Bereicherung durch Eingriff: Das Konzept des Zuweisungsgehalts im Spannungsfeld von Ausschließlichkeitsrecht und Wettbewerbsfreiheit 3161475755, 9783161579202, 9783161475757

Reinhard Ellger untersucht die Herausgabe von Vermögensvorteilen, die der Bereicherungsschuldner rechtsgrundlos durch Ei

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Bereicherung durch Eingriff: Das Konzept des Zuweisungsgehalts im Spannungsfeld von Ausschließlichkeitsrecht und Wettbewerbsfreiheit
 3161475755, 9783161579202, 9783161475757

Table of contents :
Cover
Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
§ 1 Einleitung und Problemstellung
I. Probleme bei der Konkretisierung von Anwendungsbereich und Tatbestand der Eingriffskondiktion
II. Fragen des Anspruchsinhalts
III. Die praktische Bedeutung der Eingriffskondiktion im Rechtsgüterschutz
IV. Interessenkonflikt
V. Vorgehensweise und Gang der Darstellung
Kapitel I Die dogmatischen Grundlagen der Eingriffskondiktion
§ 2 Überblick über die historische Entwicklung des Rechtsinstituts
I. Die Herausbildung der Kondiktionen im klassischen römischen Recht und ihre Funktionen
1. Die Entwicklung der Kondiktionen im klassischen römischen Recht als Herausgabeklagen für ungerechtfertigte Vorenthaltung
2. Die Kondiktion als legis actio
3. Tatbestand und Anwendungsbereich der Kondiktionsklage im klassischen römischen Recht
a) Der Tatbestand der Kondiktionsklage
aa) Datio
bb) Fehlender Rechtsgrund
b) Der Anwendungsbereich der legis actio per condictionem
aa) Solutum indebitum
bb) Datio ob rem
cc) Condictio ob turpem rem (causa)
4. Der Gegenstand der Kondiktion
5. Die condictio ex furtiva causa als Vorläuferin der Eingriffskondiktion
II. Die Weiterentwicklung des Kondiktionenrechts in der justinianischen Zeit
1. Die Entwicklung der einzelnen Kondiktionstypen
a) Condictio indebiti
b) Die Condictio causa data causa non secuta (ob causam datorum)
c) Die Condictio ob turpem vel iniustam causam
d) Die Condictio sine causa
e) Condictio ex lege und Condictio generalis
f) Condictio furtiva
2. Anspruchsinhalt
III. Die Kondiktionen im gemeinen Recht bis zur Neuformulierung der Anspruchskategorie der Kondiktionen durch C. F. v. Savigny
1. Glossatoren/Postglossatoren (11.–14. Jhdt.)
2. Die Kondiktionen im gemeinen Recht vor v. Savigny
3. Der Einfluß des Naturrechts
a) Grundlagen
b) Die Kondiktionen im ALR
IV. Abschließende Bemerkungen
§ 3 Die sog. „traditionelle“ Bereicherungslehre: das Dogma von der Vermögensverschiebung als Voraussetzung des Bereicherungsanspruchs – Eingriffskondiktion als Fortsetzung des Sachenrechts mit anderen Mitteln
I. Die Grundlegung des Kondiktionenrechts durch C.F. v. Savigny
1. Die Ableitung des Bereicherungsanspruchs aus einem „einfachen, gemeinschaftlichen Princip“
a) Der funktionale Ausgangspunkt des Prinzips und seine Herleitung
aa) Abkehr von der Funktion der Kondiktionen als Institute der Billigkeit
bb) Die Schaffung einer einheitlichen Grundlage für alle positiven Bereicherungsansprüche
cc) Die Bildung eines einheitlichen Tatbestandes bei der Leistungskondiktion
(1) Rückforderung aus Darlehen
(2) Verwahrung
(3) Kondiktion wegen Irrtums bei der Eigentumsübertragung
b) Tatbestandsbildung der Nichtleistungskondiktionen, insbesondere der Eingriffskondiktion
aa) Das Fehlen des Willenselementes
bb) Der Vermögensvorteil des Bereicherten als Bestandteil der Vermögensverschiebung
cc) Der Vermögensnachteil des Bereicherungsgläubigers als Element der Vermögensverschiebung
dd) Der Mangel des Rechtsgrundes
2. Wille, subjektives Recht und Vermögen im System v. Savignys
3. Voraussetzungen dauerhaft wirksamer Vermögensverschiebungen
4. Stärken und Schwächen der Savignyschen Konzeption der Vermögensverschiebung als Voraussetzung aller Bereicherungsansprüche
II. Die Rezeption der bereicherungsrechtlichen Konzeption v. Savignys in der Spätpandektistik
III. Die Eingriffskondiktion im Gesetzgebungsverfahren zum BGB
1. Teilentwurf v. Kübel
2. Erster Entwurf
3. Zweiter Entwurf
IV. Der Mangel des Rechtsgrundes in der traditionellen Bereicherungslehre
V. Die Grenzen der Vermögensverschiebungstheorie
1. Die Nutzung und der Gebrauch von Sachen
a) Die Anknüpfung an die durch den Gebrauch bzw. Nutzung eines fremden Rechts oder einer fremden Sache ersparten Aufwendungen
b) Der Verwendungserfolg als das Erlangte
2. Probleme der Vermögensverschiebungstheorie bei Eingriffen in Immaterialgüterrechte
VI. Die verdeckte Aufgabe des Konzepts der Vermögensverschiebung durch die Erweiterung des Vermögensbegriffs bzw. durch die Einführung eines Schadenserfordernisses
1. Die Ausdehnung des Vermögensbegriffes
a) Der Vermögensbegriff in der bereicherungsrechtlichen Spezialliteratur
b) Die Einbeziehung faktischer Vorteile in den Vermögensbegriff
c) Die Ausnutzung einer Verwertungsmöglichkeit als Gegenstand der Vermögensverschiebung
2. Die Substitution der Vermögensverschiebung durch ein Schadenserfordernis auf Seiten des Entreicherten und Kausalität von Vermögensminderung und Vermögensvermehrung
VII. Vermögensverschiebung als Rechtsverschiebung
VIII. Die tatbestandliche Enge der Eingriffskondiktion
§ 4 Die Rechtswidrigkeitstheorie I – Die Eingriffskondiktion als Quasi-Delikt
I. Die Grundlagen der Rechtswidrigkeitstheorie – Das Recht am Eingriffserwerb als Kernelement der Eingriffskondiktion des § 812 I 1, 2. Alt. BGB
1. Die Begründung des Rechts auf den Eingriffserwerb
2. Der Tatbestand des Rechts am Eingriffserwerb
a) Eingriff
b) Der Erwerb durch Eingriff
c) Ursächlichkeit
d) Rechtswidrigkeit des Eingriffs
e) Schaden
f) Verschulden
3. Der Anwendungsbereich des Rechts auf den Eingriffserwerb
a) Eingriff in Sachenrechte und Aneignungsrechte
b) Eingriff in Immaterialgüterrechte und Normen gegen unlauteren Wettbewerb
c) Verletzung schuldrechtlicher Forderungen
4. Das Recht auf den Eingriffserwerb und das Bereicherungsrecht, insbesondere die Eingriffskondiktion
a) Das Recht auf den Eingriffserwerb als Auflösung des differenzierten Anspruchssystems des BGB
b) Die Entbehrlichkeit der Eingriffskondiktion im System der Rechte auf den Eingriffserwerb
c) Die Konnexität von Schadensersatz und Bereicherung beim Eingriffserwerb
d) Die Auswirkungen des „Systems der Rechte auf den Eingriffserwerb“
II. Die Integration der Rechtswidrigkeitstheorie in die Systematik des Bereicherungsrechts des BGB: Die Widerrechtlichkeit des Verletzerhandelns als Grundlage der Eingriffskondiktion nach § 812 I 1, 2. Alt. BGB
1. Die Aufgabe des umfassenden Ansatzes des Schulz’schen Systems der Rechte auf den Eingriffserwerb
2. Das Kriterium der Rechtsverletzung bzw. der Rechtswidrigkeit als Grundlage der Eingriffskondiktion
a) Die Kondiktion einer Vermögensverschiebung
b) Die Kondiktion wegen rechtswidriger Verwendung fremder Rechtsgüter
c) Der Tatbestand der Eingriffskondiktion
3. Das Problem der Begrenzung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion bei dem Abstellen auf die Rechtswidrigkeit des Eingriffs
a) Rechtswidriger Eingriff in fremde subjektive Rechte und Normen mit vermögensschützendem Charakter
b) Eingriff in ein gegenständlich identifizierbares Rechtsobjekt (Kellmann)
c) Objektiv rechtswidrige Verletzung einer individualschützenden Rechtsnorm unter Berücksichtigung der Dispositionsfreiheit des Verletzten (Haines)
d) Einige kritische Anmerkungen zur Anknüpfung der Eingriffskondiktion an den individualschützenden Charakter der verletzten Norm
4. Gegenstand und Umfang des Bereicherungsanspruchs nach der Rechtswidrigkeitstheorie
a) Grundsatz: Gewinnherausgabe
b) Einzelfragen des Herausgabeanspruchs
III. Kritik der Rechtswidrigkeitslehre
1. Keine gesetzliche Grundlage für den Satz: Niemand darf aus Unrecht erlangten Gewinn behalten
2. Rechtsgrundlosigkeit und Rechtswidrigkeit in § 812 I 1, 2. Alt. BGB
3. Rechtswidrigkeit und Vermögenszuordnung
4. Eingriffe durch rechtmäßige Handlungen
§ 5 Rechtswidrigkeitstheorie II: Die Beseitigung rechtsgrundlosen Habens und seiner Folgen – Der Bereicherungsanspruch als Quasi-Negatoria
I. Ausgangspunkt: Die Reformulierung des Savignyschen Ansatzes der ungerechtfertigten Bereicherung und die Überwindung des Dogmas von der Vermögensverschiebung
II. Die Rechtswidrigkeit des Habens (= des durch den Bereicherungsvorgang eingetretenen Zustands) als tragendes Element des Bereicherungstatbestandes
1. Die Ablehnung der Rechtswidrigkeitstheorie in der Version von Schulz und Jakobs
2. Die Kritik an der Zuweisungsgehaltstheorie
3. Rechtsverletzung (= Widerrechtlichkeit) durch den Widerspruch des Habens des Bereicherungsschuldners zum Recht des Bereicherungsgläubigers
III. Der stufenweise Aufbau des Bereicherungsanspruchs auf der Grundlage des rechtswidrigen Habens des Schuldners
1. Die rechtsgrundlose Vermögensverschiebung
2. Nutzungen
3. Verbrauch und Veräußerung der Sache
4. Bereicherungsansprüche bei Verletzung von Normen gegen unlauteren Wettbewerb
IV. Die Rechtswidrigkeit des Habens als das Fundament des Bereicherungsanspruchs
1. Die Abkehr vom Verhaltensunrecht
2. Die positive Seite des Rechtswidrigkeitsurteils als Abgrenzungskriterium für die Reichweite der Eingriffskondiktion
V. Die Rechtsfolgen der Eingriffskondiktion: Haftung auf den Gewinn, der im „widerrechtlichen Haben“ des Bereicherungsschuldners steht
VI. Die Bewertung der Eingriffskondiktion als „Quasi-Negatoria“
1. Die Einheit des Bereicherungsanspruchs: Gemeinsame Grundlagen von Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen
2. Die Untauglichkeit der positiven Funktion des Rechtswidrigkeitsurteils als Grundlage der Eingriffskondiktion
§ 6 Die Lehre vom Zuweisungsgehalt der unbefugt in Anspruch genommenen Rechtsposition – die Eingriffskondiktion als Quasi-Kontrakt
I. Grundlagen: Die kategoriale Trennung von Leistungs- und Eingriffskondiktionen
1. Die Ungerechtfertigtheit der Bereicherung
a) Der Rechtsgrundmangel bei der Leistungskondiktion
b) Der Rechtsgrund bei der Eingriffskondiktion
2. Der Verzicht auf die Einheit der Bereicherungsansprüche als typisierendes Merkmal der Zuweisungsgehaltslehre
3. Divergente Funktionen von Leistungs- und Eingriffskondiktion
II. Die erste Entwicklungsstufe der Lehre vom Zuweisungsgehalt: Die Fortwirkung des verletzten Rechts als tragender Grund für die Eingriffskondiktion
1. Die Verbindung von Bereicherungsanspruch und verletztem Recht bei Heck
2. Die Überwindung der Vermögensverschiebungsdoktrin
3. Die Legitimation des Anspruchs wegen Eingriffsbereicherung aus der Fortwirkung des verletzten Rechts
a) Das Eigentum als „organische“ Grundlage des Bereicherungsanspruchs
b) Die Rechtsfortwirkung anderer absoluter Rechte als Grundlage der Eingriffskondiktion
c) Sonstige rechtlich geschützten Interessen
4. Der Umfang des Bereicherungsanspruchs
a) Leistungskondiktionen
b) Nichtleistungskondiktionen
c) Wegfall der Bereicherung
III. Die Weiterentwicklung des Rechtsfortwirkungsgedankens: Der Zuweisungsgehalt absoluter subjektiver Rechte als Grundlage der Eingriffskondiktion
1. Die Grundkonzeption
a) Die Einteilung der Kondiktionen in Typen
aa) Die Leistungskondiktion
bb) Aufwendungskondiktion
cc) Zahlung fremder Schulden
dd) Versionsklagen
ee) Eingriffskondiktion
b) Der Zuweisungsgehalt als tragendes Kriterium des Bereicherungsanspruchs bei Eingriff in fremdes Gut
2. Der Inhalt des Bereicherungsanspruchs wegen Eingriffs: Der Wertersatzanspruch
§ 7 Überlegenheit und Schwächen der Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte
I. Die Überlegenheit der Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte gegenüber den anderen dogmatischen Ansätzen der Eingriffskondiktion
1. Die Vermögensverschiebungslehre
2. Rechtswidrigkeitslehren
a) Die negative Funktion der Rechtswidrigkeit
b) Die positive Funktion des Rechtswidrigkeitsurteils
II. Zuweisungsgehaltslehre
§ 8 Die Auswirkungen der Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte auf den Tatbestand von § 812 I 1 BGB und insbesondere auf die Eingriffskondiktion
I. Die Trennung von Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen
1. Divergenzen in Funktion und Tatbestand der beiden Kondiktionsarten
2. Neuere Versuche einheitlicher Anspruchsbegründung
II. Leistung und Leistungskondiktion
1. Der Begriff der Leistung
2. Arten der Leistungskondiktion
a) Condictio indebiti
b) Condictio ob causam finitam
c) Condictio ob rem
d) Condictio ob turpem vel iniustam causam
III. Die Nichtleistungskondiktionen
1. Allgemeines
2. Die allgemeine Eingriffskondiktion
3. Besondere Eingriffskondiktionen
a) § 816 I BGB
b) Die unentgeltliche Verfügung durch einen Nichtberechtigten (§ 816 I 2 BGB)
c) Eingriff in die Forderungszuständigkeit
d) Eingriffskondiktion nach § 951 I BGB
4. Verwendungskondiktion
5. Rückgriffskondiktion
IV. Der Tatbestand der Eingriffskondiktion
1. Das Problem der Verortung des Zuweisungsgehalts im Tatbestand des § 812 I 1, 2. Alt. BGB
2. Das Merkmal „auf dessen Kosten“ bei der Eingriffskondiktion
3. Der Rechtsgrundmangel bei der Eingriffskondiktion
a) Vertrag als Rechtsgrund
b) Rechtsgrund nach gesetzlichen Vorschriften
4. Rechtsgrund und Zuweisungsgehalt des verletzten Rechts
5. Eingriff
a) Die Bedeutung des Eingriffs
b) Arten von Eingriffen
6. Die Bestimmung der Parteien des Anspruchs aus Eingriffskondiktion nach der Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte
a) Der Bereicherungsgläubiger
b) Der Bereicherungsschuldner
7. Die Unmittelbarkeit des Erwerbs
V. Das Verhältnis von Leistungs- und Eingriffskondiktion
1. Leistungs- und Eingriffskondiktion im Zweipersonenverhältnis
2. Leistungs- und Eingriffskondiktion im Mehrpersonenverhältnis
a) Subsidiarität der Eingriffskondiktion im Verhältnis zur Leistungskondiktion
aa) Vorrang der Abwicklung im Leistungsverhältnis
bb) Ausnahme vom Subsidiaritätsprinzip
cc) Subsidiarität der Eingriffskondiktion bei Leistung des Verlierenden
b) Relativierung des strengen Subsidiaritätsgrundsatzes durch die herrschende Lehre
c) Stellungnahme
Kapitel II Die ökonomischen Grundlagen der Eingriffskondiktion
§ 9 Einleitung
§ 10 Marktliche Tauschvorgänge aus ökonomischer Sicht
I. Das Effizienzkriterium in der ökonomischen Theorie
1. Formulierung und Aufgaben des Effizienzkriteriums
2. Hindernisse bei der Erreichung des Effizienzziels
II. Steuerungssystem bei der Güterverteilung: Markt
1. Die Aufgabe des Marktes
2. Die Funktionsbedingungen eines marktorientierten Güteraustausches
a) Wettbewerb
b) Geld
c) Institutionalisierung eines Systems von ausschließlichen Nutzungs- und Verfügungsrechten
d) Vertragsfreiheit und Vertragsrecht
3. Das Coase-Theorem
III. Funktionsstörungen des marktlichen Tauschmechanismus
1. Öffentliche Güter
2. Externe Effekte
3. Weitere Ursachen für Marktversagen
§ 11 Das Konzept der Property Rights
I. Die Bedeutung eines Systems von Property Rights als Funktionsbedingung marktlicher Tauschprozesse
II. Entstehung und Entwicklung von Property Rights
1. Ausschließlichkeitsrechte und Allokationseffizienz
2. Anreizwirkungen
III. Güter, Rechte, Property Rights
1. Güter und Property Rights
2. Die Internalisierung externer Effekte durch Property Rights
3. Die Senkung von Transaktionskosten
4. Property Rights als Voraussetzung für den Tausch von Ressourcen auf Märkten unter den Bedingungen des Wettbewerbs
IV. Die Eigenschaften von Property Rights
1. Die Abstraktheit der Rechte
2. Universalität
3. Allgemeinheit
4. Exklusivität
5. Übertragbarkeit
V. Die Bedeutung der Primärallokation
§ 12 Die Fundierung von Property Rights in der Rechtsordnung
I. Die Transposition des ökonomischen Begriffs der Property Rights in das juristische Regelsystem
1. Das ökonomische Konzept der Property Rights (veräußerliche und unveräußerliche Rechte)
2. Der Schutz von Property Rights
a) Property Rules
b) Haftungsregeln
c) Inalienability Rules
3. Die Einordnung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion in das System des Schutzes von Property Rights
II. Property Rights und die Funktion von Verträgen und Vertragsrecht (Vertragsordnung)
1. Die Bedeutung des Vertrages für den Transfer von Property Rights
2. Die Feststellung der Zahlungsbereitschaft als Knappheitsindikator bei der Ressourcennutzung
3. Die Reduktion von Transaktionskosten bei dem Transfer von Property Rights
a) Transaktionskosten
b) Vertragsrecht und Transaktionskosten
4. Zusammenfassung: Das Recht als konstitutives Element des marktlichen Tauschprozesses
§ 13 Die Funktion der Eingriffskondiktion für Transfers von Property Rights auf wettbewerblich orientierten Märkten
I. Der Eingriff in fremde Property Rights als Versagen der Vertragsordnung
1. Der „Normalfall“ der Nutzung fremder Ressourcen: Erwerb von Gütern bzw. Nutzungsberechtigungen durch Vertrag am Markt
a) Der Begriff der Vertragsordnung
b) Privatautonomie und Vertragsfreiheit
2. Der „pathologische“ Fall: Die Nutzung fremder Ressourcen ohne die Zustimmung des Inhabers des Property Right
II. Die wirtschaftlichen Folgen des Eingriffs (= der unbefugten Nutzung) in fremde Rechte (Property Rights)
1. Eingriffsbedingter Ressourcentransfer als externer Effekt
2. Verzerrung der Marktpreise
3. Verfehlung der Produktionseffizienz
4. Verfehlung der Allokationseffizienz
5. Verzerrung des Wettbewerbs
III. Die Funktion der Eingriffskondiktion bei Versagen der Vertragsordnung
1. Restitution der Ausgangsverteilung
a) Voraussetzungen der gegenständlichen Restitution
b) Die Restitution der Ausgangsverteilung und das Versagen der Vertragsordnung
2. Die Simulation eines vertraglichen Tauschvorgangs zwischen den Parteien eines Anspruchs aus Eingriffskondiktion
a) Unmöglichkeit der gegenständlichen Herausgabe
b) Der Anspruch aus Eingriffskondiktion in der Form des Wertersatzes als Rekonstruktion des vertraglichen Tauschvorgangs
3. Die quasi-kontraktliche Wirkung der Eingriffskondiktion in ökonomischer Sicht (die Eingriffskondiktion und das ökonomische Modell des vollständigen Vertrages)
4. Funktionale Grenzen der Eingriffskondiktion
a) Eingriffskondiktion und Eingriff in exklusive Rechte
b) Eingeschränkter Kreis geschützter Positionen
c) Kein Schutz der Vertragsfreiheit bzw. der Willensfreiheit des Rechtsinhabers
d) Kein Ausgleich für Schäden
e) Beschränkung auf die Herausgabe von Vorteilen, die durch Eingriff erlangt wurden
IV. Eingriffskondiktion und Verteilungsgerechtigkeit
§ 14 Zusammenfassung: Ökonomische Grundlagen der Eingriffskondiktion
Kapitel III Der Zuweisungsgehalt kondiktionsgeschützter Rechte und Rechtspositionen
§ 15 Das Konzept des Zuweisungsgehalts der Rechte in der wissenschaftlichen Diskussion
I. Die Entwicklung des Zuweisungsgedankens
II. Die Bestimmung des Kreises der zuweisungsgehaltsfähigen Positionen im Überblick
1. Enge Grenzziehung bei der Festlegung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion
2. Weiter Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion im Rahmen der Zuweisungsgehaltslehre
3. Mittlere Position
III. Die Konkretisierung des Zuweisungsgehalts – bisherige Ansätze
1. Die Anknüpfung an das absolute subjektive Recht
2. Der Zuweisungsgehalt auf Grund einer Verbietungsmöglichkeit: Der Gleichlauf zwischen Unterlassungsanspruch und Eingriffskondiktion (Rechtsgutstheorie)
3. Bestimmung des Zuweisungsgehalts nach dem Umfang des Deliktsschutzes
4. Die Eingriffskondiktion als Funktion der Realisierung rechtlicher Zweckprogramme: Wirtschaftliches Bereicherungsrecht
5. Der Zuweisungsgehalt als marktfähige Verwertungsmöglichkeit einer Position
§ 16 Funktion und Inhalt des Zuweisungsgehaltsbegriffs
I. Die Funktion der Eingriffskondiktion im bürgerlichen Vermögensrecht
II. Die Funktion des Konzepts des Zuweisungsgehalts: der Bezug zum absoluten subjektiven Recht
1. Legitimationsfunktion
2. Begrenzungsfunktion
3. Die Struktur des Zuweisungsgehalts des subjektiven Rechts
a) Freiheitsermächtigung und Generalverbot als Grundelemente des subjektiven Rechts
b) Der Inhalt der Berechtigung
aa) Aktionsberechtigung
bb) Vermögensberechtigung
III. Subjektive Rechte des Privatrechts im Überblick
1. Absolute Herrschaftsrechte
2. Immaterialgüterrechte
3. Persönlichkeitsrechte
4. Familienrechte als subjektive Rechte
5. Forderungen
6. Gestaltungsrechte
IV. Ausschließlichkeitsrechte als Mittel zur Verhinderung externer Effekte
V. Der Schutz der Ausschließlichkeit von Rechten
VI. Umfang und Grenzen der Begründung von Ausschließlichkeitsrechten aus ökonomischem Blickwinkel
1. Endogene Grenzen
