („A.“ bis „X.“ plus Zahl, Thomas Kinkelin, Meran) und im Touriseum – Südtiroler Landesmuseum für Tourismus in Meran (TOUR bezieht sich unter anderem auf Pläne aus dem Musch & Lun Archiv, die dem Touriseum übergeben wurden). Die systematische Erfassung und Inventarisierung des Musch & Lun Archivs erfolgte im Rahmen des Forschungsprojekts „Musch & Lun. Architekten, Entrepreneure und Politiker der Gründerzeit in Südtirol“, Institut für Architekturtheorie, Baugeschichte und Denkmalpflege der Universität Innsbruck, Projektleitung: Bettina Schlorhaufer

Dok./Lit.:

Dokumentationen, ergänzendes Archivmaterial (z. B.: Pläne, Abbildungen) und Literatur (nach Erscheinungsjahr) zur Architektur und Baugeschichte des jeweiligen Projekts

Blatt Nr.:

Bezieht sich im Text auf einzelne Blätter nach Kat.

Abkürzungen Abb.

Abbildung/Abbildungen

Anm.

Anmerkung

Bd.

Band

BTV

Bote für Tirol und Vorarlberg (online: http://digital.tessmann.it/)

BZN

Bozner Nachrichten (online: http://digital.tessmann.it/)

BZZ

Bozner Zeitung (online: http://digital.tessmann.it/)

ca.

circa

Dat./dat.

Datierung/datiert

d. h.

das heißt

dt.

deutsch

Ebd./ebd.

Ebendort/ebendort

etc.

et cetera

Flückiger-Seiler (1)

Flückiger-Seiler, Roland, Hotelpaläste zwischen Traum und Wirklichkeit. Schweizer Tourismus und Hotelbau 1830–1920, 2. korr. Aufl., Baden 2005.

Flückiger-Seiler (2)

Flückiger-Seiler, Roland, Hotelträume zwischen Gletschern und Palmen. Schweizer Tourismus und Hotelbau 1830–1920, 2. korr. Aufl., Baden 2005.

Flückiger-Seiler (3)

Flückiger-Seiler, Roland, Berghotels zwischen Alpweide und Gipfelkreuz. Alpiner Tourismus und Hotelbau 1830–1920, Baden 2015.

Giedion

Giedion, Sigfried, Die Herrschaft der Mechanisierung. Ein Beitrag zur anonymen Geschichte, Hamburg 1994.

Guyer

Guyer, Eduard, Das Hotelwesen der Gegenwart, Zürich 1874, S. 139–142.

H.

Heft

Klasen

Klasen, Ludwig, Grundriss-Vorbilder von Gebäuden aller Art. Handbuch für Baubehörden, Bauherren, Architekten, Ingenieure, Baumeister, Bauunternehmer, Bauhandwerker und technische Lehranstalten, Bd. 2, Gasthäuser, Hotels und Restaurants, Leipzig 1884.

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Knoch

Knoch, Habbo, Grandhotels – Luxusräume und Gesellschaftswandel in New York, London und Berlin, Göttingen 2016.

Lässer

Lässer, Adolf, 100 Jahre Fremdenverkehr in Tirol, Tiroler Wirtschaftsstudien, Nr. 40, Innsbruck 1989. 

MEZ

Meraner Zeitung (online: http://digital.tessmann.it/)

Mio.

Million/Millionen

Nr.

Nummer

o. J.

Publikation ohne Jahr

o. O.

Publikation ohne Verlagsort

o. S.

Publikation ohne Seitenangaben

Pevsner

Pevsner, Nikolaus, Funktion und Form. Die Geschichte der Bauwerke des Westens, Hamburg 1998 (1. Auflage der amerikanischen Erstausgabe: Ders., A History of Building Types, Washington 1976).

phil. Dipl./phil. Diss. Prokop

Diplomarbeit/Dissertation an einer geisteswissenschaftlichen Fakultät Prokop, August, Architekt, Prof. u. Rector der k. k. Techn. Hochschule in Wien (Hrsg.), Über österreichische Alpen-Hotels mit besonderer Berücksichtigung Tirol’s, Wien 1897. Sonderdruck bzw. veröffentlicht in: Der Bautechniker. Centralorgan für das österreichische Bauwesen. Organ des Vereines der österreichischen Cement-Fabrikanten und des Vereines der Baumeister im Königreiche Böhmen und der Baumeister in Nieder-Oesterreich. Zeitschrift für Bau- und Verkehrswesen, Technik und Gewerbe, Wien 1897.

Rucki

Rucki, Isabelle, Das Hotel in den Alpen. Die Geschichte der Oberengadiner Hotelarchitektur ab 1860, Zürich 2012.

SAM

Stadtarchiv Meran

Schmid

Schmid, Klaus, Pionier des Tourismus in Tirol. Die Alpenhotels des Otto Schmid (1857 bis 1921), unveröff. Manuskript (2014), Touriseum.

Schmitt

Schmitt, Michael, Palast-Hotels. Architektur und Anspruch eines Bautyps 1870–1920, Berlin 1982.

Schwienbacher

Schwienbacher, Stefan, Theodor Christomannos – die Alpenhotels Sulden, Trafoi und Karersee, unveröff. phil.-Dipl., Wien 1997.

TESS

Digitales Archiv der Südtiroler Landesbibliothek Dr. Friedrich Teßmann, http://digital.tessmann.it/

TLA

Tiroler Landesarchiv Innsbruck

TLMF

Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Ferdinandeumsbibliothek

TOUR/Touriseum

Touriseum – Südtiroler Landesmuseum für Tourismus, Meran

unveröff.

unveröffentlicht

Vasko-Juhász

Vasko-Juhász, Désirée, Die Südbahn. Ihre Kurorte und Hotels, Wien-Köln-Weimar 2006.

Vidler

Vidler, Antony, Confinement and Cure. Reforming the Hospital, 1770–1789, in: Ders., The Writing of the Walls, New York 1987, S. 51–71.

Vol.

Volume

z. B.

zum Beispiel

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Umrechnung historischer Währungen in Euro Die historischen Währungen Gulden und Kronen wurden auf der Basis des „Historischen Währungsrechners“ der Österreichischen Nationalbank umgerechnet (vgl.: www.eurologisch. at/docroot/waehrungsrechner/#/, Datum der Umrechnungen: 27.7.2020, Angaben zum Teil gerundet). Der historische Währungsrechner vergleicht den Preis eines Bündels von Gütern und Dienstleistungen, des sogenannten Warenkorbs, im Ausgangsjahr und heute. Er basiert auf dem Verbraucherpreisindex und stellt nur eine Möglichkeit dar, historische Werte für heute vergleichbar zu machen. Ergebnisse von Umrechnungen historischer Preise und Währungen sind daher stets nur als Annäherungen zu betrachten. fl. K.

Gulden, Österreichische Währung (1 fl. ö. W. = 100 Kreuzer ö. W.), 1857 bis 1899 Kronenwährung (1 K = 100 Heller), Währungsumrechnung: 2 K = 1 fl. Die Krone wurde im August 1892 eingeführt. Sie war von Januar 1900 bis Dezember 1924 alleingültiges Zahlungsmittel in Österreich.

Die Umrechnung von  Kronen in Lire (bzw. ab 1925 in österreichische Schilling) erfolgte auf der Basis eines 1919 festgelegten Kurses, ab April 1919 in einem Verhältnis von 100:40 bzw. ab November 1919 von 100:60, was zu schwerwiegenden Geld- und Kapitalverlusten in Südtirol führte. Zum Vergleich: Der Umrechnungskurs betrug 1914 noch 100:105. Vgl.: Steurer, Leopold, Südtirol zwischen Rom und Berlin 1919–1939, Wien-München-Zürich 1980, S. 121.

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Hotel Sulden für Theodor Christomannos und Otto Schmid, Sulden

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1892/1893

Hotel Sulden (später: Grandhotel Sulden bzw. Grandhotel Solda), Sulden Nr. 50, I-39029 Stilfs



Bauphasen: um 1896; um 1900; um 1930; nach 1973 vollständig überbaut

1892

Elektrizitätswerk des Hotels Sulden, I-39029 Stilfs

1904–1911

Evangelische Kapelle beim Hotel Sulden, I-39029 Stilfs



Architektur: Otto Schmid, Sulden-Innsbruck



Kat.: X3.362



Dok./Lit.: Bauamt Stilfs (Bestandsaufnahmen Hotel Sulden, 1973). Amt für Bau- und Kunstdenkmäler (Denkmalschutz, evangelische Kapelle BLR-LAB 4876 vom 24/08/1981; Elektrizitätswerk BLR-LAB 4387 vom 25/11/2002). TLMF (Abb.). Sammlung Arnold Gapp, Sulden (Abb.). Christomannos, Theodor, Sulden–Trafoi, S. 11f. (Abb.). Prokop, S. 22–24 (Abb.). Haroldt, Julius, Rad-Touristik. Über’s Stilfserjoch und den Tonale-Pass nach Riva am Gardasee, in: Fremden-Zeitung, Central-Organ zur Förderung des Fremden- und Reise-Verkehrs in und nach Oesterreich und dem angrenzenden bayerischen Hochland mit besonderer Rücksicht auf Kurorte, Bäder und Sommerfrischen, alpine Hochgebirgs-, Radfahr-Touristik und Automobilismus. Lokalbahn-, Strassenbauund Hotelwesen, Wien-Salzburg-London, 5.3.1898, S. 2 (Abb.), 10. Hurton, Josef, Sulden – Geschichte, Land, Leute und Berge, Bozen 1980, S. 53, 67f. (Abb.). Schmid, S. 43–63 (Abb.), 82–84. Schwienbacher (Abb.). Dal Negro, Francesco, Hotel des Alpes, S. 156f. (Abb.).

Die in diesem Buch abgebildeten Pläne vom Hotel Sulden sind Planrekonstruktionen.1 Sie wurden auf der Basis von Bestandsaufnahmen aus dem Jahr 1973 angefertigt, die sich im Bauamt Stilfs befinden. Die von Otto Schmid stammenden Ansichten des Hotels wurden wahrscheinlich vorrangig für Publikationen hergestellt, z. B. für die in diesem Buch bereits mehrfach genannte von August Prokop, „Über österreichische Alpen-Hotels“, und die „Fremden-Zeitung“, die im Abstand eines Jahres erschienen und auf denen daher schon Unterschiede in Bezug auf Hotelerweiterungen zu erkennen sind. Das auf einer Seehöhe von ca. 2.000 Metern gelegene Hotel Sulden öffnete am 9. Juli 1893 seine Tore. Mit seiner Errichtung auf einer Geländekante in bester Aussichtslage wurde bereits während des Baus der Straße von Gomagoi bis Innersulden begonnen (Fertigstellung: 31. August 18922), wobei der Verkehrsweg nicht umsonst bis zum Bauplatz3 am Talende im Umfeld des Hotels geführt worden sein dürfte. In einer Zeitungsmeldung aus dem Jahr 1891 heißt es dazu: „Weil man denkt, daß der Fremdenzug nach Vollendung der Kunststraße sich bedeutend vermehren werde, so baut Dr. Christomannos oberhalb den Gampenhöfen ein schönes Hotel. Man sagte mir auch hier, daß die Arbeiter nicht gar so nobel bezahlt werden, weshalb auch nicht gar so viele beim Bau des Hotels beschäftigt sind.“4 Das Hotel Sulden wurde nicht vom „Verein für Alpenhotels in Tirol“ erbaut und war nie Mitgliedsbetrieb dieser Organisation. Die Baukosten trugen je zur Hälfte seine Bauherren Theodor Christo­mannos und Otto Schmid.5 1896 verkaufte Christomannos seine Hälfte des Hotels an den Archi­tekten, der fortan in seinem Zweitberuf als Hotelier tätig war und je nach Saison von Inns­bruck nach Sulden umzog.6 Er war es auch, der das Hotel 1907 in eine Gesellschaft mit beschrän­kter Haftung umwandelte.7 Sein Nachfolger war sein Sohn Hermann (1899–1970). Das Hotel Sulden blieb noch bis 1973 in Familienbesitz. In den Jahren danach wurde es vollständig überbaut und in ein Apartmenthaus umgewandelt. Aktuell liegen keine eindeutigen Informationen darüber vor, dass das Hotel Sulden von Musch & Lun als Baufirma errichtet wurde. Dies ist lediglich eine Annahme, die davon ausgeht, dass die Firma, welche die Straße realisierte, zugleich auch den Bau des Hotels ausführte. Gesichert dürfte hingegen sein, dass Josef Lun auch hier als Bauleiter tätig war.

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Hotel Sulden, um 1893

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Otto Schmid, Hotel Sulden, Zeichnung für Veröffentlichungszwecke (oben) Planrekonstruktionen (unten)

Grundriss erster Stock

Grundriss Erdgeschoss

Erste Baustufe Spätere Bauphasen

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Zusammen mit dem Hotel Sulden entstanden auch eine Dependance mit ca. dreißig Zimmern8, die auf dem eingangs abgebildeten Foto zu sehen ist, und ein Elektrizitätswerk. Von 1904 bis 1911 wurde nach Plänen von Otto Schmid ferner eine evangelisch(-protestantische) Kirche errichtet. Die ersten Werbemittel für das Hotel Sulden wurden von Tony Grubhofer gestaltet, die dazugehörigen Texte dürften von Theodor Christomannos stammen.

Das Hotel Sulden – Prototyp für weitere Projekte von Otto Schmid Der lang gestreckte Baukörper des Hotels Sulden wurde werbewirksam auf eine Geländestufe oberhalb des Talbodens und unmittelbar vor die Waldgrenze gesetzt.9 Seitlich an den Komplex angrenzend fanden noch mehrere Nebengebäude Platz. Die Hauptansicht des Hotels zeigte nach Westen. Ursprünglich waren in einem quergestellten Bauteil mit abgewalmtem Satteldach der Speisesaal und die Küche untergebracht. An diesen schloss ein traufenständiger Mitteltrakt mit dem Eingang und dem Empfang an. August Prokop beschreibt die Ausmaße des Entrees kritisch, was auf die zunehmende räumliche Bedeutung der Hotelhallen10 verweist: „Das Vestibüle ist hier leider etwas zu klein (5 auf 5’50 m), da es zugleich auch zu jeder Zeit ein sehr beliebter Aufenthaltsort der Fremden, wie auch als Sprech-, Spiel-, Schreib- und Wartezimmer zu dienen pflegt. Die Küche, unter dem Speisesaale gelegen, ist 10 bei 10 ½ m; der Speisesaal, im 1. Stocke situirt, 10 auf 6 m, hat eine spitzbogige Holzdecke in brauner Farbe. Neben der Küche befindet sich vornehinaus ein mehrtheiliges Restaurationslocale (zus. 43 ½ m lang bei 5 m Tiefe) für Hotelgäste, Passanten, Führer, Kutscher etc.“11 Im Anschluss an diese abwechslungsreich gestalteten Bauteile erstreckte sich in südlicher Richtung ein langer Riegel mit zweihüftig angeordneten Gästezimmern. Um den kastenartigen Baukörper zu akzentuieren, wurden in seiner Mitte ein zweiter Eingang, darüber hölzerne Balkone und ein zweistöckiges Zwerchhaus angeordnet. Der Zugang war über eine gerade zweiläufige Treppe erreichbar. Aufzüge in die oberen Stockwerke des Gästetrakts gab es keine. Das Hotel sollte von der Ferne wie eine „Hotel-Burg“ wirken, weshalb seine Fassaden mit rauem Ortstein verkleidet wurden. Das Material ist heute noch in Verwendung. Es verfügt über eine rötliche Färbung, die von seinem Eisengehalt herrührt. Weiteres Merkmal der äußer­en Gestaltung waren die breiten Mörtelfugen. Um den Eindruck des „Burg- bzw. Schloss­ ähnlichen“ zu verstärken, wurden an den Seiten des Gästetrakts weitere, wie kleine Erker anmutende, hölzerne Balkone mit oberen Abschlüssen in Form von Zwiebeldächern angebracht. Auf den veröffentlichten Zeichnungen des Hotels ist eine Holztreppe zu sehen, mit der ein direkter Zugang in den Speisesaal im ersten Obergeschoss geschaffen werden sollte. Schließ­lich wurde der Aufgang aber nicht realisiert und die für eine Tür vorgesehene Öffnung in der Außenwand verkleinert. Das „Programm“ rundeten Fenster in verschiedenen Formen ab, doch auch die dazugehörigen Fensterläden wurden eingespart. Wie schon auf einem der ersten Werbesujets von Tony Grubhofer und Fotografien aus der Entstehungszeit des Hotels zu sehen ist, war dem Gebäude ein breiter Zufahrtsweg vorgelagert. Ankommende Gäste wurden am Gästetrakt vorbei zum Haupteingang geführt. Dieser Zufahrtsweg wurde auch als Promenade und Terrasse genützt. Das architektonische Konzept des Hotels in Sulden war im Tirol der 1890er Jahre nicht nur neuartig, es erwies sich auch als besonders haltbar. Otto Schmid, der die Urheberschaft für das in Anlehnung an eine Südtiroler Burganlage gestaltete Hotel stets für sich beanspruchte

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Hotel Sulden (aus einem Hotelprospekt, um 1896) Dasselbe hat 120 Zimmer, Dampfheizung, elektrische Beleuchtung, Bäder und eigene Bäckerei und nebst einem grossen Speisesaal und schönen Restaurationsräumen ein Damen- und Musikzimmer, sowie auch ein Lesezimmer und einen Billardsaal, eine photogra­phische Dunkelkammer und Tennisplätze. Die Dampfwäscherei des Hotels entspricht allen hygienischen Anforderungen. Post- und Telegraphenstation sind im Hause. Ein Arzt ist stets gegenwärtig. […] Eine katholische Kirche liegt eine Viertelstunde vom Hotel entfernt. Englischer Gottes­­dienst im Hotel. […] Bei eintretender Kälte wird das Hotel geheizt […]. Preis-Tarif. Pen­sions­preise (bei Aufenthalt von wenigstens 7 Tagen): Frühstück und zwei Mahlzeiten für eine Person per Tag fl. 3,50 [ca. 52 Euro, Anm.]. Logis (incl. elektr. Licht) je nach Lage und Grösse des Zimmers: Ein einbettiges Zimmer von fl. 1,– [ca. 15 Euro] aufwärts, ein zweibettiges Zimmer von fl. 1,50 [ca. 22 Euro] aufwärts. (Gesammtpension daher für eine Person per Tag von fl. 4,50 aufwärts [ca. 67 Euro]. Für Kinder unter 12 Jahren nach Uebereinkommen, ebenso für Dienerschaft. Bei kurzem Aufenthalte mässige Hotelpreise: Zimmer mit 1 Bett von fl. 1,50 [ca. 22 Euro] aufwärts, mit 2 Betten von fl. 2,50 [ca. 37 Euro] aufwärts (incl. elektr. Licht). Bedienung wird nicht in Anrechnung gebracht. Die Zimmer werden einzeln oder in Appartements vergeben. Privat-Salons von fl. 10,– [ca. 148 Euro] an aufwärts. Als Frühstück wird servirt: Kaffee, Thee, Chocolade, Cacao oder Milch, mit Weissbrod, Butter und reinem Bienenhonig. Lunch: Suppe, Assiette, Fleischspeise mit Beilagen und Salat, Käse und Butter. Diner: Suppe, Assiette, zwei Fleischspeisen mit Beilagen und Compot, Mehlspeise, Dessert. […] Es wird englische und Wiener Küche geführt. Die Keller bieten eine Muster-Zusammenstellung der besten Tiroler Weine und die beliebtesten Ausländer Marken; ausgezeichnetes Bier wird stets frisch vom Fasse geschänkt. Es wird nicht nur Table d’hôte, sondern auch zu allen Tageszeiten à la carte servirt. Wäsche nach üblichen Hotelpreisen. – Geldwechsel zu üblichen Bankpreisen. Bäder: Ein Fussbad 30 kr. [ca. 4,50 Euro]; ein Sitzbad 50 kr. [ca. 7,50 Euro]; ein Wannenbad (warm oder kalt) 1 fl. [ca. 15 Euro] […]. Quelle: Hotel und Pension Sulden, TLMF, Sign. W_5049, Nr. 73.

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und auf den von ihm angefertigten Ansichten auch immer seinen Namen als „Erbauer“ notierte, schuf mit ihm einen Prototypen für mehrere weitere Projekte, wobei das Hotel Kitzbühel (1903–1906) die geschlossenste Wiederholung des Ausgangsmodells darstellt. Abgeschlankte Varianten seines Grundschemas generierte er für die Hotels Pragser Wildsee und Wenter, die damit in ihren Erscheinungsbildern auch funktionalistischer anmuten. Von besonderer Originalität war auch die architektonische Gestaltung der Speisesäle in manchen der Hotels von Otto Schmid. Für ihre kunstvollen, manchmal gewölbten Dachwerke gibt es in Südtirol und darüber hinaus nur wenige Vergleichsbeispiele. Aus diesem Grund und weil die Serienproduktion im Hotelbau längst schon vor Otto Schmid bekannt war, ist es bedauerlich, dass über die Arbeitspraxis des Architekten, über eventuelle Studienreisen oder Kontakte zu Kollegen in anderen Regionen und Ländern nichts überliefert ist. Über die weitere Entwicklung des Bautyps siehe in der Folge und im Kapitel „Das Berghotel. Das Hotel und seine Entwicklung zum Berghotel in Südtirol“ in diesem Buch.

Innenraumgestaltung und „Alpenhaus“-Atmosphäre Im Hotel Sulden verwirklichte Otto Schmid einen Speisesaal, den er wahrscheinlich nach dem Vorbild der Halle von Schloss Enn mit einem gotisierenden Dachwerk aus Holz, diesmal aber in Spitzbogenform, ausstattete.12 Leider ist über den Repräsentationsraum nicht mehr bekannt, auch nicht ob ihm eine Vorbildwirkung auf weitere Säle und Hallen, z. B. von Musch & Lun, zukommt. Die künstlerische Ausgestaltung des Speisesaales erfolgte durch den Meraner Alpenund Dekorationsmaler Karl Lartschneider (ca. 1875–1916), der ab diesem Auftrag in fast alle Hotelprojekte von Otto Schmid und Musch & Lun eingebunden war.13 Soweit bekannt ist, wurde die erste Möblierung der Gästezimmer nach Plänen von Otto Schmid von lokalen Handwerkern in Sulden hergestellt. 1898 schuf Musch & Lun weitere Entwürfe für die Einrichtung, die veranschaulichen, dass die Gästezimmer auch später noch funktional, aber sehr schlicht ausgestattet waren (Blatt Nr. X3_6441)14. Theodor Christomannos prägte im Zusammenhang mit der „einfachen“ und – wie anzunehmen ist – preisgünstig produzierten Einrichtung des Hotels Sulden auch die viel zitierte Formel: „Das neue Hotel in Sulden ist ein Haus ersten Ranges und mit Vermeidung alles unnöthigen Luxus mit allem modernen Comfort eingerichtet.“15 Dennoch dürfte es kein „Hôtel de 1ère ordre“ gewesen sein. Darauf deutet auch die möglicherweise von Christomannos persönlich angeordnete Aufhebung des sogenannten Toilettenzwangs (Kleiderordnung) hin. Das Hotel Sulden richtete sich vorrangig an Alpinisten, dürfte aber auch von (lungenkranken?) Gästen für eine Höhen- bzw. Nachkur aufgesucht worden sein. Insbesondere in seiner Anfangszeit spielten gesellschaftliche Konventionen wohl auch wegen seiner kostenbewussten Bauweise und der nur dreimonatigen Saison eine untergeordnete Rolle. Dennoch hieß es über die „Alpenhaus-“ bzw. Berghotel-Konzepte: „Alle diese Bauten haben eine echt Christomannos’sche Note; sie sollen nicht exklusiv nur für das vornehme, reiche Publikum sein, sondern auch der einfache Bergwanderer und Hochturist soll dort gute, aufmerksame und dabei billige Aufnahme finden. Und in der Tat findet man nirgends in den Alpen ein gemütlicheres Wohnen und Bleiben als in den Christomannos’schen Hotelschöpfungen, deren Ausgestaltung er sich bis ins kleinste Detail mit auserlesenem Geschmacke und Verständnis widmete.“16 Einen Einblick in die Atmosphäre im Hotel Sulden gibt eine kleine, 1910 veröffentlichte Kriminalgeschichte mit dem Titel „Zeugen“ von Alice Schalek.17 Die eigentlich als Journalistin tätige Wienerin schildert die Gäste und ihr Verhalten, als eine Dame plötzlich nicht zum Essen erscheint und von ihrem Mann gesucht wird.

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Rad-Touristik. Über’s Stilfserjoch und den Tonale-Pass nach Riva am Gardasee, 1898 Am 24. Juli 1897 fanden wir uns mit unseren treuen Maschinen [Fahrrädern, Anm.] pünktlich am Rendezvous-Orte im Suldenhotel ein. Der Himmel war gnädig, die Ferialtage entzückend schön, der Aufenthalt in Sulden einfach transcendental. In unserem Reiseprogramm war er auf vier Tage anberaumt gewesen und aus vier wurden vierzehn. Das Hotel war bis in die letzten Giebelzimmerchen hinauf gesteckt voll und eine ausnehmend reizend zusammengesetzte Gesellschaft vereinigte sich an der Table d’hôte, welche der rühmlichst bekannten Küche des Sulden-Hotels täglich zu neuen Ehren verhalf. Wir hatten schon in den ersten Stunden unseres Aufenthaltes mehrere Bekanntschaften, namentlich mit einer lustigen Wiener Gesellschaft gemacht und liessen uns durch deren herzliche Einladung gerne bestimmen, an einer Reihe unvergesslich schöner Exkursionen in die grossartige Umgebung Sulden’s teilzunehmen. Ich kenne wenige Orte, wo selbst schwächere Touristen und zarte Damen so mühelos zum un­ mittel­baren Genuss des herzerhebenden Anblickes der Gletscherwelt gelangen können, wie auf dem kurzen, kaum zweistündigen Reitweg, der in höchst gemächlicher Steigung vom Hotel zur Schaubachhütte führt, hart an die Eisströme und Gletscherklüfte des mächtigen Suldenferners. Nahezu ebenso mühelos führt ein Reitweg auch zu der etwas entfernter gelegenen Düsseldorfer Hütte, die an Schönheit und Grossartigkeit des Ausblickes auf den Ortler und die Königs­spitze, sowie die ganze umgebende Gipfelwelt sich wohl mit der Schaubachhütte messen kann. Quelle: Haroldt, Julius, Rad-Touristik. Über’s Stilfserjoch und den TonalePass nach Riva am Gardasee, in: Fremden-Zeitung, Wien-SalzburgLondon, 5.3.1898, S. 10.

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Technische Innovationen: Heizung und Beleuchtung des Hotels Sulden (Elektrizitätswerk) Neue technische Entwicklungen dürften beim Hotel Sulden eine größere Rolle gespielt haben als bisher angenommen. In einem frühen Werbeprospekt wird eine „Dampfheizung“ genannt, wahrscheinlich eine sogenannte Niederdruck-Dampfheizung. Derartige Systeme wurden von Musch & Lun später auch bei anderen Projekten verbaut, z. B. bei der Villa Ultenhof in Meran.18 Bei Niederdruck-Dampfheizungen handelte es sich um frühe Zentralheizungen. Von raumfüllenden Heizkesseln im Keller, die meistens mit Koks befeuert wurden, wurde in Steigleitungen warmes Wasser in die Räume geführt. Zusammen mit diesem Heizungssystem wurde auch der Rippenheizkörper popularisiert.19 Fraglich bleibt allerdings, ob alle Bereiche des Hotels mit einer solchen Heizung ausgestattet wurden. Nicht zuletzt war das Hotel Sulden bei seiner Eröffnung auch eines der ersten Hotels in Südtirol, das über eine elektrische Innen- und Außenbeleuchtung verfügte. 1892 wurde nahe des Zaybaches ein kleines Elektrizitätswerk errichtet, das mit einer Francis-Turbine ausgestattet wurde, die wahrscheinlich wie die erste Turbine des Elektrizitätswerks für das Hotel Karersee von der deutschen Firma Voith in Heidenheim an der Brenz stammte. Der eingeschossige Bau sollte sich gut in seine Umgebung einfügen, weshalb sein steinsichtiges Mauerwerk genauso wie das des späteren Hotels und der evangelischen Kirche nicht verputzt wurde. Der Bau des Elektrizitätswerks erfolgte möglicherweise so früh, weil man mit der gewonnenen Energie auch Baumaschinen antrieb. Insgesamt war das Thema Elektrizität (Gleichstrom) aber am Beginn der 1890er Jahre nicht mehr neu.20 1891 gelang erstmals die Fernübertragung von Strom (Wechselstrom bzw. Drehstrom) bei der internationalen Elektrizitätsausstellung in Frankfurt am Main, in deren unmittelbarer Nachfolge in Südtirol das Kraftwerk Töll entstand.21 Die treibende „Kraft“ hinter beiden genannten Projekten war der Ingenieur Oskar von Miller, der aus familiären Gründen häufig auf der Burg Karneid bei Bozen zu Gast war.22 Zum Vergleich sei hier die Elektrifizierung der ersten Hotels in der Schweiz genannt: Das Hotel Engadiner Kulm in St. Moritz war 1879 das erste Schweizer Hotel, das in Eingangshalle, Speisesaal, Salon und Küche über elektrisches Licht verfügte. 1884 wurde das Hotel Kursaal in Maloja elektrifiziert, 1885 das Hotel Buol in Davos, 1886 die Promenade und das Hotel Rhätia in Davos und 1888 das Hotel Bernina in Samedan.23

Weitere An- und Umbauten am Hotel Sulden nach 1893 Mangels Unterlagen lassen sich nicht alle baulichen Veränderungen am Hotel Sulden nachvollziehen, doch die wesentlichen sind die folgenden: Wie auf einer frühen Fotografie und in den ersten Prospekten zu sehen ist, wurde der nördliche Teil des Hotels mit dem Speisesaal durch eine aus der Bauflucht vorspringende Veranda erweitert. In dem aus Holz konstruierten Anbau konnte man im Freien, und dennoch geschützt die Aussicht auf die umliegenden Gebirge genießen. Wie ebenfalls nur anhand von historischen Postkarten dokumentierbar ist, wurde dieser Teil des Hotelkomplexes (von Otto Schmid?) später um einen ganzen Trakt erweitert. Leider ist es nicht möglich, den zehn Fensterachsen umfassenden Bauteil, der mit einem „modernen“ Flachdach versehen wurde, exakt zu datieren.24 Ebenerdig befanden sich hier ein Salon und ein Speisesaal bzw. im rückwärtigen Bereich die Küche samt Nebenräumen. Auf den beiden darüberliegenden, zurückspringenden Ebenen wurden Gästezimmer eingerichtet. Die Gäste der Zimmer im ersten Stock konnten die große, ganz der Sonne ausgesetzte Dachfläche

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Architektonische Entwicklung des Hotels Sulden, bevor es in den 1970er Jahren vollständig überbaut wurde

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der Gesellschaftsräume als (Liege-?)Terrasse nutzen. Wahrscheinlich im Zeitraum zwischen 1930 und 1939 wurde auch der Gästetrakt im südlichen „Riegel“ aufgestockt. Im Zuge dessen wurden das Zwerchhaus entfernt, die neu entstandenen Zimmer mit Balkonen versehen und der Bauteil – wie der Rest des Bestandes – mit Flachdächern versehen. 1973 kam es zu einem Besitzerwechsel. Danach wurde der Komplex vom Architekten Wilhelm Gutweniger (auch: Willy, 1920–2018) ein weiteres Mal überbaut und wechselte damit sein Gesamterscheinungsbild. Heute wird es als Apartmenthaus geführt.

Evangelische Kapelle beim Hotel Sulden, 1904–1911 (Bendiktion: 30.7.1911) Anfänglich wurden für die Abhaltung evangelischer und anglikanischer Gottesdienste von Otto Schmid Räume im Hotel Sulden zur Verfügung gestellt. Erste Pläne zu einem einfachen Sakralbau entstanden 1903 unter Gästen, die einen „Evangelisch-kirchlichen Hilfsverein zu Sulden“ gegründet hatten. Er war als eine Art Baracke gedacht, deren Bauteile im Winter eingelagert werden sollten.25 Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass daraufhin die Initiative zur Errichtung eines massiven Gebäudes vom Architekten Otto Schmid kam, der noch im selben Jahr eine erste Zeichnung für die Einwerbung von Spenden anfertigte.26 Die eigentlichen Entwürfe erstellte er 1904.27 In diesem Zeitraum war der Architekt auch mit der Verwirklichung einer Kapelle beim Hotel Pragser Wildsee befasst. Doch während sich die Kapelle bei der Herberge im Hochpustertal für die katholische Glaubensgemeinde ohne Proteste von Seiten der Talbevölkerung realisieren ließ, stieß der Plan, in Sulden ein Gotteshaus für Anglikaner und Protestanten zu schaffen, auf großen öffentlichen Widerstand. Schließlich verwehrte die Gemeinde Stilfs Otto Schmid die Baubewilligung, weshalb er sich an den Verwaltungsgerichtshof wandte, der aber erst „mit Erkenntnis vom 23. März 1907 die Entscheidung der Stilfser Gemeindekommission aufhob“28. Im Verlauf der langen Phase zwischen der Planung des Sakralraums und der Gerichtsentscheidung zog sich die anglikanische Kirche aus dem Bauvorhaben zurück.29 Erst 1908 wurde ein großes Wiesengrundstück in reizvoller Aussichtslage über dem Tal angekauft und die „höchstgelegene evangelische Kapelle Deutschlands und Österreichs“30 1910/1911 errichtet. Ursprünglich sollte im Umfeld der Waldkapelle auch ein Alpengarten angelegt werden und zusammen mit ihr ein Ausflugsziel für Pflanzenliebhaber und Spaziergänger bilden. Genauso wie das nahegelegene Hotel Sulden verfügt der über orthogonalem Grundriss errichtete Bau über eine raue Steinfassade mit breiten Mörtelfugen, Rundbogenfenster und einen oberen Abschluss in Form eines abgewalmten Satteldachs mit Glockentürmchen. 1968 wurde dem Hauptportal ein Windfang vorgesetzt.31 Die Sakristei befindet sich in einem seitlichen Anbau und hat einen eigenen Eingang. Das Altarbild mit einer „Anbetung der Hirten“ (1904) stammt von einer Malerin namens Elsa Weise (biografische Daten unbekannt).

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Der Tiroler Volksbote über den Bau der protestantischen (anglikanischen) Kapelle in Sulden durch den Architekten und Hotelbesitzer Otto Schmid, 1904 Damit es nicht den Anschein habe, als ob die Bewohner von Sulden mit diesem Baue einverstanden seien, fand von denselben am 8. Mai folgende Protestkundgebung statt: Herr Baumeister Otto Schmied [Schmid, Anm.], Besitzer des Suldenhotels in Sulden, gedenkt, in der Nähe seines Hotels ein protestantisch anglikanisches Bethaus zu errichten. Gegen diesen Bau protestieren einstimmig durch eigenhändige Unterschrift die Talvorstehung mit den vier Ausschußmännern; 2. die übrigen drei Hotelbesitzer in Sulden; 3. einstimmig alle 22 Bergführer in Sulden; 4. sämtliche 24 Haus- und Grundbesitzer von Sulden und zwar aus folgenden Gründen: Weil zur Errichtung eines öffentlichen Bethauses weder eine Notwendigkeit noch ein Bedürfnis vonseiten der Fremden vorhanden ist. Der beabsichtigte Bau trägt vielmehr den Charakter einer Geschäftslücke an sich, wie dies tatsächlich vom Hotelbesitzer im Gesuch um Bewilligung des Baues als einziger Grund angeführt wird, dass es nämlich im hohen Interesse seines Geschäftes liege. […] Der erste deutsche evangelische Gottesdienst fand, laut eines hier vorfindlichen Plakats, erst am 29. Juli 1900 im Damensalon des Suldenhotels statt. Seither begnügten sich die Besucher des Hotels mit einem Privatlokal in der Dependance zum genannten Hotel und würden sich auch mit demselben zur Befriedigung ihrer religiösen Bedürfnisse während der kurzen Saisonzeit von höchstens 2½ Monaten begnügt haben, falls ihnen der Hotelier dasselbe nicht entzogen hätte. Nur als Ersatz für dieses wünschen sie ein öffentliches Bethaus. Möge ihnen Herr Otto Schmid auch in Zukunft den Damensalon oder ein anderes Privatlokal zur Verfügung stellen, dann ist für sein Geschäft sowohl als auch für die religiösen Bedürfnisse seiner Gäste gesorgt. Die Gefertigten sind auch deshalb gegen den Bau […], weil dies nicht im Interesse des Fremdenverkehrs liegt. Durch den Bau […] wird voraussichtlich, wie dies andernorts geschieht, der religiöse Zwiespalt ins Tal verpflanzt, worunter ein friedlicher und gedeihlicher Fremdenverkehr leidet. […] Endlich protestieren die Gefertigten freiwillig […] gegen den genannten Bau, weil dadurch das religiöse Gefühl der hier durchwegs gut katholischen Bevölkerung auf das empfindlichste verletzt und Gefahr für den katholischen Glauben vorbereitet wird.

Quelle: Tiroler Volksbote – Organ zur Unterhaltung des katholischen Volkes, 29.5.1904, S. 11f.

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Die evangelische Kapelle beim Hotel Sulden kurz vor ihrer Benediktion, 1911

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Hotel des Alpes, Speisesaal, An- und Zubauten für Franz Österreicher, Madonna di Campiglio

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1893/1894

Speisesaal, An- und Zubauten an das Hotel des Alpes (später u. a.: Grand Hotel des Alpes, Relais des Alpes, Hotel des Alpes 2), Via Monte Spinale 1, I-38086 Madonna di Campiglio



Bauphasen: 1897–?, An- und Zubauten heute überbaut; Dachwerk des Speisesaals am 31.12.2007 abgebrannt, in stark vereinfachter Form wiederhergestellt

1895

Kirche Santa Maria Antica, Via Campanil Basso 5, I-38086 Madonna di Campiglio



Architektur: Musch & Lun, Meran



Dok./Lit.: Prokop, S. 15. Kuntze, Max, Die Siedlung Madonna di Campiglio und ihre Umgebung,

Kat.: O2.237 Reichenberg i. B. 1900, S. 60–67 (Abb. S. 59, 62 und 67). Pointner, Susanne Angelika, Die Entwicklung des Tourismus in Madonna di Campiglio, S. 20ff. Dal Negro, Francesco, Hotel des Alpes, S. 174f. (Abb.). Bisti, Paolo Luconi, Madonna di Campiglio, S. 124ff. (Abb.).

Das Hotel des Alpes und der heutige Tourismusort Madonna di Campiglio (1.550 Meter See­ höhe) entwickelten sich aus einem Klosterkomplex, dem wahrscheinlich schon immer ein Hospiz angegliedert war (gegründet um 1190). Der Konvent war ein einflussreiches spirituelles Zen­trum im Trentino, bis er während der Bauernkriege im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts zerstört wurde. In der Folgezeit verlor Campiglio an Bedeutung und die Klosteranlage wechselte mehrmals ihren Besitzer. Wie im ersten Kapitel dieses Buches bereits beschrieben, wurde der Komplex schon in den 1830er Jahren von Giacomo Righi (biografische Daten unbekannt) aus dem nahegelegenen Strembo gepachtet. Gemäß seiner Vereinbarungen mit dem Dom­kapitel von Trient war er dazu verpflichtet, in dem Komplex auch ganzjährig Unterkünfte anzubieten. Sein Sohn, Giovanni Battista Righi, kaufte 1868 den Besitz für 40.000 Gulden (ca. 552.535 Euro) und ließ 1874/1875 auf eigene Kosten einen Verbindungsweg von Pinzolo nach Madonna di Campiglio errichten, der schon damals, von Süden herkommend, an den eindrucksvollen Bergkulissen des späteren Tourismuszentrums vorbeiführte. Der Ort in der Talsenke zwischen der Brenta- und der Adamello-Presanella-Gruppe hatte sich schon seit den 1860er Jahren zu einem wichtigen Ausgangspunkt für Berg- und Kletter­tou­ ren entwickelt. Die ersten, überwiegend britischen Alpinisten nutzten zuerst noch die ein­ fa­che klösterliche Herberge. In ihren Reiseberichten beschrieben sie diese aber im Ver­gleich zu anderen Hospizen als besonders groß.32 Ab 1872 wurden Teile des Komplexes in das soge­ nannte Stabilimento Alpino umgebaut, das ca. 200 Personen aufnehmen konnte. Ein Berg­ steiger aus London berichtete von seinem Aufenthalt im Jahr 1874 nicht ohne ironi­schen Unter­ton von einem komfortablen Aufenthaltsraum, einem kahlen Speisesaal und drei jungen, blass aussehenden Italienern im Service, die vor allen Gästen flüchteten, die einen Wunsch zu signalisieren schienen. Insgesamt, so sein Resümee, weise das Stabilimento ein „still growing splendour“33 aus.

Am 17. Juni 1877 wurde das „Stabilimento“ durch ein Feuer vernichtet. Righi baute den Bestand sofort wieder auf und eröffnete ihn schon zwei Jahre später.

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Die Umwandlung des Hospizes von Madonna di Campiglio in das Stabilimento Alpino 1874, dokumentiert vom britischen Juristen und Alpinisten Douglas Freshfield (1845–1934) Campiglio also should become a „Stabilimento Alpino,“ a „Kurort“ for Brescia and Botzen. He seemed a coadjutor in the owner of a large inn at Arco, a young man [Giovanni Battista Righi, Anm.] with international views and desirous for more than a local success. In a Florence newspaper, addressed to tourists of all nations, appeared, in the spring of 1874, a large announcement of the opening of a „magnifico stabilimento,“ with polyglot attendance, a resident physician, and the usual advantages. Last year I explored this new magnificence. Externally it displayed itself in some additions and wooden galleries over the courtyard. Indoors many of the rooms had been prepared for occupa­ tion and a large bare salle-a-manger added. There was also a comfortable general sitting-room. The splendour was still growing, for, as new guests arrived, a carpenter employed downstairs ran up fresh furniture for their use, some of the hundred bedroom of the advertisement being still in a state of more than conventual simplicity. The „service bon et exact“ was represented by three Italian youths, pale, untidy and swift-footed, who fled with the greatest alacrity from any guest whose face gave tokens of an approaching want. Their goodwill, however, was on the whole so much in excess of their capacities that it was impossible to treat them seriously. Quelle: Freshfield, Douglas W., Italian Alps: Sketches in the Mountains of Ticino, Lombardy, the Trentino, and Venetia, 1875, S. 241f.

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Nach dem Ableben von Giovanni Battista Righi im Jahr 1882 ging der Besitz 1886 auf den in Trient ansässig gewordenen Hotelier Franz Österreicher über. Österreichers Betriebe in Trient und ihr architektonisches Erscheinungsbild wurden im dritten Kapitel dieses Buches bereits beschrieben. Ab der Aufnahme seiner Tätigkeit in Madonna di Campiglio legte sich der tüchtige Geschäftsmann möglicherweise aus taktischen Gründen einen Namenszusatz zu und nannte sich fortan „Franz Joseph Österreicher“. Mit diesem wie eine „Herkunftsbezeichnung“ klingenden Namen und seinen guten Kontakten zu hohen Militärs und dem Kaiserhaus wollte er möglicherweise geschickt die Bewerbung seiner Häuser auf eine neue Ebene heben. Langfristig führte das aber auch dazu, dass sich in die Biografie Österreichers geradezu mythisch wirkende, aber unrichtige Angaben über seine Abstammung einschlichen. 1888 eröffnete Österreicher nach zweijähriger Bauzeit das ehemalige Hospiz bzw. Stabilimento als Hotel des Alpes und bewarb sein Haus nicht nur als Ausgangspunkt für Bergtouren, sondern insbesondere für Höhenkuren. Zu seinen Gästen zählte auch das österreichische Kaiserpaar (1889 und 1894), was nicht zuletzt dazu beitrug, dass sich die Herkunftsländer der Touristen in Madonna di Campiglio veränderten. Nun kamen sie unter der Prämisse habsburgisch-deutschnationaler Raumbeanspruchung nicht mehr wie zu Righis Zeiten aus Italien und Großbritannien, sondern insbesondere aus der Donaumonarchie bzw. dem deutschsprachigen Raum.34 In vielen Aspekten wurde das Hotel des Alpes für die Betriebe des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ vorbildlich, denn die großen Häuser in entlegenen Bergregionen konnten nicht nur mit Bergsteigern ausgelastet werden. Zu den wichtigsten Bauprojekten von Franz Österreicher zählte 1893/1894 die Erneuerung des einst „trostlosen“ Speisesaals, 1895 die Errichtung einer Kirche anstelle der überbauten Klosterkapelle und 1897/1898 die „Villa Principe“ als Dependance. Nicht zuletzt ließ er auch Wanderwege anlegen.35

Speisesaal (Errichtung 1893/1894, Wandmalereien 1895–1897) Wie bereits beschrieben, ging das Hotel des Alpes aus einem mehrteiligen Klosterkomplex hervor (Blatt Nr. O2_4177). Mit den Jahren setzte es sich daher aus mehreren alten und neuen Bauteilen zusammen. Auf historischen Abbildungen ist zu sehen, dass manche von ihnen durch überdachte Gänge verbunden waren. Wie sich anhand von erhaltenen Plänen dokumentieren lässt, errichtete Musch & Lun den festlichen Speisesaal über der ehemaligen Klosterkirche (vgl. Blatt Nr. O2_4178). An seinen Schmalseiten ging der Saaltrakt in die Bereiche des Hotels über, in denen sich die Gästezimmer sowie ein Konversations- und ein Rauchzimmer befanden. Der Saalbau verfügte über zwei Ebenen. Im Erdgeschoss wurden die Küchen samt Nebenräumen und Lagern sowie ein Post- und Telegrafenamt eingerichtet. Auf der Ebene darüber erstreckte sich der eigentliche Festsaal. Ihm war noch eine kleine Veranda vorgelagert (Blätter Nr. O2_4196 und O2_4197). Der Raum wurde von drei Seiten belichtet, in den oberen Zonen der Längsseiten zusätzlich durch quergestellte Ochsenaugen (Blatt Nr.O2_4195). Bei den Ochsenaugen handelte es sich um ein Architekturmotiv, das Musch & Lun wiederholt einsetzte (vgl. Speisesaal des Hotels Karersee). Drei von sieben Seitenfenstern wurden Erker in Holzkonstruktion vorgesetzt. Den oberen Abschluss des Saales bildete ein hölzernes Dachwerk, das den Eindruck eines mittelalterlichen Hammerbalken-Gewölbes hervorrufen sollte. Allgemeines zu den Speisesaal-Dachwerken siehe im dritten Kapitel dieses Buches. Im Unterschied zu den meisten historischen Hammerbalken-Gewölben wurde hier das Dachwerk an seiner Innenseite beplankt und somit der Blick in den Dachraum und auf die eigentliche Tragkonstruktion nicht freigegeben. Das beispielhafte Gestaltungskonzept wurde auch auf

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Franz Österreicher Franz Österreicher, geboren 1821 in Brand (heute: Brand-Nagelberg, Niederösterreich), gestorben 1909 in Madonna di Campiglio. Er stammte aus einer Fleischhauer- und Wirtsfamilie, die keinerlei verwandtschaftliches oder sonstiges Verhältnis zum Kaiserhaus hatte. Über seine Schulzeit und Lehre ist nichts bekannt, genauso wenig darüber, auf welchem Weg er nach Trient kam. 1876, unmittelbar nach der Fertigstellung des Hotels Trento am Danteplatz vor dem Bahnhof, wurde er dessen Pächter. Noch im selben Jahr heiratete der Mittfünfziger Marie Großsteiner aus Bozen. Im Lauf der Zeit gelang es ihm, auch den Beherbergungsbetrieb im Nachbargebäude des Hotels Trento zu übernehmen und beide Häuser zusammen als „Imperial Hotel Trento“ zu führen. Der „deutsche Gasthof nächst dem Bahnhofe“ beherbergte auch ein Offizierskasino und wurde nicht zuletzt unter den politischen Voraussetzungen der Zeit zu einem Anziehungspunkt für hohe Militärs. Das und seine vielfältigen Aktivitäten in Madonna di Campiglio, wo auch das Kaiserpaar zwei Mal zu Gast war, trugen wesentlich zur überregionalen Bekanntheit Franz Österreichers bei. Nach seinem Tod ließ sogar Kaiser Franz Joseph I. (1830–1916) ein Kondolenzschreiben an die Witwe übermitteln, die Erzherzöge Eugen (1859–1952) und Friedrich von Österreich (1856–1936) sandten jeweils Telegramme. Wahrscheinlich ab 1886 bzw. ab der Übernahme des Stabilimento Alpino und dessen Umund Ausbau in das Hotel des Alpes, stilisierte sich der erfolgreiche Geschäftsmann zu einer „Unternehmerlegende“. Er begann sich nämlich – vermutlich zu Werbezwecken – erfinderi­sch „Franz Joseph“ zu nennen (auch „Fr. Jos.“ oder ähnlich). Obwohl Österreicher nicht aus dem Haus Habsburg stammte und sich auch nie dazu verleiten ließ, sich ein „von“ (Österreich) anzueignen, führte diese geringfügige Veränderung seines Namens zusammen mit seinen guten Kontakten zum Haus Habsburg zu Spekulationen darüber, ob er ein unehelicher Sohn von Kaiser Franz Joseph I. sei. Dieses Bild zementierten nicht zuletzt auch Publikationen, in denen zur Herleitung seines nicht gegebenen gesellschaftlichen Rangs unter anderem unrichtige Angaben über seinen Geburtsort gemacht wurden. Das Gerücht vom „hochadeligen Hotelier“ Franz (Joseph von) Österreich(er) hält sich in vielen Berichten bis heute. 1907 (1909?) eröffnete Österreicher auch noch das Hotel Carlo Magno (um 1980 vollständig überbaut). Nach Österreichers Tod führte sein Sohn Rudolf die Geschäfte bis 1926. Es heißt, dass die Familie danach ihren Besitz verkaufte. Quellen: Freundl. Mitteilung von Franz J. Illetschko, Brand-­Nagelberg, 20.3.2018. Bisti, Paolo Luconi, Madonna di Campiglio – storia e mito di un villaggio alpino, Ve­rona 2013, S. 124ff. Point­ner, Susanne Angelika, Die Ent­wick­lung des Tourismus in Madonna di Campi­glio, un­ver­öff. phil. Dipl., Inns­bruck 2004, S. 26. BZZ, 10.11.1876, S. 9. BZZ, 4.9.1909, S. 3. Falsche biografische Informa­tionen über Franz Österreicher, vgl.: Cristel, Cornelio, Campiglio attra­verso i secoli, Trient 1995, S. 92ff., Franz Österreicher (siebter von links) | 28 |

hier: S. 97f. Hartun­gen, Christoph H. von, Miti e re­ altà degli albori del turismo nelle dolomiti, in: Recu­s­ani, Giovanna, Gre­gianin, Enri­co, Gott­fried Hofer a Ma­donna di Cam­pi­glio. Arte e tu­ris­mo nelle Dolomiti tra Otto e Nove­cento, Trient 2006, S. 24f. Letzt­ge­nannter räumt allerdings ein, in Franz Öster­rei­cher „Si trattava un per­so­naggio rampan­te dalle origini misteriose […] una figura che per il suo contri­ buto dato allo sviluppo turi­ stico del Trentino meriterebbe ricer­che più approfondite.“

mehreren Entwürfen festgehalten (z. B. Blätter Nr. O2_4193, O2_4194 und O2_4195). Zusätzlich dazu versah Musch & Lun den Speisesaal mit einer umseitig verlaufenden Holztäfelung. Wie darüber hinaus auf Blatt Nr. O2_4193 zu erkennen ist, war schon zu Planungsbeginn an eine künstlerische Ausgestaltung des Raums gedacht. Die Wahl fiel auf den Bozner Künstler Gottfried Hofer (1858–1932), der sich in Madonna di Campiglio gerne zur Sommerfrische aufhielt. Eine ausführliche Beschreibung seines eindrucksvollen Bilderzyklus findet sich im Band „Gottfried Hofer a Madonna di Campiglio“ (Trient, 2006).36 Zur Entstehungszeit des Speisesaals waren aber nicht alle Besucher vom Zusammenspiel von Architektur und Malerei überzeugt. Beispielsweise schrieb Max Kuntze, der Autor des 1900 erschienenen Reiseführers „Madonna di Campiglio und seine Umgebung“: „Vorweg sei erwähnt, dass die architektonische Wandgestaltung – wie das so oftmals der Fall zu sein pflegt – auf die Ausschmückung mit Malerei eher hinderlich, als fördernd einwirken musste! Die alpine Flora, welche er zur Ausschmückung der Wände sich zum Vorwurfe wählte, hat überall den formalen sowohl, als auch den coloristischen Gehalt bedingt. Die CaseinMalerei gestattete, eine Farbenleuchtkraft zur Geltung zu bringen, wie sie durch keine andere Maltechnik auf der Mauer zu erreichen ist. Als besonders gelungene Belege möchte ich den ‚Alpenmohn‘, die ‚Teufelskralle‘, die ‚Alpenrose‘ und den ‚Gletscher-Ranunkel‘ anführen. Insbesondere muss anerkannt werden, dass die gefährlichste Seite des Unternehmens in den Zwickel-Decorationen – an welcher die meisten ähnlichen Versuche gescheitert sind! – nämlich das unmittelbare Zusammenwirken eines ornamental ansprechenden Blumenmotivs mit durchaus bildmässig wirkenden Landschaftsvignetten, auch durchweg gelungen ist. […] Bedauert muss nur werden, dass die unruhige Lichtführung im Saale (von drei Seiten gebrochenes Unterlicht und oben kleine, scharfe Lichtöffnungen, sogenannte Ochsenaugen) der Wirkung des Saales viele Einbusse thut.“ Das Dachwerk des Speisesaals wurde am 31. Dezember 2007 durch einen Brand zerstört. Der Wiederaufbau erfolgte in vereinfachter Form, wodurch der Raum seiner einstigen Eleganz beraubt wurde. Hinzu kommt, dass die Wandmalereien von Gottfried Hofer den Brand zwar überdauerten, aber im Zuge der Rekonstruktion des Dachwerks nicht retuschiert wurden.

Südosttrakt des Hotels des Alpes und weitere Bauteile 1897 führte Musch & Lun „Adaptierungen“ im Südosttrakt des Hotels durch, bedauerlicherweise ist das dazu erhaltene Planmaterial aber unvollständig. Vermutlich ging es bei dem Projekt um die Eingliederung eines vorher frei stehenden Gebäudes bzw. einer Dependance in den Hotelkomplex. In diesem Zusammenhang sollte die Erschließung des Baukörpers durch einen nordöstlich angesetzten Treppenturm verbessert werden, der vom Hauptgebäude über einen hölzernen Gang erreichbar war (Blätter Nr. O2_4170 bis O2_4177). Von Musch & Lun wurden für das Hotel des Alpes noch bis vor Beginn des Ersten Weltkriegs weitere, allerdings undatiert gebliebene Entwürfe angefertigt. Dabei handelt es sich um Pläne für eine Autogarage, solche für ein kleines Hotel namens „Campo“ (eine weitere Dependance?) und ein kleines Postgebäude (Blätter Nr. O2_4180 bis O2_4183).

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Erste Baustufe des Hotels des Alpes und Lageplan (oben), der noch die mittelalterliche Kirche zeigt

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Hotel des Alpes mit der neuen Kirche (unten), Lageplan des Hotelkomplexes mit dem Speisesaal (Erdgeschoss und erster Stock, oben)

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Grundriss des Speisesaals (erster Stock) und Wandabwicklung der Längsseite (oben) Wandabwicklung Schmalseiten mit Dekorationsvorschlägen (rechts)

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Südosttrakt, Umbau und Eingliederung von zum Teil bestehenden Gebäuden in den Komplex des Hotel des Alpes, 1897 (linke Seite) Hotel des Alpes mit der neuen Kirche (oben), um 1900

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Kirche Santa Maria Antica (Benediktion: 16.8.1895) Die Kirche oberhalb des Hotels in Madonna di Campiglio war möglicherweise das Vorbild für den Bau der Alpen-Kapelle (1897) beim Hotel Karersee. Wahrscheinlich war im Hotel des Alpes – nachdem es aus dem oben erwähnten Kloster hervorgegangen war – auch immer ein Priester anwesend. Die ehemalige Klosterkapelle wurde allerdings beim Brand von 1877 beschädigt. Franz Österreicher ließ den Baubestand vorerst noch reparieren, entschloss sich aber 1894 – möglicherweise, um Platz für die Errichtung des Speisesaals zu gewinnen – zu einem Neubau.37 Der Turm der ehemaligen Klosterkirche blieb vorerst stehen. Er wurde noch auf Grundrissen eingezeichnet (Blätter Nr. O2_4190 und O2_4191) und ist auch auf manchen historischen Fotografien im Hintergrund zu erkennen. Die Kirche Santa Maria Antica ist ein Saalbau mit eingezogener fünfeckiger Apsis. Ihr Äußeres wurde mit unverputzt belassenen Bruchsteinen (Ortstein) verkleidet. Den Plafond des Innenraums bildet ein Holztonnengespärre, darüber erstreckt sich ein Satteldach. Der Haupteingang im Westen wurde durch eine offene Vorhalle akzentuiert, die aber im Zuge eines Umbaus abgetragen und nur durch ein kleines Dach ersetzt wurde. Der auf den Entwürfen vorgesehene Giebelreiter über dem Rosenfenster wurde nicht realisiert. Südseitig ist ein Turm und eine zweistöckige Sakristei mit eigenem Zugang angebaut. Die Entwürfe für den Turm dürfte Josef Musch angefertigt haben. Er besteht aus mehreren Abschnitten, einer zweigeschossigen Sockelzone über quadratischem Grundriss, einem Glockenraum mit sechseckigem Zuschnitt und einem spitzen Helm als oberem Abschluss. Der Bau verfügt über eine reizvolle Ausstattung, darunter einen gotischen Flügelaltar (1453–1468)38, ein Chorgestühl mit gotisierenden Flachschnittmustern und Glasmalereien (Spende des Kaiserhauses), die schon in älteren Berichten erwähnt werden.39 Franz Österreicher wurde hier begraben, an ihn erinnert ein Gedenkstein mit der Inschrift „Franz Joseph Oesterreicher“.

Hotel des Alpes mit der alten und der in Bau befindlichen neuen Kirche (um 1894, rechts oben) Entwürfe für den Turm und die Fassaden (rechts)

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Hotel Stötter für Carl Stötter, Sterzing

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1893–1895

Hotel Stötter (auch Bahnhofshotel Stötter, um 2000 abgerissen), Bahnhofstraße, I-39049 Sterzing



Architektur: Musch & Lun, Meran



Kat.: S1.272



Dok./Lit.: Kramer, Hans, Beiträge zu einer Chronik von Sterzing und Umgebung 1814 bis 1914, in: Veröffentlichungen des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum, Innsbruck, Nr. 31, Innsbruck 1951, S. 455–491, hier: 478.

Ein Hotel am Rand der Stadt Sterzing ist kein „Berghotel“ im eigentlichen Sinn. Das Hotel Stötter ist aber deshalb von Bedeutung, weil hier ein Vorläufer jenes Berghotels entstand, den Musch & Lun noch mehrfach – in Abwandlungen, wie im Baukasten-Prinzip – reproduzieren sollte. Sterzing war als Fremdenverkehrszentrum weniger angesehen als Gossensass, obwohl man auch hier vom Bau der Brennerbahn profitierte. Es bevölkerten aber nur dann viele Gäste die Hotels und Gasthöfe der Stadt, wenn die Herbergen im Nachbarort überfüllt waren.40 Über die Errichtung des Hotels Stötter wird berichtet: „Das schon bestehende Restau­ra­tions­ gebäude wird in den Neubau einbezogen. Beginn des Baues November 1893. Ende Februar 1895 der Bau ziemlich vollendet. Hochparterre und zwei Stöcke. Gebaut von der Firma Musch und Lun in Meran. Zuerst 40, später 60 Zimmer. Erste Fremdensaison 1895. Seit 26. November 1896 elek­trische Beleuchtung, zum Teil früher als in der Stadt Sterzing.“41 Musch & Lun dürfte nur die erste Baustufe des Hotels geplant haben und war in weitere Aus- und Anbauten wahr­scheinlich nicht mehr eingebunden. Wie auf erhaltenen Postkarten und Plakaten zu sehen ist, zeigen zu Werbezwecken angefertigte Darstellungen manchmal ein idealisiertes Hotelprojekt. 42 Die Grundrisse veranschaulichen den Altbestand des Bahnhofslokals und seine Verbindung mit dem geplanten Hotel. In dem ursprünglich niedrigeren Bauteil waren ebenerdig ein einfaches Lokal und die Küche samt Nebenräumen untergebracht, auf der Ebene darüber befanden sich der Speisesaal mit Balkon und – möglicherweise in einem temporär abtrennbaren Bereich – ein Konversationssaal. In den Plan mit dem Speisesaal wurde zur Veranschaulichung der Sitzordnung die Table-d’hôte-Aufstellung der Tische eingezeichnet. Der Speisesaal sollte mit einer umlaufenden Vertäfelung ausgestattet werden. Insgesamt konzipierte ihn Musch & Lun aber im Vergleich zu anderen einfacher und ohne aufwendiges hölzernes Dachwerk. Im daran anschließenden, kastenartigen Bauteil wurden die Gästezimmer zweihüftig angeordnet. Manche von ihnen konnten miteinander verbunden werden. Der einfache, zweiteilige Putzbau wurde mit Elementen im sogenannten Schweizer Holzstil akzentuiert (Balkone, Giebelfelder). Die oberen Abschlüsse bildeten, ganz zum Bild der Entstehungszeit des Hotels passend, traufenständige Satteldächer. Zur besseren Belichtung des Dachraums wurden diese an jeder Längsseite des Baukörpers mit einem größeren und einem kleineren Zwerchhaus versehen. Die Bauaufgabe Hotel wurde hier noch ganz im Sinn eines Zweckbaus für temporäre Beherbergung („Hospiz“) interpretiert. Die in unmittelbarer Folge auf das Hotel Stötter von Musch & Lun konzipierten Häuser für den „Verein für Alpenhotels in Tirol“ veranschaulichen hingegen, dass vom Hochbau der Eisenbahn herkommende Einflüsse wie der sogenannte Schweizer Holzstil erst eine Verbindung mit Elementen aus bäuerlich-volkstümlichen Bautraditionen bzw. solchen aus der Ideenwelt von Burg und Schloss eingehen musste, um als eigenständige, „regionalisierte“ Architektur zur Geltung zu gelangen.

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Über die Entwicklung des Fremdenverkehrs in Sterzing Vorbedingung war die Moosregulierung und der Eisenbahnbau. Sterzing hat den Vorteil, daß es sich sein altertümliches Bild bewahrt hat („Tiroler Nürnberg“). Anderseits ist die Entwicklung der in die Hauptstraße eingeklemmten Gasthöfe trotz aller Restaurierungen und Erweiterungen immer etwas gehemmt. Nur das Bahnhofhotel Stötter konnte sich frei entfalten. Gegensatz zu Gossensaß, wo die großzügige, unternehmende Hotelerbauerfamilie Gröbner nicht so durch die Anlage des alten Ortes gehemmt war. […] 1880: Ungefähr 100 Fremde, die sich längere Zeit in Sterzing aufhalten. Über 300 Touristen. 1890: Schlechter Besuch. 1895: 1.837 Fremde (ohne Tagespassanten) (und zwar 331 Tiroler, 426 aus der übrigen Monarchie, 1.080 Ausländer, darunter wohl sehr viele Reichsdeutsche). Um 1901 pro Jahr über 2.000 Fremde. In den Jahren 1903, 1905 und 1908 gute Fremdensaisonen. Im August 1907 wurden am Bahnhof Sterzing 12.000 Fahrkarten ausgegeben. Vom 1. Mai bis 1. Oktober 1910 waren in Sterzing 4.309 Fremde (und zwar 1.242 Inländer, 3.067 Ausländer, darunter wohl viele Reichsdeutsche). Quelle: Kramer, Hans, Beiträge zu einer Chronik von Sterzing, in: Veröffentlichungen des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum, Innsbruck, Nr. 31, Innsbruck 1951, S. 476.

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Hotel Stötter, Ansicht, Grundriss Hochparterre und erster Stock

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Dolomiten-Hotel Weisslahnbad, Erweiterung und Anbau eines Speisesaales für den „Verein für Alpenhotels in Tirol“, Tiers

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1895

Erweiterung des Dolomiten-Hotels Weisslahnbad und Anbau eines Speisesaales (aufgegangen im Dolomitenhotel Weisslahnbad), Weißlahn 21, I-39050 Tiers



Bauphasen: 1903/1904



Architektur: Musch & Lun, Meran



Kat.: T2.310, W1.328



Dok./Lit.: TLMF (Abb.). MEZ, 21.8.1898, S. 1–3. Das Dolomitenhotel Weisslahnbad am Rosengarten bei Bozen in Tirol, Innsbruck 1902 (Abb.). Bildungsausschuss Tiers (Hrsg.), Tiers am Rosengarten – Biographie eines Bergdorfes, Bozen 1998, S. 116. Dal Negro, Francesco, Hotel des Alpes, S. 201–203 (Abb.).

Mit zeitlichem Abstand verwirklichte Musch & Lun zwei Projekte in Weisslahnbad, einem einfachen Bauernbadl mit Gastbetrieb aus dem Jahr 1811, das jedoch rasch weit über die Grenzen des Landes hinaus bekannt wurde.43 In einem um 1840 erschienenen Führer zu den „bekannten“ Heilquellen Europas hieß es: „Einen Ruf hat sich das Bad erworben in gichtischen und rheumatischen Leiden, Krankheiten des Unterleibes und der Nerven von Schwäche, Bleichsucht.“44 In den 1880er Jahren hielt sich der bekannte „Culturnomade“ Heinrich Noë45 im Tierser Tal auf und berichtete, das Weisslahnbad gehöre zwar zu den „allerbescheidensten“, aber seiner Lage nach sei es eines der schönsten in ganz Tirol.46 1894 ging die im Besitz der Gemeinde Tiers stehende Kuranlage auf einen Mann namens Ludwig Kräuter (biografische Daten unbekannt) aus Blumau über, der sie aber rasch an den „Verein für Alpenhotels in Tirol“ weiterveräußerte.47 1896 hieß es daher in einer Ansprache bei der Eröffnung des Hotels Karersee, der Verein habe mit dem Weisslahnbad „am Fuße des aussichtsreichen Schlern“ bereits ein Touristenhaus adaptiert und vor einem Jahr „dem Verkehre übergeben“.48 Der gute Ruf des Weisslahnbads und seine bauliche Erweiterung durch den „Verein für Alpenhotels in Tirol“ kamen nicht von ungefähr. Denn die früh einsetzende Bekanntheit des Gesundbrunnens rührte daher, dass er nicht nur Kurgäste anlockte, sondern insbesondere Bergliebhaber. Sie nützten den Gasthof mit Kurbetrieb als Ausgangspunkt für längere Spaziergänge sowie Berg- und Klettertouren im Schlerngebiet. Hier bestätigt sich die eingangs in diesem Buch bereits erwähnte These der Schweizer Kunsthistorikerin Isabelle Rucki, dass die Besucher der Alpenbäder unter den Ersten waren, die die Schönheiten der Bergwelt zu erkunden begannen.49 Vor diesem Hintergrund erklärt sich ferner, warum das Weisslahnbad vor allem in seiner Zeit unter der Leitung des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ stets als DolomitenHotel oder Dolomitenhaus (der spätere Name des Hotels Canazei) zusammen mit ausführlichen Angaben über „Hochtouristisches“ beworben wurde, wohingegen der Slogan „angenehmes Sommerbad“ von nachrangiger Bedeutung war. „Auskünfte das ganze Jahr hindurch bei der Bau-Firma J. Musch und C. Lun in Meran, Südtirol“, so in einem der ersten Prospekte des Vereins, der 1896 für die Hotels Trafoi und Karersee herausgebracht wurde.50 Die nach einem Steinbruch benannte Gegend „Weisslahn“ verfügte lange über keine gute Verkehrsanbindung ins Eisacktal und nach Bozen. Dennoch dürfte das dortige Bauernbadl dem am nächsten gekommen sein, was Theodor Christomannos anfänglich unter „Alpenhaus“ verstand. Ein einfaches, aber komfortables Touristenhotel in einer besonders günstigen Lage „als Centralpunkt für zahlreiche leichtere und schwierige Bergbesteigungen und Rundtouren in der zauberhaften Gebirgswelt der Dolomiten“51, das vor allem durch eine moderate Preisgestaltung Publikum anlockte.52 Wenig später bzw. parallel dazu entwickelte sich die Idee der eigentlichen Berghotels mit ihrem „modernen Comfort [unter, Anm.] Vermeidung allen unnötigen Luxus“53, an der Theodor Christomannos nicht mehr alleine beteiligt war.

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Das Weisslahnbad wird im Katalog dieses Buches nicht nur aus chronologischen Gründen nach dem Hotel Stötter in Sterzing angeführt. Durch diese Reihung wird noch einmal ersichtlich, dass Hauptwerke wie das Hotel Karersee als Inbegriff für ein Berghotel in Südtirol nicht nur über ihre architektonischen Merkmale erklärt werden können. Zusätzlich spielten Faktoren wie das Umfeld mit alpinistisch attraktiven Berg- und Klettertouren, der Standort in der alpinen Bergwelt und in weiterer Folge die Verkehrsanbindung eine Rolle. Die einzige Ausnahme bildet in der Reihe dieses Buches nur das Hotel Brennerbad. Das „Dolomiten-Hôtel“ Weisslahnbad 1.136 m über dem Meere, am Fusse des Schlern und des Rosengarten im Tierserthale. Das Weisslahnbad, ein einfaches, aber altberühmtes Tiroler Bad für Gicht, Rheumatismus etc. (Magnesia- und Schwefel-Quellen) wurde von Mitgliedern des Vereins für Alpenhôtels in Tirol zu einem einfachen, aber comfortablen Touristenhôtel umgebaut. Dasselbe liegt im obersten Tierserthale, umgeben von prächtigen Tannen- und Föhrenwäldern. Das südliche Klima der Gegend im Vereine mit dessen Hochgebirgslage und seinen aussergewöhnlich zahlreichen schönen Tagen machen dasselbe zu einer vortrefflichen Höhenstation und Sommerfrische und ermöglichen die schönen Spaziergänge in den Wäldern und auf den Alpenmatten der Umgebung auch einen längeren Aufenthalt daselbst in angenehmster Weise. In ganz hervorragender Art eignet sich Weisslahnbad aber als Hochtouristenstation und als Centralpunkt für zahlreiche leichtere und schwierige Bergbesteigungen und Rundtouren in der zauberhaften Gebirgswelt der Dolomiten. Quelle: Das Dolomitenhotel Weisslahnbad am Rosengarten bei Bozen in Tirol, Innsbruck 1902, S. 6.

Erste Bauphase, 1895 In dieser Bauphase wurde das in die Jahre gekommene Gebäude modernisiert und das ehemalige Bauernbadl wahrscheinlich aus organisatorischen Gründen in Verlängerung des Bestandes in einen Anbau an der Nordseite umgesiedelt. Musch & Lun funktionierte den bestehenden Gastraum in eine Schwemme um und verlegte den eigentlichen Speisesaal in den ersten Stock. Dem Raum wurde eine hölzerne Veranda vorgelagert. Auf den übrigen Flächen und im zweiten Stock wurden Gästezimmer eingerichtet. Das äußere Erscheinungsbild des einfachen Putzbaus mit Satteldachabschluss blieb unverändert. Die Herberge konnte damals ca. 70 Gäste aufnehmen, doch die engen Räume, das Fehlen eines großen Speisesaals und andere „Inkonvenienzen“54 wurden bereits 1898 Gegenstand von Kritik.

Anbau eines Speisesaales, 1903/1904 In Weisslahnbad bestand besonderer Bedarf an einem großen Raum für die Verköstigung von Tages­gästen, der unabhängig vom übrigen Gastbetrieb begehbar sein sollte. Der Speise­saal­ anbau entstand an der Stelle eines ehemaligen Nebengebäudes im Süden des Bestandes. Um eine Verbindung zur Küche herzustellen, wurde eine Art Zwischentrakt eingezogen, in dem ein neuer Haupteingang und ein Büro Platz fanden. Der Anbau setzte sich aus einem repräsentativen Speisesaal, einer gedeckten Veranda und einem Lese- bzw. Spielzimmer zusammen. Die Raumaufteilung erweckt den Eindruck, dass Musch & Lun hier ein Programm realisierte, das vor allem in Hinsicht auf eine mögliche Erweiterbarkeit konzipiert war.

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„Der moderne Comfort des Hauses, die gute Küche und der treffliche Keller (frisches Bier und ausgewählte Weine) im Vereine mit mässigen Preisen und guten Badegelegenheiten dürften selbst verwöhntere Reisende befriedigen.“ (aus : Das Dolomitenhotel Weisslahnbad am Rosengarten bei Bozen in Tirol)

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Hotel Weisslahnbad, erste Baustufe: Ansicht, Grundriss Hochparterre und erster Stock

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Auch wenn es sich hier um einen besonders einfach gehaltenen, außen liegenden Speisesaal handelte, wollte das Meraner „Bureau“ die große Grundfläche stützenfrei überspannen, weshalb der Planung des Dachwerks hohe Aufmerksamkeit zukam (Blatt Nr. W1_5950). Der „Verein für Alpenhotels in Tirol“ verkaufte das Weisslahnbad schon 1904 an dessen Pächter, den Besitzer der Pension Windsor in Meran, Theodor Komenda (auch: Kommenda, biografische Daten unbekannt). Er führte das Hotel bis zum Ersten Weltkrieg.55 Dennoch kümmerte sich Theodor Christomannos selbst noch in seiner Funktion als Abgeordneter zum Tiroler Landtag um eine Verbesserung der auch „Rosengartenstraße“ genannten Verkehrsverbindung von Blumau nach Tiers mit einer Verlängerung zum Karersee, um den Kurtourismus, den Alpinismus und den Fremdenverkehr im Tal noch weiter anzukurbeln.56 Theodor Komenda stockte das Gebäude auf und errichtete 1913 ein kleines Elektrizitätswerk, unter anderem für die Beleuchtung des Hotels. Die ihm nachfolgenden Besitzer dokumentierte Francesco Dal Negro.57 Ein Bad im leicht mineralisierten Quellwasser ist bis heute im Dolomitenhotel Weisslahnbad möglich, dessen Inhaber auch ein kleines Museum einrichteten.58

Hotel Weisslahnbad, Speisesaalanbau, 1903/1904

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Hotel Trafoi für den „Verein für Alpenhotels in Tirol“, Trafoi

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1894–1896

Hotel Trafoi (1917 abgebrannt), Trafoi, I-39029 Stilfs



Architektur: Otto Schmid, Sulden-Innsbruck



Dok./Lit.: Christomannos, Theodor, Sulden–Trafoi, S. 77, 81f. (Abb.). MEZ, 12.7.1896, S. 4 (Liste der an Bau und Einrichtung beteiligten Firmen). Prokop, S. 24f. (Abb.). Historische Fotografien, 1917, TLMF. Schmid, S. 64–73 (Abb.). Schwienbacher (Abb.). Dal Negro, Francesco, Hotel des Alpes, S. 154f.

Die Architektur des Hotels Trafoi kann heute nur noch anhand von historischen Postkarten, Fotografien und den veröffentlichten Entwürfen in den Publikationen von Theodor Christomannos bzw. August Prokop dokumentiert werden. In frühen Prospekten und in der Broschüre „Sulden–Trafoi“ wird das Haus mit seinem ursprünglichen Projekttitel als „StelvioHotel“ bezeichnet – eine Name, der aber aufgrund des Standorts des Hotels nahe der (Sprach-) Grenze zu Italien bald nicht mehr den politischen und kulturellen Superioritätsansprüchen seiner Erbauer entsprochen haben dürfte und daher in Hotel Trafoi geändert wurde.59 In einem Bericht wird erwähnt, dass der Transport des Baumaterials schwierig war und nicht zuletzt auch aufgrund der weiten Lieferwege ein Drittel der Gesamtkosten verursachte (60.000 Gulden bzw. ca. 887.850 Euro).60 Das Holzmobiliar wurde von örtlichen bzw. aus dem Vinschgau stammenden Tischlern hergestellt (mit Ausnahme der Sessel, die von Thonet in Wien geliefert wurden). An der Errichtung des Hotels dürften zeitweilig bis zu 230 Arbeiter beteiligt gewesen sein.61 Die damit verbundenen organisatorischen Herausforderungen gehen allerdings nur aus der Dokumentation über die Baustelle des Hotels Karersee hervor. Bauherr des Hotels Trafoi war der „Verein für Alpenhotels in Tirol“, der zeitgleich mit dem Beherbergungsprojekt im Ortlergebiet auch das Hotel Karersee in den Dolomiten realisierte. Das Hotel Trafoi wurde am Sonntag, 28., und Montag, 29. Juni 1896, bzw. das Hotel Karersee am 4. und 5. Juli 1896 eröffnet.62 Beide Hotels wurden in der kurzen Bauzeit von nur vierzehn Monaten errichtet, das Hotel Trafoi dürfte bei seiner Eröffnungsfeier aber noch nicht ganz fertiggestellt gewesen sein, was von den ca. 200 Besuchern „mit nicht bös gemeinten humoristischen Bemerkungen“ übergangen wurde.63 Die in Publikationen genannte Zahl der Gästezimmer variiert zwischen 160 und 170 (250 Betten).

Lage und Zuschnitt des Baukörpers August Prokop charakterisiert die Lage des Hauses wie folgt: „Das Trafoihotel (1.650 m) in 10 Stunden per Wagen von Meran erreichbar, liegt unterhalb des Stilfserjoches am Fusse des Ortlers, angesichts eines der grossartigsten Gletscherbilder Europas; man hat die Trafoier Eiswand, den Matatschgletscher [Madatschferner, Anm.] etc. unmittelbar vor sich. Trafoi ist eine Touristenstation allerersten Ranges; die vorbeiführende Strasse ist die höchste Europas (am Joche 2.857 m hoch); selbe wurde erst 1820–25 von Oesterreich gebaut, zeigt 46 Wendungen aufwärts und 38 herab nach Italien hin, wo uns zuerst die berühmten Bäder von Bormio (1.335 m) begegnen, ein schon den Römern bekannter und berühmter Boden.“64 Wie auf erhaltenen Abbildungen und nicht zuletzt den Darstellungen von Tony Grubhofer zu sehen ist, wurde der prächtige Komplex effektvoll vor der Gletscherkulisse am südlichen Ende des Trafoier Tals platziert.65 Wie beim bereits an anderer Stelle in diesem Buch genannten Hotel Roseg in Pontresina diente der V- bzw. L-förmige Zuschnitt des Gebäudes dazu, die Sicht auf die Gebirge aus unterschiedlichen Richtungen zu erschließen. Der Bauteil an

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Bauplatz des Hotels Trafoi vor der Gletscherkulisse

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Bauplatz mit dem Hotel Trafoi

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Hotel Trafoi, Grundrisse (oben), Fassaden (unten), Fassade zum Tal (rechte Seite)

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der Straße hatte eine Länge von 60 Metern und war zum Wald ausgerichtet. Er enthielt im Wesentlichen alle öffentlichen Bereiche des Hotels, wohingegen die Gästezimmer zweihüftig im rechtwinklig angesetzten, 72 Meter langen Trakt des Baukörpers untergebracht wurden.66

Gesellschaftsräume und Speisesaal Der straßenseitige Flügel enthielt ebenerdig den Haupteingang, die Gesellschaftsräume und den talwärts gerichteten, großen Speisesaal. August Prokop bemerkte wohlwollend, dass das Vestibül hier „schon weitaus grösser als in Sulden“ war.67 Ein seltenes Foto zeigt die Eingangshalle in der Form, wie sie wahrscheinlich unter Mitwirkung von Theodor Christomannos eingerichtet wurde.68 Christian Schwienbacher zitiert aus einer zeitgenössischen Quelle: „Schon das Entree ist ein kleines Bijou. Schwellende Möbel, zierliche Rohrgarnituren, schwere Portieren und Vorhänge, alpine Dekorationsstücke und Jagd­trophäen, endlich eine veritable Gem­se, ein wahres Prachtexemplar, heimeln den Ein­ tretenden sofort an.“69 In mehrer­ en Berichten wird auch ein ausgestopfter Bär erwähnt, der im Ortlergebiet erlegt worden sei.70 An manchen Tagen soll der auf seinen Hinterfüßen stehende „Zottelbär mit fun­keln­­den Glasaugen“71 hinter einem Vor­hang versteckt worden sein, um neugierige Gäste zu erschrecken. Ein bei der Eröffnung des Hotels anwesender Journalist schreibt über das weitere Raumprogramm, es habe ausgedehnte Gesellschaftsräume mit Damen-, Musik-, Lese- und Billardsälen, große Speise- und Restau­rationssäle, elektrische Beleuch­tung, Bäder, eine eigene Bäckerei und eine Wäscherei gegeben – nicht zu vergessen die Dunkel­kammer, die auch Amateurfotografen zur Ver­fügung stand.72 Wie alle Häuser des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ verfügte auch dieses über eine eigene Trinkwasserversorgung. Der Speisesaal wies eine Länge von ca. 38 Metern und eine Breite von 16 Metern auf und soll über eine besonders gute Akustik verfügt haben.73 Bedauerlicherweise schrieb August Prokop nichts über seine festliche, an einen Sakralraum erinnernde Gestaltung mit einem dreifach gewölbten Holztonnengespärre. Otto Schmid entwarf es nach dem Vorbild des Dachwerks der Halle im Palas von Schloss Enn. Anstelle des sogenannten Lusterweiberls hing hier in der Mitte des Raums aber ein seine Schwingen öffnender „Tiroler Adler“ von der Decke. Große Fenster führten dem Speisesaal von drei Seiten Tageslicht zu. Auf einer weiteren, ebenfalls seltenen Fotografie wurde der Saal mit Restaurantbestuhlung festgehalten. Wie eine Art „Veranda mit Aussicht“ wurde an den langen Gang, der zum Speisesaal führte, ein aus der Bauflucht auskragender Salon angebaut. Dieser Annex verfügte über zwei Stockwerke. Möglicherweise war im unteren eine Schwemme oder ein „Touristenlokal“ eingerichtet.74 Die Küchen lagen unter dem Speisesaal. In den Stockwerken über dem straßenseitigen Flügel befanden sich Gästezimmer – nicht aber über dem Speisesaal, denn dieser war wie bei vielen Hotels der Zeit als ein an drei Seiten frei stehender Anbau ausgeführt.

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Bereits in den ersten Prospekten wurden die Halle (linke Seite) und der Speisesaal abgebildet (oben)

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Brandruine des Hotels Trafoi, um 1917

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Der sich im 90-Grad-Winkel erstreckende Flügel wurde wie der Riegel des Hotels Sulden nur als Gästetrakt genützt, wobei zwischen Zimmern für betuchtere Gäste und einfacheren, sogenannten Touristenzimmern unterschieden wurde. Diese scheinen aber vor allem in den Vor- und Nachsaisonen preisgünstig angeboten worden zu sein.75 Die zweigeschossigen Dachstöcke des Gästetrakts könnten für Personalzimmer ausgebaut worden sein. An den von Prokop publizierten Grundrissen ist gut zu erkennen, welche Zimmer zu Apartments bzw. Suiten zusammengeschlossen werden konnten. Aufzug gab es auch hier keinen, obwohl das Hotel wie sein Pendant in Sulden über Elektrizität, z. B. für die Beleuchtung, verfügte. Die Turbine des nahegelegenen hoteleigenen Kleinkraftwerks stammte von Escher & Wys in Zürich, wurde aber von einem Wiener Unternehmen installiert. Deutsche Firmen lieferten die Einrichtung von Küchen, Bädern und WCs. Beheizt wurde das Gebäude mit einer NiederdruckDampfheizung – leider ist hier aber genauso wie beim Hotel Sulden der Lieferant unbekannt. Die Größe des Hotels war mit seinen angeblich 160 Zimmern enorm. Im Flügel befanden sich pro Stockwerk zwanzig Zimmer und im straßenseitigen Trakt dreizehn – alle noch ohne eigenes Bad. Wenn man bedenkt, dass das nahegelegene Hotel Sulden ebenfalls über 120 Zimmer verfügte, veränderten schon alleine diese beiden Häuser das sozioökonomische Gefüge im Umfeld des Ortlermassivs in den 1890er-Jahren sprunghaft. Denn obwohl Trafoi bei der Eröffnung des Hotels als das „Grindelwald Tirols“ bezeichnet wurde, war es noch eine „kleine ärmliche Ansiedlung mit einigen 80 Einwohnern“76.

„Bausätze“ für Berghotels August Prokop war unter den Ersten, die darüber berichteten, dass die Berghotels des Netzwerks rund um Theodor Christomannos, Otto Schmid und Musch & Lun auf der Basis eines „Programms“ entstanden. Damit meinte er einen Katalog an Motiven und Baudetails, die genauso wie bestimmte, die Gestaltung der Innenräume betreffende Elemente wiederholt zum Einsatz kamen. Siehe dazu auch im Abschnitt „Zwei Berghotel-Serien“ im ersten Band. Während Musch & Lun als Folgeprojekt auf das Hotel Stötter in Sterzing das Hotel Karersee realisierte und Otto Schmid nach dem Hotel Sulden das Hotel Trafoi verwirklichte, zeichneten sich schon früh Unterschiede in Bezug auf die Verwendung der „Baukastensysteme“ ab. Musch & Lun wurde vor allem durch die Kombination von Rustikalität vermittelnden und burg- bzw. schlossähnlichen Bauteilen im Hotelbau erfolgreich, wohingegen Otto Schmid – gemäß der ursprünglichen Idee – das Bauschema der „Alpenhäuser“ weiterverfolgte, das er für das Hotel Sulden erstmals entwickelt hatte. Zu den augenfälligsten Unterschieden zählten unter anderem die Dächer bzw. Dachlandschaften, die von Otto Schmid nie zu einer mit denen von Musch & Lun vergleichbaren gestalterischen Virtuosität geführt wurden.

Das Hotel Trafoi im Ersten Weltkrieg Dem Hotel Trafoi war keine lange Betriebsdauer vergönnt. Im Ersten Weltkrieg diente das Gebäude als Militärquartier. Ende März 1917 brannte es im Verlauf von zwei Tagen und Nächten ab. Lokalmedien zufolge war das Feuer aufgrund der ständigen „Überheizung“ des Gebäudes mit „nassem Holz“ im besonders kalten Winter 1917 entstanden. Die Katastrophe hätte aber eingedämmt werden können, wäre der noch reichlich vorhandene Schnee zur Bekämpfung der Flammen benützt worden. Auf diese Weise hätte man auch genügend Zeit gewonnen, um mehr Möbel und andere Gegenstände aus dem Hotel zu räumen. Am Ende blieben nur die Außenmauern und der Speisesaal stehen. Der „Verein für Alpenhotels in Tirol“ bewertete den

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entstandenen Schaden mit 600.000 Kronen (ca. 501.000 Euro) und bot das noch übrig gebliebene Mobiliar der Stadtgemeinde Wien für einen Preis von 314.000 Kronen (ca. 262.200 Euro) zum Kauf an.77 Diese wollte es dann zu günstigen Konditionen jungen Ehepaaren weiterverkaufen.78 Die Brandruine mitsamt den noch intakten Nebengebäuden ging 1919 in den Besitz von Fridolin Angerer (biografische Daten unbekannt) über. Er war der ehemalige Besitzer des Hotels Post in Gomagoi.79 Es scheint aber niemanden gestört zu haben, dass nach Kriegsende noch intakte Bereiche des Gebäudes von bedürftigen Trafoier Familien als Unterkunft benützt wurden. Die Reste des Hotels standen noch in den 1960er Jahren, wurden dann aber abgetragen.80 Darüber hinaus gehörte es zur touristischen Entwicklung der Region, dass das Hotel Trafoi Ausflugsfahrten auf das Stilfser Joch durchführte. Das auf der Strecke liegende ärarische Un­ ter­kunftshaus Franzenshöhe wurde nach den Angaben von August Prokop vom „Verein für Alpenhotels in Tirol“ gepachtet, was jedoch nicht der Fall war.81 Es bestand um 1896 aber die Absicht, das (bereits anderweitig vergebene82) Gebäude unter Vertrag zu nehmen. Da die Organisation mit einem dritten großen Berghotel im Ortlergebiet am lokalen Tourismusmarkt aber zu dominant geworden wäre, entstand massive Gegenwehr, in deren Verlauf die „fremde Alpenhotelgesellschaft“ in Zeitungen als bei der Bevölkerung unbeliebt dargestellt wurde.83 Auf der Franzenshöhe entstanden im Zuge der Errichtung der Stilfser-Joch-Straße mit dem „ärarischen Unterkunftshaus“ und der sogenannten „Cantoniera“ (Straßenarbeiterhaus) zwei einander schräg gegenüberliegende Gebäude, die nach und nach in Herbergen umfunktioniert wurden. Auch wenn hier kein weiteres Haus des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ entstand, befasste sich Musch & Lun in den Jahren 1903/1904 dennoch mit einem Umbau des Ensembles in ein Alpenhotel mit Dependance.84 Die Pläne entstanden wahrscheinlich für den damaligen Pächter des Unterkunftshauses, Josef Peer, Besitzer des Hotels Post in Neuspondinig.85

Pferdegespanne auf dem Weg auf das Stilfser Joch mit der Ferdinandshöhe im Hintergrund

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Franzenshöhe (2.188 m Seehöhe) mit dem „ärarischen Unterkunftshaus“ (rechts) und der „Cantoniera“ (links)

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Hotel Karersee für den „Verein für Alpenhotels in Tirol“, Welschnofen

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1894–1896

Hotel Karersee (später: Grand Hotel Karersee, Residence Grand Hotel Carezza), Karerseestraße 141, I-39056 Welschnofen



Bauphasen: 1906–1909; am 15. August 1910 abgebrannt, 1910–1912 Wiederaufbau; 1936 Architektur: Musch & Lun, teilweise in Zusammenarbeit mit Otto Schmid, Sulden-Innsbruck, und Johann Müller als Chefarchitekt im Büro von Musch & Lun (im Zuge des Wiederaufbaus 1910–1912)



Kat.: TOUR.171, X2.355, X3.365, X8.454 (über das erhaltene Planmaterial siehe auch im Anhang.)



Dok./Lit. (Auswahl): Bauamt Welschnofen (Abb.). Amt für Bau- und Kunstdenkmäler (Denkmalschutz, BLR-LAB 1319 vom 28/11/2017, BLR-LAB 347 vom 28/03/2017). Prokop, S. 24 ff. (Abb.). Verein für Alpenhotels (Hrsg.), Trafoi-Hotel Tirol – Karer­see-Hotel Tirol, Hotelprospekt, o. J. (um 1900/1905?), TLMF, W_2332_5. Protokoll der General­ver­samm­lung des Vereins für Alpenhotels in Tirol, 17.12.1905, TLMF, Sign. FB_137017_76. Alpenländische Bauzeitung. Wochenschrift für praktisches Bauwesen, Meran, Nr. 17, 10.2.1907, S. 132. Schalek, Alice, Das Karerseehotel, in: Neue Freie Presse, Wien, 19. August 1910, S. 1–3. Kassabuch Hotel Karersee (Privatsammlung Christine Geiger, Karersee). Historische Fotografien, um 1910/1911, TLMF. Mascotti, Albert, Josef Musch & Carl Lun, S. 28–34, hier: 28f. (Abb.). Kircher, Ignaz, 100 Jahre Fremdenverkehr WelschnofenKarersee, Fremdenverkehrsamt Welschnofen-Karersee (Hrsg.), Bozen 1986, S. 24ff. Ders., Ein Jahrhundert Karerseehotel, Turistikunion Karer­see (Hrsg.), Bozen 1995. Architektenkammer der Provinz Bozen (Hrsg.), Architektur in Südtirol, S. 262 (Abb.). Schwien­bacher (Abb.). Dal Negro, Francesco, Hotel des Alpes, S. 154f., 211–216. Kohler, Franz, 100 Jahre Elektri­zi­täts­werk Welschnofen, in: Gemeindeblatt Welschnofen, Nr. 10, 2008, S. 20–22. Ders., Vom Ende der stromlosen Zeit. Eine Geschichte der Elektrifizierung Südtirols am Beispiel Welschnofen, Wien-Bozen 2012. Faggioni, Silvano, Theodor Christomannos. Geniale pioniere del turismo nelle Dolomiti, Trient 2012, S. 150–163 (Abb.). rosengarten-latemargebiet.com/wissenswertes/125-grandhotel-karersee.html (4.10.2018). www.tecneum.eu/index.php?option=com_tecneum&task=object&id=308 (Elektrizitätswerk II., 5.5.2014).



Zum Hotel Karersee gehörige Einrichtungen, weitere Villen und Projekte von Musch & Lun

1896/1908

Elektrizitätswerk I. des Hotels Karersee (abgebrochen) bzw. Elektrizitätswerk II. (auch: Karerseewerk,

1896/1897

Alpenkapelle (heute: Kirche St. Josef ), St. Josefs Weg 1, I-39056 Welschnofen

Ab 1899

Villen im Umfeld des Hotels Karersee: Villa Waldhaus von Dr. Sebastian Huber (1899/1900) und

1974 eingestellt, 2008 reaktiviert), im Jemmelloch, I-39056 Welschnofen

Villa Dr. Ludwig Fulda (1905/1906) 1907/1922

Försterhaus (auch: casa forestale, Försterschwaige, Bausubstanz heute Teil der Forstschule Latemar – Ausbildungszentrum für Forst, Jagd und Umwelt), Karerseestraße 130, I-39056 Welschnofen



Architektur: jeweils Musch & Lun, Meran



Kat. und Dok./Lit.: siehe bei den jeweiligen Projekten

Das Hotel Karersee des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ wurde von 400 bis 450 Arbeitern in einer Bauzeit von nur 14 Monaten und fast zeitgleich mit dem Hotel Trafoi errichtet. Die Eröffnung beider Häuser erfolgte im Sommer 1896, die des Hotels in Trafoi am 28. und 29. Juni und die des Hotels am Karersee am Samstag und Sonntag, dem 4. und 5. Juli.86 Nicht zuletzt aufgrund der guten gesellschaftlichen Verbindungen Theodor Christomannos’ waren insbesondere die Feierlichkeiten am Karersee große Inszenierungen. Die Ereignisse lassen sich aufgrund der umfassenden Berichterstattung in den Lokalmedien gut dokumentieren.87 Im Unterschied zu diesen Zeitzeugnissen beschrieb der Architekt August Prokop als Erster die Architektur des Hotels, die Abläufe auf der Baustelle und dazugehörige technische Details. Er resümierte, das Hotel Karersee sei unter den Häusern des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ „das grossartigste, bequemste und originellste“88.

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Das Hotel Karersee entstand – wie schon vor ihm das Hotel Sulden – unmittelbar nach der Errichtung eines Verkehrswegs über den Karerpass. Parallel zur Fertigstellung der Straße im Jahr 1894 erfolgte die Erschließung des Bauareals.89 Der Teil der Dolomitenstraße von Welschnofen bis zum Karerpass wurde von Josef Riehl geplant und der Abschnitt von Welschnofen nach Vigo di Fassa und Moëna von seinem Büro auch baulich realisiert.90 Von Bozen anreisende Gäste mussten zuerst die wildromantische Eggentalschlucht passieren und gelangten dann über Welschnofen (ca. 1.180 Meter Seehöhe) und den von Wald umgebenen Karersee (1.520 Meter Seehöhe) zum Hotel auf ca. 1.670 Meter Seehöhe. Mit der Postkutsche dauerte die Anreise 1896 noch über fünf Stunden.91 Im Unterschied zum Hotel Trafoi, das bereits bei der Anfahrt von Weitem zu sehen war, öffnete sich der Blick auf das Hotel Karersee erst kurz vor der Ankunft. Zu seiner Zeit muss der im Gelände frei stehende Bau den Eindruck eines neu erbauten Palazzos zwischen den Gebirgszügen von Rosengarten und Latemar vermittelt haben. Die Dolomitenstraße verlief in geringer Entfernung vom Hotel Richtung Karerpass. Geschickt wurde die Distanz zwischen Straße und Hotel genützt, um den großen Baukörper effektvoll auf den relativ ebenen Wiesen so zu platzieren, dass er zusammen mit der Rosengartengruppe in seinem Hintergrund ein beeindruckendes Postkartenmotiv abgab. Schon das Dolomitenhotel in Toblach wurde aus werblichen Gründen abgerückt von der Südbahn-Strecke errichtet. Im Karerseegebiet gingen Gebäude und Landschaft aber eine noch effektvollere und daher besonders gut vermarktbare optische Verbindung ein. Im Touriseum und in der Bibliothek des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum in Innsbruck haben sich einige Darstellungen erhalten, die das Hotel eingebettet in seine bemerkenswerte landschaftliche Situation zeigen. Die meisten von ihnen wurden von Tony Grubhofer für Werbemittel des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ angefertigt.92 Doch um 1900 konnte keine verkaufsfördernde Maßnahme so große Wirkung entfalten wie illustre Gäste.93 Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn (1837–1898), inkognito als „Gräfin von Hohenems“ reisend, besuchte das Hotel schon ein Jahr nach seiner Eröffnung im Spätsommer 1897. Dort wurde sie von Theodor Christomannos empfangen, der wahrscheinlich in ihre Ausflugsgestaltung eingebunden war.94 Zur Entourage Elisabeths gehörte auch ihr Vorleser und Griechischlehrer Konstantin Christomannos.95 Er war ein Cousin des Hotelentrepreneurs und könnte daher bei der Wahl des Reiseziels der Monarchin eine Rolle gespielt haben. Jeder Schritt der als sportlich bekannten Kaiserin wurde in den Medien dokumentiert, wodurch sich ihre Patronage als sehr profitabel für das Hotel erwies. Beispielsweise wurde über Elisabeths Höhenkur berichtet: „Der Aufenthalt in der Hochgebirgswelt hat der Kaiserin sichtlich gut angeschlagen, sie sieht vortrefflich aus, ihr Gang ist elastisch und kräftig […].“96 Weiter heißt es über das Berghotel als Schauplatz zwangloser Annäherung zwischen Aristokratie und Bürgertum, dass die Monarchin wie jeder andere Gast die Hotelhalle durchquerte, um zum Treppenaufgang in ihre Appartements zu gelangen. Neugierige Hotelgäste scheinen dort Stunden zugewartet zu haben, um einen Blick auf Elisabeth und ihre offenbar gut orchestrierten Auftritte zu erhaschen. Sie soll nämlich in der Halle stets für einige Minuten verweilt haben, um mit Theodor Christomannos oder seinem Hoteldirektor kurz Konversation zu führen. Die Zusammenhänge veranschaulichen, dass mit dem Besuch der hohen Dame nicht nur das Hotel an sich nobilitiert wurde, sondern auch sein Betreiber Theodor Christomannos. Das Hotel Karersee galt ab dieser Zeit als „das Hotel, in dem auch die Kaiserin nächtigte“, was der Popularität des Hauses und einem seiner Besitzer enorme Strahlkraft verlieh.

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Die Errichtung des Hotels Karersee, 1894 bis 1896 In einem 1908 veröffentlichten Führer über die Dolomitenstraße wird berichtet, dass der Alpinist und Kletterer Johann Santner (1840–1912)97 Theodor Christomannos auf den Bauplatz für das Hotel Karersee aufmerksam gemacht habe. Hier heißt es: „Allein Herr Santner, der Alpenkundige ‚Schlernvater‘, würdigte die landschaftliche Schönheit des Platzes, sowie dessen hervorragende touristische Bedeutung […].“98 Doch „die lachende Rasenfläche, die jetzt das Hotel umgibt, [war, Anm.] damals ein Stück Sumpfland voll saures Gras und Wasserlöcher.“99 Das „Bauterrain selbst musste erst der Natur abgewonnen, d. h. trocken gemacht werden; die erste Arbeit im Baujahre 1894 war daher die Durchführung einer grossartigen Drainage, welche fl. 7.000 [ca. 101.740 Euro, Anm.] verschlang.“100 Johann Santner ging vor allem als Erstbesteiger des Großen Schlernzacken (heute: Santnerspitze) in die Geschichte des Alpinismus ein. 1880 kletterte er alleine und ohne Seil auf den dem Schlern vorgelagerten Felsturm. Seine überregionale Bekanntheit rührte aber auch daher, dass er schon ab 1875 von Bozen aus mit Alpenblumen handelte, die er nach einem eigenen Verfahren trocknete und z. B. zu sogenannten „Santner-Postkarten“ verarbeitete.101 Das würde auch erklären, warum später manche Räume des Hotels Karersee mit getrockneten Alpenblumen dekoriert wurden. In seiner Anfangszeit konnte das Hotel in seinen 149 Zimmern ca. 300 Gäste aufnehmen und machte in seiner ersten Saison einen Umsatz von 91.000 Gulden (ca. 1,346.570 Euro).102

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August Prokop – Bericht von der Baustelle des Hotels Karersee Das mit dem Trafoihôtel in gleichem Jahre 1894/95 gebaute Karrerseehôtel ist von den drei der Gesellschaft gehörigen Hôtels das grossartigste, bequemste und originellste. Von Bozen her führt die Strasse durch das romantische Eggenthal bis Wälschnofen und von da auf neugebauter, den Karrerseepass (1.750 m) überschreitender Strasse bis Vigo, bis wohin gegenwärtig die Strasse geführt ist, welche nach Canazei, wie schon erwähnt, fortgesetzt werden soll. Am westlichen Abhänge des Passes liegt auf breiter Thalmulde das neue Hôtel mit seinen Nebengebäuden in vortrefflich gewählter Lage, indem dadurch in bequemster Weise die Dolomiten mit dem Schlern, Rosengarten, dem Langkofel, der Sellergruppe [Sellagruppe, Anm.], der Marmelata [Marmolata, Anm.] etc. von dieser Seite erschlossen werden. Die Strasse ist ungemein solid gebaut, führt unter prächtigen Ausblicken auf die Rothwand und den Latemar, stets durch schönen Wald, steigt dann in mächtigen Serpentinen an, geht bei dem schöngefärbten, am Fusse des Latemars gelegenen Karrersee vorbei, in dessen Nähe das Hôtel liegt. Dasselbe lagert 1.670 m über dem Meere in einer weiten Thalbucht, welche das prächtige Massiv des Latemars einerseits und die Rothwand und den Schlern andererseits umschliessen, an deren Fusse sich ein breiter Waldstreifen zieht, während die weite Mitte ein Wiesenboden erfüllt, der zum Theil moorig war, da das ganze breite Becken von Schottergeschiebe erfüllt und von Grundwasser durchzogen ist, dem erst ein entsprechender Abfluss geschaffen werden musste. Geben die erwähnten, prachtvoll gezeichneten und gefärbten Bergmassive wunderbare Prospecte, so zeigt der offenere Westen ein grossartiges Gletscherpanorama.

August Prokop bildete in seinem Band nicht nur Hotels ab, sondern auch Gebirgsimpressionen von so bekannten Alpenfotografen wie Bernhard Johannes

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Das Karrerseehôtel wurde durch die Firma J. Musch und C. Lun in Meran erbaut; da bei demselben die Tiroler Hôtelbaugesellschaft alle gesammelten Erfahrungen benützte, so soll der Bau des Karrerseehôtels, welcher in ganz gleicher Weise wie das Sulden- und Trafoihôtel ausgeführt wurde, des Näheren, bezüglich der Art und Weise der Herstellung, besprochen werden, wobei Aufzeichnungen und Notizen der genannten Bauunternehmung benutzt wurden. Von den grossen Schwierigkeiten eines im steilen Hochgebirge ausgeführten, fern von jedem Verkehr und menschlicher Hilfe, an einem elenden, oft steilen Saumpfade gelegenen Hôtelbaues hat der dasselbe Besuchende wohl kaum eine Idee. Es handelt sich hier um einen Bau von bedeutender Ausdehnung, 3stöckig, in den Giebeln sogar 5stöckig, um einen Bau, für dessen Möglichkeit und Sicherheit in dieser unwirthlichen Gegend erst Alles der gewaltigen Natur abgetrotzt werden musste; auch das Bauterrain muss der Natur erst abgerungen, das nöthige Holz erst gefällt, der Stein gesucht, das Wasser gebändigt und zugeleitet [werden, Anm.]. Alles, was etwa in der Nähe auffindlich war, musste mühsam erst an Ort und Stelle geschaffen und zusammengetragen werden. Alle diese und andere Vorarbeiten mussten durchgeführt, Material in nöthiger Menge vorbereitet und aufgestapelt werden, da hievon der Bauerfolg des nächsten Jahres gänzlich abhängig war. Bedenkt man weiter, dass alle nur möglichen Baubetriebe an Ort und Stelle zu machen waren und viele Objecte, die sonst in ein erst gänzlich fertiggestelltes Gebäude hineinkommen, unfertig hierher gebracht oder überhaupt gar erst hier herzustellen begonnen wurden; dies Alles in einem halbfertigen Bau, wo ein Bauprofessionist den anderen trieb und vertrieb, wo die verschiedenartigsten Arbeiten nebeneinander laufen und ineinandergreifen mussten; bedenkt man, dass hier, an einer Stelle vereinigt und zusammengedrängt, in Herstellung begriffen war, was sonst, an mehreren Orten und getrennt, für sich gemacht zu werden pflegt; dass so Vieles erst von weit her, auf dem elenden und oft sehr steilen Karrenwege, mühselig heraufgeschleppt werden musste; dass Arbeitskräfte weit und breit nicht vorhanden waren, die Leute daher erst, und zwar in grossen Colonnen, von weit herangezogen werden mussten; dass den ganzen Winter hindurch in dieser Höhe ohne Aufenthalt gearbeitet wurde; dass man für die Unterkunft und den Lebensunterhalt so vieler Leute auch den ganzen Winter über sorgen musste und dass erst im December des Baujahres 1895 die Räume des Hôtel-, also des Hauptgebäudes verglast werden konnten; dass also erst jetzt in diesem Gebäude auch wintersüber zu arbeiten möglich wurde, und zwar in einem Gebäude, welches schon am 1. Juni 1896 betriebsfertig sein musste; bedenkt man dies Alles, so begreift man, dass die hier gestellten Aufgaben nicht leicht waren und deren Lösung oft auf grosse, kaum geglaubte Schwierigkeiten gestossen war; es ist erklärlich, dass mannigfache, oft erdrückende Sorgen auftraten und dass hin und wieder Kosten aufliefen, welche bei Stadtbauten oder bei solchen an Verkehrsstrassen mit frequentem Verkehr gar nicht vorkommen. Zur Illustration des Gesagten mag im Folgenden der successive Bauvorgang geschildert werden. Der Strassenbau von Wälschenofen aus begann im Jahre mit dem Hôtelbau (1894); die Strasse wurde abgesteckt, die betreffenden Waldpartien gefällt und dadurch auch der einzige, bestandene Saumweg stellen- und zeitweise unpassirbar gemacht, wodurch der Transport grösserer und schwererer Objecte, wie Maschinen etc., mit den grössten Schwierigkeiten verknüpft war. Auch das Bauterrain selbst musste erst der Natur abgewonnen, d. h. trocken gemacht werden; die erste Arbeit im Baujahre 1894 war daher die Durchführung einer grossartigen Drainage, welche fl. 7.000 [ca. 101.740 Euro] verschlang. Durch tiefe Sammel- und Abzugsstollen gelang es, den Wasserspiegel des Grundwassers, welches an einzelnen Stellen zu Tage trat,

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bis 1,50 m unter die Kellersohle des zukünftigen Hôtelbaues zu bringen; die in Folge der Drainage abgeleitete, resp. abfliessende Wassermenge beträgt ca. 1.000 Minutenliter und ist bestes 4° Réaumur-Quellenwasser, welches jedoch nicht benutzt wird, da Dr. Cristomannos schon früher eigener Quellengebiete sich versichert hatte, von welchen her, mit einem natürlichen Drucke von 50–60 m mittelst einer 800 m langen eigenen Quellwasserleitung circa 200 Minutenliter bestes Trinkwasser in das Hôtel geleitet wird. Auch an die Beschaffung von Wasserkraft musste gedacht werden; ca. 3 km entfernt und unterhalb der Baustelle gelegen, wurden dem Seebache (dem unterirdischen, quellenartigen Abflusse des Sees) bei einem Gefälle von 20 m ca. 350 Secundenliter Wasser entnommen. Diese 90 auf solche Art nutzbar gemachten Pferdekräfte dienen zur Licht- und Krafterzeugung im Hôtel. Die vorhandene Wasserkraft wurde aber sofort auch zur Aufstellung eines Sägewerkes (Vollgattersäge) benutzt; die in der Nähe gefällten Bäume wurden zu Brettern geschnitten und auf dem zukünftigen Zimmerplatz aufgespeichert; Balken wurden gezimmert und für die diversen Bauzwecke das Holz vorbereitet. Nun konnten auch Holzschuppen und Hütten für Unterkunft und Arbeit hergestellt werden; Nothbaracken und Nothstallungen wurden errichtet. Man ging gleichzeitig auf die Lehmsuche, fand entsprechendes Materiale, so dass an die Anlage einer Ziegelei gedacht werden konnte; ebenso wurden Kalköfen gebaut. Was nun die Sorge betreffs der Steingewinnung anbelangt, so wurde, nachdem man eine entsprechende Stelle gefunden, sofort an die Herstellung einer (horizontal gemessen) 407,45 m langen Rollbahn gegangen (mit eigenem Bremsberg), welche vom Bruche angefangen bis möglichst nahe der Baustelle geführt werden musste. Vom Bruche bis auf das grosse Wiesenplateau war eine Höhendifferenz von 35,18 m; dazwischen hatte man die Ueberbrückung einer 41,95 m tief unter dem Steinbruche gelegenen Partie (das Bett des Buckelin- oder Wälschenofenbaches) durchzuführen. Auch Sandgruben wurden eröffnet und der gewonnene Bausand aufgespeichert, Kalk gebrannt und in der angelegten Ziegelei 150.000 Ziegel erzeugt und in Feldöfen gebrannt. Nun konnte endlich auch an den Bau der grossen, 37 m langen und 10 m breiten Stallung geschritten werden; der Bau ist einstöckig, aus Bruchsteinmauerwerk; die Umfassungsmauern sind durch Strebepfeiler verstärkt. Mit diesem Baue hatte man für die kommende Winterszeit eine grossartige Werkstätte für Tischler-, Schmiede-, Schlosser- und andere Bauarbeiten, z. B. für die Cementplattenfabrikation, gewonnen, also für höchst wichtige Arbeiten des zukünftigen grossen Hôtelbaues. Im I. Stocke waren nun die Schlafstätten der Arbeitsbediensteten untergebracht. Dieses Stallgebäude diente dann später noch (bevor es seinem eigentlichen Zwecke übergeben wurde) als Möbelfabrik, da die Gesammtmöbel des Hôtels – nach Zeichnungen der Architekten – hier an Ort und Stelle aus Zirbelholz angefertigt wurden. Noch im gleichen ersten Baujahre (1894) wurden die Fundamentgruben des Hauptgebäudes ausgehoben. Alle diese Arbeiten waren Ende October des genannten Jahres, wo alsdann starke Fröste auftraten, fertiggestellt. Auch die Strassenbau-Unternehmung konnte bis zu dieser Zeit die neue Strasse (von Wälschenofen angefangen) bis zum Passe vollenden, so dass nun die Locomobile und das Fallgatter herangebracht und aufgestellt werden konnten. Wintersüber war es dann möglich, ca. 2.000 m3 Rundholz zur Säge zu bringen, ca. 1.000 m3 Brennholz zum Bauplatze zu führen und über 2.000 m3 Steine heranzuschaffen. Die Säge schnitt täglich ca. 12 m3 Balken- und Bretterholz; das Balkengehölze hatte 13/20 cm Profil; das vorzügliche und dabei billige Holz lieferte der Karrersee-Reichsforst. So wurde also den ganzen Winter über fest gearbeitet und daher konnte man der kommenden Bausaison nunmehr ruhig entgegensehen. Schon Anfangs Mai des nächsten Jahres (1895) ging man, trotz der bedeutenden Höhenlage des Bauterrains, an die weitere Arbeit. Mit 100 bis 120 Maurern und ebenso vielen Handlangern, mit 14 Zimmerleuten,

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30 Tischlern, 15 Holzarbeitern, 50 Steinbrechern, 20 Sandgräbern und ganzen Gruppen von Schmieden, Schlossern, Kalkbrennern, Fuhrleuten und 10 eigenen Fuhrwerken – im Ganzen mit 400 bis 450 Arbeitern – wurden die Arbeiten sofort energisch in Angriff genommen. Nebenbei sei bemerkt, dass der Gesundheitszustand trotz des argen Winters bei bedeutender Kälte stets ein guter war, und dass während des ganzen Baues auch kein Unfall von Bedeutung vorgekommen ist. Im Juni 1895 wurde bereits beim Speisesaale der First hergestellt, anfangs October – also schon nach 5 Monaten Bauzeit – der eigentliche Hôtelbau eingedeckt, verfugt und dann abgerüstet, und war der Speisesaal zur Gänze, das Hauptgebäude zur Hälfte verfugt. Nebstdem hatte man 2.200 m2 Cementplatten hergestellt und wie erwähnt, 150.000 Stück Ziegel für leichte Gewölbe und dünne leichte Mauern erzeugt. Nicht genug damit, wurden auch die Fundamente für das Waschhaus und die elektrische Anlage hergestellt, – privatrechtliche Gründe erlaubten es nicht, die elektrische Anlage damals schon zu bauen, sonst hätte man statt der Locomobile sofort die elektromotorische Kraft für den Maschinenbetrieb in Verwendung genommen, – die Quelleinfassungen wurden durchgeführt, der Graben für die Rohrleitung vollendet und die Bautischlerarbeit in Arbeit genommen; auch die Fenster wurden versetzt und verglast, Stoffe wurden direct verarbeitet, bezogen und alles an Ort und Stelle selbst, um sodann den ganzen Winter über im Innern des Hauses arbeiten zu können. Die Thüren wurden im Mai fertiggestellt. 30.000 m2 Fichten-Riemenböden wurden in loco erzeugt; gehobelt, genutet und gefedert durch Holzbearbeitungsmaschinen, welche von einer Locomobile getrieben waren. Nur für die gemeinsamen Räume wurden Parquetten genommen, die bezogen werden mussten. Winters über 1895 wurden dann auch dortselbst die Möbel hergestellt, und zwar für die sämmtlichen Fremdenzimmer, für den Speisesaal, die Restauration, für das Post- u. Telegraphenbureau, sämmtliche Diener- und Vorrathsräume, Küche und Waschküche etc. Die Stoffe für die weichen Möbel, für die Vorhänge etc., sowie alle sonstigen Rohstoffe wurden direct bezogen und alles an Ort und Stelle selbst verarbeitet. Der ganze Hôtelbau glich aber auch einer Möbelfabrik oder Werkstätten diverser Art; diese Möbelfabrikation hinderte, wiewohl selbstverständlich, die verschiedenen Bauarbeiten in mannigfachster Art. Auch das Unterbringen der seit Juni successive anlangenden Kücheneinrichtungen, Rohrmöbel, von Leinen, Bettwaren und Vorräthen etc. brachte vielfache Hemmnisse und Hindernisse in den Baufortschritt. Im Jänner waren alle Bauten verglast oder doch provisorisch verschalt, so dass nun in allen Räumen wintersüber die Arbeit vor sich gehen konnte; man benutzte zum Ausheizen Coaksöfen, und hatte man bis Mai ca. 500 q von diesem Materiale nöthig. Anfangs Mai wurden die Installationsarbeiten (Wasserleitung, elektrische Beleuchtung etc.) begonnen. Die Closets und Bäder, bestens eingerichtet, kosteten fl. 12.000 [ca. 177.570 Euro] ohne Maurerarbeit; die Quellenleitung etc. fl. 4.000 [ca. 59.190 Euro]. Am 5. Juli 1896, also nach nur 14monatlicher Bauperiode, gerechnet für den Hôtelbau, wurde das Hôtel eröffnet; das Haus war bis auf Kleinigkeiten vollendet und betriebsfähig hergestellt; auch die Waldwege und die Anlagen um das Hôtel herum nahten ihrer Vollendung. Die gesammte Baufläche des Hauptgebäudes beträgt 1.802,95 m2, die unterwölbte Terrasse misst 160 m2, zusammen 1.962,95 m2. Die Höhe vom Parterrefussboden bis zum obersten Stock beträgt: im Mittelbau im Flügelgebäude im Saalbau

24,10 m 18,50 m 12,30 m

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An Nutzraum erscheinen über 32.000 m3 geschaffen (gemessen bis zur obersten Zimmerdecke). Die überbaute Grundfläche der Stallungen hält 351,50 m2, die Remise 144 m2, zusammen 495,50 m2, jene des Wirtschaftsgebäudes 300 m2. Was die elektrische Beleuchtung betrifft, so wurde an der schon früher bezeichneten Stelle unterhalb des Hôtels die Centralstation errichtet; für die Druckleitung wurden, da das Terrain wenig geneigt ist, Gussrohre von 600 mm Durchmesser verwendet; eine Turbine, System Francis, mit einem vorzüglich functionirenden Regulator, treibt die Dynamomaschine, und es führt eine 1.800 m lange Hochspannleitung zum Hôtel. Die Maschinen wurden von JL M. Voith in Heidenheim an der Brenz geliefert. Die Dynamomaschinen mit einer Leistungsfähigkeit von 45 kw. lieferte die Firma Brown & Boveri. Die elektrische Beleuchtung speist ca. 800 Glühlichter und mehrere Bogenlampen. Die ganze Anlage ist eine solide und sichere und functionirt vorzüglich; es wurden Wechselströme verwendet, und beträgt die Spannung in der Fernleitung 2.000 Volt. Eine Centralheizung (Niederdruck) ist vorgesehen; der Raum für einen Doppelkessel ist bestimmt und sind die Mauerschlitze und Mauerdurchlässe für die Rohrleitung angebracht. In den Sälen, in der grossen Halle und in den Gemeinschaft[sräumen, Anm.] sind Junker- und Ruhröfen, 60 Passagierzimmer haben Kachelöfen (von Molina in Fleims, also Tiroler Fabrikat). Die Hauptfront des Hôtels ist gegen Süden gestellt mit dem Blick gegen den Latemar; der Speisesaal mit grossen, sehr breiten Fenstern hat die Hauptaussicht (gegen Westen) auf die fernen Gletscherberge und (nordwärts) gegen die Rosengartengruppe event. die rothe Wand hin. Bei der bedeutenden Höhe des Baues (in den Stockwerken 20 m; in dem Giebel 30 m) sind die Haupt- und Mittelmauern massiv hergestellt; die Scheidemauern entweder ausgemauerte Riegelwände oder Ziegelmauern, der Sockel ist aus Dolomitenkalk, das übrige Mauerwerk zumeist aus Porphyr. Für das Fundamentmauerwerk wurde der Mörtel aus warmem frischen Kalk mit Zusatz von Cement verwendet; für das weitere Mauerwerk Weisskalkmörtel; die Verfugung geschah mit Portlandcement. Die Haupttreppe ist aus Stein, doppelarmig, und ist hiebei der Personen(zugleich Gepäcks-)Aufzug angebracht. Das Gepäck wird von der Rückseite (Souterrain) hereingebracht; die Diensttreppe ist aus Holz. In den Haupträumen sind einfache, aber sehr hübsche und wirkungsvolle Tramdecken, da gutes Bauholz vorhanden war. Hôtel: Gesammtlänge 71 m; Gesammtbreite 17 m. Saalbau 30 m lang, 19 m breit; der Speisesaal dreischiffig, schöne Holzdecke, bogenförmig. Im Souterrain: Post und Telegraph, Bäder, Friseur, Arzt, Weinstube, Schank und Schwemme. Die Küche: Gesammtlänge 18 m, Gesammtbreite 7,5 m; Wäschezimmer, Keller- und Vorrathsräume, Speisezimmer für die Domestiken, 14 Touristenzimmer. Im Parterre ist die Eintritts- resp. grosse schöne Halle 12 m lang und breit, ein Lieblingsaufenthalt aller Gäste; rückwärts rechts und links von der Haupttreppe mit 2 Annexen (3 m/6,3 m) ist ein feines Restaurant 7 m breit, 15 m lang und 6 m breit, 10,6 m lang. Lese- und Rauchzimmer 5,5 m breit und zusammen 15,8 m lang. Der Speisesaal im obigen Saalbau 12 m breit und 23 m lang. Im I., II., und III. Stock etc. sind 149 Fremdenzimmer und zwar 3 Typen: Die einbettigen 3,25 m breit (im Nothfall aber für 2 Betten). Das Plenum um das Hôtel herum hat breite Wege und Rasenpartien, diverse Spielplätze; die Waldebene ist mit parkartigen Wegen und Ruheplätzen versehen. In grosser Entfernung (125 m) vom Hôtel ist das grosse Stallgebäude für 56 Pferde, mit guter Ventilation und angebauter grosser Wagenremise; im I. Stockwerke des Stallbaues sind 14 Zimmer. Eine Dynamo von 6 HP treibt die Centrifuge, die Mangel, die Windflügel, den Spülbottich etc. Daneben ist die Bäckerei (12 m lang, 5 m breit) mit Backofen, Backstube, Mehlund Brotmagazin; weiter noch eine Werkstätte für Schreiner, Glaser, Schlosser etc. Am anderen

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Ende ist das Eishaus (5,6 m breit); der Eisstock (das Eislager) 4,5 m hoch, mit dem Eise oberhalb, hat einen Wellblechboden (Zwischenboden), an welchem das absickernde Wasser (Tropfwasser) durch Rinnenleitungen abgeführt wird; der Eiskeller unterhalb hat eine Höhe von 2,1 m. Kosten (in abgerundeten Ziffern) Herstellung der Drainage fl. 7.000 Stallgebäude 15.000 Hauptgebäude 250.000 Eiskeller, Waschhaus mit Maschinen, Bäckerei 14.000 Planirung, Wege, Anlagen 4.500 Wasserleitung (bis zu den Obj.) 4.000 30.000 Elektrische Beleuchtung 1.000 Beitrag zur staatlichen Telegraphen-Leitung 24.500 Bauleitung, allgemeine Anlagen 350.000

[ca. 103.580 Euro] [ca. 221.960 Euro] [ca. 3,700.000 Euro] [ca. 207.165 Euro] [ca. 66.590 Euro] [ca. 59.190 Euro] [ca. 443.924 Euro] [ca. 14.797 Euro] [ca. 362.538 Euro] [ca. 5,179.118 Euro]

Grundankäufe ca. 100 Joch Wiese und fl. das Anwesen „Alpenrose“ Einrichtungsconto Sonstiges Inventar Künstlerische Ausstattung Intercallarzinsen Unvorhergesehenes zusammen

[ca. 739.874 Euro] [ca. 1,923.670 Euro] [ca. 221.960 Euro] [ca. 110.980 Euro] [ca. 155.374 Euro] [ca. 103.580 Euro] [ca. 8,434.564 Euro]

50.000 130.000 15.000 7.500 10.500 7.000 570.000

Was die Rentabilität des Unternehmens anbelangt, so wurden: 1 % für Amortisation der Gebäude und Immobilien, 4 % für die Mobilien gerechnet, und hofft man wie in Sulden, bei einer Saison von Mitte Mai bis Mitte October, eine 5 bis 6 % Verinteressirung; in diesem Jahre, bei der bekanntlich höchst ungünstigen Saison, trug die Unternehmung trotz aller Kinderkrankheiten 2 %. Die Arbeitslöhne betrugen im Durchschnitte: Maurer Handlanger Handlangerbuben Zimmermann Tischler Steinbrecher Glaser, Spängler Steinmetz Schmiede, Schlosser

Quelle: Prokop, August, Über Österreichische Alpen-Hotels mit besonderer Berücksichtigung Tirols, Wien 1897, S. 24–32. Abweichungen der Euro-Summen sind rundungsbedingt.

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fl. 1,55 bis 1,65 1,15 bis 1,25 0,80 bis 1,00 1,60 bis 1,70 1,50 bis 1,60 1,30 1,85 bis 2,20 1,60 bis 1,80 1,60

[ca. 23 bis 24,4 Euro] [ca. 17 bis 18,5 Euro] [ca. 11,8 bis 14,8 Euro] [ca. 23,7 bis 25,2 Euro] [ca. 22,2 bis 23,7 Euro] [ca. 19,2 Euro] [ca. 27,4 bis 32,5 Euro] [ca. 23,7 bis 26,6 Euro] [ca. 23,7 Euro]

Architektonisches Erscheinungsbild und Raumprogramm des Hotels Karersee Das Haus am Karersee wurde genauso wie das Hotel Trafoi über L-förmigem Grundriss errichtet, jedoch unter anderen Vorzeichen. War nämlich der Zuschnitt des Hotels in Trafoi der Aussichtslage des Gebäudes geschuldet, so wurde er am Karersee vor allem deshalb angewendet, um den Beherbergungsbetrieb bei Bedarf rationell erweitern zu können. In dem nach Süden ausgerichteten „Riegel“ befanden sich die öffentlichen Bereiche des Hotels und die zweihüftig angeordneten Gästezimmer. In nördlicher Richtung wurde im rechten Winkel der Speisesaal angebaut. Im Souterrain wurden die Weinstube, die Schwemme und die Schenke bzw. unter dem Speisesaal die Hotelküchen und mehrere Vorratsräume angelegt. Diese „Unterküchen“ hatten nicht zuletzt den Vorteil, dass das Personal bei Tageslicht arbeiten konnte.103 Im östlichen Teil des Untergeschosses wurden sogenannte Touristenzimmer eingerichtet. Zu ihrem Namen kamen die Zimmer daher, weil ihre Lage im Hotelgebäude ungünstig war und sie daher preiswerter an „Touristen“ weitergegeben wurden. Touristenzimmer waren häufig Einzelzimmer, in denen die Gäste häufig wechselten. Über der Weinstube wurde im Hochparterre das Restaurant platziert, in seiner Verlängerung erstreckte sich der Speisesaal. Sein Dachwerk wurde ähnlich dem des Hotel des Alpes in Madonna di Campiglio einem mittelalterlichen Hammerbalken-Gewölbe nachempfunden – die Dachwerke sind aber in beiden Hotels nicht mehr im Originalzustand erhalten.104 August Prokop schrieb, das Dachwerk sei deshalb in dieser Form konzipiert worden, weil in der Umgebung des Karersees so gutes Bauholz vorhanden war. Er bildete übrigens auch einen Querschnitt und die zwei Seitenansichten des Saales ab – möglicherweise, weil der ca. 30 x 19 Meter große Raum auch über einen „dreischiffigen“ Grundriss verfügte. An den Saal wurden nämlich seitlich zwei niedrigere Veranden (Holzkonstruktionen) mit oberen Abschlüssen in Form von Pultdächern angesetzt. Auf diese Weise konnte der Saal bei Bedarf auf einfache Weise vergrößert werden (was 1907 auch erfolgte, siehe unten). Diese Ausführung ermöglichte es zudem, den Saal von mehreren Seiten zu belichten, über die Veranden, von oben über ein dreiteiliges Nordfenster und die Ochsenaugen. Im südöstlichen Teil des Hochparterres wurden, wie auf der Ebene darunter, Einzelzimmer eingerichtet. Die meisten Gästezimmer in den oberen Geschossen verfügten über Verbindungstüren. Auf diese Weise konnten sie zu Appartements bzw. Suiten zusammengelegt werden. Auf den Präsentationsplänen wurde auch eingezeichnet, welche Zimmer als „Privatsalons“ gedacht waren. Im vierten und fünften Stock des Hotels befanden sich Lager und „Dienerzimmer“ (unter anderem für mitreisendes Personal). Wie bereits das Hotel Sulden wurde auch das Haus am Karersee aus mehreren unterschiedlichen Bauteilen zusammengesetzt. Die Hauptfront des gestreckten „Riegels“ bestand ursprünglich aus fünf traufen- bzw. giebelständigen Abschnitten, von denen zwei als turmartig wirkende Bauteile in Form eines Zwerchhauses bzw. eines Risalits ausgeführt wurden. Die Sockelzonen bestanden aus Dolomitenkalk und die oberen Wandpartien zumeist aus Porphyr.105 Kennzeichnend waren auch hier die breiten Mörtelfugen. Die obersten Bereiche der Risalite wurden (ähnlich den Zwerchhäusern des Hotels Trafoi) nicht mehr mit Natursteinen verkleidet, sondern verputzt und mit Blendfachwerk versehen. Die FachwerkStreben waren ähnlich denen des Hotels Trafoi in einem rötlichen Farbton bemalt (siehe dazu

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auch unten). Den oberen Abschluss des „Riegels“ bildete eine besonders abwechslungsreich gestaltete Dachlandschaft mit dekorativ geschwungenen, weit heruntergezogenen Sattelbzw. Krüppelwalmdächern. Auf historischen Fotografien aus der Entstehungszeit des Hotels sind zudem die vielen, zierlich aus der Dachlandschaft herausragenden Dachgauben, Kamine, Giebelreiter und bäuerlichen Glockentürmchen ähnelnden Elemente zu sehen. Zusammen mit den Balkonen im sogenannten Schweizer Holzstil und den ebenfalls hölzernen, den Ausblick in mehrere Richtungen ermöglichenden, über Eck geführten Austritten („Eckerker“) im südwestlichen Bereich des Hotels verliehen sie dem Gebäude sein unverwechselbares Erscheinungsbild als „schlossähnliches“ Südtiroler Berghotel.106 Das Hotel Karersee wurde auf diese Weise zum Prototypen für viele weitere Tourismusbauten der Zeit. Nicht nur Musch & Lun verwendete die Module des bereits bei den Hotels in Sulden und Trafoi erprobten Baukastenprogramms bei größeren und kleineren Bauvorhaben weiter, es wurde auch von anderen Architekten und Baumeistern in mehreren Ländern und Regionen aufgegriffen bzw. „kopiert“ – wenngleich in diesem Zusammenhang einschränkend bemerkt werden muss, dass in Südtirol von Otto Schmid und Musch & Lun Gestaltungsmittel aufgegriffen und erfolgreich verfeinert wurden, die international bereits verfügbar waren. Ausgehend von der Idee, eine Kombination aus Schutzhütte und Hotel als Unterkunft für Alpinisten anzubieten, entstand aus ersten „Alpenhäusern“ wie dem Weisslahnbad und Herbergen wie dem Hotel Stötter in Sterzing der Bautyp des Berghotels, der nicht nur Alpinisten, sondern auch weniger sportliche Bergliebhaber, Erholungssuchende und Kurgäste anziehen sollte. Wie bereits an früherer Stelle in diesem Buch beschrieben, kann man die Berghotels (in Südtirol) aber nicht als Erfindungen im engeren Sinn betrachten.