2. Exogene Grenzen: Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs
VII. Interessen
1. Interessen des Kondizienten
2. Interessen des Rechtsverletzers
3. Ordnungsinteressen
VIII. Das Spannungsverhältnis von Ausschließlichkeitsrecht und Wettbewerbsfreiheit
1. Zuweisungsgehalt und subjektives Recht
2. Wettbewerbsfreiheit und Ausschließlichkeitsrecht – Konflikt und Harmonie
IX. Die Bestimmung der Reichweite der Eingriffskondiktion durch das Konzept des Zuweisungsgehalts
1. Ausschließlichkeitsrecht und Zuweisungsgehalt als Schlüssel für die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion
2. Die Bezugsinstitution des Zuweisungsgehalts
3. Bezugsobjekt
4. Der Inhalt des bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalts
5. Die Vorzüge der hier vertretenen Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion
a) Vermeidung eines unangemessen weiten Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion
b) Verbesserte dogmatische Fundierung der Eingriffskondiktion im System des außervertraglichen Schuldrechts
c) Übereinstimmung des Umfangs des Bereicherungsschutzes mit der allgemeinen ökonomischen Theorie der Property Rights
Kapitel IV Der Zuweisungsgehalt von Rechten an Sachen
§ 17 Das Eigentum an Sachen
I. Der Zuweisungsgehalt des Eigentums an Sachen
1. Bürgerlich-rechtlicher und verfassungsrechtlicher Eigentumsbegriff
2. Das zivilrechtliche Eigentum als Grundlage des Anspruchs aus Eingriffskondiktion
3. Die Grenzen des Zuweisungsgehalts des Eigentums
II. Überblick über die Entstehung der Bereicherungshaftung für Eingriffe in das Eigentum in den Vorarbeiten zum BGB
III. Kondiktionsbegründende Eingriffe in das Eigentum
1. Eingriff in das Eigentum durch Wegnahme der Sache
a) Besitzbefugnis des Eigentümers
b) Anspruchsziel
c) Konkurrierende Ansprüche
2. Rechtsgeschäftliche Veräußerung fremder Sachen: § 816 I BGB
a) Zuweisungsgehalt und Verfügungsbefugnis
b) Der Begriff der Verfügung
c) Die Wirksamkeit der Verfügung
d) Die Rechtsfolge des § 816 I 1 BGB
3. Rechtsverlust durch Vollstreckungsmaßnahmen
4. Rechtsverlust durch Verbrauch von Sachen
5. Rechtsverlust durch Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung nach §§ 946 ff. BGB
6. Eingriff in den Zuweisungsgehalt des Eigentums durch die Nutzung fremder Sachen
a) Der Begriff der Nutzungen
b) Die Zuweisung von Nutzungen
c) Eingriffe in das Nutzungsrecht des Eigentümers im Spiegel der Rechtsprechung
IV. Die Grenzen des Zuweisungsgehalts des Eigentums
1. Gesetzliche Schranken des Grundeigentums: §§ 905, 906 BGB
2. Die Grenzen des Zuweisungsgehalts des Eigentums – photographische Aufnahmen von Sachen und ihre gewerbliche Verwertung
3. Gemeingebrauch als Grenze des Zuweisungsgehalts des Eigentums
4. Zusammenfassung
V. Das Erfordernis der Rechtsgrundlosigkeit bei der Eingriffskondiktion nach § 812 I 1, 2. Alt. BGB
1. Das Verhältnis von Zuweisungsgehalt, „auf dessen Kosten“ und Rechtsgrundlosigkeit in § 812 I BGB
2. Gesetzlich fixierter Rechtsgrund bei Eingriffserwerb
a) Gutgläubiger Erwerb von Sachen
b) Rechtsgrund zum Behaltendürfen nach §§ 955, 957 BGB
c) § 993 I, 2. Halbsatz BGB als Rechtsgrund
d) Ersitzung
e) Gesetzliche Erwerbstatbestände ohne Rechtsgrund
§ 18 Zuweisungsgehalt und Eingriffsbereicherungsschutz anderer dinglicher Rechte sowie des Rechts an der elektrischen Energie
I. Zuweisungsgehalt des Nießbrauchs
II. Pfandrecht an Sachen und Sicherungseigentum
1. Fahrnispfand
2. Sicherungseigentum
III. Der Zuweisungsgehalt anderer beschränkter dinglicher Rechte
IV. Aneignungsrechte
1. Rechtsnatur
2. Der Zuweisungsgehalt des Jagdrechts
3. Fischereirecht
4. Der Zuweisungsgehalt von Bergberechtigungen
5. Das Aneignungsrecht an herrenlosen Sachen gemäß §§ 958 ff. BGB
V. Dingliche Anwartschaften
VI. Der Zuweisungsgehalt der Auflassungsvormerkung
VII. Besitz
1. Die Rechtsnatur des Besitzes
2. Der berechtigte Besitz als Position mit bereicherungsrechtlich relevantem Zuweisungsgehalt
3. Nichtberechtigter Besitz
VIII. Der Zuweisungsgehalt des Rechts an der Elektrizität
1. Fehlende Sacheigenschaft der elektrischen Energie
2. Der Zuweisungsgehalt des Rechts an der elektrischen Energie
Kapitel V Rechte an Informationen – Schutz der Eingriffsbereicherung für Immaterialgüterrechte
§ 19 Die dreifache Methode der Schadensberechnung (DSB) und die Entwicklung der Eingriffskondiktion im Bereich der Immaterialgüterrechte
I. Die anfängliche Ablehnung der Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion im Bereich der Immaterialgüterrechte
1. Die Entstehung der Immaterialgüterrechte
a) Urheberrecht
b) Entstehung des reichseinheitlichen Patentschutzes
c) Gebrauchsmusterrecht
d) Warenzeichen/Markenrecht
2. Die Ablehnung des Schutzes der Eingriffskondiktion bei unbefugter Inanspruchnahme eines Immaterialgüterrechts
a) Rechtsdogmatisch begründete Ablehnung des Anspruchs aus Eingriffsbereicherung
b) Rechtssystematisch hergeleitete Ablehnung der Anwendung der Eingriffskondiktion
c) Ökonomische Gründe für die Ablehnung der Bereicherungshaftung im Immaterialgüterrecht
d) Das Verhältnis von Wettbewerbsfreiheit und Immaterialgüterrechten nach dem Inkrafttreten der Gewerbeordnung vom 21.6.1869
3. Ausnahme: Die Anwendung der Eingriffskondiktion bei Verletzungen des Urheberrechts
4. Versuche des Schrifttums zur Erweiterung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion im Bereich der Immaterialgüterrechte
a) Bemühungen im Rahmen der herrschenden Vermögensverschiebungstheorie zur Überwindung des Ausschlusses der Eingriffskondiktion
b) Rechtswidrigkeitstheorie
c) Zuweisungsgehaltstheorie
II. Die Entwicklung der sogenannten dreifachen Schadensberechnungsmethode (DSB) als Substitut für die abgelehnte Bereicherungshaftung im Bereich der Immaterialgüterrechte
1. Grundlegung: Die Ariston-Entscheidung des RG
2. Die Ausdehnung der DSB auf weitere Immaterialgüterrechte und sonstige Rechtspositionen
3. Die drei Arten der „Schadensberechnung“
a) Die erste Schadensberechnungsmethode: Entgangener Gewinn gemäß § 252 BGB
b) Schadensberechnung nach Lizenzgrundsätzen als zweite Berechnungsmethode
c) Die dritte Methode der Schadensberechnung: Herausgabe des Verletzergewinns
d) Das Verhältnis der Schadensberechnungsmethoden zueinander
4. Probleme und Defizite der dogmatischen Begründung der DSB
a) Rechtfertigung für den besonderen Schutz der Immaterialgüterrechte und der anderer Positionen
b) Die dogmatische Begründung der zweiten und dritten Schadensberechnungsmethode
c) Dogmatische Defizite und Fehlentwicklungen bei der DSB
aa) Ausweitung des Schadensbegriffs
bb) Die Absenkung des Verschuldenserfordernisses bei Anwendung der DSB
cc) Verstoß gegen das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot
dd) Schwächen der rechtlichen Begründung der DSB
(1) Die Begründung der dritten Schadensberechnungsmethode (Herausgabe des Verletzergewinns) im Wege einer analogen Anwendung von § 687 II BGB
(2) Gewohnheitsrechtliche Geltung der zweiten und dritten Schadensberechnungsmethode
III. Der Wandel der Rechtsprechung: Durchbruch der Eingriffskondiktion im Bereich der Immaterialgüterrechte
§ 20 Der Zuweisungsgehalt des Urheberrechts
I. Gesetzliche Grundlagen und Gegenstand des Urheberrechts
1. Der Gegenstand des Urheberrechts
2. Urheberpersönlichkeitsrecht und urheberrechtliches Immaterialgüterrecht
II. Das Immaterialgüterrecht des Urhebers als zuweisungsgehaltsfähige Rechtsposition
1. Die Aktionsberechtigung des Urhebers
2. Die Vermögensberechtigung des Urhebers
a) Übertragung des Urheberrechts
b) Die Einräumung von Nutzungsrechten an Dritte durch den Urheber
3. Die Grenzen des Zuweisungsgehalts des Urheberrechts
a) Der Begriff des Werkes
b) Zeitliche Schranke des Urheberrechts
c) Beschränkungen des Urheberrechts zugunsten einzelner Werknutzer
d) Beschränkungen des Urheberrechts im Interesse der Allgemeinheit
e) Die Erschöpfung des Verbreitungsrechts
f) Beschränkungen des Urheberrechts im Interesse der Kulturwirtschaft
g) Zwangslizenz
4. Zusammenfassung
III. Der eingriffsbereicherungsrechtliche Schutz des Urheberrechts im Spiegel der Rechtsprechung
1. Entwicklungslinien
2. Der Zuweisungsgehalt urheberrechtlicher Positionen als Grundlage des Bereicherungsanspruchs in der Rechtsprechung des BGH
a) Zuweisungsgehalt des Urheberrechts als Grundlage des Anspruchs aus Eingriffskondiktion?
b) Beispiele für die unbefugte Inanspruchnahme urheberrechtlicher Befugnisse aus der Rechtsprechung
c) Grenzen des Zuweisungsgehalts des Urheberrechts
d) Inhalt des Bereicherungsanspruchs
§ 21 Der Zuweisungsgehalt von Patent- und Gebrauchsmusterrecht
I. Gesetzliche Grundlagen der Zuweisung von Aktions- und Vermögensberechtigung von Patent- und Gebrauchsmusterrecht
1. Gegenstand und Entstehungsvoraussetzungen von Patent- und Gebrauchsmusterrecht
a) Patent
b) Gebrauchsmuster
2. Der bereicherungsrechtlich relevante Zuweisungsgehalt von Patent- und Gebrauchsmusterrecht
a) Aktionsberechtigung
b) Die Vermögensberechtigung des Inhabers von Patent- und Gebrauchsmusterrecht
3. Grenzen des Zuweisungsgehalts von Patent- und Gebrauchsmusterrecht
a) Zeitliche Grenzen der Rechte
b) Erschöpfungsgrundsatz
c) Vorbenutzung
d) Weitere Beschränkungen zugunsten privater Interessen
e) Beschränkungen von Patent- und Gebrauchsmusterrecht im öffentlichen Interesse
II. Der Schutz des Zuweisungsgehalts von Patent- und Gebrauchsmusterrecht im Spiegel der höchstrichterlichen Rechtsprechung
1. Die anfängliche Ablehnung bereicherungsrechtlichen Schutzes durch die Rechtsprechung des Reichsgerichts
2. Die Integration des Patent- und Gebrauchsmusterrechts in den Schutzbereich der Eingriffskondiktion
§ 22 Der Zuweisungsgehalt des Geschmacksmusterrechts
I. Gegenstand und Entstehung des Geschmacksmusterrechts
II. Der Zuweisungsgehalt des Geschmacksmusterrechts
1. Aktionsberechtigung
2. Vermögensberechtigung
3. Grenzen des Zuweisungsgehalts
a) Zeitliche Grenze
b) Weitere Grenzen des Rechts
c) Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion
§ 23 Der eingriffsbereicherungsrechtliche Schutz der Marke
I. Der Zuweisungsgehalt des Warenzeichenrechts – eine umstrittene Frage in der Dogmatik der Eingriffskondiktion
II. Die Anwendbarkeit des Anspruchs aus Eingriffskondiktion bei Verletzung einer Marke nach dem MarkenG
1. Gegenstand und Entstehung der Marke nach dem MarkenG
a) Begriff der Marke
b) Die Funktionen des Markenschutzes
c) Die Entstehung der Marke
2. Zuweisungsgehalt der Marke – Aktionsberechtigung
3. Zuweisungsgehalt des Markenrechts – Vermögensberechtigung
4. Die Grenzen des Zuweisungsgehalts des Markenrechts
a) Zeitliche Grenzen des Markenschutzes
b) Verjährung der Rechtsverletzungsansprüche
c) Bestandskraft einer eingetragenen jüngeren Marke
d) Nutzung von Namen und Anschrift (§ 23 MarkenG)
e) Erschöpfung des Markenrechts
5. Eingriffsbereicherungsrechtlicher Schutz von geschäftlichen Kennzeichen
a) Name
b) Firma
c) Der Zuweisungsgehalt der geschäftlichen Bezeichnungen Name und Firma
d) Werktitel
e) Namens- und Firmenschutz nach Vorschriften außerhalb des Markenrechts
f) Eingriffsbereicherungsrechtlicher Namens- und Firmenschutz in der Praxis der höchstrichterlichen Rechtsprechung
§ 24 Neue Immaterialgüterrechte
I. Sortenschutz von Pflanzenzüchtungen
II. Das Recht an der Halbleitertopographie
III. Das Recht des Herstellers von Datenbanken
Kapitel VI Andere Rechtspositionen
§ 25 Der Schutz der Persönlichkeit durch den Anspruch aus Eingriffskondiktion
I. Die Entwicklung des zivilrechtlichen Schutzes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
1. Ablehnung des zivilrechtlichen Schutzes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vor dem 2. Weltkrieg
2. Der Durchbruch: Die Anerkennung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Teil der deutschen Zivilrechtsordnung im Jahr 1954
II. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht und seine wesentlichen Konturen
1. Der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
a) Der Schutz des Ansehens
b) Recht auf die Wahrheit des Persönlichkeitsbildes
c) Das Recht auf Privatheit
d) Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
e) Recht am eigenen Bild und am eigenen Namen
2. Die tatbestandliche Offenheit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
3. Güter- und Interessenabwägung
III. Der Zuweisungsgehalt persönlichkeitsrechtlich geschützter Rechtspositionen
1. Meinungsstand
a) Kein bereicherungsrechtlich relevanter Zuweisungsgehalt von Persönlichkeitsrechten
b) Anerkennung eines Zuweisungsgehalts von Persönlichkeitsrechten
2. Der Zuweisungsgehalt des Rechts am eigenen Bild
a) Normative Grundlage des Rechts am eigenen Bild
b) Das Recht am eigenen Bild als Vermögensrecht: die Anerkennung des Zuweisungsgehalts durch die höchstrichterliche Rechtsprechung
aa) Vermögensberechtigung beim Recht am eigenen Bild
bb) Handlungsberechtigung
cc) Inhaltliche Bestimmung des Zuweisungsgehalts des Rechts am eigenen Bild
c) Die Grenzen des Zuweisungsgehalts des Rechts am eigenen Bild
aa) Informationsinteresse der Öffentlichkeit
bb) Vermögenswert des Bildes der abgebildeten Person
cc) Erkennbarkeit des Betroffenen auf dem Foto
3. Der Zuweisungsgehalt des Rechts am eigenen Namen
a) Einleitung
b) Der Zuweisungsgehalt des Rechts am Namen
aa) Vermögensberechtigung
bb) Handlungsberechtigung
cc) Der Zuweisungsgehalt des Rechts am Namen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung
4. Zuweisungsgehalt des Rechts am gesprochenen Wort
5. Bereicherungsanspruch wegen unbefugter Inanspruchnahme des postmortalen Persönlichkeitsrechts – das allgemeine Persönlichkeitsrecht auf dem Weg zum Immaterialgüterrecht
6. Kein Zuweisungsgehalt sonstiger, im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geschützter Elemente der Persönlichkeit
§ 26 Bereicherungsrechtlicher Schutz des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
I. Meinungsstand
1. Rechtswidrigkeitstheorie
2. Rechtsgutstheorie
3. Zuweisungsgehaltslehre
4. Rechtsprechung
II. Der Schutzbereich des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
1. Behinderungen der Unternehmenstätigkeit
2. Verbreitung von Tatsachen und Werturteilen als Verstoß gegen das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
III. Besitzt das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb einen bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt?
1. Ausschließliche Handlungsberechtigung des Inhabers des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
2. Vermögensberechtigung
3. Zuweisungsgehalt bestimmter durch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geschützter Fallgruppen
4. Ergebnis
§ 27 Der Zuweisungsgehalt von UWG-Positionen
I. Einleitung
II. Meinungsstand
1. Rechtswidrigkeitstheorie
2. Rechtsgutstheorie
3. Zuweisungsgehaltstheorie
4. Ablehnung des Bereicherungsanspruchs wegen Ausschließlichkeit der Unterlassungs- und Ersatzregelungen im UWG
5. Rechtsprechung
III. Bereicherungsrechtlicher Zuweisungsgehalt von Positionen, die auf UWG-Normen gegründet sind (eigener Standpunkt)
1. Gegenstand des Zuweisungsgehalts
2. Zuweisung von Marktpositionen als subjektive Rechte durch das UWG
a) Zuweisung eines Rechts an der Wettbewerbsstellung (Kummer)
b) Persönlichkeitsrecht und Unternehmensrecht als Schutzgüter des UWG
c) Interessenschutz durch Verhaltensnormen
d) Die Vorschriften des UWG als Normen des Bestandsschutzes oder als Spielregelnormen
e) Ergebnis
3. Weitergehende Fragestellung: eingriffsbereicherungsrechtlicher Schutz für den sog. ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz nach UWG
a) Das Problem: das Verhältnis subjektiver Ausschließlichkeitsrechte zum Prinzip der Wettbewerbsfreiheit
aa) Konsequenzen der Überbetonung des Ausschließlichkeitsschutzes
bb) Folgen der Überbetonung der Handlungsfreiheit
b) Spielraum für richterliche Rechtsfortbildung bei der Verschiebung der Grenzen von Ausschließlichkeitszonen und Handlungsfreiheit
c) Der sog. ergänzende wettbewerbliche Leistungsschutz und die Frage des bereicherungsrechtlichen Zuweisungsgehalts
aa) Nachahmungsfreiheit und Nachahmungsschutz im Rahmen des ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutzes nach § 1 UWG
bb) Die Rechtsprechung des BGH zum ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutz und das Problem des bereicherungsrechtlichen Zuweisungsgehalts
(1) Modeneuheiten
(2) Nachahmung zur Ausnutzung des Prestigewerts fremder Erzeugnisse
(3) Ausbeutung fremden Rufes
d) Ergebnis
4. Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (§ 17 UWG) und Vorlagen (§ 18 UWG)
a) Bereicherungsrechtlicher Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen
aa) Der Begriff des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses
bb) Die rechtliche Qualität des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses
b) Schutz von Vorlagen nach § 18 UWG
5. Schutz von Unternehmenskennzeichen gem. § 16 UWG a. F.
6. Ergebnis
§ 28 Der Zuweisungsgehalt relativer subjektiver Rechte
I. Einleitung
II. Der bereicherungsrechtliche Schutz der Forderungsinhaberschaft (§ 816 II BGB)
III. Der bereicherungsrechtliche Schutz des Gegenstandes, auf den sich die Forderung bezieht
1. Die Ausdehnung des Schutzes der Eingriffskondiktion auf lediglich relativ begründete Rechtspositionen
2. Kein Zuweisungsgehalt relativer Rechte
Kapitel VII Inhalt und Umfang des Anspruchs aus Eingriffskondiktion
§ 29 Der Grundansatz der Bereicherungshaftung nach §§ 812 I 1, 818 BGB: die Herausgabe des Erlangten
I. Grundzüge der gesetzlichen Ausgestaltung des Bereicherungsanspruchs
II. Der Grundlagenstreit um Gegenstands- und Vermögensorientierung des Bereicherungsanspruchs
§ 30 Der bereicherungsrechtliche Primäranspruch: Die Bestimmung des Erlangten bei der Eingriffskondiktion
I. Bestimmung des Erlangten bei der Leistungskondiktion
II. Das herauszugebende Erlangte in den Fällen der Eingriffskondiktion
1. Die Wiederherstellung der Ausgangsverteilung: der Anspruch auf Herausgabe des erlangten Gegenstandes
2. Die Simulation eines vertraglichen Ressourcentransfers bei Unmöglichkeit gegenständlicher Restitution: Wertersatz nach § 818 II
3. Die unterschiedlichen Ansätze zur Bestimmung des Erlangten bei der Eingriffskondiktion nach § 812 I 1, 2. Alt. BGB
a) Ersparte Aufwendungen des Bereicherungsschuldners als erlangtes Etwas
b) Verwendungserfolg und Eingriffserwerb als Gegenstände des Bereicherungsanspruchs
c) Die Herausgabe der Eingriffsgegenstände
d) Die Nutzungsmöglichkeit
e) Die konsumierte Marktchance
f) Die Nutzung von Rechten bzw. Sachen als das Erlangte
§ 31 Wertersatz bei Unmöglichkeit der Herausgabe des primär Erlangten (§ 818 II BGB)
I. Die Wertersatzhaftung nach § 812 I BGB
1. Objektiver oder subjektiver Wertbegriff
a) Der objektive Wertbegriff
b) Die Bestimmung des Wertes aufgrund subjektiver Kriterien
c) Die Vorzugswürdigkeit des objektiven Wertbegriffs
d) Die angemessene Vergütung als objektiver Wert in den Fällen der Sach- und Rechtsnutzung
2. Die angemessene Lizenzgebühr und ihre Bemessung – die quasi-kontraktliche Komponente der Eingriffskondiktion
a) Grundlagen
b) Die Bemessung der angemessenen Lizenzgebühr
II. Die bereicherungsrechtliche Gewinnhaftung (Gewinn des Eingreifers als Teil des Zuweisungsgehalts des Rechts)
1. Legitimationsgrundlagen des bereicherungsrechtlichen Anspruchs auf Gewinnherausgabe
a) Gewinnhaftung auf der Grundlage des Eingriffserwerbs
b) Gewinnherausgabe auf der Grundlage der Zuweisungsgehaltstheorie
aa) Gewinnherausgabe nach dem subjektiven Wertbegriff
bb) Gewinnherausgabe nach objektiver Bestimmung des Wertes des Erlangten
c) Der Umfang des Anspruchs auf Gewinnherausgabe
2. Keine zureichende Grundlage für einen bereicherungsrechtlichen Anspruch auf die Herausgabe des Verletzergewinns
Literaturverzeichnis
Sachregister

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JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 63

Reinhard Ellger

Bereicherung durch Eingriff Das Konzept des Zuweisungsgehalts im Spannungsfeld von Ausschließlichkeitsrecht und Wettbewerbsfreiheit

Mohr Siebeck

Reinhard Ellger, geboren 1953; Studium der Rechtswissenschaft in Tübingen und Genf, 1979 Master of Laws an der University of Pennsylvania Law School; 1989 Promotion, 2000 Habilitation am Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Hamburg; Wissenschaftlicher Referent am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, Hamburg.