Technisches: Beheizung und Beleuchtung des Hotels Karersee um 1896 Im Unterschied zu den Hotels im Ortlergebiet wurde das Hotel Karersee nicht sofort mit einer haustechnisch innovativen Niederdruck-Dampfheizung ausgestattet, sondern mit konventionellen Öfen – daher auch die Vielzahl der Kamine auf den Dächern. August Prokop dokumentierte: „Eine Centralheizung (Niederdruck) ist vorgesehen; der Raum für einen Doppelkessel ist bestimmt und sind die Mauerschlitze und Mauerdurchlässe für die Rohrleitung angebracht.“107 Tatsächlich wurde die „Zentralheizung“ aber erst im Zuge der Wiedererrichtung des Gebäudes nach dem Hotelbrand eingebaut. Die in technischer Hinsicht konservative Art der Beheizung des Hotels stand ganz im Gegensatz zu seiner Elektrifizierung, die dem neuesten Stand entsprach. Es wurde nämlich über eine Fernleitung mit Wechselstrom versorgt und nicht mehr mit Gleichstrom, dessen Reichweite geringer war. Das Hotel Karersee war damit unter den ersten Tourismusbetrieben in Südtirol, die von einem weiter als einen Kilometer entfernten Elektrizitätswerk Energie bezogen. Das abends festlich erleuchtete Gebäude war eine große Attraktion und wurde sogar von Edward Theodore Compton auf einem Bild festgehalten.108 Neben der elektrischen Beleuchtung verfügte das Hotel auch über einen Aufzug sowie ein Post- und Telegrafenamt. Zum Thema siehe auch in den Abschnitten „Technische Innovationen: Heizung und Beleuchtung des Hotels Sulden (Elektrizitätswerk)“ und über die Elektrizitätswerke I. und II. des Hotels Karersee.

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Hotel Karersee, Eingangsfront und Rückseite (rechte Seite), erste Baustufe, 1896

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Einreichpläne (oben) Die mit Erläuterungen versehenen Grundrisse, die August Prokop veröffentlichte (Raumprogramme nachgezeichnet, unten)

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1. 2. 3. 4.–7. 8. 9.–18. 19. 20. 21. 22. 23. 24.–25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40. 41.

Eingang und Corridor Post und Telegraph Weinstube Touristenzimmer Friseur Touristenzimmer Hausarzt Bad Stiegenhaus Putzraum grosse Keller Aborte Wäschezimmer Leute-Esszimmer Handmagazin und Controle Schenke Schwemme Passage Abwaschküche Hauptküche Fleisch- und Fischkammer Eiskeller Gemüse Vorräthe Holz und Kohlen Glas und Porzellan Kalte Küche Kaffeeküche

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Vorhalle bezw. Unterfahrt Vestibüle Windfang im Vestibüle Haupttreppe Lift Toilette für Damen Toilette für Herren Portier Lesesalon Billard- und Speisesalon Restaurant Schank Dienertreppe Garderobe Conversations-Salon Corridor Director Fremdenzimmer Office Passage Glas-Veranda Speisesaal



1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11.–16. 17.–40.

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Hotel Karersee, Seitenansicht, um 1896

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Haupttreppe Lift Vorplatz Corridor Damentoilette Herrentoilette Bedienung Bad Dienertreppe Salon Fremdensalon Fremdenzimmer



1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.–15. 16.–33. 34. 35.–36. 37. 38.

Haupttreppe Lift Vorplatz Bad Damentoilette Herrentoilette Dienertreppe Fremdensalon Fremdenzimmer Bedienung Fremdenzimmer Bedienung Korridor

1. Haupttreppe 2. Lift 3. Vorplatz 4. Bad 5. Fremdenzimmer 6. Fremdensalon 7.–8. Fremdenzimmer 9.–10. Herren- und Damen toiltetten 11.–22. Fremdenzimmer 23.–29. Dienerzimmer 30. Dienertreppe

1. 2.–6. 7. 8. 9.–10.

Vorraum Dienerschaftszimmer Vorraum Reservoir Dienerschaftszimmer

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Grundrisse erstes bis fünftes Obergeschoss (linke Seite) und Längsschnitt (oben), die August Prokop veröffentlichte

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Seitenansicht aus der Veröffentlichung von August Prokop

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Raumatmosphäre Über die in den Innenräumen des Hotels herrschende Atmosphäre gibt es abgesehen von den Passagen im Text von August Prokop nur wenige Informationen bzw. kaum Fotos oder Abbildungen. In die Raumgestaltung war auch hier der Meraner Dekorationsmaler Karl Lartschneider eingebunden.109 Das meiste Mobiliar wurde vor Ort mit dem Holz aus den umliegenden Wäldern hergestellt. Von auswärts kamen hauptsächlich die auch in vielen anderen Hotels vorzufindenden Weidenrohrmöbel. Abgesehen von Teilen des Touristenlokals im Souterrain (heute: Christomannos-Stube) lässt nur die zentrale Eingangshalle das einstige Raummilieu des Hotels erahnen. Das Foyer war, wie August Prokop bemerkt, der „Lieblingsaufenthalt aller Gäste“, was möglicherweise ein Grund war, warum auf den frühesten erhaltenen Innenansichten nur dieser Raum festgehalten wurde.110 Über die wachsende Bedeutung der Hotelhallen siehe im dritten Kapitel dieses Buches. Die Eingangshalle genoss im Gesellschaftsleben des Hotels deshalb besondere Bedeutung, weil von hier aus die Haupttreppe in die oberen Stockwerke führte und alle Gäste, die in ihre Zimmer gelangen wollten, die Zone beim Empfang passieren mussten. Wie schon in Verbindung mit dem Besuch von Kaiserin Elisabeth I. am Karersee berichtet, verweilten viele Gäste im Foyer, um das Kommen und Gehen zu beobachten und eventuell einen Blick auf eine prominente Persönlichkeit werfen zu können. Ähnlich dem Hotel Trafoi verfügte auch diese Halle über ein umlaufendes Holzgetäfel und eine hölzerne Kassettendecke. Zwei ebenfalls hölzerne und mit Schnitzereien versehene Säulen riefen zusammen mit lose platzierten Sitzgruppen, Jagdtrophäen und dekorativen Objekten aus Zinn und Keramik einen Raumeindruck hervor, der dem in einer regionalen Burg oder einem Landsitz glich. Wie aber bereits an anderer Stelle in diesem Buch dargestellt, bot die „Inszenierung“ erst ab dem Zeitpunkt ein abgerundetes Bild, ab dem sich auch die Gäste – zum Programm des Berghotels passend – „Tirolerhüte“ als Kopfbedeckungen wählten.111

Querschnitt durch den Speisesaal mit den seitlichen Anbauten aus Holz, die für die Hotelerweiterung (1906–1909) abgetragen wurden

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Von „weichen“ zu „harten“ Formen der „Regionalisierung“ Wie schon mehrfach in diesem Buch dargestellt, wurden die Berghotels von Otto Schmid bzw. Musch & Lun zugleich als „Weltanschauungssymbole“ ihrer Erbauer und auf der Basis von allgemein verständlichen Gestaltungsmitteln konzipiert. Damit wurde ein hoher Grad an Wiedererkennbarkeit erzielt, der in Verbindung mit der landschaftlichen Einbettung der Häuser deren Bewerbung am Tourismusmarkt förderte. Zu den leicht dechiffrierbaren architektonischen Elementen zählte z. B. das (vorgeblendete) Fachwerk, das in der lokalen Bautradition Südtirols zwar keine besondere Bedeutung genoss, sich aber gut in diese integrieren ließ. In der ersten Bauphase des Hotels spielten mit Ausnahme der Glockentürmchen volkstümliche bzw. explizit „tirolerische“ Sinnbilder noch keine entscheidende Rolle. Die „Regionalisierung“ des Hauses fand – wie schon am Beispiel der Dekorationsgegenstände und „Tirolerhüte“ angedeutet – zuerst über einen Kanon an „weichen“ Symbolen statt. Zu dieser Art von Identitätsstiftung trug nicht zuletzt auch Theodor Christomannos bei, der sich gerne „wie ein Künstler“ mit der Inneneinrichtung seiner Hotels befasste. In das von ihm entwickelte „Szenario“ fügte er sich nicht zuletzt auch mit seinem persönlichen Habitus ein. Denn er zeigte sich fast durchwegs im noch nicht salonfähigen „Bergsteigerkostüm“ – der Überlieferung nach selbst bei den Treffen mit Kaiserin Elisabeth während ihres Aufenthalts am Karersee. Zu den weiteren „weichen“ Formen der „Regionalisierung“ zählte z. B. auch die Speisenfolge bei der Eröffnung des Hotels im Juli 1896, wo unter anderem aus einer einfachen Knödelsuppe eine „Consomme à la tirolienne“, aus einem Braten ein „Filet bœuf à la Wolkenstein“ und aus einer Torte ein „Gâteau Andreas Hofer“ bzw. einem Dessert ein „Glace Dolomites“ gemacht wurde.112 Hinzu kam, dass die Speisen und Getränke hier genauso wie in Sulden und Trafoi nicht nur von befrackten Kellnern serviert wurden, sondern auch von „Moidln“ in Tracht.113 In einem „Haus ersten Ranges“ in der Stadt wäre nur eine Bedienung von sogenannten „Pinguinen“ üblich gewesen – im Unterschied zu den familienbetrieblich strukturierten Gasthäusern, wo durchaus auch Frauen servierten. Aus den Schilderungen von August Prokop geht in diesem Zusammenhang hervor, dass Franz Österreicher mit der Anstellung von Kellnerinnen in schwarzen Kleidern mit weißen Schürzen unter den Vorreitern hinsichtlich der Beschäftigung von Frauen im Hotel des Alpes im entlegenen Madonna di Campiglio gewesen sei. Den nächsten Schritt machte Theodor Christomannos, indem er das Flair „seiner“ Berghotels mit Mädchen im „reizenden Tirolercostüme“114 komplettierte. Damit vollzog er eine nostalgische Umdeutung des vergangenen bäuerlichen Lebens der Frauen in eine farbenprächtig-exotische, aber nur auf ihre äußerlichen Merkmale bezogene Inszenierung – die allerdings in Bezug auf die Professionalität der Darbietung noch nachbesserungswürdig gewesen sein dürfte. Denn Prokop merkte in Verbindung mit dem Service noch humorvoll an, dass das von einem Stadthotel gewöhnte „Bitte schön, bitte gleich“115 in den Tiroler Häusern fehle. Der Weg von „weichen“ zu „härteren“ Formen der „Regionalisierung“ manifestierte sich am Beispiel des Hotels Karersee erst ab der ersten großen Erweiterung von 1906 bis 1909. Unter anderem wurden damals die meisten Fenster mit rot-weiß-rot gestreiften Läden versehen, was möglicherweise für die Jubiläumsfeiern von 1809 erfolgte. Die Jahrhundertfeier, so der Historiker Laurence Cole, trug allgemein viel zur Verbindung von Fremdenverkehr und – einem nicht zuletzt auch der Kommerzialisierung dienenden – Heimatbewusstsein bei.116

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Tony Grubhofer, Hotel Karersee

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Das Rot-Weiß-Rot repräsentierte aber nicht nur die Tiroler Landesfarben, es ließ sich auch gut in den größeren deutschnationalen Kontext integrieren. Denn das in der Komposition enthaltene Dunkelrot war ein alter Farbton, der auch unter der Bezeichnung Ochsenblut gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Südtirol erneut in Mode kam. Historisch gesehen wurde das preisgünstig herstellbare Ochsenblut vor allem für Anstriche auf Holzoberflächen verwendet, wobei insbesondere die rötliche Färbelung von Fachwerk international verbreitet war.117 Die Wiener Journalistin Alice Schalek schrieb über den auf sie „alpin“ wirkenden Ton, dass die rötlichen Bauteile „lustig Farbe in die Landschaft“ brachten, „aber keine Atelierfarbe, sondern jene, welche die Alpenrosen und die Preiselbeeren auf die sonnigen Hänge malen“.118 Damit passe sich das Gebäude „in die Felsenbilder, in die Schnee-Umrahmungen wirkungsvoll“119 ein. Das veranschaulicht, wie – im wahrsten Wortsinn – nuanciert man bei der Herstellung von optischen Bezügen zwischen Architektur und Region anfänglich vorging. Zuerst handelte es sich um die Erzeugung einer „wie zur Region passenden“ Stimmung und erst später um emblematische Zeichensetzungen zur Veranschaulichung von Tiroler Patriotismus (Nationalismus). Das Gedenkjahr 1909 leitete aber noch eine Wende ein, denn die symbolgeladenen Feiern verstärkten die Motivation, dem Tourismus zunehmend ein bäuerliches Image zu verleihen, um den „auswärtigen Besuchern etwas ‚Exotisches‘ bieten zu können“.120

Erste Hotelerweiterung, 1906 bis 1909 Das Hotel Karersee entwickelte sich zu einem florierenden Beherbergungsbetrieb und war in Südtirol unter den ersten, die auch im Winter „Restauration und Unterkunft“ boten (1903).121 Als sich aber die Berichte mehrten, dass in den Sommermonaten bereits Gäste mangels freier Zimmer abgewiesen werden mussten, waren die Weichen für zwei Ausbauprojekte gestellt. Die „serielle“ Verlängerung der Gästetrakte in östlicher Richtung – wie sie bereits bei vielen Hotelerweiterungen erprobt war – wurde für die Abstimmung in der Generalversammlung des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ im Dezember 1905 taktisch raffiniert vorbereitet: Den Antrag zur Hotelerweiterung brachte Geschäftsführer Viktor Bardy (biografische Daten unbekannt122) zusammen mit Entwürfen von Josef Musch – der sonst mit den Berghotels von Musch & Lun so gut wie nicht in Verbindung zu bringen ist – vor. Im Kostenvoranschlag von ca. 400.000 Kronen (ca. 2,7 Millionen Euro) waren auch die zu erwartenden Einnahmen enthalten, was die Entscheidungsfindung erleichtern sollte. Insgesamt wurden auf diese Weise aber vor allem die – mit der Vergrößerung des Hotels verbundenen – wirtschaftlichen Eigeninteressen von Carl Lun, der selbst im Vorstand des Vereins war, klug kaschiert. Im Sitzungsprotokoll heißt es, das „Projekt bezwecke einen Anbau in der Länge von 37,40 m in östlicher Richtung. Schon beim Bau des Karerseehotels sei die Disposition so erfolgt, dass ein Anbau in dieser Richtung offengehalten wurde. Gegen die Aufführung eines separaten Gebäudes sprechen Rücksichten des Betriebes und vor allem der Umstand, dass die Gäste in der überwiegenden Mehrzahl eine Wohnung im Hauptgebäude einer […] in einer Dependance vorziehen, und […] die nicht unbeträchtlich höheren Baukosten. [Es, Anm.] bestehe in Karersee das Bedürfnis einerseits nach einer Anzahl geräumigerer Zimmer, als zur Zeit solche vorhanden sind, dann nach einer Anzahl Appartements mit Schlafzimmer, Bad und Salon, anderseits aber nach einer Anzahl von Einzelzimmern. […] Ausserdem werden im Parterre im Norden 5 Kaufläden, für welche dort stets eine grosse Nachfrage ist, dann in jedem Stocke eine Offize und 4 Klosets samt Vorräumen, sowie im V. Stocke die erforderlichen

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Hotel Karersee mit dem Anbau in östlicher Richtung (unten), dessen Dimensionen am Lageplan gut zu erkennen sind (oben)

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Musch & Lun, Haupt- und Seitenansicht der Hotelerweiterung, 1905 Das ist der einzige erhaltene Plan, der die ursprüngliche Gestaltung der Fassade des Hotels Karersee zeigt

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Das vergrößerte Hotel von Norden (oben) und Innenraumperspektive der zweiten Halle von Christian Städler Grundrisse und Ansicht der Hotelerweiterung (rechte Seite)

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Personalwohnungen untergebracht. Damit die Parterreräume allen Ansprüchen genügen, wird der Fussboden dieser Etage über das natürliche Terrain gelegt, und die dadurch entstehende Differenz in den Stockwerkshöhen zwischen dem alten und dem neuen Baue durch Differenzstufen ausgeglichen. In Konstruktionshinsicht ist die beste Ausführung in Aussicht genommen, die äussere Ausgestaltung muss selbstverständlich sich vollständig dem bestehenden Gebäude anpassen, während die innere Ausstattung den Ansprüchen modernsten Komfortes bei sonstiger Einfachheit entsprechen soll.“123 Von 1906 bis 1909 entstand ein lang gezogener Erweiterungsbau, in dem 53 Einzelzimmer, 26 Doppelzimmer, sechs Salons und 15 Bäder eingerichtet wurden. Die Dimension der Hotelerweiterung und der oben angesprochene Niveausprung sind am Längsschnitt auf Blatt Nr. Tour_4100219 gut zu erkennen. Nach der Fertigstellung der Hotelerweiterung schaltete der „Verein für Alpenhotels in Tirol“ in Zusammenhang mit der Vermietung der Geschäfte im Hotel Karersee mehrfach Inserate. Einhergehend mit der Erhöhung der Bettenkapazität des Hotels und vor dem Hintergrund der Baufortschritte der Dolomitenstraße mussten auch die Gesellschaftsräume, das Restaurant und der Speisesaal vergrößert werden, was 1907 erfolgte. In Verlängerung der Zone hinter dem Eingangsfoyer und dem Treppenhaus wurde eine zweite Halle errichtet und diese an ihrer nördlichen Stirnseite mit einer Veranda als Verbindung zum Speisesaal versehen.124 Die zweite Halle (auch: Konzertsaal, Ballsaal) findet sich auf einer 1908 entstandenen Innenraumperspektive (Blatt Nr. TOUR_4100514), die von dem aus Stuttgart zugewanderten Architekten Christian Städler (biografische Daten unbekannt) angefertigt wurde. Da sich der Architekt in diesem Zeitraum auch in Verbindung mit anderen Bauvorhaben von Musch & Lun dokumentieren lässt, ist anzunehmen, dass er das Erweiterungsprojekt insgesamt konzipierte.125 Zu den besonderen Details des festlichen Raums gehörte, dass man nun von einem Durchbruch auf der Höhe des ersten Absatzes der bestehenden Haupttreppe aus das Treiben im Saal beobachten konnte. Wie bereits angedeutet, wurde der Speisesaal schon bei seiner Errichtung auf eine mögliche Vergrößerung baulich vorbereitet. Die westseitige Veranda, die vorausschauend in Form einer Holzkonstruktion ausgeführt worden war, wurde abgetragen, verlängert und die so entstehende Fläche in den Speisesaal integriert. Das Dachwerk des eigentlichen Speisesaales blieb dabei unverändert. Für den oberen Abschluss wurde – wie auch auf vielen erhaltenen Postkarten zu erkennen ist – das bestehende Satteldach seitlich über den Anbau heruntergezogen und mit zwei Zwerchdächern versehen.Auch im Umfeld des Hotels wurden laufend neue Angebote geschaffen, z. B. 1909 in Form einer Reihe neuer Spazierwege.126

Tony Grubhofer, Logo für den „Verein für Alpenhotels in Tirol“ und das Hotel Karersee

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Der Hotelbrand vom 15. August 1910 und die in seiner Nachfolge erhobenen Schadenersatzforderungen Am Feiertag, dem 15. August 1910, brach vormittags unter dem Dach des Hotels ein Brand aus. Zu dieser Zeit „war das Hotel überfüllt, sogar die Badezimmer waren zu Schlafstätten umgewandelt“.127 Das Feuer zerstörte hauptsächlich den westlichen Teil des Gebäudes und den Speisesaal mit seinem bemerkenswerten Dachwerk.128 Sein Ausgangpunkt war wahrscheinlich der Küchenkamin im westlichen Teil des Hauses, der (möglicherweise aufgrund schlechter Wartung129) in einem oberen Abschnitt Feuer fing. Aus Berichten geht hervor, dass man im Hotel und bei den Feuerwehren im Umkreis nicht auf ein derartiges Ereignis vorbereitet war. Die im Hotel vorhandenen Hydranten konnten nicht rasch genug geöffnet werden und die lokalen Feuerwehren waren für die Bekämpfung eines Brandes in einem so großen Gebäude weder ausgerüstet noch geschult. Hinzu kam der Niedrigstand der Gewässer. Das Feuer breitete sich immer weiter aus und erreichte erst um drei Uhr nachmittags seinen Höhepunkt. Übrig blieb eine ausgebrannte Hotelruine. Im Rahmen des Schadenersatzprozesses in der Nachfolge der Katastrophe kam überdies ans Licht, dass die während der Feiertagsprozession gerufene Feuerwehr aus Welschnofen zu Fuß zum Einsatzort gehen musste und ein Teil der Männer dort „schwer betrunken“130 ankam. Glücklicherweise wurden bei dem Brand keine Menschen verletzt oder getötet, der Sachschaden war jedoch groß. Einige Gäste hatten nämlich das Hotel verlassen und befanden sich während des Brandes auf Ausflügen. Sie verloren alles – ausgenommen dem, was sie gerade bei sich hatten. Die Zeitungen schilderten Szenen grotesker Tragik. Vor dem Hotel trauerten Dienstmädchen, dass sie nicht nur ihre Sachen, sondern auch ihre Löhne samt Trinkgeldern verloren hatten. Anwesende Gäste retteten in den Zimmern noch ihr Hab und Gut, warfen es teilweise aus den Fenstern, benötigten danach aber wieder viel Zeit, um vor dem brennenden Hotel ihre Koffer, Kleider und Wertsachen einzusammeln und von denen anderer Gäste zu trennen. In der Bibliothek des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum werden seltene Fotografien eines Zeitzeugen aufbewahrt, auf denen auch Gäste mit ihren Habseligkeiten vor dem Gebäude zu sehen sind.131 Schenkt man den erhaltenen Berichten Glauben, fuhr nach der Brandkatastrophe das erste „behördliche“ Automobil hinauf zum Karersee.132 Weil man um den Ruf der florierenden Tourismusregion fürchtete, reagierte die Bezirkshauptmannschaft in Bozen rasch und installierte vor Ort eine Art Krisenmanagement. Manche Gäste wollten die brennende Ruine aber so überstürzt verlassen, dass sie von den auf den Karersee gesendeten Kutschern unverschämt ausgenutzt wurden. Um Diebstählen vorzubeugen, waren sogar Schützenkompagnien und Soldaten beim Hotel. Sie fungierten als Sicherheitsdienst. Ferner wurden Listen angefertigt: Eine Liste ermöglichte es den evakuierten Gästen, ihr Reisegepäck wiederzubekommen. Eine andere Aufstellung gibt heute noch Auskunft darüber, welche hoteleigenen Gegenstände wie Möbel gerettet werden konnten.133 Auch das Büro des Hoteldirektors konnte noch rechtzeitig ausgeräumt und die dort deponierten Wertsachen der Gäste gesichert werden. Bei allen Helfern bedankte sich der „Verein für Alpenhotels in Tirol“ mit „Danksagungs-Annoncen“.134 Dennoch war es unabwendbar, dass manche Gäste sofort hohe Schadenersatzforderungen stellten, darunter der Rechtsanwalt Sigmund Zeisler (1860–1931) aus Chicago. Er war der Gatte der Pianistin Fanny Bloomfeld-Zeisler (1863–1927).135 In vielen Zeitungen ist davon die Rede, dass das betuchte Ehepaar Gegenstände im Gesamtwert von 5.800 Kronen (ca. 34.730 Euro) verloren hätte. Es bleibt aber unklar, ob sich Zeisler später am Schadenersatzprozess beteiligte.

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Es heißt, das Hotel war gut versichert, das Gebäude für eine Million Kronen (ca. 6 Mio. Euro) und die Einrichtung für 389.000 Kronen (ca. 2,33 Mio. Euro). Auf Schadenersatzansprüche wollte der „Verein für Alpenhotels in Tirol“ aber nicht eingehen und verfasste ein Rundschreiben an die Gäste, dass „die gesetzliche Voraussetzung einer Haftpflicht in dem gegebenen Falle nicht vorliege“.136 Es kam aber trotzdem zu Forderungen und einem Gerichtsverfahren, auf das sich Theodor Christomannos und Hans Stainer mit einem „voluminösen Akt“137 vorbereiteten. Dem Verein ging es vor allem darum, jeglichen baulichen Mangel und jeden Fehler bei der Brandbekämpfung von sich zu weisen. Insgesamt wollten 26 Klägerinnen und Kläger – darunter auch mitreisende Gouvernanten und Stubenmädchen – Ansprüche in einer Gesamthöhe von rund 200.000 Kronen (ca. 1,2 Mio. Euro) geltend machen. Im Einzelnen lagen die höchsten Schadenersatzforderungen bei rund 30.000 Kronen (ca. 180.000 Euro). Die im Vergleich zu den Versicherungssummen unverhältnismäßig hohen Ersatzansprüche sahen gesellschaftskritische Berichterstatter als Provokation. Daher wurden beispielsweise in der Bozner Zeitung die Listen der „eingebüßten Roben, Wäschestücke, Pretiosen und anderen Gegenstände“ samt ihrer Bewertung im Detail veröffentlicht.138 Aus den Aufstellungen gingen nicht nur die Namen der Kläger hervor, sondern auch wie unverschämt manche von ihnen verlorene Gegenstände bewerteten. Damit wollte man der Südtiroler Öffentlichkeit einen Einblick in die luxuriöse Welt der Gäste des Hotels am Karersee gewähren und vermitteln, dass von der einstigen Idee des Berghotels als „Alpenhaus“ bzw. „Social Entrepreneurship“ wenig übriggeblieben war. Lesen konnte man z. B. über „eine echte Chantilly-Spitzentoilette (die Spitze allein kostete über 12.000 Franks, so besagt der Akt; es soll aber wohl 1.200 Franks heißen?) 1.800 K. [ca. 10.780 Euro], 2 neue elegante Abendtoiletten 1.600 K. [ca. 9.580 Euro], 13 Kostüme – einzeln aufgezählt – meist neu, und 2 Abendmäntel 8.700 K. [ca. 52.100 Euro], 14 Paar Lack- und sonstige Lederhandschuhe […], 8 Hüte 1.250 K. [ca. 7.500 Euro], 7 Schirme 1.000 K. [ca. 6.000 Euro].“139 Die Klagen wurden vom Gericht in erster Instanz abgewiesen, manche Kläger gingen daraufhin noch in Berufung.140 Die ausführlichen Berichte veranschaulichen aber auch, dass nicht Architektur und Ausstattung ein Berghotel zu einem „Grandhotel“ im Sinn eines Ortes von Überfluss und Luxus machten. Es waren seine „illustren“ Gäste.

Wiederaufbau nach dem Hotelbrand, 1910 bis 1912 Der rasche Wiederaufbau des Hotels Karersee wurde – auch wenn es vor dem Hintergrund des oben Gesagten paradox anmutet – von vielen offiziellen Stellen begrüßt und unterstützt. Denn man war sich im ganzen Land der wirtschaftlichen Bedeutung eines so großen Tourismusbetriebs nur zu bewusst. Bereits ein Jahr nach dem Hotelbrand war die Hälfte des Hotels wieder geöffnet und ca. 200 Betten belegt. Die eigentliche Wiedereröffnung erfolgte aber erst im Juni 1912 nach einer Bauzeit von einem Jahr und zehn Monaten.141 Damals hatte das Hotel wieder 380 Zimmer mit ca. 500 Betten und in der Hochsaison rund 220 Angestellte.142 In die Zeit der Wiedererstehung des Hotels fiel aber auch das Ableben von Theodor Christomannos am 30. Januar 1911 – was unter anderem Auswirkungen auf die Gestaltung der Innenräume hatte. Es heißt, viele seiner Freunde vermissten die „entzückenden Arrangements, welchen Dr. Christomannos den Stempel seiner künstlerisch so hoch veranlagten Natur aufgedrückt hatte“.143

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Neben Hoteldirektor Bardy war Carl Lun die treibende Kraft hinter dem Wiederaufbau.144 Die architektonische Neuausrichtung der oberen, vom Brand nicht zerstörten Zonen des Hotels stammte vom Münchner Johann Müller (biografische Daten unbekannt), der von 1909?/1910 bis 1913 Chefarchitekt im Büro von Musch & Lun war. Sein Eintritt in das Meraner „Bureau für Architektur und Ingenieurbau“ kann wahrscheinlich mit dem Ausscheiden von Josef Musch aus dem Unternehmen in Zusammenhang gebracht werden. Johann Müller kam mit Berufserfahrung nach Südtirol und vor dem Hintergrund, dass er auch mit Theodor Fischer (1862–1938) als einem der einflussreichsten Architekten, Stadtplaner und Universitätslehrer im deutschsprachigen Raum vor dem Ersten Weltkrieg zusammengearbeitet hatte, erklärt sich die veränderte Zugangsweise zur Bauaufgabe „Berghotel“.145 Bevor Müller in das „Bureau“ von Musch & Lun eintrat, war er beim königlich bayerischen Innenministerium als Architekt beschäftigt und entwarf dort unter anderem die Zentraljustizgebäude von Bamberg, Regensburg und Aschaffenburg. Anschließend war er bei Theodor Fischer tätig, wo er an den Plänen für mehrere Schulgebäude mitwirkte, darunter auch die für die Schule mit Betsaal in Lana (1909–1911)146. Möglicherweise kam er über dieses Bauvorhaben nach Südtirol. Bei Musch & Lun hinterließ Müller zwischen 1910 und 1913 in Verbindung mit einer ganzen Reihe von – zum Teil heute noch existierenden – Projekten seine Spuren.147 Beispielsweise gehen auf ihn die Entwürfe für die reizvollen Geschäftsbauten „Gemassmer und Gutweniger“ in der Freiheitsstraße 48 bzw. 66 (1912)148, des heutigen Meranerhofs in der Alessandro-Manzoni-Straße an der Passer (1912–1914)149, der Umbau des Anwesens Fallgatter zu einem Gasthof mit Tanzsaal (1910–1913)150 und der städtische Kindergarten in der Galileistraße in Meran (1910–1912)151 zurück. Ferner gestaltete er den Hochbau für das Schnalstalwerk in Naturns (1910/1911)152. Nicht zuletzt befasste sich Johann Müller als Chefarchitekt bei Musch & Lun mit dem Thema „Berghotel“. Neben der Wiedererrichtung des Hotels Karersee geht auf ihn auch der Entwurf für ein unverwirklicht gebliebenes Hotelprojekt in St. Anton am Arlberg (1908/1911) zurück, auf das an anderer Stelle in diesem Kapitel eingegangen wird.153 Einflüsse aus dem Umkreis von Theodor Fischer erklären den im Verhältnis zum Vorgängerbau neuartig, aber doch „bodenständig“ wirkenden Wiederaufbau des Hotels Karersee – auch wenn das teilweise „neue“ Erscheinungsbild mit seinen charakteristisch geschwungenen Dächern und ihren gekehlten Unterschlägen eine Einzelerscheinung im Südtiroler Berghotelbau blieb.154 Nun wurden die zu erneuernden oberen Stockwerke des Hotels als Putzbauten ausgeführt, wohingegen historisierende Elemente, wie Fachwerk oder weit heruntergezogene Dächer nach dem Vorbild des „Schwarzwaldhauses“, nicht wiederhergestellt wurden. Nur die Balkone im sogenannten Schweizer Holzstil wurden erneuert. Ganz im Sinn von Theodor Fischer sollten keine Bezüge zu „historischer Echtheit“ erkennbar sein – plädierte der bekannte Architekt und Lehrer doch für eine Abkehr von der (noch) vorhandenen „Stil-Maskerade“155 des Historismus. In seinen Augen sollte ein Gebäude lediglich assoziativ entstandene Erinnerungen an die Geschichte wachrufen. Diese sollten überliefert, „in Fluss gebracht und in die Gegenwart transformiert“ werden – so der Architekturhistoriker Winfried Nerdinger über Architektur und „kulturelles Gedächtnis“ im Werk von Theodor Fischer.156 Vor diesem Hintergrund gestalteten Johann Müller und Musch & Lun beim Wiederaufbau des Hotels Karersee relativ unbefangen und von historischen Leitbildern befreite Brücken zwischen dem noch vorhandenen Baubestand und den nun zu erneuernden Bauteilen.

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Wiederaufbau nach dem Hotelbrand 1910

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Hotel Karersee, Hauptansicht, 1910 Schon wenige Wochen nach dem Hotelbrand wurde mit den Entwürfen für den Wiederaufbau begonnen

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Hauptansicht, Grundrisse, 1910 (linke Seite) Detailpläne vermitteln, wie die geschwungenen Dächer mit ihren gekehlten Unterschlägen konstruiert wurden (oben)

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Das wiederaufgebaute Hotel Karersee, um 1912

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Detail der gemauerten Eckerker

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Musch & Lun, Detail der Wandabwicklung und der Stuckdecke der zweiten Halle des Hotels Karersee, 1911 (oben), Foto (unten)

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Es sollten aber keine direkten symbolischen Bezüge zu Tirol oder der Landschaft der Dolomiten erzeugt werden. Die einzige Ausnahme bildeten die volkstümlich anmutenden Malereien an den Fassaden, darunter auch ein „Tiroler Adler“. Fast alles, was vorher in Anlehnung an ältere stilistische Vorbilder burg- oder schlossähnlich gestaltet war, wurde eliminiert. Dennoch sollte sich das Hotel auch nach seinem Wiederaufbau über leicht verständliche, allgemeingültige architektonische „Bilder“ vermitteln, die am Geschmack eines internationalen Publikums ausgerichtet waren. Neu war in diesem Zusammenhang allerdings, dass in das „Grandhotel“ ab dieser Zeit zunehmend „barockisierende“ Elemente integriert wurden – eine Tendenz, die sich im gehobenen Hotelbau noch bis weit ins 20. Jahrhundert nachverfolgen lässt. Abschließend ist in Verbindung mit dem Wiederaufbau des Hotels Karersee aber auch festzuhalten, dass der Wechsel seines Erscheinungsbilds in eine Zeit fiel, in der Musch & Lun (möglicherweise unter dem Einfluss von Architekten, die aus München und nicht mehr aus Wien stammten) generell die Architektur seiner Berghotels veränderte, z. B. 1907/1908 die des nahegelegenen Dolomitenhauses in Canazei, das an anderer Stelle in diesem Band vorgestellt wird. Das Raumprogramm des Hotels Karersee wandelte sich nach der Wiedereröffnung kaum. Der Haupteingang wurde an die Westseite der Eingangshalle verlegt und diesem eine offene Terrasse vorgelagert (Grundriss Hochparterre, Blatt Nr. TOUR_4100410) – ein Eingriff, der später zurückgebaut wurde, um dem Hotel wieder eine stattliche Auffahrt zu geben (Blatt Nr. TOUR_4100527). Im Inneren wiesen das Foyer und die in seinem Anschluss nordseitig angesetzte Halle ebenfalls kaum Veränderungen auf. Neu waren lediglich ein Porträt in Erinnerung an Theodor Christomannos von Gottfried Hofer und ein Gemälde mit dem Ortlermassiv von Edward Theodore Compton – beide Werke sind heute noch erhalten. Im Speisesaal wurde das Dachwerk erneuert, diesmal aber mit einem einfacheren sogenannten Holztonnengespärre. Rudolf Stolz (1847–1960) verwirklichte hier ein großes Wandbild. Das im Südwesten des Saals über Eck eingerichtete Restaurant erhielt ein elegantes Getäfel aus Nussholz. Auch daran lässt sich im Unterschied zur Eröffnungsphase des Hotels um 1896 aufzeigen, welchem Wandel das „regionale“ Erscheinungsbild der Innenräume unter dem Münchner Architekten Johann Müller unterzogen wurde.157 Ursprünglich wurde für die Ausstattung des Hotels hauptsächlich lokales Holz aus dem „Karerforst“ verwendet, später das wertvollere und „städtischer“ wirkende Nussholz. Das Hotel sollte nun nicht mehr einen volkstümlich-burgähnlichen, sondern einen rustikal-urbanen Charakter annehmen, weshalb manche Räume auch mit „echten Alt-Bozner Möbeln“ als „Biedermeierzimmer“158 eingerichtet wurden. Ein weiterer Teil der Möblierung orientierte sich formal im weitesten Sinn am Jugendstil. Wie darüber hinaus manche zeitgenössische Fotografie veranschaulicht, wurden die Innenräume des Hotels jetzt zunehmend „aufgehellt“, z. B. indem man (Kassetten-)Decken einen weißen Anstrich verlieh. Im Unterschied zu den lichten Restaurants im Hochparterre wurde im Untergeschoss die bis heute sogenannte Christomannos-Stube (Touristenlokal und „Kutscher-Schwemme“) in ihrem rustikal anmutenden Erscheinungsbild belassen. Auf ihrer Ebene befanden sich weiterhin die Küche, Räume für das Personal, Touristenzimmer, ferner ein Raum für die Warmwasser-Zentralheizung und ein weiterer, in dem der Staub eines innovativen „Vacuum-Cleaners“ gesammelt wurde.159 Nur wenige der Gästezimmer im östlichen Bauteil des wiedereröffneten Hotels wurden mit eigenen Bädern ausgestattet. Die zweihüftige Raumabwicklung der Gästetrakte folgte im Wesentlichen dem bereits vorhandenen Schema. Eine Ausnahme bildeten die Räume an den Schmalseiten des Gebäudes, die nun alle in Salons umgewandelt wurden. Jene im Westen des Baukörpers verfügten nun zudem über gemauerte Eckerker.

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Hotelhalle, um 1912, mit dem Porträt des 1911 verstorbenen Theodor Christomannos von Gottfried Hofer (oben) Touristenzimmer, um 1912, wahrscheinlich in der ehemaligen Veranda, mit getrockneten Alpenblumen und Jagdtrophäen als Wandschmuck (rechts)

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Hotelküche, um 1912 (oben) Restaurant, um 1912 (rechte Seite)

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Das Thema Brandschutz war in Verbindung mit dem Wiederaufbau des Hotels Karersee von besonderer Bedeutung. Die alpenländische Gewerbezeitung berichtete: „Die Feuersicherheit ist nun eine derartige, daß eine Katastrophe vollkommen ausgeschlossen ist, denn die Bedachung ist am Hauptgebäude aus verkupfertem Blech, an den Saaltrakten aus Ziegel, die Zwischendecken sind aus Eisen-Beton. Auch die Hydrantenzahl ist vermehrt worden.“160

Kassabuch Hotel Karersee (Neueinrichtung des Hotels 1911/1912 etc., Privatsammlung Christine Geiger, Karersee) Ab Jahresbeginn 1911 wurde wieder intensiv mit der Einrichtung und dem Sammeln von Gegenständen für die dekorative Ausstattung des Hotels begonnen. Wie bereits an anderer Stelle vermerkt, finden sich wichtige Informationen über die Gegenstände und ihre Herkunft in einem in Privatbesitz befindlichen Kassabuch, das auch Informationen über Objekte enthält, die 1910 aus der Brandruine gerettet werden konnten. Es wurde nicht nur fehlendes Mobiliar samt Vorhängen, Teppichen und Wäsche bestellt, sondern auch Geschirr, Besteck etc. Im Unterschied zur Ersteinrichtung des Hotels, die – wie August Prokop beschreibt – teils vor Ort und aus Hölzern des umliegenden Waldes hergestellt wurde, wurden die Möbel nun von externen Lieferanten bezogen. Tischlereien vom oberen Vinschgau bis Bozen und Wien produzierten ebenso für das Hotel Karersee wie Hersteller von Weidenrohrmöbeln in Prag. Die Firma Mundus A. G. aus Wien lieferte z. B. mehr als tausend Stühle, darunter sogar einen „Krankenfauteuil“. Mehrheitlich dürfte es sich dabei um Bugholzmöbel gehandelt haben.161 Wie aus dem Kassabuch weiter hervorgeht, fertigte auch Musch & Lun auf seinem Firmengelände162 in der Schießstandstraße in Meran (Einbau-) Möbel und wahrscheinlich auch Beschläge an, die „nach speziellen Zeichnungen“ umgesetzt wurden. Hierbei handelte es sich um Einrichtungsgegenstände für die Gästezimmer, die Gesellschaftsräume, den Speisesaal und die Restaurants im Hochparterre und im Souterrain. Geliefert wurden Tische, Stühle, Bilderrahmen, Zeitungsgestelle, Fauteuils etc. (vgl. Kassabuch, S. 78–85). Zu den weiteren, wiederholt genannten Bezugsquellen zählten die Berndorfer Metallwarenfabrik in Niederösterreich für Bestecke und Metallgeschirr, die Firma Schwabenland aus Zürich und Wien für Spezialgeschirr für die Küchen und die Konditorei, die Firma André Degischer in Bozen für Textilien und die Firma E. Neuhauser aus St. Gallen, Schweiz, für Textilien. Die Firma „Elektra, F. Schindler, Bregenz“ lieferte Kleinteile für elektrische Installationen und elektrische Geräte, darunter Kaffeeröstmaschinen. Im Kassabuch wurden darüber hinaus auch jene „Lieferanten“ dokumentiert, von denen Gegenstände für die künstlerische Neueinrichtung des Hotels bezogen wurden. Von unterschiedlichen, teils wohl auch privaten Anbietern zwischen Wien, Innsbruck und Bozen stammten Skulpturen, Bilder und Drucke mit einer großen Vielfalt an Darstellungen: Heiligenfiguren, Tierfiguren (z. B. geschnitzte Hirschköpfe), Kruzifixe, Ansichten von Tirol, „Neueste Volkstrachten“, „Hirsche und andere Tiere“, „historische Begebenheiten“, „Tiroler Schützenwesen“, „Genre“ und „Costume“. Es scheint, dass hier aber Masse Vorrang vor Qualität hatte, denn es wurden nur selten Künstlernamen genannt. Lediglich an einer Stelle werden zwei „Hefte“ genannt, das eine stammte von J. Alt (Jakob?, 1789–1872)163 und das andere von „Fr. Schwaighofer“ (biografische Daten unbekannt).

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Mit Akribie wurden zudem Objekte angekauft, die dem Hotel – entgegen den Bemühungen des Münchner Architekten Müller um eine Neuinterpretation von „Region“ – wieder sein spezifisches „Alpenhaus-Kolorit“ verleihen sollten. Zu den Bezugsquellen für „Bodenständiges“ zählte beispielsweise auch der Gasthof Neuhaus in Mayrhofen im Zillertal, der unter anderem 41 Gamskrickeln samt „Holzscheiben zum Aufmontiren“, eine Truhe und eine Kiste verkaufte. Hinzu kamen neben Jagdtrophäen und Antiquitäten auch große Mengen an Zinngeschirr und Majolika, Kuhglocken, Schaf- und Ziegenschellen, Spinnräder, Melkhocker, Pfannenknechte, Peitschen und Bäreneisen. Nicht zuletzt trugen zum volkstümlichen Flair auch eine „romanische“ Madonna für 20 Kronen (ca. 115 Euro), eine Ziegenschelle für 12 Kronen (ca. 70 Euro) und „zwei kleine Ritterlen“ für ebenfalls 12 Kronen bei, die von einer Anbieterin in Meran-Obermais verkauft wurden. Diese Raritäten sind deshalb erwähnenswert, weil sich an ihnen aufzeigen lässt, dass in den Innenräumen des wiederhergestellten Hotels Karersee eine Atmosphäre aus „internationalem Grandhotel“ und „rustikaler Folklore“ herrschen sollte. Theodor Christomannos dürfte sich anfänglich noch an der Erzeugung dieser Stimmung beteiligt haben, denn er war unter anderem für seine Vorliebe für Orientteppiche bekannt. Einen Hinweis auf eine geplante Anreicherung der alpinen Atmosphäre des Hotels mit einer „orientalischen Note“ gibt eine Notiz im Kassabuch, wonach eine Lieferung von Teppichen aus Wien (aufgrund des Ablebens von Christomannos?) bei „Dir. Grubhofer, Fachschule“ im Stadtmuseum Bozen deponiert worden sei. Der Künstler selbst steuerte zur Neueinrichtung des Hotels Aquarelle bei. Mehrere seiner Bilder konnten nämlich aus dem brennenden Hotel nicht mehr gerettet werden.164

Das Hotel Karersee im Ersten Weltkrieg und Bauprojekte in der Zwischenkriegszeit, z. B. Freibadanlage, 1936 Während des Ersten Weltkriegs wurde das Hotel Karersee vom k. k. 90. Infanterie-TruppenDivisionskommando als Unterkunft benützt. Dadurch nahm die Einrichtung des Hotels schweren Schaden.165 In der Österreichischen Nationalbibliothek findet sich eine Serie an Fotos, die zum Teil hochrangige Militärs vor dem Gebäude zeigen.166 Einige der Fotografien stammen von Alice Schalek, die schon vor dem Krieg mehrfach über die Südtiroler Berghotels in Zeitungen berichtete (über Alice Schalek siehe auch am Ende des ersten Bandes). 1920 wurde der reguläre Hotelbetrieb wieder aufgenommen – allerdings unter neuen Vorzeichen, denn die mehrheitlich aus Italien stammenden Gäste reisten nun mit dem Auto an, was eigene Vorkehrungen wie die Errichtung von Parkplätzen und Garagen notwendig machte, und sie waren sportlicher als die der Belle Epoque. Der damalige Hoteldirektor war Ernst Lautenschlager167 (biografische Daten unbekannt), der den Beherbergungsbetrieb zusammen mit dem Dolomitenhaus in Canazei führte und der eine Reihe von Ideen entwickelte, wie man das Gästeaufkommen in den Hotels steigern könne, z. B. durch Tennisturniere. Unter anderem waren Wettkämpfe und andere Veranstaltungen ausschlaggebend dafür, dass das Hotel viel von seinem einstigen Glanz wiedererlangen konnte. In dieser Zeit wurde für das Hotel Karersee auch die Bezeichnung „Grandhotel“ immer bedeutender.168 Ernst Lautenschlager war sehr wahrscheinlich auch die treibende Kraft hinter den Bauvorhaben und Projekten, die Musch & Lun in dieser Zeit für das Hotel Karersee ausarbeitete. Beispielsweise entstand im Umfeld des Hotels der „höchstgelegene“ Golfplatz Europas, für den eine „Golfhütte“ entworfen wurde (1922, Erweiterungen 1925 und 1929).169

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Ferner entwickelte das Meraner „Bureau“ 1936 ein bemerkenswertes Projekt für ein groß angelegtes Freibad im Nordwesten des Hotels, dessen Realisierung aber leider nicht in Angriff genommen wurde (Blatt Nr. TOUR_4100411). Die neben den drei hoteleigenen Tennisplätzen geplante Anlage sollte für 270 Gäste ausgelegt (Badefläche ohne Kinderbecken: 650 m2) und zusammen mit einem großen Tanzcafé errichtet werden. Da der sanitäre Standard einer Hotelanlage aus der Mitte der 1890er Jahre nicht dem entsprach, was sich die Gäste eines gehobenen Beherbergungsbetriebs erwarteten, wurden 1923 und 1929 in zwei Etappen in die Zimmer Bäder bzw. einfache Waschtische eingebaut. Die technisch aufwendige Sanitärplanung erledigte die Firma Deco in Lugano, die Ausführung dürfte in Zusammenarbeit mit Musch & Lun erfolgt sein. Mit diesen baulichen Adaptierungen gingen zum Teil größere Veränderungen an den Grundrissen der Zimmer einher. 1931 wurden auch in die Dependance Alpenrose Badezimmer eingebaut. Weitere Anbauten bzw. Aufstockungen erfolgten bis 1948, darunter auch eine von Musch & Lun gestaltete hölzerne Veranda. Aus dieser Planungsphase stammt auch eine Bar, zu der sich eine besonders „folkloristisch“ anmutende perspektivische Ansicht erhalten hat (Blatt Nr. TOUR_4100408). Im Zweiten Weltkrieg waren die meisten Hotels und Gasthäuser im Karerseegebiet offiziell zwar geschlossen, wurden aber von Flüchtlingen aus den bombengefährdeten Städten bzw. vom Militär als Quartiere genützt. Das Hotel Karersee wurde von der deutschen Heeresleitung zur SS-Lazarettabteilung Karersee umgewandelt, wobei es merkwürdigerweise als Spital für Marinesoldaten diente.170 Die Wiederbelebung des Hotelbetriebs erfolgte 1947. Der Chronist Ignaz Kircher schreibt in diesem Zusammenhang, dass die wirtschaftlichen Schwierigkeiten für Häuser in der Dimension des Hotels am Karersee nach dem Zweiten Weltkrieg noch größer waren als nach dem Ersten. Die Gäste aus den meisten früheren Herkunftsländern fielen aus und das Hotel hätte für den nun zunehmend aufkommenden Wintertourismus grundlegend umgebaut werden müssen.171 Über die angespannten ökonomischen Verhältnisse täuschte manchmal zwar noch die Präsenz von hochrangigen Gästen wie Winston Churchill im Jahr 1949 hinweg, aber der Niedergang des einstigen „Grandhotels“ war nicht mehr aufzuhalten.172 1963 wurde die 50-Hektar-Anlage des Hotels an die „Società Iniziative Turistiche Alberghiere S.I.T. A. S.A.R.L.“ mit Sitz in Bozen verkauft und anschließend in viele Einheiten aufgeteilt.173 Auf Dutzenden Bauparzellen in ihrem Umfeld wurden ca. 260 Bauten realisiert. Im eigentlichen Hotelkomplex finden sich seither fast nur noch private Apartments, manche von ihnen im Mehrfacheigentum. Im Juli 2014 geriet das Hotel Karersee in die Schlagzeilen, als seine Geschäftsführerin spurlos verschwand. Man befürchtete, dass sie – und damit auch der von ihr verwaltete Komplex des ehemaligen Hotels Karersee – in Geldgeschäfte der kalabrischen Mafia verstrickt sei.174 2018 wurden Teile der Liegenschaft versteigert.175 2017 wurde der Komplex unter Denkmalschutz gestellt.176

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Drill beim Hotel Karersee (Foto von Alice Schalek, 1915, oben) Erzherzog Eugen von Österreich beim Divisionskommando Karersee (unten), aus den Kriegspressequartier-Alben der Österreichischen Nationalbibliothek

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Musch & Lun, Plan für ein Freibad beim Hotel Karersee, 1936, nicht verwirklicht

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Zum Hotel Karersee gehörige Einrichtungen, weitere Villen und Projekte von Musch & Lun Elektrizitätswerk I. des Hotels Karersee (1896, heute: Forstliche Aufsichtsstelle Latemar und Sägewerk, Karerseestraße 110, I-39056 Welschnofen) bzw. Elektrizitätswerk II. (1908, auch: Karerseewerk) Das zum Hotel Karersee gehörige erste Elektrizitätswerk lässt sich heute nur noch anhand der Informationen von August Prokop aus dem Jahr 1897 und Franz Kohler aus dem Jahr 2008 dokumentieren. Zur Zeit der Errichtung des kleinen Kraftwerks war sein Bauplatz am Seebach, der vom Karersee gespeist wurde, ärarischer Grund. Dieser wurde vom „Verein für Alpenhotels in Tirol“ gepachtet. Heute befindet sich an dieser Stelle das „Sägewerk Latemar“.177 Es war ungewöhnlich, dass ein Elektrizitätswerk erst zur Eröffnung eines Hotels fertiggestellt wurde und nicht bereits während der Bauphase. Verschuldet hatte die Verzögerung die k. k. Forstverwaltung, die den Abschluss eines Pachtvertrags von 1894 bis Dezember 1897 (mit Wirkung vom 1. Juni 1896 – also kurz vor der Hoteleröffnung) hinausschob. Denn die Behörde befürchtete negative Auswirkungen auf den Baumbestand in den Wäldern und „dass der Reichsforst nun ein öffentlicher Tummelplatz wird.“178 Franz Kohler dokumentiert: „Zum Gegenstand hatte der Vertrag, neben einem jährlichen Pachtzins von 400 Gulden [ca. 5.900 Euro, Anm.] und einer im Voraus zu entrichtenden Kaution von 1.000 Gulden [ca. 14.700 Euro, Anm.], nicht nur das E-Werk samt Fernleitung zum Hotel, sondern auch eine Reihe von weiteren Dienstbarkeiten, wie die Nutzung von Trinkwasserquellen, die Verlegung von Drainagerohren, die Mitbenützung der im Kaar und Lattemar [Kar und Latemar, Anm.] Reichsforste einliegenden zwei Seen [...] zum Zwecke der Schifffahrt und des Badens’ sowie der Errichtung neuer bzw. den Ausbau bestehender Spazierwege.“179 Die Baukosten der elektrischen Anlage beliefen sich auf 30.000 Gulden (ca. 440.500 Euro).180 Aus Sicherheitsgründen wurde der Transformator ursprünglich nicht im Hotelgebäude, sondern an der Außenmauer angebracht. Erst nach dem Hotelbrand wurde ein eigener Transformatorraum im Souterrain geschaffen. Bedauerlicherweise führte der Seebach vor allem im Spätsommer nicht so viel Wasser wie angenommen, was zu Stromengpässen im Hotel führte. Überdies war die Stromleitung durch den Wald störanfällig. Aus diesem Grund wurden die Leitungen schon 1905 unterirdisch verlegt. Für die Hotelerweiterung ab 1906 wurde es notwendig, ein leistungsfähigeres Kraftwerk zu errichten. Da nun aber neben dem Hotel Karersee auch andere Betreiber von Tourismusund Gewerbetrieben Interesse an einer Versorgung mit elektrischer Energie hatten, gestalteten sich die Bauverhandlungen äußerst kompliziert und langwierig. Erst 1908 erfolgte die Bewilligung für den Bau eines Kraftwerks im sogenannten Jemmelloch, auf einem Grundstück im Zwickel des Zusammenflusses von Seebach und dem Pugelinbach. Letzterer fließt noch als kleines Bächlein an der Nordseite des Hotels vorbei.181 Das zweite von Musch & Lun für das Hotel Karersee entworfene Elektrizitätswerk wurde nicht nur äußerlich nach dem Vorbild des 1892 in Betrieb genommenen Kraftwerks für das Hotel Sulden gestaltet. Es lieferte auch Gleichstrom und nicht Wechselstrom wie das erste Kraftwerk. Es wurde als einfacher, materialsichtig ausgeführter Baukörper über orthogonalem Grundriss mit Satteldach konzipiert. Im Erdgeschoss befand sich das für zwei Maschinensätze ausgelegte Maschinenhaus und im ersten Stock eine Wohnung.182 „Vorerst wurde aber nur ein Maschinensatz der renommierten Schweizer Firma ‚Oerlikon‘ bestehend aus einer eindüsigen

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Pelton-Turbine (500 Umdrehungen/min) mit direkt gekuppeltem Generator eingebaut, die nur aus dem Seebach gespeist wurde. […] Die bereits bis zum alten Kraftwerk unterirdisch verlaufende Kabelleitung wurde bis ins Jemmelloch verlängert […].“183 Das Elektrizitätswerk II. ging als „Hotelwerk“ in den Volksmund ein, obwohl es auch andere Betriebe mit Strom versorgte. Ein im Bauamt Welschnofen erhaltener Einreichplan weist ein reizvolles Detail auf: Neben der Seitenansicht des Gebäudes wurde ein kleiner Baum zusammen mit dem Verweis dargestellt: „Nagel am Baum von der Behörde fixiert.“ Bei einer Begehung wurde offenbar der Nagel in dem Baum eingeschlagen, um das Bodenniveau des Parterres festzulegen. Während des Ersten Weltkriegs war vor allem in den Wintermonaten die Stromleistung für die Versorgung der im Hotel Karersee untergebrachten Militärs zu gering. Aus diesem Grund suchte das k. k. 90. Infanterie-Truppen-Divisionskommando um eine Bewilligung für die Umleitung von Bächen an, damit dem Kraftwerk mehr Wasser zugeführt werden konnte. 1974 wurde das „Karerseewerk“ stillgelegt, aber nicht abgebrochen, weshalb es 2008 von der Gemeinde Welschnofen reaktiviert werden konnte.

Seitenansicht des Elektrizitätswerks II. mit dem Vermerk „Nagel am Baum von der Behörde fixiert“

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Alpen-Kapelle (heute: Kirche St. Josef ), 1896/1897 (Benediktion: 13.6.1897) In Verbindung mit einer Reihe von Berghotels in Südtirol wurden auch Kapellen realisiert, die zum Teil mehreren Konfessionen zur Verfügung standen. In manchen von ihnen wurden im Wechsel katholische, protestantische und anglikanische Gottesdienste abgehalten. Diese Sakralräume waren nicht nur zur Erweiterung des „touristischen“ Angebots gedacht, sie wurden auch deshalb errichtet, weil die innere Einkehr traditionell zu jeder „Kur“ gehörte. Nachdem der Südtiroler Klerus dem Tourismus lange skeptisch gegenüberstand, sind die Kapellen daher auch als Signal der Hotelbetreiber an die Kirche zu verstehen. Im Touriseum (Musch & Lun Archiv) und im Bauamt Welschnofen haben sich unterschiedliche Projektvarianten zum Gotteshaus am Karersee erhalten. Reizvolle, mit „Cassian Kapelle Karersee“ beschriftete und mit dem Emblem des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ versehene Blätter aus dem Jahr 1896 könnten von Tony Grubhofer stammen. Der Künstler fertigte später auch einen Entwurf für die Kapelle beim Hotel Pragser Wildsee an. Er zeichnete einen einfachen Sakralbau mit offener Vorhalle, eingezogenem Chor und schräg an der Südseite angesetztem Turm. Die oberen Abschlüsse sollten geschindelte Dächer mit geschweiften Füßen bilden. Das eingereichte Projekt wurde aber nicht umgesetzt. Die auch Josefskirchlein genannte Kapelle am Karersee entstand im Auftrag des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ und wurde 1897 auf der „Moartalwiese“ unweit des Hotels, zwischen der Villa Waldhaus des Kurarztes Dr. Sebastian Huber und der Dependance Alpenrose fertiggestellt. Der einfache Sakralbau mit offenem Vorraum, Gebetsraum, eingezogener Rundapsis und einem Seitenraum für die Sakristei verfügte über ein Glockentürmchen über dem Eingangsportal. Den oberen Abschluss bildete ein Satteldach bzw. Schleppdach über der Sakristei. Der Kirchenraum ist mit einem Holzplafond versehen, den ursprünglich Sternornamente auf blauem Grund zieren sollten.184 „Ein großes Ereignis war die Einweihung des St.-Josefs-Kirchleins am Karersee. Keine geringere als die Kronprinzessin von Österreich, Erzherzogin Elisabeth, einzige Tochter des Kronprinzen Rudolf, der im Schloß Mayerling auf eine so tragische Weise endete, war höchstpersönlich nach Karersee gekommen, um die Patenschaft des Kirchleins zu übernehmen. Sie sollte sich auch etliche Wochen dort zur Kur aufhalten, weil die damals 13-jährige Prinzessin etwas kränkelte und ihr Leibarzt Dr. Auckenthaler (ein Südtiroler) sich eine Besserung ihres Gesundheitszustandes durch die würzige kräftige Waldluft versprach. Der ‚Bote für Tirol und Vorarlberg‘ vom 13. Juni berichtet über die Einweihung unter anderem: ‚Bei der Festmesse, die vom Hochw. Herrn Pfarrer Wopfner aus Welschnofen unter Assistenz eines Innsbrucker Geistlichen zelebriert wurde, hatte sich eine im Hotel weilende distinguierte Gesellschaft und mit ihr ein Großteil der Bevölkerung von Welschnofen, Karersee und Vigo eingefunden. Unter den Damen befand sich auch Frau Baronin Mages, welche den Bau des Kirchleins und dessen Ausstattung besonders gefördert hatte [...].‘“185 Es wird berichtet, dass bis zum Ersten Weltkrieg in der Kapelle täglich Messen stattfanden, die von einem eigens angestellten „Hotelkaplan“ gelesen wurden. 1976 kaufte die Pfarre Welschnofen die Alpenkapelle. Einhergehend mit ihrer Restaurierung erfolgte auch eine Erweiterung, die leider das Erscheinungsbild der kleinen, ehemals frei stehenden Alpenkapelle stark beeinträchtigt (18.6.1983 benediziert).186

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Die Alpen-Kapelle beim Hotel Karersee wurde laut Bozner Zeitung vom 13.7.1897 von Beppo Lun erbaut

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Villen im Umfeld des Hotels Karersee: Villa Waldhaus von Dr. Sebastian Huber (1899/1900) und Villa Dr. Ludwig Fulda (1905/1906) Im Umfeld des Hotels Karersee wurden von Musch & Lun auch Villen realisiert. Ihre Errichtung lässt vermuten, dass das Hotel Karersee Anstoß zu einer dem Semmering vergleichbaren Entwicklung geben sollte. Denn dort entstand im Umfeld des Südbahnhotels eine Kolonie von zum Teil architektonisch bemerkenswerten Villen, die von Bauherren in Auftrag gegeben wurden, die sich am Semmering aufhalten, aber nicht im Hotel logieren wollten. Eine ähnliche „Villegiatura“ entwickelten sich auch auf der Mendel, wohingegen eine in der Nähe des Hotels Brennerbad geplante nicht über ihre Anfänge hinauskam. Der bekannte Meraner Kurarzt und Vizepräsident des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“, Dr. Sebastian Huber, verlegte alljährlich im Sommer seine Praxis von Meran ins Hotel Karersee, was wesentlich zur Anziehungskraft des Reiseziels beigetragen haben dürfte – nicht zuletzt, weil er das Karerseegebiet auch als „Höhendestination“ für eine „Nachkur“ wärmstens empfahl, z. B. nach einem Aufenthalt in Karlsbad, Marienbad oder Bad Kissingen.187 1899/1900 ließ er sich die Villa Waldhaus errichten, in der er auch ein „Kurzentrum“ (für Kaltwasserkuren?) einrichtete.188 Musch & Lun entwarf eine rustikale Villa mit Räumen für eine Ordination. Ein Teil der Zeichnungen wurden von Josef Musch gestaltet (z. B. Blatt Nr. H6_2715). Im Lauf der Jahre entstanden bei der Villa Waldhaus noch mehrere Nebengebäude, darunter ein Badehaus für Wasserkuren und ein kleiner Kiosk in Blockbauweise am Weg zum Hotel (Blätter Nr. H6_2686 und H6_2704). Zwei Schaubilder zeigen die Villa. Erdgeschoss und erster Stock wurden gemauert, der obere Bereich als Holzkonstruktion ausgeführt (Blätter Nr. H6_2709 und H6_2710). Das Landhaus sollte ein volkstümliches Aussehen annehmen, weshalb es ferner mit zwei gemauerten Eckerkern, Holzbalkonen, Rundfenstern etc. versehen wurde. Den oberen Abschluss bildete ein geschindeltes Dach mit Steinen zur Beschwerung. Im ebenerdigen Geschoss befanden sich ein Speisezimmer samt Nebenräumen, die Ordination und zwei Kammern für Kurbäder. In den oberen Stockwerken waren von einer zentralen Halle die weiteren Wohnräume erreichbar. Da die Halle im ersten Stock möglicherweise nicht nur als Durchgangsraum, sondern als Wohnzimmer bzw. Stube gedacht war, wurde sie von Musch & Lun mit einer umseitig verlaufenden Wandtäfelung und einem gekachelten Ofen mit Ofenbank versehen (Blätter Nr. H_62711, H6_2716, H6_2717). Das Badehaus wurde an der Seite der Villa Waldhaus über einer Grundfläche von ca. 12 mal 15 Metern errichtet. Auf einem Grundriss sind zwei Bäder, Wartezimmer und Räume für Heizung und Personal eingezeichnet. Die weiteren Pläne fehlen. Die Villa wurde wahrscheinlich in den 1970er-Jahren vollständig überbaut, ihr einstiger Charme wurde dabei zerstört. Der Bau dient seither touristischen Zwecken (Pension, Apartmenthaus). 1905 gab der Schriftsteller Dr. Ludwig Fulda den Auftrag zur Errichtung der „Villa Laurin“.189 Der Autor und Übersetzer war bereits von 1898 bis 1900 Gast im Hotel Karersee bzw. in Meran, wo er auch mit Arthur Schnitzler zusammengetroffen sein dürfte.190 Den Baugrund („in der Ecke Vöstelwiese-Mondscheinwiese“) erwarb er vom „Verein für Alpenhotels in Tirol“ zu einem günstigen Preis, weil dieser daran interessiert war, bekannte Persönlichkeiten an den Karersee zu binden.191 Musch & Lun fertigte mehrere Entwurfsvarianten und Schaubilder an (z. B. Blätter Nr. F1_1572 und Nr. F1_1576), die ein barockisierendes Landhaus zeigen.

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Villa Waldhaus des Meraner Kurarztes und Vizepräsidenten des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“, Dr. Sebastian Huber

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Villa Waldhaus, Schaubild und Grundriss (links) Kuranstalt von Dr. Sebastian Huber mit Ordination und Bädern (oben), Ansichten des Kiosks von Dr. Sebastian Huber (unten)

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Villa Laurin von Ludwig Fulda

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Musch & Lun, Villa Dr. Fulda, Schaubild Die perspektivischen Darstellungen wurden angefertigt, um das Gebäude bestmöglich im Umfeld der Gebirgsketten zu zeigen Villa Dr. Fulda, Grundrisse (oben rechts), Lageplan mit Gestaltungsvorschlag für Garten und Gartenhaus (unten rechts)

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Wie die erhaltenen Materialien veranschaulichen, determinierte die Aussicht auf die Gebirgszüge von Rosengarten und Latemar die Grundrissabwicklung im Inneren des Hauses (vgl.: Blatt Nr. F1_1575). Auf manchen Plänen wurde nicht nur die Blickrichtung eingezeichnet, im Lauf des Entwurfsprozesses wurde der Baukörper auch gedreht. Im Bauteil mit den markanten, zur besten Aussicht orientierten Eckerkern wurden die bevorzugten Wohnräume eingerichtet. Die Villa wurde in einem Garten errichtet, dessen Gestaltung ebenfalls im Detail festgelegt war (z. B. Blatt Nr. F1_1568, Gartenpavillon Blatt Nr. F1_1577). Jeder Schauseite des Gebäudes wurde ein eigenständiges Erscheinungsbild verliehen. Der Haupteingang befand sich an der Westseite. Ihm wurde ein von zwei Säulen getragener, massiger Vorbau mit einem Erker im Obergeschoss vorgelagert. Den oberen Abschluss des Baukörpers bildete ein Pyramidendach mit Dachgauben zur Belichtung des Dachstocks. Im Bauteil mit den Eckerkern befanden sich das Speisezimmer bzw. im ersten Stock der Arbeitsraum von Dr. Fulda. Der zentrale Ort der Villa war aber die Wohndiele bzw. „Stube“ direkt beim Eingang. Musch & Lun stellte für ihre Einrichtung mit zwei rustikalen, aber anheimelnd wirkenden Sitznischen eigens Innenraumperspektiven her. Eine der beiden Sitzecken wurde mit einem Kachelofen ausgestattet, der auch in Berichten erwähnt wird.192 Da Ludwig Fulda jüdischer Abstammung war, wurde die Villa in der Zwischenkriegszeit enteignet und verkauft. Der erste Käufer war ein Autorennfahrer und Sportgeschäftsbesitzer aus Bozen namens Mario Minio (biografische Daten unbekannt), nach dem Zweiten Weltkrieg ging sie in den Besitz eines Reeders aus Genua über, der sie kirchlichen Zwecken zur Verfügung stellte. Seither fungiert die Villa als Unterkunft für katholische Jugendkolonien und wurde als solche 1975 an den Jesuitenorden veräußert. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde das Gebäude in Villa San Pio X. umbenannt. Der Bau steht zwar noch, durch Anbauten und eine Aufstockung wurde er aber seiner einstigen architektonischen Qualitäten beraubt. Försterhaus, 1907/1922 (Bausubstanz heute in die Forstschule Latemar integriert) Der Wald in der Umgebung des Hotels Karersee war nicht nur Erholungsgebiet, sondern von jeher auch Lieferant für Bauholz. Schon 1895 wurde ein Vorgängerbau des heute noch bestehenden „Försterhauses“ schräg gegenüber dem Hotel auf einem Lageplan festgehalten (Blatt Nr. TOUR_4100468, vgl. Blatt Nr. X4_6565).193 Ob bereits dieser Bau von Musch & Lun stammte, ist genauso wenig geklärt wie die Frage, ob ein weiteres Projekt aus dem Jahr 1907 umgesetzt wurde. Ein reizvolles Schaubild zeigt einen Blockbau über gemauerter Erdgeschosszone (Blatt Nr. X4_6546). Es könnte von Architekt Christian Städler angefertigt worden sein, der in diesem Zeitraum auch in den Anbau einer zweiten Halle (auch: Konzertsaal) an das Hotel Karersee eingebunden war. Er gestaltete seinen folkloristisch wirkenden Entwurf in einer Zeit, in der unter dem Einfluss der Heimatschutzbewegung im gesamten deutsch-österreichischen Alpenraum ähnliche Projekte für Landhäuser entstanden.194 1922 wurde das Gebäude realisiert, das heute nach einer Sanierung und baulichen Adaptierung Teil der Forstschule Latemar ist.195 Laut der Mappe im Musch & Lun Archiv war der offizielle Titel des Bauvorhabens „königliches Forsthaus Karersee“. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Entwürfe, die teils in italienischer, teils in deutscher Sprache beschriftet sind, unter König Vittorio Emanuele III. (1869–1947) in Auftrag gegeben wurden. Das traufenständige und mit einem Mittelrisaliten versehene Gebäude verfügte über eine Sockelzone (Souterrain) aus Bruchsteinmauerwerk, darüber wurde ein massiver Holzblockbau ausgeführt. Wie aus den Entwürfen hervorgeht, war das Försterhaus immer schon für Verwaltungszwecke bzw. als temporäre Unterkunft geplant.

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Entwurf für das Forsthaus (von Christian Städler?), 1907 Musch & Lun, Forsthaus Karersee, 1922 (unten)

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Rosengartenhof für Anton Dejori, Karerpass

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1896/1897

Rosengartenhof (auf den Plänen: Alpenwirtschaftsgebäude, heute: Golf Hotel Passo Costalunga), Karerpass, I-38039 Vigo di Fassa (TN)



Architektur: Musch & Lun, Meran



Kat.: D1.62



Dok./Lit.: Bauamt Welschnofen (Abb.). BZZ, 21.5.1897, S. 1. TLMF (Abb.). Kirchner, Ignaz, 100 Jahre



Dal Negro, Francesco, Hotel des Alpes, S. 36f. (Abb.). Eisath, Kathrin, Die Eggenstaler Straße, Bozen 2017, S. 33.

Fremdenverkehr Welschnofen-Karersee, S. 31. Faggioni, Silvano, Theodor Christomannos, S. 98, 112 (Abb.).

Der Rosengartenhof ist das erste Hotel in der Reihe der in diesem Werkverzeichnis vorgestellten Häuser, an dem sich das Entwerfen nach Baukastenprinzip gut veranschaulichen lässt. Die optische Verwandtschaft zwischen dem Rosengartenhof und dem Hotel Karersee erweckt den Eindruck, er sei Teil einer Hotelkette oder „Fremdenkolonie Karersee“, was aber mit der betrieblichen Organisation der Häuser nicht übereinstimmte. Das Gesamterscheinungsbild des Rosengartenhofs entspricht dem einer abgeschlankten Variante seines Pendants. Anton Dejori (vulgo Oberribitzer, biografische Daten unbekannt) erkannte schon früh das wirtschaftliche Potenzial des Bergtourismus, woraufhin er die ersten Gastbetriebe im Karerseegebiet eröffnete.196 Darunter war auch das 1893 errichtete Gasthaus Alpenrose, das sich in nächster Nähe zur Baustelle des Hotels Karersee befand.197 1895 kaufte der „Verein für Alpenhotels in Tirol“ das Gebäude für 16.000 Gulden (ca. 227.000 Euro).198 Der Verein wandelte das Gasthaus in die Dependance Alpenrose um – das zum Hotel Karersee gehörige Touristenhaus. In der Folge „übersiedelte“ Anton Dejori auf die Passhöhe (1.752 Meter Seehöhe), die am Übergang vom Eggental ins Fassatal liegt, und eröffnete dort am 4. Juni 1897 den Rosengartenhof.199 Für den Bergführer brachte die „kleine“ Geste, sein Gasthaus Alpenrose dem Verein zu überlassen, auch einen persönlichen Prestigegewinn. Denn Kaiserin Elisabeth wurde anlässlich ihres Aufenthalts am Karersee im Sommer 1897 gezielt zum Rosengartenhof hingeführt und Dejori als ihr Bergführer ausgewählt – was daraufhin werbewirksamer Gegenstand mehrerer Zeitungsberichte war.200 Wie auf historischen Abbildungen zu sehen ist, war der Rosengartenhof der erste Bau, der auf der Passhöhe entstand. Ursprünglich plante Musch & Lun einen siebenachsigen Bau mit rustizierter Sockelzone (Souterrain), zwei äußerlich verputzten Obergeschossen und zweigeschossigen Zwerchhäusern an den Längsseiten. Die oberen Abschlüsse sollten abgewalmte Satteldächer mit einem Glockentürmchen bilden. Nach dem Vorbild des Dolomitenhotels in Toblach sollten die Giebelpartien der Zwerchhäuser diesmal aber senkrecht mit Brettern beplankt werden.201 Umgesetzt wurde ein fünfachsiger Bau, der wie das Hotel Karersee zur Gänze mit Porphyr verkleidet wurde – was möglicherweise auch darauf zurückzuführen ist, dass im Karerseegebiet bereits ein Steinbruch angelegt war. Der Riegel und die längsseitigen Zwerchhäuser wurden mit weit heruntergezogenen Krüppelwalmdächern nach oben hin abgeschlossen. Das dekorative Glockentürmchen gelangte allerdings nicht zur Ausführung. An den Gasthof wurde schon 1904 erstmals angebaut. Der Speisesaal und die Halle wurden vergrößert und die Einrichtung erneuert. In alle Stockwerke des Gebäudes wurde frisches Quellwasser geleitet, was zu dieser Zeit noch ungewöhnlich war.202 Später folgten weitere Anund Ausbauten. Heute ist der Rosengartenhof als Apartmenthaus in Betrieb, das ursprüngliche Erscheinungsbild des Hauses ist aber noch erkennbar.

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Ansicht (linke Seite) und Grundrisse des umgesetzten Gebäudes: Im Souterrain wurden Küche, Weinkeller und Schwemme sowie eine Wohnung mit Büro für den Wirt angelegt. Auf der Ebene darüber befanden sich Gästezimmer und der Speisesaal mit einer seitlich angesetzten Holzveranda. In den oberen Stockwerken wurden die Gästezimmer zweihüftig angeordnet – alle übrigens ohne Bad, manche aber mit fließendem Wasser

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Hotel Pragser Wildsee für Eduard Hellenstainer, Prags

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1896–1899

Hotel Pragser Wildsee, St.-Veit-Straße 27, I-39030 Prags



Bauphasen: 1902/1903; 1929/1930

1903/1904

Kapelle „Zur Schmerzhaften Muttergottes“ beim Hotel Pragser Wildsee



Architekt: Otto Schmid, Sulden-Innsbruck (erste und zweite? Bauphase des Hotels)



Dok./Lit.: Amt für Bau- und Kunstdenkmäler (Denkmalschutz, BLR-LAB 5910 vom 07/10/1991, BLR-LAB 6776 vom 17/10/1988). Sammlung Caroline M. Heiss, Hotel Pragser Wildsee (Abb.). Weingartner, Josef, Der Pragser Wildsee, in: Der Schlern, H. 7, Bozen 1919, S. 263–265 (Abb.). Architektenkammer der Provinz Bozen (Hrsg.), Architektur in Südtirol, S. 352 (Abb.). Dal Negro, Francesco, Hotel des Alpes, S. 217–219 (Abb.). Richardi, Hans-Günter, Zur Schmerzhaften Muttergottes – Marienkapelle des Hotels „Pragser Wildsee“. Ein Ort der Kirchengeschichte und Zeitgeschichte, Zeitgeschichtsarchiv Pragser Wildsee (Hrsg.), Prags 2010. Ders., Das Hotel am Pragser Wildsee. Geschichte eines Grandhotels in den Dolomiten, Zeitgeschichtsarchiv Pragser Wildsee (Hrsg.), Prags 2012, S. 97–147, 154–157 (Abb.). Heiss, Hans, Das Hotel „Pragser Wildsee“ – Monument und Zukunftsmarke des Hochpustertaler Tourismus, in: Ebd., S. 13–37. Richardi, Hans-Günter, Die Wirtin. Das Leben der Emma Hellensteiner, Caroline M. Heiss (Hrsg.), Prags 2014, S. 119ff. (Abb.), 281ff. (Kapelle, Abb.). Schmid, S. 74–78 (Abb.).

Die hier gezeigten Grundrisse mit Darstellungen der verschiedenen Bauphasen des Hotels sind Bearbeitungen von Planmaterial (Katastermeldung, 2002).203 Das Hotel ist seit seiner Errichtung im Besitz der Familien Hellenstainer bzw. Heiss, die das Erbe pflegen und den Betrieb behutsam an aktuelle betriebliche Erfordernisse anpassen. Auf diese Weise vermittelt das Hotel noch viel vom Charme eines Berghotels aus dem 19. Jahrhundert. 2013 wurde dieses Engagement mit der Auszeichnung als historischer Gastbetrieb des Landes Südtirol gewürdigt.204 Die gute Aufarbeitung der Geschichte des Hotels ist nicht nur auf die lange Familiengeschichte und den Besuch von Filmschauspielern und anderen illustren Gästen205 zurückzuführen, sondern insbesondere auf die Rolle des Hauses am Ende des Zweiten Weltkriegs. Im April und Mai 1945 war es nämlich Aufenthaltsort von 133 prominenten Sippen- und Sonderhäftlingen des NS-Regimes. Emma Heiss-Hellenstainer (auch: Emma III., 1888–1959206) nahm die aus 17 europäischen Ländern stammenden ehemaligen Geiseln der SS kurz nach ihrer Befreiung in einer Zeit großer Versorgungsengpässe auf.207 Die Vorgänge von damals werden vom Zeitgeschichtsarchiv Pragser Wildsee dokumentiert.208 Im Hotel Pragser Wildsee sind Vorlagen bekannter Künstler für Plakate und Prospekte ausgestellt. Caroline M. Heiss legte darüber hinaus eine umfassende Sammlung historischer Postkarten an. Dieser Bestand umfasst solche vom Hotel Pragser Wildsee, dem Kurort (Alt-) Prags sowie dem Hotel Plätzwiese. Die Baugeschichte des Hotels Plätzwiese wird an anderer Stelle in diesem Kapitel des Buches dargestellt. Es gehörte um 1900 zu den wichtigsten Mitbewerbern des Betriebs der Familie Hellenstainer im Pragsertal.

Emma Hellenstainer und die Anfänge der Bewirtung von Gästen am Pragser Wildsee Die (Bau-)Geschichte Hotel Pragser Wildsee steht in enger Verbindung zu Emma Hellenstainer (1817–1904), die zusammen mit Elise Überbacher-Minatti und Theodor Christomannos zu den bekannten Persönlichkeiten des Südtiroler Tourismus im 19. Jahrhunderts zählte.209 Hans-Günter Richardi, der mehrere Publikationen über sie, die Geschichte ihrer Familie und deren Häuser verfasste, schreibt, dass sich Emma anfänglich im Pustertal schwer einlebte. Zur Aufmunterung sei sie von ihrem Mann zum Pragser Wildsee geführt worden, der

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Pragser Wildsee bei Vollmond, um 1904

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damals noch im Besitz der „Brixner fürstbischöflichen Mensa“210 war. Die Schönheit der Gegend hätte sie sofort in ihren Bann gezogen. 1856 kaufte Joseph Hellenstainer den See.211 Aufgrund seines frühen Ablebens 1858 war es aber sein Sohn Eduard (1853–1903), der unmittelbar am Seeufer die erste Gaststätte und später das Hotel errichtete, das er später gemeinsam mit seinem Bruder Hermann (1856–1915) führte. Der ca. 31 Hektar große Pragser Wildsee auf 1.494 Metern Seehöhe zählt zu den landschaftlich besonders reizvollen Hochgebirgsgewässern im Alpenraum. Er liegt am südlichen Ende des Pragser Tals und ist heute Teil des Naturparks Fanes-Sennes-Prags bzw. des UNESCO Welterbes Dolomiten. Zu der Zeit, in der die Familie Hellenstainer am See in touristischer Hinsicht aktiv wurde, war das ca. acht Kilometer entfernte Altprags bereits ein weithin bekanntes „Badl“. Seine schwefelhaltigen Heilquellen sollen schon um 1500 viel besucht worden sein. Nachdem sich die Gäste in den Kurorten relativ lange aufhielten, gehörten Ausflüge zum Pragser Wildsee und hinauf auf das Almgebiet Plätzwiese schon vor der Zeit zu ihrem Programm, als die Region von Alpinisten „entdeckt“ wurde. Auf der Plätzwiese entstand von 1898 bis 1900 das Hotel Plätzwiese, das der Meraner Hotelier Hans Leipold nach Plänen von Musch & Lun realisierte. Es war ein Konkurrenzunternehmen zum Berghotel am Pragser Wildsee. Auch Eduard Hellenstainers Architekt Otto Schmid hatte sich zu dieser Zeit schon vom Kreis der Entrepreneure im Umfeld von Theodor Christomannos distanziert und gehörte somit zu den Mitbewerbern von Musch & Lun im Hotelbau. An der Uferseite, wo sich heute das Hotel Pragser Wildsee befindet, errichtete die Familie Hellenstainer um 1892 mit der Villa Edelweiß eine Art Jausenstation und getrennt davon eine Bootsanlegestelle. Der einfache Bau, der in Quellen unterschiedlich als Blockhaus oder Baracke212 beschrieben wird, tatsächlich aber über einen gemauerten und einen hölzernen Bauteil verfügte, gelangte über einen mehrteiligen Tourenbericht zu Bekanntheit. Dieser erschien 1893 in der Österreichischen Touristen-Zeitung und in ihm schrieb der Grazer Alpinist Viktor Wolf Edler von Glanvell (1871–1905) „Aus den Pragser Dolomiten“ humorvoll: „Zum Schlusse stärkten wir uns ein wenig in der kleinen Restaurationsbude der bekannten Frau Emma (in Niederdorf), wobei uns das allerdings sehr merkwürdige Ereignis widerfuhr, dass man uns als Trinkwasser eine undurchsichtige Flüssigkeit vorsetzte, die an Aussehen, Geschmack und Geruch auch dem berüchtigten Hamburger Elbwasser nichts nachgab.“213 Das ist ein Hinweis darauf, wie wichtig es in Verbindung mit den frühen touristischen Initiativen bzw. Berghotel-Projekten war, im Zug ihrer Errichtung auch die Trinkwasserversorgung sicherzustellen.214 Slogans wie „frisches Quellwasser“ wurden auch in der Werbung eingesetzt. 1893 entstand neben diesem einfachen Gebäude am Standort des heutigen Hotels die erste Unterkunft am Pragser Wildsee.215 Das sogenannte Seehaus wurde wie alle Berghotels parallel zu oder kurz nach einem Straßenbauprojekt erbaut. Zuerst führte von Neuprags nur ein Karrenweg hinauf zum See. Die Erweiterung des Wegs zu einer Straße wurde von Eduard Hellenstainer veranlasst.216 Wenige Jahre später erschienen Nachrichten über britische Alpinisten, die sich zunehmend für die Gegend interessierten. Bald reichte die Zahl der Zimmer im Seehaus nicht mehr aus, weshalb es, so die Bozner Zeitung, schon vorgekommen sei, dass Gäste abgewiesen werden mussten.217 Die Berichte veranschaulichen, dass der Standort weniger für Höhenkuren aufgesucht wurde, sondern hauptsächlich als Ausgangspunkt für Touren – was letztlich auch das architektonische Konzept des späteren Hotels beeinflusst haben dürfte.

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Emma Hellenstainer Emma (Emerenzia) Hellenstainer (auch: Hellensteiner, ledige Hausbacher), geboren 1817 in St. Johann in Tirol, gestorben 1904 in Meran. Ausbildung bei den Ursulinen in Innsbruck, Lehrzeit in Salzburg. Als ihre Mutter das Brauhaus in Rienz bei Toblach erbte, übernahm die damals zwanzigjährige Emma dessen Leitung und übersiedelte ins Pustertal. 1842 heiratete sie Joseph Hellenstainer (1809–1858), den Wirt des Gasthofs Schwarzer Adler in Niederdorf im Hochpustertal. Nach dessen Tod führte sie als sechsfache Mutter nicht nur die Gaststätte erfolgreich weiter, sondern brachte es zusammen mit ihren Kindern zu einem weit über die Landesgrenzen hinaus bekannten Hotelimperium. Zu den Betrieben der Familie gehörten neben dem Stammhaus in Niederndorf die Hotels Emma und Stadt München in Meran sowie das Hotel Pragser Wildsee. Eine von Emmas Töchtern heiratete in die Wirtsfamilie Staffler in Bozen ein und wurde zusammen mit ihrem Mann Gastgeberin im dortigen Hotel Greif. Aus werblichen Gründen wurde in Verbindung mit den Betrieben der Familie Hellenstainer immer gerne Emmas Name in den Vordergrund gerückt. An der Fassade des Schwarzen Adlers in Niederndorf wurde zusätzlich die Beschriftung „Gasthof Emma“ angebracht. Das ist nur ein Beispiel, an dem sich aufzeigen lässt, dass „Emma“ – ähnlich einem Markenzeichen – schon früh zu einem Qualitätsbegriff im Tourismus wurde. „Emma“ stand für gute Küche, die tüchtige Wirtin war aber auch darin vorbildlich, dass sie bis ins hohe Alter in ihren Häusern präsent war. „Wegen ihrer Verdienste als Pionierin des Fremdenverkehrs, wegen ihrer Hilfsbereitschaft beim Durchzug von Truppen während des Krieges mit Italien und während der großen Überschwemmung von 1882 wurde ihr von Kaiser Franz Joseph das Goldene Verdienstkreuz verliehen. Frau Emmas Name wurde in Tirol und weit darüber hinaus der Inbegriff bester Gastwirtstradition und bleibt eng verknüpft mit der Erschließung des Landes in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts.“ Quellen: Nachruf auf Emma Hellensteiner, Pustertaler Bote, 18.3.1904, S. 3. Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL), Bd. 2, Wien 1959, S. 258. Touriseum (Hrsg.), Frau Emma Europa – „die berühmteste Wirtin Tirols“, Katalog der Ausstellung „Emma Hellensteiner 1817–1904 Mythos Gastwirtin“, Meran 2004. Richardi, Hans-Günter, Die Wirtin. Das Leben der Emma Hellensteiner, Caroline M. Heiss (Hrsg.), Prags 2014.

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Erste Baustufe, 1896 bis 1899 Ab 1896 wurden die ersten Pläne für ein Hotel am Pragser Wildsee ausgearbeitet. In Zusammenhang mit diesen Entwürfen sorgte aber eine in mehreren Zeitungen erschienene Fehlinformation für Verwirrung, wonach „Stadtbaumeister Otto Schmid“ am Pragser Wildsee einen Bauplatz erworben und im Zuge von Vorarbeiten für die Verwirklichung eines Hotels angekündigt habe, seinen dortigen Betrieb 1899 eröffnen zu wollen.218 Diese Nachricht wurde aber sofort dahingehend korrigiert, dass der Betreiber des Projekts Eduard Hellenstainer sei.219 In dieser Zeit konnte man in konservativen Blättern aber auch lesen: „Wir stehen diesem Baue ziemlich kühl gegenüber. Denn, wenn es ein Hotel abgibt, wie andere neuerrichtete Alpenhotels, dann ist katholischen Dienstboten und Arbeitern die Mitwirkung an diesem Baue und an der Bedienung nicht sehr zu empfehlen.“220 1897 wurde mit dem Grundaushub begonnen.221 Selbst mit zunehmendem Baufortschritt sah man der nahenden Eröffnung des großen Hotels noch gespalten entgegen. Während nämlich ein Teil der Talbevölkerung der Meinung war, es sei „die Idylle des Pragser Wildsees damit verloren“222, adaptierten mehrere Bauern in der Umgebung bereits ihre Häuser, um ebenfalls Gäste aufzunehmen. Bei der Eröffnung des Hotels am 9. Juli 1899 war Emma Hellenstainer 82 Jahre alt.223 Noch ein Jahr zuvor wurde ihr Name ins Zentrum eines ersten Hotelprospekts gerückt, in dessen Text auf die Verwandtschaft des zukünftigen Hauses mit denen des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ hingewiesen wurde – eine bemerkenswerte Verflechtung von untereinander konkurrenzierenden Tourismusunternehmen und ihren Betreibern.224 Wie nämlich schon in Verbindung mit anderen, nicht zum Verein gehörigen Beherbergungseinrichtungen dargestellt wurde, erweckte auch hier die (in ihrer ursprünglichen Form von Theodor Christomannos stammende) Ausdrucksweise, „ein Haus 1. Ranges, mit all dem Besten, was das neue Hotelwesen bietet, jedoch ohne übertriebenen Luxus ausgestattet“, bei den Gästen den Eindruck, das Hotel Pragser Wildsee bilde mit den Hotels in Trafoi und am Karersee eine Art Kette. Bei der Bewerbung des Hotels wurde demnach mehr Wert auf eine einheitliche Identität der Häuser gelegt, wohingegen die Alleinstellungsmerkmale der Unternehmen um 1900 noch eine untergeordnete Rolle spielten. Auch für das Berghotel im Hochpustertal fertigte Tony Grubhofer Ansichten für Inserate und ein Logo an, mit dem neben Werbemitteln auch Geschirr und andere Gegenstände verziert wurden. Der Künstler – obwohl er (indirekt) zu den Gründungsmitgliedern des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ gehörte – stand offensichtlich ebenfalls jedem Konkurrenzdenken fern und gestaltete fast für jeden neu entstehenden Berghotelbetrieb die ersten Grafiken. Das Hotel Pragser Wildsee war nach den Hotels in Sulden und Trafoi das dritte „Alpenhaus“ von Architekt Otto Schmid. Für den Standort im Hochpustertal entwarf er einen geschlossenen Baukörper („Hotelkasten“), der in Bezug auf sein Gestaltungsschema dem des Gästetrakts des Hotels Sulden folgte. Im Unterschied zu seinen vorherigen Projekten legte er hier aber keinen außen liegenden Speisesaal an. Genauso wie in Sulden akzentuierte Schmid die Längsseiten des Gebäudes mit je einem zweistöckigen Zwerchhaus und versah den Kreuzungspunkt der großflächigen Satteldächer mit einem hölzernen Glockentürmchen (am 10. Juli 1966 abgebrannt und anschließend nicht ersetzt225). Weitere Baudetails, die ausgehend vom „Urtyp“ in Sulden auch hier Eingang fanden, waren die rauen Fassaden, die mit Ausnahme der verputzten und mit Blendfachwerk versehenen Giebelfelder mit lokalem Steinmaterial verkleidet wurden, sowie die Holzbalkone nach

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Tony Grubhofer gestaltete die ersten Werbemittel und Postkarten für das Hotel Pragser Wildsee

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Planrekonstruktionen Erste Baustufe 1899 Zweite Baustufe 1903 Dritte Baustufe 1930

Grundriss Obergeschoss

Grundriss Erdgeschoss

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Besucherin am Seeufer. Im Hintergrund sind Strandkörbe und die elektrische Außenbeleuchtung zu sehen (oben) Erste Baustufe des Hotels (unten)

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dem Muster des so genannten Schweizer Holzstils. Der Steinbruch und die Kalköfen befanden sich talauswärts in nördlicher Richtung unterhalb des Hotels.226 Auf die Anbringung von verspielt wirkenden, hölzernen Erkern wurde am Pragser Wildsee aber genauso verzichtet wie auf unterschiedliche Fensterformen. Einzige Ausnahme bildeten die in die Giebelfelder der Seitenfassaden eingeschnittenen Zwillingsfenster. In Verbindung mit dem äußeren Erscheinungsbild des Hauses zeigt sich noch einmal die Funktionsweise von „Regionalisierung“ in der Architektur. Denn beim verwendeten Stein­ material handelte es sich jeweils um eine sinnbildliche Übertagung der Gebirge mit ihren Gesteinsarten auf die Gebäude – vermutlich eine Erfindung von Wilhelm von Flattich. Wie bereits im dritten Kapitel in diesem Buch beschrieben, versah er das Dolomitenhotel in Toblach mit einem „greifbaren“ Zeugnis für die „blei­chen Berge“ in der Nähe. Otto Schmid und Musch & Lun griffen das Gestal­tung­motiv auf und erzielten durch seine wiederholte Verwendung den gewünschten Effekt einer Identifikation der Berghotels mit bestimmten Gebirgsregionen. Wie treu Otto Schmid insgesamt seinem Gestaltungsschema blieb, zeigt sich an der Eingangs­ halle, die er hier zwar vergrößerte, aber im Unterschied zu den Hotelbauten von Musch & Lun mit keinem repräsentativ eingerichteten Foyer ausstattete. Damit verzichtete er genauso wie bei seinen anderen „Alpenhäusern“ auf die Doppelnutzung des Eingangsbereichs als Rezeption und Aufenthaltsbereich – z. B. im Vergleich zum Hotel Plätzwiese. Zudem legte Otto Schmid hier den Speisesaal innerhalb des Gebäudes an. Es ist aber naheliegend, dass das nicht nur aus Kostengründen erfolgte, sondern um die bestmögliche Aussicht auf den See und die dahinterliegende Bergkulisse auszunützen. Ohne eigenen SpeisesaalTrakt kam auch keine Unterküche zur Ausführung. Küche und Nebenräume wurden hinter dem Speisesaal angeordnet. Diese Raumabwicklung hatte zur Folge, dass der Saal über keine mit den anderen Berghotels vergleichbare Raumhöhe verfügte und daher auch nicht mit einem Dachwerk ausgestattet werden konnte, das die Form eines Spitzbogens aufwies (Hotel Sulden) oder mehrfach gewölbt war (Hotel Trafoi). In seiner ersten Bauphase verfügte das Hotel Pragser Wildsee über siebzig Zimmer, Gesellschaftsräume, Billard, elektrische Innen- und Außenbeleuchtung227 und eine Dunkelkammer, die auch Amateurfotografen zur Verfügung stand. Auf den Einbau eines Zentralheizungssystems wurde damals aber noch verzichtet, die Räume wurden, wenn notwendig, mit gusseisernen Öfen beheizt.228 Auf diese Weise entstand – wie schon aus der Bewerbung des Hotels im Jahr 1898 hervorging – ein „Alpenhaus“, das vorrangig Naturliebhaber, Bergsteiger und Kletterer („Hochtouristen“) anziehen sollte. Das zu einem Berghotel gehörige Unterhaltungsangebot wurde hier aufgrund der Lage am See bzw. im Umfeld ausgedehnter Wälder durch Jagdausflüge, Ruderbootfahrten und die Möglichkeit zum Fischen erweitert. Auf diese architektonische Auslegung des Berghotels als „Alpenhaus“ (die anfänglich wesentlich von Theodor Christomannos mitgeprägt wurde) ist nicht zuletzt auch die einfachere Ausstattung des Beherbergungsbetriebs zurückzuführen.229 Diesbezüglich unterschied es sich unter anderem von seinem geografisch nächstgelegenen Mitbewerber, dem Hotel Plätzwiese. Im Hotel Pragser Wildsee wurde genauso wie in den meisten anderen Berghotels ein offizielles Sommer-Post- und Telegrafenamt eingerichtet, wobei der zusätzliche Fahrdienstverkehr zwischen Niederdorf und dem Pragser Wildsee von Eduard Hellenstainer betrieben wurde. Die Fahrzeit wurde mit einer Stunde und 45 Minuten angegeben.230

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Alter Speisesaal (später Restaurant) mit den Wandmalereien von Karl Lartschneider

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Zweite Baustufe, 1902/1903 Schon zwei Jahre nach seiner Eröffnung war das Hotel bereits so gut belegt, dass Pläne für eine Vergrößerung um dreißig Zimmer entstanden.231 Ihre Fertigstellung erfolgte 1903 (noch vor der Einweihung der Kapelle am See232). Das Erweiterungskonzept entsprach ganz dem in diesem Buch bereits mehrfach dargestellten Modell eines „seriellen“ Hotelanbaus, der auch bei laufendem Betrieb durchgeführt werden konnte. Es ist nicht gesichert, dass Otto Schmid hierfür die Entwürfe lieferte, aber nachdem er auch die Kapelle gestaltete, ist seine Mitwirkung naheliegend. Damals wurde auch ein Zentralheizungssystem eingebaut. Die Hotelerweiterung erfolgte in südwestlicher Richtung und in Fortsetzung des Erschei­ nungsbilds der vorhandenen Bausubstanz mit einem zweiten Zwerchhaus und Satteldach­ abschluss. An den bisherigen Speisesaal angrenzend, wurde ebenerdig ein zweiter Festsaal mit gerader Holzbalkendecke eingerichtet. Mit der künstlerischen Ausgestaltung der Reprä­ sen­ta­tionsräume wurde Dekorationsmaler Karl Lartschneider aus Meran betraut.233 Die von ihm angefertigten Malereien, für die sich der Künstler in Bezug auf seine Motivwahl gerne am modi­schen Jugendstil orientierte, sind heute zum Teil noch erhalten. Eine Reihe seltener historischer Fotografien vermittelt die Atmosphäre in den Innenräumen nach dem Anbau. Sie sind im Hotel ausgestellt. Auf ihnen sind auch mehrere Modelle von Korbmöbeln zu sehen, welche die Einrichtung der Berghotels um 1900 dominierten.

Das Hotel Pragser Wildsee im Umfeld des aufkommenden Natur- und Heimatschutzes Kurz nach der Fertigstellung der zweiten Bauphase zeigte sich 1904, dass sich die Ära der Großhotels ihrem Ende näherte. Das Verhältnis zwischen dem Menschen und seinen Lebens­ räumen bzw. der Einpassung von Architektur in die (Berg-)Landschaft wandelte sich allmäh­ lich zugunsten eines neuen Zugangs zum Naturschutz. 1904 war das Jahr, in dem die Heimat­ schutzbewegung institutionalisiert wurde.234 In der Folge gewann ihr Gedankengut auch im Alpenraum rasch an Zugkraft, was sich auch auf das Bauwesen auswirkte. In dieser Zeit erschien in der Bozner Zeitung ein mehrteiliger Artikel mit dem Titel „Schutz der Naturdenkmale“, in dem auf das Thema Tourismusarchitektur wie folgt Bezug genommen wurde: „Besonders wäre auch seitens der maßgebenden Faktoren ein Augenmerk darauf zu richten, daß der Bau unserer Alpenhotels dem Charakter der betreffenden Gegend angepaßt erscheine. Die Wahl des Stiles für solche Bauten ist ja eigentlich schon durch die Verarbeitung alpenländischer Wohnhäuser gegeben. Als warnende Exempel für unschöne Verbauung einer Landschaftsgegend seien hier angeführt (allerdings außer dem Bezirke Bozen gelegen) das Hotel am Misurina-See [bei Cortina d’Ampezzo, Anm.] und das Hotel am Pragser Wildsee, welche durch ihre kastenartigen Formen das Auge beleidigen und den idyllischen Reiz der malerischen Alpengegend in verletzender Weise beeinträchtigen.“235 Die ambivalente und oft von subjektiven Eindrücken gesteuerte Haltung der Natur- und Heimatschützer zeigte sich in diesem Zeitungsartikel auch darin, dass sein anonymer Verfasser an das oben Gesagte mit der Bemerkung anschloss: „Als Muster für nette, geschmackvolle und mit dem Landschaftsbilde harmonisierende Hotelbauten nennen wir die Bauten der Tiroler Alpenhotel-Gesellschaft in Karersee, Trafoi und Sulden.“236

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Zweite Baustufe des Hotels

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Neuer Speisesaal mit den Deckenmalereien von Karl Lartschneider aus Meran

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Salon des Hotels Pragser Wildsee mit den zeittypischen Korbmöbeln. Otto Schmid hatte ein Faible für von der Decke herabhängende Dekorationen, hier ist es ein („Tiroler“) Adler

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Dem Autor fiel nicht auf, dass er in einem Atemzug Tourismusbauten positiv bzw. negativ bewertete, die zum Teil vom selben Architekten stammten. Zudem war ihm in Verbindung mit dem architektonischen Schema der genannten Betriebe entgangen, dass diese nach Baukastenmodellen entworfen wurden. Denn schon alleine damit wären sie einem Denkmodell zuzu­ordnen gewesen, das nicht zur modernisierungsverweigernden Haltung der Natur- und Heimatschützer passte. Das Eintreten der konservativen Gruppierung für ein – plakativ – „alpen­ländisches Bauen“ sollte sich für die Tourismusarchitektur des 20. Jahr­ hunderts noch als folgenreich erweisen. Nicht zuletzt deshalb wurden ihre Verfechter in der Zwischenkriegszeit manchmal auch als „Heimatschutzjammerer“237 bezeichnet.

Dritte Baustufe, 1928/1929 Nach der langen Stagnation des Tourismus im Ersten Weltkrieg und dem Einmarsch des italienischen Militärs, die im Pustertal am 13. November 1918 erfolgte238, eröffnete das Hotel Pragser Wildsee im Sommer 1919 erneut seine Tore.239 Nach dem Tod von Hermann Hellenstainer im Jahr 1915 lag die Führung des Hotels nun in den Händen seiner Schwester Josefine (1847–1936), die sich einen Geschäftsführer an ihre Seite holte, mit dem sie den Pragser Wildsee zu einer modernen Sommerferienregion umwandelte.240 1928 wurde beim Hotel ein Seebad errichtet und 1928/1929 das Zimmerangebot durch den Anbau eines weiteren Gebäudeflügels auf 180 erweitert. Damit einhergehend wurden auch neue Werbebotschaften benötigt, die vom Künstler Franz J. Lenhart (1898–1992) gestaltet wurden und die heute neben denen von Tony Grubhofer zu den bekanntesten des Südtiroler Tourismus im 20. Jahrhundert gehören. Der neue Gebäudeflügel erstreckt sich, leicht aus der Achse versetzt, in nordöstlicher Rich­ tung. Auch diese dritte Hotelerweiterung erfolgte ganz nach dem Schema, das von Otto Schmid schon drei Jahrzehnte früher vorgegeben worden war. Im selben Zeitraum wurde der ursprüng­liche Speisesaal um einen tiefergesetzten, wie eine geschlossene Veranda wirkenden Bereich vergrößert und diesem eine große Freiterrasse in Richtung zum Seeufer vorgelagert. In einem ebenerdigen Bauteil an der Rückseite des Gebäudes wurde zusammen mit einer Erweiterung der Küche samt Nebenräumen eine neue Touristenstube eingerichtet. Der Künstler Hugo Atzwanger (1883–1960) aus Bozen gestalte die Wandmalereien im Speisesaal. Schon damals betrachteten manche Beobachter das großen Gästeaufkommen am Pragser Wildsee als negative Entwicklung und sehnten sich nach der stillen, verträumten Bergidylle zurück, „die nur einzelne Wanderer und Ausflügler zu Gesicht bekamen […]. Im Hotel lebte nämlich und lebt heute noch der Geist der Frau Emma weiter, obwohl sie längst dahingegangen ist, und offenbart sich in jener eigenartigen Verbindung modernen Komforts mit altväterlicher Gasthofbehaglichkeit, bei der noch der letzte Gast etwas vom persönlichen Geist des Hauses und seiner Besitzer zu spüren bekommt.“241

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Winterimpression des Hotels Pragser Wildsee, zweite Hotelerweiterung in Bau

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Von Franz Lenhart gestaltete Werbemittel, 1931/1932

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Hotel Pragser Wildsee, um 1930

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Kapelle „Zur Schmerzhaften Muttergottes“ beim Hotel Pragser Wildsee, 1903/1904 (Benediktion: 3.7.1904) In mehreren Dokumentationen heißt es, dass der von Eduard und Hermann Hellenstainer finanzierte Bau der kleinen Kapelle nahe dem Hotel Pragser Wildsee auf persönlichen Wunsch ihrer hochbetagten Mutter Emma erfolgte. Es sollte ihr aber nicht mehr vergönnt sein, den Tag ihrer Fertigstellung zu erleben. Emma Hellenstainer starb im März 1904.242 Lobend wurde anlässlich der Benediktion des Gotteshauses hervorgehoben, dass die Hoteliers immer seltener würden, die entsprechend „der religiösen Pflichten von Seiten des Dienstpersonals und der katholischen Gäste“ bei ihren Häusern auch ein Gotteshaus errichteten.243 Die Entwürfe für die anfänglich noch sogenannte Waldkapelle stammten von Otto Schmid, der im selben Zeitraum auch die Realisierung eines Kirchleins in der Nähe seines Hotels in Sulden in Angriff nehmen wollte. Dabei stieß der Architekt aber auf so viele Widerstände, dass dieses erst 1911 eingeweiht werden konnte. Ein Blatt mit dem Originalentwurf von Otto Schmid wird im Hotel Pragser Wildsee aufbewahrt (dat. Juni 1903). In diesem Zusammenhang ist ungeklärt, ob ein von Tony Grubhofer stammendes, aber undatiertes Blatt mit einem kleinen Bethaus (in Blockbauweise?) den Bauplänen von Otto Schmid vorausging oder zeitgleich entstand bzw. ob dieses ein Konkurrenzprojekt darstellte. Otto Schmid entwarf eine stützenfreie Kapelle mit Vorraum und eingezogener Apsis, von der beidseitig Nebenräume ausgingen (ursprünglich als Sakristei bzw. als Zimmer für den Priester gedacht). Zu den reizvollen Details des kleinen Gotteshauses gehören neben seiner eingangsseitigen, schweizertümelnden „Ründi“ aus Holz sein weithin sichtbarer, spitzer Glockenturm. Das äußere Erscheinungsbild des Kirchleins ist genauso wie das des Hotels von seiner rauen Bruchsteinfassade geprägt. Die oberen Abschlüsse bilden zum Teil abgewalmte, schindelgedeckte Satteldächer mit reizvollen, geschweiften Dachfüßen. Im Inneren ist die Kapelle einfach ausgestattet, unter anderem gibt es ein Glasbild mit einer Mariendarstellung und eines mit dem Familienwappen der Familie Hellenstainer. Mit den Jahren wurde das Gotteshaus mit Geschenken prominenter Gäste bedacht. Dabei handelt es sich um mobile Gegenstände (z. B. Messgewänder) und um wandfeste Objekte (z. B. ein Mosaik mit einer Darstellung des hl. Hubertus, des Schutzpatrons der Jäger).

Entwurf für die Kapelle von Tony Grubhofer

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Entwurf für die Kapelle von Otto Schmid (oben)

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Hotel Plätzwiese für Hans Leipold, Prags

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1898–1900

Hotel Plätzwiese (auch: Dürrenstein, 1952 abgebrannt, heute: Hotel Hohe Gaisl), Plätzwiese 60,



I-39030 Prags



Kat.: P3.214, X7.422



Architektur: Musch & Lun, Meran



Dok./Lit.: TLMF (Abb.). Sammlung Caroline Heiss, Hotel Pragser Wildsee (Abb.). Sammlung Hotel Hohe Gaisl (Abb.). Der Burggräfler, 9.6.1900, S. 4.

Das Hotel Plätzwiese (ca. 2.000 Meter Seehöhe) zählte zu den schönsten Berghotels von Musch & Lun. Wie historische Postkarten und Abbildungen in einem Prospekt zeigen, verfügte das Haus über eine besonders qualitätsvolle Innenraumgestaltung in der Halle und im Speisesaal. Es war neben dem Hotel Brennerbad das letzte Projekt, dessen Innenräume noch „schlossähnlich“ eingerichtet wurden. Eine Reihe bemerkenswerter Skizzen und Detailpläne veranschaulicht die Entwürfe und Gestaltungsvarianten. Hans Leipold (biografische Daten unbekannt) übersiedelte von Würzburg nach MeranUntermais, wo er mit wirtschaftlichem Erfolg den Maiserhof führte.244 1894 erwarb er auf der Plätzwiese ein Grundstück.245 Schon ein Jahr später betrieb er dort ein Touristenhaus und zeigte sich als „fideler Wirt und guter Unterhalter“, wenn es galt, „eine ganze Gesellschaft bis spät in die Nacht hinein zu amüsieren“246, sodass am „Schluss der Mahlzeiten meist Champagner in Strömen“247 floss. In der Sommersaison 1899 verköstigte er täglich zwischen 100 und 200 Personen248, doch der Erfolg des Gastronomen löste auch Neid aus: „Von dem PlätzwiesenWirth, ein bekannter Meraner Hotelier, geht übrigens die böse Sage, daß man ihn das ganze Jahr gar nicht in Meran dulden würde, damit auch die anderen Hotels prosperieren könnten.“249 Kurz vor der Eröffnung seines auch Dürrenstein genannten Hotels am 1. Juli 1900 verkaufte Hans Leipold seinen Gasthof in Meran für 146.000 Kronen (ca. 1,037.220 Euro).250 Obwohl er als guter Geschäftsmann beschrieben wurde, ging sein Betrieb auf der Plätzwiese schon 1903 in Konkurs und sollte noch im selben Jahr versteigert werden.251 Da sich bei zwei Versteigerungen aber kein Interessent fand, übernahm Musch & Lun das Hotel, um damit die seit dem Bau offen gebliebene Rechnung von 135.000 Kronen (ca. 965.100 Euro) auszugleichen.252 1904 übernahm Alois Pahler (biografische Daten unbekannt) das Hotel. Er wurde ab dem Winter 1907 auch Betreiber des Hotels Graf von Meran, dessen Inhaber zeitweise Carl Lun war.253 Nach dem Ersten Weltkrieg lässt sich ein Besitzer namens J. Mittlich (biografische Daten unbekannt) dokumentieren.254 Die Plätzwiese bzw. die Plätzwiesen sind ein am Ende des Pragser Tals gelegenes Hochplateau. Die Bergregion ist sowohl von Norden über Prags als auch von Süden über Schluderbach erreichbar. Das Gebiet ist Ausgangspunkt für zahlreiche Bergtouren in die sogenannten Pragser Dolomiten (heute Teil des Naturparks Fanes-Sennes-Prags). Das Berghotel war möglicherweise

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Stereographie von der Plätzwiese (noch ohne das Hotel)

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Hotel Plätzwiese mit Nebengebäuden

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Schaubild des Erstentwurfs für das Hotel Plätzwiese (oben) und Ansicht des umgesetzten Projekts (unten) Hotel Plätzwiese, Rückseite und Prospekt (rechte Seite und Seite 161)

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nicht nur als Unterkunft für Alpinisten gedacht, denn es ist nicht auszuschließen, dass einhergehend mit seiner Errichtung die Weichen für die Entwicklung eines „Höhenkurorts“ gestellt werden sollten. Diese Idee wurde aber nicht umgesetzt und damit blieb das Almgebiet erhalten. Der Bau des Hotels erfolgte parallel zu dem am Pragser Wildsee, das am 9. Juli 1899 eröffnet wurde. An der touristischen Erschließung der besonders reizvollen Bergregionen am Ende des Pragser Tals wirkten demnach neben Hans Leipold noch andere Unternehmer wie Eduard Hellenstainer mit. Als Architekten wählten sie aber mit Musch & Lun bzw. Otto Schmid nicht mehr Weggefährten, sondern Konkurrenten. Denn Otto Schmid hatte sich damals bereits von der Tätigkeit des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ weitgehend distanziert – wenngleich die unternehmerischen Leistungen dieser Organisation Vorbild für die meisten weiteren Berghotels wie dem auf der Plätzwiese waren. In dieser zeitlichen Überschneidung dürfte zugleich aber auch der Grund liegen, weshalb sich die beiden Hotels äußerlich zwar glichen, in ihrem Inneren aber unterschiedlich ausgeführt wurden. Das Hotel Pragser Wildsee wurde als funktionelles „Alpenhaus“ konzipiert, wohingegen das Hotel Plätzwiese ungeachtet seiner exponierten Gebirgslage innen besonders repräsentativ eingerichtet wurde. Aus diesem Grund ist es nicht verwunderlich, dass anlässlich der Eröffnung des Hotels in einem Zeitungsbericht festgehalten wurde, dass Musch & Lun das Haus auf der Plätzwiese nach dem Vorbild des Hotels Karersee entworfen habe.255 Das Hotel verfüge über vierzig, mit „alpinem Komfort ausgestattete Fremdenzimmer“ und einen Speisesaal für 250 Personen. Die dem Gebäude vorgelagerte Veranda sei sogar „60 Meter“ lang. Der Nord-Süd ausgerichtete Hotelkomplex entstand neben dem bestehenden Touristenhaus von Hans Leipold und einem weiteren Gebäude, in dem sich wahrscheinlich die Wohnung des Wirts befand (Lageplan, Blatt Nr. P3_4375). Ein detailreich ausgeführtes Blatt zeigt die Hauptansicht des ursprünglich geplanten Projekts (Blatt Nr. P3_4380), das in der ersten Bauphase nur mit dem nördlichen Seitenflügel umgesetzt wurde. Dieser ebenerdige Anbau enthielt den Speisesaal (vgl. Blatt Nr. P3_4361). In der durch ein hohes Zwerchhaus akzentuierten Mitte des Hauptgebäudes befanden sich der Eingang und das Foyer. Ihnen war eine Loggia vorgelagert, darüber erstreckten sich hölzerne Balkone (Detailzeichnungen auf Blatt Nr. P3_4372). Seitlich der Eingangshalle wurden am Übergang zum Speisesaal ein Extrazimmer (Restaurant?) und auf der gegenüberliegenden Seite Gästezimmer eingerichtet. Die Anordnung von Küche und Nebenräumen erfolgte an der Hangseite. In den oberen Stockwerken wurden die Gästezimmer zweihüftig angelegt – übrigens 34 und nicht 40, wie im obigen Bericht angegeben. Die oberen Abschlüsse des einfachen Putzbaus bildeten Krüppelwalmdächer.

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Speisesaal mit den an mittelalterliche Tapisserien erinnernden Wandmalereien Grundriss Hochparterre, erster Stock und Dachgeschoss (linke Seite)

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Eingangshalle des Hotels Plätzwiese und Wandabwicklung (rechte Seite) und Detail der Holzsäulen (oben)

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Im Verhältnis zu den anderen Häusern des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ wurde beim Hotel Plätzwiese noch mehr Augenmerk auf die Einrichtung der Halle gelegt. Sie sollte im besonderen Maß die Atmosphäre einer spätmittelalterlichen „hall“ eines noblen (britischen) Herrenhauses oder Landsitzes vermitteln, weshalb man sie mit zwei reich verzierten Holzsäulen, einer Holzbalkendecke, umlaufenden Wandvertäfelungen und einem offenen Kamin ausstattete. In diesem Zusammenhang ist auf die zum Teil kunstvoll ausgeführten Blätter Nr. P3_4378, P3_4371, P3_4367, P3_4373 und P3_4374 hinzuweisen. Das Gestaltungskonzept wurde auf frühen Fotografien festgehalten. Die Eingangshalle gehörte zu den bemerkenswertesten, die Musch & Lun realisierte. Im zeitlichen Umfeld ihrer Entstehung fertigten die Mitarbeiter im Büro von Musch & Lun eine Reihe von Blättern an, die gotisierend eingerichtete Hallen für repräsentative Villen und Hotels zeigen (Kat. X3.373). Demnach konnten die Architekten des Hotels auf der Plätzwiese aus einem „Reservoir“ an Entwurfsideen schöpfen. Dem Foyer sollte der Speisesaal in nichts nachstehen, doch das ursprünglich geplante dreifach gewölbte Holztonnengespärre (Blatt Nr. P3_4379) wurde nicht umgesetzt. An seiner Stelle realisierte man eine flache Holzbalkendecke mit gekehlten Übergängen zu den Seitenwänden. Kronleuchter aus Metall hingen in den festlichen Raum herab. Die künstlerische Gestaltung der Wände erfolgte wie auch beim Hotel Pragser Wildsee durch Karl Lartschneider aus Meran.256 1952 brannte das Haus auf der Plätzwiese ab. Das heutige Hotel Hohe Gaisl entstand ab 1978 auf den Grundmauern der Brandruine.257 Bei der Neugestaltung der Herberge und insbesondere seiner Innenräume wollte man auf den historischen Bestand Bezug nehmen, wobei aber nicht auf das im Musch & Lun Archiv erhaltene Material zurückgegriffen werden konnte. Aus diesem Grund erfolgte eine freie Neuinterpretation der einst „schlossähnlichen“ Raumatmosphäre in diesem Hotel.

Postkarte, um 1900, in den 1920er Jahren in italienischer Sprache überstempelt

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Das Hotel Plätzwiese um 1950 im Winter (vor dem Hotelbrand)

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Pension Gudrunhausen für Marie Gröbner, Gossensass

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1898–1900

Pension Gudrunhausen (später: Hotel Gudrun), Alte Postgasse 8, I-39041 Gossensass



Bauphasen: 1934; 1936 Umbauten von Wilhelm Nicolaus Prachensky



Architektur: Musch & Lun, Meran (Ausführung von Jacob Amort aus Matrei am Brenner)



Kat.: G1.95



Dok./Lit.: TLMF (Abb.). Ennemoser, Günther, Beiträge zur Geschichte der Gemeinde Gossensass mit besonderer Berücksichtigung der Zeit von 1850 bis 1914, unveröff. phil. Diss., Universität Innsbruck, Innsbruck 1975, S. 113f.

Das erhaltene Planmaterial legt den Schluss nahe, dass die Pension 1898 von Musch & Lun für Marie Gröbner (1855–1937, auch: Tante Marie258) entworfen, aber vom Gastwirt und Baumeister Jacob Amort aus Matrei am Brenner (biografische Daten unbekannt) ausgeführt wurde.259 Das erklärt auch, warum die Einreichpläne des Baumeisters von den Vorlagen von Musch & Lun abweichen, z. B. wurden von ihm im Parterre (am Blatt Nr. G1_1790 fälschlich mit Souterrain bezeichnet) anstelle von Gästezimmern Räume für „Kohlensäure- und Medizinalbäder“ angelegt.260 Für den Bauplatz in Hanglage nahe dem heutigen Palasthotel entwarf Musch & Lun einen Putzbau mit rustizierter Sockelzone (Souterrain) und oberem Abschluss in Form eines traufenständigen Schopfwalmdachs. Die talseitige Fassade sollte durch übereinander gestaffelte hölzerne Balkone zwischen gemauerten Erkern und ein Zwerchhaus mit Glockentürmchen akzentuiert werden. Die asymmetrische Talfront rührt daher, dass der Baukörper an einer Seite den Speisesaal (darüber Gästezimmer) enthielt. In den oberen Geschossen wurden die neun Gästezimmer pro Stockwerk zweihüftig angeordnet. In einer Annonce hieß es, das Gebäude werde mit „vorzüglichem Quellwasser versorgt, besitzt Zentralheizung, elektrisches Licht, Glasveranda und eine die ganze Gegend überschauende Terrasse“.261 Zusammen mit der Pension Gudrunhausen wurde auch eine kleine Kapelle errichtet. Sie ist auf vielen Fotos und einer Zeichnung für Inserate von Tony Grubhofer zu sehen. Wahrscheinlich wurden aufgrund der Nachbesserung der fertigen Pläne (Einbau der Kuranstalt) schon bald weitere An- und Umbauten am Gebäude der Pension notwendig. Diese betrafen insbesondere Küche und Speisezimmer. Eines der in diesem Zusammenhang erhaltenen Blätter wurde von Josef Musch signiert (Blatt Nr. G1_1782), der sonst in die Hotelbauprojekte von Musch & Lun kaum eingebunden war. Die Pension Gudrunhausen ist ein gutes Beispiel für einen Hotelbau nach Baukastenmodell – der Entwurfsmethode, die Musch & Lun mehrfach anwendete und weiterentwickelte. Aus dem Urtyp am Karersee generierte das Meraner „Bureau“ in Form eines Modulprogramms mehrere Häuser unterschiedlicher Größe, wobei die Bandbreite von der kleinen Pension Gudrunhausen über den Rosengartenhof bis zum „Großhotel“ reichte. Zu den Gästen der Pension zählte auch Sigurd Christomannos. Er war der älteste Sohn von Theodor Christomannos. Als Kind kam er zusammen mit seiner Gouvernante Franziska Lutz nach Gossensass, die später den Vater ihres Schützlings heiratete.262 Die Pension von Marie Gröbner wurde später zwei Mal von Wilhelm Nicolaus Prachensky (1898– 1956) umgebaut. 1934 wurde die Halle verändert und 1936 erfolgte eine nicht näher beschriebene Neugestaltung.263 Der Betrieb wird noch heute als Hotel geführt, steht aber infolge weiterer baulicher Veränderungen nicht unter Denkmalschutz.

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Tony Grubhofer, Pension Gudrunhausen, Zeichnung für ein Inserat

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Überarbeiteter Plan des Parterres von Jakob Amort (oben), Kureinrichtungen (unten)

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Grundriss erster und zweiter Stock von Musch & Lun (oben), Ansichten und Schnitt (rechte Seite)

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Grundriss Parterre und erster Stock mit dem seitlichen Speisesaal-Anbau, und historische Postkarten (rechte Seite)

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Hotel Brennerbad für die Brennerbad-Gesellschaft, Brenner

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1900–1902

Hotel Brennerbad (auch: Grand Hotel Brennerbad, 1922 abgebrannt), Brennerbad, I-39041 Brenner

1901; 1903

Brunnen und Verkaufspavillon für das Hotel Brennerbad (Projekte?)



Architektur: Musch & Lun, Meran (aufbauend auf einem älteren Projekt von Jakob Norer, Innsbruck)



Kat.: B1.36, X3.366, X4.391, X7.423, X8.438



Dok./Lit.: TLMF (Abb.). Eller, Alois Karl, Die Brennerbadstiftung unter der Verwaltung der Stadt Sterzing



(1732–1899), unveröff. phil.-Diss., Innsbruck 1975 (Abb.). Trenkwalder, Alois, Brenner. Bergdorf und Alpenpass, Brenner 1999 (Abb.). www.tecneum.eu/index.php?option=com_tecneum&task=object&id=324 (27.8.2019).

Die Blätter zum Hotel Brennerbad zählen zu den schönsten im Archiv von Musch & Lun, darunter ein Schaubild und eine Hauptansicht (Blätter Nr. B4_0384 und B4_0387). Pläne für Baudetails, Dekorationen und Nebengebäude werden getrennt vom Hauptprojekt aufbewahrt, z. B. für die vorgehängten Konstruktionen in Holz im sogenannten Schweizer Holzstil (Blätter Nr. X8_6858, X8_6878 und X8_6881). Entwürfe für die schlichte Einrichtung der Zimmer finden sich unter Kat.: X3.366. Für das Hotel wurde ferner ein hölzerner Verkaufspavillon (Kat.: X4.391) gestaltet. Im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum ist eine Fotografie des Speisesaals erhalten. Sie entstand anlässlich der Eröffnung des Hotels am 1. Juli 1902 und zeigt auch anwesende Festgäste.264 Dokumente über die Brennerbad-Gesellschaft und noch aktive Nachfolgegesellschaften finden sich im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck und bei der Handelskammer Bozen.

Brennerbad Alois Trenkwalder schreibt, dass der auch als Wildbad Brenner (ca. 1.326 Meter Seehöhe) bekannte Kurort 1338 erstmals urkundlich erwähnt wurde. Nach einer ersten Blüte stagnierten allerdings die Gästezahlen, weil die Heilquelle durch Hangrutschungen verschüttet wurde.265 Der reguläre Badebetrieb wurde erst Anfang des 17. Jahrhunderts wieder aufgenommen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es unterschiedliche Informationen über die Wasserwärme gibt. Das rührt daher, dass sich die Temperatur des Heilwassers im Lauf der Jahrhunderte verändert haben dürfte, unter anderem aufgrund einer Trennung des kälteren vom wärmeren Wasser durch einen Stollen.266 Das Besondere an Brennerbad war, dass es nicht nur von elitären Gesellschaftskreisen aufgesucht wurde, sondern traditionell auch von Ärmeren. Aufgrund der engen Bindung dieses Kurbads an die Kirche mussten aber die Bedürftigen, die hier kostenlos kuren wollten, ein Armutszeugnis und einen Beichtzettel vorlegen.267 Der eigentliche Aufschwung des Badebetriebs erfolgte nach Inbetriebnahme der Brennerbahn im Jahr 1867 und der Eröffnung einer eigenen Haltestelle zwei Jahre später. Waren es 1859 noch ca. zweihundert Gäste, so stieg ihre Zahl 1872 auf ca. 800 und 1873 rasch auf ca. 1.300.268 Aufgrund der guten Erreichbarkeit des Kurortes kamen nun auch vermehrt zahlende Gäste. Das hatte zur Folge, dass die verschiedenen Publikumsschichten in mehreren Gebäuden untergebracht wurden. Um 1850 entstand mit dem in der Folgezeit etappenweise vergrößerten Geizkoflerhaus eine neue Unterkunft. Mittellose Badegäste wohnten hingegen in einem Armenbad, das jedoch auf Verlangen der Südbahn-Gesellschaft 1867 einem Neubau weichen musste und an anderer Stelle neu errichtet wurde.269 Die ärmeren Gäste wurden dadurch zunehmend vom zahlenden Publikum verdrängt. Auf diese Weise wird anschaulich, welchen Druck der systematische Fremdenverkehr auf bestehende sozioökonomische Gefüge am Kursektor – z. B. in einem vormaligen „Badl“ – erzeugte.

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Den „Reizen“ des prosperierenden Tourismusgeschäfts konnte sich auch die Stadt Sterzing nicht entziehen. Die Gemeinde war seit 1731 Besitzerin der Heilquelle samt Geizkoflerhaus und Armenbad. Infolge der Aufnahme des Bahnbetriebs und der positiven Entwicklung der Gästezahlen bemühte sie sich, noch weitere Grundstücke und Gebäude für den Ausbau des Kurorts anzukaufen.270 1868 erwarb sie den „halben Oberwieshof mit dem Badhaus“271, auf dem zuerst der Sterzingerhof (auch: Sterzinger Hof) erbaut wurde. Aus diesem Gebäude ging das spätere Hotel Brennerbad von Musch & Lun hervor.

Sterzingerhof Ursprünglich wollte die Stadt Sterzing in Zusammenarbeit mit Jakob Norer (1828–1906)272 aus Innsbruck ein großes Bauvorhaben verwirklichen. Der Baumeister entwarf ein einfaches, U-förmiges „Bad- und Wohnhaus“ mit 90 zweihüftig angeordneten Zimmern, von dem aber nur ein Seitenflügel mit einer Kurabteilung im Erdgeschoss und darüberliegenden Gästetrakten umgesetzt wurde. Der anfänglich konzipierte, relativ schmucklose Bau sollte im Parterre neben dem Eingang einen zweiteiligen Speisesaal und „Badzellen“ enthalten. Über dem Haupteingang war in der Beletage ein weiterer, über zwei Stockwerke reichender Saal geplant. Den oberen Abschluss sollten Satteldächer bilden. In seinem funktionalen Erscheinungsbild hätte der Bau eher wie ein Hospiz aus früheren Zeiten gewirkt. In einem Zeitungsbericht anlässlich der Eröffnung des Gebäudeflügels im Juli 1873 hieß es: „In diesem dreistöckigen Gebäude befinden sich 45 Zimmer mit 50 Betten für die Kurgäste, ein kleinerer und ein größerer Speisesalon; dazu kommen noch die Badezimmer erster und zweiter Klasse. Es ist ein Flügelgebäude mit der Langseite nach Osten gerichtet, das Portal ist an der Südseite angebracht. […] Zum Ausbau des zweiten Flügels, der sich nach der Südseite ausdehnen wird, auf der Stelle, wo das alte Wirtshaus an der Landstraße und die alten Stallungen und Stadel, sämtliche zur recht baldigen Destruierung reif, sich befinden, ist bereits der Anfang gemacht. Das Gebäude [wird, Anm.] Sterzinger Hof getauft (noch mangelt die Aufschrift), scheint technisch gut, und nach allgemeinem Urtheile bequem und wohnlich im Ganzen und in den einzelnen Theilen gebaut zu sein. Sämtliche Zimmer sind hoch, die Säle dekoriert und mit hübschen Lustern versehen. Die Küche entspricht ganz und läßt keinen Dampf aus. […] Die Zimmer und Säle sind nett, einfach und für die Badezeit hinlänglich eingerichtet; […].“273 Das geplante Bauprojekt blieb nach 1873 unverwirklicht, weil der Stadt Sterzing die finanziellen Mittel für seine Fertigstellung fehlten. Die von Alois Karl Eller dokumentierten Erwägungen der Gemeinde, den Kurkomplex doch noch zu vollenden, weisen darauf hin, dass in der auf die Gründerzeit folgenden Periode des Wirtschaftsabschwungs kapitalintensive Investitionen im Tourismus nicht mehr leichtfertig getätigt wurden.274 In dieser Periode wurden auch andere Großhotels nicht wie geplant eröffnet, z. B. der Meranerhof in Meran. Eller berichtet ferner, dass die Stadt Sterzing im Lauf der 1880er Jahre auch infolge der gestiegenen Löhne für das Personal den Bau nicht mehr vorantrieb.275 In den Folgejahren bemühte sich die Gemeinde gemeinsam mit dem Pächter des Sterzingerhofs, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Beispielsweise wurde eine Ausweitung des Kurangebots für Lungenkranke erwogen, schließlich aber nicht weiterverfolgt. Zunehmend sank auch der Standard der medizinischen Versorgung der Gäste und die Hygiene der Bäder war ebenfalls nicht mehr zeitgemäß.276 Diese Entwicklungen waren ein Grund dafür, dass eine Vervollständigung der schlichten Kuranlage nach den Entwürfen Jakob Norers kaum mehr gefordert wurde.

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Grundriss, Seitenansicht und Schnitt des Sterzingerhofs von Jakob Norer

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Dies nicht zuletzt, weil das Gestaltungskonzept des Baumeisters aus den frühen 1870er Jahren zunehmend aus der Mode gekommen war und im Lauf der Zeit das architektonische Erscheinungsbild von Tourismuseinrichtungen zunehmend an Stellenwert gewonnen hatte. Daher suchte man nach einem neuen, vorbildlichen Gestaltungsschema für die Fertigstellung der Kuranlage, das naheliegenderweise im Hotel Karersee gefunden wurde.

Badkirchlein „Maria Hilf“ (Benediktion: 20.7.1886) Gegen Ende der 1870er Jahre wünschten sich vor allem hier kurende Geistliche ein neues, größeres Badkirchlein.277 Seine Errichtung musste aber durch eine Art Bausteinaktion finanziert werden, weil die Kuranstalt damals schon so verschuldet war, dass die Gemeinde Sterzing als Verwalterin des Brennerbads kein weiteres Bauvorhaben in Angriff nehmen wollte. Alois Karl Eller schreibt: „Die lange Dauer der Ausführung dieses Vorhabens beweist, wie baumüde die Badverwaltung geworden war. Nachdem am 6. September 1882 gleich neben dem Sterzingerhof auf einer Anhöhe der Grundstein zu dem neuen Kirchlein […] gelegt worden war, wurde in der Bürger-Ausschuß-Sitzung [von Sterzing, Anm.] vom 21. April 1883 noch darüber diskutiert, ob der Bau dieses Kirchleins weitergeführt oder ob von demselben ganz abgegangen werden solle.“278 Schließlich entschied man sich aber doch, den Bau fortzusetzen. Zwischen dem Badkirchlein und dem Kurkomplex verlief die Eisenbahnstrecke Innsbruck-Verona. Die Gestaltung des Gotteshauses erfolgte durch den erfahrenen Diözesanarchitekten Josef von Stadel (auch: Vonstadel, 1828–1893) mit drei Altären.279 Ursprünglich verfolgte auch er den Plan, einen größeren Sakralbau zu realisieren. Die Verkleinerung erfolgte jedoch auf Wunsch der Stadt Sterzing. 1918 wurde das Kirchlein von italienischen Soldaten seines Inventars beraubt und verwüstet.280 Heute liegt der verwaiste Bau direkt neben der Autobahn.