Als Habilitationsschrift auf Empfehlung des Fachbereichs Rechtswissenschaft der Universität Hamburg gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Die Deutsche

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CIP-Einheitsaufnahme

Ellger; Reinhard: Bereicherung durch Eingriff : das Konzept des Zuweisungsgehalts im Spannungsfeld von Ausschließlichkeitsrecht und Wettbewerbsfreiheit / Reinhard Ellger. - Tübingen : Mohr Siebeck, 2002 (Jus privatum ; Bd. 63) ISBN 3-16-147575-5

978-3-16-157920-2 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019

© 2002 J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Martin Fischer in Tübingen aus der Garamond-Antiqua gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Großbuchbinderei Heinr. Koch in Tübingen gebunden. ISSN 0940-9610

Für Ingrid

Vorwort Im Zentrum der vorliegenden Untersuchung steht die Frage nach dem Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion. Im Unterschied zu § 823 I BGB enthält § 812 I 1, 2. Alt. BGB keinen Rechtsgüterkatalog, der die Rechtspositionen angibt, die durch die Vorschrift geschützt werden sollen. Soweit in der Rechtslehre dazu Kriterien entwickelt wurden, geschah dies (fast) ausschließlich unter Verwendung begrifflich-dogmatischer Kategorien und ohne Rückbezug auf die ökonomische Funktion, die die Eingriffskondiktion als Institut des bürgerlichen Vermögensrechts zu erfüllen hat. Ein Blick auf die gerichtliche Entscheidungspraxis zeigt, daß der Anwendungsschwerpunkt der Eingriffskondiktion heute nicht mehr bei den Fällen der Verletzung des Sacheigentums oder sonstiger sachenrechtlicher Berechtigungen liegt, sondern daß das Rechtsinstitut vor allem bei der unbefugten Inanspruchnahme von Immaterialgüterrechten und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eingesetzt wird. Bei diesen Rechten ist die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion mittlerweile unbestritten; die Fragestellung richtet sich hier darauf, wie die Grenzen des bereicherungsrechtlichen Schutzes zu bestimmen sind. Die Rechtsordnung enthält keinen ein für allemal festgelegten Kreis von absoluten subjektiven Rechten, die dem Rechtsinhaber die alleinige wirtschaftliche Verfügungs- und Nutzungsbefugnis unter Ausschluß aller anderen Rechtssubjekte einräumt. Im Lauf der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung entstehen neue Arten von Gütern und neue Verwendungsarten von bereits vorhandenen Gütern. Für diese stellt sich im Rahmen der Rechtsordnung die Frage, ob sie durch die Eingriffskondiktion gegen unbefugte Nutzung zu schützen sind. Bei einer Reihe von Rechtspositionen, wie sie z.B. im Rahmen des sog. ergänzenden Leistungsschutzes nach § 1 UWG begründet sind, ist zu klären, ob sie einen Zuweisungsgehalt besitzen, der die Anwendung der Eingriffskondiktion rechtfertigt. Bei der Herausarbeitung der Kriterien, an die das Vorhandensein eines solchen Zuweisungsgehalts zu knüpfen ist, tritt das Spannungsverhältnis zwischen dem absoluten subjektiven Recht und der Wettbewerbsfreiheit als Problem hervor. Eine Lösung hat hier sowohl die Interessen des Inhabers an einer umfassenden wirtschaftlichen Verwertung seines Ausschließlichkeitsrechts wie auch das Interesse von Nicht-Inhabern solcher Positionen an einer möglichst ungehinderten Betätigung ihrer Wettbewerbsfreiheit angemessen zu berücksichtigen. Dieser Interessenkonflikt wird besonders bei den Immaterialgüterrechten und den sonstigen Rechtspositionen des gewerblichen Rechtsschutzes deutlich. Die Arbeit versucht, unter Heranzie-

VIII

Vorwort

hung der ökonomischen Analyse des Rechts einen Beitrag zum besseren Verständnis des Rechtsinstituts der Eingriffskondiktion und seinen Funktionen im Rahmen des bürgerlichen Vermögensrechts zu leisten. Die Untersuchung hat im Wintersemester 1999/2000 dem Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Hamburg als Habilitationsschrift vorgelegen. Schrifttum und Rechtsprechung befinden sich auf dem Stand von Mitte 1999. Spätere Judikatur und Literatur konnten nur noch vereinzelt in den Fußnoten berücksichtigt werden. Ich danke allen sehr herzlich, ohne deren Hilfe und Unterstützung die Arbeit nicht hätte geschrieben werden können. Mein tiefempfundener Dank gilt meinem akademischen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Ernst-Joachim Mestmäcker. Er hat die Studie angeregt, sie über die Zeit der Entstehung mit Rat und Aufmunterung begleitet und schließlich das Erstgutachten im Habilitationsverfahren erstattet. Danken möchte ich auch Herrn Prof. Dr. Rainer Walz für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Ebenso zügig hat Herr Prof. Dr. Thomas Bruha ein Drittgutachten für die venia Europarecht angefertigt, wofür ich ihm verbunden bin. Herzlich zu danken habe ich auch dem Hamburger Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, dem ich seit vielen Jahren angehöre und das mir die wissenschaftliche Freiheit gegeben hat, die Arbeit zu schreiben. Besonders danken möchte ich meinen Freunden und Kollegen H e y o Berg, Hanno Merkt und Detlev Witt für ihre stete Gesprächsbereitschaft. Schließlich gilt mein herzlicher Dank Frau Eva Wirth, die die umfangreichen Schreibarbeiten unter großem Einsatz zuverlässig bewältigt und das Manuskript in eine druckfertige Form gebracht hat. Herr stud.iur. Roland Wiring hat mich tatkräftig bei der Erstellung des Registers unterstützt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat mit einer großzügigen Druckkostenbeihilfe dazu beigetragen, daß die Arbeit veröffentlicht werden konnte. Last, but not least möchte ich an dieser Stelle vor allem meiner Frau Ingrid für ihre Bereitschaft danken, Teile der Arbeit zu lesen und mit mir zu diskutieren. Darüberhinaus hat sie die Jahre des Habilitierens mit ihren Höhen und Tiefen mit mir durchgestanden, ohne je Zweifel daran erkennen zu lassen, daß dies alles ein gutes Ende finden würde. Hamburg, im November 2001

Reinhard Ellger

Inhaltsübersicht § 1

Einleitung und Problemstellung

1

Kapitel I

Die dogmatischen Grundlagen der Eingriffskondiktion §2 §3

§4 § 5

§ 6

§ 7 § 8

Uberblick über die historische Entwicklung des Rechtsinstituts . . . . Die sog. „traditionelle" Bereicherungslehre: das Dogma von der Vermögensverschiebung als Voraussetzung des Bereicherungsanspruchs - Eingriffskondiktion als Fortsetzung des Sachenrechts mit anderen Mitteln Die Rechtswidrigkeitstheorie I - Die Eingriffskondiktion als Quasi-Delikt Rechtswidrigkeitstheorie II: Die Beseitigung rechtsgrundlosen Habens und seiner Folgen - Der Bereicherungsanspruch als Quasi-Negatoria Die Lehre vom Zuweisungsgehalt der unbefugt in Anspruch genommenen Rechtsposition - die Eingriffskondiktion als Quasi-Kontrakt Überlegenheit und Schwächen der Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte Die Auswirkungen der Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte auf den Tatbestand von § 812 I 1 BGB und insbesondere auf die Eingriffskondiktion

21

41 89

128

148 170

177

Kapitel II

Die ökonomischen Grundlagen der Eingriffskondiktion §9 §10 §11 § 12 §13

Einleitung Marktliche Tauschvorgänge aus ökonomischer Sicht Das Konzept der Property Rights Die Fundierung von Property Rights in der Rechtsordnung Die Funktion der Eingriffskondiktion für Transfers von Property Rights auf wettbewerblich orientierten Märkten § 1 4 Zusammenfassung: Ökonomische Grundlagen der Eingriffskondiktion

249 253 269 290 308 345

X

Inhaltsübersicht

Kapitel III

Der Zuweisungsgehalt kondiktionsgeschützter Rechte und Rechtspositionen §15 Das Konzept des Zuweisungsgehalts der Rechte in der wissenschaftlichen Diskussion §16 Funktion und Inhalt des Zuweisungsgehaltsbegriffs

353 403

Kapitel IV

Der Zuweisungsgehalt von Rechten an Sachen §17 Das Eigentum an Sachen 485 §18 Zuweisungsgehalt und Eingriffsbereicherungsschutz anderer dinglicher Rechte sowie des Rechts an der elektrischen Energie . . . . 558 Kapitel V

Rechte an Informationen - Schutz der Eingriffsbereicherung für Immaterialgüterrechte §19 Die dreifache Methode der Schadensberechnung (DSB) und die Entwicklung der Eingriffskondiktion im Bereich der Immaterialgüterrechte § 20 Der Zuweisungsgehalt des Urheberrechts §21 Der Zuweisungsgehalt von Patent- und Gebrauchsmusterrecht §22 Der Zuweisungsgehalt des Geschmacksmusterrechts § 23 Der eingriffsbereicherungsrechtliche Schutz der Marke § 24 Neue Immaterialgüterrechte

591 656 . . . . 675 691 695 721

Kapitel VI

Andere Rechtspositionen § 25 Der Schutz der Persönlichkeit durch den Anspruch aus Eingriffskondiktion § 26 Bereicherungsrechtlicher Schutz des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb § 27 Der Zuweisungsgehalt von UWG-Positionen §28 Der Zuweisungsgehalt relativer subjektiver Rechte

729 785 803 851

Kapitel VII

Inhalt und Umfang des Anspruchs aus Eingriffskondiktion § 29 Der Grundansatz der Bereicherungshaftung nach §§ 812 I 1, 818 BGB: die Herausgabe des Erlangten § 30 Der bereicherungsrechtliche Primäranspruch: Die Bestimmung des Erlangten bei der Eingriffskondiktion §31 Wertersatz bei Unmöglichkeit der Herausgabe des primär Erlangten (§ 818 II BGB)

868 874 888

Inhaltsverzeichnis Vorwort

VII

Abkürzungsverzeichnis 5 1

XXXV

Einleitung und Problemstellung

1

I. Probleme bei der Konkretisierung von Anwendungsbereich und Tatbestand der Eingriffskondiktion II. Fragen des Anspruchsinhalts III. Die praktische Bedeutung der Eingriffskondiktion im Rechtsgüterschutz IV. Interessenkonflikt V. Vorgehensweise und Gang der Darstellung

1 9 10 12 16

Kapitel I

Die dogmatischen Grundlagen der Eingriffskondiktion §2

Überblick über die historische Entwicklung

des Rechtsinstituts

I. Die Herausbildung der Kondiktionen im klassischen römischen Recht und ihre Funktionen 1. Die Entwicklung der Kondiktionen im klassischen römischen Recht als Herausgabeklagen für ungerechtfertigte Vorenthaltung 2. Die Kondiktion als legis actio 3. Tatbestand und Anwendungsbereich der Kondiktionsklage im klassischen römischen Recht a) Der Tatbestand der Kondiktionsklage aa) Datio bb) Fehlender Rechtsgrund b) Der Anwendungsbereich der legis actio per condictionem aa) Solutum indebitum bb) Datio ob rem cc) Condictio ob turpem rem (causa) 4. Der Gegenstand der Kondiktion 5. Die condictio ex furtiva causa als Vorläuferin der Eingriffskondiktion

21 22

22 23 25 25 25 25 26 26 27 27 27 28

XII

Inhaltsverzeichnis

II. Die Weiterentwicklung des Kondiktionenrechts in der justinianischen Zeit 1. Die E n t w i c k l u n g der einzelnen K o n d i k t i o n s t y p e n a) Condictio indebiti b) Die Condictio causa data causa non secuta (ob causam datorum) c) Die Condictio ob turpem vel iniustam causam d) Die Condictio sine causa e) Condictio ex lege und Condictio generalis f) Condictio furtiva 2. A n s p r u c h s i n h a l t

29 31 31 31 31 31 32 32 32

III. Die Kondiktionen im gemeinen Recht bis zur Neuformulierung der A n s p r u c h s k a t e g o r i e der K o n d i k t i o n e n d u r c h C . F. v. S a v i g n y

33

1. Glossatoren/Postglossatoren ( 1 1 . - 1 4 . J h d t . ) 2. Die K o n d i k t i o n e n i m g e m e i n e n R e c h t v o r v. S a v i g n y 3. D e r E i n f l u ß des N a t u r r e c h t s a) Grundlagen b) Die Kondiktionen im A L R

33 34 35 35 36

IV. A b s c h l i e ß e n d e B e m e r k u n g e n

38

$ 3 Die sog. „ traditionelle" Bereicherungslehre: das Dogma von der Vermögensverschiebung als Voraussetzung des Bereicherungsanspruchs - Eingriffskondiktion als Fortsetzung des Sachenrechts mit anderen Mitteln

41

I. Die G r u n d l e g u n g des K o n d i k t i o n e n r e c h t s d u r c h C.F. v. S a v i g n y

43

1. Die Ableitung des Bereicherungsanspruchs aus einem „einfachen, g e m e i n s c h a f t l i c h e n P r i n c i p " a) Der funktionale Ausgangspunkt des Prinzips und seine Herleitung . . aa) Abkehr von der Funktion der Kondiktionen als Institute der Billigkeit bb) Die Schaffung einer einheitlichen Grundlage für alle positiven Bereicherungsansprüche cc) Die Bildung eines einheitlichen Tatbestandes bei der Leistungskondiktion (1) Rückforderung aus Darlehen (2) Verwahrung (3) Kondiktion wegen Irrtums bei der Eigentumsübertragung . . . b) Tatbestandsbildung der Nichtleistungskondiktionen, insbesondere der Eingriffskondiktion aa) Das Fehlen des Willenselementes bb) Der Vermögensvorteil des Bereicherten als Bestandteil der Vermögensverschiebung cc) Der Vermögensnachteil des Bereicherungsgläubigers als Element der Vermögensverschiebung dd) Der Mangel des Rechtsgrundes

44 44 44 44 45 45 46 46 47 47 48 50 53

XIII

Inhaltsverzeichnis

2. Wille, subjektives Recht und Vermögen im System v. Savignys 3. Voraussetzungen dauerhaft wirksamer Vermögensverschiebungen 4. Stärken und Schwächen der Savignyschen Konzeption der Vermögensverschiebung als Voraussetzung aller Bereicherungsansprüche II. Die Rezeption der bereicherungsrechtlichen Konzeption v. Savignys in der Spätpandektistik III. Die Eingriffskondiktion im Gesetzgebungsverfahren zum BGB 1. Teilentwurf v. Kübel 2. Erster Entwurf 3. Zweiter Entwurf

55 56

57 59 60 61 63 64

IV. Der Mangel des Rechtsgrundes in der traditionellen Bereicherungslehre

66

V. Die Grenzen der Vermögensverschiebungstheorie

68

1. Die Nutzung und der Gebrauch von Sachen a) Die Anknüpfung an die durch den Gebrauch bzw. Nutzung eines fremden Rechts oder einer fremden Sache ersparten Aufwendungen b) Der Verwendungserfolg als das Erlangte 2. Probleme der Vermögensverschiebungstheorie bei Eingriffen in Immaterialgüterrechte

68

VI. Die verdeckte Aufgabe des Konzepts der Vermögensverschiebung durch die Erweiterung des Vermögensbegriffs bzw. durch die Einführung eines Schadenserfordernisses 1. Die Ausdehnung des Vermögensbegriffes a) Der Vermögensbegriff in der bereicherungsrechtlichen Spezialliteratur b) Die Einbeziehung faktischer Vorteile in den Vermögensbegriff c) Die Ausnutzung einer Verwertungsmöglichkeit als Gegenstand der Vermögensverschiebung 2. Die Substitution der Vermögensverschiebung durch ein Schadenserfordernis auf Seiten des Entreicherten und Kausalität von Vermögensminderung und Vermögensvermehrung

68 69 70

71 72 73 74 78

81

VII. Vermögensverschiebung als Rechtsverschiebung

84

VIII. Die tatbestandliche Enge der Eingriffskondiktion

86

§4

Die Rechtswidrigkeitstheorie als Quasi-Delikt

I - Die

Eingriffskondiktion

I. Die Grundlagen der Rechtswidrigkeitstheorie - Das Recht am Eingriffserwerb als Kernelement der Eingriffskondiktion des §812 1 1,2. Alt. BGB

89

89

XIV

Inhaltsverzeichnis 1. Die Begründung des Rechts auf den Eingriffserwerb 91 2. Der Tatbestand des Rechts am Eingriffserwerb 92 a) Eingriff 92 b) Der Erwerb durch Eingriff 92 c) Ursächlichkeit 92 d) Rechtswidrigkeit des Eingriffs 93 e) Schaden 94 f) Verschulden 94 3. Der Anwendungsbereich des Rechts auf den Eingriffserwerb 95 a) Eingriff in Sachenrechte und Aneignungsrechte 95 b) Eingriff in Immaterialgüterrechte und Normen gegen unlauteren Wettbewerb 95 c) Verletzung schuldrechtlicher Forderungen 97 4. Das Recht auf den Eingriffserwerb und das Bereicherungsrecht, insbesondere die Eingriffskondiktion 97 a) Das Recht auf den Eingriffserwerb als Auflösung des differenzierten Anspruchssystems des BGB 98 b) Die Entbehrlichkeit der Eingriffskondiktion im System der Rechte auf den Eingriffserwerb 99 c) Die Konnexität von Schadensersatz und Bereicherung beim Eingriffserwerb 101 d) Die Auswirkungen des „Systems der Rechte auf den Eingriffserwerb" 102

II. Die Integration der Rechtswidrigkeitstheorie in die Systematik des Bereicherungsrechts des BGB: Die Widerrechtlichkeit des Verletzerhandelns als Grundlage der Eingriffskondiktion nach § 812 I 1, 2. Alt. B G B 1. Die Aufgabe des umfassenden Ansatzes des Schulz'schen Systems der Rechte auf den Eingriffserwerb 2. Das Kriterium der Rechtsverletzung bzw. der Rechtswidrigkeit als Grundlage der Eingriffskondiktion a) Die Kondiktion einer Vermögensverschiebung b) Die Kondiktion wegen rechtswidriger Verwendung fremder Rechtsgüter c) Der Tatbestand der Eingriffskondiktion 3. Das Problem der Begrenzung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion bei dem Abstellen auf die Rechtswidrigkeit des Eingriffs a) Rechtswidriger Eingriff in fremde subjektive Rechte und Normen mit vermögensschützendem Charakter b) Eingriff in ein gegenständlich identifizierbares Rechtsobjekt (Kellmann) c) Objektiv rechtswidrige Verletzung einer individualschützenden Rechtsnorm unter Berücksichtigung der Dispositionsfreiheit des Verletzten (Haines) d) Einige kritische Anmerkungen zur Anknüpfung der Eingriffskondiktion an den individualschützenden Charakter der verletzten Norm . . .