Ferdinand Langguth, Pächter des Sterzingerhofs In Verbindung mit dem Sterzingerhof ist ferner zu erwähnen, dass dieser zwischen 1884 und 1899 von „Frau Stotz“ (biografische Daten unbekannt), einer früheren Besitzerin der Brauerei Starkenberg im Nordtiroler Tarrenz, gepachtet wurde. Sie führte den Betrieb zusammen mit ihrem Schwiegersohn Ferdinand Langguth (1845–1925), der später ein besonders innovationsfreudiger Hotelier in Meran-Obermais wurde.281 Eller resümiert: „Die Pächter LangguthStotz waren pflichtbewußte und tüchtige Leute. Herr Langguth brachte im Sommer das Dienstpersonal von Obermais nach Brennerbad, und dadurch war er in der Lage, stets und auf viele Jahre gute und verläßliche Dienstboten zu haben. Der Pächter hielt eine musterhafte Ordnung und, ‚obwohl er evangelisch, sorgt er, daß das Dienstpersonal die Sonn- und Festtage den religiösen Pflichten nachkamen‘. Langguth führte Badekarten ein, eröffnete ein Korrespondenzbüro (1888), machte viele Neuanschaffungen (u. a. Waschtische und Klosetts) und ließ einen neuen elektrischen Zimmertelegrafen im Sterzingerhof einbauen.“282

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Badkirchlein mit dem unvollendet gebliebenen Sterzingerhof (Bildmitte)

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Ferdinand Langguth Ferdinand Langguth, geboren 1845 im Eichsfeld (Thüringen), gestorben 1925 in Meran. Er kam 1868 als 23-Jähriger nach Meran und arbeitete zunächst als Kellner im Hotel Haßfurther. Dessen Besitzer, Carl Haßfurther sen. (?–1914), stammte ebenfalls aus Thüringen und begann seine Laufbahn in der Hotellerie als Kellner. 1871 verließ Langguth die Passerstadt und arbeitete einige Jahre in Hotels in Belgien, Frankreich und England. 1884 kehrte er nach Tirol zurück und heiratete Marie Stotz (?–1901). Das Paar hatte sechs Kinder, von denen zwei, Maria und Oskar, später das Hotel Austria (heute: Hotel Adria) übernahmen. Gemeinsam mit seiner Schwiegermutter, die vorher in der Brauerei Starkenberg in Tarrenz tätig gewesen war, war Langguth von 1884 bis 1899 Pächter des Sterzingerhofs in Brennerbad. 1885 erwarb das Ehepaar Langguth in Meran-Obermais eine Bauparzelle und errichtete dort nach Plänen von Musch & Lun das Hotel Austria. Ein paar Jahre später kaufte es ein größeres Grundstück an der dortigen Dantestraße und realisierte abermals nach Entwürfen von Musch & Lun die Villa Imperial, die als Pension geführt wurde. 1899 bemühte sich Langguth vergeblich, den Komplex des Brennerbads samt Nebengebäuden zu übernehmen. Aus diesem Grund versuchte er wenig später, nahe dem Hotel in Brennerbad ein eigenes Bauvorhaben zu verwirklichen, ließ das Projekt aber aus familiären Gründen wieder fallen. Zeitweise war er im Vorstand des Kurvereins von Meran-Obermais und anderen Organisationen tätig. Ferdinand Langguth war seit Beginn der Zusammenarbeit von Josef Musch und Carl Lun ein wichtiger Auftraggeber des „Bureaus für Architektur und Ingenieurbau“ in Meran.

In Zusammenarbeit mit Musch & Lun ausgeführte Bauten und Projekte: 1908 Umbau der 1881 von Musch & Lun errichteten Villa Johanna Gärtner in die Villa Johanna für Ferdi­nand Langguth (vollständig über­baut), Wal­der­gasse 138 (heute: Her­mann-Gilm-Weg 2), I-39012 Meran. 1885; 1914 Hotel-Pension Austria (heute: Hotel Adria) für Ferdinand Langguth, Waldergasse 137 (heute: Hermann-Gilm-Weg 2), I-39012 Meran. 1892/1893 Villa Imperial/Pension für Herrn Ferdinand Langguth, Dantestraße 51–53, I-39012 Meran. 1902; 1909/1910 Hotel Langguth für Ferdinand Langguth (Projekt), für einen Standort nordöstlich des Wechselhofs, I-39041 Brenner.

Quellen: Meraner Zeitung, 5.11.1925, S. 2. Eller, Alois Karl, Die Brennerbadstiftung, S. 114, 179, 207 ff. Pixner-Pertoll, Anna, Ins Licht gebaut, S. 93. Rohrer, Josef, Geschichte des Hotels AustriaAdria, Auftragsforschung für Florian Ellmenreich, Hotel Adria, Manuskript, Meran 2014, S. 5 (mit freundlicher Genehmigung von Florian Ellmenreich, Hotel Adria).

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Die Passage veranschaulicht, wie rasch auch andere Unternehmer dazu übergingen, das von Elise Überbacher und ihrem Mann im Dolomitenhotel Toblach eingeführte Zwei-Saisonen-System zu übernehmen. Ferdinand Langguth erwies sich auch sonst als tüchtige Führungsperson, „obwohl“ er Protestant war und es sich daher für ihn schwierig gestaltete, im Tourismusgeschäft Fuß zu fassen. Über ihn heißt es, dass er in Brennerbad, wo es wenig Abwechslung für die Gäste gab, z. B. für die Errichtung von Spazierwegen mit schattenspendenden Ahornbäumen und Sitzbänken sowie den Bau einer Kegelbahn sorgte.283 Er hatte aber noch weitere Pläne.

Brennerbad-Gesellschaft 1899 – im Vorfeld der Veräußerung bzw. Überleitung des zunehmend in die Jahre gekommenen Brennerbads in die Brennerbad-Gesellschaft – interessierte sich auch Ferdinand Langguth für einen Ankauf der Kuranlagen samt Nebengebäuden und -einrichtungen.284 Alois Karl Eller schreibt aber, dass der Pfarrer der Gemeinde Brenner und Mitglied der Brennerbad-Gesellschaft damals in seiner Chronik notierte, dass ein Verkauf des Brennerbads an Protestanten und Juden285 bzw. von Anhängern der säkularen, sogenannten „Abfall-von-Rom-Bewegung“286 eine Bedrohung für die katholische Kirche bedeutet hätte. Unter diesen Voraussetzungen gestattete der Fürstbischof von Brixen die Bildung eines Vereins namens Brennerbad-Gesellschaft, in den auch Mittel aus verschiedenen Diözesanfonds flossen.287 Das unverkennbare Vorbild der gemeinnützigen Organisation war der „Verein für Alpenhotels in Tirol“.288 Das war umso verwunderlicher, als der Klerus in dieser Zeit dem neu aufkommenden Tourismus noch kritisch gegenüberstand. Möglicherweise sollte aber auf diese Weise eine Fremdlenkung und „Entweihung“ des Kurwesens – das ja traditionell an Kirche und Gebet gebunden war – Einhalt geboten werden. Vor diesem Hintergrund ist an dieser Stelle vorwegzunehmen, dass der bekannt „anti-klerikal“ gesinnte Theodor Christomannos anlässlich der Eröffnung des Hotels am 2. Juli 1902 eine schwungvolle Rede hielt, in der er „den erfreulichen Umschwung der Anschauungen in den konservativen Kreisen zugunsten des Fremdenverkehrswesens“ festhielt und auf die Brennerbad-Gesellschaft „toastierte“289.

Gruppenbild anlässlich der Eröffnung des Hotels, 2. Juli 1902

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Am 20. Oktober 1900 wurde der Grundstein für den Bau des Grand Hotels Brennerbad gelegt.290 Wahrscheinlich gelangte Musch & Lun noch über Ferdinand Langguth zum Auftrag für dieses prestigeträchtige Projekt, das die Alleinstellung des Meraner „Bureaus“ im Hotelbau nur noch einmal unterstrich. Langguth selbst plante wenig später schon ein eigenes Projekt im Umfeld des Brennerbads. Siehe dazu an anderer Stelle in diesem Katalog. Die Brennerbad-Gesellschaft wurde hauptsächlich dazu gegründet, um das neue Bauvorhaben anzuschieben. Vereinszweck waren der Ankauf und Betrieb des Brennerbads für eine Dauer von zwanzig Jahren, das Grundkapital betrug 600.000 Kronen (ca. 4,262.600 Euro). Unter den Hauptinvestoren war die Diözese Brixen, weshalb die Brennerbad Gesellschaft ihren Sitz in Brixen hatte (konstituierende Generalversammlung, 27.6.1899). Die Stadt Sterzing blieb aber die Verwalterin der Stiftung. Die meisten Aktionäre stammten aus klerikalen Kreisen.291 1901 und 1902 wurde wahrscheinlich vor dem Hintergrund des Bauvolumens des Großhotels Brennerbad das Kapital um 10.000 Kronen (ca. 72.670 Euro) aufgestockt.292 Die Brennerbad-Gesellschaft wurde genauso wie der „Verein für Alpenhotels“ nach Inkrafttreten des Reichsgesetzes vom 6. März 1906 in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung übergeleitet. Die Umwandlung erfolgte am 14. November 1907.293 Das voll eingezahlte Stammkapital betrug damals 985.000 Kronen (ca. 6,230.500 Euro). Im Gesellschaftsvertrag wurde festgehalten, das Brennerbad soll weiterhin so geführt werden, „daß es allen Schichten der Bevölkerung zugänglich“294 bleibt. Obwohl das Hotel Brennerbad normalerweise gut belegt war und – wie Eller schreibt – vor allem bei Frauen gut ankam295, war die jährliche Sommersaison zu kurz, um den Kurbetrieb wirtschaftlich zu führen. Außerdem wollte man das Hotel als Nachkurort profilieren, was bedeutete, dass man die Angebotsgestaltung danach ausrichten musste. Wie aus einem im Tiroler Landesmuseum erhaltenen Hotelprospekt hervorgeht, sollten ein hochwertiges Ambiente und eine Diversifikation der touristischen Dienstleistungen Fremde zur Nachkur anlocken. Dafür bot ein Aufenthalt in Brennerbad im Vergleich zu anderen Orten aber zu wenig Abwechslung. Da der Gesundbrunnen zudem den Ruf eines Armenbads hatte, zog er langfristig zu wenig gehobenes Publikum an. Hinzu kamen Wetterschwankungen, welche die wirtschaftliche Situation des Hotels Brennerbad maßgeblich beeinflussten. Daher hieß es im Protokoll der Generalversammlung 1911, dass der Besuch wetterbedingt bis Ende Juli schlecht war und die Saison aus demselben Grund im September viel zu früh abgebrochen werden musste. Nachdem auch die Lebensmittelpreise gestiegen seien, konnte man trotz einer „starken Frequenz in der Hochsaison“ (mit ca. 1.950 Gästen296) kein „befriedigendes Erträgnis“297 erzielen.

Hotel Brennerbad Musch & Lun vervollständigte den Baubestand des Sterzingerhofs nicht wie ursprünglich vorgesehen in U-Form, sondern schloss an den „Norer-Flügel“ einen aus mehreren Bauteilen bestehenden, gestreckten Riegel an. Auf diese Weise gelangte der Komplex zu seinem ungewöhnlichen Zuschnitt. Dieser bot aber den Vorteil, dass der Hauptteil des Baukörpers werbewirksam auf die Trasse der Brennerbahn gerichtet war (vgl. Schaubild, Blatt Nr. B4_0384298). Wie aus zwei Lageplänen (Blätter Nr. B4_0383 und B4_0382) hervorgeht, befanden sich am Baugrund noch Nebengebäude und Stadel, die für die Errichtung des Hotels abgerissen wurden. Das Hotel wurde derart platziert, dass zwischen ihm und der Badkirche die Eisenbahnstrecke Innsbruck–Verona verlief. An der Rückseite des Baukörpers führte die damals noch sogenannte „Reichsstraße“ vorbei. Diese Verkehrsverbindung wurde – ebenfalls optisch effektvoll – im Zuge des Hotelbaus an die Rückseite des Komplexes verlegt.

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Skizze, welche die Zusammenführung des Sterzingerhofs mit dem neuen Hotel zeigt

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Hotel Brennerbad, Hauptansicht

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Hotel Brennerbad, Hauptansicht, Grundriss Erdgeschoss und erster Stock (linke Seite) Detail Erker und Balkon (rechts)

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Hotel Brennerbad, Postkarte (oben) Ansicht von Südwesten und Seitenfassade (rechte Seite)

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Der Situationsplan auf Blatt Nr. B4_0383 ist ferner deshalb bemerkenswert, weil hier auch das Hotelprojekt zu sehen ist, das von Musch & Lun wenig später für Ferdinand Langguth entworfen, aber nicht verwirklicht wurde. Das Hotel Brennerbad setzte sich aus dem „Norer-Flügel“ mit der Kuranstalt und dem Neubau zusammen. Das Hotel wurde in südwestlicher Richtung im 90-Grad-Winkel an den Altbau angeschlossen. Ganz dem wiederholt zum Einsatz gelangten Baukastensystem „Modell Karersee“ entsprechend, wechselten höhere (als Risalite ausgebildete) und niedrigere, traufen- und giebelständige Bauteile einander ab. Den südlichen Abschluss des L-förmigen Komplexes bildete ein niedriger Anbau mit dem Speisesaal. In seinem Souterrain befand sich eine der sogenannten Unterküchen.299 Die oberen Abschlüsse der Baukörper bildeten jeweils weit heruntergezogene Schopfwalmdächer. Wichtige Bauteile (Haupteingang, Speisesaal) wurden mit folkloristisch anmutenden Glockentürmchen akzentuiert (Blatt Nr. X8_6958). Zu den äußeren Gestaltungsmerkmalen des Hotels Brennerbad gehörten ferner die vorgehängten hölzernen Balkone nach dem Vorbild des sogenannten Schweizer Holzstils, zu denen das Büro von Musch & Lun – wie oben bereits erwähnt – besonders schöne Detailzeichnungen anfertigte. Die Fassaden des Baukörpers wurden bis zur Höhe des zweiten Obergeschosses mit örtlichem Steinmaterial verkleidet und nur die darüberliegenden Partien verputzt und mit Blendfachwerk dekoriert. Der „Norer-Flügel“ blieb in seiner Form als Putzbau bestehen und lediglich in Bezug auf seine äußeren Gestaltungsmerkmale in das neue architektonische Konzept integriert. Auf diese Weise war kaum mehr zu erkennen, dass es sich hier um einen bereits 1873 fertiggestellten Bauabschnitt handelte.

Hotelhalle (oben) Speisesaal und Detail des Dachwerks (rechte Seite)

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Musch & Lun gestaltete und produzierte typisierte Einrichtungen für die Gästezimmer

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Das Hotel Brennerbad war unter den ersten, deren Innenräume auf Fotografien festgehalten wurden. Auf diese Weise gewähren sie Einblick in die Raumatmosphäre eines Großund Kurhotels um 1900. Im Parterre des „Norer-Flügels“ befanden sich die Kuranstalt und eine Ordination. Das Angebot war breit gefächert und umfasste Hydrotherapien (Thermal-, Sole-, Fichtennadel-, Moor-, Schwefel- und Dampfkastenbäder) sowie elektrische Lichtund Heißluftbäder, Kohlensäurebäder, temperierte Wasser- und Dampfduschen. Darüber hinaus gab es innovative Apparate für „Elektrotherapien, Vibrationsmassagen mittels Elektromotoren und Röntgeneinrichtungen“300. Kuranstalt und Hotel konnten über getrennte Eingänge erreicht werden. An den Haupteingang des Hotels schloss eine besonders repräsentativ ausgestattete Hotelhalle mit offenem Kamin und Wandmalereien des Künstlers Karl Lartschneider an, der mehrfach für Musch & Lun arbeitete.301 Wie in den meisten Hotels von Musch & Lun ging dieser Bereich direkt ins Treppenhaus über. Zweihüftig wurden an beiden Seiten des Verbindungsgangs zum Speisesaal das Restaurant und Gesellschaftsräume angeordnet, unter anderem ein „Conversationszimmer“, ein Billardraum, ein Spielzimmer, ein Leseraum, ein Damenzimmer und ein DamenSchreibzimmer. Die Einrichtung der Gesellschaftsräume veranschaulicht, dass das Hotel Brennerbad am Übergang in eine neue Ära der Architektur und Innenraumgestaltung von Hotels entstand. Während in der Hotelhalle weiterhin ein „schlossähnliches“ Raummilieu vorherrschte, wurden andere Bereiche barockisierend mit schwereren Polstermöbeln, Tapeten, Teppichen und Vorhängen eingerichtet. Den meisten, in Südostrichtung angeordneten Räumen waren große, offene Veranden vorgelagert. Der festliche Speisesaal sollte ursprünglich ganz im Sinn von Vorgängerbauten wie dem Hotel Trafoi mit einem dreifach geschwungenen Holztonnengespärre nach oben abgeschlossen werden (vgl. Blatt Nr. B4_0397). Wie aber Fotografien zeigen, wurde ein einfacheres Dachwerk umgesetzt. Kurgäste konnten im Hotel Brennerbad durchaus „herrschaftlich“ wohnen. Die 150 Zimmer wurden so angeordnet, dass sie zum Teil zu Suiten (mit oder ohne Privatsalon) zusammengelegt werden konnten. Einzelne Zimmer im „Südturm“ waren besonders vornehm. Sie verfügten nicht nur über ein eigenes Vorzimmer sowie einen Erker oder Privatbalkon, sondern auch über einen Alkoven. Dabei handelt es sich meistens um eine fensterlose Bettnische, die mit einem schweren Vorhang vom Salon getrennt werden konnte. Siehe dazu im dritten Kapitel dieses Buches. Wie das erhaltene Planmaterial zeigt, wurden in den oberen Stockwerken des Hotels keine Badezimmer eingerichtet, sondern nur WCs. Die bereits bestehenden Gästezimmer im „Norer-Flügel“ wurden als Einzelzimmer in den neuen Hotelkomplex integriert. Eine Besonderheit stellen sieben Blätter mit Möbelentwürfen für die Zimmer dar (Blätter Nr. X3_6481 bis X3_6486 und X3_6488). Wie auch Fotografien zeigen, wurde ein funktionales Möbelprogramm mit dekorativen Metallbeschlägen gestaltet. Unklar bleibt in dem Zusammenhang nur, ob das Mobiliar in der Fabrik von Musch & Lun auch hergestellt wurde. Das Hotel verfügte über eine moderne Haustechnik, unter anderem elektrische Beleuchtung, einen Aufzug in die oberen Etagen und eine Niederdruck-Dampfheizung.

Brunnen und Verkaufspavillon Hotel Brennerbad (Projekte?) Musch & Lun gestaltete für das Hotel Brennerbad auch bemerkenswerte Kleinprojekte, z. B. 1901 einen Kalt- und Warmwasserbrunnen mit Sitzgelegenheiten (Blatt Nr. X8_6955 von Josef Musch?) und 1903 einen Verkaufspavillon (vgl. Kat.: X4.391), der wahrscheinlich als Ersatz für ein ähnlich aussehendes, älteres Projekt vor dem Eingang in den Sterzingerhof entworfen wurde.302

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Verkaufspavillon, Ansicht

In der Trogmitte des Brunnens sollte eine Säule platziert werden, an der sich zwei Schlangen (Äskulapnattern?) als Wasserspeier emporschlingen. Zugleich sollte sie als Abstellfläche für die Trinkbecher der Kurgäste fungieren. Im Verkaufspavillon fanden getrennt voneinander ein Blumenladen, ein Frisör und eine Buchbzw. Papierhandlung Platz. In der Dachkammer darüber befand sich ein Lagerraum. Den oberen Abschluss der massiven Holzkonstruktion bildete ein geschindeltes Satteldach mit einem Giebelschmuck in Form von zwei sich überkreuzenden Ziegenköpfen (Blatt Nr. X4_6583). Leider ist von beiden Projekten nicht bekannt, ob sie umgesetzt wurden.

Das Hotel Brennerbad im Ersten Weltkrieg Alois Karl Eller berichtet ausführlich über die Situation des Hotels während des Ersten Weltkriegs.303 Zeitweise diente das Gebäude ausschließlich als Unterkunft für Militärs bzw. als Erholungsheim für Offiziere, 1917 wurde es zusätzlich für Zivilpersonen geöffnet. „Der Besuch der Badeanstalt soll für kurze Zeit sehr groß gewesen sein, doch mußten viele Gäste wegen Fehlens von Lebensmitteln abgewiesen werden.“304 1918 wurden wieder alle leerstehenden Häuser am Brenner für die Einquartierung von Truppen benötigt.305 Ihr Abzug erfolgte im November. „Am 10. November kam um 16 Uhr das erste italienische Auto mit General Raffi und anderen Offizieren am Brenner an. Am 13. November 1918 wurden die Brennerbadhäuser von italienischen Truppen besetzt, und diesen folgten am 22. Dezember das fünfte AlpiniBataillon (‚Adamello‘). […] Bis zum 23. Dezember 1918 befanden sich in [den Fraktionen, Anm.] Brennerbad, Wolfen und Brennerpost 5.500 italienische Militaristen. Diese italienischen Truppen hatten ihre Mulis in der Küche, in der Tiroler Weinstube, in der Wäscherei, in den Badstuben, im Bürgerhaus und im Empfangsraum des Hotels untergebracht. Beim Abzug nahmen die Soldaten alles, was brauchbar war, mit. Sogar in das Badkirchlein war man eingedrungen und hatte Verschiedenes gestohlen (Kirchenwäsche, Alben usw.). […] Das Hotel wurde nach Kriegsende nicht mehr geöffnet. Vom 20. auf den 21. November 1922 brach in demselben ein Brand aus, der dieses völlig zerstörte.“306

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Hotel und Pension Wenter für Amalie Wenter, Graun

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1900–1902

Hotel und Pension Wenter (1950 vor der Flutung des Reschensees abgetragen), I-39027 Graun



Architekt: Otto Schmid, Sulden-Innsbruck



Kat.: TOUR



Dok./Lit.: Touriseum (Abb.).

Das Hotel Wenter ist neben Schloss Enn aktuell das einzige Bauvorhaben von Architekt Otto Schmid, zu dem Originalpläne erhalten sind. Die Blätter TOUR_4106025 und TOUR_4106026) zeigen aber leider nur Schnitte und Fassaden, die dazugehörigen Grundrisse fehlen. In seiner Entstehungszeit lautete der Projektname des Hotels „Villa Wenter“. Das Haus wurde am 20. Juli 1902 feierlich eröffnet.. Das Tiroler Volksblatt berichtete am 19.1.1898: „Frl. Amalie Wenter, Private in Meran307, hat mit gestern abgeschlossenem Kaufvertrage von Jos. Lechthaler, Bauersmann in Graun (Vintschgau), die letzterem gehörige Realität im Ausmaße von 1 Joch 2460 k erworben und gedenkt auf diesen Grundstücken ein Haus für Sommeraufenthalt zu errichten. Der Kaufpreis beträgt 1.700 fl.“308 Die Summe entsprach ca. 24.770 Euro. Damit gehörte das Hotel Wenter neben denen von Emma Hellenstainer und Elise Überbacher-Minatti zu den frühen Tourismusbetrieben in Südtirol, die von einer Frau erbaut bzw. geführt wurden. 1905 heiratete Amalie Wenter (1862–1934) den in Graun ansässigen Müller und Sägereibesitzer Gottfried Plangger (?–1947), der nach ihrem Tod das Hotel weiterführte.309 Auf ihrem Sterbebild wurde sie zudem als Besitzerin der Villa Reingold bezeichnet. Dabei handelte es sich um eine Immobilie in Reschen, die sie 1922 zu günstigen Konditionen von einem Amerikaner erwarb und damit vor der Italianisierung bewahrte.310 In mehreren Quellen heißt es, dass man von dem auf einer Seehöhe von 1.488 Metern gelegenen Hotel Wenter eine besonders gute Aussicht auf die umliegenden Berge im Ortlergebiet und im Engadin hatte. Leider lässt sich die landschaftliche Einbettung des Hotels heute nur noch anhand von Fotografien dokumentieren. Otto Schmid platzierte das Nord-Süd-ausgerichtete Gebäude – genauso wie das Hotel Sulden – auf einem kleinen Plateau über dem Talboden, und wie schon den Vorgängerbau erreichte man es über eine Zufahrt, die der Architekt dem Baukörper vorlagerte. Otto Schmid behielt auch bei der Gestaltung dieses Hotels sein erprobtes Entwurfsschema von zwei ineinander übergehenden Bauteilen bei, wenngleich hier die klare Trennung der Funktionen fehlte. Der nördliche Abschnitt des Gebäudes enthielt den Speisesaal und im Stockwerk darüber Zimmer, der südliche diente wahrscheinlich nur als Gästetrakt. Eine seltene Fotografie vermittelt den Eindruck von einer gutbürgerlichen Raumatmosphäre im vergleichsweise kleinen Speisesaal. Der Gästetrakt war mit seinen fünf Fensterachsen im Rhythmus 1:2:2 asymmetrisch gegliedert. Das äußere Erscheinungsbild des Hotels entsprach dem eines einfachen „Alpenhauses“ mit Fassaden aus rauem Bruchsteinmauerwerk, das in der Region gewonnen wurde. Den oberen Abschluss bildeten traufenständig angeordnete Satteldächer, in die zweistöckige Zwerchhäuser eingesetzt wurden.

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Wie die erhaltenen Entwürfe zeigen, war ursprünglich geplant, den Dachfirst (genauso wie beim Hotel Pragser Wildsee) mit einem Glockentürmchen auszustatten, was jedoch nicht erfolgte

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Über das Hotel Wenter während des Ersten Weltkriegs, 1917 Hier war wenigstens das eine Hotel offen, die Sommerstätte der Frau Amalie Wenter-Plangger. In bester, aussichtsreicher und geschützter Lage, frei vom Straßenstaub und mit dem unvergleichlichen Ortlerbilde über dem Schmelz der ewig schönen Malser Heide, bietet dieses Hotel einer kleinen Anzahl Gäste, was sie in dieser schrecklichen Zeit noch erwarten können; und was diese Stätte für Gebildete besonders anziehend macht, ist dieser Familiengeist, das Häusliche, was sie auszeichnet. Quelle: Meraner Zeitung, 19.7.1917, S. 6.

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Um 1907 dürfte das Hotel erstmals auch im Winter geöffnet worden sein – ein Aspekt, der insofern bemerkenswert ist, als im selben Zeitraum auch an anderen Orten der systematische Wintertourismus einsetzte, z. B. in Canazei oder Kitzbühel.311 Die Gesellschaftsräume und Zim­ mer des Hotels in Graun wurden dafür durchgehend beheizt.312 Zu den Unterhaltungsange­ boten gehörten die nun aufkommenden Wintersportarten Rodeln, Eislaufen, Schlittenfahren und „Vorspann“ bzw. Skijöring. Neue Gästekreise wurden durch Tagesausflüge angesprochen, die von Meran zum Hotel führten. Über ihren Verlauf wurde zu Werbezwecken schwärmerisch berichtet: „Das Obervinschgau und das Seenplateau besonders ist in seinen winterlichen Schönheiten gerade jetzt überwältigend, und eine Fahrt durch die glitzernde Schneefläche ist ein köstlicher Genuß.“313 „So gibt man sich dann einige Stunden dem gesunden Wintersporte hin, lernt dessen ungeahnte Reize kennen und freut sich, wenn es, nur eine kurze Fahrzeit beanspruchend, wieder nach Meran zu Gesellschaften, Theater und Konzerten zurückgeht.“314 Eine Fotografie in der Sammlung des Touriseums zeigt das winterliche Hotel im Schnee. Für die warme Jahreszeit entstand um 1912 im Umfeld des Hotels ein eigenes Seebad.315 Das Hotel Wenter zog ein internationales Publikum an, darunter auch Mitglieder von Königs­ häusern aus Nord und Süd. Wie es scheint, war das Haus auch während des Ersten Weltkriegs geöffnet.316 1928 kauften Marianne (1889–1963), gelernte Köchin aus Sulden, und Josef Inner­ hofer (1901–1979) den Betrieb. Kurz vor der Abtragung des Gebäudes und der anschließenden Flutung des Stausees im Jahr 1950 wurde an seiner Rückseite eine Stützmauer für die Straße errichtet, die bis heute zum Reschenpass führt.

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Hotel Kitzbühel für den Hotelbauverein Kitzbühel, Kitzbühel

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1900–1903

Hotel Kitzbühel (auch: Parkhotel Kitzbühel, heute: Grandhotel Kitzbühel bzw. McKinsey Alpine University), Malinggasse 12, A-6370 Kitzbühel



Bauphasen: 1907; 1912; 1924 bis ca. 1937 Architekt: Otto Schmid, Sulden-Innsbruck (erste und zweite? Bauphase des Hotels, ab 1924 Um- und Ausbauten von Wilhelm Nicolaus Prachensky)



Dok./Lit.: Bauamt Kitzbühel (Abb.). Stadtarchiv Kitzbühel (Abb.). Bundesdenkmalamt (Denkmalschutz, Zl. 7317/4/88 vom 7.6.1988). TLMF (Abb.). Koop, Volker, Vom „Hotel Kitzbühel“ zum „Grand Hotel“, in: Freiberger Ernst (Hrsg.), Geschichte des Grandhotels Kitzbühel, Kitzbühel 2005. Schmid, S. 88–95 (Abb.). Dal Negro, Francesco, Hotel des Alpes, S. 161f.

Die hier abgebildeten Grundrisse sind Rekonstruktionen, die auf der Basis des Planmaterials im Stadtbauamt Kitzbühel angefertigt wurden. Das Stadthotel in Kitzbühel wurde in diesen Katalog aufgenommen, weil es typologisch zu den Berghotel-Projekten von Otto Schmid zählt. Es war sein letztes großes Tourismusprojekt. Das Haus entstand am Übergang vom reinen Sommer- zum Ganzjahrestourismus und in einer Zeit, in der Wintersportarten wie das Skifahren in Tirol eingeführt wurden. Das auf einer Seehöhe von 763 Metern gelegene Kitzbühel ist zugleich der Hauptort des gleichnamigen Nordtiroler Bezirks. In der Region waren bis zum Einsetzen des Fremdenverkehrs Bergbau und Landwirtschaft die wichtigsten Wirtschaftszweige. Kitzbühel war das Zentrum des Bergbaureviers, was das Bild der auf einer Erhebung liegenden Altstadt mit ihren hohen Häuserzeilen an zwei in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Straßenzügen prägte.317 Um diesen geschlossenen urbanen Bereich nicht durch einen großen Hotelkomplex zu beeinträchtigen, wurde das am 11. Juli 1903 eröffnete Hotel Kitzbühel außerhalb der Altstadt auf einem parkähnlichen Grundstück errichtet. Daher rührt auch der Name „Parkhotel“. Der systematische Tourismus im Raum Kitzbühel profitierte schon seit seinen Anfängen von der guten Erreichbarkeit des Orts. Seit 1858 war das nahegelegene Kufstein mit der Eisenbahn erreichbar. Die Strecken der Bayerischen Maximiliansbahn führten von hier aus nach München und Salzburg bzw. in das östliche Österreich. Zusätzlich erfolgte 1875 die Inbetriebnahme der Salzburg-Tiroler-Bahn (auch: Giselabahn oder Kaiserin-Elisabeth-Bahn). Diese Bahnlinie hatte strategische Bedeutung, weil für die innerösterreichische West-OstVerbindung nicht mehr bayerisches Hoheitsgebiet durchquert werden musste. Zudem bekam Kitzbühel auf diese Weise einen eigenen Bahnanschluss. Kitzbühel gilt als mythische Wiege des Wintertourismus – eine Entwicklung, die auf den Skipionier, Bürgermeister und Hotel-Entrepreneur Franz Reisch (1863–1920) zurückgeht.318

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Franz Reisch Franz Reisch („Skivater Tirols“), geboren 1863 in Kufstein, gestorben 1920 in Kitzbühel. Er war der Sohn eines Kitzbüheler Lebzelter- und Wachsziehermeisters. Schulzeit und Lehre in Salzburg, im Anschluss Magazineur und Handelsreisender in Deutschland, Italien und der Schweiz. In dieser Zeit machte er sich auch als Alpinist einen Namen. 1891 übernahm Reisch den elterlichen Betrieb, zu dem damals schon eine Kaffeestube gehörte. Angeblich soll er sich nach der Lektüre des Buchs „Auf Schneeschuhen durch Grönland“ von Fridtjof Nansen ein Paar Skier aus Norwegen bestellt haben. Auf diesen 2,30 Meter langen Brettern machte er im Winter 1892/1893 seine ersten Abfahrten und am 15. März 1893 die erste Winterbesteigung des Kitzbüheler Horns auf Skiern. „Seine Schilderung dieses Unternehmens erschien im November 1893 als erster Text in deutscher Sprache über den Skisport in der ersten Nummer der neuen Zeitschrift ‚Der Schneeschuh‘ (München). Reisch brauchte für die Abfahrt vom Horn damals eine Stunde. Bald gab es in Kitzbühel mehrere Skifahrer, und ab dem Winter 1894/1895 wurden bereits Skirennen durchgeführt. Es kamen auch schon die ersten Wintersportgäste aus dem Ausland (Deutschland und England). Im Jahre 1902 gründete Reisch die Wintersportvereinigung Kitzbühel und ließ bei einem Kitzbüheler Wagnermeister dreißig Paar Skier anfertigen, die er kostenlos an die Jugend verteilte; er selbst bildete die jungen Leute im Skifahren aus. In Kitzbühel fanden 1905 die ersten Tiroler und 1907 die ersten österreichischen Skimeisterschaften statt. Reisch, der auch als Bürgermeister (1903–1913) viel für Kitzbühel getan hat, wird der ‚Skivater Tirols‘ genannt.“ Darüber hinaus machte sich Franz Reisch um die Errichtung des Hotels Kitzbühel verdient und soll die Kitzbüheler Beherbergungsbetriebe mit den internationalen Gebräuchen und Ansprüchen im Fremdenverkehr vertraut gemacht haben. Auf der Basis seiner persönlichen Netzwerke im In- und Ausland warb er intensiv für die Tiroler Reisedestination.

Quellen: Pfaundler-Spat, Gertrud, Tirol-Lexikon. Ein Nachschlagewerk über Menschen und Orte des Bundeslandes Tirol, vollständig überarbeitete und ergänzte Aufl., Innsbruck-Wien-Bozen 2005, S. 465. de.wikipedia.org/wiki/Franz_Reisch (28.11.2019). | 206 |

Inserate in der Zeitschrift „Der Schneeschuh“, 1893

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Inserate in der Zeitschrift „Der Schneeschuh“, 1893, und Postkarte nach einer Illustration von Edward Theodore Compton

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Alpenhaus am Kitzbüheler Horn von Franz Reisch, Postkarte

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Hotelbauverein Kitzbühel Im Jahr 1900 wurden die ersten Eckdaten zu einem großen Hotelprojekt bekannt. Damals berichteten die Innsbrucker Nachrichten, „In Kitzbühel wird die Errichtung eines Actienhotels am Südende der Stadt geplant. Der Architekt und Stadtbaumeister Otto Schmid, der Erbauer des Sulden und Trafoihotel, eine Autorität auf diesem Gebiete, hat die Ausarbeitung des Planes übernommen. Dasselbe soll 65 Fremdenzimmer erhalten und mit seinen Gesellschaftsräumen den Comfort eines feinen Hotels bieten. Die Kosten für Grund, Bau, Einrichtung und Garten berechnet Herr Architekt Schmid mit 180.000 fl. [Gulden, Anm.]., die in Actien zu 200 fl. aufgebracht werden sollen. Wir wünschen dem Projecte fördersamste Verwirklichung.“319 Bei den angegebenen 180.000 bzw. 200 Gulden handelte es sich um ca. 2,570.322 bzw. 2.860 Euro, die schließlich aber nicht von einer Aktiengesellschaft aufgebracht wurden, sondern von einem gemeinnützigen Verein. Seine Gründung erfolgte am 14. Januar 1902 nach dem Vorbild der Statuten des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ und unter Federführung von Franz Reisch.320 Als Vereinszweck wurden die Errichtung und Führung von Hotels in Kitzbühel und Umgebung sowie die Förderung des Fremdenverkehrs in der Region angegeben. Die Rolle von Franz Reisch ähnelt der von Theodor Christomannos im Rahmen der Verwirk­ lichung seiner Hotel-Entrepreneurships und es ist anzunehmen, dass sein Nordtiroler Pendant neben ihm auch Johann Angerer, Tony Grubhofer und Josef Riehl persönlich kannte.321 Der Alpinist und „Skivater“ Franz Reisch erwarb z. B. schon 1895 von den lokalen Sektionen des Fremdenverkehrs- und Alpenvereins ein Grundstück am Kitzbüheler Horn, um dort ein „Gipfelhotel“ zu verwirklichen.322 Die Eröffnung dieses „Unterkunftshauses“ erfolgte 1899.323 In unmittelbarer Folge bemühte sich der gut vernetzte Franz Reisch, Investoren für sein zweites ambitioniertes Beherbergungsprojekt anzuwerben, und er ließ sich 1902 zum ersten Präsidenten des Kitzbüheler Hotelbauvereins wählen. Im Jahr der Eröffnung des Hotels Kitzbühel wurde er parallel zu seinen touristischen Aktivitäten Bürgermeister. Auch bei seinem zweiten Tourismusprojekt war Franz Reisch der Besitzer des Grundstücks, auf dem das Hotel errichtet werden sollte. Später dürfte er den Bauplatz an den Hotelbauverein veräußert haben.324 Die einzigen weiteren, namentlich bekannten Mitglieder der Organisation waren „Herr Notar Cathrein325, Herr Jos. Ginsberger, Herr Joh. Grünwald, Herr Franz Reisch, Herr Architekt Otto Schmid, Herr Ludwig Stainer, Herr Bürgermeister F. Stitz.“326 Mit Ausnahme von Otto Schmid dürfte es sich bei allen Genannten um Kitzbüheler Bürger handeln (biografische Daten unbekannt). Volker Koop schreibt über die Baugeschichte des Hotels, dass Otto Schmid anstelle eines Honorars für die architektonische Gestaltung Geschäftsanteile erhielt. Eher naheliegend wäre aber, dass er das nach seinem Ausscheiden aus dem „Verein für Alpenhotels in Tirol“ zurückerhaltene Geld in Nordtirol in ein ähnliches Vorhaben reinvestierte. Das erklärte auch die hohe Summe von 35.000 Kronen (ca. 254.345 Euro). Mit diesem Betrag war Otto Schmid zu der Zeit am Hotelbauverein beteiligt, in der dieser in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung umgewandelt wurde.327 Seine Anteile wurden nach seinem Ableben 1921 von seinen Erben verkauft.328 Die Umwandlung des Kitzbüheler Hotelbauvereins in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung verlief in einem Zeitraum von zwei Jahren zwischen 1906 und 1908.329 Damals wurde das Stammkapital mit 151.600 Kronen (ca. 953.650 Euro) angegeben. Als Geschäftsführer wurden neben Franz Reisch und Otto Schmid der „Handelsmann“ Franz Stitz, der Kitzbüheler Rechtsanwalt Hans Thaler und der Bichlwirt Johann Hirnsberger eingesetzt (biografische Daten unbekannt). Diese Konstellation änderte sich 1908. Johann Hirnsberger wurde als Geschäftsführer

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Anton Kofler Anton Kofler, geboren 1855 in Wien, gestorben 1943 in Kartitsch. Er war neben Johann Angerer die Persönlichkeit, die sich auf wirtschaftspolitischer Ebene für die Entwicklung des Tourismus in Tirol besonders verdient machte. Während Johann Angerer vor allem in Südtirol Spuren hinterließ, blieb Anton Kofler mehr im nördlichen Landesteil im Gedächtnis. Koflers Vater stammte aus Lana und wurde Finanzaufseher, was einen häufigen Ortswechsel bedingte und unter anderem auch dazu führte, dass Anton Kofler in Wien geboren wurde. Seine Gymnasialzeit absolvierte er in Brixen, das Studium in Innsbruck. 1879 promovierte er zum Dr. iur. und war zuerst in der Finanzverwaltung tätig. 1887 wurde er Sekretär der Handels- und Gewerbekammer in Innsbruck. Von 1888 bis 1901 war er als Vertreter der Deutschfreiheitlichen Partei im Innsbrucker Gemeinderat, von 1902 bis 1919 Landtagsund von 1911 bis 1918 Reichsratsabgeordneter. Darüber hinaus fungierte er 14 Jahre lang als Vorsitzender der Fremdenverkehrskommission im Innsbrucker Gemeinderat (1888–1902) und als Ausschussmitglied des dortigen Verschönerungsvereins. Er wurde mehrfach ausgezeichnet und zum Ehrenbürger mehrerer Gemeinden ernannt. Anton Kofler war wesentlich daran beteiligt, dass der systematische Fremdenverkehr zu seiner späteren Schlüsselstellung in der Tiroler Wirtschaft gelangte. Mit Nachdruck und Erfolg trat er für den Ausbau des Tiroler Straßen- und Bahnnetzes ein. Ferner wird er wiederholt als Erbauer oder Besitzer des Parkhotels in Kitzbühel genannt. Tatsächlich waren er und später sein Sohn Ekkehard aber federführend im dortigen Hotelbauverein aktiv. Zudem übernahm er noch als 77-Jähriger die Leitung des Tiroler Hotelierverbandes. Adolf Lässer resümiert über Anton Kofler: „Es gibt bis heute kaum eine Form oder Methode in der Fremdenverkehrswerbung, von der man nicht sagen könnte, das hat bereits der Fachmann Dr. Kofler vor 90 oder 100 Jahren praktiziert.“ Nicht zuletzt gehörte der kunstsinnige Jurist auch zu den Förderern des 1926 eröffneten Volkskunstmuseums in Innsbruck. Anton Kofler war mit Josefine Hibler verheiratet und hatte zwei Söhne (Arthur und Ekkehard) und zwei Töchter. Als der Bruder seiner Frau kinderlos starb, übernahm sein Sohn Arthur die Kaffeerösterei Hibler in Innsbruck. Sein Sohn Ekkehard wurde später Geschäftsführer des Hotels in Kitzbühel. Anton Kofler gelangte in den Besitz einer Villa in Steinach am Brenner, die 1900 bis 1902 nach Plänen von Musch & Lun errichtet wurde und heute noch existiert. Für das repräsentative Sommerdomizil wurden bemerkenswerte Architekturdarstellungen und Pläne angefertigt: Musch & Lun, 1900–1902, Landhaus Dr. Kuhn (später: Villa Hibler, heute: Villa Kofler), Zirmweg 98, A-6150 Steinach am Brenner.

Quellen: Österreichisches biographisches Lexikon 1815–1950, Bd. 4, Wien 1966, S. 55, online: www.biographien.ac.at/oebl/oebl_K/ Kofler_Anton_1855_1943. xml (8.1.2020). Lässer, Adolf, 100 Jahre Fremdenverkehr in Tirol, in: Tiroler Wirtschaftsstudien, Nr. 40,

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Innsbruck 1989, S. 55–61. Pfaundler-Spat, Gertrud, Tirol-Lexikon. Ein Nachschlagewerk über Menschen und Orte des Bundeslandes Tirol, überarbeitete und ergänzte Aufl., Innsbruck-Wien-Bozen 2005, S. 280.

aus dem Handelsregister gelöscht und außer dem Notar Karl Cathrein wurden nur neue Gesellschafter aufgenommen, die aus Innsbruck stammten.330 Dabei handelte es sich um den Besitzer des Hotels Tiroler Hof in Innsbruck, Karl Landsee (1847–1924)331, den um den Tiroler Fremdenverkehr verdienten Handelskammersekretär Anton Kofler (1855–1943)332 und Anton von Guggenberg (1856–1910)333. Volker Koop beantwortet die Frage, warum der Kreis an lokalen Akteuren durch auswärtige ergänzt wurde, damit, dass die Hotelgesellschaft für erforderliche Baumaßnahmen nach weiteren finanzkräftigen Investoren suchte. 1912 wurde das Stammkapital von 214.800 (1909) auf 218.300 Kronen (ca. 1,237.000 Euro) erhöht.334 Dieses Jahr der Geschichte des Hotelbauvereins ist noch insofern erwähnenswert, als damals der Bozener Weinhändler Heinrich Lun (1860–1933)335 zum Geschäftsführerstellvertreter gewählt wurde. Er war ein jüngerer Bruder von Carl Lun und stand somit einem Kreis an Touris­musinitiatoren nahe, die zu dieser Zeit auf Distanz zu Otto Schmid gegangen waren. Zu dieser Zeit war das Hotel Kitzbühel schon längst in eine Winterdestination umgewandelt worden.

Das Hotel Kitzbühel und seine Bauphasen Auch bei der architektonischen Gestaltung des Hotels in Kitzbühel blieb Otto Schmid dem Grundkonzept treu, das er am Beginn der 1890er Jahre für das Hotel Sulden entwickelt hatte. Er entwarf einen geschlossenen Baukörper mit einem zweigeschossigen Zwerchhaus, an das er seitlich in südwestlicher Richtung einen außen liegenden Speisesaal mit einer Veranda angliederte. Wie schon in Sulden schloss er an den im Prinzip traufenständigen Bauteil mit dem Gästetrakt einen giebelständigen an. Im Unterschied zu den aufwendig gestalteten Dachwerken in den Speisesälen der Hotels im südlichen Landesteil, unter anderem in Trafoi und am Karersee, wurde hier in Kitzbühel aber lediglich ein konventionelles, doppeltes Hängewerk realisiert. Den oberen Abschluss zum Dachraum bildeten dunkel gebeizte Planken.336 Seine Wirkung erlangte der Saal insbesondere durch seine Raumhöhe und die übereinander angeordneten Fenster. Die künstlerische Ausgestaltung der Innenräume stammte wie schon bei mehreren anderen der hier beschriebenen Hotels vom Südtiroler Karl Lartschneider.337 Die Hotelhalle wurde aber erst 1924 durch Wilhelm Nicolaus Prachensky auf ihre heutige Größe erweitert.338 Die ursprüngliche Raumkonfiguration des Foyers dürfte der des Hotels Pragser Wildsee entsprochen haben.

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Wie sich fast nur anhand von schematischen Darstellungen im Bauamt Kitzbühel dokumentieren lässt, wurde mit den Jahren an das Hotel weiter angebaut, die meisten dieser Bauteile wurden mittler­weile wieder abgetragen. Unter anderem dürfte um 1912 der Gästetrakt verlängert worden sein. Damals erhielt das Gebäude ein zweites Zwerchhaus. Die Zahl der Gästezimmer betrug nach diesem Anbau 150 Zimmer und 200 Betten. Die Hotelerweiterungen vor dem Ersten Welt­krieg wurden in Bezug auf ihr äußeres Erscheinungsbild dem Erstkonzept angepasst, was vermu­ten lässt, dass sie von Otto Schmid entworfen wurden. Auch die Giebelpartien der meisten An- und Aufbauten wurden dem ursprünglichen Erscheinungsbild des Gebäudes entsprechend weiß verputzt und mit Blendfachwerk versehen. Die oberen Abschlüsse des Komplexes bilde­ten jeweils weit heruntergezogene Satteldächer, die im Bereich des Gästetrakts mit großen Dach­gauben versehen wurden. Auffallendes Merkmal der ursprünglichen Dachlandschaft waren die zahlreichen Kamine. Sie sind ein Hinweis darauf, dass das Hotel in seiner ersten Bau­phase noch als Sommerbetrieb konzipiert war und über keine Zentralheizung verfügte. Ähnlich wie beim Hotel Karersee könnte diese in der ersten Bauphase eingespart worden sein. Volker Koop schreibt in diesem Zusammenhang, dass die Auslastung des Hotels während der warmen Jahreszeit gering war und man daher auf einen Zwei-Saisonen-Betrieb umstellte. Dafür musste jedoch ein Zentralheizungssystem eingebaut werden, was 1907 erfolgte.339 Laut Koop seien hauptsächlich italienische Bauarbeiter an der Errichtung des Hotels beteiligt gewesen. Für die raue Steinfassade mit ihren breiten Mörtelfugen wurde Kitzbüheler Breccie340 verwendet, die aus einem Steinbruch beim nahegelegenen Ehrenbach stammte. 1906 dürfte das Hotel erstmals als „Grandhotel“ bezeichnet worden sein. Laufend wurde auch an einer Erweiterung des Sportangebots im Umfeld des Hotels gearbeitet. 1907/1908 entstanden Tennisplätze für die Sommersaison, während der Wintermonate wurden in nächster Nähe zum Hotel zwei Eislaufplätze betrieben.341

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Hotel Kitzbühel im Bauzustand, um 1901/1902

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Postkarte mit dem Hotel Kitzbühel, 1903, adressiert an den damaligen Kustos des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum, Konrad Fischnaler (1855–1941)

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Planrekonstruktionen

Draufsicht

N

Grundriss Erdgeschoss

Erste Baustufe Bauteile um 1912 (später abgebrochen) Weitere Anbauten (später abgebrochen)

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Tony Grubhofer, Illustration für einen Hotelprospekt Eishockeyspiel Kitzbühel gegen Prag, 1910 (unten)

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Speisesaal mit den Wandmalereien von Karl Lartschneider aus Meran

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Von 1924 bis ca. 1937 war Wilhelm Nicolaus Prachensky (1898–1956) „Hausarchitekt“ des Hotels.342 Auf ihn gehen neben der Vergrößerung und Neugestaltung der Hotelhalle sowie weiterer Um- und Ausbauten auch mehrere Entwürfe für Einrichtungsgegenstände zurück. Im Zuge eines 1931 erfolgten Dachausbaus wurde zwischen die zwei bestehenden Zwerchhäuser noch ein drittes eingeschoben. Da der Bauteil das Erscheinungsbild des Hotels nicht verbesserte, wurde dieser in einer späteren Umbauphase wieder abgetragen. Nicht zuletzt schuf Wilhelm Nicolaus Prachensky auch mehrere Werbesujets für das Hotel. Darunter findet sich ein reizvoller Entwurf, in dessen Zentrum er nicht wie sonst das Gebäude, sondern das Wahrzeichen der „Gamsstadt“ stellte.343 Prachensky gehörte zum Freundeskreis um Anton Koflers Sohn Ekkehard (1890–?)344, der ab 1926 die Geschäftsführung im „Hotelbauverein“ innehatte und sich auch allgemein um den Kitzbüheler Tourismus verdient machte. Das Hotel Kitzbühel dürfte eines der wenigen gehobenen Feriendomizile gewesen sein, das selbst in der Zwischenkriegszeit Geldadel und gekrönte Häupter anzog bzw. auch nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten ohne Unterbrechung geöffnet war. Illustre Gäste und hohe Militärs bevölkerten das mit nationalsozialistischen Fahnen und Parolen dekorierte Hotel auch während des Krieges und übergaben ihr Quartier später – wie es scheint nahtlos – an die Alliierten. Nach Kriegsende wurde das Hotel saniert und wiedereröffnet.345 Im Lauf der Zeit entstanden im Umfeld des Hotels viele weitere Gebäude, weshalb der Baukörper heute ganz mit der Kitzbüheler Innenstadt verwachsen scheint. Glücklicherweise blieb aber der parkähnliche Gesamtcharakter des Grundstücks erhalten. Das Hotel Kitzbühel war noch im Jahr seiner Unterschutzstellung (1988) im Besitz des Hotelbauvereins Kitzbühel Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Doch das Gebäude verfiel zusehends. Fotos von 1998 zeigen das Hotel mit eingestürzten Anbauten und einem verwahrlosten Speisesaal. Für die Revitalisierung des Gebäudes als Grandhotel Kitzbühel bzw. McKinsey Alpine University wurde das Gebäude umfassend saniert und an die aktuellen Anforderungen eines Beherbergungsbetriebs angepasst.

Wilhelm Nicolaus Prachensky, Kofferaufkleber

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Hotel Kitzbühel in den 1930er Jahren mit den später wieder abgetragenen An- und Aufbauten

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Hotel Stubai für Josef Riehl, Fulpmes

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1902–1904

Hotel Stubai (auch: Hotel Stubaier-Hof, 1972 abgerissen, heute: Schülerwohnheim der Österreichischen Provinz der Gesellschaft der Salesianer Don Boscos, entworfen von Clemens Holzmeister), Bahnstraße 49, A-6166 Fulpmes



Architektur: Musch & Lun, Meran (in Zusammenarbeit mit Josef Lun und dem Ingenieurbüro von Josef Riehl, Innsbruck)



Kat.: R2.18



Dok./Lit.: Archiv der Gemeinde Fulpmes (Abb.). TLMF (Abb.). Schlorhaufer, Bettina, Bekanntes und in Vergessenheit Geratenes aus der Architekturgeschichte Tirols, in: Kulturberichte aus Tirol, Themenheft Architekturen, Innsbruck 2010, S. 83–88, hier: 84f.

Josef Riehl erbaute das Hotel Stubai nach Plänen von Musch & Lun. Der Anlass dafür war der Bau der Stubaitalbahn, die seit 1904 Innsbruck mit Fulpmes (937 Meter Seehöhe) verbindet.346 An diesem Projekt lässt sich noch einmal dokumentieren, dass die Berghotels jeweils parallel zu neuen Verkehrsverbindungen entstanden. Der Beher­ber­gungsbetrieb öffnete am 1. August 1904 seine Tore – an dem Tag, an dem die Stubaitalbahn das erste Mal Fulpmes anfuhr.347 Riehl wollte mit dem Haus im Nordtiroler Stubaital wahrscheinlich ein Hotel realisieren, das in seinem Gesamterscheinungsbild an das Hotel Karersee und damit auch an dessen wirtschaftlichen Erfolg anknüpft. Tony Grubhofer fertigte eine Reihe von Illustrationen für die Bewerbung des Hotels an, auf denen er zum Teil das Hotel als „Neues Alpenhaus in Tirol“ betitelte. Das erweckte zusätzlich den Anschein, das Hotel sei im Sinn einer Hotelkette Teil des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ – was aber nicht der Fall war. Mit Musch & Lun stand Riehl nicht nur über den Verein, sondern auch über den Ingenieur Josef Lun in Kontakt. Der erfahrene Bauleiter wechselte mehrmals zwischen deren Büros. Er starb während der Errichtung des Hotels in Fulpmes infolge eines tragischen Unfalls (seine Biografie siehe im zweiten Kapitel in diesem Buch). Manche, im Zusammenhang mit dem Hotel Stubai entstandene Pläne wurden von ihm signiert.

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Hotel Stubai, Ansicht, Grundriss Hochparterre, erster und zweiter Stock (linke Seite) Fulpmes im Stubaital mit dem Hotel, 1905 (oben)

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Das Hotel bei der Endstation der Stubaitalbahn in Fulpmes und sein Erscheinungsbild Das Hotel wurde direkt neben der Endstation der Stubaitalbahn in Fulpmes erbaut (Blatt Nr. R2_0171). Auf dem Grundstück befand sich noch ein als Villa Riehl bezeichnetes Gebäude, das – passend zur Idee der vom „Verein für Alpenhotels in Tirol“ errichteten Touristenhäuser – in eine Hoteldependance umgewandelt wurde. Musch & Lun entwarf das Grundschema des Hauses (Blätter Nr. R2_0172 bis Nr. R2_0177). In einem weiteren Schritt wurden die Pläne dann teilweise im Büro Riehls bzw. von Josef Lun überarbeitet. Die Blätter Nr. R2_0178 bis R2_0187 zeigen das ausgeführte Projekt. Die Herberge in Fulpmes bestand aus einem zum Tal ausgerichteten Haupttrakt mit den Gästezimmern und einem quer zum Hauptgebäude gestellten, niedrigeren Bauteil mit Restaurant, Speisesaal und Küche. Der Haupttrakt umfasste Erdgeschoss, zwei Obergeschosse und ausgebautes Dachgeschoss. Die Fassade wurde mit einem Zwerchhaus und an ihrer Südwestseite mit Eckerkern versehen. Zu den vorgehängten Balkonen im so genannten Schweizer Holzstil erhielt sich eine reizvolle Detailzeichnung (Blatt Nr. R2_0194). Vom Haupteingang an der Südseite des Gebäudes führte eine Loggia in den Speisesaal, wodurch dieser auch von außen begehbar war. An den Seiten des Restaurants erstreckten sich zwei Freiterrassen (ursprünglich als Veranden geplant)348. Vor ihnen wurde – einen Niveausprung tiefer – in südöstlicher Richtung ein Schankgarten angelegt. Die Gästezimmer wurden ohne Bad und WC ausgeführt. Eine Reihe von Entwürfen zeigt Details wie Wandvertäfelungen. Das Restaurant und der Speisesaal wurden mit zwei verschiedenen Holztonnengespärren (Blätter Nr. R2_0185, R2_0186 und R2_0187) und dekorativen Wandmalereien des Meraner Künstlers Karl Lartschneider besonders repräsentativ ausgestattet, weshalb diese auch Gegenstand eines umfassenden Zeitungsberichts wurden – ein seltenes Zeugnis über die Atmosphäre in den Innenräumen eines Berghotels.349 Die Malereien des erfahren Hotel-Dekorationsmalers Karl Lartschneider trafen den Geschmack der Gäste durch die Zusammenführung von ornamentalen Elementen, die dem Jugendstil verpflichtet waren, und realistischen Darstellungen von Gebirgsmotiven, z. B. solchen aus dem Schlickertal bei Fulpmes. Im Unterschied zu den Hotels in Trafoi und am Karersee wurden die Fassaden des Stubaier Hotels nicht materialsichtig ausgeführt, sondern verputzt. Ferner verzichtete man auf die mit Blendfachwerk versehenen Giebelpartien. Die oberen Abschlüsse bildeten Krüppelwalmdächer mit weit heruntergezogenen Schöpfen, in die Dachgauben eingesetzt waren. Karl Lartschneider Karl Lartschneider, geboren ca. 1875 in Bozen, gestorben 1916 in Meran, führte in der Villa Ruetz in Meran-Untermais ein Atelier für Malerei und Innendekoration. Von ihm stammte die künstlerische Ausgestaltung der meisten Hotels von Otto Schmid und Musch & Lun (Sulden, Karersee, Pragser Wildsee, Plätzwiese, Brennerbad und Kitzbühel), ferner die des Hotels Grauer Bär in Meran und des Kurhauses in Igls bei Innsbruck. Neben seinen öffent­lichen und privaten Aufträgen, unter anderem in Innsbruck, wurde Lartschneider durch seine Dekorationsmalereien im Château Tyrolien, dem Tirol-Pavillon bei der Weltausstellung in Paris 1900, bekannt. Von 1905 bis 1909 leitete er die Meisterkurse für Dekorationsmalerei an der Bau- und Kunsthandwerksschule in Bozen. Quelle: Meraner Zeitung, 23.10.1916, S. 4.

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Über das Hotel Stubai und die Wandmalereien von Karl Lartschneider, 1904 Der Restaurationssaal hat eine Länge von 12,6 Metern und eine Breite von 11 Metern und wird von einem mächtigen Tonnengewölbe in kräftiger Holzkonstruktion überwölbt. Die Stirnseite wird von einem gewaltigen Bogenfenster durchbrochen; die zweite Seite jedoch bietet einen überraschenden Anblick, denn hier wurde von Künstlerhand ein Bild geschaffen, das uns nach dem in den Vorräumen gegebenen Prunk freier aufathmen lässt; hier tritt Dir im Bilde entgegen, was Dich in der Natur so sehr erfreut, was Dein Auge labt und Dein Herz höher schlagen lässt, was Dich die Sorgen des Alltaglebens vergessen macht – eine Alpenlandschaft! Im Halbkreise umschließt ein mächtiger Bogen von verschlungenen Latschenzweigen ein Bild vom streng alpinen Charakter und der bergkundige Tourist erkennt auf den ersten Blick, dass das Motiv hiezu dem herrlichen Schlickertale entnommen ist, welches in so großartiger Weise durch die Kalkkögel oder die Stubaier Dolomiten abgeschlossen wird. […] Liebliche Ranken von Alpenrosen umranken das Gesamtbild […]. Vom Restaurationssaal gelangt man in den Speisesaal, der noch größere Dimensionen als der erstere aufweist. Auch ist die Deckenkonstruktion nach altgothischem Muster durchgeführt, denn ein dreiteiliges Tonnengewölbe bringt den mächtigen Raum zum ruhigen Abschluss. Ganz originellen Farbenschmuck tragen die Rundstäbe, und zwar haben jene beim Abschluss der Gesimse die deutschen Farben schwarz-roth-gold, jene beim Zusammentreffen des Hauptgewölbes mit den Seitengewölben die Tiroler Landesfarben weiß-roth, während die Rundstäbe der Durchgänge mit den Farben der Tiroler Schützen grün-weiß geschmückt sind. Wie im Restaurationssaal sind auch hier die Wände vom Fußboden an bis zu einer Höhe von 1,8 Meter mit einer filigranen Vertäfelung verkleidet. Über denselben beginnt wieder die Arbeit des Malers. Als Grundmotiv diente eine ganz modern durchgeführte Komposition von Tiroler Adlern und Edelweiß. Die Stirnseite gegenüber dem großen Bogenfenster bringt wieder ein überraschendes Bild […]. Man fühlt sich an einen Waldsaum im Schlickerthale versetzt und meint förmlich die erquickende Almenluft einzuathmen; das lebhaftere Grün der Lärchen hebt sich gegen das dunklere der Zirbelkiefern trefflich hervor, während der Durchblick durch den Waldsaum die Schlicker Kalkkögel in ihren abenteuerlichen Formen zeigt. Man meint den heiligen Gottesfrieden zu fühlen, der in unserem deutschen Walde herrscht, man meint die schroffen Wände unserer Dolomiten zu sehen, welche der Gemse noch als letzte Heimstätte geblieben sind. Hier findet man echte und rechte Sezession in getreuer Anlehnung an die größte Künstlerin – die Allmutter Natur […]. In gleich origineller Weise wie die beiden großen Säle, die Vorhalle und der Rauchsalon, sind auch die Restaurationslokale im Erdgeschosse und sämtliche Zimmer im Hotel mit eigenartigen Dekorationsmalereien geschmückt. Quelle: Bozner Nachrichten, 4.8.1904, S. 4. Holztonnengespärre des Speisesaals, Schnitte

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Abkehr vom „schlossähnlichen“ Hotelbau unter dem Einfluss der Heimatschutzbewegung Das Hotel Brennerbad und das Hotel Stubai waren die letzten Projekte von Musch & Lun, die nach dem Gestaltungsschema des Hotels Karersee entworfen wurden. Somit endete die Ära des Hotelbaus nach Baukastenprinzip um 1904 genau zu der Zeit, in der unter dem Einfluss der Heimatschutzbewegung die Kritik an den Großhotels des 19. Jahrhunderts immer lauter wurde.350 Der Terminus Heimat – wie es der „Architekturchronist“351 Friedrich Achleitner treffend formulierte – wurde damals zu einem romantischen Fluchtbegriff, der den Konflikt zwischen Großstadtkultur, Industrialisierung und zunehmender Überbauung der Landschaft kaschieren sollte.352 Mit der Zeit nahm der Heimatschutz eine ideologisch-politische „Färbung“ an, über die Achleitner resümiert: „Wir haben es hier mit einem sehr komplexen, in der Kürze nicht darstellbaren kulturgeschichtlichen Vorgang zu tun, dessen Quellen einerseits zu William Morris und John Ruskin zurückreichen, aber ebenso zu den Brüdern Grimm oder in die Philosophie der deutschen Romantik. Wir finden diese Ideen bei Adolf Loos genauso wie bei Josef Hoffmann, beim Otto-Wagner-Biographen Josef August Lux ebenso wie beim Otto-Wagner-Kritiker Leopold Bauer. Andererseits führt die Ideologie eines Paul SchultzeNaumburg, der mit seinen ab 1901 erscheinenden Kulturarbeiten zur zentralen Figur des deutschen Heimatschutzes wird, direkt zur ‚Blut-und-Boden-Ideologie‘ des Nationalsozialismus.“353 Das Hotel Stubai wurde nur von 1904 bis 1915 als Hotel geführt.354 1921 wurde der Komplex von den Salesianern Don Boscos angekauft, die ihn in ein Schülerheim umfunktionierten.355 Auch in der Folgezeit durchlebte das Gebäude eine wechselvolle Geschichte, bis es 1972 abgerissen wurde. An seiner Stelle entstand nach Plänen von Clemens Holzmeister (1886–1983), der aus der Stubaier Gemeinde stammte, ein neues Schülerheim.356 Das ehemalige Hotel hatte in Fulpmes aber immerhin Eingang in den lokalen Sprachgebrauch gefunden, indem man nämlich einen Besuch der hl. Messe bei den Salesianern als „ins Hotel gehen“ bezeichnete.357

Logo und Inserat (rechts) für das auch als „Alpenhaus“ bezeichnete Hotel Stubai, beides entworfen von Tony Grubhofer

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Hotel Langguth für Ferdinand Langguth (Projekt), Brenner

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1902

Hotel Langguth (Projekt), für einen Standort nordöstlich des Wechselhofs, I-39041 Brenner



Projektphasen: 1909/1910



Architektur: Musch & Lun, Meran



Kat.: L1.31



Dok./Lit.: Meraner Zeitung, 5.11.1925, S. 2. Rohrer, Josef, Geschichte des Hotels Austria-Adria, Auftragsforschung für Florian Ellmenreich, Hotel Adria, Manuskript, Meran 2014, S. 3 (mit freundlicher Genehmigung von Florian Ellmenreich).