104 104 104 105 105 106

108 110 112

116 120

Inhaltsverzeichnis

4. Gegenstand und Umfang des Bereicherungsanspruchs nach der Rechtswidrigkeitstheorie a) Grundsatz: Gewinnherausgabe b) Einzelfragen des Herausgabeanspruchs III. Kritik der Rechtswidrigkeitslehre 1. Keine gesetzliche Grundlage für den Satz: Niemand darf aus Unrecht erlangten Gewinn behalten 2. Rechtsgrundlosigkeit und Rechtswidrigkeit in § 812 11, 2. Alt. BGB 3. Rechtswidrigkeit und Vermögenszuordnung 4. Eingriffe durch rechtmäßige Handlungen §5

Rechtswidrigkeitstheorie II: Die Beseitigung rechtsgrundlosen Habens und seiner Folgen - Der Bereicherungsanspruch als Quasi-Negatoria

I. Ausgangspunkt: Die Reformulierung des Savignyschen Ansatzes der ungerechtfertigten Bereicherung und die Überwindung des Dogmas von der Vermögensverschiebung II. Die Rechtswidrigkeit des Habens (= des durch den Bereicherungsvorgang eingetretenen Zustands) als tragendes Element des Bereicherungstatbestandes 1. Die Ablehnung der Rechtswidrigkeitstheorie in der Version von Schulz und Jakobs 2. Die Kritik an der Zuweisungsgehaltstheorie 3. Rechtsverletzung (= Widerrechtlichkeit) durch den Widerspruch des Habens des Bereicherungsschuldners zum Recht des Bereicherungsgläubigers III. Der stufenweise Aufbau des Bereicherungsanspruchs auf der Grundlage des rechtswidrigen Habens des Schuldners 1. 2. 3. 4.

Die rechtsgrundlose Vermögensverschiebung Nutzungen Verbrauch und Veräußerung der Sache Bereicherungsansprüche bei Verletzung von Normen gegen unlauteren Wettbewerb

IV. Die Rechtswidrigkeit des Habens als das Fundament des Bereicherungsanspruchs 1. Die Abkehr vom Verhaltensunrecht 2. Die positive Seite des Rechtswidrigkeitsurteils als Abgrenzungskriterium für die Reichweite der Eingriffskondiktion V. Die Rechtsfolgen der Eingriffskondiktion: Haftung auf den Gewinn, der im „widerrechtlichen Haben" des Bereicherungsschuldners steht

XV

122 122 123 124 124 124 125 126

128

128

130 130 131

132 133 133 134 135 136 140 140 141

143

VI. Die Bewertung der Eingriffskondiktion als „Quasi-Negatoria" 1. Die Einheit des Bereicherungsanspruchs: Gemeinsame Grundlagen von Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen 2. Die Untauglichkeit der positiven Funktion des Rechtswidrigkeitsurteils als Grundlage der Eingriffskondiktion $ 6

Die Lehre vom Zuweisungsgehalt der unbefugt in Anspruch genommenen Rechtsposition - die Eingriffskondiktion als Quasi-Kontrakt

I. Grundlagen: Die kategoriale Trennung von Leistungs- und Eingriffskondiktionen 1. Die Ungerechtfertigtheit der Bereicherung a) Der Rechtsgrundmangel bei der Leistungskondiktion b) Der Rechtsgrund bei der Eingriffskondiktion 2. Der Verzicht auf die Einheit der Bereicherungsansprüche als typisierendes Merkmal der Zuweisungsgehaltslehre 3. Divergente Funktionen von Leistungs- und Eingriffskondiktion . . . II. Die erste Entwicklungsstufe der Lehre vom Zuweisungsgehalt: Die Fortwirkung des verletzten Rechts als tragender Grund für die Eingriffskondiktion 1. Die Verbindung von Bereicherungsanspruch und verletztem Recht bei Heck 2. Die Uberwindung der Vermögensverschiebungsdoktrin 3. Die Legitimation des Anspruchs wegen Eingriffsbereicherung aus der Fortwirkung des verletzten Rechts a) Das Eigentum als „organische" Grundlage des Bereicherungsanspruchs b) Die Rechtsfortwirkung anderer absoluter Rechte als Grundlage der Eingriffskondiktion c) Sonstige rechtlich geschützten Interessen 4. Der Umfang des Bereicherungsanspruchs a) Leistungskondiktionen b) Nichtleistungskondiktionen c) Wegfall der Bereicherung III. Die Weiterentwicklung des Rechtsfortwirkungsgedankens: Der Zuweisungsgehalt absoluter subjektiver Rechte als Grundlage der Eingriffskondiktion 1. Die Grundkonzeption a) Die Einteilung der Kondiktionen in Typen aa) Die Leistungskondiktion bb) Aufwendungskondiktion cc) Zahlung fremder Schulden dd) Versionsklagen ee) Eingriffskondiktion b) Der Zuweisungsgehalt als tragendes Kriterium des Bereicherungsanspruchs bei Eingriff in fremdes Gut

143 143 144

148 148 148 149 151 153 154

155 155 156 157 157 158 160 160 160 161 163

163 164 164 164 165 165 165 165 166

XVII

Inhaltsverzeichnis

§7

2. Der Inhalt des Bereicherungsanspruchs wegen Eingriffs: Der Wertersatzanspruch

167

Überlegenheit der Rechte

170

und Schwächen der Lehre vom

Zuweisungsgehalt

I. Die Überlegenheit der Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte gegenüber den anderen dogmatischen Ansätzen der Eingriffskondiktion 1. Die Vermögensverschiebungslehre 2. Rechtswidrigkeitslehren a) Die negative Funktion der Rechtswidrigkeit b) Die positive Funktion des Rechtswidrigkeitsurteils II. Zuweisungsgehaltslehre §8

Die Auswirkungen der Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte auf den Tatbestand von § 812 11 BGB und insbesondere auf die Eingriffskondiktion

I. Die Trennung von Leistungs-und Nichtleistungskondiktionen 1. Divergenzen in Funktion und Tatbestand der beiden Kondiktionsarten 2. Neuere Versuche einheitlicher Anspruchsbegründung II. Leistung und Leistungskondiktion 1. Der Begriff der Leistung 2. Arten der Leistungskondiktion a) Condictio indebiti b) Condictio ob causam finitam c) Condictio ob rem d) Condictio ob turpem vel iniustam causam III. Die Nichtleistungskondiktionen 1. Allgemeines 2. Die allgemeine Eingriffskondiktion 3. Besondere Eingriffskondiktionen a) §816 1 BGB b) Die unentgeltliche Verfügung durch einen Nichtberechtigten (§816 12 BGB) c) Eingriff in die Forderungszuständigkeit d) Eingriffskondiktion nach § 951 I BGB 4. Verwendungskondiktion 5. Rückgriffskondiktion

170 170 172 173 174 175

177 177 178 182 185 185 188 188 188 189 189 190 190 196 196 196 197 200 200 203 210

IV. Der Tatbestand der Eingriffskondiktion 211 1. Das Problem der Verortung des Zuweisungsgehalts im Tatbestand des § 812 I 1, 2. Alt. BGB 211 2. Das Merkmal „auf dessen Kosten" bei der Eingriffskondiktion . . . . 214

XVIII

Inhaltsverzeichnis

3. Der Rechtsgrundmangel bei der Eingriffskondiktion a) Vertrag als Rechtsgrund b) Rechtsgrund nach gesetzlichen Vorschriften 4. Rechtsgrund und Zuweisungsgehalt des verletzten Rechts 5. Eingriff a) Die Bedeutung des Eingriffs b) Arten von Eingriffen 6. Die Bestimmung der Parteien des Anspruchs aus Eingriffskondiktion nach der Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte a) Der Bereicherungsgläubiger b) Der Bereicherungsschuldner 7. Die Unmittelbarkeit des Erwerbs V. Das Verhältnis von Leistungs- und Eingriffskondiktion 1. Leistungs- und Eingriffskondiktion im Zweipersonenverhältnis . . . . 2. Leistungs- und Eingriffskondiktion im Mehrpersonenverhältnis . . . a) Subsidiarität der Eingriffskondiktion im Verhältnis zur Leistungskondiktion aa) Vorrang der Abwicklung im Leistungsverhältnis bb) Ausnahme vom Subsidiaritätsprinzip cc) Subsidiarität der Eingriffskondiktion bei Leistung des Verlierenden b) Relativierung des strengen Subsidiaritätsgrundsatzes durch die herrschende Lehre c) Stellungnahme

219 220 221 223 224 224 228 229 230 230 231 237 237 237 238 238 240 242 243 245

Kapitel II

Die ökonomischen Grundlagen der Eingriffskondiktion § 9

Einleitung

§10

Marktliche

249 Tauschvorgänge

aus ökonomischer

Sicht

I. Das Effizienzkriterium in der ökonomischen Theorie 1. Formulierung und Aufgaben des Effizienzkriteriums 2. Hindernisse bei der Erreichung des Effizienzziels II. Steuerungssystem bei der Güterverteilung: Markt 1. Die Aufgabe des Marktes 2. Die Funktionsbedingungen eines marktorientierten Güteraustausches a) Wettbewerb b) Geld c) Institutionalisierung eines Systems von ausschließlichen Nutzungsund Verfügungsrechten d) Vertragsfreiheit und Vertragsrecht 3. Das Coase-Theorem

253 253 253 257 257 257 260 260 261 262 262 262

Inhaltsverzeichnis

III. Funktionsstörungen des marktlichen Tauschmechanismus 1. Öffentliche Güter 2. Externe Effekte 3. Weitere Ursachen für Marktversagen § 11 Das Konzept

der Property Rights

I. Die Bedeutung eines Systems von Property Rights als Funktionsbedingung marktlicher Tauschprozesse II. Entstehung und Entwicklung von Property Rights 1. Ausschließlichkeitsrechte und Allokationseffizienz 2. Anreizwirkungen III. Güter, Rechte, Property Rights 1. 2. 3. 4.

Güter und Property Rights Die Internalisierung externer Effekte durch Property Rights Die Senkung von Transaktionskosten Property Rights als Voraussetzung für den Tausch von Ressourcen auf Märkten unter den Bedingungen des Wettbewerbs

IV. Die Eigenschaften von Property Rights 1. 2. 3. 4. 5.

XIX 266 266 267 268 269 269 270 270 272 272 272 276 280 281 282

Die Abstraktheit der Rechte Universalität Allgemeinheit Exklusivität Übertragbarkeit

283 283 284 284 285

V. Die Bedeutung der Primärallokation

286

§ 12 Die Fundierung

von Property Rights in der Rechtsordnung

I. Die Transposition des ökonomischen Begriffs der Property Rights in das juristische Regelsystem 1. Das ökonomische Konzept der Property Rights (veräußerliche und unveräußerliche Rechte) 2. Der Schutz von Property Rights a) Property Rules b) Haftungsregeln c) Inalienability Rules 3. Die Einordnung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion in das System des Schutzes von Property Rights II. Property Rights und die Funktion von Verträgen und Vertragsrecht (Vertragsordnung) 1. Die Bedeutung des Vertrages für den Transfer von Property Rights 2. Die Feststellung der Zahlungsbereitschaft als Knappheitsindikator bei der Ressourcennutzung

290 290 290 293 294 294 296 297 299 299 300

XX

Inhaltsverzeichnis

3. Die Reduktion von Transaktionskosten bei dem Transfer von Property Rights a) Transaktionskosten b) Vertragsrecht und Transaktionskosten 4. Zusammenfassung: Das Recht als konstitutives Element des marktlichen Tauschprozesses $ 13 Die Funktion der Eingriffskondiktion für Transfers von Property Rights auf wettbewerblich orientierten Märkten I. Der Eingriff in fremde Property Rights als Versagen der Vertragsordnung 1. Der „Normalfall" der Nutzung fremder Ressourcen: Erwerb von Gütern bzw. Nutzungsberechtigungen durch Vertrag am Markt . . . a) Der Begriff der Vertragsordnung b) Privatautonomie und Vertragsfreiheit 2. Der „pathologische" Fall: Die Nutzung fremder Ressourcen ohne die Zustimmung des Inhabers des Property Right II. Die wirtschaftlichen Folgen des Eingriffs (= der unbefugten Nutzung) in fremde Rechte (Property Rights) 1. 2. 3. 4. 5.

Eingriffsbedingter Ressourcentransfer als externer Effekt Verzerrung der Marktpreise Verfehlung der Produktionseffizienz Verfehlung der Allokationseffizienz Verzerrung des Wettbewerbs

III. Die Funktion der Eingriffskondiktion bei Versagen der Vertragsordnung 1. Restitution der Ausgangsverteilung a) Voraussetzungen der gegenständlichen Restitution b) Die Restitution der Ausgangsverteilung und das Versagen der Vertragsordnung 2. Die Simulation eines vertraglichen Tauschvorgangs zwischen den Parteien eines Anspruchs aus Eingriffskondiktion a) Unmöglichkeit der gegenständlichen Herausgabe b) Der Anspruch aus Eingriffskondiktion in der Form des Wertersatzes als Rekonstruktion des vertraglichen Tauschvorgangs 3. Die quasi-kontraktliche Wirkung der Eingriffskondiktion in ökonomischer Sicht (die Eingriffskondiktion und das ökonomische Modell des vollständigen Vertrages) 4. Funktionale Grenzen der Eingriffskondiktion a) Eingriffskondiktion und Eingriff in exklusive Rechte b) Eingeschränkter Kreis geschützter Positionen c) Kein Schutz der Vertragsfreiheit bzw. der Willensfreiheit des Rechtsinhabers d) Kein Ausgleich für Schäden

302 303 305 306

308 310 310 310 311 318 322 322 323 323 323 324 324 325 325 326 327 327 328

333 336 336 336 338 339

Inhaltsverzeichnis

e) Beschränkung auf die Herausgabe von Vorteilen, die durch Eingriff erlangt wurden IV. Eingriffskondiktion und Verteilungsgerechtigkeit

§ 14 Zusammenfassung: Ökonomische der Eingriffskondiktion

Grundlagen

XXI

339 342

345

Kapitel III

D e r Zuweisungsgehalt kondiktionsgeschützter R e c h t e und Rechtspositionen $ 15 Das Konzept des Zuweisungsgehalts der Rechte in der wissenschaftlichen Diskussion I. Die Entwicklung des Zuweisungsgedankens II. Die Bestimmung des Kreises der zuweisungsgehaltsfähigen Positionen im Uberblick

353 353 358

1. Enge Grenzziehung bei der Festlegung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion 2. Weiter Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion im Rahmen der Zuweisungsgehaltslehre 3. Mittlere Position

364 366

III. Die Konkretisierung des Zuweisungsgehalts - bisherige Ansätze

368

1. Die Anknüpfung an das absolute subjektive Recht 2. Der Zuweisungsgehalt auf Grund einer Verbietungsmöglichkeit: Der Gleichlauf zwischen Unterlassungsanspruch und Eingriffskondiktion (Rechtsgutstheorie) 3. Bestimmung des Zuweisungsgehalts nach dem Umfang des Deliktsschutzes 4. Die Eingriffskondiktion als Funktion der Realisierung rechtlicher Zweckprogramme: Wirtschaftliches Bereicherungsrecht 5. Der Zuweisungsgehalt als marktfähige Verwertungsmöglichkeit einer Position

$ 16 Funktion und Inhalt des Zuweisungsgehaltsbegriffs I. Die Funktion der Eingriffskondiktion im bürgerlichen Vermögensrecht II. Die Funktion des Konzepts des Zuweisungsgehalts: der Bezug zum absoluten subjektiven Recht 1. Legitimationsfunktion 2. Begrenzungsfunktion

358

369

375 382 385 395

403 403 407 407 411

XXII

Inhaltsverzeichnis

3. Die Struktur des Zuweisungsgehalts des subjektiven Rechts a) Freiheitsermächtigung und Generalverbot als Grundelemente des subjektiven Rechts b) Der Inhalt der Berechtigung aa) Aktionsberechtigung bb) Vermögensberechtigung III. Subjektive Rechte des Privatrechts im Uberblick 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Absolute Herrschaftsrechte Immaterialgüterrechte Persönlichkeitsrechte Familienrechte als subjektive Rechte Forderungen Gestaltungsrechte

IV. Ausschließlichkeitsrechte als Mittel zur Verhinderung externer Effekte V. Der Schutz der Ausschließlichkeit von Rechten VI. Umfang und Grenzen der Begründung von Ausschließlichkeitsrechten aus ökonomischem Blickwinkel 1. Endogene Grenzen 2. Exogene Grenzen: Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs VII. Interessen 1. Interessendes Kondizienten 2. Interessen des Rechtsverletzers 3. Ordnungsinteressen VIII. Das Spannungsverhältnis von Ausschließlichkeitsrecht und Wettbewerbsfreiheit 1. Zuweisungsgehalt und subjektives Recht 2. Wettbewerbsfreiheit und Ausschließlichkeitsrecht Konflikt und Harmonie IX. Die Bestimmung der Reichweite der Eingriffskondiktion durch das Konzept des Zuweisungsgehalts 1. Ausschließlichkeitsrecht und Zuweisungsgehalt als Schlüssel für die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion 2. Die Bezugsinstitution des Zuweisungsgehalts 3. Bezugsobjekt 4. Der Inhalt des bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalts 5. Die Vorzüge der hier vertretenen Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion a) Vermeidung eines unangemessen weiten Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion

417 418 420 420 421 430 430 432 433 435 436 436 437 442 444 445 448 450 450 451 453 453 456 459 467 467 471 472 472 475 475

Inhaltsverzeichnis

XXIII

b) Verbesserte dogmatische Fundierung der Eingriffskondiktion im System des außervertraglichen Schuldrechts c) Ubereinstimmung des Umfangs des Bereicherungsschutzes mit der allgemeinen ökonomischen Theorie der Property Rights

478 482

Kapitel IV

Der Zuweisungsgehalt von Rechten an Sachen § 17 Das Eigentum an Sachen I. Der Zuweisungsgehalt des Eigentums an Sachen 1. Bürgerlich-rechtlicher und verfassungsrechtlicher Eigentumsbegriff 2. Das zivilrechtliche Eigentum als Grundlage des Anspruchs aus Eingriffskondiktion 3. Die Grenzen des Zuweisungsgehalts des Eigentums II. Uberblick über die Entstehung der Bereicherungshaftung für Eingriffe in das Eigentum in den Vorarbeiten zum BGB III. Kondiktionsbegründende Eingriffe in das Eigentum 1. Eingriff in das Eigentum durch Wegnahme der Sache a) Besitzbefugnis des Eigentümers b) Anspruchsziel c) Konkurrierende Ansprüche 2. Rechtsgeschäftliche Veräußerung fremder Sachen: § 816 I BGB . . . . a) Zuweisungsgehalt und Verfügungsbefugnis b) Der Begriff der Verfügung c) Die Wirksamkeit der Verfügung d) Die Rechtsfolge des § 816 I 1 BGB 3. Rechtsverlust durch Vollstreckungsmaßnahmen 4. Rechtsverlust durch Verbrauch von Sachen 5. Rechtsverlust durch Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung nach §§ 946 ff. BGB 6. Eingriff in den Zuweisungsgehalt des Eigentums durch die N u t z u n g fremder Sachen a) Der Begriff der Nutzungen b) Die Zuweisung von Nutzungen c) Eingriffe in das Nutzungsrecht des Eigentümers im Spiegel der Rechtsprechung IV. Die Grenzen des Zuweisungsgehalts des Eigentums 1. Gesetzliche Schranken des Grundeigentums: §§ 905, 906 BGB 2. Die Grenzen des Zuweisungsgehalts des Eigentums photographische Aufnahmen von Sachen und ihre gewerbliche Verwertung

485 486 487 488 489 491 493 493 493 493 494 495 495 496 498 500 503 507 510 514 515 515 516 528 530

531

XXIV

Inhaltsverzeichnis

3. Gemeingebrauch als Grenze des Zuweisungsgehalts des Eigentums 4. Zusammenfassung

537 540

V. Das Erfordernis der Rechtsgrundlosigkeit bei der Eingriffskondiktion nach § 812 I 1, 2. Alt. BGB 1. Das Verhältnis von Zuweisungsgehalt, „auf dessen Kosten" und Rechtsgrundlosigkeit in § 812 I BGB 2. Gesetzlich fixierter Rechtsgrund bei Eingriffserwerb a) Gutgläubiger Erwerb von Sachen b) Rechtsgrund zum Behaltendürfen nach §§ 955, 957 BGB c) § 993 I, 2. Halbsatz BGB als Rechtsgrund d) Ersitzung e) Gesetzliche Erwerbstatbestände ohne Rechtsgrund §18

Zuweisungsgehalt

und Eingriffsbereicherungsschutz

542 542 546 546 548 549 552 555

anderer

dinglicher Rechte sowie des Rechts an der elektrischen Energie I. Zuweisungsgehalt des Nießbrauchs II. Pfandrecht an Sachen und Sicherungseigentum 1. Fahrnispfand 2. Sicherungseigentum

558 558 559 559 561

III. Der Zuweisungsgehalt anderer beschränkter dinglicher Rechte

564

IV. Aneignungsrechte 1. Rechtsnatur 2. Der Zuweisungsgehalt des Jagdrechts 3. Fischereirecht 4. Der Zuweisungsgehalt von Bergberechtigungen 5. Das Aneignungsrecht an herrenlosen Sachen gemäß §§ 958 ff. BGB

565 565 566 567 567

V. Dingliche Anwartschaften VI. Der Zuweisungsgehalt der Auflassungsvormerkung

568 568 570

VII. Besitz 1. Die Rechtsnatur des Besitzes 2. Der berechtigte Besitz als Position mit bereicherungsrechtlich relevantem Zuweisungsgehalt 3. Nichtberechtigter Besitz

579 583

VIII. Der Zuweisungsgehalt des Rechts an der Elektrizität

584

1. Fehlende Sacheigenschaft der elektrischen Energie 2. Der Zuweisungsgehalt des Rechts an der elektrischen Energie

575 577

584 584

Inhaltsverzeichnis

XXV

Kapitel V

Rechte an Informationen - Schutz der Eingriffsbereicherung für Immaterialgüterrechte ? Die dreifache Methode der Schadensberechnung (DSB) und die Entwicklung der Eingriffskondiktion im Bereich der Immaterialgüterrechte . D i e anfängliche A b l e h n u n g d e r A n w e n d b a r k e i t der E i n g r i f f s k o n d i k t i o n im Bereich d e r I m m a t e r i a l g ü t e r r e c h t e 1. D i e E n t s t e h u n g der I m m a t e r i a l g ü t e r r e c h t e a) Urheberrecht b) Entstehung des reichseinheitlichen Patentschutzes c) Gebrauchsmusterrecht d) Warenzeichen/Markenrecht 2. D i e A b l e h n u n g des Schutzes der E i n g r i f f s k o n d i k t i o n bei u n b e f u g t e r I n a n s p r u c h n a h m e eines I m m a t e r i a l g ü t e r r e c h t s a) Rechtsdogmatisch begründete Ablehnung des Anspruchs aus Eingriffsbereicherung b) Rechtssystematisch hergeleitete Ablehnung der Anwendung der Eingriffskondiktion c) Ökonomische Gründe für die Ablehnung der Bereicherungshaftung im Immaterialgüterrecht d) Das Verhältnis von Wettbewerbsfreiheit und Immaterialgüterrechten nach dem Inkrafttreten der Gewerbeordnung vom 21.6.1869 3. A u s n a h m e : D i e A n w e n d u n g der E i n g r i f f s k o n d i k t i o n bei V e r l e t z u n g e n des U r h e b e r r e c h t s 4. Versuche des S c h r i f t t u m s z u r E r w e i t e r u n g des A n w e n d u n g s bereichs d e r E i n g r i f f s k o n d i k t i o n im Bereich der I m m a t e r i a l güterrechte a) Bemühungen im Rahmen der herrschenden Vermögensverschiebungstheorie zur Überwindung des Ausschlusses der Eingriffskondiktion . b) Rechtswidrigkeitstheorie c) Zuweisungsgehaltstheorie . D i e E n t w i c k l u n g d e r s o g e n a n n t e n d r e i f a c h e n Schadensb e r e c h n u n g s m e t h o d e (DSB) als S u b s t i t u t f ü r die abgelehnte B e r e i c h e r u n g s h a f t u n g i m Bereich d e r I m m a t e r i a l g ü t e r r e c h t e 1. G r u n d l e g u n g : D i e A r i s t o n - E n t s c h e i d u n g des R G 2. D i e A u s d e h n u n g der D S B auf weitere I m m a t e r i a l g ü t e r r e c h t e u n d sonstige R e c h t s p o s i t i o n e n 3. D i e drei A r t e n der „ S c h a d e n s b e r e c h n u n g " a) Die erste Schadensberechnungsmethode: Entgangener Gewinn gemäß § 252 BGB

591 591 591 592 593 594 595 597 598 599 602 603 605

609 . 610 617 618

620 621 623 625 625

XXVI

Inhaltsverzeichnis

b) Schadensberechnung nach Lizenzgrundsätzen als zweite Berechnungsmethode c) Die dritte Methode der Schadensberechnung: Herausgabe des Verletzergewinns d) Das Verhältnis der Schadensberechnungsmethoden zueinander 4. P r o b l e m e u n d D e f i z i t e d e r d o g m a t i s c h e n B e g r ü n d u n g der D S B . . . . a) Rechtfertigung f ü r den besonderen Schutz der Immaterialgüterrechte und der anderer Positionen b) Die dogmatische Begründung der zweiten und dritten Schadensberechnungsmethode c) Dogmatische Defizite und Fehlentwicklungen bei der DSB aa) Ausweitung des Schadensbegriffs bb) Die Absenkung des Verschuldenserfordernisses bei Anwendung der DSB cc) Verstoß gegen das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot . dd) Schwächen der rechtlichen Begründung der DSB (1) Die Begründung der dritten Schadensberechnungsmethode (Herausgabe des Verletzergewinns) im Wege einer analogen Anwendung von § 687 II BGB (2) Gewohnheitsrechtliche Geltung der zweiten und dritten Schadensberechnungsmethode III. D e r W a n d e l der R e c h t s p r e c h u n g : D u r c h b r u c h d e r Eingriffsk o n d i k t i o n i m Bereich der I m m a t e r i a l g ü t e r r e c h t e

§ 20 Der Zuweisungsgehalt

629 631 633 633 636 639 639 642 644 645

645 648 651

des Urheberrechts

656

I. Gesetzliche G r u n d l a g e n u n d G e g e n s t a n d des U r h e b e r r e c h t s

656

1. D e r G e g e n s t a n d des U r h e b e r r e c h t s 2. U r h e b e r p e r s ö n l i c h k e i t s r e c h t u n d u r h e b e r r e c h t l i c h e s Immaterialgüterrecht

656 657

II. D a s I m m a t e r i a l g ü t e r r e c h t des U r h e b e r s als z u w e i s u n g s gehaltsfähige R e c h t s p o s i t i o n 1. D i e A k t i o n s b e r e c h t i g u n g des U r h e b e r s 2. D i e V e r m ö g e n s b e r e c h t i g u n g des U r h e b e r s a) Übertragung des Urheberrechts b) Die Einräumung von Nutzungsrechten an Dritte durch den Urheber 3. D i e G r e n z e n des Z u w e i s u n g s g e h a l t s des U r h e b e r r e c h t s a) Der Begriff des Werkes b) Zeitliche Schranke des Urheberrechts c) Beschränkungen des Urheberrechts zugunsten einzelner Werknutzer d) Beschränkungen des Urheberrechts im Interesse der Allgemeinheit . e) Die Erschöpfung des Verbreitungsrechts f) Beschränkungen des Urheberrechts im Interesse der Kulturwirtschaft g) Zwangslizenz 4. Z u s a m m e n f a s s u n g

627

659

.

. . .

659 661 662 662 663 663 664 664 665 665 666 666 666

Inhaltsverzeichnis

III. Der eingriffsbereicherungsrechtliche Schutz des Urheberrechts im Spiegel der Rechtsprechung 1. Entwicklungslinien 2. Der Zuweisungsgehalt urheberrechtlicher Positionen als Grundlage des Bereicherungsanspruchs in der Rechtsprechung des B G H a) Zuweisungsgehalt des Urheberrechts als Grundlage des Anspruchs aus Eingriffskondiktion? b) Beispiele für die unbefugte Inanspruchnahme urheberrechtlicher Befugnisse aus der Rechtsprechung c) Grenzen des Zuweisungsgehalts des Urheberrechts d) Inhalt des Bereicherungsanspruchs $ 21 Der Zuweisungsgehalt

von Patent- und Gebrauchsmusterrecht

I. Gesetzliche Grundlagen der Zuweisung von Aktions- und Vermögensberechtigung von Patent- und Gebrauchsmusterrecht 1. Gegenstand und Entstehungsvoraussetzungen von Patentund Gebrauchsmusterrecht a) Patent b) Gebrauchsmuster 2. Der bereicherungsrechtlich relevante Zuweisungsgehalt von Patent- und Gebrauchsmusterrecht a) Aktionsberechtigung b) Die Vermögensberechtigung des Inhabers von Patent- und Gebrauchsmusterrecht 3. Grenzen des Zuweisungsgehalts von Patent- und Gebrauchsmusterrecht a) Zeitliche Grenzen der Rechte b) Erschöpfungsgrundsatz c) Vorbenutzung d) Weitere Beschränkungen zugunsten privater Interessen e) Beschränkungen von Patent- und Gebrauchsmusterrecht im öffentlichen Interesse II. Der Schutz des Zuweisungsgehalts von Patent- und Gebrauchsmusterrecht im Spiegel der höchstrichterlichen Rechtsprechung 1. Die anfängliche Ablehnung bereicherungsrechtlichen Schutzes durch die Rechtsprechung des Reichsgerichts 2. Die Integration des Patent- und Gebrauchsmusterrechts in den Schutzbereich der Eingriffskondiktion § 22 Der Zuweisungsgehalt

des Geschmacksmusterrechts

I. Gegenstand und Entstehung des Geschmacksmusterrechts II. Der Zuweisungsgehalt des Geschmacksmusterrechts 1. Aktionsberechtigung

XXVII

667 667

669 670 671 672 672 675 675 675 675 678 679 679 680 682 682 683 683 684 684 685 685 687 691 691 692 692

XXVIII

Inhaltsverzeichnis

2. Vermögensberechtigung 3. Grenzen des Zuweisungsgehalts a) Zeitliche Grenze b) Weitere Grenzen des Rechts c) Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion § 23 Der eingriffsbereicherungsrechtliche

Schutz der Marke

I. Der Zuweisungsgehalt des Warenzeichenrechts - eine umstrittene Frage in der Dogmatik der Eingriffskondiktion II. Die Anwendbarkeit des Anspruchs aus Eingriffskondiktion bei Verletzung einer Marke nach dem MarkenG 1. Gegenstand und Entstehung der Marke nach dem MarkenG a) Begriff der Marke b) Die Funktionen des Markenschutzes c) Die Entstehung der Marke 2. Zuweisungsgehalt der Marke - Aktionsberechtigung 3. Zuweisungsgehalt des Markenrechts - Vermögensberechtigung . . . . 4. Die Grenzen des Zuweisungsgehalts des Markenrechts a) Zeitliche Grenzen des Markenschutzes b) Verjährung der Rechtsverletzungsansprüche c) Bestandskraft einer eingetragenen jüngeren Marke d) Nutzung von Namen und Anschrift (§ 23 MarkenG) e) Erschöpfung des Markenrechts 5. Eingriffsbereicherungsrechtlicher Schutz von geschäftlichen Kennzeichen a) Name b) Firma c) Der Zuweisungsgehalt der geschäftlichen Bezeichnungen Name und Firma d) Werktitel e) Namens- und Firmenschutz nach Vorschriften außerhalb des Markenrechts f) Eingriffsbereicherungsrechtlicher Namens- und Firmenschutz in der Praxis der höchstrichterlichen Rechtsprechung § 24 Neue Immaterialgüterrechte

693 693 693 693 694 695 695 703 703 703 704 705 706 708 710 710 711 711 711 711 712 713 713 714 717 717 718 721

I. Sortenschutz von Pflanzenzüchtungen

721

II. Das Recht an der Halbleitertopographie

723

III. Das Recht des Herstellers von Datenbanken

725

XXIX

Inhaltsverzeichnis

Kapitel VI

Andere Rechtspositionen § 25 Der Schutz der Persönlichkeit aus Eingriffskondiktion

durch

den

Anspruch

I. Die Entwicklung des zivilrechtlichen Schutzes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts 1. Ablehnung des zivilrechtlichen Schutzes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vor dem 2. Weltkrieg 2. Der Durchbruch: Die Anerkennung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Teil der deutschen Zivilrechtsordnung im Jahr 1954 II. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht und seine wesentlichen Konturen 1. Der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts a) Der Schutz des Ansehens b) Recht auf die Wahrheit des Persönlichkeitsbildes c) Das Recht auf Privatheit d) Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung e) Recht am eigenen Bild und am eigenen Namen 2. Die tatbestandliche Offenheit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts 3. Güter- und Interessenabwägung III. Der Zuweisungsgehalt persönlichkeitsrechtlich geschützter Rechtspositionen 1. Meinungsstand a) Kein bereicherungsrechtlich relevanter Zuweisungsgehalt von Persönlichkeitsrechten b) Anerkennung eines Zuweisungsgehalts von Persönlichkeitsrechten . . . 2. Der Zuweisungsgehalt des Rechts am eigenen Bild a) Normative Grundlage des Rechts am eigenen Bild b) Das Recht am eigenen Bild als Vermögensrecht: die Anerkennung des Zuweisungsgehalts durch die höchstrichterliche Rechtsprechung . aa) Vermögensberechtigung beim Recht am eigenen Bild bb) Handlungsberechtigung cc) Inhaltliche Bestimmung des Zuweisungsgehalts des Rechts am eigenen Bild c) Die Grenzen des Zuweisungsgehalts des Rechts am eigenen Bild aa) Informationsinteresse der Öffentlichkeit bb) Vermögenswert des Bildes der abgebildeten Person cc) Erkennbarkeit des Betroffenen auf dem Foto 3. Der Zuweisungsgehalt des Rechts am eigenen Namen a) Einleitung

729 729 730

732 736 736 737 738 738 739 740 741 741 742 742 742 744 748 748 748 748 755 757 757 758 761 763 764 764

XXX

Inhaltsverzeichnis

b) Der Zuweisungsgehalt des Rechts am Namen aa) Vermögensberechtigung bb) Handlungsberechtigung cc) Der Zuweisungsgehalt des Rechts am Namen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung 4. Zuweisungsgehalt des Rechts am gesprochenen Wort 5. Bereicherungsanspruch wegen unbefugter Inanspruchnahme des postmortalen Persönlichkeitsrechts - das allgemeine Persönlichkeitsrecht auf dem Weg zum Immaterialgüterrecht 6. Kein Zuweisungsgehalt sonstiger, im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geschützter Elemente der Persönlichkeit ^ 26 Bereicherungsrechtlicher Schutz des Rechts am und ausgeübten Gewerbebetrieb

772 775

777 783

eingerichteten

I. Meinungsstand 1. Rechtswidrigkeitstheorie 2. Rechtsgutstheorie 3. Zuweisungsgehaltslehre 4. Rechtsprechung II. Der Schutzbereich des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb 1. Behinderungen der Unternehmenstätigkeit 2. Verbreitung von Tatsachen und Werturteilen als Verstoß gegen das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb III. Besitzt das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb einen bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt? .. 1. Ausschließliche Handlungsberechtigung des Inhabers des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb 2. Vermögensberechtigung 3. Zuweisungsgehalt bestimmter durch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geschützter Fallgruppen 4. Ergebnis § 27 Der Zuweisungsgehalt

766 766 771

von UWG-Positionen

I. Einleitung II. Meinungsstand 1. Rechtswidrigkeitstheorie 2. Rechtsgutstheorie 3. Zuweisungsgehaltstheorie 4. Ablehnung des Bereicherungsanspruchs wegen Ausschließlichkeit der Unterlassungs- und Ersatzregelungen im UWG 5. Rechtsprechung

785 785 786 787 787 789 791 792

794 . 795 795 800 800 801 803 803 804 804 804 805 808 808

XXXI

Inhaltsverzeichnis III. Bereicherungsrechtlicher Zuweisungsgehalt von Positionen, die auf UWG-Normen gegründet sind (eigener Standpunkt)

§28

812

1. Gegenstand des Zuweisungsgehalts 2. Zuweisung von Marktpositionen als subjektive Rechte durch das U W G a) Zuweisung eines Rechts an der Wettbewerbsstellung (Kummer) b) Persönlichkeitsrecht und Unternehmensrecht als Schutzgüter des UWG c) Interessenschutz durch Verhaltensnormen d) Die Vorschriften des UWG als Normen des Bestandsschutzes oder als Spielregelnormen e) Ergebnis 3. Weitergehende Fragestellung: eingriffsbereicherungsrechtlicher Schutz für den sog. ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz nach U W G a) Das Problem: das Verhältnis subjektiver Ausschließlichkeitsrechte zum Prinzip der Wettbewerbsfreiheit aa) Konsequenzen der Uberbetonung des Ausschließlichkeitsschutzes bb) Folgen der Uberbetonung der Handlungsfreiheit b) Spielraum für richterliche Rechtsfortbildung bei der Verschiebung der Grenzen von Ausschließlichkeitszonen und Handlungsfreiheit . . . c) Der sog. ergänzende wettbewerbliche Leistungsschutz und die Frage des bereicherungsrechtlichen Zuweisungsgehalts aa) Nachahmungsfreiheit und Nachahmungsschutz im Rahmen des ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutzes nach § 1 UWG bb) Die Rechtsprechung des BGH zum ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutz und das Problem des bereicherungsrechtlichen Zuweisungsgehalts (1) Modeneuheiten (2) Nachahmung zur Ausnutzung des Prestigewerts fremder Erzeugnisse (3) Ausbeutung fremden Rufes d) Ergebnis 4. Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ( § 1 7 U W G ) und Vorlagen (§ 18 U W G ) a) Bereicherungsrechtlicher Schutz von Geschäftsund Betriebsgeheimnissen aa) Der Begriff des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses bb) Die rechtliche Qualität des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses . b) Schutz von Vorlagen nach § 18 UWG 5. Schutz von Unternehmenskennzeichen gem. § 16 U W G a. F. 6. Ergebnis

842 843 843 846 848 850

Der Zuweisungsgeha.lt

851

relativer

subjektiver

Rechte

I. Einleitung II. Der bereicherungsrechtliche Schutz der Forderungsinhaberschaft (§ 816 II B G B )

813 813 814 815 816 817 818

819 819 820 822 824 832 832 835 835 839 840 841 842

851 854

XXXII

Inhaltsverzeichnis

III. Der bereicherungsrechtliche Schutz des Gegenstandes, auf den sich die Forderung bezieht 1. Die Ausdehnung des Schutzes der Eingriffskondiktion auf lediglich relativ begründete Rechtspositionen 2. Kein Zuweisungsgehalt relativer Rechte

856 857 858

Kapitel VII

Inhalt und Umfang des Anspruchs aus Eingriffskondiktion § 29 Der Grundansatz der Bereicherungshaftung nach §§ 812 11, 818 BGB: die Herausgabe des Erlangten I. Grundzüge der gesetzlichen Ausgestaltung des Bereicherungsanspruchs II. Der Grundlagenstreit um Gegenstands- und Vermögensorientierung des Bereicherungsanspruchs § 30 Der bereicherungsrechtliche Primäranspruch: des Erlangten bei der Eingriffskondiktion

Die

Bestimmung

I. Bestimmung des Erlangten bei der Leistungskondiktion II. Das herauszugebende Erlangte in den Fällen der Eingriffskondiktion 1. Die Wiederherstellung der Ausgangsverteilung: der Anspruch auf Herausgabe des erlangten Gegenstandes 2. Die Simulation eines vertraglichen Ressourcentransfers bei Unmöglichkeit gegenständlicher Restitution: Wertersatz nach § 818 II 3. Die unterschiedlichen Ansätze zur Bestimmung des Erlangten bei der Eingriffskondiktion nach § 812 11, 2. Alt. B G B a) Ersparte Aufwendungen des Bereicherungsschuldners als erlangtes Etwas b) Verwendungserfolg und Eingriffserwerb als Gegenstände des Bereicherungsanspruchs c) Die Herausgabe der Eingriffsgegenstände d) Die Nutzungsmöglichkeit e) Die konsumierte Marktchance f) Die Nutzung von Rechten bzw. Sachen als das Erlangte § 31 Wertersatz bei Unmöglichkeit der Herausgabe des primär Erlangten (§ 818 II BGB) I. Die Wertersatzhaftung nach § 812 I B G B 1. Objektiver oder subjektiver Wertbegriff

868 868 869

874 875 876 876

876 877 877 880 881 883 884 885 888 888 888

Inhaltsverzeichnis a) b) c) d)

Der objektive Wertbegriff Die Bestimmung des Wertes aufgrund subjektiver Kriterien Die Vorzugswürdigkeit des objektiven Wertbegriffs Die angemessene Vergütung als objektiver Wert in den Fällen der Sach- und Rechtsnutzung 2. Die angemessene Lizenzgebühr und ihre Bemessung die quasi-kontraktliche Komponente der Eingriffskondiktion a) Grundlagen b) Die Bemessung der angemessenen Lizenzgebühr II. Die bereicherungsrechtliche Gewinnhaftung (Gewinn des Eingreifers als Teil des Zuweisungsgehalts des Rechts)

XXXIII 888 889 890 892 894 894 895 900

1. Legitimationsgrundlagen des bereicherungsrechtlichen Anspruchs auf Gewinnherausgabe 900 a) Gewinnhaftung auf der Grundlage des Eingriffserwerbs 900 b) Gewinnherausgabe auf der Grundlage der Zuweisungsgehaltstheorie . 901 aa) Gewinnherausgabe nach dem subjektiven Wertbegriff 902 bb) Gewinnherausgabe nach objektiver Bestimmung des Wertes des Erlangten 902 c) Der Umfang des Anspruchs auf Gewinnherausgabe 903 2. Keine zureichende Grundlage für einen bereicherungsrechtlichen Anspruch auf die Herausgabe des Verletzergewinns 904 Literaturverzeichnis

911

Sachregister

927

Abkürzungsverzeichnis a.a.O. a.E. a.F. ABl. E G Abs. Abt. AcP AfP Afr. AG AGBG Allg. ALR Alt. amtl. Anm. Art. Aufl. AVBEltV BayObLG BB Bd. BDSG Bearb. Begr. Bek. Bekl. BerG betr. BFStrG BGB BGBl. BGH B G H LM BGHZ BJagdG Boston U.L.R.

anderer Ansicht am angegebenen Ort am Ende alte Fassung Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz Abteilung Archiv für die civilistische Praxis Archiv für Presserecht Africanus Amtsgericht Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Allgemein Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten Alternative amtlich Anmerkung Artikel Auflage Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden Bayerisches Oberstes Landesgericht Der Betriebs-Berater Band Bundesdatenschutzgesetz Bearbeiter Begründung Bekanntmachung Beklagte/r Berufungsgericht betreffend Bundesfernstraßengesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, herausgegeben Lindenmaier, Möhring u. a. Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesjagdgesetz Boston University Law Review

XXXVI BR BR-Drucks. BT BT-Drucks. BVerfG BVerfGE bzgl. bzw. C. ca. Cels. CuR D. d.h. d.i. DB ders. dies. Diss. DRiZ DSB EBV Eds. EG Einf. Einl. etc. EU EuGH EWG EWGV EWiR EWR f. ff. FamRZ FN. FS GBO GbR GebrMG gem. GEMA GeschmMG GG ggfGoA

Abkürzungsverzeichnis Bundesrat Drucksachen des Bundesrates Besonderer Teil Drucksachen des Deutschen Bundestages Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bezüglich beziehungsweise Codex Iustinianus circa Celsus Computer und Recht Digesta das heißt das ist Der Betrieb derselbe dieselbe Dissertation Deutsche Richterzeitung Dreifache Methode der Schadensberechnung Eigentümer-Besitzer-Verhältnis Editors Europäische Gemeinschaften Einführung Einleitung et cetera Europäische Union Gerichtshof der europäischen Gemeinschaften Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäischer Wirtschaftsraum folgende (Seite) folgende (Seiten) Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Fußnote Festschrift Grundbuchordnung Gesellschaft bürgerlichen Rechts Gebrauchsmustergesetz gemäß Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte Gesetz betreffend das Urheberrecht an Mustern und Modellen (Geschmacksmustergesetz) Grundgesetz gegebenenfalls Geschäftsführung ohne Auftrag

Abkürzungsverzeichnis

XXXVII

Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Auslandsund internationaler Teil GRUR Int. Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen h.L. herrschende Lehre h.M. herrschende Meinung HalbleiterschutzG Halbleiterschutzgesetz Harv. L.R. Harvard Law Review HdWW Handbuch der Wirtschaftswissenschaft herausg. herausgegeben Hervorh. Hervorhebung HGB Handelsgesetzbuch Hlbbd. Halbband Hrsg. Herausgeber i.d.F. in der Fassung i.d.R. in der Regel i.e.S. im engeren Sinn i.S. im Sinn i.V.m. in Verbindung mit ibid. ibidem InsO Insolvenzordnung Iul. Iulianus Journal JJahrbuch JL Jahrbuch für Sozialwissenschaften Jb. f. Sozialwiss. Jb. junger ZivRW Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler Juristische Rundschau JR Juristische Schulung JuS Juristische Wochenschrift JW Juristenzeitung JZ Kapitel Kap. Kraftfahrzeug KFZ Kammergericht KG Kläger/in Kl. Konkursordnung KO Kritische Justiz Krit. J. Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken KUG der bildenden Künste und der Photographie Loseblatt LBl. Landgericht LG Lieferung Lief. Literatururhebergesetz LitUrhG Law Quarterly Review L.Qu.R. Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht LZ mit Anmerkung m. Anm. m. Hinweis mit Hinweis M . E , m.E. Meines/meines Erachtens m.w. H. mit weiteren Hinweisen GRUR GRUR Ausl.