Wie bereits an früherer Stelle dargestellt, blieb Ferdinand Langguth 1899 der Kauf des Brennerbades verwehrt, weil er Protestant war.358 Der tüchtige Hotelier, der zwischen seinen zwei Häusern in Meran und Brennerbad samt Einrichtung und Personal saisonal pendeln wollte, ließ sich aber von diesen Widerständen nicht irritieren und kaufte südlich des entstehenden Hotels Brennerbad Grundstücke und den Wechselhof, um auf diesen Parzellen ein eigenes Bauvorhaben zu realisieren. Die Umrisse zu seinem geplanten Projekt wurden auf einem Lageplan zum Hotel Brennerbad bereits eingezeichnet (vgl.: Blatt Nr. B4_0383). Nachdem aber Langguths Frau 1901 verstorben war, unterbrach er seine Expansionspläne am Brenner und nahm diese erst 1909 wieder auf.359 Schließlich verwirklichte Langguth aber auch die 1909 und 1910 angefertigten Alternativprojekte zum Erstentwurf nicht und beschränkte fortan seine beruflichen Aktivitäten auf Meran. 1919 wurde der Grundbesitz am Brenner verkauft.360 Genauso wie einige andere Berghotels sollte auch das Hotel Langguth am Brenner werbewirksam in nächster Nähe zur Bahnlinie platziert werden (vgl. Schaubild Blatt Nr. L1_0277). Geplant war ein gestreckter, traufenständiger Baukörper mit Satteldachabschluss und zweigeschossigen Zwerchhäusern. Die unteren Partien der Fassaden sollten ein rustiziertes Erscheinungsbild erhalten, die Geschosse mit den Gästezimmern verputzt und die Giebelfelder zusätzlich mit Blendfachwerk akzentuiert werden. Da das Hotel auf einem nach Süden abfallenden Grundstück entstehen sollte, war es möglich, das Gebäude über einem gut belichteten Untergeschoss zu errichten, in dem neben den Küchen, Personalzimmern und Nebenräumen eine von außen begehbare Schwemme eingerichtet werden sollte. Dieser Schwemme sollte an der Schmalseite des Gebäudes eine Laube vorgelagert werden, deren Dach als Hotelterrasse gedacht war. Im Erdgeschoss wurden die für ein Hotel üblichen öffentlichen Räume angeordnet und in den drei Stockwerken darüber sowie dem Dachgeschoss die Gästezimmer.

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Musch & Lun, Hotel Langguth am Brenner, 1902, Hauptansicht und Grundriss Erdgeschoss (oben) Hauptansicht und Grundriss Erdgeschoss einer Variante des Projekts, 1909, die wahrscheinlich von Johann Müller stammt. Müller war zeitweise Chefarchitekt bei Musch & Lun (rechte Seite)

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Hotel Oberbozen (Hotel Holzner) für die Aktiengesellschaft Rittner Bahn, Oberbozen

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1905–1907

Hotel Oberbozen (Hotel Holzner, später: Hotel Savoia, heute: Parkhotel Holzner), Dorf 18,



I-39054 Oberbozen



Bauphasen: 1912



Architektur: Musch & Lun, Meran (1912, Anbau-Projekt der Brüder Ludwig, München-Bozen)



Kat.: O1.218



Dok./Lit.: Parkhotel Holzner (Abb.). TLMF (Abb.). Baumgartner, Elisabeth, Eisenbahnlandschaft Alt-Tirol, S. 196, 200ff. Architektenkammer der Provinz Bozen (Hrsg.), Architektur in Südtirol, S. 260 (Abb.).



www.parkhotel-holzner.com/de/hotel/geschichte.html (6.2.2020).

Das heutige Parkhotel Holzner zählt zu den wenigen in Südtirol, die seit ihrer Eröffnung als Familienunternehmen geführt werden. Es ist dem Einsatz seiner Besitzer zu verdanken, dass das Gebäude als baukulturelles Erbe bis in die jüngste Gegenwart von namhaften Südtiroler Architekturbüros um- und ausgebaut wurde. Dieses Engagement wurde 2008 mit der Auszeichnung als historischer Gastbetrieb des Landes Südtirol gewürdigt.362 Ob ein Erstentwurf – wie im Architektenlexikon Wien angegeben – tatsächlich vom Büro der Brüder Alois (1872–1969) und Gustav Josef Ludwig (1876–1952, auch: Brüder Ludwig) in München angefertigt wurde, ist aktuell nicht eindeutig belegt. Zwei mit dem Stempel von Musch & Lun versehene und mit Juli 1905 datierte Blätter im Hotel zeigen einen barockisierend gestalteten, schlossähnlichen Bau mit vorgelagerter Veranda, der über kreuzförmigem Grundriss errichtet werden sollte. Ein Laubengang sollte das Hotel mit der ebenfalls dargestellten Bahnstation Oberbozen verbinden. Die Zeichnungen weisen Ähnlichkeiten zu Entwürfen für ein Wohn- und Geschäftshaus in Meran auf, die im selben Zeitraum entstanden. Aber auch hier ist ungeklärt, ob diese von den Brüdern Ludwig für Musch & Lun angefertigt wurden.363 Sicher ist hingegen, dass ein hier dokumentierter Anbau an das Hotel Oberbozen bzw. ein nicht ausgeführtes Erweiterungsprojekt von 1912 aus dem Büro der Architekten aus München stammt.

Hans Holzner Das Hotel Oberbozen wurde parallel zur Rittner Bahn errichtet und war bis 1912 im Besitz der Aktiengesellschaft. In diesem Jahr erwarb es Hans Holzner365 (1871–1939)364, der das Haus schon seit seiner Eröffnung im August 1907366 gepachtet hatte. Er vererbte es an seine Nachkommen. Hans Holzner wurde in Bisenz (Bzenec, Tschechien) geboren, wo seine Eltern das Bahnhofsbuffet betrieben. Sie waren aus der Meraner Gegend und kehrten bald wieder dorthin zurück. Nach beruflichen Stationen, die Hans Holzner unter anderem bis nach Kairo führten, war er von 1902 bis 1907 Direktor des Hotels Brennerbad. Außerhalb der Saison lebte er in Meran. Schon als Pächter des Hotels Oberbozen entfaltete er eine intensive Werbetätigkeit und schaltete unzählige Inserate. Illustrationen für die ersten Werbemittel fertigte Tony Grubhofer an. Die genauen Baukosten für das Hotel lassen sich heute nicht mehr beziffern, weil diese Bestandteil jener der Rittner Bahn waren (2,800.000 Kronen bzw. ca. 17,7 Millionen Euro), die ihrerseits wesentlich von Josef Riehl finanziert wurde.367 Der Kaufpreis betrug 1912 samt „fundus instructus“ (Möbel, Maschinen etc.)368 400.000 Kronen bzw. ca. 2,266.600 Euro. Zusätzlich erwarb Hans Holzner 1910 eine Villa, die er in eine Hotel-Dependance umbaute und „Maria“ nannte (später auch: Pension Maria)369. Der Name Villa Maria kam nicht von ungefähr. Denn Hans Holzner war seit 1905 mit Mizzi Krawany aus Mödling370 (auch: Maria, 1878–1969)371 verheiratet, die im Hotel Brennerbad als Beschließerin372 tätig war. Auch sie leistete viel für den gemeinsamen Betrieb in Oberbozen, z. B. während Hans Holzner im Ersten Weltkrieg als Verpflegungsoffizier in Wien diente.373

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Entwurf für den Bahnhof Oberbozen von Musch & Lun (unten) und das in leicht veränderter Form umgesetzte Projekt, um 1907 (oben)

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Damals wurde das Hotel zuerst vom österreichischen Heer beschlagnahmt, später vom italienischen. Doch die Wiederaufnahme des regulären Beherbergungsbetriebs erfolgte schon 1920. Im selben Jahr übernahm Hans Holzner auch das Restaurant Virglwarte.374 In der Zwischenkriegszeit wurde das Haus in Oberbozen zuerst in Hotel Holzner und später in Savoia umbenannt. Im Zweiten Weltkrieg übernahm zuerst eine Treuhand-Umsiedlungsgesellschaft das Hotel, später wurde es vom Regimentskommando einer deutschen Fliegerabwehreinheit („Flak“) konfisziert. Unabhängig davon kamen Flüchtlinge aus Bozen in der Dependance unter. Das Hotel wurde 1948 wiedereröffnet.375

Die Rittner Bahn und ein Entwurf für den Bahnhof Oberbozen von Musch & Lun Die auf der Basis einer Aktiengesellschaft finanzierte Rittner Bahn wurde in den Jahren 1906/1907 vom Ingenieurbüro Josef Riehls realisiert.376 Ihr Ausgangspunkt war der Walther­ platz in Bozen, von wo der Zug bis zur eigentlichen Talstation nördlich des heutigen Bozner Bahnhofs als Straßenbahn geführt wurde. Dort wurde für die Bergstrecke eine Zahn­rad­ lokomotive an die Waggons angekoppelt. In Maria Himmelfahrt auf einer Seehöhe von 1.176 Metern wurde die Lokomotive wieder abgehängt und die Straßenbahn setzte über Oberbozen (1.216 Meter) ihren Weg nach Klobenstein (1.191 Meter) fort. Musch & Lun lieferte für den Bahnhof Oberbozen neben dem bereits oben genannten noch einen weiteren Entwurf (Blatt Nr. O1_4152). Dieser wurde allerdings nicht in allen Details umgesetzt.377 Geplant war, den Ritten oberhalb von Bozen „als neue Adresse für Lungenkranke zu lancieren“.378 Doch die Pläne, den Ritten nach dem Vorbild der Schweizer Gemeinde Davos vor allem in der Wintersaison zu einer „Sonnenterrasse“ für die Kurgäste von Bozen-Gries zu machen, wurden letztlich vom Ersten Weltkrieg vereitelt.379

Hotel Oberbozen Nachdem Musch & Lun schon parallel zur Errichtung der Stubaitalbahn für Josef Riehl in Fulpmes ein Hotel380 verwirklichte, war es naheliegend, dass die Büros auch weitere Beher­ bergungseinrichtungen gemeinsam ausführten. Auch wenn nur wenige Jahre zwischen den beiden Bauvorhaben lagen, unterschieden sich diese viel mehr voneinander als z. B. das Hotel Stubai von den anderen bis um 1900 konzipierten Häusern des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“. Das könnte nicht nur ein Hinweis auf ästhetische Veränderungen im Hotelbau sein, sondern auch darauf hindeuten, dass die Bauaufgabe Berghotel hier im Sinn einer möglichen Nutzung als Lungenheilstätte gelöst wurde.381 Kuranstalten für Lungenkranke wurden allgemein in isolierter (Höhen-)Lage errichtet und mit großen Liegeflächen im Freien ausgestattet. Die meisten von ihnen verfügten daher über Terrassen oder Liege-Pavillons in den Gärten. In ihren sonstigen Raumprogrammen ähnelten die Sanatorien – wie bereits mehrfach in diesem Buch dargestellt – den Hotels. Heute lässt sich nicht mehr eruieren, ob das Hotel Oberbozen nicht auch als Lungenheilstätte dienen hätte sollen bzw. architektonisch als Mischform zwischen Kuranstalt und Hotel ausgelegt wurde, worauf auch der oben genannte Erstentwurf hindeuten würde. In diesem Zusammenhang ist auffallend, dass beide Projekte durch die großen Veranden im Erdgeschoss einen Innenaußen-Bezug aufweisen, der anderen Hotels der Zeit in Südtirol fehlt.

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Bei diesem Blatt könnte es sich um ein Schaubild handeln, das die Brüder Ludwig für Musch & Lun anfertigten, 1905

Im Unterschied zu einer Loggia wird eine Veranda an ein Gebäude angebaut.382 Beim umgesetzten Bau verläuft sie um drei Seiten, wobei der nach Süden ausgerichtete Teil seit den Anfängen des Hotels als Restaurant dient. Dennoch hätte die Veranda genauso gut in einen Liegebereich für Kurgäste umfunktioniert werden können (vgl. Blatt Nr. O1_4136 mit einer perspektivischen Darstellung des Hotels ohne verglaste Veranden). Dieser Bereich prägt bis heute die Raumabwicklung des Hotels. Von hier kann man, vor Witterungseinflüssen geschützt, die Aussicht auf die Dolomiten auf der gegenüberliegenden Talseite sowie auf den Park genießen, der von der Veranda aus über eine Treppe erreichbar war. Wie früh die besondere Lage des Bauplatzes und seine mögliche Auslegung als Park erkannt wurde, zeigt neben einem erhaltenen Lageplan (Blatt Nr. O1_4149383) insbesondere der Entwurf eines Landschaftsgartens mit Spazierwegen aus dem Jahr 1912, der sich im Hotel befindet. Der Anlass für seine Planung war, dass Hans Holzner zusammen mit dem Hotel auch eine ca. 3.400 m2 große Wiese kaufte und diese als Grünanlage adaptieren wollte. Wie die erhaltenen Zeichnungen der Fassaden zeigen (Blätter Nr. O1_4134, O1_4135 und O1_4139), entwarf Musch & Lun einen geschlossenen Putzbau, der zur optischen Auflockerung an allen vier Seiten mit Zwerchhäusern versehen wurde. Das Gestaltungsprinzip der Hauptfronten mit den flankierenden Zwerchhäusern blieb in der Hotelbaugeschichte Südtirols singulär, obwohl die Zusammensetzung eines Hotelgebäudes als Riegel mit einem mittig eingesetzten Zwerchhaus seit Otto Schmids Hotel Sulden mehrfach wiederholt wurde. An der Vorder- bzw. Rückseite des Gebäudes wurden je zwei zweistöckige Zwerchhäuser mit regionalistisch wirkenden Satteldächern angeordnet, an den Seiten je ein einstöckiges. In die traufenständigen, ebenfalls steil abfallenden Dachflächen der Längsseiten zwischen den Zwerchhäusern wurden unterschiedlich geformte Dachgauben eingesetzt. Den First zierte ein Turm mit spitzem Helmdach, in dem sich ein großes Zeiss-Fernrohr befand. Dieser – im wahrsten Wortsinn – Dachreiter wurde in der jüngeren Vergangenheit bei einem Ausbau des Dachgeschosses erneuert und dient heute wieder als Sternwarte.384 Die Erschließung des Hotels erfolgte ursprünglich von der Ostseite des Gebäudes her. Der Speisesaal und das Restaurant wurden ins Zentrum des Baukörpers gesetzt – gut erreichbar von der Küche, die auf derselben Ebene lag. Im Souterrain befanden sich eine Schwemme,

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Hotel Oberbozen, Schaubild mit den offenen Veranden, die auch als Liegehallen für Lungenkranke hätten dienen können

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Grundriss Erdgeschoss, erster Stock und Ansicht zum Tal (linke Seite) Ansicht zum Bahnhof Oberbozen (oben) und Seitenfassaden (unten)

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Das Architekturbüro Brüder Ludwig, München-Bozen Die Brüder Alois (1872–1969) und Gustav Josef Ludwig (1876–1952) zählen zu den Architekten, die von auswärts nach Südtirol kamen. Über ihre Tätigkeit ist aber nur wenig bekannt, obwohl sie z. B. im Hotelbau Hauptwerke realisierten. Sie stammten ursprünglich aus Brünn (Brno, Tschechien), wurden jedoch auf höchst unterschiedlichen Wegen Architekten. Alois besuchte die Staatsgewerbeschule in Brünn und anschließend die Meisterklasse von Otto Wagner (1841–1918) an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Nach seinem Abschluss war er in dessen Büro tätig und brachte es dort zeitweilig sogar zum Büroleiter. 1905 eröffnete er ein eigenes Büro in München, in das zwei Jahre später sein Bruder eintrat. Über Alois Ludwig heißt es im Architektenlexikon Wien: „Südtirol scheint Alois Ludwig zur zweiten Heimat geworden zu sein. Ab Mitte der 1930er Jahre lebte er in Meran und soll sich im Zweiten Weltkrieg als Bauer auf einen Bauernhof bei Meran zurückgezogen haben.“ Über die Ausbildung von Gustav Josef Ludwig ist hingegen nur so viel bekannt, als er für einige Zeit in den USA bei den Architekten John Russell Pope (1874–1937) und Henry Hornbostel (1867–1961) verbracht haben soll. Beide Architekten waren am Beginn des 20. Jahrhunderts aber noch relativ unbekannt, weil sie erst 1900 bzw. 1904 ihre Büros gegründet hatten. 1911 eröffneten die Brüder Ludwig neben ihrem Büro in der Münchner Kaufingerstraße 23 eines in Bozen-Gries, wo sie möglicherweise sogar ein eigenes Bürogebäude erbauten. Hier schufen sie unter anderem die Entwürfe für folgende Bauten und Projekte, wobei aufgrund fehlender wissenschaftlicher Untersuchungen die angegebenen Daten mit Vorbehalt zu betrachten sind:

1909

Stadthotel, Waltherplatz 21, I-39100 Bozen

1911

Gasthaus St. Josef am See, I-39052 Kaltern

1911

Grundschule, I-39100 Bozen-Gries

1909/1910

Hotel Laurin, I-39100 Bozen

1911

Villa Thallinger, I-39041 Gossensass

1911/1912

Palasthotel Gossensass, I-39041 Gossensass (Ein Vorgängerprojekt des später umgesetzten



Gebäudes wurde unter dem Titel „Vom Bauernhof zum Palasthotel – der Wielandhof in



Gossensass“ an früherer Stelle in diesem Buch beschrieben.)

1912

Erweiterung Hotel Holzner (Projekt), I-39054 Oberbozen

1913

Magazinbauten, Sigmundskron, I-39100 Bozen

Quellen: Architektenkammer der Provinz Bozen (Hrsg.), Architektur in Südtirol. 1900 bis heute, Bozen 1993, S. 125, 319, 321. Architektenlexikon Wien 1170–1945, online: www.architektenlexikon.at (10.2.2020).

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Personalzimmer und ein Lager für Gartenmöbel. In den beiden oberen Stockwerken wurden je 15 Gästezimmer eingerichtet. Zusammen mit dem Dachgeschoss verfügte das Haus über 35 Zimmer mit 60 Betten.385 Laut Darstellung auf den Plänen wurden nur einzelne Zimmer mit Öfen beheizt. Wann der Einbau eines Zentralheizungssystems erfolgte, ist nicht bekannt.

Hotelerweiterungsprojekte der Brüder Ludwig, 1912 1912, zuerst noch vor der Übernahme des Hotels durch Hans Holzner, entstand ein großangelegtes Erweiterungsprojekt an der Ostseite des Bestandes. „Auf diese Weise wird es ermöglicht werden, die Hochebene von Oberbozen nach und nach auch in eine Winterstation nach dem Vorbilde von Davos umzugestalten, wo natürlich auch dem Wintersport eifrig gehuldigt werden könnte“, hieß es in einem Zeitungsbericht, was noch einmal darauf hinweist, dass sich das Hotel Oberbozen in den Augen seiner Investoren zu einem Höhenkurort entwickeln sollte.386 Das von den Brüdern Ludwig konzipierte Bauvorhaben lässt sich anhand von zum Teil bereits genehmigten Plänen und anderen Dokumenten im Parkhotel Holzner bzw. von Blättern im Musch & Lun Archiv darstellen. Umgesetzt wurde aber nur ein kleiner Teil des Projekts. Erhaltene Briefe demonstrieren, dass die Brüder Ludwig nicht nur die Entwürfe gestalteten, sondern das mit einer Gesamtsumme von 800.000 Kronen bzw. ca. 4,5 Millionen Euro veranschlagte Projekt auch mit Nachdruck vorantrieben. Mehrere Banken, die Rittner Bahn und die Brüder Ludwig selbst wollten unter der Vorbedingung die Finanzierung übernehmen, dass das Münchner Architekturbüro auch mit der Ausführung betraut würde.387 Hans Holzner als neuer Besitzer der Liegenschaft konnte nur den Baumeister festlegen. Zudem wurde er verpflichtet, durch seinen Verdienst „flüssig“388 gewordenes Geld zuerst den Architekten zukommen zu lassen. Vor diesem Hintergrund bleibt fraglich, inwieweit er nach dem Kauf des Hotels das kostspielige Bauvorhaben überhaupt forcierte oder ob die Initiative zu seiner Verwirklichung nicht hauptsächlich von den Brüdern Ludwig ausging. Wie die Pläne zeigen, sollte schräg an den Bestand angebaut werden. Ebenerdig sollten in Verlängerung der bestehenden Erschließung ein neuer Hoteleingang und eine große, südseitig abgerundete Halle mit Talblick entstehen. In ihrem Anschluss waren ein Damen- und ein Herrenzimmer geplant, denen eine (offene?) Veranda vorgelagert werden sollte. Auf den wei­teren Flächen des Neubaus sollten hauptsächlich zusätzliche Gästezimmer eingerichtet

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Erweiterungsprojekt der Brüder Ludwig, Hauptansicht und Grundriss Die Überarbeitung des Fassadenentwurfs könnte von Musch & Lun stammen

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werden. Das Erweiterungsprojekt hatte zur Folge, dass eine Vergrößerung des existierenden Speisesaals angedacht werden musste. Diese erzielten die Brüder Ludwig dadurch, dass sie den Saal, das ursprüngliche Restaurant und die Veranda zusammenlegten. Ein neues Restaurant sollte in einem Anbau im Westen nahe der Küche untergebracht werden – schließlich wurde auch nur dieses Teilprojekt verwirklicht. Die erhaltenen Blätter lassen vermuten, dass Musch & Lun an den Entwürfen für das äußere Erscheinungsbild des neuen Gebäudes mitwirkte. Anfänglich sollte der durch einen niedrigeren, traufenständigen Verbindungstrakt getrennte Anbau „nur“ gut mit dem Bestand zusammenwirken. Aus diesem Grund wurde dieser ebenfalls mit seitlich angesetzten, steil aufragenden Zwerchhäusern versehen. Wie aber mehrere im Musch & Lun Archiv und im Hotel erhaltene Hauptansichten veranschaulichen, korrigierte das Meraner „Bureau“ hauptsächlich das „kantig“ wirkende Konzept der talseitigen Fassade dahingehend, dass zwischen den zwei Zwerchhäusern ein drittes eingezogen wurde. Die Dächer der seitlichen Zwerchhäuser sollten als Mansarddächer barockisierend und nur das mittlere mit Dreiecksgiebel und Satteldachabschluss ausgeführt werden. Schließlich wurde das kostspielige Erweiterungsprojekt aber mit Ausnahme des bereits genannten Anbaus nicht umgesetzt. Das Hotel in Oberbozen wurde bis heute in Abständen qualitätsvoll renoviert und ausgebaut. Alle nach 1920 vorgenommenen An- und Umbauten wurden jedoch nicht mehr in Zusammenarbeit mit Musch & Lun verwirklicht.

Hotel Holzner und Bahnhof Oberbozen vor der Kulisse des Schlerns, 1928

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Dolomitenhaus Canazei für den „Deutschen Verein für Dolomitenhäuser“ Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Canazei

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1907–1909

Dolomitenhaus Canazei (ab ca. 1924: Hotel Canazei, seit ca. 1930: Hotel Dolomiti), Strèda Dolomites 80,



Bauphasen: 1924/1925

I-38032 Canazei 1908; um 1930 Dependance mit Garagen gegenüber dem Hotel, später in Geschäfte und eine Bar umgebaut und aufgestockt (heute: Hotel Laurin) 1909

Stall- und Wäschereigebäude

1925

Musik- und Tanzpavillon

1929/1930

Erweiterung und Umbau des Stall- und Wäschereigebäudes zu einer Art „Berg-Motel“



Architektur: Musch & Lun, Meran



Kat.: C2.58



Dok./Lit.: Handelskammer Bozen, Handelsregister. TLMF (Abb.). Hotel Dolomiti (Abb.). Faggioni, Silvano,

Theodor Christomannos, S. 165 (Abb.)

Im Musch & Lun Archiv finden sich zu diesem Hotelprojekt neben Plänen und einem Entwurf für ein Werbesujet (Blatt Nr. C2_0927, von Tony Grubhofer?) auch mehrere Fotos, die wahrscheinlich aus den 1930er Jahren stammen. Weitere historische Abbildungen finden sich im Hotel Canazei. Die erhaltenen Pläne zeigen das Hotel und Nebengebäude samt An-, Um- und Zubauten sowie detaillierte Darstellungen der Trinkwasserleitung389 und der Abwasserentsorgung, die genauso wie ein Elektrizitätswerk im Vorfeld bzw. zeitgleich mit dem eigentlichen Bauvorhaben realisiert wurden. Das Kraftwerk entstand in Zusammenarbeit von Musch & Lun und dem ersten Turbinenhersteller der Habsburgermonarchie, der Leobersdorfer Maschinenfabrik.390 Bemerkenswerterweise wurden von Musch & Lun in Etappen über den langen Zeitraum bis 1933 fast alle Gebäude den aktuellen Bedürfnissen angepasst – in gestalterischer Hinsicht leider nicht immer nur zum Vorteil der ursprünglichen Entwürfe. Der Bestand im Musch & Lun Archiv umfasst daher ca. 200 Blätter.

Der „Deutsche Verein für Dolomitenhäuser“ Gesellschaft mit beschränkter Haftung Die treibende Kraft hinter der im Sommer 1907 in Bozen erfolgten Gründung des „Deutschen Vereins für Dolomitenhäuser“ war Theodor Christomannos.391 Zusammen mit den Bozner Kaufleuten Hans Forcher-Mayr und Otto Wachtler, dem Handelskammersekretär Rudolf Siegl (biografische Daten unbekannt) und dem Hotelier Franz Staffler war er zugleich auch unter den ersten Geschäftsführern.392 „Der Verein bezweckt“, so die Bozner Zeitung über die Gründung einer Kapitalgesellschaft und keiner „gemeinnützigen“ Organisation hinwegsehend, „die Erbauung und Führung von Hotels, Gasthöfen und Unterkunftshäusern in den tirolischen Dolomiten, den Betrieb von Transportunternehmungen, den Erwerb von Grund und Boden, sowie die Beteiligung an solchen Unternehmungen, die die Förderung des Fremdenund Touristenverkehrs in diesem Gebiete zum Zwecke haben. Das zu diesem Behufe zur Verfügung stehende Stammkapital beträgt 185.000 K. [Kronen, Anm.].“393 Die meisten Anteile an der Gesellschaft hatte der „Verein für Alpenhotels in Tirol“ mit 41.000 Kronen.394 Die Summen entsprachen 1907 dem Gegenwert von ca. 1,170.200 bzw. ca. 260.000 Euro. Wie bereits im dritten Kapitel dieses Buches dargestellt, wollte Theodor Christomannos teilweise parallel bzw. in unmittelbarer Folge auf die ersten Hotelgründungen in Sulden, Trafoi und am Karersee den Bau weiterer touristischer Einrichtungen in Canazei und am Pordoijoch konsequent vorantreiben. Ausschlaggebend dafür war der weitere Ausbau der

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Liste der Mitglieder im „Deutschen Verein für Dolomitenhäuser“ Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 1907

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Dolomitenstraße, für die der Vordenker in Sachen Fremdenverkehr nach dem Hotel Karersee an günstigen Stellen weitere Anfahrtsziele bzw. Raststationen schaffen wollte. Während Vigo di Fassa schon seit 1895 über diese Route erreichbar war, wurde der Streckenabschnitt über das Pordoijoch erst zwischen 1901 und 1905 fertiggestellt.395 Um 1907 gingen mit der zunehmenden Automobilisierung und dem wachsende Interesse für Winterurlaube und Wintersport nicht zuletzt auch Veränderungen im Bauwesen und der Architektur einher. Die Verwirklichung weiterer „Alpenhäuser“ war Theodor Christomannos ferner deshalb ein Anliegen, weil er seine Initiativen mit einer Sicherung des Deutschtums bzw. des Deutschen Unternehmertums in den ladinischen Dolomiten verband.396 Mit seinen „politischen“ Ambitionen geriet er aber zunehmend in Konflikt mit seinen Weggefährten im „Verein für Alpenhotels in Tirol“. Denn der kleine Kreis an Investoren wollte lieber bei den bereits bestehenden touristischen Entrepreneurships bleiben und aus diesen gute Gewinne erzielen als sich in weitere, vielleicht „unsichere“ Projekte zu stürzen.397 Aus diesen Gründen lenkte Theodor Christomannos schon um 1904 seine Expansionspläne auf eine neue Gesellschaft, in der er allerdings den finanzkräftigen „Verein für Alpenhotels in Tirol“ als Hauptgesellschafter und damit als Steuerungsorgan geschickt verankerte – dies unter anderem deshalb, weil der „Verein“ bereits seit 1894 Besitzer des Grundstücks in Canazei war und Musch & Lun wahrscheinlich schon seit 1896 an seinem Hotelprojekt im Fassatal arbeitete.398 Dem neuen Unternehmen gab er den Namen „Deutscher Verein für Dolomitenhäuser“, um schon a priori mögliche italienische Investoren auszugrenzen und zum wiederholten Mal mit dem Namenszusatz „Verein“ Aspekte des Gemeinwohls in den Vordergrund zu stellen. Mit der Kapitalgesellschaft für die Errichtung von Dolomitenhäusern schuf er zugleich aber auch die Basis für ein neues, an lokale Anleger gerichtetes Investitionsmodell, das man heute sogar als Crowdfunding betrachten könnte. Während nämlich im „Verein für Alpenhotels in Tirol“ ehedem fast nur „capitalsträchtige Natur- und Alpenfreunde“399 von auswärts aufgenommen wurden, richtete sich das neue Unternehmen hauptsächlich an Einheimische. In den Reihen der 64 „Mitglieder“ im „Deutschen Verein für Dolomitenhäuser“ fanden sich mit wenigen Ausnahmen nur Persönlichkeiten aus Bozen, mehrheitlich Kaufleute, welche die sich eröffnende Anlageform wahrscheinlich auch dazu nützten, um den Tourismus zurück unter lokale Kontrolle zu bringen. Außer dem „Verein für Alpenhotels in Tirol“ steuerten die meisten Gesellschafter zwischen 1.000 und 5.000 Kronen oder ca. 7.000 bzw. 35.000 Euro bei – also vergleichsweise geringe Summen. Unter den wenigen ausländischen Investoren fand sich unter anderem der Industrielle und Pionier der Kühltechnik Karl von Linde (eigentlich Carl, 1842–1943). Einzelne Gesellschafter waren oder wurden auch in anderen touristischen Entrepreneurships aktiv, darunter neben Carl Lun dessen Bruder, der Kellereibesitzer und Weinhändler Heinrich Lun, der auch Mitglied im Hotelbauverein Kitzbühel war. Ferner der Berliner Unternehmer Eduard Arnold, der schon früh dem „Verein für Alpenhotels in Tirol“ angehörte. Die groß angelegte Verlagerung von lokalem Kapital in das noch junge Wirtschaftssegment Tourismus wurde aber schon damals als „Verkauf“ des eigenen Landes gesehen, denn in den Bozner Nachrichten hieß es: „Wenn es in diesem Tempo fortgeht, wird das Dolomitengebiet bei Bozen in wenigen Jahren ein einziger großer Gasthof sein, in dem die Einheimischen lediglich geduldet werden.“400 Nach dem Tod von Theodor Christomannos im Jahr 1911 wurden nicht nur neue Geschäftsführer ernannt, sondern mit dem Bozner Weinhändler und Gutsbesitzer Alois Lageder (1968–1939401) ein neuer Gesellschafter in den „Verein“ aufgenommen.

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1913 erfolgte die Meldung folgender Geschäftsführer an die Behörden: Max Staffler (1880– 1976402), Hotelier, Friedrich Führer, Tapezierer und Möbelhändler, Franz von Kofler, Jurist, Franz Rottensteiner, Spediteur, sowie Peter Steger und Otto Wachtler, Kaufleute (biografische Daten unbekannt).403 Sie alle stammten aus Bozen. Wie viele Berghotels wurde auch das Dolomitenhaus in Canazei während des Ersten Weltkriegs beschädigt und erst nach umfassenden Renovierungen Ende Juni 1920 wiedereröffnet.404 Dennoch beschloss die Generalversammlung des „Deutschen Vereins für Dolomitenhäuser“ am 27. Dezember 1921 die Liquidation ihrer Gesellschaft. Dem war nämlich ein Jahr zuvor die Erstellung eines Gutachtens über die Anerkennung der Gesellschaft „als italienische juridische Person“ vorausgegangen. Laut Gutachten konnten damals 22 Teilhaber der Gesellschaft die italienische Staatsbürgerschaft gar nicht oder nur teilweise nachweisen. Daher fehlte der Gesellschaft vorerst die offizielle Anerkennung durch die italienischen Behörden. Um einem Konflikt zu umgehen, wurde entschieden, die Gesellschaft aufzulösen und das Hotel zu verkaufen. Dennoch erfolgte in dieser Zeit – ohne den ursprünglichen Firmenwortlaut „Deutscher Verein“ ins Italienische zu übertragen – eine Umbenennung des Unternehmens in Società per „Alberghi Dolomiti“. Die Abwicklung der Liquidation dauerte bis zum 7. April 1925.405

Königliches Tribunal für Zivil- und Strafsachen Bozen, 1923. Rot unterstrichen die Namen der Investoren, die nicht als „italienische juridische Personen“ anerkannt wurden, darunter der deutsche Ingenieur Karl von Linde.

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Auch wenn aktuell der Käufer des Dolomitenhauses nicht ausgeforscht werde kann, lässt sich dokumentieren, dass es schon 1920 unter der Leitung eines ursprünglich aus der Schweiz stammenden Geschäftsführers namens Ernst Lautenschlager wiedereröffnet wurde.406 In den 1930er Jahren führte er das Haus im Fassatal zusammen mit dem Hotel Karersee. Aus diesem Grund wurden in dieser Zeit beide Hotels häufig gemeinsam beworben, z. B. als Etappenziele für Autofahrer, die auf der Dolomitenstraße unterwegs waren. Darüber hinaus dürfte er dafür ausschlaggebend gewesen sein, dass Musch & Lun noch in dieser Zeit – unter anderem für „Automobilisten“ – Bauten und Projekte für das Hotel Karersee und das Hotel Canazei realisierte. Fraglich bleibt allerdings, ob Ernst Lautenschlager und seine Frau auf den Fotos zu sehen sind, die sich im Musch& Lun Archiv befinden.

Canazei Von dem im trentinischen Fassatal gelegenen Canazei (auf einer Seehöhe von 1.465 Metern) waren schon bei der Eröffnung des Dolomitenhauses am 5. Juli 1909407 insgesamt zwölf Alpenvereinshütten erreichbar. Bis heute ist der Tourismusort Ausgangspunkt für Touren, unter anderem für die Besteigung der Marmolata (3.343 Meter) oder eine Fahrt über mehrere Dolomitenpässe („Vierpässefahrt“). Die Gemeinde ist über das Grödental und das Sellajoch bzw. von Bozen über den Karerpass erreichbar, wo Musch & Lun mit dem Hotel Karersee (1896) und dem Rosengartenhof (1897) schon früher weitere Hotelkomplexe realisiert hatte. Das Hotel Karersee hatte jedoch die vielfache Größe des Hauses in Canazei. Unter den ersten Besuchern des Dolomitenhauses war der bekannte Osttiroler Maler Franz von Defregger (1835–1921). Er hielt sich aber nur kurz im Hotel auf, um dann für mehrere Wochen in einer Villa in seiner Nähe die Sommerfrische zu verbringen.408

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Dolomitenstraße, Abschnitt zwischen Canazei und Pordoi

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Dolomitenstraße, Abschnitt unterhalb des Pordoijochs

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Das Christomannos-Haus am Pordoijoch (2.250 Meter Seehöhe) Theodor Christomannos war von 1891 bis zu seinem Ableben 1911 Vorstand der Sektion Meran im Alpenverein. Der Bau war als Unterkunft für Alpinisten gedacht, die von der Sellagruppe zur Marmolata wollten. Zugleich sollten Autofahrer hier eine Zwischenstation an der Dolo­ miten­straße auf ihrem Weg über das Pordoijoch nach Cortina vorfinden. Der Bau war nur dank großzügiger Spenden von Meraner Bürgern möglich. Die Sektion Meran gab dem Gebäude nach Christomannos Tod den Namen Christomannos-Haus (Eröffnung am 14. August 1911). Sein erster Pächter war der Meraner Wirt Hans Gritsch, der auch unter den Gründern des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ war. Die Architektur stammte vom Meraner Architekten Ferdinand Linden­berg (biografische Daten unbekannt), Baupläne sind keine erhalten. Das Gebäude wurde im Ersten Weltkrieg stark beschädigt. 1911 berichtete der Deutsche und Österreichische Alpenverein über das Bauvorhaben „Christomannos arbeitete rastlos weiter; dem Ausbau der Karerpaßstraße folgte die im Tiroler Landesgesetze vom Jahre 1897 sichergestellte Dolomitenstraße über die Alpenpässe Pordoi und Falzarego bis Cortina, die heute eine Fremdenattraktion ersten Ranges ist und als deren erster Förderer Christomannos zu nennen ist. […] Es entstand unter seiner unermüdlichen Patronanz das Dolomitenhotel in Canazei im Fassatale; […] für den Knotenpunkt in den Dolomiten, für das Pordoijoch, gewann Christomannos seine Sektion Meran. Letztere hat in Ausführung seines langjährigen Herzenswunsches im vergangenen Herbst unter seiner beständigen Obsorge und Führung den etwa 60 Betten, große Restaurationsräume, Stallungen, Garagen enthaltenden Bau begonnen; das Schicksal gönnte es Christomannos nicht, sein neuestes alpines Werk, das im Sommer 1911 seine Eröffnung feiern soll, zu erleben, ebensowenig wie die Wiedergeburt des Karerseehotels aus den Ruinen der Brandkatastrophe vom 15. August 1910. Beiden Bauten widmete er sich bis in die letzten Tage seines Lebens mit besonderer Intensität.“ Im selben Text finden sich auch Informationen über Theodor Christomannos’ Beweggründe, derartige Projekte in Angriff zu nehmen: „Es war nicht ausschließlich der Wunsch nach Hebung des Volkswohlstandes, was Christomannos veranlaßte, sich mit so rastlosem Feuereifer der Dolomitenstraße und ihrer Umgebung zu widmen. Hier wirkte auch sein nationaler, kerndeutscher Sinn als treibender Faktor mit. Die ladinische, gut tirolische Bevölkerung sollte dem materiellen und politischen Einflusse fremder Glücksverheißer entzogen werden; die ganze Dolomitenstraße mit den Gebieten von Fassa, Buchenstein und Ampezzo sollte ein unter deutschem Schutze stehendes Bollwerk sein. Auch hier hat Christomannos’ Idee wieder durchgeschlagen, wie er sich’s vor zehn Jahren wohl kaum zu träumen wagte.“ Quellen: Meraner Zeitung, 5.5.1911, S. 4f. Sölder, Otto v., Theodor Christomannos, in: Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins, 37, 1911, S. 33–35. Sektion Meran 100 Jahre im Alpenverein, Meran 1970, S. 75.

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Bau- und Umbaugeschichte des Dolomitenhauses und der Dependance (heute: Hotel Laurin) Das erhaltene Material vermittelt, dass im Büro von Musch & Lun 1907 intensiv an der Planung des Hotels gearbeitet wurde. In seinem Archiv finden sich Pläne im Maßstab 1:100 (Blätter Nr. C2_0897, C2_0898, C2_0903 bis C2_0906) und 1:50 (Blätter Nr. C2_0865 bis C2_0869). Die eigentliche Umsetzung des Baus erfolgte in den Jahren 1908/1909. Das Nord-Süd-ausgerichtete Dolomitenhaus entstand auf einem abfallenden Grundstück im Ortsteil Cleva (heute: Gries, vgl. Blatt Nr. C2_0947), unweit des Ortszentrums. Vor seiner Errichtung wurde der Verlauf der heutigen Hauptstraße durch den Ort geändert. Dadurch waren das Erdgeschoss von der nordseitigen Verkehrsroute und das Souterrain vom südseitigen Garten aus begehbar. Das parkähnliche Gelände erstreckte sich bis zu einem älteren Weg (heute: Romstraße). Im Untergeschoss wurden neben dem Post- und Telegrafenamt eine Schwemme, eine Wohnung für den Wirt sowie hangseitig mehrere Keller- und Lagerräume untergebracht. Das Parterre wies eine zweiteilige Raumabwicklung auf. Über den nordseitigen Haupteingang und eine kleine, daran anschließende Vorhalle mit dem Treppenhaus konnte man entweder in die repräsentative, eingewölbte Halle und den Speisesaal auf der einen Seite des Gebäudes oder in das einfachere Touristenzimmer mit offener Veranda, das Büro und die Küche samt Nebenräumen auf der gegenüberliegenden Seite gelangen. Diese räumliche Gliederung macht deutlich, warum das Dolomitenhaus nicht „Hotel“ genannt wurde. Es sollte sich – gemäß der ursprünglichen Idee der Christomannos’schen „Alpenhäuser“ – sowohl an den Bedürfnissen von Hotelgästen als auch von einfacheren Touristen und Alpinisten ausrichten. Die Küche lag in einem südseitigen Anbau über der Schwemme. Dadurch wurde verhindert, dass unangenehme Gerüche in die Gästebereiche dringen konnten. Zugleich war die Küche hier vom Speisesaal und dem Touristenzimmer gleich weit entfernt. Das zeigt auf, dass bei der Planung dieses Hotels einer Raumabwicklung nach menschlichen Bewegungsabläufen mehr Wert beigemessen wurde als früher. Im ersten Stock befanden sich 16 Einzel- und Doppelzimmer, ein Bad und WCs. Auf den beiden Ebenen darüber wurde im Raum für das Bad jeweils ein kleines Einzelzimmer eingerichtet, dafür verfügten mehrere Zimmer über kleine Balkone. Das dritte Obergeschoss weist einen Rücksprung auf. Auffallendes Merkmal der Gästetrakt-Grundrisse war die Anordnung eines geräumigen Vorplatzes bei der Stiege. Im Dachstock wurden einfache, nur mit hölzernen Trennwänden versehene Kammern für eigenes und mitreisendes Personal angelegt. Erst um 1924 war die vorhandene sanitäre Situation nicht mehr ausreichend und es wurden in mehreren Zimmern Bäder eingebaut.409 Ein Teil der Zimmer dürfte mit Öfen beheizt worden sein. Wann eine Zentralheizung eingebaut wurde, ist leider nicht bekannt. Auch nach einer Vielzahl von An- und Umbauten konnte der „Hotelkasten“ bis heute viel von seinem ursprünglichen äußeren Erscheinungsbild bewahren.410 Die Sockelzonen und Eckquaderungen des Putzbaus bestehen aus Natursteinen. Den oberen Abschluss bildet ein gestaffeltes Walmdach mit Zwerchhaus und Fledermausgauben. Die Staffelung der Dächer sollte den massiven kubischen Baukörper optisch auflockern. Wenige Details wie Fensterlaibungen aus bearbeitetem Stein, Erker, hölzerne Bauteile (z. B. Fensterläden) und einfache Wandmalereien reichten aus, um dem Gebäude ein heimattümelndes Aussehen zu verleihen.

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Dolomitenhaus Canazei, Schaubild (von Tony Grubhofer?)

Dolomitenhaus Canazei, Anziehungspunkt für die ersten Autofahrer

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Musch & Lun, Dolomitenhaus Canazei Hauptfassade, 1907, und Rückseite nach Erweiterungen, 1933 (links) Grundrisse, 1907 (rechts)

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Dennoch ist am Dolomitenhaus in Canazei unübersehbar, dass es in gestalterischer Hinsicht nicht mehr der Ära der „schlossähnlichen“ Berghotels zugeordnet werden kann. Leider lässt sich in diesem Zusammenhang nicht dokumentieren, wer das Projekt für Musch & Lun entwarf. In Erwägung zu ziehen sind Christian Städler, der um 1907 an der Erweiterung des Hotels Karersee beteiligt war, und der spätere „Chefarchitekt“ des Büros, Johann Müller. Letzterer stammte wie mehrere Architekten, die damals im Raum Meran und Bozen auch im Tourismusbau aktiv wurden, aus München. Er kam über Theodor Fischer nach Meran und war z. B. am Wiederaufbau des Hotels Karersee nach dem Brand und der damit einhergehenden architektonischen Neugestaltung der oberen Partien des Gebäudes maßgeblich beteiligt. Näheres über den sich vollziehenden Wandel in der Berghotel-Architektur siehe im dritten Kapitel und im Abschnitt über den Wiederaufbau des Hotels Karersee nach dem Hotelbrand in diesem Buch. Zusammen mit dem Dolomitenhaus entstanden gegenüber dem Hoteleingang eine einfacher gestaltete Dependance mit Autogaragen (Blatt Nr. C2_1009, heute: Hotel Laurin) und in geringer Entfernung zum Hauptgebäude ein Bau für Stall und Wäscherei (Blatt Nr. C2_0984). In den 1930er Jahren wurde die Dependance aufgestockt und die ebenerdigen Garagen in eine Bar und ein Geschäft umgebaut (Blatt Nr. C2_0882 bis C2_0884, C2_0886). 1925 erfolgte im Haupthaus eine Erweiterung des Speisesaals durch einen Anbau, der in ähnlicher Form und parallel zum ursprünglichen Küchentrakt realisiert wurde (Blatt Nr. C2_0946). Im selben Jahr wurde auch ein Musik- und Tanzpavillon geplant. Die reizvolle offene Holzkonstruktion sollte wahrscheinlich im Hotelpark platziert werden.

Dependance mit Autogaragen, die um 1930 in das neu erbaute Motel verlegt wurden

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Musch & Lun, Entwurf für einen Musik- und Tanzpavillon für das Dolomitenhaus Canazei, 1925

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1929/1930 Umbau des Stall- und Wäschereigebäudes in ein „Berg-Motel“ Während der 1930er Jahre wurden im Büro von Musch & Lun hauptsächlich kleine Projekte und Umbauvorhaben abgewickelt. Dennoch unternahm man immer wieder Versuche, wie in früheren Zeiten mit einem größeren „Wurf“ in Erscheinung zu treten, beispielsweise mit einer Freibadanlage hinter dem Hotel Karersee (1936), die aber genauso wenig realisiert wurde wie andere Pläne.411 Aus diesem Grund ist es umso erstaunlicher, dass mit dem Projekt eines Motels nahe dem Dolomitenhaus noch eine in dieser Zeit neu aufkommende Sonderform des Bautyps Hotel umgesetzt wurde (Blätter Nr. C2_0885, C2_0887 und C2_0888). Die ersten Motels, die ein Abstellen des eigenen Autos in unmittelbarer Nähe des Hotel­ zimmers erlaubten, entstanden im zeitlichen Umfeld der Massenmotorisierung in den USA ab der Mitte der 1920er Jahre.412 Viele von ihnen gingen aus Zeltplätzen hervor, die zusammen mit Tankstellen oder Raststätten an Streckenabschnitten oder Knotenpunkten von Fernverkehrsrouten und Autobahnen errichtet wurden. Architektonisch handelte es sich schon damals meist um einfache einstöckige Gebäude mit offenen oder gedeckten Park­ plätzen. Kennzeichnend für den neuen Bautyp war, dass der Weg in die Zimmer zumeist direkt erfolgte, d. h. ohne vorheriges Passieren der Rezeption und der damit einhergehenden Kontrolle der Gäste.413 Das führte dazu, dass das Motel zum Inbegriff für eine gesellschaftliche Randzone wurde. Das Motel gilt als unpersönlicher, eigenschaftsloser Ort mit eigener Logik, in „dem die Verbindung zur Welt verloren zu gehen droht“414, weshalb es in der imaginären Welt von Literatur und Film seit je einen besonderen Platz einnimmt. Leider lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen, woher Musch & Lun in der Entstehungszeit dieser neuen Bautypologie Anregungen für die Entwürfe seines „Berg-Motels“ bezog. Das erhaltene Planmaterial legt aber den Schluss nahe, dass die Architekten des Gebäudes von einer anderen Bezeichnung für Motel, dem sogenannten Autohof (auch: „Auto Court“, „Tourist Court“415), ausgingen und sich an der Vorstellung eines abgerundeten Hofes orientierten, in den die Autos gut ein- und ausfahren bzw. reversieren können. Das Projekt wurde an das bereits bestehende Stall- und Wäschereigebäude angebaut. Der ehemalige Stall wurde teilweise in einen Bereich für die Autopflege umfunktioniert, die Wäscherei blieb bestehen und im ersten Stock des Altbaus befanden sich Zimmer (für Personal?). Den abgerundeten Bauteil des Motels erreichte man über eine seitliche Einfahrt an der heutigen Romstraße. Er verfügte über zwölf radial angeordnete Garagen, über denen jeweils ein Einzelzimmer lag. Im ersten Stock verband ein umlaufender Erschließungsgang den Altbestand mit dem Neubau. Den oberen Abschluss bildete ein nach innen abfallendes Pultdach. Auch wenn es naheliegend war, in der Ära der zunehmenden Automobilisierung im Umfeld mehrerer, durch Straßen erschlossener Dolomitenpässe ein derartig innovatives Projekt zu realisieren, nimmt es in der alpinen Architektur bis heute eine Sonderstellung ein. Daher ist es umso bedauerlicher, dass das einzige jemals realisierte „Berg-Motel“ heute nur noch auf Plänen und wenigen historischen Abbildungen überliefert ist.

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Dolomitenhaus Canazei mit dem Berg-Motel (rechts im Bild)

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Grundriss Berg-Motel und erster Stock (rechte Seite)

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Kofferaufkleber (rechts) Neben dem privaten Autoverkehr nahmen ab den 1920er Jahren auch der öffentliche Verkehr und die organisierten Reisen über die Dolomitenpässe immer mehr zu. Hinzu kamen Veranstaltungen wie die „Dolomit-Rallye“ Berg-Motel Canazei, Postkarte und Schnitt (linke Seite)

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Hotel (Projekt), St. Anton am Arlberg

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1908; 1911

Hotel (Projekt), Standort unbekannt, A-6580 St. Anton am Arlberg



Architektur: Musch & Lun (Chefarchitekt Johann Müller)



Kat.: A4.14

Die Pläne zu diesem Hotel zählen zu den wenigen Projekten im Musch & Lun Archiv, deren Urheber bekannt ist. Es handelte sich um den aus dem Umkreis von Theodor Fischer in München stammenden Johann Müller, der von 1909?/1910 bis 1913 als Chefarchitekt im Büro von Musch & Lun tätig war und dort z. B. am Wiederaufbau des Hotels Karersee mitwirkte. Auf ihn und das Hotelprojekt wurde in einem Artikel der Meraner Zeitung mit dem Beisatz hingewiesen, dass diesem keine Verwirklichung bevorstünde – möglicherweise einer der Gründe, weshalb es Johann Müller von Südtirol bald wieder nach München zurückzog.416 Johann Müller fertigte im Abstand von ca. drei Jahren zwei Varianten des Hotelprojekts an. Manche Pläne wurden von Josef Musch und Carl Lun signiert. Leider ist der Standort nicht bekannt, an dem das große Gebäude verwirklicht werden sollte, dieser geht auch nicht aus einem erhaltenen Lageplan hervor (Blatt Nr. A4_0136, 1911). Ferner fehlen Informationen, ob die Entwürfe auf Initiative von Musch & Lun oder im Auftrag (des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“?) entstanden. Es ist aber davon auszugehen, dass ein so groß dimensioniertes Hotel die weitere städtebauliche Entwicklung des Tourismusortes am Arlberg maßgeblich präkonditioniert hätte. Im auf einer Seehöhe von 1.284 Metern gelegenen St. Anton setzte der Fremdenverkehr in gewisser Weise mit dem Bau des Arlbergtunnels (1880 bis 1884) ein.417 Denn die Großbaustelle zog Arbeiter aus vielen Teilen der Habsburgermonarchie an, und es heißt, dass zu den ca. 900 Einwohnern des Ortes zeitweilig 2.200 Bauarbeiter und weitere 800 im Zuliefergewerbe tätige Personen kamen.418 Sie bezogen, wo es nur ging, Quartier. Fast in jedem Haus wurden Trennwände in die Zimmer eingezogen und die so entstandenen Räume zur Vermietung mit Stockbetten bestückt.419 Doch nicht selten stellten die Lebensgewohnheiten der Arbeiter die lokale Bevölkerung vor Herausforderungen.420 Nach der Fertigstellung des Tunnels nahm die Bevölkerungszahl wieder rapide ab und man lebte noch bis zum Einsetzen des systematischen Fremdenverkehrs um 1890 von der Landwirtschaft. Schon damals sollen nicht nur Alpinisten, sondern auch die ersten Skifahrer nach St. Anton gekommen sein.421 1895 wurde mit dem Hotel Post, das zwischen 1927 und 1929 von Clemens Holzmeister ausgebaut wurde422, der erste größere Beherbergungsbetrieb eröffnet. 1901 erfolgte im Hospiz von St. Christoph die Gründung des bekannten Skiclubs Arlberg.423 Auch der dortige Speisesaal wurde vom bekannten Nordtiroler Architekten gestaltet.424

Hotel St. Anton, Variante 1, 1908 Der leider nur unvollständige Plansatz enthält Entwürfe für ein Haupt- und ein Nebengebäude. Es sollte ein ca. 65 Meter langer, nach Südwesten orientierter Baukörper entstehen, dessen Erschließung von der Rückseite erfolgen sollte. Alle Gesellschaftsräume wurden talseitig angeordnet. Den Mittelpunkt des Hotels sollte die Eingangshalle bilden. Ihr wurde eine repräsentative, zweiarmige Treppe als Verbindung ins Freie vorgelagert. Wie bei mehreren Hotels der Ära um 1908 wurde der Küchentrakt in einem ebenerdigen Anbau untergebracht (vgl. Dolomitenhaus, Canazei).425 In seinem Anschluss war ein im Vergleich zur Halle kleiner Speisesaal geplant. Als obere Abschlüsse waren Walmdächer mit Schlepp- und Fledermausgauben vorgesehen. Das Projekt hebt sich insofern von anderen aus dem Büro von Musch & Lun ab, als auch in den Obergeschossen manche Zimmer mit eigenem Bad ausgestattet werden sollten.

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Hotel St. Anton, Ansichten, Schnitte und Grundrisse, 1908. Bedauerlicherweise ist das erhaltene Material unvollständig, die Hauptansicht fehlt

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Der geschlossene, nicht ganz symmetrisch angelegte Baukörper sollte durch einen Mittel­ risaliten und seitliche Ecktürme akzentuiert werden. Wie auch Vergleichsbeispiele im Oberengadin zeigen, setzte sich ein nach 1905 entstandenes Berghotel nicht mehr aus einer malerischen Abfolge verschiedener, teils traufen- bzw. giebelständiger Bauteile zusammen.426 Nach wie vor handelte es sich um „burg-“ oder „schlossähnlich“ gestaltete Häuser. Neu war aber die Rückkehr zu einer blockartigen, geradezu kolossal anmutende Monumentalität, deren Zustandekommen auf jüngere Zeitströmungen wie eine durchaus politisch gefärbte Nationalromantik, künstlerische Reformbewegungen (Arts-and-Crafts und Werkbund) und nicht zuletzt den Heimatschutz zurückgeführt werden kann. Wichtige Anstöße in Bezug auf neuartige Verbindungen von gestalterischen und patriotischen Anliegen gingen von den Weltausstellungen aus, insbesondere jener in Paris 1900.427 Motive aus älteren Bautraditionen (z. B. der Burg) wurden assoziativ, in einem weit gefassten Sinn als allgemein verfügbares kulturelles Material in eine neue Formensprache integriert. Ein weiteres Merkmal war, dass neben den im weitesten Sinn „mittelalterlichen“ nun zunehmend auch lieblicher anmutende, barockisierende Elemente in den Hotelbau und die Innenraumgestaltung Eingang fanden – insgesamt eine Entwicklung, die, wie bereits mehrfach dargestellt, von Süddeutschland und den dortigen Architekturschulen in den Alpenraum gelangte. Isabelle Rucki resümiert (in Bezug auf das Hotel Waldhaus in Sils Maria, 1906–1908), dass nur wenige historisierende Elemente genügten, um die Vorstellung von einem mittelalterlichen Feudalsitz wieder aufleben zu lassen. Sie schreibt aber auch, „Hier wird eine auf einfachen Mitteln beruhende Zeichensprache angewandt, die in erster Linie auf Fernwirkung zielt und wenig Liebe zum Detail zeigt.“428 Das Schweizer Pendant stammte von Architekt Karl Koller (1873–1946), der in frühen Jahren – wie bereits im dritten Kapitel dieses Buches dargestellt – im Büro von Chiodera und Tschudy in Zürich arbeitete und später Hauptwerke der Tourismusarchitektur in Graubünden schuf.429 Es ist naheliegend, dass Architekt Johann Müller über die neuen Hotelprojekte seines Schweizer Kollegen informiert war. Nicht zuletzt weist sein Entwurf auffallende Ähnlichkeit mit einem ebenfalls 1908 entstandenen und unverwirklicht gebliebenen Hotelprojekt von Musch & Lun für die Wirtsfamilie Gröbner in Gossensass auf, der im Abschnitt „Vom Bauernhof zum Palasthotel – der Wielandhof in Gossensass“ vorgestellt wird. Vor diesem Hintergrund liegt der Schluss nahe, dass der Verfasser dieses Projekts ebenfalls Johann Müller gewesen sein könnte.

Hotel St. Anton, Variante 2, 1911 Diese verkleinerte Variante des Hotels weist nur noch eine Fassadenlänge von ca. 46 Metern auf. Im Unterschied zum Erstprojekt verfügt dieses Projekt über ein Souterrain (Untergeschoss) mit Halle, Restaurant, Küche samt Nebenräumen und elf Gästezimmern. Im Hochparterre wurden die übrigen Gesellschaftsräume, der Speisesaal und weitere Gästezimmer angeordnet. Auch hier erfolgte eine zweite Erschließung von der Rückseite des Gebäudes. Die Gästezimmer in den oberen Stockwerken sollten nur vereinzelt mit eigenem Bad ausgestattet werden. Einfacher Putzbau mit rustizierter Sockelzone, der mit seitlichen Ecktürmen, Balkonreihen im ersten und zweiten Obergeschoss und offenen Loggien im Mittelteil versehen werden sollte. Charakteristisches Element dieser Entwurfsvariante ist, dass sie insbesondere auf der Ebene des Hochparterres kaum Bezug zur Landschaft aufweist und daher als Berghotel, für dessen Gäste die Aussicht auf die umliegenden Bergkulissen einen ausgesprochenen Zugewinn darstellt, geringe Aussicht auf Realisierung gehabt haben dürfte.

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Hotel St. Anton, Hauptansicht und Grundriss Hochparterre, Variante 1911

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Anhang Hotel Karersee – Planbestände und Dokumentationen Drei Kassetten mit Architekturdarstellungen zum Hotel Karersee übergaben die Besitzer des Musch & Lun Archivs, die Familie Kinkelin, dem Touriseum, weshalb diese Bestände mit den Signaturen des Landesmuseums für Tourismus mit „TOUR“ versehen sind. Leider fehlt mit Ausnahme von den wenigen, bis dato unveröffentlichten Plänen und Skizzen im Bauamt Welschnofen weitgehend Material von der ersten Bauphase des Hotels. Aus unterschiedlichen Bau- und Umbauphasen des Hotels stammende, aber gesondert aufbewahrte Blätter befinden sich nach wie vor im Musch & Lun Archiv. Inhalt der drei Kassetten im Touriseum 1) Die Kassette „Altbestand und Umbauten div. Nebengebäude“ beinhaltet: Alpenkapelle (1897), Nebengebäude (Anbauten an die Dependance Alpenrose 1905 bzw. 1948, Garage 1911), die mehrmals aus- und umgebaute Trinkwasserleitung samt Reservoir (vom Hotel bis zur Quelle 769 Meter, vgl. Blatt Nr. TOUR_4100468), Umbau eines Stadels zu Kraftfahrerwohnungen (1923), vgl. Blatt Nr. TOUR_4100426), Umbau Wäscherei und Bäckerei (1924). 2) Die Kassette „Bau 1910/1911  – Originale 1:100, Detailpläne, Dachrinnenpläne, Elektr. Werk, Sanit. Anlagen“ beinhaltet: Pläne für Möbeltypen, Waschtische, Wandschränke, ToilettenEinrichtung (1928, z. B. Blatt Nr. TOUR_4100389), Pläne für einen Umbau der Speisesaaldecke (1920), weitere Pläne zu den Einbauten von Bädern und Waschtischen in die Gästezimmer (1923, Sanitärpläne der Firma DECO aus Lugano) bzw. 1929, weitere Pläne zum Anbau einer Freiterrasse an die Dependance Alpenrose sowie Neugestaltung von Haupteingang und Halle (1949). 3) Kassette „Karerseehotel – Grundr. u. Details 1910/1911, Originalpläne, Speisesaal-Halle-Restaurant, Elektr. Werk, Kühlanlage, verschiedene Ein- u. Umbauten, Sanit. Anlagen, Möbel“ beinhaltet: Fotos, Details Dachkonstruktion, Ansichten Alpenkapelle, Planung der Dachrinnen und Fallrohre, Detailentwürfe Balkone und Erker (1910/1911), Wandabwicklungen (z. B. Restaurant, Halle), Entwürfe für die Gestaltung der Plafonds von Halle, Restaurant etc. (Deckenuntersichten), Pläne für einen Umbau der Speisesaaldecke (Tonnengewölbe, vgl. Blatt Nr. TOUR_4100529). Darüber hinausgehende Planbestände und Dokumentationen Das Hotel Karersee (erste Bauphase 1894 bis 1896) zählte zu den Hauptwerken von Musch & Lun, obwohl es laut August Prokop zumindest noch teilweise in Zusammenarbeit mit Otto Schmid entstand. Er schreibt auf Seite 22, nur „der Bau und das Detail des Karersee-Hôtels wurde von Musch & Lun besorgt“. Mit Ausnahme von drei Grundrissen und einem Schnitt (Bauamt Welschnofen) gibt es kaum mehr Originalpläne aus der ersten Bauphase von 1894 bis 1896. Daher bilden die von August Prokop veröffentlichten Architekturdarstellungen und seine Angaben wichtige Ausgangspunkte für eine Analyse des Gebäudes. Das Haus am Karersee nimmt in seinem Band über österreichische Alpen-Hotels eine derart zentrale Stellung ein, dass es wohl ausschlaggebend für die Herausgabe der Publikation war. Anschaulich schildert Prokop die Abläufe am geografisch exponierten Bauplatz und die damit verbundenen Herausforderungen, die weder in Bezug auf die Kosten noch die Logistik mit einer Baustelle

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in der Stadt vergleichbar waren. Aus seinem Text geht zudem hervor, wie schwierig das Zusammenspiel zwischen der baulichen Verlängerung der Eggentalstraße und dem Transport von Menschen und Material sowie der Koordination sämtlicher Abläufe auf der Baustelle war. Laut seiner Darstellung waren auf der Baustelle 400 bis 450 Arbeiter beschäftigt und die Bauzeit betrug lediglich 14 Monate. Wahrscheinlich wurde die Bauleitung des Hotels an den Ingenieur Josef Lun übertragen, weil dieser über gute Kontakte zum Büro Josef Riehls verfügte. Ihre Biografien siehe im ersten Band dieses Buches. Insgesamt sind August Prokops Darstellungen so detailliert, dass man die erste Baustufe des Hotels Karersee zu jenen Bauvorhaben in Österreich vor 1900 zählen kann, die am umfassendsten dokumentiert wurden. Der Textabschnitt über das Hotel Karersee wird daher in diesem Buch zur Gänze wiedergegeben. In diesem Zusammenhang sind auch frühe Lagepläne (Touriseum) von Bedeutung, die nicht nur das Hotel, sondern auch die in seinem Umkreis entstandenen Bauten zeigen, z. B. einen Stall. 1894 war dieses Gebäude das erste, das am Bauplatz erbaut wurde (Bauamt Welschnofen). Es war für die Abwicklung des Projekts von zentraler Bedeutung, denn in einem ersten Schritt musste eine Unterkunft für die Arbeiter errichtet werden. Zum Teil sind dieses und andere Nebengebäude in modernisierter bzw. umgebauter Form heute noch erhalten. In Kassette X3 des Musch & Lun Archivs könnte ein Blatt Hinweise auf die Möblierung der Zimmer in der Frühzeit des Hotels geben (Blatt Nr. X3_6473). Sie waren „comfortabel, mit einfacher Eleganz aus Zirbelholz eingerichtet“, wie der Bote für Tirol und Vorarlberg am 6. Juli 1896 auf Seite 3 schrieb. Auch Teile der ersten Ausstattung des Hotels wurden vor Ort hergestellt. Die Hotelerweiterung von 1906 bis 1909 lässt sich gut anhand der vom Bauamt Welschnofen verwahrten Archivalien nachvollziehbar machen. Einzelne ergänzende Blätter, z. B. den Anbau der Hotelhalle betreffend, finden sich im Touriseum. Zum Hotel Karersee gehörten auch das Weisslahnbad und die Dependance Alpenrose. Bei der Dependance handelte es sich ursprünglich um ein Gasthaus, das vom Bergführer Anton Dejori errichtet wurde. 1895 kaufte Theodor Christomannos das Gebäude, um es als preisgünstigeres Touristenhaus zusammen mit dem Hotel Karersee unter dem Dach des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“ zu betreiben. Das Haus wurde neu eingerichtet und später in mehreren Phasen erweitert. Anton Dejori errichtete wenig später in Zusammenarbeit mit Musch & Lun den Rosengartenhof am Karerpass. Zum Hotel Dejoris und dem Weisslahnbad siehe die jeweiligen Abschnitte in diesem Kapitel des Buches. 1897 wurde nahe dem Hotel die Alpenkapelle (heute: Kirche St. Josef) errichtet. Das Planmaterial findet sich in den Beständen, die aus dem Musch & Lun Archiv an das Touriseum übergeben wurden, und im Bauamt Welschnofen. Im Unterschied dazu lässt sich das ursprüngliche Aussehen der Villen, die im Umfeld des Hotels entstanden, nur noch anhand des Materials im Musch & Lun Archiv und seltenen Postkarten in der Österreichischen Nationalbibliothek dokumentieren. Der Wiederaufbau des Hotels Karersee nach dem Hotelbrand vom 15. August 1910 und mehrere Bauetappen an den umliegenden Gebäuden lassen sich mittels der vom Touriseum und dem Bauamt Welschnofen verwahrten Materialien – mit Lücken – bis ca. 1958 verfolgen. Darunter finden sich auch solche, die sich auf die Verbesserungen der Trinkwasserversorgung und der Sanitäreinrichtungen (Bäder und Waschtische) etc. beziehen. Zum Vergleich: Die Gemeinde

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Welschnofen bekam erst 1906 eine eigene Trinkwasserversorgung, wie Ignaz Kircher in seinem Band „100 Jahre Fremdenverkehr Welschnofen-Karersee“ (Bozen 1986), auf Seite 45f. schreibt. In Ergänzung zu diesem Material finden sich im Musch & Lun Archiv in Kassette X2.355 reizvolle, im weitesten Sinn am Formengut des Jugendstils orientierte und detailliert ausgearbeitete Entwürfe für Stühle bzw. in Kassette X8.454 solche für Raum- bzw. Gangtrennungen aus Holz und Glas. Unter den erhaltenen historischen Dokumenten über das Hotel Karersee ist insbesondere ein Kassabuch bemerkenswert, das nach dem Hotelbrand im Jahr 1910 angelegt wurde und sich in Privatbesitz befindet (Privatsammlung Christine Geiger, Karersee). Es enthält umfassende Aufstellungen über das bei der Katastrophe gerettete Inventar samt Bewertung (S. 100–107), wobei die Gesamtsumme abzüglich einer 20-prozentigen Amortisation 103.491,62 Kronen (ca. 619.625 Euro) betrug. Ferner finden sich im Kassabuch Listen über die neue Einrichtung des Hotels und die Lieferanten 1911/1912 (S. 1–99, auf den nachfolgenden Seiten auch Nachträge) und Aufzeichnungen über weitere Anschaffungen und Reparaturen bis 1914. Diese umfassen auch solche für Nebengebäude (z. B. Meierei, Alpenkapelle, Garagen etc.). Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Verzeichnisse von 1920 bis 1925 fortgeführt.