XXXVIII m. w. N . MarkenG MarkenrechtsRL

Mass. MDR MHG MüKo MuW N. N . F. Neubearb. NJW NJW-RR Nr., N o . o.a. OAG OGH O G H SZ OHG OLG OLGE Ordo PatG Paul. PKW Pomp. RdE RG RGBl. RGRK RGZ ROHG ROHGE Rs. Rspr. Rz. S. SavZ (Rom. Abt.) s.o. s.u. SchR SchR AT SchR B T

Abkürzungsverzeichnis mit weiteren Nachweisen Markengesetz Erste Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (Richtlinie 8 9 / 1 0 4 / E W G ) Massachusetts Monatsschrift für Deutsches Recht Gesetz zur Regelung der Miethöhe Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Markenschutz und Wettbewerb Note N e u e Folge Neubearbeitung N e u e Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Nummer oben angegeben Ober-Appellationsgericht Oberster Gerichtshof (Osterreich) Entscheidungen des österreichischen Obersten Gerichtshofes in Zivilsachen Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Zivilrechts, herausg. v. Mugdan u. Falkmann Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft Patentgesetz Paulus Personenkraftwagen Pomponius Recht der Elektrizitätswirtschaft Reichsgericht Reichsgesetzblatt Reichsgerichtsräte - Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Reichsoberhandelsgericht Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts Rechtssache Rechtsprechung Randziffer Seite Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte (Romanistische Abteilung) siehe oben siehe unten Schuldrecht Schuldrecht, Allgemeiner Teil Schuldrecht, Besonderer Teil

Abkürzungsverzeichnis Seuff. Arch. Slg. sog. SortenschutzG Sp. st. Rspr. StGB u.ä. u.a. U . of Pa. L . R . U.S.C. u.U. UFITA Ulp. UrhG usw. UWG v. Verf. VersR vgl. VO Vol. Vorbem. vs. Warn.Rspr.

WM WRP WZG Yale L.J. z.T. z.B. Zeitschr. f. Rechtssoz. ZEV ZgesStW ZHR Ziff. ZIP zit. ZPO ZSR ZUM ZVG

XXXIX

Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten Sammlung sogenannte/r Sortenschutzgesetz Spalte ständige Rechtsprechung Strafgesetzbuch und ähnliche/s unter anderem University of Pennsylvania Law Review United States Code unter Umständen Archiv für Urheber-, Film-, F u n k - und Theaterrecht Ulpianus Urhebergesetz und so weiter Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb von Verfasser Vers icherungs recht vergleiche Verordnung Volume Vorbemerkung versus Rechtsprechung des Reichsgerichts, soweit sie nicht in der amtlichen Sammlung der Entscheidungen des R G abgedruckt ist, herausg. v. Warneyer Wertpapiermitteilungen Wettbewerb in Recht und Praxis Warenzeichengesetz Yale Law Journal zum Teil zum Beispiel Zeitschrift für Rechtssoziologie Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Schweizerisches Recht Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung

§ 1 Einleitung u n d Problemstellung I. Probleme bei der Konkretisierung von Anwendungsbereich und Tatbestand der Eingriffskondiktion Wie kaum ein anderes Rechtsgebiet ist das Bereicherungsrecht durch Unklarheiten und Theorienstreit gekennzeichnet. Dieser Befund trifft nicht nur für die Grundlagen dieses Bereiches zu; auch bei den Einzelheiten von Tatbestand und Rechtsfolgen der Kondiktionen steht kaum eine Frage außer Streit. Der Diskussionsstand in der juristischen Literatur läßt eine Konzentration auf die Fragen der Leistungskondiktion erkennen. Die schier unüberschaubare Menge an literarischen Stellungnahmen zu den Problemen der Rückabwicklung fehlgeschlagener Leistungen bestätigt dies. Auch in der höchstrichterlichen Judikatur ist ein deutliches Ubergewicht der Urteile zu den Leistungskondiktionen zu konstatieren. Nach § 8 1 2 1 1 , 2 . Alt. BGB muß aber auch dasjenige herausgegeben werden, das auf sonstige Weise auf Kosten eines anderen ohne Rechtsgrund erlangt wird. Damit ist die neben den Leistungskondiktionen zweite große Gruppe der Bereicherungsansprüche angesprochen, die unter der Bezeichnung Nichtleistungskondiktionen oder Eingriffskondiktionen zusammengefaßt werden. Der Begriff der Eingriffskondiktion wird dabei in zweierlei Bedeutung gebraucht: einerseits bezeichnet der Begriff in einem engeren Sinne eine von mehreren Kategorien der Nichtleistungskondiktionen 1 , zum anderen wird er in einem weiteren Sinne als S y n o n y m für die Nichtleistungskondiktion in Abgrenzung zur zweiten großen Gruppe der Bereicherungsansprüche, den Leistungskondiktionen, gebraucht 2 . Der Begriff der Eingriffskondiktion orientiert sich in bewußter Abgrenzung zur Leistungskondiktion an der Art und Weise des Vermögenszuwachses beim Bereicherungsschuldner. Während nach heute herrschender Auffassung bei der Leistungskondiktion die Vermögensmehrung des Bereicherungsschuldners durch eine bewußte und zweckgerichtete 1 Dies entspricht heute der ganz überwiegenden M e i n u n g bei der Kategorisierung der Kondiktionstypen; vgl. etwa MüKo(-Lieb), § 812, R z . 182 ff.;Jauernig(-Schlecbtriem), § 812, A n m . 2b); Staudinger(-Lorenz), § 812, R z . 2; Larenz/Canaris, SchR II/2, § 67 I 2b); Esser/ Weyers, SchR II BT, § 47, 3; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 67 ff.; Loewenbeim, Bereicherungsrecht, 57; Medicus, BR, Rz. 664; Fikentscher, SchR, Rz. 1118. 2 Palandt(-Thomas), § 812, R z . \\Erman(-Westermann), § 812, R z . 63 ff.; Larenz/Canaris, SchR II/2, § 6 7 1 2 b ) ; R G R K ( - H e i m a n n - T r o s i e n ) , § 812, Rz. 40ff.; Reeb, G r u n d p r o b l e m e des Bereicherungsrechts, 32.

2

5 1 Einleitung und Problemstellung

Zuwendung des Bereicherungsgläubigers erfolgt, ist die Vermögensmehrung bei der Eingriffskondiktion durch den Umstand charakterisiert, daß sie gerade ohne den Willen des Bereicherungsgläubigers bewirkt wird. D e r Hauptanwendungsfall der Eingriffskondiktion i.e.S. ist die (regelmäßig rechtswidrige) Usurpation fremder Vermögensbestandteile durch einen dazu nicht Berechtigten. D a m i t ist die Reichweite der Eingriffskondiktion aber noch nicht erschöpft; der Anspruch setzt die Rechtswidrigkeit des Eingriffs nicht voraus. A u c h rechtmäßige Eingriffe können einen Anspruch nach § 812 I 1, 2. Alt. B G B wegen Bereicherung in sonstiger Weise auslösen 3 . Weiterhin k o m m t der Anspruch nicht nur dann zur Anwendung, wenn der Bereicherte selbst in eine dem Bereicherungsgläubiger zustehende Vermögensposition eingegriffen hat. D e r Eingriff kann auch durch Dritte erfolgt sein 4 ; entscheidend für die Passivlegitimation des Bereicherungsschuldners ist es, daß er durch den Eingriff bereichert wurde. Als Beispiel für den Eingriff eines Dritten sei auf die Zwangsvollstreckung in schuldnerfremde Sachen hingewiesen. Funktion, Rechtsnatur und Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion i.e.S. sind nach wie vor umstritten und nicht abschließend geklärt. Zu diesen Fragen werden im Schrifttum grundlegend voneinander abweichende Auffassungen vertreten; das Bereicherungsrecht im 24. Titel des B G B ist mehreren „bereicherungsrechtlichen W e n d e n " 5 ausgesetzt gewesen, von denen jede für sich tief in die Grundlagen dieses Rechtsgebietes eingegriffen hat, wenn sie sich auch unterschiedlich stark in der Rechtspraxis ausgewirkt haben. Wenn sich auch heute in der höchstrichterlichen Rechtsprechung 6 und ebenso im Schrifttum 7 deutlich eine Tendenz zur Rezeption der T h e o r i e v o m Zuweisungsgehalt der Rechte und damit der Sicht des § 812 1 1 B G B als einer Regelung mit zwei ganz unterschiedlichen Ansprüchen abzeichnet, so sind die konkurrierenden Bereicherungslehren, die für einheitliche Grundlagen von Leistungs- und Nichtleistungkondiktion eintreten, damit keineswegs aus der Diskussion ausgeschieden, sondern erleben mancherorts gar eine gewisse Renaissance 8 . Medicus, BR, Rz. 708; a. A. Schlecbtriem, SchR BT, Rz. 662. Staudinger(-Lorenz), § 812, Rz. 27-,Jauernig(-Schlechtriem), § 812, Anm. II 1 f. dd; Erman (-Westermann), § 812, Rz. 74; RGRK{-Heimann-Trosien), § 812, Rz. 44; Schlechtriem, SchR BT, Rz. 661; Alternativkommentar(-/oerg«), § 812, Rz. 49; Fikentscher, SchR, Rz. 1120. 5 Siehe dazu Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 22 ff. 6 Beispielhaft etwa die Fälle BGH 24.11.1981, BGHZ 82, 299 (306) (Kunststoffhohlprofil II); BGH 9.3.1989, BGHZ 107, 117ff. (Forschungskosten). 7 Vgl. etwa Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 245 ff.; Koppensteiner/ Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 75 f.; Fikentscher, SchR, Rz. 1118; Schlechtriem, SchR BT, Rz. 664; Esser/Weyers, SchR II, § 50 I 1 a (S. 463); MüKo{-Lieb), § 812, Rz. 204ff.; Jauernig(-Schlechtriem), § 812, Anm. II 1; Erman(-Westermann), § 812, Rz. 65; Staudinger(Lorenz), § 812, Rz. 23; Hüffer, Die Eingriffskondiktion, JuS 1981, 263; Loewenheim, Bereicherungsrecht, 74f.; KGKK(-Heimann-Trosien), § 812, Rz. 42; Medicus, BR, Rz. 709. 8 Vgl. etwa MüKo(-Z,ze£), § 812, Rz. 7, 8; Knieper, Moderne Bereicherungslehren?, BB 1991, 1578 ff. (1584); Wo//, Der Stand der Bereicherungslehre und ihre Neubegründung, 153 ff.; Batsch, Vermögensverschiebung und Bereicherungsherausgabe, 91 ff.; Kellmann, Grundsätze der Gewinnhaftung, 97ff.; Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung als Grundlagen und Grenzen des Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung, 173 ff. 3

4

§ 1 Einleitung

und Problemstellung

3

Wegen ihres generalklauselartigen Charakters bedürfen die Tatbestandsmerkmale des § 812 1 1 B G B erst einer von der Rechtsdogmatik zu leistenden Konkretisierung, um handhabbar und anwendbar zu werden. Der Wortlaut des § 812 I 1 B G B , wonach derjenige zur Herausgabe verpflichtet ist, der „durch Leistung oder auf sonstige Weise auf dessen Kosten ohne rechtlichen Grund etwas erlangt" hat, ist in seiner Unbestimmtheit für vielerlei Deutungen offen. Im Bereich der Eingriffskondiktion, die - anders als die Leistungskondiktion - dem Recht des Rechtsgüterschutzes zugeordnet wird 9 , liegt wegen der Verwandtschaft in der Funktion der Vergleich zum Deliktsrecht nahe. Dabei fällt ins Auge, daß der Tatbestand des § 812 I 1 B G B sich in zwei wesentlichen Aspekten vom Tatbestand des § 823 I B G B unterscheidet: der Bereicherungstatbestand weist keinen Rechtsgüterkatalog auf, der den Bereich der geschützten Güter in irgendeiner Weise abgrenzt. Das Erfordernis, die Bereicherung müsse auf Kosten des Bereicherungsgläubigers erlangt sein, läßt von seinem Wortlaut her einen bereicherungsrechtlichen Schutz jeglicher nur denkbaren Vermögensposition zu. Des weiteren fehlt bei der ungerechtfertigten Bereicherung auch der Haftungsfilter des Verschuldens, der im Deliktsrecht das Risiko des Schädigers begrenzt. Im Bereich der Eingriffskondiktion ist es daher Aufgabe von Wissenschaft und Rechtsprechung, Funktion, Anwendungsbereich und Grenzen der Haftung aus Eingriffsbereicherung zu bestimmen und die dafür jeweils tragenden Gründe unter Rückbezug auf die Funktion des Rechtsinstituts und seiner Stellung im System des Haftungsrechts des B G B anzugeben. Die Eingriffskondiktion ist ein Rechtsinstitut des Vermögensrechts; ihre Aufgabe ist es, rechtsgrundlose Vermögensvorteile, die der Bereicherungsschuldner durch Eingriff auf Kosten des Bereicherungsgläubigers erlangt hat zu korrigieren, indem sie die entstandenen Vermögensvorteile auf die Partei überträgt, der sie nach der Wertung der gesetzlichen, systematisch außerhalb des Bereicherungsrechts angesiedelten Zuordnungsnormen gebühren. Gegenstand eines heftigen Meinungsstreits in der juristischen Literatur sind die Kriterien, die für die Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion als maßgeblich zu erachten sind. Eine ältere Auffassung, die heute weitgehend als überwunden gelten kann, machte die Anwendbarkeit der Kondiktionen allgemein und damit auch der Eingriffskondiktion, von der rechtsgrundlosen Verschiebung eines Vermögensbestandteils des Bereicherungsgläubigers in das Vermögen des Bereicherungsschuldners abhängig 10 . Die Vermögensver9 Siehe dazu v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel 1,333 (353); König, Ungerechtfertigte Bereicherung, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts II, 1515 (1550); Schlechtriem, SchR BT, Rz. 661; Fikentscher, SchR, Rz. 1118; Loewenheim, Bereicherungsrecht, 74 f.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 245 f. 10 v. Mayr, Der Bereicherungsanspruch, 193 ii.;Jung, Die Bereicherungsansprüche und der Mangel des rechtlichen Grundes, 126 f.; Krawielicki, Grundlagen des Bereicherungsanspruchs, 4; Endemann, Bürgerliches Recht I, 1236 f.; Planck(-Landois), Kommentar zum B G B II, § 812, Anm. I 2a); Soergel(-Keßler), Kommentar zum B G B I, § 812, Anm. 5; Enneccerus/

4

§ 1 Einleitung

und

Problemstellung

Schiebung als Grundelement des Bereicherungsrechts geht auf die Systematisierung zurück, die das Bereicherungsrecht durch C.F. v. Savigny erfahren hat und der dieses Fundament des Kondiktionenrechts wiederum auf das römische Recht stützte 1 1 . Die tatbestandliche Enge der Lehre von der Vermögensverschiebung bildet einen Grund 1 2 dafür, daß die Eingriffskondiktion als Rechtsinstitut bei den Rechten des gewerblichen Rechtsschutzes erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Rolle zu spielen begann, die ihr im System des Rechtsgüterschutzes zukommt, indem die Rechtsprechung bei Verletzung gewerblicher Schutzrechte - zunächst bei dem Gebrauchsmusterrecht, später auch bei anderen Rechten - die Eingriffskondiktion anwendete. Verengt man die Eingriffskondiktion auf die Rückforderung von Gegenständen, die als solche vor dem bereichernden Vorgang schon einmal im Vermögen des Bereicherungsgläubigers vorhanden gewesen und in das Vermögen des Bereicherungsschuldners übergegangen sein müssen, so schließt man den gesamten Bereich der Immaterialgüterrechte aus dem Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion aus. Die dogmatische Entwicklung dieser Lehre ist daher von dem Versuch gekennzeichnet, durch eine Erweiterung des Vermögensbegriffes die Reichweite der Eingriffskondiktion zu vergrößern. Die sogenannte „erste bereicherungsrechtliche Wende" 1 3 , die in der Literatur durch die Arbeit von Fritz Schulz zum System der Rechte auf den Eingriffserwerb 1 4 ausgelöst wurde, stellte das gesamte zivilrechtliche Anspruchssystem und eben auch das Bereicherungsrecht auf neue dogmatische Grundlagen. Fundament und Rechtfertigung des Kondiktionsanspruchs, und zwar auch bei der Leistungskondiktion, bildet in dieser Lehre der rechtswidrige Eingriff, d.h., die rechtswidrige, zur Bereicherung des Schuldners führende Handlung und nicht mehr die rechtsgrundlose Vermögensverschiebung. Diese geradezu revolutionäre Umstrukturierung des zivilrechtlichen Anspruchssystems hat sich nur wenige Jahre nach dem Inkrafttreten des B G B wenig überraschend - weder im Schrifttum noch in der Rechtsprechung durchgesetzt. Die sog. Rechtswidrigkeitstheorie ist durch die Nachfolger von Schulz viel später auf das Recht der Eingriffsbereicherung beschränkt und hier zu einer konsistenten Theorie der Eingriffskondiktion umgeformt worden 1 5 . Die Rechtswidrigkeitstheorie Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, 851 ff.; Guilleaume, Ungerechtfertigte Bereicherung, die nicht durch eine Leistung bewirkt ist und auch keine Änderung der Rechtslage zufolge hat, 2 ff. m.w. N.; Collatz, Ungerechtfertigte Vermögensverschiebung, 1 ff.; Nebenzahl, Das Erfordernis der unmittelbaren Vermögensverschiebung in der Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 11 ff. m.w.N. 11 v. Sayigny, System des heutigen römischen Rechts V, Beylage XIV, 566 f. 12 Ein weiterer, wahrscheinlich ebenso wirksamer Grund war das in der Rechtsprechung immer wieder verwandte Argument, bei dem in den immaterialgüterrechtlichen Gesetzen geregelten Schadensersatzanspruch handele es sich um eine abschließende Regelung, die auch den allgemeinen Bereicherungsanspruch ausschließe, siehe R G 9.6.1928, R G Z 121, 258 (261) (Frauenberufe); R G 6.11.1929, MuW 1930, 24; R G 22.12.1913, J W 1914, 406 (407). 13 Siehe dazu Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 24. 14 Fritz Schulz, System der Rechte auf den Eingriffserwerb, AcP 105 (1909), 1 ff. 15 Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung, 153, wo darauf hingewiesen wird,

§ 1 Einleitung und Problemstellung

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führt tendenziell zu einem sehr weiten Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion, da es nicht mehr auf die Verschiebung eines Vermögensbestandteils von einem Vermögen in ein anderes Vermögen ankommt, sondern auf die rechtswidrige Beeinträchtigung eines fremden Vermögens, die mit einer Bereicherung auf K o s t e n des Inhabers des fremden Vermögens verbunden ist. Diese Theorie führt also im Ergebnis zu einem sehr weit gefaßten Schutz des V e r m ö gens gegen rechtswidrig erlangte Bereicherungen. Ihre größte Bedeutung hat die Rechtswidrigkeitstheorie vermutlich dadurch erlangt, daß sie als K o n t r a p u n k t zu sich selbst die Entwicklung der Lehre v o m Zuweisungsgehalt der Rechte angestoßen hat. U n t e r Ablehnung sowohl des Dogmas der Vermögensverschiebung wie der Rechtswidrigkeit des Eingriffs stellt diese Lehre bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion darauf ab, daß der Bereicherungsschuldner etwas in Widerspruch zum Zuweisungsgehalt eines dem Bereicherungsgläubiger zustehenden Rechts erlangt hat. D i e F u n k t i o n der Eingriffsbereicherung liege - wie es E. v. Caemmerer formuliert - im (statischen) Rechtsgüterschutz, während die Leistungskondiktion ihrer Aufgabe nach dem dynamischen Bereich des Güterverkehrs zuzuordnen sei 1 6 . Welche Rechtspositionen einen Zuweisungsgehalt besitzen, welchen U m f a n g er hat, aus welchen Elementen er sich zusammensetzt und wie er zu bestimmen ist, wird auch unter den Anhängern der Zuweisungsgehaltslehre stark abweichend beurteilt, ein Umstand, der von den Gegnern dieser Lehre häufig dazu genutzt wird, ihre Unbrauchbarkeit zu behaupten 1 7 . D i e Ermittlung, welchen Rechts- und Vermögenspositionen ein Zuweisungsgehalt z u k o m m t und welchen U m f a n g er besitzt, ist ein wichtiges Anliegen der vorliegenden Arbeit. E. v. Caemmerer, der Schöpfer des Begriffes des Zuweisungsgehalts, hat es unterlassen, diesen Begriff näher zu konkretisieren und vor allem theoretisch zu untermauern. Hinsichtlich der Bestimmung der Reichweite des Rechtsinstituts der E i n griffskondiktion nimmt die Zuweisungsgehaltslehre zwischen Vermögensverschiebungs- und Rechtswidrigkeitsdoktrin eine mittlere Position ein. D i e an dieser Stelle nur sehr grob und andeutungsweise skizzierten Ansätze einer Konturierung der Eingriffskondiktion stellen nicht nur divergierende Interpretationsversuche des § 812 1 1 , 2. Alt. B G B dar, sondern sie stehen auch für jeweils voneinander abweichende Funktionalisierungen des Rechtsinstituts der Eingriffsbereicherung. Richtigerweise ist § 812 I 1 B G B als eine Generalklausel anzusehen, die wegen ihrer tatbestandlichen Offenheit nicht unmittelbar subsumtionsfähig ist. Vielmehr ist es Aufgabe von Rechtsprechung und

daß das Kriterium der Rechtswidrigkeit entgegen der Annahme von Schulz nicht zur Begründung der Leistungskondiktion taugt. 16 Vgl. etwa v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel I, 353. 17 Siehe beispielhaft Haines, Bereicherungsansprüche bei Warenzeichenverletzungen und unlauterem Wettbewerb, 84 ff.; Kleinheyer, Rechtsgutsverwendung und Bereicherungsausgleich, J Z 1970, 471 ff. (473).