Kassabuch Hotel Karersee, Seite 100 bis 103, mit den Auflistungen über die beim Brand aus dem Gebäude geretteten Gegenstände

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„Verein für Alpenhotels in Tirol“ – Statuten, 1895

§ 1 Der Verein führt den Namen: „Verein für Alpenhotels in



Tirol“ und hat seinen Sitz in Meran.

Zur Errichtung von Urkunden oder Abschluß von mündlichen Rechtsgeschäften über 10.000 fl. (ca. 142.000 Euro) ist die Citirung respective Berufung

§ 2 Der Verein hat den Zweck: Die Erschließung der

auf den bezüglichen Beschluss der Vollversammlung

Hochthäler Tirols für das reisende Publikum, insbe-

des Vereines zur Giltigkeit notwendig.

sondere durch Erbauung und Führung comfortabler Hôtels, Erhaltung von Gebirgsstraßen, Förderung even-

§ 6 Die Beschlußfassung über alle nicht ausdrücklich in den

tuell Betheiligung an Eisenbahnunternehmungen und

Wirkungskreis des Verwaltungs-Ausschusses /: § 9 :/

sonstigen den Fremdenverkehr in Tirol fördernden

fallenden Angelegenheiten steht der Vollversammlung

Anstalten. Alles dies unter spezieller Einhaltung der be-

der Vereinsmitglieder zu. Insbesondere hat dafür die

sonderen hiefür bestehenden gesetzlichen Vorschriften.

Vollversammlung zu beschließen:

a) über die jeweilig zu entfaltende Thätigkeit des



b) über die Genehmigung des Rechenschaftsberichtes,

§ 3 Der Verein ist von den um die Concession einschrei-

Vereines;

tenden Mitgliedern gebildet und tritt mit dem Herab­ langen der Concessions-Ertheilung seitens der compe-

der Bilanz und der Jahresrechnung seitens des

tenten Behörde ins Leben und dauert, falls nicht eine

Verwaltungsausschusses;

vorzeitige Auflösung erfolgt, 15 Jahre.



c) über den jeweilig zu vertheilenden Gewinn;



d) über die Aufnahme neuer Mitglieder oder das



e) über die Wahl der Mitglieder des Verwaltungs­

§ 4 Das Vereinsvermögen besteht vorläufig aus den von

Austrittsansuchen von Mitgliedern;

den jetzigen Mitgliedern baar zu entrichtenden bereits festgesetzten Beiträgen im Mindestbetrage von je

ausschusses nebst den Ersatzmännern gemäß § 24;

10.000 fl. ö. W. (ca. 142.000 Euro).



f ) über allfällige Statutenänderungen;

Die gegenwärtigen Mehrbeträge sind durch 5.000 teil-



g) über die etwaige vorzeitige Auflösung des Vereines.

bar, und müssen auch die Beiträge künftiger Mitglieder durch 5.000 (ca. 71.000 Euro) theilbar sein und mindes-

§ 7 Die Beschlüsse der Vollversammlung werden im

tens 10.000 fl. (ca. 142.000 Euro) betragen.

Allgemeinen durch Majorität der anwesenden oder statutengemäß vertretenen Mitglieder gefaßt; in den

§ 5 Der Verein wird nach außen durch den Präsidenten und

Fällen d, f, g des § 6 und bei Beschlußfassung über

in dessen Verhinderung durch den Vicepräsidenten

Erwerbung oder Neuerwerbung von Objecten, welche

vertreten. Zur giltigen Ausfertigung von Urkunden

mehr als 10.00 fl. (ca. 142.000 Euro) kosten, ist 4/5

über Rechtsgeschäfte oder zur Giltigkeit von Rechts-

Majorität der anwesenden oder statutenmäßig ver-

geschäften des Vereines überhaupt bis zu einem Be-­

tretenen Mitglieder zur Giltigkeit des Beschlusses

trage von 10.000 fl. (ca. 142.000 Euro) ist die Unter­

nöthig; unter diesen Objecten sind jedoch eventuelle

fertigung der Urkunde seitens des Präsidenten even-

Degendenzen zu den im Baue begriffenen Hotels in

tuell Vicepräsidenten nebst noch einem Mitgliede

Trafoi und am Karersee nicht inbegriffen.

des Verwaltungsausschusses, beziehungsweise bei mündlichen Übereinkommen die übereinstimmende

§ 8 Der Verein ist insbesondere auch berechtigt Darlehen

Willenskundgebung zweier Functionäre nöthig.

aufzunehmen, worüber die Vollversammlung gemäß § 7

Solcher Art ausgestellte Urkunden bezw. getroffene

zu beschließen hat.

mündliche Rechtsgeschäfte verpflichten den Verein gegenüber dritten Personen unbeschadet des Rechtes

§ 9 Zur Leitung der Geschäfte des Vereines und zur

des Vereines die betreffenden Functionäre zur Verant­

Vollziehung der Beschlüsse der Vollversammlung wird

wortung zu ziehen, falls dieselben ohne oder entgegen

ein Verwaltungsausschuß bestellt. Derselbe besteht

den Beschlüssen des Vereines handeln sollten.

außer dem Präsidenten, dem Vicepräsidenten aus noch

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zwei Mitgliedern und für den Fall der Verhinderung aus

Betriebsauslagen nur die Darlehenszinsen als Ausgaben

zwei Ersatzmännern.

anzunehmen sind.

Die Mitglieder des Verwaltungsausschusses werden



- Das Mittel aus dem Kostenwerte (abzüglich der er-

auf die Dauer von 1 Jahr gewählt; diese Ämter sind

wähnten Amortisationen) und dem Ertragswerte ist so-

Ehrenämter; es haben aber diejenigen Mitglieder, deren

dann der in die Rechnung einzustellende Inventarswert.

Thätigkeit den Besuch der Ausschuß-Versammlungen und die gewöhnliche Repräsentanz überschreitet,

§ 11 Zur Giltigkeit der Beschlussfassung des Verwaltungsausschusses sind 3 Stimmen nötig, und wäre im Falle

Anspruch auf Honorierung ihrer Arbeiten und Auslagen.

der Stimmengleichheit die Beschlußfassung der § 10 Der Verwaltungssauschuss hat in Ausübung der ihm

Vollversammlung einzuholen.

obliegenden die Leitung und Verwaltung des Vereines § 12 Der Präsident beziehungsweise der Vicepräsident

betreffenden Thätigkeit, insbesondere die das Ver­eins­ vermögen betreffenden Lieferungs-, Lohn- und Werk-

hat außer der sub § 5 normirten Vertretung des

Verträge ganz nach seinem Ermessen zu schließen,

Vereines nach außen auch die Sitzungen des Verwal­

insoweit nicht etwa spezielle Beschlüsse der Vollversam­

tungsausschusses und der Vollversammlung

mlung eine besondere Directive geben, und hat überdies

einzuberufen und zu leiten.

das Recht, über Beträge von nicht mehr als 2.000 fl. (ca. 28.400 Euro) zu beliebigen den Verein betreffenden

§ 13 Die einzelnen Mitglieder des Vereines haben nachste-

Zwecken zu verfügen.

hende Rechte:

- Der Verwaltungsausschuß ist verpflichtet, über seine



Thätigkeit alljährlich der Vollversammlung einen schrift-

a) bei den Vollversammlungen zu erscheinen und an der Abstimmung theilzunehmen. Eine Bevollmächtigung ist

lichen Bericht zu erstatten, die Bilanz zu entwerfen und

regelmäßig nur an Vereinsmitglieder zulässig; ausnahms-

Rechnung über das Vereinsvermögen zu legen.

weise kann unter Zustimmung aller Vereinsmitglieder

- Die Aufstellung der Jahresbilanz erfolgt jedoch erst von

auch einem Dritten die Vollmacht ertheilt werden.

dem Zeitpunkte ab, als mindestens ein zum Ertrage be-

Mitglieder, deren Capitalseinlage nicht mehr als 30.000 fl.

stimmtes Object fertig gestellt sein wird.

(ca. 426.000 Euro) ausmacht, haben eine Stimme,



- Bei Verfassung der Bilanz respective Berechnung des

Mitglieder mit höheren Beiträgen zwei Stimmen;



- Von nicht fertigen oder doch noch nicht betriebenen



- Bei in Betrieb gesetzten Etablissements wird der Wert nachstehend bestimmt.

an Geldmitteln im Verhältniße seines gezeichneten



- Vorerst wird einerseits von diesen Objecten der vol-

Beitrages zu erhöhen; falls die übrigen Gesellschafter

le Kostenwert constatirt; vom dritten Jahre der Inbe­

von diesem ihrem Rechte keinen Gebrauch machen,

trieb­setzung ab gerechnet wird von dem Bauwerte

kann die Erhöhung im Bedarfsfalle beliebig geschehen;



Inventar-Wertes ist in folgender Weise vorzunehmen.



b) an dem bilanzmäßigen Gewinne der Vereinsunternehmungen im Verhältniße zu seinem Mitgliedsbeitrage

Objecten sind die vollen Gestehungswerte einzusetzen.

theilzunehmen;

1 Prozent pro Jahr als Amortisation abgeschrieben;



zu dieser Summe kommt der Anschaffungspreis der

c) seinen Mitgliedsbeitrag nach Maßgabe des Bedarfes

d) an dem Vereinskapitale im Falle der Auflösung im Verhältniße zu seinem Beitrage /: Vermögensantheile :/

Einrichtung des bezüglichen Etablissements /: worun-

zu partizipiren.

ter auch die Maschinen zu verstehen sind :/ abzüglich 5%



Amortisation an den mindestens eine Saison benützten

f ) im Falle des Austrittes aus dem Vereine die in § 15 normirten Forderungen an den Verein zu stellen.

Gegenständen.

- Diese so gewonnene Summe bildet den einen Factor

§ 14 Jedes Mitglied ist berechtigt, jederzeit aus dem Vereine

der Wertbestimmung.

auszutreten.

- Der andere Factor ist der Capitalsbetrag, welcher sich aus dem letztdreijährigen Betriebs-Reinertrage

§ 15 Jedes austretende Mitglied, welches 10 Jahre dem

des betreffenden Etablissements bei Annahme einer

Vereine angehört, hat Anspruch auf einen seinem

5 prozentigen Verzinsung ergibt, wobei außer den

Mitgliedsbeitrage im Verhältniße zu dem dem Austritte

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letztvorangegangenen bilanzmäßigen Reinvermögen

§ 19 Im Falle des Todes eines Mitgliedes treten dessen Erben,

des Vereines entsprechenden Geldbetrag zuzüglich

falls sie es wünschen, zwar vorerst in alle Rechte des

der letztjährigen Dividende. Ein allfällig angesammel-

Erblassers und haben sich durch einen gemeinsamen

ter Reservefond ist hierbei unter das Reinvermögen zu

Bevollmächtigten vertreten zu lassen, welcher vom

rechnen.

Vereine zu genehmigen ist; es steht jedoch dem Vereine das Recht zu, den Erben die Mitgliedschaft vierteljährig

§ 16 Jedes Mitglied erhält nach erfolgter Einzahlung seines

zu künden; nach Ablauf der Kündigung haben die Erben

ganzen Mitgliedsbeitrages zum Zeichen der Mitglied-



das Recht, die in § 17 für Mitglieder, welche 10 Jahre dem

schaft einen Antheilsschein ausgestellt, in welchem der

Vereine angehörten, festgestellten Forderungen an den

Mitgliedsbeitrag anzugeben ist; eine etwaige Erhöhung

Verein zu stellen; wenn jedoch der Mitgliedsbeitrag mehr

desselben ist nachträglich anzumerken.

als 15.000 fl. (ca. 213.000 Euro) beträgt, so steht dem Ve

Der Mitgliedbeitrag wird nur einmal und zwar beim

reine das Recht zu, die Forderung in Jahresraten à

Eintritte in den Verein entrichtet, insoferne nicht sei-

5.000 fl. (ca. 71.000 Euro) auszubezahlen.

tens der Vollversammlung eine andere Termins-



Falls die Erben von dem Rechte, in den Verein anstelle

bestimmung beschlossen wird. Eine Erhöhung bezw.

des Verstorbenen einzutreten, keinen Gebrauch machen,

Erneuerung des Mitgliedsbeitrages kann nur aus freiem

so ist denselben der ihnen gebührende Antheil unter

Willen des Vereinsmitgliedes nach Maaßgabe des

obigen Modalitäten auszubezahlen.

§ 13 lit. c) erfolgen. § 20 Jedes Jahr einmal und zwar bis spätestens 1. Dezember § 17 Kein Mitglied ist berechtigt, ohne Genehmigung der

ist eine ordentliche Generalversammlung der Mitglieder

Vollversammlung ein Concurrenz-Unternehmen in

einzuberufen, bei welcher der Verwaltungsausschuß

einer Gemeinde, in welcher sich ein dem Vereine gehö­

über seine Thätigkeit den in § 10 erwähnten Bericht zu

riges Etablissement befindet, oder innerhalb einer Ent­

erstatten und die Rechnung zu legen hat.

fernung von 10 Kilometer zu gründen, oder sich an ei-



nem solchen in irgend welcher Weise auch nur direct

Im Falle sich ein Gewinn ergibt, ist die etwa zu vertheilende Gewinn-Dividende hiebei festzustellen.

oder indirect zu betheiligen.



Desgleichen ist das Programm für die Thätigkeit des kommenden Jahres nach Thunlichkeit festzustellen.

§ 18 Im Falle ein Mitglied gegen die Verpflichtung des § 17 verstoßen, oder falls es sonst direct oder in-

§ 21 Im Falle sich die Nothwendigkeit der Beschlußfassung

direct die Unternehmungen des Vereines schädi-

seitens der Vollversammlung innerhalb des Zeitraumes

gen sollte, stünde der Vollversammlung das Recht

von einer ordentlichen Generalversammlung zur ande­

zu, ein solches Mitglied vom Vereine auszuschlie-

ren ergibt, oder falls 3 Mitglieder die Einberufung

ßen. Ein ausgeschlossenes Mit­glied hat nur Anspruch

einer Vollversammlung beim Präsidenten bezw.

auf Rückersatz seines Mit­glied­beitrages nebst einer

Vicepräsidenten beantragen, hat derselbe unverzüglich

3 prozentigen Verzinsung, von welcher jedoch die et-

eine außerordentliche Vollversammlung einzuberufen.

wa bezogenen Dividenden abzuziehen sind. Sollten die Dividenden im Durchschnitte /: im Durch­schnitte :/ weni-

§ 22 Die Einberufung der Vollversammlungen erfolgt an die

ger als 3% /: drei Prozent :/ des ein­ge­zahl­ten Betrages be-

nicht in Meran domicilirenden Mitglieder mittelst brief-

tragen haben, so hat das ausge­schlossene Mitglied 1% /:

licher /: recommandirter :/ Einladungen, an Mitglieder,

ein Prozent :/ der bezoge­nen Dividende, eventuell falls gar

welche in Meran ihren Wohnsitz haben, nach Wahl des

keine Dividende entfallen wäre, 1% /: ein Prozent :/ des

Präsidenten mittelst Currenda oder gleichfalls mittelst

eingezahlten Capitals als Conventional-Strafe dem Verein zu ersetzen, bezie­hungsweise es wird der entsprechende

recommandirten Schreibens.

Betrag bei der Auszahlung in Abzug gebracht. Beträgt der

Die Verständigung (Einladung) muß mindestens 5 Tage vor dem Versammlungstage erfolgt sein beziehungsweise

Geschäftsantheil mehr als 15.000 fl. (ca. 213.000 Euro), so

nach dem normalen Postenlaufe an die Adresse der aus-

ist der Verein berechtigt, den Mehrbetrag in Jahres­raten à

wärtigen Mitglieder gelangt sein können und muß die

5.000 fl. (ca. 71.000 Euro) nachzubezahlen.

Tagesordnung mit thunlichster Genauigkeit enthalten.

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§ 23 Die vorschriftsmäßig einberufene Vollversammlung



Vereines nichts Anderes beschlossen wird, fällt das

ist beschlußfähig, wenn 5 Mitglieder persönlich oder

Vereinsvermögen den Mitgliedern, welche zur Zeit der

gemäß § 13 durch Bevollmächtigte vertreten anwesend

Auflösung des Vereines demselben angehören, zum

sind.

gemeinschaftlichen Eigenthume nach Maßgabe und

Im Falle der Beschlußunfähigkeit einer Generalver­

im Verhältniße ihrer Mitgliedsbeiträge zu, und haben

samm­lung ist auf kürzeste Frist eine zweite Vollver-­

dieselben alle Verbindlichkeiten des Vereines, sei es

samm­lung mit derselben Tagesordnung einzuberufen;

gegenüber ehemaligen Mitgliedern resp. deren Erben

diese zweite Vollversammlung ist dann ohne Rücksicht

oder gegenüber dritten Personen, zu erfüllen.

auf die Zahl der Erschienenen beschlußfähig, und





Sollte über die sohinige Weiterführung der Geschäfte

wäre insbesondere auch die Jahresrechnung und der

eine Vereinbarung nichterzielt werden, so tritt die Liqui-

Rechenschaftsbericht als genehmigt anzusehen, falls

dation des gemeinschaftlichen Eigenthumes nach der

deren Prüfung auf der Tagesordnung steht, und nur die

Maßgabe ein, daß jährlich nur eines der gemeinschaft-

Rechnungsleger anwesend wären.

lichen Objecte zur Veräußerung gelangen darf, und daß

In minderwichtigen Fällen ist es zulässig, an Stelle einer

dieselbe überhaupt nicht zur Unzeit und zum Nachtheile

Vollversammlung im Wege von Umlaufschreiben seitens

der übrigen Miteigenthümer zu geschehen hat.

des Präsidenten beziehungsweise Vicepräsidenten die Beschlußfassung der Mitglieder einzuholen; im Falle je-



doch mindestens 2 Mitglieder gegen diese Art folglich



(Bestätigung der Richtigkeit der Abschrift, Innsbruck,

Protest erheben, muß eine wirkliche Vollversammlung

4. April 1895, Hilfsämter-Direction der k. k. Statthalterei

einberufen werden.

für Tirol und Vorarlberg)

§ 24 Die Wahl der Mitglieder des Verwaltungsausschusses und der Ersatzmänner erfolgt mittelst Stimmzettel, und ist in demselben ausdrücklich – bei sonstiger Ungiltigkeit des Stimmzettels – zu bemerken, wer von den 4 zu wählenden Mitgliedern als Präsident, Vicepräsident und Ausschußmitglieder und welche als Ersatzmänner gewählt sein sollen.

Innsbruck, 3. April 1895.

Solange der Verein aus nicht mehr als 10 Mitgliedern besteht, ist die Wahl durch Acclamation zulässig.

§ 25 In Fällen von Streitigkeiten aus den Vereinsverhältnißen, welche nicht privatrechtlicher Natur sind, hat ein Schiedsgericht endgiltig zu entscheiden. In dasselbe hat jeder Streittheil 1 Mitglied zu wählen, welche einen Obmann wählen. Die Mitglieder des Schieds­gerichtes müssen nicht dem Vereine angehören. Das Schiedsgericht entscheidet mit absoluter Stimmenmehrheit. § 26 Wenn durch die Vollversammlung, in welcher die Auflösung des Vereines beschlossen wird, über die Veräußerung und Vertheilung des Vereinsvermögens nicht besonderes festgesetzt wird, oder falls die Auf­ lösung des Vereines etwa durch ein zukünftiges Gesetz oder mittelst behördlicher Verfügung erfolgen sollte, oder falls vor Ablauf der 15 jährigen Dauer des

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Endnoten 1

Über Originalpläne zum Bau des Hotels Sulden ist – auch laut Aussage von Nachfahren Otto Schmids – aktuell nichts bekannt. Freundliche Mitteilung Klaus Schmid, Mils, 16.9.2013. 2 Zum Bau der Suldenstraße siehe auch im Abschnitt über „Suldenbegeisterung“ und den Bau der Straße von Gomagoi nach Innersulden 1890 bis 1892 im ersten Kapitel dieses Buches. 3 Prokop, S. 23. Vgl. Schmid, S. 44f., Fußnote 111. Klaus Schmid berichtet hier, dass Theodor Christomannos bereits 1889 – und damals noch als „Advocaturs-Concipient“ – einen ca. 173.000 m2 großen Teil des „Rumwaldes“ (im Gebiet zwischen Außersulden und Sulden) erwarb. Er geht davon aus, dass das relativ große Grundstück von Theodor Christomannos schon damals für den Bau eines „Alpenhauses“ bzw. Hotels gedacht war. Das Hotel Sulden wurde aber auf einem anderen Grundstück, oberhalb der Gampenhöfe in Innersulden, errichtet. Diese Parzelle dürfte über eine Schenkung oder einen Tausch (von der Gemeinde?) an Theodor Christomannos und Otto Schmid übergegangen sein. 4 Volksblatt, 22.8.1891, S. 6. 5 Schmid, S. 125f. 6 MZZ, 11.12.1896, S. 3. 7 Schmid, S. 59. 8 Ebd., S. 54f. Prokop, S. 24: „Das Suldenhotel besteht nebst dem Hauptgebäude noch aus einer circa 30 Zimmer zählenden, tiefer unten gelegenen Dependance, mit gleich vorzüglicher Einrichtung wie das Hauptgebäude selbst. Dieses ist ein einfacher Steinbau (aus behauenem Materiale) mit hohen Giebeln und ist mit hölzernen Veranden und Balkonen geziert; in den Giebelbauten ist es 5-, sonst 3-stöckig.“ Das Gebäude ist heute nicht mehr eindeutig lokalisierbar. Freundliche Mitteilung Arnold Gapp, Sulden, 8.9.2019. 9 Vgl. dazu über die Platzierung des Dolomitenhotels Toblach in der Hochpustertaler Landschaft im entsprechenden Abschnitt im dritten Kapitel dieses Buches. 10 Otto Schmid interpretierte die Hotelhallen noch nicht als Aufenthaltsräume, was dazu führte, dass z. B. die Entrees der Hotels in Sulden und Kitzbühel bald vergrößert wurden. 11 Prokop, S. 24. Bei diesem „mehrteiligen Restaurationslocale“ könnte es sich um die später angebaute Veranda handeln (siehe unten). In anderen Hotels wurden solche Bereiche zum Teil auch als Schwemmen bezeichnet. Vgl. im entsprechenden Abschnitt im dritten Kapitel dieses Buches. 12 Siehe auch in der Biografie von Otto Schmid und im Abschnitt „Speisesaal“ im dritten Kapitel dieses Buches. 13 MZZ, 23.10.1916, S. 4. Über Karl Lartschneider (auch: Lardschneider) siehe im Abschnitt über das Hotel Stubai in diesem Kapitel. 14 Um den Entwurfsprozess zu vereinfachen bzw. bereits gestaltete „Typen“ mehrfach zu verwenden, wurden in der Kassette X3 des Musch & Lun

Archivs unterschiedliche Zeichnungen für Möbel, Dekorationsgegenstände, Zimmereinrichtungen etc. zusammengeführt. Die meisten von ihnen sind leider keinen konkreten Bauprojekten zuordenbar. 15 Christomannos, Theodor, Sulden–Trafoi, S. 12. 16 Sölder, Otto v., Theodor Christomannos, S. 34. 17 Schalek, Alice, Zeugen, in: Neue Freie Presse, 12.8.1910, S. 1–4. Über Alice Schaleks Berichte über die Südtiroler Berghotels siehe auch am Ende des ersten Kapitels in diesem Buch. 18 Musch & Lun, 1899/1900, Villa Ultenhof für Armand Freiherr Dumreicher von Österreicher, Winkelweg 71, I-39012 Meran, Kat.: D1.61, X5.396, X6.412, X8.449, X9.467, Dok./Lit.: Amt für Bauund Kunstdenkmäler (Denkmalschutz, BLRLAB 1641 vom 30/03/1981). Pixner-Pertoll, Anna, Ins Licht gebaut, S. 94, 102 f., 162–166 (Abb.), 288. Vgl.: Schlorhaufer, Bettina, Musch & Lun und die Entwicklung von „regionalisierten Villentypen“, in: Dies., Schloss Prösels, Grote, Georg (Hrsg.), Architektur wird Region, S. 91, 101. 19 Innovative Niederdruck-Dampfheizungen wurden bei anderen Bauprojekten von Musch & Lun entweder von der Firma Käuffer & Co. aus Mainz oder von Kurz, Rietschel & Henneberg aus Wien geliefert. Hermann Rietschel (1847–1914) gilt als Wegbereiter des modernen Maschinenbaus und Begründer der Heizungs- und Klimatechnik. Er popularisierte u. a. den „Rippenheizkörper“ bzw. trug zu dessen Weiterentwicklung bei. Die 1871 von ihm und Rudolf Henneberg gegründete Firma Rietschel & Henneberg (Spezialrohre für den Heizungsbau) wurde 1872 in „Rietschel & Henneberg, Fabrik für Zentralheizungen, Wasseru. Gasanlagen, Pumpwerke, Kanalisation, Specialität: Wasserheizungen u. Ventilation“ umbenannt. Ritschel bekleidete auch den ersten Lehrstuhl für „Ventil- und Heizungswesen“ an der Technischen Hochschule in Berlin bzw. wurde später dort Rektor. Rudolf Henneberg (1845– 1909) war von 1869 bis 1870 von der Stadt Berlin zur Ausarbeitung eines Gutachtens über die Zentralheizungen in städtischen Gebäuden kommissarisch angestellt. Von 1870 bis Juli 1872 war er Oberingenieur der Firma Elmer & Stumpf, der späteren Aktiengesellschaft Neptun. Die von ihm mit Hermann Rietschel gegründete Firma Rietschel & Henneberg war der Vorläufer der heutigen Firma Imtech. Möglicherweise war „Kurz“ nur der Inhaber der Wiener Zweigstelle des Unternehmens. Vgl.: Usemann, Klaus W., Rietschel, Hermann Immanuel, in: Neue Deutsche Biographie, www.deutschebiographie.de/gnd119106337.html#ndbcontent (24.9.2018). de.wikipedia.org/wiki/Hermann_ Rietschel (24.9.2018). 20 Flückiger-Seiler (1), S. 97–105. An dieser Stelle veröffentlicht der Autor auch bemerkenswerte Tabellen, die Aufschluss über die Einführung von Gasbeleuchtung und Elektrizität in Schweizer Hotels geben. Vgl.: Miller, Oskar von, Oskar von Miller nach eigenen Aufzeichnungen,

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Reden und Briefen, bearbeitet von Walther von Miller, München 1932, S. 56f.: „Der Bau von Elektrizitätswerken beschränkte sich zur Zeit der [internationalen Elektrizitätsausstellung in Frankfurt am Main für 1891, Anm.] noch auf sogenannte Zentralstationen, also auf Werke, die, ursprünglich innerhalb der Stadt liegend, einen Versorgungsradius von nicht mehr als 600– 1.000 m aufwiesen. Innerhalb der größten Städte mussten deshalb mehrere Zentralstationen errichtet werden, die Elektrizität musste mit anderen Worten dort erzeugt werden, wo sie verbraucht wurde, denn die Übertragung war nur auf verhältnismäßig kurze Entfernungen möglich. Noch war es nicht möglich, Elektrizitätswerke dort zu errichten, wo die Kräfte am billigsten zur Verfügung standen, nämlich an den natürlichen Flussgefällen. […] Die Frage der Übertragung von Elektrizität auf weite Entfernungen war zwar durch den Versuch von Depréz [Marcel Depréz, 1843–1918. Pionier in Bezug auf die Übertragung von Elektrizität mit Überlandleitungen, Anm.] theoretisch gelöst, wirtschaftlich und praktisch jedoch war die Lösung noch nicht erfolgt.“ Die Inbetriebnahme des Kraftwerks Töll bei Meran erfolgte 1896. Der dazugehörige Hochbau stammte von Musch & Lun. Vgl.: Musch & Lun, 1904/1905/1911/1920–1922, Kraftwerk Töll der Etschwerke [und Realisierung des weltweit ersten Stromverbundnetzes zwischen Algund, Meran und Bozen], Brauhausstraße (Vinschgauerstraße), I-39022 Algund. Kat.: E3.28, Verträge: S6_5318 und S6_5319. Dok./Lit. (Auswahl): Schlorhaufer, Bettina, Wie der Strom zur Steckdose kam – 1898: In Südtirol nimmt das erste Stromverbundnetz weltweit seinen Betrieb auf, in: GUT hier zu leben – Unabhängiges Magazin für Tirol, Nr. 12 und 13, Innsbruck-Seefeld in Tirol 2014, S. 36–39 bzw. S. 42–45, online: www.txt.architecturaltheory.eu (24.9.2018). Ferdinand von Miller (1842–1929) und sein älterer Bruder Fritz (1840–1921) erwarben 1884 die Burg Karneid. Siehe dazu auch im Abschnitt „In den Bergen baut der Blick! Über das im wahrsten Wortsinn fruchtbare Verhältnis von Landschaft und Unternehmertum“ im ersten Kapitel dieses Buches. Flückiger-Seiler (1), S. 97–105. Flückiger-Seiler (2), S. 32. Rucki, S. 29–31. Isabelle Rucki dokumentiert hier, dass in Davos erste Flachdächer schon um 1870 realisiert wurden und nennt in diesem Zusammenhang das 1899/1900 errichtete Sanatorium Schatzalp. Seine nicht zuletzt durch das flache Dach hervorgerufene, kubische Bauform interpretiert sie allerdings als architektonische Antwort auf den „geschlossenen, streng reglementierten Kurablauf“ und nicht als Vorzeichen der nahenden Moderne. Reimer, Hans, Die Lutherischen in Südtirol. Die Geschichte der evangelischen Gemeinde in Meran. Eine Spurensuche zum Protestantismus in Südtirol und im Trentino, Bozen 2009, S. 280–294, hier: 281, 285. Ebd., S. 284 (Abb.).

27 Volksblatt, 19.5.1904, S. 6. 28 Fontana, Josef, Der Kulturkampf in Tirol/1861–1892, S. 355f. 29 Ebd., S. 356. 30 Reimer, Hans, Die Lutherischen in Südtirol, S. 290. 31 Ebd., S. 292. 32 Freshfield, Douglas W., Italian Alps: Sketches in the Mountains of Ticino, Lombardy, the Trentino, and Venetia, London 1875, S. 240. 33 Ebd., S. 241f. 34 Siehe auch im Abschnitt „Vom ‚ethnographic turn‘ zur Deutschtümelei im Tourismus Südtirols“ im dritten Kapitel dieses Buches. 35 Pointner, Susanne Angelika, Die Entwicklung des Tourismus in Madonna di Campiglio, S. 26. Die Autorin schreibt, die „Villa Principe“ sei für die Erzherzöge Johann Salvator (1852–1890), Ferdinand Karl Ludwig (1868–1915) und Leopold Ferdinand (1868–1935) erbaut worden. Ferner dokumentiert sie die weitere unternehmerische Tätigkeit von Franz Österreicher und seinen Nachkommen: „1909 folgte das Hotel Carlo Magno, das heutige Golf Hotel. Im selben Jahr starb Franz Joseph Österreicher. Nach dem Tod seines Vaters führte Rudolf Österreicher die Geschäfte des Hotel des Alpes bis zu seinem Tode im Jahre 1926. Rudolf war sein Leben lang bemüht, den schon bestehenden aristokratischen und internationalen Charakter Campiglios noch weiter zu forcieren. Die Prinzen Molfetta, die Familie Gonzaga, Prinz Melzi d’Eril, der englische Schriftsteller Galsworthy, Karl May und Otto Wahrburg waren nur einige der berühmten Gäste Campiglios. Nach dem ersten Weltkrieg wurde Madonna di Campiglio italienisches Staatsgebiet und die Familie Österreicher verkaufte in den folgenden Jahren ihre Besitztümer an die neue italienische Kundschaft. Bis zum Jahre 1955 blieb die Familie jedoch in Campiglio, erst danach zog Fritz Österreicher nach Meran, wo er 1963 verstarb.“ 36 Recusani, Giovanna, Gregianin, Enrico, Il ciclo dei decori del Salone Hofer al Grand Hotel des Alpes, in: Dies., Gottfried Hofer a Madonna di Campiglio. S. 72–95. 37 Pointner, Susanne Angelika, Die Entwicklung des Tourismus in Madonna di Campiglio, S. 25. 38 Bisti, Paolo Luconi, Madonna di Campiglio, S. 53. 39 Kuntze, Max, Die Siedlung Madonna di Campiglio, S. 66: „Für das religiöse Bedürfniss ist durch die Anwesenheit eines katholischen Priesters und durch täglichen Gottesdienst gesorgt. Die […] Kirche ist im Innern, Dank der Munificenz Ihrer Majestäten des Kaisers Franz Joseph I. und weiland der Kaiserin Elisabeth, sowie des weiland Erzherzog Albrecht u. s. w. mit kostbaren Glasmalereien, sowie Holzschnitzarbeiten und Vertäfelungen durch die kunstsinnigen Gebrüder Colli (Innsbruck) geschmückt. Der reiche, alte Flügelaltar mit sehr schönen, werthvollen Gemälden stammt aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts.“ 40 Kramer, Hans, Beiträge zu einer Chronik von Sterzing, S. 476. 41 Ebd., S. 478. Auf S. 469f. dokumentiert der Autor ferner über die Elektrifizierung von Sterzing und Umgebung: „Elektrische Beleuchtung: Früher 24

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Petroleumlampen in der Hauptstraße, der Mond in den Nebenstraßen. Erste öffentliche elektrische Beleuchtung ab November 1896 im Bahnhofhotel Stötter. 17. August 1897 zum erstenmal elektrische Beleuchtung in den Straßen. Ungefähr 50 elektrische Glühlampen in der Hauptstraße, ungefähr 20 in den Seitengassen. Ziemlich kleines und billiges elektrisches Werk am Eisack oberhalb Sterzing. Handels- und Gewerbetreibende sind gute Abnehmer des elektrischen Lichtes. Jänner– Oktober 1907 Bau eines neuen Elektrizitätswerkes in Gasteig für die Stadt Sterzing. 900 Meter langer Oberwasserkanal. Vorderhand zwei Generatoren zu je 130 Pferdestärken. Seit 21. August 1907 neue Straßenbeleuchtung in Sterzing. In der inneren Stadt acht starke Bogenlampen. Das neue Elektrizitätswerk ist später für die Stadt sehr rentabel. Trotz heftiger Klagen erhalten die Straßen gegen den Bahnhof hin erst viel später elektrische Beleuchtung. Oktober 1908 doch noch immer Klage über die schwache Leuchtkraft des neuen elektrischen Lichtes. – Ab 3. Februar 1887 elektrische Beleuchtung im Pochwerk in Ridnaun. – Oktober 1912 Plan eines Elektrizitätswerkes für Trens, Stilfes und Mauls. — 17. August 1914 wird das neue Elektrizitätswerk für Stilfes, Trens, Freienfeld, Elzenbaum, Pfulters, Niederried und Moders teilweise in Betrieb gesetzt.“ Vgl.: Plakat, gestaltet von Franz Humer, um 1900, Touriseum Meran, Inv. 4100562. Osann, Emil, Physikalisch-medicinische Darstellung der bekannten Heilquellen der vorzüglichen Länder Europa’s, Berlin 1841, S. 190 (online: www.books. google.at/books?id=4KRhAAAAcAAJ&pg=PA190&dq= Heilquelle+Tiers&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwiQ-rj_ l9HJAhWDxxQKHTIZAHkQ6AEIKTAC#v=onepage&q =Heilquelle%20Tiers&f=false, 13.2.2020). Ebd. Über den Schriftsteller Heinrich Noë und seine Bedeutung für den Tourismus in Südtirol siehe das erste Kapitel dieses Buches. MEZ, 21.8.1898, S. 1–3. Dal Negro, Francesco, Hotel des Alpes, S. 201. www.weisslahnbad.com/de/geschichte.asp (30.4.2020). MEZ, 1.7.1896, S. 5. Rucki, S. 24. Vgl. das erste Kapitel dieses Buches. Der Verein für Alpenhotels in Tirol (Prospekt der Hotels Trafoi und Karersee, 1896), Sign. FB_2623_10_14. Das Dolomitenhotel Weisslahnbad am Rosengarten bei Bozen in Tirol, Innsbruck 1902, S. 6. Vgl.: MEZ, 21.8.1898, S. 1. Der Verein für Alpenhotels in Tirol (Prospekt der Hotels Trafoi und Karersee, 1896), TLMF, Sign. FB_2623_10_1. MEZ, 21.8.1898, S. 1. Ebd. Vgl.: Volksblatt, 19.3.1904, S. 5. Dal Negro, Francesco, Hotel des Alpes, S. 202. Bildungsaus­ schuss Tiers (Hrsg.), Tiers am Rosengarten – Biographie eines Bergdorfes, Bozen 1998, S. 116. BZZ, 27.10.1908, S. 1. Volksblatt, 13.1.1909, S. 2. MEZ, 7.10.1910, S. 5. Dal Negro, Francesco, Hotel des Alpes, S. 202f.

58 www.weisslahnbad.com/de/wasser.asp (30.4.2020). 59 Siehe dazu auch im Abschnitt „Vom ‚ethnographic turn‘ zur Deutschtümelei im Tourismus Südtirols“ im dritten Kapitel dieses Buches. 60 BTV, 8.7.1896, S. 5. 61 Andreas Hofer Wochenblatt, 30.8.1894, S. 341. 62 BZN, 16.6.1896, S. 5. 63 MEZ, 1.7.1896, S. 4. BZZ, 30.6.1896, S. 1. 64 Prokop, S. 24. 65 Vgl. u. a.: TLMF, Sign. FB_8893. 66 MEZ, 1.7.1896, S. 4. 67 Prokop, S. 24. 68 TLMF, Sign. W_2332_5_9. 69 Schwienbacher, S. 54f. 70 Volksblatt, 24.3.1917, S. 3. 71 MEZ, 14.1.1898, S. 2. 72 Neue-Alpen-Hotels, in: Der Alpenfreund, Nr. 14, 15.7.1896, S. 160. 73 Ebd. Vgl.: Baumgartner Elisabeth, Eisenbahn­land­ schaft Alt-Tirol. Verkehrsgeschichte zwischen Kufstein und Ala im Spannungsfeld von Tourismus, Politik und Kultur, Innsbruck 1990, S. 118, Abb. Nr. 110. 74 Aus den vorhandenen Unterlagen geht leider nicht hervor, ob der Salon oder die Schwemme 1908 in ein auch von außen begehbares Restaurant umgewandelt wurden. Vgl.: Wolf, Felix Karl, Bozner Führer, Bozen 1910, S. 114. 75 MEZ, 28.6.1902, S. 3. 76 MEZ, 1.7.1896, S. 4. 77 BZZ, 22.3.1917, S. 4. 78 Volksblatt, 28.9.1918, S. 3. 79 MEZ, 4.11.1919, S. 5. 80 Kuntner, Andrea (Hrsg.), Die Bergführer von Sulden und Trafoi – Legende und Geschichte, Schlanders 2004, S. 50f. Kuntner, Irmgard, Trafoier Hotels, Gasthäuser und Pensionen von den Anfängen bis heute, in: Raffeiner, Herbert, Thöni, Hans, Mazagg, Christian (Hrsg.), Trafoi – ein Dorf zwischen Ortler, Furkel und Stilfserjoch, Wien-Bozen 2020 (in print). 81 Prokop, S. 24. 82 Wallnöfer, Karin H., Die Franzenshöhe, in: Raffeiner, Herbert, Thöni, Hans, Mazagg, Christian (Hrsg.), Trafoi (in print). Vgl.: Brixner Chronik, 17.11.1896, S. 6: „Aus dem Ortlergebiet, 14. November. Die bekannte Hotelbaugesellschaft hat es nun auf das Gasthaus Franzenshöhe bei der Stilfserjochstraße abgesehen. Das betreffende Gasthaus ist Eigenthum des k. k. Straßenärars und war seit langer Zeit verpachtet an die Witwe Amalia Wallnöfer, jetzt verehelicht mit Caspar Blaas von Prad.“ Aus dem Bericht geht anschaulich hervor, wie aggressiv der „Verein für Alpenhotels in Tirol“ um den genannten Pachtvertrag warb und welche Vorbehalte die regionalen Wirte mit kleineren Herbergen und Gasthäusern gegen die für sie offenbar übermächtige Hotelgesellschaft aus dem entfernten Meran hatten. 83 SVB, 3.7.1897, S. 6. SVB, 14.7.1897, S. 10f. BGG, 12.10.1898, S. 5. 84 1903/1904, Umbau ärarisches Unterkunftshaus Franzenshöhe zum Alpenhotel Franzenshöhe (heute: Berghotel Franzenshöhe), Stilfserjochstraße 38, I-39029 Stilfs, Kat.: F2.86, Dok./Lit.: –.

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85 Wallnöfer, Karin H., Die Franzenshöhe. 86 BZN, 16.6.1896, S. 5. 87 Vgl. z. B.: BZZ, 6.7.1896, S. 1f. BZN, 8.7.1896, S. 1–3. BTV, 6.7.1896, S. 3. MEZ, 8.7.1896, S. 4f. 88 Prokop, S. 24. 89 Eisath, Kathrin, Die Eggenstaler Straße, S. 96–101, hier: 101. Die seit 1860 existierende Straße von Kardaun bis Welschnofen wurde 1894 bis zum Karerpass und 1895 bis Vigo di Fassa verlängert. Vgl.: Prokop, S. 28: „Der Strassenbau von Wälschenofen aus begann im Jahre mit dem Hôtelbau (1894); die Strasse wurde abgesteckt, die betreffenden Waldpartien gefällt und dadurch auch der einzige, bestandene Saumweg stellen- und zeitweise unpassirbar gemacht, wodurch der Transport grösserer und schwererer Objecte, wie Maschinen etc., mit den grössten Schwierigkeiten verknüpft war.“ Vgl.: Schwienbacher, S. 80. Hier schreibt der Autor, dass das Hotel Karersee vor Beendigung der Straßenbauarbeiten fertiggestellt wurde. Das Hotel wurde aber erst 1896 eröffnet. 90 Judmaier, Diethelm, Der Ingenieur Josef Riehl (1842–1917) – „Eisenbahnvater von Tirol“, in: archivbaukunst.uibk.ac.at/download/Josef Riehl_071112. pdf (15.9.2014), S. 34. 91 Schwienbacher, S. 98. 92 Vgl. z. B.: TLMF, Sign. W_2332 und W_9351. 93 Vgl.: Knoch, S. 36. 94 BTV, 11.8.1897, S. 2. 95 Über Konstantin Christomannos siehe im Abschnitt über Theodor Christomannos im zweiten Kapitel dieses Buches. 96 BZN, 16.9.1897, S. 3. 97 de.wikipedia.org/wiki/Johann_Santner (8.10.2018). 98 Wolff, Karl Felix, Kleiner Führer auf der Dolomiten­ straße und ihren Zugängen. Ein Wegweiser für Touristen und Automobilisten, 1908, S. 73f., in: Schwienbacher, S. 79. 99 Ebd. 100 Prokop, S. 28. 101 Santner, Johann, in: Österreichisches Biographi­ sches Lexikon (ÖBL), Bd. 9, Wien 1988, S. 417f. 102 Pustertaler Bote, 13.11.1896, S. 4. 103 Vgl.: Rucki, S. 96: Die Autorin schreibt hier, dass „die betrieblich aktiveren Bereiche“ eines (Kur-)Hotels in die Untergeschosse verlagert wurden, „denn in dieser Disposition beeinträchtigten Gerüche und Lärm aus der Küche und Therapieabteilung die Gäste im Wohnteil kaum“. 104 Das Dachwerk wurde bei dem Hotelbrand am 15. August 1910 zerstört (vgl.: BTV, 19.8.1910, S. 7) und beim Wiederaufbau „rekonstruiert“. Unter den vom Touriseum verwahrten Blättern befinden sich mehrere Entwürfe, die sich in Details unterscheiden. Leider präsentiert sich der Raum heute zu einer Schwimmhalle „degradiert“. 105 Ein Steinbruch wurde in der Nähe der sogenannten Planggenschwaige angelegt und die Steine auf Schienen zur Baustelle gebracht, wie historische Aufnahmen zeigen (Privatsammlung Christine Geiger, Karersee). Vgl.: de.wikipedia.org/wiki/ Karerpass (24.7.2019). 106 Detailzeichnungen der Balkone im sogenannten Schweizer Holzstil, vgl.: Prokop, S. 30.

107 Ebd., S. 31. 108 Vgl.: Grubhofer, Tony, Erinnerungen an Theodor, S. 55. 109 MZZ, 23.10.1916, S. 4. Über Karl Lartschneider (auch: Lardschneider) siehe den Abschnitt über das Hotel Stubai in diesem Kapitel. 110 Z. B.: TLMF, Sign. FB_2639_10_2. 111 TLMF, Sign. FB_2623_10_2. Siehe dazu im Abschnitt „Hotelhalle am Eingang“ im dritten Kapitel dieses Buches. 112 BZZ, 9.7.1896, S. 2. Wie aus einem anderen Bericht hervorgeht, war man mit der Küche im Hotel Karersee aber nicht immer zufrieden. 1905 heißt es im Protokoll der Generalversammlung des „Vereins für Alpenhotels in Tirol“: „Anschliessend an diese Diskussion wird angesichts mehrfacher Klagen über die Küche im Karerseehotel beschlossen, dem Hoteldirektor Bardy aufzutragen, mehr auf die Güte der Verpflegung zu sehen und dafür den Pensionspreis auf 8 K. (ca. 53,4 Euro, Anm.) pro Tag zu erhöhen.“ Vgl.: Verein für Alpenhotels, ordentliche Generalversammlung 17.12.1905, TLMF, Sign. FB_137017_76. 113 Schwienbacher, S. 100, Fußnote 234. Schwienbacher bezieht sich auf einen Bericht Miga Grubhofers, der Tochter Tony Grubhofers. 114 Prokop, S. 24. 115 Ebd. 116 Cole, Laurence, „Für Gott, Kaiser und Vaterland“, S. 376f. 117 Ochsenblut (auch: oxblood, sang de boeuf) erhält seinen an Rinderblut erinnernden, dunkelroten Farbton durch einen hohen Anteil an Eisenoxid. Historische Farbrezepturen enthielten auch Blut, meistens aber als Bindemittel. Reines Tierblut wurde allenfalls für Anstriche in Innenräumen verwendet, diese nahmen aber bald eine bräunliche Färbung an. Auch Musch & Lun verwendete das gegen Ende des 19. Jahrhunderts wieder in Mode kommende rötliche „Ochensenblut“, z. B. auf Fenster­läden (vgl.: Blatt Nr. X8_6963, 1899/1900, Villa Ultenhof für Armand Freiherr Dumreicher von Österreicher, Winkelweg 71, I-39012 Meran). In den 1920er Jahren wurde der Farbton als „Nationalfarbe“ Tirols missinterpretiert und geriet in die Kritik der Faschisten. Für sie waren z. B. be­malte Fensterläden ein so starkes „österreichi­sches“ Symbol, dass diese im Rahmen der Italiani­sierung Südtirols sogar offiziell verboten wurden (Präfekturdekret Nr. 5482 vom 4.8.1927). Vgl.: Schlorhaufer, Bettina, Italianisierung Südtirols – „Neues Schema“, neuer Regionalismus, in: Dies., Schloss Prösels, Grote, Georg (Hrsg.), Architektur wird Region, S. 126–129. 118 Schalek, Alice, Das Karerseehotel, in: Neue Freie Presse, Wien, 19. August 1910, S. 2. Auch die Maler Tony Grubhofer, Gottfried Hofer und Karl Lartschneider bedienten sich verschiedener Alpen­ blumen-Motive bzw. bestimmter Farb­nuan­cen aus der alpinen Flora, um in ihren Werken Bezüge zur regionalen Bergwelt herzustellen. Vgl. an entsprechender Stelle über die Innenraum­gestaltung des Hotel des Alpes und des Hotels Stubai bzw. in der Biografie von Tony Grubhofer im zweiten Kapitel dieses Buches.

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119 Ebd. 120 Cole, Laurence, „Für Gott, Kaiser und Vaterland“, S. 376. 121 BZN, 3.4.1903, S. 5. Die ersten Interessenten an einem Aufenthalt im Hotel Karersee während der Wintermonate scheinen britische Touristen gewesen zu sein, vgl.: MZZ, 4.9.1896, S. 4. Hier ist sogar davon die Rede, dass der Karersee als Winterkurort etabliert werden soll. 122 Viktor Bardy und sein Bruder Gaston waren als Hoteldirektoren für den „Verein für Alpenhotels in Tirol“ tätig. Viktor leitete das Hotel Karersee und Gaston das Hotel Trafoi. Da beide aus der Schweiz kamen, mussten sie nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs Südtirol verlassen. Freundl. Mitteilung Karin Maringgele, Touriseum, E-Mail, 13.11.2018. 123 Verein für Alpenhotels, ordentliche Generalversammlung 17.12.1905, TLMF, Sign. FB_137017_76. 124 Dieser Anbau verfügte auch über ein SouterrainGeschoss, in dem Einrichtungen wie das Post- und Telegrafenamt untergebracht wurden. 125 Diesen Schluss legen auch die im Bauamt Welschnofen erhaltenen Einreichpläne nahe. Die Spuren des Architekten verlieren sich um 1919. Vgl.: MEZ, 19.3.1912, S. 3. MEZ, 26.5.1912, S. 4. Wie aus diesen Quellen hervorgeht, dürfte der auch als „Regierungsbaumeister“ bezeichnete Architekt in der Nähe der Fabrik von Musch & Lun in der Schießstandstraße in Meran gewohnt (und gearbeitet?) haben. Vgl.: Pixner-Pertoll, Anna, Ins Licht gebaut, S. 127, 128 (Abb.), 129, 181, 257, 276, 285. Dies., Meraner Villen, in: Baukultur im Wandel: Historismus in Südtirol, Tagungsband der Regionalgruppe Alpen, Arbeitskreis Hausforschung Südtirol (Hrsg.), Bozen. 2014, S. 96 (Abb.), 97. 126 BZN, 5.7.1899, S. 2. 127 BZZ, 16.10.1910. 128 Umfassende Berichte über den Hotelbrand: BZZ, 16.8.1910, S. 1f., BTV, 19.8.1910, S. 7, BZN, 19.8.1910, S. 7. 129 Die Wartung des Küchenkamins war Gegenstand ausführlicher Erörterungen im Rahmen des Schadenersatzprozesses in der Nachfolge des Hotelbrands. Vgl.: MEZ, 21.4.1911, S. 1–4. 130 Ebd., S. 1f. 131 TLMF, Sign. W_28916 und W_41985. Vgl.: Faggioni, Silvano, Theodor Christomannos, S. 162f. 132 Kircher, Ignaz, 100 Jahre Fremdenverkehr Welschnofen-Karersee, S. 48. Der Autor dokumentiert, dass am Tag nach dem Brand das Auto von Bezirkshauptmann Haymerle das erste war, das die Eggentaler Straße durchfuhr. 133 Privatbesitz, Christine Geiger, Karersee. 134 Vgl. z. B.: BZZ, 30.8.1910, S. 7. 135 Beide waren gebürtige Schlesier mit jüdischen Wurzeln, die schon früh in die USA emigrierten. Der ursprüngliche Name von Fanny Bloomfield-Zeisler war Blumenfeld. Vgl.: de.wikipedia.org/wiki/Fannie_ Bloomfield_Zeisler (4.3.2020). 136 MEZ, 16.9.1910, S. 3. Rechtlich bestand das Problem darin, dass Hoteldirektor Bardy den Gästen offenbar noch vor Ort Schadenersatz zugesichert hatte. 137 Ausführliche Berichte vgl.: BZZ, 3.11.1910, S. 1f., MEZ, 21.4.1911, S. 1–4.

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BZZ, 3.11.1910, S. 1f. Ebd., S. 1. Gerichtsurteil vgl.: Der Burggräfler, 22.4.1911, S. 6. Ebd., vgl.: Mascotti, Albert, Josef Musch & Carl Lun, S. 29. Kircher, Ignaz, 100 Jahre Fremdenverkehr Welschnofen-Karersee, S. 48f. Alpenländische Gewerbe-Zeitung, 25.7.1912, S. 3. Ebd. BTV, 22.8.1911, S. 2. An dieser Stelle ist festzuhalten, dass Musch & Lun in Zusammenhang mit dem Wiederaufbau des Hotels Karersee nicht das erste Mal mit Theodor Fischer in München und seinem beruflichen Umfeld in Berührung kam. Fischer war (über Vermittlung von Musch & Lun bzw. Carl Lun?) schon zwischen 1895 und 1898 mit der Erstellung von Baulinienplänen für Meran und Gratsch und von 1905 bis 1907 mit der städtebaulichen Planung von Meran zwischen dem heutigen Bahnhof und der Freiheitsstraße betraut (vgl.: Nerdinger, Winfried, Theodor Fischer, S. 177f., 227. Architektenkammer der Provinz Bozen (Hrsg.), Architektur in Südtirol, S. 109). Ferner spielte Theodor Fischer bei der Wahl des Architekten für das Stadttheater von Meran eine Rolle, denn er empfahl im Rahmen der von Carl Lun gemeinsam mit dem Fotografen Bernhard Johannes durchgeführten Vorarbeiten für den diesbezüglichen Wettbewerb den jungen Martin Dülfer (1859–1942). Vgl.: Musch & Lun, 1898–1900, Vorarbeiten für die Errichtung des Stadttheaters Teatro Puccini, Rufinplatz/ Freiheitsstraße 33, I-39012 Meran, Kat.: S6.230, Dok./Lit.: Lun, Carl, Johannes, Bernhard, „Das moderne Theater“, Meran, November 1898, S6_5367, SAM, Sign. BAU 965.29. Ellmenreich, Albert, Das Meraner Stadttheater, Beilage zur Meraner Zeitung, 2.12.1900. Paulsen, Friedrich W., Das Stadttheater von Meran. Erbaut in den Jahren 1899 und 1900 von Martin Dülfer in München, in: Allgemeine Bauzeitung, Wien 1902, S. 1–4 (8 Tafeln im Anhang). Abram, Renate, Das Meraner Stadttheater, Lana 1989. Architektenkammer der Provinz Bozen (Hrsg.), Architektur in Südtirol, S. 72f. (Abb.). Wie sehr Müller von der Schule Theodor Fischers in München beeinflusst war, veranschaulichen z. B. Vergleichsprojekte in der Schweiz, speziell in Graubünden. Vgl.: Dosch, Leza, Kunst und Landschaft in Graubünden, S. 165f. Ders., Rhätische Bahn und Heimatstil in Graubünden, in: CrettazStürzel, Elisabeth, Heimatstil. Reformarchitektur in der Schweiz 1896–1914, Bd. 2, Frauenfeld 2005, z. B. S. 140–152. Nerdinger, Winfried, Theodor Fischer. S. 253. MZZ, 12.9.1913, S. 4. Allerdings ist an dieser Stelle einzuräumen, dass Johann Müller die Autorschaft an den in diesem Zeitungsbericht und in der Nach­ folge genannten Projekten wahrscheinlich nicht für sich alleine beanspruchen kann, sondern dass sie gemeinsam mit anderen Mitarbeitern im Büro von Musch & Lun verwirklicht wurden. Musch & Lun, 1900/1912, Umbauten und Geschäfts­ gebäude für Kaufmann Josef Gemassmer, Lauben 9/Habsburgerstraße (heute: Freiheitsstraße 48 bzw. 66), I-39012 Meran, Kat.: G2.97, Dok./Lit.: –.

149 Musch & Lun, 1912–1914/1929/1933, Familienhotel Carl Wolf (später: Hotel Continental, Hotel Meranerhof), Greutendamm 4 (heute: Alessandro-Manzoni-Straße 1), I-39012 Meran, Kat.: P1.231, X3.364, Dok./Lit.: Pixner-Pertoll, Anna, Ins Licht gebaut, S. 270. 150 Musch & Lun, 1910–1913, Umbau des Anwesens Fallgatter zu einem Gasthof mit Tanzsaal für Dr. Norbert von Kaan-Albest (seit 1941: Provinzhaus der Kongregation der Barmherzigen Schwestern des Heiligen Vinzenz von Paul), König-LaurinStraße (heute: Laurinstraße 77), Gratsch (heute: I-39012 Meran), Kat.: K2.146, X7.420, X8.461, X9.466, Dok./Lit.: SAM, Sign. 12024.307, 12024.311, 181895, 18213, 18216, 11165.2320, 181894, 18199 und 181200. 151 Musch & Lun, 1910–1912, Fröbel’scher Kindergarten und Stadtmuseum Meran (heute: Kindergarten Meran-Stadt), Jahnstraße (heute: Galileistraße 39), I-39012 Meran, Kat.: K5.167, X2.358, X7.424, X8.441, Dok./Lit.: SAM, Sign. 9244 (Modell). 152 Musch & Lun, 1910/1911, Errichtung des Kraftwerks Schnalstal, Hauptstraße, I-39025 Naturns, Kat.: X7.433, X8.446 (weitere Pläne im Jenbacher Museum, A-6200 Jenbach), Dok./Lit.: Amt für Bauund Kunstdenkmäler (Denkmalschutz, BLR-LAB 1252 vom 06/03/1989). Architektenkammer der Provinz Bozen (Hrsg.), Architektur in Südtirol, S. 51 (Abb.). 153 BZN, 12.9.1913, S. 4. 154 Es heißt, dass die gekehlten Unterschläge der Dächer auch zur Brandverhütung realisiert wurden. Vgl.: Alpenländische Gewerbe-Zeitung, 25.7.1912, S. 3. Dachkonstruktionen vgl. Blätter Nr. TOUR_4100506 (Ostansicht), TOUR_4100259 (Dachstuhl zum Ost­ trakt, Schnitt C–D) und TOUR_4100260 (Dachstuhl zum Osttrakt, Querschnitt V.–V., Längsschnitt III.– III. und Querschnitt VI.–VI.). 155 Vgl.: Lux, Joseph August, Das Hotel, ein Bauproblem. 156 Nerdinger, Winfried, Theodor Fischer, S. 68–85, hier: S. 72ff. Theodor Fischer berief sich in diesem Zusammenhang auf das „ästhetische Associa­tions­ prinzip“ aus der „Vorschule der Ästhetik“ (2 Bde., Leipzig 1876) von Gustav Theodor Fechner (1808– 1887). 157 MZZ, 12.9.1913, S. 4. Hier wird angegeben, dass Johann Müller nicht nur am Wiederaufbau, sondern auch an der Erneuerung der Innenausstattung des Hotels beteiligt war. 158 Alpenländische Gewerbe-Zeitung, 25.7.1912, S. 3. 159 Ebd. 160 Ebd. 161 Die Mundus A. G. war eine 1907 gegründete „Holding“ zur Produktion und Vermarktung von Bugholzmöbeln, die von unterschiedlichen Herstellern aus der Donaumonarchie stammten. 1922 wurde auch die Thonet A. G. von Mundus übernommen. Vgl.: de.wikipedia.org/wiki/Mundus_AG (31.10.2018). 162 Musch & Lun, 1885ff., Firmengelände Musch & Lun (später: Kinkelin, 2014 abgerissen), Schießstand­ straße 54, I-39012 Meran, Kat.: S6.228, Dok./Lit.: –. 163 Der Maler Rudolf (von) Alt war der Sohn eines Malers namens Jakob Alt, vgl.: de.wikipedia.org/ wiki/Rudolf_von_Alt (25.9.2014).

164 Alpenländische Gewerbe-Zeitung, 25.7.1912, S. 3. 165 Kircher, Ignaz, 100 Jahre Fremdenverkehr Welschnofen-Karersee, S. 55. Leider wurden die Beschädigungen nicht im Detail dokumentiert. 166 Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv Austria, Kriegspressequartier Alben 1914–1918. 167 Über Ernst Lautenschlager siehe auch im Abschnitt über das Dolomitenhotel Canazei. 168 Kircher, Ignaz, 100 Jahre Fremdenverkehr Welschnofen-Karersee, S. 52ff. Der Autor schreibt hier, dass im Jahr 1921 wieder 2.158 Gäste im Hotel Karersee nächtigten. 169 Ebd., S. 55. 170 Ebd., S. 60. Ders., Ein Jahrhundert Karerseehotel, Turistikunion Karersee (Hrsg.), Bozen 1995, S. 51. 171 Ebd., S. 60. 172 Ebd., S. 63. 173 Die „Società Iniziative Turistiche Alberghiere S.I.T.A. S.A.R.L.“ ging in Konkurs und wurde nach ihrer Liquidation am 2.4.1980 aus dem Handelsregister Bozen gelöscht. Details siehe im Abschnitt „Verein für Alpenhotels in Tirol“ – „Società Alberghi Alpini“ im zweiten Kapitel dieses Buches. 174 ff – Das Südtiroler Wochenmagazin, Nr. 37, Bozen 2014, S. 33ff. 175 Südtiroler Wirtschaftszeitung, 28.9.2018, S. 4. 176 www.provinz.bz.it/kunst-kultur/ denkmalpflege/monumentbrowser-suche. asp?status=detail&id=50600 (9.5.2019). 177 Kohler, Franz, 100 Jahre Elektrizitätswerk Welschnofen, S. 20. 178 Ders., Vom Ende der stromlosen Zeit. S. 41f. 179 Ebd. 180 Ebd., S. 42f. 181 Schematische Lagepläne vgl.: Kohler, Franz, Vom Ende der stromlosen Zeit. 182 Der erste Betreuer der elektrischen Anlage, Josef Geiger (1866–1919), übersiedelte in den Wintermonaten in das Hotel Karersee und war dort als Hausmeister tätig. Er war auch der erste Obmann der Sektion WelschnofenKarersee des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins. Ebd., S. 45 f. Später trat Josef Geiger jun. (1900–1988), Vater von Christine Geiger, in die Fußstapfen seines Vaters. Daraus erklärt sich das Zustandekommen der Privatsammlung von Christine Geiger, Karersee. 183 Ebd., S. 55. Der zweite Maschinensatz wurde erst 1925 eingebaut. 184 Die Einreichpläne im Bauamt Welschnofen zeigen denselben Bau, aber mit einem Glockenturm. Dieser Bauteil wurde später aber nicht realisiert. 185 Kircher, Ignaz, 100 Jahre Fremdenverkehr Welschnofen-Karersee, S. 35f. 186 Ebd. 187 Schwienbacher, S. 91. 188 Musch & Lun, 1899/1900/1901/1903/1909, Villa Waldhaus mit Nebengebäuden, Badehaus und Verkaufsladen für Dr. Sebastian Huber (heute: Golf Club Carezza Residence, vollständig überbaut), Karerseestraße 3a, I-39056 Welschnofen. Kat.: H6.140, X8.447. Dok./Lit.: Bauamt Welschnofen (Einreichpläne und schriftliche Dokumente, Plankopien in der Sammlung des Touriseums,

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Blätter Nr. TOUR_4100483 bis TOUR_4100491). Aus den Unterlagen im Bauamt Welschnofen geht auch hervor, dass Dr. Huber das Grundstück für die Villa 1899 im Tauschweg erwarb. Musch & Lun, 1905/1906, Villa Dr. Ludwig Fulda (auch: Villa Laurin, heute: Villa San Pio X. – Coll. Univ. Antonianum, vollständig überbaut), Karerseestraße 169, I-39056 Welschnofen. Kat.: F1.83. Dok./Lit.: Das Haus „Villa San Pio X.“ wurde restauriert, in: Gemeindeblatt Deutschnofen, Welschnofen, Aldein, Nr. 5, Welschnofen 2004, S. 9. Geiger, Christine, Erinnerungen vergangener Zeit, in: Gemeindeblatt Deutschnofen, Welschnofen, Aldein, Nr. 4, Welschnofen 2005, S. 21. Einreichpläne im Bauamt Welschnofen. In Meran soll Ludwig Fulda auch mit Arthur Schnitzler zusammengetroffen sein. Vgl.: Gamper, Sabine, Meran – eine Kurstadt von und für Juden? Ein Beitrag zur Tourismusgeschichte Merans 1830– 1930, unveröff. phil. Dipl., Innsbruck 2001, S. 106. Vgl.: Verein für Alpenhotels, ordentliche General­ versammlung 17.12.1905, TLMF, FB_137017_76. Hier heißt es: „Dr. Stainer berichtete, dass der berühmte Schriftsteller Ludwig Fulda, einer der getreuesten Gäste der Vereinshotels, im September d. J. den bestimmten Wunsch äusserte, in der Nähe des Karerseehotels und zwar oberhalb der ‚Villa Alpenrose‘ vom Hotelverein einen kleinen Wiesengrund zu erwerben, um sich daselbst eine Villa zu bauen, damit er etwas abseits vom mitunter störenden Hotelbetriebe seinen dichterischen Arbeiten sich hingeben könne. Der Verwaltungsausschuss glaubte die Ansiedelung eines Mannes von der heutigen Bedeutung Ludwig Fuldas im Karerseegebiete begrüssen zu sollen und erklärt sich bereit, Herrn Dr. Fulda den gewünschten Grund zum Preise von 3 Kronen [ca. 20 Euro, Anm.] per Quadratmeter zu verkaufen, womit sich Herr Fulda einverstanden erklärte. Die Perfektion des Vertrages hinge lediglich davon ab, ob wegen der auf dem fraglichen Grunde haftenden Weiderechte gegen den Bau und die Einplankung keine unüberwindlichen Schwierigkeiten sich ergeben. Dieser Bericht wird zur Kenntnis genommen.“ Vgl.: Geiger, Christine, Erinnerungen vergangener Zeit, S. 21: „In der kleinen getäfelten Stube schmückte den schönen Kachelofen eine 50 cm hohe Figur aus grünglasiertem Ton, die den König Laurin darstellte.“ Musch & Lun, 1895/1907/1922, Försterhaus (Försterschwaige, später: casa forestale, heute Bauteil der Forstschule Latemar – Ausbildungszentrum für Forst, Jagd und Umwelt), Karerseestraße 130, I-39056 Welschnofen. Kat.: F1.84, X4.387, X5.402. Dok./Lit.: –. Über die Heimatschutzbewegung vgl. in den Abschnitten über das Hotel Pragser Wildsee und das Hotel Stubai in Fulpmes. In Verbindung mit den Entwürfen für die „Försterschwaige“ aus dem Jahr 1907 drängen sich Vergleiche mit den frühen Projekten des aus Deutschland stammenden Architekten Adalbert Erlebach (1876–1945) auf, der zur selben Zeit ähnliche Villen auf der Hungerburg oberhalb von Innsbruck verwirklichte.