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Wissenschaft, Reichweite, Voraussetzungen, Inhalt und Grenzen der Eingriffskondiktion zu bestimmen. Wegen des Charakters des § 812 I 1 BGB als Generalklausel greifen Deutungsversuche, die sich allein auf die Auslegung des positiven Wortlauts der Vorschrift beschränkten, zu kurz. Dieser Befund ist bereits kurz nach dem Inkrafttreten des BGB festgestellt worden. „Dieser Satz (§ 812 I 1 BGB, R. E.) ist so, wie er zunächst klingt, von einer nahezu schrankenlosen Allgemeinheit. Beinahe so allgemein, wie der entsprechende Satz, den das gemeine Recht lange Jahre als Grundsatz hingestellt hatte: Natura aequum est, neminem cum alterius detrimento fieri locupletiorum, es entspricht der allgemeinen Billigkeit, dass niemand zum Schaden eines Anderen sich bereichert. Wie man hier eingesehen hatte, dass dieser Satz viel zu allgemein sei, da ja unser ganzes Erwerbsleben es schlechthin bedingt, daß der eine zum Schaden des Andern seinen Vorteil sucht, so gilt auch der Satz des § 812 nur in einer gewissen Beschränkung" 18 . Die dogmengeschichtliche Entwicklung im Bereich der Eingriffskondiktion zeigt daher durchgängig das Bestreben, den richtigen Ansatz zur Eingrenzung der „nahezu schrankenlosen Allgemeinheit" zu finden und dadurch der Eingriffskondiktion die ihr zukommende Funktion im System der außervertraglichen Ausgleichsordnungen des BGB zuzuweisen. Die dabei entwikkelten Lehrmeinungen werden im folgenden dargestellt und kritisch bewertet werden. Zur Klärung der Frage, wie die erforderliche Eingrenzung des Tatbestandes der Eingriffskondiktion geleistet werden kann, sind einige rechtsmethodische Vorüberlegungen angebracht. Die Eingriffskondiktion ist - worauf oben bereits hingewiesen wurde - ein Institut des bürgerlichen Vermögensrechts. Das bürgerliche Vermögensrecht bildet den Rahmen einer nach marktwirtschaftlichen Prinzipien strukturierten, auf die dezentrale Entscheidungsfindung der Wirtschaftssubjekte angelegten Wirtschaftsordnung. A n eine Rechtsordnung, die den Rahmen für die Verwirklichung der autonom gesetzten Wirtschaftspläne der Individuen bildet, sind ganz spezifische Anforderungen zu stellen, auf die unten noch näher einzugehen sein wird. Das wesentliche Strukturmerkmal einer solchen Wirtschaftsordnung ist der wirtschaftliche Wettbewerb. Die Suche nach der sachlich richtigen Funktionszuweisung an die Eingriffskondiktion hat die Rolle zu berücksichtigen, welche die Institutionen Vertrag, Delikt, Eigentum und unechte Geschäftsführung ohne Auftrag im Rahmen eines auf die marktwirtschaftliche Ordnung hin orientierten Vermögensrechts zu übernehmen haben. Eben weil es sich bei der Eingriffskondiktion um ein Instrument des bürgerlichen Vermögensrechts handelt, ist bei der Fixierung von Reichweite, Inhalt, Grenzen und Rechtsfolgen des Anspruchs neben der Analyse der Interessen der beteiligten Parteien und systematischen Gesichtspunkten die ökonomische 18 Isay, Schadensersatz und Busse im System des deutschen gewerblichen Rechtsschutzes, G R U R 1904, 25 ff. (30).

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Analyse des Objektbereichs des Eingriffsbereicherungsrechts heranzuziehen. Im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Studie ermöglicht die ökonomische Analyse des Rechts nicht nur eine Bewertung alternativer Rechtsfolgen unter wirtschaftlichen Aspekten, sondern trägt auch - wie sich zeigen wird - dazu bei, der Eingriffskondiktion ihre originäre Aufgabe bei der Bewältigung der Probleme zuzuweisen, die sich bei der unbefugten Nutzung fremder Rechts- oder Vermögensgüter mit positiven ökonomischen Folgen im Vermögen des Handelnden ergeben. Dabei wird deutlich werden, daß diese Aufgabe nur vor dem Hintergrund der im Rahmen der Rechtsordnung ordnungsgemäß ablaufenden ständigen Reallokation von G ü tern formuliert werden kann. Unter dem Aspekt der Zugehörigkeit der Eingriffskondiktion zum bürgerlichen Vermögensrecht kann nur mit Erstaunen konstatiert werden, daß in den bisher vorliegenden wissenschaftlichen Bemühungen um eine dogmatische Fundierung der Eingriffskondiktion ökonomische Überlegungen mit nur ganz wenigen Ausnahmen 1 9 praktisch keine Rolle gespielt haben. Die bisherigen Theoriebildungen stützen sich ganz überwiegend auf historische, rechtssystematische und dogmatische Argumentationen. Es soll damit nicht gesagt sein, daß solche Argumente bei der Bewältigung der genannten Aufgabe nicht relevant seien. Zweifel bestehen allerdings, ob diese Argumentationsmuster dazu in der Lage sind, die Veränderungen, die sich durch die wirtschaftliche und technische Entwicklung im Gegenstandsbereich der Eingriffskondiktion ergeben haben, adäquat zu erfassen und das Rechtsinstitut an den geänderten Bezugsrahmen anzupassen. Sie bedürfen daher der Ergänzung durch ökonomische Erwägungen. Diese Erwägung wird bestätigt durch den Befund, daß der praktische Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion heute im Feld des gewerblichen Rechtsschutzes liegt und nicht in dem im B G B geregelten Kernbereich des Sachenrechts. Ein Uberblick über die modernere Judikatur zeigt, daß sich der Schwerpunkt der Rechtsanwendung im Bereich der Eingriffskondiktion bei den Immaterialgüterrechten und dem Urheberrecht findet 20 . Demgegenüber lassen sich Entscheidungen zu Eingriffen in Sachenrechte eher selten feststellen 21 . Nach sorgfältiger Abwägung der in der Literatur entwickelten Vorschläge für die Festlegung von Funktion und Reichweite der Eingriffskondiktion kommt die vorliegende Studie zu dem Ergebnis, daß die Eingriffskondiktion weder einen gegenständlichen Rückforderungsanspruch wegen einer rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung noch eine Haftung für Bereicherung auf19 Mestmäcker, Eingriffserwerb und Rechtsverletzung in der ungerechtfertigten Bereicherung, J Z 1958, 521 ff. (522 f,);Joerges, Bereicherungsrecht als Wirtschaftsrecht, 66 ff.; Scbluep, Über Eingriffskondiktionen, Mélanges Piotet, 173 ff. (196 ff.). 2 0 Vgl. Sack, Die Lizenzanalogie im System des Immaterialgüterrechts, FS Hubmann, 373ff. (375ff. mit umfangreichen Nachweisen von Rspr. und Schrifttum). 21 Siehe dazu etwa König, Ungerechtfertigte Bereicherung, 163 ff.

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grund rechtswidrigen Handelns darstellt, sondern die - hier nur vorläufig formulierte - Funktion hat, den Inhabern ausschließlich zugeordneter, mit Drittschutz versehener Rechts- und Vermögenspositionen die ökonomischen Vorteile, die aus einer rechtsgrundlosen, d.h. durch den Rechtsinhaber oder gesetzliche Vorschrift nicht gebilligten Nutzung solcher Positionen bei dem Eingreifer entstanden sind, zu verschaffen, wobei diese Vorteile deshalb den Rechtsinhabern zustehen, weil ihnen die Nutzung der Positionen exklusiv zugewiesen ist. Die in dieser Weise erfolgende Begrenzung der „fast schrankenlosen Allgemeinheit" des Rechtsinstituts der Eingriffskondiktion zwingt allerdings dazu, Rechtspositionen mit Zuweisungsgehalt von solchen ohne Zuweisungsgehalt zu scheiden und die für diese Differenzierung maßgeblichen Kriterien aufzuzeigen. Einer der Begründer der Lehre vom Zuweisungsgehalt, E. v. Caemmerer, nennt einige Beispiele von Rechten, denen er Zuweisungsgehalt zumißt 22 . Diese Aufzählung kann aber wohl nicht als abschließend angesehen werden. Er verzichtet auch darauf, Kriterien für die Abgrenzung des kondiktionsrechtlich geschützten Bereichs exklusiv zugewiesener Positionen einerseits und des Bereichs zwar rechtlich geschützter, aber nicht ausschließlich zugewiesener Interessen zu entwickeln. Es überrascht daher nicht, daß unter den Verfechtern der Zuweisungsgehaltslehre große Meinungsunterschiede hinsichtlich des Kreises der Rechtspositionen bestehen, die mit Zuweisungsgehalt ausgestattet sind. Einigkeit besteht darin, daß ein Kern absoluter subjektivdinglicher Rechte, deren Hauptbeispiel das sachenrechtliche Eigentum ist, Zuweisungsgehalt besitzt. Je mehr man sich jedoch den Rändern des Bereiches nähert, in dem die Rechtsordnung Gegenstände zum alleinigen Haben und Nutzen einzelnen Rechtssubjekten eindeutig zugewiesen hat, desto uneinheitlicher werden die Aussagen darüber, welchen Rechtspositionen noch ein Zuweisungsgehalt zukommt und welchen nicht. Exemplarisch sei hier nur auf Positionen wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, auf sondergesetzlich nicht geschützte, aber Vermögenswerte Positionen des U W G und des GWB hingewiesen. Hier wird die Studie versuchen, aus der Funktion der Zuweisung nachvollziehbare und handhabbare Kriterien für die Positionen zu entwickeln, die bereicherungsrechtlich geschützt sind. Dabei ist neben dem Interesse der Rechtsinhaber am umfassenden Schutz der durch die exklusive Zuweisung abgesicherten ökonomischen Belange auch das Interesse der zwar unbefugt, aber gutgläubig handelnden Rechtsverletzer zu berücksichtigen, sich im Rahmen ihrer Handlungsfreiheit zu betätigen und die positiven ökonomischen Resultate ihres Handelns auch behalten zu dürfen. Ist die Abgrenzung von Rechtspositionen mit Zuweisungsgehalt von Interessenbereichen ohne Zuweisungsgehalt erfolgt, so stellt sich für die erstge22 v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel 1,353 ff.; ders., Grundprobleme des Bereicherungsrechts, in: Leser (Hrsg.), E.v.Caemmerer - Gesammelte Schriften I, 370ff. (378ff.).

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nannte Gruppe von Rechtspositionen die Frage nach Inhalt, Umfang und Grenzen des Zuweisungsgehalts der einzelnen Positionen. Diese Fragestellung ist von der zuvor behandelten zu unterscheiden. Rechtspositionen, die ihren Inhabern eine ausschließliche Herrschaft über die Gegenstände, auf die sie sich beziehen (etwa Sachen, urheberrechtlich geschützte Werke, Erfindungen, Marken) zuweisen, sind nicht schrankenlos. Die Grenzen des Zuweisungsgehalts sind dann erreicht, wenn entweder das Interesse des Eingreifers bzw. der Allgemeinheit an der konkreten Nutzung gegenüber das Interesse des Rechtsinhabers an der Exklusivität einer konkreten Nutzungsart des Gegenstandes überwiegt oder es sich um eine Nutzung außerhalb der rechtlich fixierten Exklusivitätssphäre handelt. Beispielhaft sei auf die Frage verwiesen, die bereits mehrfach die höchstrichterliche Rechtsprechung beschäftigt hat, nämlich ob die kommerzielle Verwertung fotografischer Aufnahmen von Gebäuden eine Verletzung des Grundstückseigentums darstellt 23 . Bei der Analyse beider eben angerissenen Fragestellungen ist besonders die einschlägige Rechtsprechung heranzuziehen; in ihr scheinen die in der Praxis relevanten Fallkonstellationen auf.

II. Fragen des Anspruchsinhalts Nicht nur die Grundlagen der Eingriffskondiktion und ihr Tatbestand sind in der wissenschaftlichen Diskussion heftig umstritten, divergente Auffassungen zeigen sich auch bei der Rechtsfolge des Anspruchs aus Eingriffskondiktion. Nach §§ 812 11, 818 I B G B ist bei der Eingriffskondiktion ebenso wie in den Fällen der Leistungskondiktion primär das „Erlangte" einschließlich der gezogenen Nutzungen herauszugeben. Vor allem bei der unbefugten Nutzung fremder Immaterialgüterrechte ist jedoch unklar, worauf sich der Herausgabeanspruch aus Eingriffskondiktion eigentlich richtet. Im wesentlichen werden zu dieser Frage zwei Auffassungen vertreten: Die meisten Anhänger der Rechtswidrigkeitstheorien 2 4 , aber nicht nur sie 25 , favorisieren eine Haftung des Bereicherungsschuldners auf den Gewinn, den er aus der rechtswidrigen Handlung auf Kosten des Bereicherungsgläubigers gezogen hat. Einzelfragen werden unterschiedlich beurteilt, so das Problem, wie die Einzelbeiträge im Verhältnis zum Gesamtertrage zu trennen sind, wenn ein Gewinn Ergebnis einer komplexen wirtschaftlichen Aktivität mit einer großen Zahl von beitragenden Faktoren war. 23 Siehe dazu B G H 20.9.1974, G R U R 1975, 500 (Tegeler Schloß); B G H 9.3.1989, N J W 1989, 2251 (Friesenhaus). 24 Siehe z. B. Schulz, System der Rechte auf den Eingriffserwerb, AcP 105 (1909), 1 ff. (428 ff.); Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung in der Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 123 ff.; Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, 97. 25 Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 122 ff.; Koppensteiner/ Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 155 ff.

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Demgegenüber will eine andere Meinung den Bereicherungsschuldner auf die Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr haften lassen 26 . Unabhängig von dem Gewinn und von der Tatsache, ob der Bereicherte überhaupt einen Gewinn gemacht hat, soll er dem Bereicherungsgläubiger den Betrag zahlen, den er hätte zahlen müssen, wenn er mit dem Bereicherungsgläubiger einen ordnungsgemäßen Lizenzvertrag abgeschlossen hätte.

III. Die praktische Bedeutung der Eingriffskondiktion im Rechtsgüterschutz Oben ist bereits darauf hingewiesen worden, daß der Schwerpunkt der Anwendung der Eingriffskondiktion heute im Immaterialgüterrecht liegt. Zwar hat sich die höchstrichterliche Rechtsprechung erst in der Mitte der siebziger Jahre dazu entschließen können, den Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion auf diese Rechtsgebiete auszudehnen 27 . Die dezidierte Ablehnung der Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion auf dem Gebiet des Immaterialgüterrechts (mit Ausnahme des Urheberrechts) durch die ältere Rechtsprechung und einen Teil des Schrifttums zwang die Praxis zur Entwicklung atypischer Rechtsbehelfe, die es ermöglichten, die Rechtsfolgen des Bereicherungsanspruch zu substituieren. So kam es zur Entwicklung der sogenannten dreifachen Schadensberechnungsmethode, die dem Gläubiger nicht nur den Anspruch wegen entgangenem Gewinn (§ 252 BGB), sondern nach seiner Wahl auch einen Anspruch auf die angemessene Lizenzgebühr oder den Verletzergewinn unter den tatbestandlichen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs eröffnete 28 . Allerdings setzt ein solcher Anspruch - da es sich um einen Schadensersatzanspruch handelt - das Verschulden des Schädigers voraus. Die Verweisung des Klägers auf den reinen Schadensersatzanspruch vermag diesen aus verschiedenen Gründen nicht immer zu befriedigen. Soweit der entgangene Gewinn gem. § 252 BGB geltend gemacht wird, so muß der Kläger nachweisen, daß ihm durch die Rechtsverletzung ein Gewinn entgangen ist, 26 BGH 24.11.1981, BGHZ 82,299ff. (Kunststoffhohlprofil II); BGH 18.12.1986, BGHZ 99, 244 ff. (248) (Chanel No. 5); Staudinger(-Lorenz), § 818, Rz. 29. 27 BGH 30.11.1976, BGHZ 68, 90 ff. (Kunststoffhohlprofil I). Anders ist die Entwicklung im Urheberrecht verlaufen. Hier hatte bereits das Reichsgericht nach anfänglichem Schwanken anerkannt, daß bei schuldloser Verletzung urheberrechtlich geschützter Positionen ein Anspruch aus Eingriffsbereicherung gegeben ist, s. RG 9.6.1928, RGZ 121,258 (Frauenberufe). 28 Siehe dazu etwa Däubler, Anspruch auf Lizenzgebühr und Herausgabe des Verletzergewinns - atypische Formen des Schadensersatzes, JuS 1969,49ff.; Schmidt-Salzer, Zur Technik der topischen Rechtsbildung: Angemessene Lizenzgebühr und Verletzergewinn als Grundlagen der Schadensberechnung, JR 1969, 81 ff.; Loewenheim, Möglichkeiten der dreifachen Berechnung des Schadens im Recht gegen den unlauteren Wettbewerb, ZHR 135 (1971), 97 ff.; Sack, Die Lizenzanalogie im System des Immaterialgüterrechts, FS Hubmann, 373 ff.; Lange, Schadensersatz, 224 ff.

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den er nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach seinen besonderen Vorkehrungen mit Wahrscheinlichkeit erwirtschaftet hätte. Der Kläger steht hier vor der Schwierigkeit, einen hypothetischen Geschehensablauf im Rahmen eines - je nach Marktstruktur - möglicherweise sehr komplexen wirtschaftlichen Gesamtgeschehens darlegen und ggf. beweisen zu müssen 29 . Nimmt man etwa als Beispielsfall eine Warenzeichenverletzung, so kann es dem Kläger außerordentlich schwer fallen, darzulegen und zu beweisen, welche Rolle gerade die unbefugte Nutzung des Warenzeichens durch den Beklagten im Hinblick auf eine negative Umsatzentwicklung oder das Unterbleiben einer U m satzsteigerung beim Kläger gespielt hat. Ein Umsatzrückgang mag auf andere Wettbewerbsfaktoren zurückzuführen sein, etwa auf günstigere Preise oder bessere Konditionen, die andere Wettbewerber den Kunden bieten konnten. Selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die Rechtsprechung die Darlegungs- und Beweislast des Klägers nach § 287 Z P O auf die Pflicht reduziert, einen Zusammenhang zwischen Rechtsverletzung und Umsatzrückgang plausibel vorzutragen, kann der Nachweis dieses Zusammenhanges sehr schwierig sein. Für die Kläger in Schadensersatzprozessen wirkt auch abschreckend, daß sie zum Nachweis des entgangenen Gewinns u . U . gezwungen sein können, ihre eigene Kostenstruktur, ihre Kalkulationen, Angaben über Kundenbeziehungen und andere vertrauliche Informationen gegenüber der beklagten Partei, die ein Konkurrent ist, offenzulegen 3 0 . Diese Probleme werden im Rahmen der dreifachen Methode der Schadensberechnung ( D S B ) dadurch aufgefangen, daß Gegenstand des Schadensersatzanspruchs nicht mehr die Einbuße des Klägers, sondern der Vermögenszuwachs des Beklagten ist. Im Unterschied zum Kondiktionsanspruch bedarf es aber für jede Schadensberechnungsmethode des Nachweises des Verschuldens des Beklagten. Gerade bei Verletzungen von Immaterialgüterrechten ist dieser Nachweis nicht selten nur schwer zu führen. Das als dringlich empfundene Bedürfnis nach angemessener Sanktionierung von Verletzungen von Immaterialgüterrechten hat dazu geführt, die Sorgfaltsanforderungen, die an ein rechtsverletzendes Verhalten zum Ausschluß des Verschuldens zu stellen sind, immer stärker heraufgeschraubt worden sind, so daß fast - wenn auch unter der Maske eines Einstehens für Fahrlässigkeit - eine Gefährdungshaftung entstanden ist 31 . Diese Entwicklung entfernte sich von den allgemeinen Verschuldenskategorien des bürgerlichen Rechts, die zwar auch nicht auf einen subjektiven Schuldvorwurf,

2 9 Siehe dazu z.B. Büsching, Der Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion im Wettbewerbsrecht, 14. 3 0 Siehe dazu Großkommentar {-Köhler), Vor § 13 U W G , Rz. 309. 31 Diese Entwicklung traf bereits frühzeitig auf Kritik, siehe Spengler, Ist das Verschuldensprinzip nicht mehr zeitgemäß? - Wandel der Schadensersatzvoraussetzungen im gewerblichen Rechtsschutz, G R U R 1958, 212 ff.

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sondern auf objektive Verschuldensmaßstäbe abstellen, und führte insoweit zu einem gespaltenen Verschuldensbegriff. Der Grund, der für die erhöhte Schutzbedürftigkeit von Immaterialgüterrechten - etwa im Vergleich zu dinglichen Rechten - angeführt wurde, war, daß diese Rechte besonders leicht verletzlich sind32; der Kern dieser Rechte liegt nicht in der Herrschaft über eine Sache, sondern in der Vorbehaltung eines gewissen, genau abgegrenzten Tätigkeitsbereichs (etwa die Nutzung einer Erfindung, die Verwertung eines Werkes, die Verwendung eines Warenzeichen) zugunsten des Berechtigten. Jeder, der über die erforderlichen Informationen und die technischen Vorrichtungen verfügt, kann ein fremdes Patent für sich nutzen, ohne daß der Patentinhaber davon in kurzer Zeit Kenntnis erlangen muß. Im Rahmen der Reichweite der Eingriffskondiktion steht in dem angesprochenen Bereich der Immaterialgüterrechte ein Instrument zur Verfügung, das die positiven Effekte einer Rechtsverletzung im Vermögen des Verletzers beseitigt und diese positiven Effekte in das Vermögen des Verletzten überträgt, soweit sie diesem zustehen. Zugleich eröffnet die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion in diesem Gebiet die Chance, im Rahmen des Schadensersatzrechts wieder zu einem einheitlichen Verschuldensbegriff zurückzukehren, da es der übermäßigen Ausdehnung der Sorgfaltspflichten aus Gründen eines effektiven Rechtsschutzes nicht mehr bedarf, da dieser - jedenfalls was die Bereicherung angeht - bereits von der Eingriffskondiktion ohne Verschulden des Verletzers geleistet wird.