Anschließend übersiedelte Erlebach nach Meran und eröffnete dort ein Architekturbüro. Vgl.: Thielemann, Gerhard Peter, Adalbert Erlebach. Das Leben und die Kunst des Meraner Architekten, Bozen 2010, S. 29f. 195 Heute ist der historische Baubestand als eigen­stän­diger Baukörper in das Ensemble der Forstschule Latemar integriert. Bei der Forst­ schule Latemar handelt es sich um ein Ausund Weiterbildungszentrum der Provinz BozenSüdtirol für die Bereiche Forst, Holz und Jagd. Der Baubestand wurde 2006 saniert und umgebaut. Getrennt von ihm entstand ein Neubau. Das von Musch & Lun stammende Försterhaus dient heute als Gästehaus und ist durch einen unterirdischen Durchgang mit dem neuen Bildungshaus verbunden. Vgl.: www.provinz.bz.it/land-forstwirtschaft/ forstdienst-foerster/gebaeude.asp (17.4.2020). 196 Kirchner, Ignaz, 100 Jahre Fremdenverkehr Welschnofen-Karersee, S. 31: „Nach der Eröffnung des Karerseehotels stationierten sich die ersten konzessionierten Bergführer Anton Plank, Anton Dejori, Bonaventura Pattis, Georg Kaufmann, Alois Pardeller, Georg Seehauser und die Aspiranten Johann Putzer, Alois Plank, Alois Pardeller. Es waren aufgeschlossene junge Männer, die sich diesem Berufe verschrieben. Als besonders unternehmungsfreudig und weitblickend zeigte sich Anton Dejori, Oberribitzer. Er kaufte die Heigler-Schwaige und baute sie zu einer Meierei aus (die spätere Elisabeth-Meierei, dann Gasthaus Schönblick). 1893 baute er seine Schwaige, die Ribitzer-Schwaige im Moartal, zum Gasthof Alpenrose um – damals das einzige Gasthaus im Karerseegebiet. Dieser Gasthof wurde mit einer Einrichtung versehen, die damals hier unbekannt war, nämlich mit einer AzetylenGasbeleuchtung [auch: Karbidlampe, weil der gebundene Stoff erst kurz vor der Verbrennung in das giftige Gas Acetylen umgewandelt wird, Anm.].“ Der Autor schreibt hier weiter, dass das Alpenwirtschaftsgebäude 1906 errichtet worden sei. Tatsächlich entstand es aber um 1893. Unter den Einreichplänen im Bauamt Welschnofen finden sich auch solche für die Meierei, dat. 1909. 197 1893, Einreichpläne und Variante. 1895, Einreichpläne zu einem Stallgebäude bei der Pension Alpenrose, Bauamt Welschnofen. 198 BZZ, 1.8.1895, S. 1. 199 BZZ, 21.5.1897, S. 1. Vgl.: TLMF, Sign. FB_W_5049. Hier wird angegeben, der Rosengartenhof sei 1895 errichtet worden. 200 BZZ, 4.8.1897, S. 1. BZZ, 19.8.1897, S. 3. 201 Musch & Lun gestaltete eine Alternative für die Hauptansichten und Grundrissvarianten, auf diese wird in diesem Text aber nicht weiter eingegangen. 202 TLMF, Sign. FB_W_5049. 203 Mit freundlicher Genehmigung von Caroline M. Heiss und Architekt Ivo Khuen-Belasi. 204 www.historischergastbetrieb.it/ (6.2.2020). 205 Vgl. dazu in den Publikationen von Hans-Günter Richardi. 206 Alle hier angeführten biografischen Daten, vgl.: Stammbaum der Familie Hellenstainer, in: Richardi, Hans-Günter, Das Hotel am Pragser Wildsee, S. 350f.

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207 Ebd., S. 260–284. Die Geiseln waren auf einem Transport vom Konzentrationslager Dachau in die geplante „Alpenfestung“ in Südtirol, als sie am 30. April 1945 in Niederdorf befreit wurden, von wo sie anschließend in Lastwägen oder zu Fuß zum Hotel Pragser Wildsee gelangten und dort Aufnahme fanden. 208 Das Zeitgeschichtsarchiv Pragser Wildsee befindet sich im Hotel. Vgl.: www.archivpragserwildsee. com/?cat=1&lang=1&cont=1 (14.11.2019). 209 Über Emma Hellenstainer, vgl.: Frau Emma Europa – eine große Gastwirtin (una grande albergatrice), Touriseum Meran (Hrsg.), Meran 2004. 210 Weingartner, Josef, Der Pragser Wildsee, S. 264. 211 Richardi, Hans-Günter, Das Hotel am Pragser Wildsee, S. 71f. 212 Ebd., S. 113. Vgl.: Weingartner, Josef, Der Pragser Wildsee, S. 265. Erhaltene Fotografien legen hingegen den Schluss nahe, dass der Kiosk in Rahmenbauweise errichtet wurde. 213 Glanvell, Viktor Wolf Edler von, Aus den Pragser Dolomiten, in: Österreichische Touristenzeitung. Mitteilungen des Österreichischen Touristenklubs, Wien, 15.6.1893, S. 144. Der Autor des Berichts war auch der Herausgeber eines Führers durch die Pragser Dolomiten, der 1890 in Wien verlegt wurde. Vgl.: www.historisches-alpenarchiv.org/data/ dokumente/main/13/00126365_m.pdf (14.11.2019). Über das Ableben und die Beerdigung des bekannten Alpinisten am Friedhof von St. Veit in Prags, vgl.: Richardi, Hans-Günter, Das Hotel am Pragser Wildsee, S. 161f. 214 Caroline M. Heiss berichtet in diesem Zusammen­ hang, dass die ersten Betriebe der Familie am Pragser Wildsee tatsächlich unter einer schlechten Wasserversorgung litten. Diese konnte erst durch die Erschließung einer Quelle im Zuge der Errich­­ tung des Hotels verbessert werden. Freundliche Mit­ teilung von Caroline M. Heiss, Innsbruck, 29.11.2019. 215 Bedauerlicherweise ist von diesem Gebäude aktuell keine Abbildung bekannt. Ältere Abbildungen, auf denen eine Reihe weiterer, zum Teil lang gestreckter Baukörper aus Holz im Umfeld der Villa Edelweiß bzw. des Hotels zu sehen sind, waren andere Nebengebäude wie Sägen, Tischlereien etc. Freundliche Mitteilung von Caroline M. Heiss, Innsbruck, 29.11.2019. 216 Ebd., S. 114. Vgl.: MZZ, 20.5.1896, S. 3. 217 BZZ, 2.9.1897, S. 3. 218 BZZ, 20.11.1896, S. 5. Pustertaler Bote, 20.11.1896, S. 4. Brixner Chronik, 20.11.1896, S. 6. 219 MZZ, 22.11.1896, S. 4 (Die Berichtigung erfolgte allerdings unter der Schreibweise „Schmied“ für Otto Schmid.) 220 Volksblatt, 25.11.1896, S. 7. 221 Pustertaler Bote, 25.6.1897, S. 3. BTV, 16.7.1897, S. 2. 222 Brixner Chronik, 30.8.1898, S. 10. 223 BTV, 28.7.1899, S. 5. 224 Hotelprospekt, Sammlung Caroline M. Heiss, Pragser Wildsee. 225 Richardi, Hans-Günter, Das Hotel am Pragser Wildsee, S. 306. 226 Freundliche Mitteilung von Caroline M. Heiss, Innsbruck, 29.11.2019.

227 BTV, 28.7.1899, S. 5: „[…] die Anlagen vor demselben und dem See beleuchten 5 vor dem Hotel am Seeufer angebrachte große Bogenlampen.“ 228 Freundliche Mitteilung Caroline M. Heiss, Pragser Wildsee, 10.7.2019. 229 Siehe dazu auch im Abschnitt „Bautypologisches zum Thema Hotel und Hospiz bzw. Hospital“. 230 Pustertaler Bote, 21.7.1899, S. 3. 231 MZZ, 29.9.1901, S. 4. BTV, 24.9.1902, S. 5. 232 BZN, 11.8.1903, S. 5. 233 MZZ, 23.10.1916, S. 4. Über Karl Lartschneider (auch: Lardschneider) siehe den Abschnitt über das Hotel Stubai in diesem Kapitel. 234 Allgemein über die Heimatschutzbewegung und ihre Kritik an der Tourismusarchitektur siehe im Abschnitt über das Hotel Stubai für Josef Riehl in diesem Kapitel. 235 BZZ, 24.5.1904, S. 1–3, hier: 2. 236 Ebd. 237 Seberiny, Hans, 25 Jahre Heimatschutzbewegung in Tirol, Tiroler Heimatblätter, Nr. 7/8, Innsbruck 1933, S. 244–255, hier: 245. 238 Richardi, Hans-Günter, Das Hotel am Pragser Wildsee, S. 232. 239 Ebd., S. 233. 240 Ebd., S. 242. 241 Weingartner, Josef, Der Pragser Wildsee, in: Der Schlern, H. 7, Bozen 1919, S. 265. 242 Ebd. Vgl.: Richardi, Hans-Günter, Zur Schmerz­ haften Muttergottes – Marienkapelle des Hotels „Pragser Wildsee“, S. 28f. 243 Der Tiroler/Der Landsmann, 7.7.1904, S. 5. 244 MZZ, 16.2.1888, S. 4. Vermählung von Hans Leipold aus Würzburg mit Rosa Wenter (1867?–1902), Tochter eines Meraner Metzgermeisters (Eine verwandtschaftliche Verbindung von Rosa und Amalie Wenter, der Besitzerin des gleichnamigen Hotels in Graun am Reschensee ist aktuell nicht bekannt.). Hans Leipold scheint sehr geschäftstüchtig gewesen zu sein. Das dokumentieren nicht nur Zeitungsberichte, sondern auch die vielen Annoncen, die er in den Medien schaltete. In der MZZ, 4.9.1896, S. 4, ist davon die Rede, dass Leipold anlässlich eines Besuchs von Erzherzog Ferdinand Karl (1868–1915, ab 1911 als „Ferdinand Burg“ in Meran ansässig) bei einem „feldmäßigen Schießen“ auf der Plätzwiese mit einem „fliegenden Buffet für Offiziere“ Aufsehen erregte. Das erinnert an Franz Österreicher, der in Trient ebenfalls unter anderem über die Bewirtung von hohen Militärs zu seinem guten Ruf gelangte. 245 Der Burggräfler, 15.12.1894, S. 6. 246 MZZ, 5.7.1895, S. 3. 247 Pustertaler Bote, 31.7.1896, S. 5. 248 Der Burggräfler, 13.9.1899, S. 4. 249 Pustertaler Bote, 31.7.1896, S. 5. 250 Volksblatt, 23.5.1900, S. 3. 251 BTV, 26.8.1903, S. 8. Ebd., 9.10.1903, S. 8. 252 Pustertaler Bote, 13.11.1903, S. 3. 253 BZZ, 20.5.1904, S. 5. Der Burggräfler, 25.9.1907, S. 8. 254 Pustertaler Bote, 19.5.1922, S. 11. 255 BZZ, 11.5.1900, S. 3. 256 MZZ, 23.10.1916, S. 4. Über Karl Lartschneider (auch: Lardschneider) siehe den Abschnitt über das Hotel Stubai.

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257 In einer kleinen Ausstellung im Hotel Hohe Gaisl wird die Brandruine dokumentiert. 258 Leopold Gröbner (1815–1896) gilt als Tourismus­ pionier von Gossensass. Seine Söhne Ludwig (1853– 1916) und August (1860–1914), der ab 1895 mit Flora Staffler (?–1944), Tochter des Besitzers des Hotels Greif in Bozen) verheiratet war, und seine Tochter Marie (1855–1937) führten dieses Erbe fort und setzten durch eine rege Bautätigkeit markante Zeichen im örtlichen Fremdenverkehr. Vgl. im ersten Kapitel dieses Buches bzw. an gesonderter Stelle im Abschnitt „Vom Bauernhaus zum Palasthotel“. 259 Andreas Hofer Wochenblatt, 4.7.1901, S. 3. Nachricht vom Tod der Gattin des „bekannten Baumeisters und Lammwirtes Jacob Amort“ aus Matrei. Später realisierte Amort auch einen Bauteil des GroßHotels der Familie Gröbner, vgl.: Ennemoser, Günther, Beiträge zur Geschichte der Gemeinde Gossensass mit besonderer Berücksichtigung der Zeit von 1850 bis 1914, unveröff. phil. Diss., Universität Innsbruck, Innsbruck 1975, S. 113f. 260 Aus dem Text eines Inserats „Pension Gudrunhausen“, vgl.: Fremdenliste aus dem klimatischen Sommer- und Winter-Kurort Gossensass, Gossensass 1906. 261 TLMF, Sign. FB_W_5049. 262 Siehe dazu auch in der Theodor-ChristomannosBiografie im zweiten Kapitel dieses Buches. 263 Boeckl, Matthias, Wilhelm Nicolaus Prachensky, Wien-Innsbruck 1998, S. 186. 264 TLMF, Postkartensammlung. Vgl.: Brixner Chronik, 3.7.1902, S. 5. Innsbrucker Nachrichten, 2.7.1902, S. 4. 265 Trenkwalder, Alois, Brenner, S. 109. 266 Über die Veränderung der Wassertemperatur gibt es keine einheitlichen Berichte. Unter anderem hieß es: „Ursprünglich sprudelte die Quelle siedend heiß aus der Erde, so daß die Bauersleute im kochenden Wasser Eier sotten. Erst als man später zu graben anfing, um die Therme zu fassen, kühlte sie allmählich auf ihre heutige konstante Temperatur von 29,9 Grad Celsius ab.“ An anderer Stelle heißt es: „Die Quellen des Brennerbades sind mit einer durchschnittlichen Temperatur von 21,9° C die wärmsten und die einzigen thermalen Wässer (laut Definition über 20° C) in Südtirol. Das Wasser wird als leicht mineralhaltiges Thermalwasser klassifiziert. Es enthält Spuren von Barium, Bor, Jod und Lithium. Seine Leitfähigkeit beträgt 595 µS/cm. […] Heute ist es als Mineralwasser im Handel erhältlich. Es wird im Brennerbad für Bäder gegen Hautkrankheiten sowie zu Trinkkuren und Inha­ lationen verwendet.“ Fink, Hans, Eisacktaler Sagen, Bräuche und Ausdrücke, in: Schlern-Schriften, Nr. 164, Innsbruck 1957, S. 22 f. Vgl.: Lässer, S. 36. www.sagen.at/doku/quellen/quellen_s_tirol/ brennerbad.html (29.8.2019). 267 Trenkwalder, Alois, Brenner, S. 110. 268 Ebd., S. 114. 269 Ebd., S. 113. 270 Ebd., S. 111ff. 271 Ebd., S. 113. Zum Kauf gehörten auch eine sogenannte Badalm, Wiesen, Weiden und ein Wald. Diese wurden von der Stadt Sterzing aber bald veräußert, weil sie für die Vergrößerung des Kurangebots nicht notwendig waren.

272 Der Baumeister errichtete in Innsbruck mehrere repräsentative Villen im Stadtteil Saggen, vgl.: www.gis.tirol.gv.at/kunstkatasterpdf/pdf/116080. pdf (28.8.2019). www.gis.tirol.gv.at/kunstkatasterpdf/pdf/115877.pdf (28.8.2019). 273 BTV, 7.7.1873, S. 3. 274 Eller, Alois Karl, Die Brennerbadstiftung, S. 121f. siehe dazu auch im Abschnitt „Risikoreiches Tourismusgeschäft in Südtirol. ‚Gründerzeitliche‘ Serienproduktion im Hotelbau mit finanziellen Mitteln von außen“ im dritten Kapitel dieses Buches. 275 Ebd., S. 114. 276 Ebd., S. 205f. 277 Ebd., S. 122ff. 278 Ebd., S. 123f. 279 Ebd., S. 124. Vgl.: Trenkwalder, Alois, Brenner, S. 118f. Der Autor schreibt ferner, dass das Kirchlein 1889 einen neuen Hochaltar nach Plänen von Johann Maria Reiter OFM (1851–1924) erhielt. Vgl.: Schlorhaufer, Bettina, P. Johannes Maria Reiter OFM, in: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz (Hrsg.), Sondernummer der Schwazer Heimatblätter anlässlich der Ausstellung „Kostbarkeiten aus dem Franziskanerkloster Schwaz“, Schwaz 2007, S. 17f. 280 Eller, Alois Karl, Die Brennerbadstiftung, S. 243. 281 Ebd., S. 114. Hier dokumentiert der Autor: „Vom Jahre 1884 an nahm Frau Stotz, Witwe und frühere Besitzerin des Bräuhauses Starkenberg in Tarrenz, und deren Schwiegersohn Ferdinand Langguth, Oberkellner in Obermais, das alte Badwirtshaus, das so genannte Kiebacher’sche Restaurant und den Sterzingerhof ununterbrochen bis zum Jahre 1899 in Pacht (erster Pachtvertrag 1884–1894, zweiter Pachtvertrag 1894–1898, dritter Pachtvertrag 1899).“ 282 Ebd., S. 115. 283 Ebd., S. 220, 222. 284 Ebd., S. 209ff. Zum Verkauf ausgeschrieben wurden „das Hotel Sterzingerhof, das alte Wirtshaus, das Ralserhaus, das Wolfenmoidlhaus, das Bürgerhaus, die Kiebacher’sche Restauration, das GeizkoflerHaus, das Quellhaus, das Heizhaus, die Holzsäge, das neugebaute Badkirchlein und Grundstücke im Ausmaß von 442 Joch 28.647 Klafter.“ 285 Cole, Laurence, „Für Gott, Kaiser und Vaterland“, S. 155, 197. Hier schreibt der Autor über die Situation, dass die katholische Kirche in Tirol das ganze 19. Jahrhundert hindurch Liberale, Freimaurer, Juden und Protestanten als „Verschwö­ rer“ identifizierte, die den gesellschaftlichen Aufbau zu unterwandern suchten. Nuanciert betrachtet, stellte sich das Bild aber so dar: „Protestanten waren Häretiker, aber immer noch Christen. Beim Judaismus war das anders.“ 286 Die „Abfall-von-Rom-Bewegung“ war eine antikirchliche Strömung des 19. Jahrhunderts, die eine späte Auswirkung der Französischen Revolution, gepaart mit atheistischen Tendenzen, darstellte. Vgl.: Keust, Matthäus O.F.M. Cap., Kapuzinerleben. Erinnerungen eines törichten Herzens 1840–1894, Zürich 1999, vgl.: www.univie.ac.at/igl.geschichte/ ws2002-2003/ku_ws2002_homepages/Manndorff/ erinnerungen.html (20.4.2020).

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287 Eller, Alois Karl, Die Brennerbadstiftung, S. 209ff. 288 Brennerbad-Gesellschaft, TLMF, Sign. FB_97142. 289 Innsbrucker Nachrichten, 2.7.1902, S. 4. 290 Eller, Alois Karl, Die Brennerbadstiftung, S. 234. 291 Ebd., S. 209ff. 292 Brennerbad-Gesellschaft, TLMF, Sign. FB_97142. 293 Brennerbad-Gesellschaft (albergo e bagni), Han­ dels­­kammer Bozen, Handelsregister. Bedauer­li­ cher­weise sind die Unterlagen lückenhaft, z. B. finden sich hier genauso wie im TLMF keine Namens­ li­sten der Vereinsmitglieder bzw. Gesellschafter. Erst in Dokumenten über die Generals­versamm­ lung 1925 und im Zuge der Italiani­sierung der Gesell­­schaft (Terme di Brennero a. g. l.) werden folgen­de Gesellschafts­führer und Aufsichtsräte genannt: Franz von Guggenberg (1808–?, Geschäfts­ führer), Os­wald Peratho­ner, Josef von Pretz, Hein­ rich Schweig­hofer, Elise Rössler, Georg Thaler und Alois Told. Hier findet sich auch ein Hinweis auf die Um­rech­nung des gezeichneten Kapitals in Lire: 985.000 Kronen entsprachen 591.000 Lire (Stand: 1924). Später wurde die Gesellschaft mehrfach um­be­nannt, unter anderem in Società Terme di Brennero società garanzia limitata/sede in Bressanone, Terme die Brennero/Brennerbad –  Dr. Zischg, Brennerbad AG/Terme di Brennero spa, heute: Brenner Thermal­quellen GmbH/Fonti Terme di Brennero Srl. 294 Ebd., Gesellschaftsvertrag, S. 1. 295 Eller, Alois Karl, Die Brennerbadstiftung, S. 239. Hier schreibt der Autor, „Auch im Jahre 1904 waren mehr weibliche als männliche Gäste im Bad: 1.213 weibliche und 978 männliche Badegäste.“ 296 Ebd., S. 239. 297 Brennerbad-Gesellschaft, TLMF, Sign. FB_97142. 298 Musch & Lun plante das Hotel Brennerbad in den Jahren 1900/1901. Möglicherweise wurden zusammen mit der Kapitalaufstockung der BrennerbadGesellschaft von der Lithographieanstalt K. Redlich in Innsbruck Drucke hergestellt, die u. a. Schau­ bilder und Grundrisse der Anlage zeigen (Blätter B4_1986 und B4_0385). Eine der Druckvorlagen war das Schaubild, Blatt Nr. B4_0384. Auf diesem Werbemittel wurde das Projekt zum ersten Mal als „Grand Hotel Brennerbad“ und nicht mehr als Sterzingerhof bezeichnet. 299 Vgl. im Abschnitt „Souterrain mit Unterküche und Schwemme bzw. Stube“ im dritten Kapitel dieses Buches. 300 Eller, Alois Karl, Die Brennerbadstiftung, S. 235f. 301 MZZ, 23.10.1916, S. 4. Über Karl Lartschneider (auch: Lardschneider) siehe den Abschnitt über das Hotel Stubai in diesem Kapitel. 302 Vgl. den Verkaufspavillon, der auf einer Fotografie des Sterzingerhofs zu sehen ist und der wahrscheinlich für die Bauarbeiten abgetragen wurde. 303 Eller, Alois Karl, Die Brennerbadstiftung, S. 240ff. 304 Ebd., S. 241f. 305 Ebd., S. 242. Laut Eller handelte es sich um das 8., 35., 36. und 88. k. k. Infanterie-Regiment. „Kommandanten dieser Regimenter waren Hauptmann Anton Derka und tschechische Offiziere.“ 306 Ebd., S. 242f.

307 Ihre namensgleiche Mutter wird in mehreren Quellen „als Muster einer fleißigen und sparsamen Hausfrau“ und Besitzerin des Hauses Sandplatz 8 in Meran bezeichnet, z. B.: Der Burggräfler, 12.8.1905, S. 5. 308 Volksblatt, 19.1.1898, S. 5. Ein Joch entsprach ca. 5,75 km2, vgl.: de.wikipedia.org/wiki/Alte_Maße_und_ Gewichte_(Österreich)_Flächenmaße (11.12.2019). 309 BZZ, 26.6.1905, S. 5. 310 Der Tiroler/Der Landsmann, 10.1.1922, S. 3. 311 Eine Ausnahme bildete das Hotel Karersee, das schon im Winter 1903 erstmals geöffnet war. 312 BZN, 15.12.1907, S. 5. MEZ, 30.10.1907, S. 4. MEZ, 31.1.1908, S. 3. 313 Der Burggräfler, 1.2.1908, S. 5. 314 Maiser Wochenblatt, 1.2.1908, S. 4. 315 Der Tiroler/Der Landsmann, 20.6.1912, S. 6. 316 MEZ, 19.7.1917. Der Artikel gibt allgemein Einblick in die Situation des Fremdenverkehrs im oberen Vinschgau während des Ersten Weltkriegs. 317 Pfaundler-Spat, Gertrud, Tirol-Lexikon, S. 270. 318 Ebd., S. 465. Die von Gertrud Pfaundler gemachten biografischen Angaben unterscheiden sich in Details von: de.wikipedia.org/wiki/Franz_Reisch (28.11.2019). 319 Innsbrucker Nachrichten, 1.2.1900, S. 3. 320 Stadtarchiv Kitzbühel, EJ 392, Kitzbüheler Bezirksbote, 11.1.1902 und 19.1.1902. Vgl.: BTV, 23.1.1902, S. 3. 321 Vgl.: MZZ, 23.3.1900, S. 4. Ergebnisse der Wahl der Vorsitzenden des Landesverbands für Fremdenverkehr. Über Johann Angerers Tätigkeit im Landesverband, vgl.: Lässer, S. 52ff. 322 BZZ, 17.6.1895, S. 3. 323 BTV, 14.12.1899, S. 5. 324 Volker Koop schreibt (allerdings ohne Quellen­ angabe), dass Franz Reisch das Grundstück an den Verein verkaufte. Vgl.: Schmid, S. 89, Fußnote 229. Klaus Schmid dokumentiert nur, dass Franz Reisch der Besitzer der Bauparzelle war. 325 Lässer, S. 112. Der Kitzbüheler Notar war in den 1920er Jahren im Landesverkehrsamt tätig. Hier wird er zusätzlich zu seiner Tätigkeit im Hotelbauverein Kitzbühel als Erbauer des Gaisberghotels (Salzburg) und Miteigentümer des Kurhotels in Obladis genannt. 326 Stadtarchiv Kitzbühel, EJ 392, Kitzbüheler Bezirksbote, 11.1.1902 und 19.1.1902. Vgl.: Schmid, Fußnote 228. 327 Schmid, S. 89. 328 Ebd., S. 93. 329 BTV, 20.3.1908, S. 8. Aus der Kundmachung geht aber nicht hervor, warum der Umwandlungsprozess zwei Jahre in Anspruch nahm. Eine Satzung des Hotelbauvereins Kitzbühel Ges. m. b. H. befindet sich im Stadtarchiv Kitzbühel. 330 BTV, 7.5.1908, S. 8. 331 Lässer, S. 41, 112. Hastaba, Ellen (Hrsg.), Tiroler Künstler 1927, in: Schlern-Schriften 319, Innsbruck 2002, S. 196f. Karl Landsee war der Sohn eines Bierbrauers aus Frittlingen in Württemberg und begann seine Karriere in der Schweiz. Er war verheiratet mit Jeanne Colomb (?–1918) aus Neuchâtel. 1879 übernahm er das damals noch sogenannte

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Hotel Bellevue in Innsbruck (später: Tiroler Hof), das er bald zu einem blühenden Unternehmen machte. Zur selben Zeit, so Lässer, wurden größere, bereits bestehende Hotels in Innsbruck (in der auf den Wiener Börsenkrach folgenden Großen Depression?) geschlossen (z. B. die Hotels Zentral und Sonne). Karl Landsee war viele Jahre in Fremdenverkehrsgremien aktiv. Sein Sohn Edmund wurde bildender Künstler. 332 Lässer, u. a. S. 55–63. 333 Ebd., S. 63. Vgl.: www.vonguggenberg.org/vonGuggenbergHomePage/history/htm/tiroleradlergeschichtederfamilievonguggenberg.htm (2.12.2019). Hier heißt es: „Anton von Guggenberg, geb. 21.11.1856, gest. 20.11.1910 in Innsbruck, Gatte der Johanna Fritz (geb. 24.1.1858, gest. 15.1.1923 in Innsbruck), war Kaufmann, liberaler Gemeinderat der Stadt Innsbruck.“ 334 BTV, 13.5.1913, S. 3. 335 Heinrich Lun, Kellereibesitzer und Weinhändler in Bozen, zeitweise Mitglied des Bozner Gemeinderats und der Handelskammer. Er beteiligte sich bereits – jedoch ohne „offizielle“ Funktion – seit 1907 im „Deutschen Verein für Dolomitenhäuser“ Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Biografi­ sche Hinweise: Freundliche Mitteilung, Barbara Sträuli, Zürich, 15.12.2014. Vgl.: Dolomiten, 31.10.1933, S. 3. Alpenzeitung, 31.10.1933, S. 5. 336 Vgl.: Historische Fotografien im Wilhelm-NicolausPrachensky-Nachlass im Archiv für Baukunst der Universität Innsbruck, Inv. 14-1174-61 und 14-1174-65, online: archiv-baukunst.uibk.ac.at/archive_showplan.php?id=2586 (4.5.2020). archiv-baukunst.uibk. ac.at/archive_showplan.php?id=2590 (4.5.2020). Zum Teil sind auch die Dekorationsmalereien von Karl Lartschneider zu sehen. 337 BZN, 20.09.1903, S. 6. MZZ, 23.10.1916, S. 4. Über Karl Lartschneider (auch: Lardschneider) siehe den Abschnitt über das Hotel Stubai in diesem Kapitel. 338 Boeckl, Matthias, Wilhelm Nicolaus Prachensky, S. 163–165, 185f. Archiv für Baukunst der Universität Innsbruck, Inv. 14-1174-1, 14-1174-5, 14-1174-93 (kolorierte Innenraumperspektiven) und mehrere historische Fotografien, online: archiv-baukunst.uibk.ac.at/archive_showplan.php?id=2168 (4.5.2020). archiv-baukunst.uibk.ac.at/archive_ showplan.php?id=7722. archiv-baukunst.uibk.ac.at/ archive_showplan.php?id=2275 (4.5.2020). 339 Österreichische Touristenzeitung. Mitteilungen des Österreichischen Touristenklubs, 27. Bd., Wien 1907, S. 300. MEZ, 21.8.1907, S. 5. 340 Auch: Diabasbrockenschiefer oder Megabrekzie der Ehrenbachhöhe. Vgl.: Geologische Karte der Republik Österreich. Erläuterungen zu Blatt 122 Kitzbühel, S. 139f., online: opac.geologie.ac.at/ ais312/dokumente/122_Kitzbuehel.pdf (2.12.2019). 341 Brixner Chronik, 7.12.1907, S. 5. 342 Boeckl, Matthias, Wilhelm Nicolaus Prachensky, S. 163–165, 185f. Hier dokumentiert der Autor noch folgende Umbauten durch Wilhelm Nicolaus Prachensky: 1925 die Neugestaltung der Gästezimmer, 1929 den Umbau der Speisesäle und 1937 einen Anbau. Über diese Bauvorhaben liegen leider keine weiteren Informationen vor. Vgl.:

Archiv für Baukunst der Universität Innsbruck, Nachlass Wilhelm-Nicolaus-Prachensky, online: archiv-baukunst.uibk.ac.at/archive_showproject. php?id=1174 (4.5.2020). 343 Ebd., S. 158. Stadtarchiv Kitzbühel. 344 Dr. Ekkehard Kofler 90 Jahre, in: Kitzbüheler Anzeiger, 24.5.1980, S. 18. Ekkehard Kofler war der Sohn von Anton Kofler. Er hatte einen großen Freundeskreis, dem mehrere bekannte Tiroler Architekten und Künstler angehörten, darunter neben Wilhelm Nicolaus Prachensky Clemens Holzmeister (1886–1983), Alfons Walde (1891–1958), Erich Torggler (1899–1938), Artur Nikodem (1870– 1940) und Hans Weber-Tyrol (1874–1957). 345 Die Zusammenhänge wurden von Volker Koop unsystematisch und relativ unkritisch dokumentiert, was eine Bewertung der Rolle des Hotels in der NSZeit und in den Nachkriegsjahren erschwert. Siehe dort bzw. Fotomaterial im Stadtarchiv Kitzbühel. 346 Die Stubaitalbahn war übrigens die erste Einphasenwechselstrombahn Europas. Alle vor ihr im Alpenraum entstandenen Lokalbahnen wurden mit Dampfloks betrieben, manche von ihnen erst später auf elektrischen Betrieb umgerüstet (z. B. die Strecke Innsbruck–Hall in Tirol 1909/1910). Vgl.: Innerhofer, Albert, Staffler, Reinhold, Stählerne Stege. Der Seilbahnpionier Luis Zuegg, Bozen 1996, S. 72f. 347 Archiv der Gemeinde Fulpmes, Nr. 3535. 348 Der Umstand, dass das Hotel über mehrere Terras­ sen und Veranden verfügte, die auf einfache Weise geschlossen hätten werden können, ist möglicherweise ein Hinweis darauf, dass man das Hotel eventuell auch als Lungenheilstätte hätte betreiben können. Siehe dazu auch im Abschnitt über das Hotel Oberbozen für die Aktiengesellschaft Rittner Bahn (Hotel Holzner) in diesem Kapitel. 349 BZZ, 4.8.1904, S. 4. 350 Zum Heimatschutz und der beginnenden Kritik an der Tourismusarchitektur siehe auch im Abschnitt „Das Hotel Pragser Wildsee im Umfeld des aufkommenden Natur- und Heimatschutzes“. Der sich ab 1904 zunehmend institutionalisierende Heimatschutz formierte sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts aus Kritik am Kapitalismus, an der (durch Industrialisierung und Tourismus verursachten) Überbauung, Zerstö­rung und Vermarktung der Natur sowie am Nieder­gang (gewachsener) bäuerlicher Baukultur. Organisa­torisch war er in regionalen Vereinen organisiert, die unterschiedliche Namen haben konnten und in der Regel hohe Mitgliederzahlen aufwiesen: 1904 wurde der „Deutsche Bund Heimatschutz“ in Dresden gegründet, 1908 folgten die ersten Ver­eins­gründungen auf Gemeindeebene in Tirol. Vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs zählten die Vereine in Nord- und Südtirol 1.200 Mitglieder. Vgl.: Plattner, Irmgard, Fin de siècle in Tirol, S. 210–227, hier: 218ff. Cole, Laurence, „Für Gott, Kaiser und Vaterland“, S. 367f., 392f. Zimmeter, Kunibert, Zwanzig Jahre Heimatschutz, in: Tiroler Heimatblätter, Nr. 9/10, 1928, S. 258 f. Stolz, Otto, Südtirol und die deutsch-italienische Scheide, in: Tiroler Heimatblätter, Nr. 9/10, 1928, S. 262ff. Seberiny, Hans, 25 Jahre Heimatschutzbewegung

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in Tirol, Tiroler Heimat­blätter, Nr. 7/8, Innsbruck 1933, S. 244–255. Kornfeld, Hans, Der Deutsche Bund Heimatschutz. Seine Entwicklung und Aufgabe, in: Tiroler Heimat­blätter, 1939, H. 8/9/10, S. 226. Kulturberichte aus Tirol, 1984, H. 303/304, S. 20. Schlorhaufer, Bettina, „Mazaggs Misthaufen“. Versuch einer Annähe­rung an Leben und Werk Siegfried Mazaggs, in: Dies., Moroder, Joachim (Hrsg.), Siegfried Mazagg. Interpret der frühen Moderne in Tirol, Wien-New York 2012, S. 34f. 351 Der Titel „Architekturchronist“ geht auf Friedrich Achleitners (1930–2019) Hauptwerk „Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert. Ein Führer in drei Bänden“ (Salzburg, 1980 bis 2010) zurück, an dem er von 1965 bis 2010 arbeitete. 352 Achleitner, Friedrich, Gibt es einen mitteleuropäischen Heimatstil? (oder: Entwurf zu einer peripheren Architekturlandschaft), in: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege, H. 3/4, Horn-Wien 1989, S. 98f. 353 Ebd., S. 166. Vgl.: Plattner, Irmgard, Fin de siècle in Tirol, S. 214f. Wilbertz, Georg, Das Bauernhaus im frühmodernen Wiener Architekturdiskurs, in: Aigner, Anita (Hrsg.), Vernakuläre Moderne. Grenzüberschreitungen in der Architektur um 1900. Das Bauernhaus und seine Aneignung, Bielefeld 2010, S. 132. Schlorhaufer, Bettina, Architektur wird Region – „Regional shapes as a starting point for the new style“, in: Dies., Schloss Prösels, Grote, Georg (Hrsg.), Architektur wird Region, S. 45ff. 354 Archiv der Gemeinde Fulpmes, Nr. 3535. 355 Archiv der Gemeinde Fulpmes, Nr. 3538. 356 Köfler, Werner (Hrsg.), Pittl, Emerich, Fulpmes, Fulpmes 1987, S. 145ff. 357 Ebd. 358 Eller, Alois Karl, Die Brennerbadstiftung unter der Verwaltung der Stadt Sterzing (1732–1899), S. 179, 207ff. 359 Rohrer, Josef, Geschichte des Hotels Austria-Adria, Auftragsforschung für Florian Ellmenreich, Hotel Adria, Manuskript, Meran 2014. 360 MZZ, 5.11.1925, S. 2. 361 Über Johann Müller siehe die Abschnitte über den Wiederaufbau des Hotels Karersee nach dem Brand und das Hotelprojekt für St. Anton am Arlberg in diesem Kapitel. 362 www.historischergastbetrieb.it/ (6.2.2020). Das Gebäude steht aber nicht unter Denkmalschutz. 363 Vgl.: 1905, Wohn- und Geschäftshäuser Benediktinerwiese („Kesselgut“, Projekt), Ecke Habsburgerstraße-Andreas Hofer Straße (heute: Ecke Freiheitsstraße-Otto Huber Straße), I-39012 Meran, Kat.: B1.21, Dok./Lit.: –. 364 Hans Holzner im 69. Lebensjahr verstorben, Dolomiten 17.4.1939, S. 4. Alle weiteren biografischen Details, freundliche Mitteilung von Maria Holzner, E-Mail, 13.2.2020. 365 Kaufvertrag zwischen der Aktiengesellschaft der Rittner Bahn und Hans Holzner, Juni 1912, im Parkhotel Holzner. Ein reizvolles historisches Foto, das ihn vor den Pyramiden in Gizeh auf einem Kamel reitend zeigt, ist im Hotel ausgestellt. 366 BZN, 31.7.1907, S. 4. Vgl.: Der Burggräfler, 7.8.1907, S. 3. BZZ, 30.8.1907, S. 4. Der Eröffnungstermin der

Rittner Bahn und des Hotels musste aus technischen Gründen immer wieder verschoben werden. Daher fand sie nicht am Beginn der Sommersaison 1907, sondern erst im August statt. Über die Verzö­ ge­rungen beim Bau der Rittner Bahn siehe den Text von Elisabeth Baumgartner. 367 BZN, 9.8.1907, S. 2. Vgl.: Baumgartner, Elisabeth, Eisenbahnlandschaft Alt-Tirol, S. 208. 368 Eine Liste des Inventars samt Kostenaufstellung im Parkhotel Holzner, datiert 1911. 369 BZN, 11.10.1910, S. 4. Später entstandene Grundrisse (Bauaufnahmen) der Villa bzw. Pension Maria im Parkhotel Holzner. 370 Brixner Chronik, 11.11.1905, S. 3. 371 Freundliche Mitteilung von Maria Holzner, E-Mail, 13.2.2020. 372 Beschließerinnen bzw. Beschließer sind hauptsächlich für die in einem Gastbetrieb anfallenden Wäsche zuständig. Vgl.: de.wikipedia.org/ wiki/Beschließerin (25.2.2020). 373 Diese und weitere biografische Informationen über die Familie Holzner: www.parkhotel-holzner.com/ de/hotel/geschichte.html (5.2.2020). 374 Südtiroler Landeszeitung, 26.10.1920, S. 6. 375 Ebd. 376 Armbruster, Karl, Die Tiroler Bergbahnen, Wien 1914, S. 106–122. Baumgartner, Elisabeth, Eisenbahnlandschaft Alt-Tirol, S. 214–219. Die Rittner Bahn wurde 1966 stillgelegt. 377 Blatt Nr. O1_4152 (Ansicht Bahnseite/Südfassade, Rückseite, Seitenansicht, Grundriss Parterre, o. Dat.): Einstöckiges Gebäude mit ebenerdigem Anbau an der Seite für eine offene Wartehalle. Im Inneren des Bahnhofs Warteraum, Kanzlei mit Süd-Erker und ein Nebenraum. Im darüber liegenden Geschoss sollte wahrscheinlich eine kleine Wohnung eingerichtet werden (am Plan nicht dargestellt). Verzierung der Fassaden mit Elementen im Sinn des Jugendstils. 378 Baumgartner, Elisabeth, Eisenbahnlandschaft AltTirol, S. 218f. 379 Zur Vorbildwirkung von Davos siehe auch im Abschnitt „Touristische Neuausrichtung: Höhentherapie, Nachkur, Terrainkur und Vorbeugung“ im ersten Kapitel dieses Buches. 380 Über das 1902 bis 1904 errichtete Hotel Stubai für Josef Riehl, Fulpmes, siehe im entsprechenden Abschnitt in diesem Kapitel des Buches. 381 Auch das Hotel Stubai könnte architektonisch so konzipiert worden sein, dass man es auch als Sanatorium für Lungenkranke hätte betreiben können. Siehe im Abschnitt über das Hotel Stubai in diesem Kapitel. 382 In der Regel ist eine Loggia innen liegend und tritt nicht aus der Bauflucht hervor. Im Unterschied zur Loggia handelt es sich bei einer Veranda um einen Anbau an das Erdgeschoss eines Gebäudes. Vgl.: Koepf, Hans, Binding, Günther, Bildwörterbuch der Architektur, S. 313, 494. 383 Am Lageplan Blatt Nr. O1_4149 wurde nicht nur die räumliche Anordnung von Bahnhof und Hotel Oberbozen festgehalten, hier ist auch zusammen mit der Gemeinde Bozen der Name Josef Lun eingezeichnet. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass

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Josef Lun im Umfeld von Bahnstation und Hotel ein größeres Grundstück erwarb. Die Beschriftungen auf dem Blatt deuten darauf hin, dass die Gemeinde Bozen die Besitzerin der Parzellen war, auf denen das Hotel und der Bahnhof errichtet wurden. 384 Der Turm wurde während des Zweiten Weltkriegs von Offizieren der Deutschen Wehrmacht für die Einrichtung einer Flak-Stellung teilweise abgetragen. Später wurde er zur Gänze entfernt. Heute kann er geöffnet und zur Sternbeobachtung genützt werden. Freundliche Mitteilung von Architekt Gerd Bergmeister, 7.2.2020. 385 MEZ, 16.1.1907, S. 4. 386 BZN, 9.4.1912, S. 6. Hier ist davon die Rede, dass der Verwaltungsrat der Rittner Bahn das Anbauprojekt beschlossen hätte. Dennoch erfolgte im Juni 1912 der Verkauf des Hotels. Es ist aber aktuell nichts über die näheren Umstände bekannt, warum sich die Rittner Bahn von ihrem Beherbergungsbetrieb trennte. 387 Brief der Brüder Ludwig aus München, 9.2.1912, im Parkhotel Holzner. 388 Brief der Brüder Ludwig aus München, 16.2.1912, im Parkhotel Holzner. 389 Vgl. z. B.: Blätter Nr. C2_0950 und C2_0954. 390 de.wikipedia.org/wiki/Leobersdorfer_ Maschinenfabrik#Geschichte (20.1.2020). 1887 wurde das niederösterreichische Unternehmen von der Firma Ganz & Co. aus Budapest übernommen – eine Firma, die mit Oskar von Miller am Bau des Elektrizitätswerks Töll der Etschwerke beteiligt war. Siehe dazu auch im Abschnitt „Technische Innovationen: Heizung und Beleuchtung des Hotels Sulden (Elektrizitätswerk)“ in diesem Kapitel. 391 Über den „Deutschen Verein für Dolomitenhäuser“ Gesellschaft mit beschränkter Haftung und seine ersten Geschäftsführer siehe auch im dritten Kapitel dieses Buches. 392 Der Gesellschaftsvertrag wurde am 3.6.1907 erstellt. Die offizielle Eintragung ins Handelsregister Bozen erfolgte am 3.8.1907 bzw. am 23.10.1907. Satzungen und Liste der Gründungsmitglieder samt Einlagesummen im Handelsregister der Handelskammer Bozen. 393 BZZ, 3.10.1907, S. 3. 394 Diese Einlagesumme wurde schon 1909 auf 43.000 Kronen bzw. ca. 267.500 Euro erhöht. 395 Eisath, Kathrin, Die Eggenstaler Straße, S. 96–101. Über die Dolomitenstraße vgl. auch im Abschnitt „Die Dolomitenstraße“ in diesem Buch. 396 Zu Theodor Christomannos und die „Wirtschaftliche und nationale Stärkung des Fassatales“ vgl.: MZZ, 1.4.1904, S. 17. In Bezug auf die Diskussion über deutschfreundliche und deutschfeindliche Tourismusunternehmen in den Dolomiten vgl. z. B.: MZZ, 15.7.1906, S. 9 (über das Hotel Lavarone, das in den Besitz der „deutschfeindlichen Società per la costruzione di alberghi nel Trentino“ übergegangen war). Rohmeder, Wilhelm von, Deutsche und deutschfreundliche Gaststätten in den deutschen Sprachinseln, sprachlichen Grenzgebieten und sprachlich gemischten Gegenden Südtirols, Sonderdruck der Altdeutschen Blätter, Mainz 1912, Dolomitenhaus Canazei: S. 16.

397 Pustertaler Bote, 6.1.1905, S. 3. Hier heißt es, dass der „Verein für Alpenhotels in Tirol“ den auf 480.000 Kronen (ca. 3,202.900 Euro) veranschlag­ ten Bau eines Hotels in Canazei beginnen wolle. Vgl. dazu die diesbezügliche Diskussion bei der Ge­ne­ ralversammlung des „Vereins“, Verein für Alpen­ hotels in Tirol, Protokoll der Generalversamm­lung, Meran, 17.12.1905, TLMF, Sign. FB_137017_76. In dieser Generalversammlung zeichnete sich ab, dass die Mitglieder des „Vereins“ von Aktivitäten in Canazei und am Pordoijoch lieber Abstand nehmen und sich auf den von Carl Lun projektierten großen Ausbau des Hotels Karersee konzentrieren wollten. Siehe dazu auch im Abschnitt „Nicht ‚alles Walzer‘ – der ‚Verein für Alpenhotels in Tirol‘ wird Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ im zweiten Kapitel. 398 Pustertaler Bote, 22.4.1904, S. 13. MZZ, 23.11.1894, S. 3. Volksblatt, 28.11.1894, S. 4. BRG, 5.9.1896, S. 3. Zu diesem Projekt sind keine erhaltenen Entwürfe bekannt. 399 BTV, 7.7.1896, S. 3. 400 BZN, 8.10.1907, S. 3. 401 Freundliche Mitteilung von Alois Lageder, E-Mail, 31.10.2019. 402 Kustatscher, Erika, Staffler (Familie), in: Neue Deutsche Biographie, www.deutsche-biographie.de/ sfz125323.html (31.10.2019). 403 Handelskammer Bozen, Handelsregister. Wenn bekannt, wurden die biografischen Daten angegeben. 404 BZN, 15.6.1920, S. 3. 405 Ebd. 406 Ernst Lautenschlager begann seine Laufbahn als Hoteldirektor im Hotel Kitzbühel und arbeitete später in mehreren Hotels im Raum Trient, u. a. im „deutschfeindlichen“ Hotel Lavarone und im Hotel Canazei. In den 1930er Jahren übernahm er auch die Leitung des Hotels Karersee. Fraglich bleibt, ob er zusammen mit seiner Familie auf den im Musch & Lun Archiv erhaltenen Fotografien vor dem Hotel Canazei zu sehen ist. Vgl.: BTV, 13.8.1903, S. 2. BZN, 1.4.1904, S. 5. MZZ, 15.7.1906, S. 9. 407 BZN, 28.4.1909, S. 5f. 408 BZN, 15.9.1909, S. 3. 409 MZZ, 3.6.1924, S. 4. 410 Bei aktuellen Umbauten im Hotel zeigte sich, dass ein Großteil der Innenwände auch in den Obergeschossen aus regionalem Natursteinmaterial besteht. Das Hotel wurde demnach in einer sparsamen und transportkostenschonenden Bauweise errichtet. Stellenweise wurde das Bruchsteinmauerwerk freigelegt und materialsichtig belassen. 411 Zu diesen gehört insbesondere: 1897/1898/1903/ 1905/1910/1927/1929, Sanatorium Martinsbrunn für Dr. Norbert von Kaan-Albest (heute: Privatklinik Martinsbrunn), König-Laurin-Straße 24 (heute: Laurinstraße 70), Gratsch (heute: I-39012 Meran), Kat.: K1.145, Dok./Lit.: Pixner-Pertoll, S. 27 (Abb.), 92, 179, 267. Bernard, Margareth, Martinsbrunn – Eine Institution für Meran, in: Meraner Stadtanzeiger, Nr. 6, März 2013, S. 4f. www.martinsbrunn.it/de/ parkclinic.html (31.1.2020). 412 Bégout, Bruce, Motel. Ort ohne Eigenschaften, Zürich-Berlin 2013, S. 28. Koepf, Hans, Binding, Günther, Bildwörterbuch der Architektur, S. 337f.

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Bégout, Bruce, Motel, S. 26f. Ebd., S. 18, vgl.: S. 29f. Ebd., S. 28. MEZ, 12.9.1913, S. 4. Pfaundler-Spat, Gertrud, Tirol-Lexikon, S. 497f. www.geschichte-tirol.com/orte/nordtirol/bezirklandeck/30-st-anton-am-arlberg.html (31.1.2020). 418 Thöni, Hans, St. Anton am Arlberg. Entwicklungsgeschichte der Gemeinde, Gemeinde St. Anton am Arlberg (Hrsg.), Bludenz 1996, S. 206ff. 419 Thöni, Hans, St. Anton am Arlberg, S. 398. 420 Ebd., S. 207f. Der Autor dokumentiert: „Der Priester Paul Bernhard – Kurat von St. Jakob – schildert die Folgen des Tunnelbaus wie folgt: ‚Für das einfache und größtenteils unerfahrene Talvolk brachte der vierjährige Tunnelbau sehr harte Prüfungen. Für den männlichen Teil waren die Gefahren Genußsucht, in specie die Trunksucht, namentlich für St. Anton, mit den Erwerbsquellen und den 34 Schenken, dann die Übertretung der Fasttage und die Entheiligung der Sonntage. Der bei weitem größere Teil hat allen Lockungen und Gefahren kräftig widerstanden. Manche aber ließen sich vom Strom fortreißen, namentlich von der Schnapspest, von der sie kaum mehr herauszureißen sind. Für den weiblichen Teil, besonders für blühende Jungfrauen, war die Gefahr der Verführung und der sittlichen Korruption äußerst groß. Die Häuser waren voll von Arbeitern, das Geld zog. Die Mahnungen, die Arbeiter nicht aufzunehmen, besonders wo Mädchen wohnten, verhallten in der Luft. Die Arbeiter verdienten viel und traten zu den meist armen Jungfrauen mit Getränken, Kleidern und Schmuck hinzu. Die Folge war, daß 14 Jungfrauen von St. Anton trotz meiner ernsten Warnung in den Standeslehren mehr oder minder unglückliche Ehen mit Arbeitern schlossen. Weitere 13 Mädchen des Dorfes hatten das schwere Schicksal lediger Mütter zu tragen.‘“ 421 Ebd., S. 398f. 422 Posch, Wilfried, Clemens Holzmeister. Architekt zwischen Kunst und Politik, Salzburg-Wien 2010, S. 389 (nach dem Werkverzeichnis von Monika Knofler). In St. Anton realisierte Holzmeister noch einige weitere Tourismusprojekte, die weitgehend in Vergessenheit geraten sind (siehe dort). 423 Thöni, Hans, St. Anton am Arlberg, S. 399. 424 Posch, Wilfried, Clemens Holzmeister, S. 388 (Errichtung: 1926, durch einen Brand zerstört). 425 Vgl.: Rucki, S. 138. 426 Vgl.: Rucki, z. B. S. 134ff., 271, 274. Hier schreibt Rucki, dass um 1908 im Engadin auch einige Hotels ihren Namen in „Palace“ oder „Schlosshotel“ änderten. Merkmal der Baukörper war, dass ihre Architekten – ähnlich den früher entstandenen Bauten von Otto Schmid – auf ein symmetrisches Erscheinungsbild verzichteten. Zum Wandel des Gesamterscheinungsbild der Hotels nach 1905, insbesondere aber um 1907/1908, siehe auch im dritten Kapitel dieses Buches. 427 Vgl.: Dosch, Leza, Kunst und Landschaft in Graubünden, S. 162–168, hier: 162. 428 Rucki, S. 134. 429 Ebd., S. 154–161, 155 (Abb.).

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Register Personen Angerer, Johann 211, 212 Amort, Jacob 169, 171 Arnold, Eduard 250 Atzwanger, Hugo 148 Bardy, Viktor 84, 94 Bauer, Leopold 228 Bloomfeld-Zeisler, Fanny 91 Brüder Ludwig 235, 238, 242, 243, 244, 245 Cathrein, Karl 211, 213 Christomannos, Konstantin 62 Christomannos, Sigurd 169 Christomannos, Theodor 10, 11, 14, 16, 43, 47, 49, 54, 57, 61, 62, 63, 81, 82, 93, 103, 104, 109, 129, 133, 135, 137, 141, 169, 183, 211, 247, 250, 256, 258, 277 Churchill, Winston 110 Compton, Edward Theodore 71, 103, 209 Defregger, Franz von 252 Dejori, Anton 128ff., 277 Elisabeth von Österreich-Ungarn, Kaiserin 62, 81, 82, 129 Eugen, Erzherzog von Österreich 111 Fischer, Theodor 94, 262, 271 Flattich, Wilhelm von 141 Forcher-Mayr, Hans 247 Franz Joseph I., Kaiser 27, 28, 134 Freshfield, Douglas 26 Führer, Friedrich 251 Fulda, Ludwig 61, 118ff. Ginsberger, Jos. 211 Glanvell, Viktor Wolf Edler von 135 Gröbner (Familie) 40, 274 Gröbner, Marie 168ff. Grubhofer, Tony 14, 49, 62, 83, 90, 109, 116, 137, 138, 148, 152, 169, 170, 211, 218, 223, 228, 235, 247, 259 Grünwald, Joh. 211 Guggenberg, Anton von 213 Gutweniger, Wilhelm (Willy) 21 Haßfurter, Carl 182 Hellenstainer, Eduard 132ff., 135, 137, 141, 152, 160 Hellenstainer, Emma 133, 136, 137, 152, 199 Hellenstainer, Hermann 135, 148, 152 Hellenstainer, Joseph 134, 135 Hellenstainer, Josephine 148 Hibler, Josefine 212 Hirnsberger, Johann 211 Hofer, Gottfried 29 Hoffman, Josef 228 Holzmeister, Clemens 223, 228, 271 Holzner, Hans 234ff., 238, 242, 243 Huber, Sebastian 61, 116, 118ff. Kinkelin (Familie) 276 Kofler, Anton 212, 213 Kofler, Ekkehard 212, 220 Kofler, Franz von 251 Kräuter, Ludwig 43 Krawany, Maria (Mizzi) 235 Lageder, Alois 250 Landsee, Karl 213 Langguth, Ferdinand 180ff., 192, 230ff.

Lartschneider, Karl 16, 81, 142, 143, 146, 166, 196, 213, 219, 226f. Lautenschlager, Ernst 109, 252 Leipold, Hans 135, 154ff., 160 Lenhart, Franz J. 148, 150 Linde, Carl (Karl) von 250 Ludwig, Alois (siehe Brüder Ludwig) Ludwig, Gustav Josef (siehe Brüder Ludwig) Lun, Carl 84, 94, 155, 182, 213, 250, 271 Lun, Heinrich 213, 250 Lun, Josef 11, 223, 226, 277 Lutz, Franziska (Fanny) 169 Lux, Joseph August 228 Minio Mario 126 Morris William 228 Müller, Johann 61, 94, 103, 109, 232, 262, 271, 274 Noë, Heinrich 43 Norer, Jakob 177ff. Österreicher, Franz 24, 27, 28, 36, 82 Pahler, Alois 155 Plangger, Gottfried 199 Prachensky, Wilhelm Nicolaus 169, 205, 213, 220 Prokop, August 11, 14, 25, 49, 54, 57, 58, 61, 64, 69, 70, 71, 74, 81, 82, 108, 114, 276. 277 Reisch, Franz 205ff. Riehl, Josef 62, 211, 222ff., 235, 237, 277 Righi, Giacomo 25 Righi, Giovanni Battista 25, 27 Rottensteiner, Franz 251 Ruskin, John 228 Santner, Johann 63 Schalek, Alice 16, 61, 84, 109, 111 Schmid, Otto 10, 11, 13, 14, 16, 18, 21, 22, 49, 54, 57, 61, 71, 82, 133, 135, 137, 141, 143, 147, 148, 152, 153, 160, 199, 205, 211, 213, 214, 226, 238, 276 Schultze-Naumburg, Paul 228 Siegl, Rudolf 247 Städler, Christian 88, 90, 126, 127, 262 Stainer, Hans 93 Stainer, Ludwig 211 Staffler, Franz 247 Staffler, Max 251 Steger, Peter 251 Stitz, F. (Bürgermeister von Kitzbühel) 211 Stitz, Franz („Handelsmann“) 211 Stötter, Carl 38 Stotz, Marie 182 Thaler, Hans 211 Überbacher-Minatti Elise 133, 183, 199 Vittorio Emanuele III., König 126 Wachtler Otto 247, 251 Wagner, Otto 228, 242 Weise, Elsa 21 Wenter, Amalie 198ff. Zeisler, Sigmund 91

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Orte Altprags 135 Brenner 169, 176ff., 230ff. Brennerbad 176ff., 213, 235 Brünn (Brno) 242 Blumau 43 Canazei 64, 103, 109, 203, 246ff., 252, 253, 256, 259, 261, 262, 263, 265, 269 Cortina d’Ampezzo 143, 256 Davos 18, 237, 243 Enn, Schloss (Montan) 16, 54, 199 Franzenshöhe 58 Fulpmes 222ff., 237 Gomagoi 11, 58 Gossensass 39, 168ff., 242, 274 Graun 198ff. Innsbruck 11, 62, 108, 116, 134, 177, 178, 180, 184, 212, 213, 223, 226 Kitzbühel 16, 203, 204ff., 226, 250 Madonna di Campiglio 24, 25, 26, 27, 28, 29, 36, 70, 82 Maloja 18 Matrei am Brenner 169 Mayrhofen 109 Meran 16, 18, 39, 43, 47, 49, 66, 81, 94, 108, 110, 118, 119, 134, 135, 142, 143, 146, 155, 166, 169, 178, 182, 184, 199, 203, 219, 226, 231, 235, 242, 246, 256, 262 Meran-Obermais, 109, 180, 182 Meran-Untermais 155, 226 Moëna 62 München 103, 205, 206, 235, 242, 262, 271 Neuprags 135 Nürnberg 40 Oberbozen 234ff., 243, 245 Pinzolo 25 Plätzwiese (Plätzwiesen) 135, 141, 154ff., 226 Pontresina 49 Prags (Pragser Wildsee) 132ff., 154, 155, 160, 166, 201, 213 Samedan 18 Sils Maria 274 St. Anton 270ff. Steinach am Brenner 212 Sterzing 38ff., 57, 71, 178, 180, 184 Stilfs 11, 21, 49 Stuttgart 90 Sulden 10ff. Tiers 42ff. Trafoi 48ff. Trient 25, 27, 28 Verona 180, 184 Vigo di Fassa 62, 64, 116, 129, 250 Welschnofen 60ff., 91, 114, 115, 116, 276, 278

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Bildnachweis Alpine Majestäten und ihr Gefolge. Die Gebirgswelt der Erde in Bildern, Bd. 1 (München 1901) 12

Sammlung Hotel Dolomiti, Canazei 259 Sammlung Parkhotel Holzner, Oberbozen 234, 238, 243, 244,

Baldessarelli, Elio, Lenhart – Maler, internationaler Porträtist, Grafiker von internationalem Rang (Meran 1990) 150

Stadtarchiv Meran 182

Bauamt Welschnofen 74, 75, 76, 86f., 89, 96f., 98, 115

Stadtarchiv Kitzbühel 214, 215, 218, 219, 220

Bauamt Fulpmes 222

Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Ferdinandeumsbibliothek, Innsbruck 10, 15, 19, 45, 50, 51, 53, 54, 55, 56, 57, 59, 60, 63, 72, 73, 83, 90, 92, 95, 100, 117, 128, 157, 159, 160, 161, 168, 170, 175, 176, 177, 179, 180, 181, 183, 190, 191, 192, 193, 199, 204, 205, 206, 207, 208, 209, 210, 213, 216, 218, 221, 225, 228, 229, 236, 245, 246, 253, 254, 256

Christomannos, Theodor, Sulden–Trafoi. Schilderungen aus dem Ortlergebiete […], (Innsbruck 1895) 13 Eller, Alois Karl, Die Brennerbadstiftung unter der Verwaltung der Stadt Sterzing (1732–1899), unveröff. phil.-Diss. (Innsbruck 1975) 179

Touriseum – Südtiroler Landesmuseum für Tourismus, Meran 38, 40, 42, 63, 85, 99, 101, 102, 104, 105, 106, 107, 112f., 117, 119, 130, 150, 198, 200, 201, 202, 203, 257, 265, 268, 269, 279ff.

Handelskammer Bozen, Handelsregister 248f., 251, Luison, Anna, Institut für Architekturtheorie und Baugeschichte, Arbeitsbereich Architekturtheorie, Universität Innsbruck 13, 139, 217 Musch & Lun Archiv, Thomas Kinkelin, Meran 30, 31, 32, 33, 34, 36, 37, 41, 46, 47, 120, 121, 123, 124, 125, 127, 130, 131, 158, 162, 164, 165, 171, 172, 173, 174, 185, 186f., 188, 189, 191, 193, 194f., 197, 223, 224, 227, 230, 231, 232, 233, 236, 239, 240, 241, 259, 260, 261, 262, 263, 266, 267, 268, 270, 272, 273, 275 Österreichische Nationalbibliothek, AKON (Ansichtskarten online), Wien 77, 85, 88, 119, 122, 252, 255 Österreichische Nationalbibliothek, Kriegspressequartier Alben 1914–1918, Wien 111 Prokop, August, Über österreichische Alpen-Hotels mit besonderer Berücksichtigung Tirol’s, (Wien 1897) 52, 64, 74, 75, 76, 78, 79, 80, 81 Sammlung Caroline M. Heiss, Pragser Wildsee 132, 134, 136, 138, 140, 142, 144, 145, 146, 147, 149, 151, 152, 153, 154, 155, 156, 159, 161, 163, 165, 166, 167 Sammlung Arnold Gapp, Sulden 19, 20 Sammlung Jutta Heugl-Christomannos, Wien 17, 138 Sammlung Hans Reimer, Lübeck 22 Sammlung Manfred Reichstein, Halle (Saale) 23 Sammlung Paolo Luconi Bisti, Madonna di Campiglio 24, 25, 26, 28, 30, 31, 35 Sammlung Ludwig Eimannsberger, Innsbruck 48 Sammlung Bettina Schlorhaufer, Innsbruck 53 Sammlung Günther Ennemoser, Gossensass 171

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Impressum Herausgeber Betrieb Landesmuseen Touriseum – Südtiroler Landesmuseum für Tourismus, I-Meran www.touriseum.it Autorin Bettina Schlorhaufer Institut für Architekturtheorie, Baugeschichte und Denkmalpflege, Arbeitsbereich Architekturtheorie, Universität Innsbruck, A-Innsbruck www.architekturtheorie.eu Acquisitions Editor: David Marold, Birkhäuser Verlag, A-Wien Content & Production Editor: Bettina R. Algieri, Birkhäuser Verlag, A-Wien Lektorat: Esther Pirchner, A-Innsbruck Grafisches Konzept: Grafik Caldonazzi, Atelier für visuelle Kommunikation, A-6820 Frastanz www.caldonazzi.at Satz, Planrekonstruktionen und Architekturdarstellungen: Anna Luison, Institut für Architekturtheorie, Baugeschichte und Denkmalpflege, Arbeitsbereich Architekturtheorie, Universität Innsbruck, A-Innsbruck Druck: Beltz Grafische Betriebe GmbH, D-Bad Langensalza Library of Congress Control Number: 2022933820 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts.

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