IV.

Interessenkonflikt

Deutungsversuche des § 812 I 1, 2. Alt. B G B , die sich allein auf die Auslegung des positiven Bereicherungsrechts beschränkten, wären begriffsjuristisch und führten wegen der generalklauselartigen Fassung des Tatbestandes der Vorschrift allenfalls zu einer Verschleierung der in Wahrheit einer bestimmten Interpretation der Eingriffskondiktion zugrundeliegenden Wertungen. Darüber hinaus würden solche Deutungsversuche auch dem durch die technische und wirtschaftliche Entwicklung bedingten Funktionswechsel des Bereicherungsrechts nicht gerecht. Die Entwicklung der Kondiktion im römischen Recht war sehr stark an den Kondiktionstypen orientiert, die wir heute unter dem Begriff der Leistungskondiktion zusammenfassen. Die tatbestandliche und rechtsfolgenmäßige Ausgestaltung der Ansprüche war an diesem Leitbild ausgerichtet. Die Eingriffskondiktion ist als Anhängsel der Leistungskondiktion entwickelt worden. C. F. v. Savigny sah in der Eingriffskondiktion einen Ersatz für die verlorengegangene Vindikation und beschränkte die Reichweite des Rechtsinstituts auf den Schutz dinglicher Rechte. Angesichts des wirtschaftlichen Entwicklungsstandes zur Zeit v. Savignys ist dies nicht besonders 32 Beispielhaft B G H 8.10.1971, B G H Z 57, 116 (118) (Wandsteckdose II); Großkommentar(-Köhler), Vor § 13 U W G , Rz. 323.

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erstaunlich. Grund und Boden sowie körperliche Arbeit waren die wesentlichen Produktionsfaktoren seiner Zeit. Andererseits darf nicht übersehen werden, daß v. Savigny persönlich an der Ausarbeitung des ersten preußischen Urhebergesetzes beteiligt war 33 und so das Heraufziehen neuer Rechte und geschützter werthaltiger Positionen am „juristischen Güterhimmel" aus der Nähe miterlebte. Er scheint daraus für den Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion keine Folgerungen gezogen zu haben. Ist diese Haltung v. Savignys jedoch noch aus der Zeitgebundenheit zu verstehen, der jeder unterworfen ist, so ist es doch erstaunlich, daß die Immaterialgüterrechte und andere geschützte vermögensrechtliche Rechtspositionen außerhalb des sachenrechtlichen Eigentums bis weit über die Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts hinaus vom Schutzbereich der Eingriffskondiktion ausgeschlossen blieben, obwohl diese Rechte wirtschaftlich auch im Verhältnis zu den dinglichen Rechten eine immer größere Bedeutung erlangten 34 . Erweitert man den Schutzbereich der Eingriffskondiktion über das sachenrechtliche Eigentum und aus diesem abgeleitete Berechtigungen hinaus, so läßt sich der Gegenstandsbereich des Rechtsinstituts mit dem Wort vom Ersatz für die verlorengegangene Vindikation nicht mehr angemessen umschreiben. Für eine Bestimmung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion sind zunächst die widerstreitenden Interessen der Beteiligten zu ermitteln und gegeneinander abzuwägen. Die Beschreibung des Interessenkonflikts, der den Gegenstand der Eingriffskondiktion bildet, kann an dieser Stelle naturgemäß nur eine vorläufige sein, die im Fortgang der Untersuchung der Verfeinerung bedarf. Wie bereits oben erwähnt, findet die Eingriffskondiktion heute ihr Hauptanwendungsgebiet bei den Immaterialgüterrechten (Urheberrecht und gewerbliche Schutzrechte). Das Rechtsinstitut dient dabei vor allem dem Schutz dieser Rechte vor dem schuldlosen Eingriff durch Dritte 35 . Typisch ist dabei, daß der Eingreifer sich vermeintlich im Bereich der ihm zustehenden allgemeinen Handlungsfreiheit, im wirtschaftlichen Bereich: im Rahmen seiner Wettbewerbsfreiheit, bewegt und dabei unabsichtlich in ein fremdes Recht eingreift 36 . 1. Auf der einen Seite steht das Interesse des Inhabers einer rechtlich geschützten Vermögensposition, daß die (vorteilhaften) Ergebnisse wirtschaftlicher Verwertungshandlungen 37 in Bezug auf die geschützte Rechtsposition Coing, Europäisches Privatrecht II, 154 m.w.N. So ließ der BGH den Anspruch aus Eingriffskondiktion bei unbefugter Inanspruchnahme eines Patent- oder Gebrauchsmusterrechts erst im Jahr 1976 zu, siehe BGH 30.11.1976, BGHZ 68, 90 (Kunststoffhohlprofil I). 35 Selbstverständlich kann ein Bereicherungsanspruch auch dann begründet sein, wenn der Eingreifer fahrlässig oder vorsätzlich handelt. 36 Mestmäcker, Eingriffserwerb und Rechtsverletzung in der ungerechtfertigten Bereicherung, JZ 1958, 522. 37 Unter diesem Begriff sollen alle wirtschaftlich wirksamen Nutzungshandlungen an Gegenständen verstanden werden. Darunter fallen Veräußerung, Verbrauch, Nutzung i. S. v. Gebrauch, Verwertung u. ä. Handlungen. 33 34

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allein seinem eigenen Vermögen (und nicht etwa einem fremden) zugute kommen, genau so, wie nachteilige wirtschaftliche Verwertungshandlungen zu Lasten seines eigenen und - falls nicht besondere, etwa eine Schadensersatzforderung begründende Umstände vorliegen - nicht zu Lasten eines fremden Vermögens gehen. 2. Auf der anderen Seite ist das Interesse des wirtschaftlich Handelnden (hier: des Eingreifers) daran zu berücksichtigen, daß die Ergebnisse seiner Aktivitäten und Anstrengungen auf dem Gütermarkt ihm zugute kommen und nicht von anderen abgeschöpft werden, die für das Gelingen oder Mißlingen der Aktivitäten nicht das Risiko tragen. Der Eingreifer kann gegenüber der rechtlich geschützten Position des Bereicherungsgläubigers, die er unbefugt in Anspruch genommen hat, auf sein Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit nach Art. 2 I G G , im wirtschaftlichen Bereich auf seine Wettbewerbsfreiheit, verweisen. Freilich gilt sein Recht auf Handlungsfreiheit nicht grenzenlos; es reicht, wie sich bereits aus Art. 2 I G G ergibt, nur soweit, wie er durch seine Handlungen nicht in Rechte Dritter oder deren Handlungsfreiheit unbefugt eingreift. Genau diese Fallkonstellation ist es aber, die der Eingriffskondiktion zugrunde liegt. Allerdings ist bei der Interessenbewertung zugunsten des Bereicherungsschuldners zu bedenken, daß die Rechtsfolgen des Bereicherungsanspruchs ohne Rücksicht auf ein Verschulden des Eingreifers ausgelöst werden. Der Bereicherungsschuldner hat - wie durch das Fallmaterial anschaulich gemacht wird, zumeist in Verfolgung wirtschaftlicher Aktivitäten - in fremdes Recht eingegriffen und sich dieses zur Förderung seines Eigeninteresses zunutze gemacht. Typischerweise kannte er das fremde Recht nicht und mußte es auch nicht kennen, ohne daß ihm ein Vorwurf mangelnder Sorgfalt bei seiner Vorgehensweise gemacht werden kann. Eine zu weit gesteckte Reichweite der Eingriffskondiktion würde es dem Bereicherungsgläubiger erlauben, Vorteile, die der Bereicherungsschuldner zwar durch unbefugte Nutzung von Rechtspositionen des Bereicherungsgläubigers, aber in gutem Glauben handelnd, erlangt hat, weitgehend abzuschöpfen. Die zu weit gesteckte Reichweite des Anspruchs - ebenso wie ein zu ausgedehnter Anspruchsinhalt 3 8 - kann zu einer erheblichen Gefährdung wirtschaftlicher Aktivitäten führen, die aber im gesamtwirtschaftlichen Interesse, etwa im Rahmen einer ausreichenden Produktion knapper Güter oder der Förderung des technischen Fortschritts, prinzipiell erwünscht sind. Der wirtschaftlich Unternehmende, der damit rechnen muß, daß der Ertrag seiner Investitionen und Bemühungen ganz oder zum Teil 38 Man denke hier an die z.T. geforderte bereicherungsrechtliche Gewinnhaftung, s. dazu Kaiser, Die Nutzungsherausgabe im Bereicherungsrecht, 211 ff. (bejahend); König, Gewinnhaftung, FS f. v. Caemmerer, 179 ff. (rechtsvergleichend, im Ergebnis Ablehnung der Gewinnhaftung nach § 812 B G B , S. 206); Roth, Gedanken zur Gewinnhaftung im Bürgerlichen Recht, FS f. Niederländer, 363 ff. (gegen bereicherungsrechtliche Gewinnhaftung, S. 381); Weber, Gewinnherausgabe - Rechtsfigur zwischen Schadenersatz-, Geschäftsführungs- und Bereicherungsrecht, ZSR 1992, 333 ff.

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nicht ihm, sondern einem Dritten (Rechtsinhaber) zufließt, wenn er unwissentlich dessen R e c h t bei seiner Aktivität in Anspruch nimmt, wird sich überlegen, ob er seine Aktivitäten nicht in wirtschaftlichen Bereichen entfaltet, in denen er solche Risiken nicht zu erwarten hat. I m Ergebnis kann eine falsche Eingrenzung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion dazu führen, daß das gesamtwirtschaftliche Aktivitätsniveau in eine Ungleichgewichtslage gerät, indem bestimmte, erwünschte Tätigkeiten wegen des Risikos der wirtschaftlich Aktiven, einem Bereicherungsanspruch wegen schuldlosen Eingriffs in fremdes R e c h t ausgesetzt zu sein, nicht mehr im ausreichendem M a ß e ausgeübt werden. 3. Schließlich ist noch ein überindividuelles Interesse bei der Bestimmung der Reichweite der Eingriffskondiktion zu berücksichtigen. Ein großer Teil der auf Kosten eines anderen erzielten Vermögensvorteile sind nicht im Wege der Eingriffskondiktion ausgleichbar. Nicht jede Idee, nicht jeder gelungene Einfall, nicht jedes Organisationsschema eines Unternehmens sind den Urhebern in einer Weise zugeordnet, die ihnen die alleinige wirtschaftliche Verwertung dieser O b j e k t e unter Ausschluß aller anderen Personen vorbehält. D e r Grundstückseigentümer, dessen Grundstück durch die Verlegung einer Eisenbahntrasse an Wert gewinnt, kann nicht von einem Grundstückseigentümer in Anspruch genommen werden, dessen Grundstück durch die neue Streckenführung weniger wertvoll als vorher ist 3 9 . Ebenso kann der Anmelder eines Pflanzenschutzmittels bei der zuständigen Prüfbehörde, der im Rahmen des Prüfungsverfahrens unter Eingehung erheblicher Kosten Testergebnisse bezüglich des Mittels geliefert hat, von einem Konkurrenten, der ein chemisch gleichartiges Mittel herstellt und die Testreihen nicht durchführen muß, weil deren Ergebnisse bereits aus dem ersten Verfahren bekannt sind, nicht von seinem Konkurrenten die ersparten Aufwendungen als ungerechtfertigte Bereicherung herausverlangen 40 . D e r Grund, warum nicht alle denkbaren werthaltigen Gegenstände ihren Schöpfern als absolute subjektive Rechte zugewiesen sind, liegt darin, daß dann die wirtschaftliche Handlungsfreiheit und damit der Wettbewerb als Institution beseitigt würde. Die Eingriffskondiktion - und dies zeigt die vorangehende Interessenanalyse ist an einer außerordentlich sensiblen Schnittstelle zwischen exklusiv zugewiesenen Property Rights und Wettbewerb oder, juristisch gewendet, zwischen rechtlich durch absolute subjektive Rechte abgesicherten Vermögenspositionen und allgemeiner Handlungsfreiheit zu verorten. Jede Bestimmung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion hat das von der Rechtsordnung determinierte Verhältnis von subjektivem Recht einerseits und allgemeiner Handlungsfreiheit auf wirtschaftlichem Gebiet, d.h. Wettbewerbsfreiheit andererseits bei der Grenzziehung zu beachten und sorgfältig gegeneinander abzuwägen. Eine zu weite Ausdehnung des bereicherungsrechtlichen Schutzes exklusiv zugewiesener Rechts- und Vermögenspositionen geht auf Kosten der Handlungsfreiheit 39 40

Vgl. Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 14 f. Siehe BGH 9.3.1989, BGHZ 107, 117ff. (Forschungskosten).

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§ 1 Einleitung und Problemstellung

der Nichtinhaber solcher Rechtspositionen. D e r freie und lautere Wettbewerb setzt ein gewisses M a ß an Handlungsfreiheit, insbesondere an Nachahmungsfreiheit voraus, um eine Erstarrung der Marktstrukturen durch eine Verfestigung einmal errungener Wettbewerbsvorsprünge zu verhindern. Anders gewendet: jede Festlegung der Reichweite der Eingriffskondiktion, die ja auf einer Abgrenzung von exklusiv zugewiesenen Positionen und allgemeiner Handlungsfreiheit beruht, hat die Auswirkungen der getroffenen Entscheidung auf den Wettbewerb zu berücksichtigen. Exklusive Nutzungs- und Verwertungsrechte lassen sich als partieller Ausschluß des Wettbewerbs (für die Gegenstände und Handlungen, die vom Exklusivrecht erfaßt werden) auffassen und bedürfen daher in einer Rechts- und Wirtschaftsordnung, die eine grundsätzliche Entscheidung für den Wettbewerb getroffen hat, der Rechtfertigung. In der bisherigen Diskussion um U m f a n g und G r e n z e n der Eingriffskondiktion haben diese Gesichtspunkte erstaunlich wenig Aufmerksamkeit gefunden. D i e vorliegende Untersuchung wird versuchen, bei der Diskussion um die richtigen Kriterien für die Abgrenzung des Anwendungsbereichs der E i n griffskondiktion diese Aspekte stärker zu berücksichtigen.

V. Vorgehensweise und Gang der Darstellung Rechtsmethodisch läßt sich die Frage nach Reichweite, U m f a n g und G r e n zen der Eingriffskondiktion, wie sie in § 8 1 2 1 1 , 2 . Alt. B G B geregelt ist, als ein Problem der Gesetzesauslegung auffassen. F ü r die Eingriffskondiktion bestimmt das Gesetz in recht dürren Worten, daß dem Bereicherungsgläubiger zur Herausgabe verpflichtet ist, „wer . . . in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen G r u n d erlangt . . . " . Oberflächlich betrachtet geht es lediglich um die Auslegung dieser Passage des Gesetzestextes. In Wirklichkeit aber stellt die Vorschrift den Interpreten deshalb vor größere Probleme, weil die Vorschrift mit wertausfüllungsbedürftigen unbestimmten Rechtsbegriffen gespickt ist (in sonstiger Weise, auf dessen Kosten, ohne rechtlichen Grund) und in ihrer Unbestimmtheit den Charakter einer Generalklausel trägt, die zu abstrakt ist, u m unmittelbar der Subsumtion zugänglich zu sein und die daher der Konkretisierung bedarf. D i e mit der Unbestimmtheit des Gesetzestextes verbundenen Probleme waren bereits im Gesetzgebungsverfahren zur Kodifizierung des Bereicherungsrechts selbst angelegt 4 1 . D i e 2. K o m m i s s i o n entschloß sich dazu, im U n terschied zu den vorhergehenden Entwürfen an die Spitze der Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung eine N o r m zu stellen, die das Prinzip der Kondiktionen zum Ausdruck bringen sollte. Dabei handelt es sich um den späteren § 812 B G B . D i e K o m m i s s i o n verzichtete aber darauf, etwa entsprechend der deliktsrechtlichen Generalklausel des § 823 I B G B in den Bestim41

Siehe Mugdan II, Motive, 476.

$ 1 Einleitung und Problemstellung

17

mungen zu den Nichtleistungskondiktionen einen Katalog von Rechtsgütern anzugeben, bei deren unbefugter Inanspruchnahme ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gegeben sein sollte. Es ist daher Aufgabe von Rechtsprechung und Wissenschaft, Reichweite, Anwendungsbereich und Rechtsfolgen der Bereicherung wegen Eingriffs im Rahmen des durch die gesetzlichen Vorschriften nur grob vorgezeichneten Rahmens zu bestimmen und dafür die jeweils tragenden Gründe anzugeben. Der Gesetzgeber stellte den Anspruch aus Kondiktion erkennbar ganz auf die Grundlage der Vermögensverschiebungsdoktrin: Voraussetzung eines Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung war der rechtsgrundlose Ubergang eines Vermögensbestandteils des Kondizienten in das Vermögen des Bereicherungsschuldners. Zur Klarheit der Abgrenzung des Bereicherungsanspruchs auf dieser dogmatischen Grundlage trug nicht bei, daß der Gesetzgeber selbst die Anwendbarkeit des Kondiktionsanspruchs bei Rechtspositionen anordnete, die noch nicht Bestandteil des Kondizienten-Vermögens gewesen waren. Zunächst hatte § 737 des 2. Entwurfs zum B G B vorgesehen, daß derjenige zur Herausgabe verpflichtet sei, der „aus dem Vermögen eines Anderen" etwas rechtsgrundlos erlangt habe. Diese Formulierung wurde von der Kommissionsmehrheit als zu eng empfunden. Sie entschloß sich daher, den Terminus „aus dem Vermögen" durch die Wendung „auf dessen Kosten" zu ersetzen. Es gebe im Bereich des Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung auch Fallkonstellationen, bei denen der Gegenstand der Bereicherung noch nicht in das Vermögen des Kondizienten übergegangen sei, aber doch „den Vermögensstand desselben berühre" 4 2 . Auf diese Erweiterung des Vermögensbegriffs ist in der späteren Diskussion über die Reichweite des Anspruchs aus Eingriffskondiktion Bezug genommen worden, um Defizite und Unzulänglichkeiten zu überwinden, die aus der tatbestandlichen Enge des Bereicherungsanspruchs auf der Grundlage der Vermögensverschiebungstheorie herrührten. Diese Schwierigkeiten der Vermögensverschiebungstheorie mit der Erfassung der „kondiktionswürdigen" Sachverhalte vor allem im Bereich der Eingriffskondiktion führte zur Entwicklung alternativer dogmatischer Grundlagen für diesen Typ des Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung in Gestalt der Rechtswidrigkeitstheorie und der Zuweisungsgehaltslehre, die beide in unterschiedlichen Varianten vertreten werden. Das I. Kapitel der vorliegenden Untersuchung dient der Darlegung der alternativen dogmatischen Ansätze der Eingriffskondiktion und wägt die Vor- und Nachteile dieser Ansätze miteinander ab. Dies geschieht, um einen dogmatischen Ausgangspunkt für diese Studie zu gewinnen. Die Untersuchung entscheidet sich für den Zuweisungsgehalt des subjektiven Rechts als das relevante Kriterium zur Bestimmung von Reichweite und Inhalt des Anspruchs aus Eingriffskondiktion. 42

Siehe Mugdan II, Protokolle, 1171.

18

§ 1 Einleitung und

Problemstellung

Die unterschiedlichen dogmatischen Ansätze der Eingriffskondiktion spiegeln divergente Funktionalisierungen des Rechtsinstituts im Rahmen des bürgerlichen Vermögensrechts wider, dem die Eingriffskondiktion zugehört. Das bürgerliche Vermögensrecht bildet den rechtlichen Rahmen für die privatautonome Verfügung über Güter, die die Rechtsordnung den Rechtssubjekten in spezifischer Weise, nämlich durch Ausschließlichkeitsrechte zuweist. D e m Schutz der Zuweisungen, die durch Ausschließlichkeitsrechte gewährleistet werden, dient eine große Anzahl von Rechtsinstituten und Rechtsnormen des Privatrechts, etwa der Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch des § 1004 B G B , die Vorschriften des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses, die N o r m e n des Deliktsrechts nach §§ 823 ff. B G B , die unechte Geschäftsführung ohne Auftrag nach § 687 II B G B . Hinzu kommen die Vorschriften, die im Rahmen der Gesetze über die Immaterialgüterrechte besonderen Schutz für diese Rechte vorsehen. Die Lehre vom Zuweisungsgehalt subjektiver Rechte verknüpft den Schutzbereich der Eingriffskondiktion mit dem Konzept des subjektiven (Vermögens-)Rechts. Wegen des Zusammenhangs der Eingriffskondiktion mit dem Transfer von Gütern, die durch Ausschließlichkeitsrechte einzelnen Rechtssubjekten zugeordnet sind, kann sich bei der Bestimmung von Funktion und Reichweite der Eingriffskondiktion die ökonomische Analyse des Rechts als aufschlußreich erweisen. Im Rahmen der Ö k o n o m i e befaßt sich die Lehre von den Property Rights mit der Funktion, der Entstehung, dem Inhalt und dem Tansfer von Handlungsbündeln an knappen Gütern im Rahmen marktlicher Tauschprozesse. Die Theorie der Property Rights erklärt, warum ausschließliche Berechtigungen an knappen Gütern für eine optimale Allokation von Ressourcen und dem Funktionieren marktlicher Austauschbeziehungen unverzichtbar sind und warum ein freier Zugriff auf vorhandene Ressourcen für jedermann nicht zu einer effizienten Ressourcenallokation führen würde. Kapitel II der Studie versucht, die Funktion der Eingriffskondiktion für eine Rechtsordnung ökonomisch zu begründen, die den Rahmen zum Vollzug privatautonom getroffener Transferentscheidungen bildet. Dabei wird vor allem deutlich, daß es die Aufgabe der Eingriffskondiktion ist, bei einem Versagen des Kontraktmechanismus bei rechtlich nicht gebilligten Gütertransfers entweder die Ausgangsverteilung wiederherzustellen oder, falls dies nicht möglich ist, einen Zustand zu schaffen, der der Situation möglichst nahekommt, die bestehen würde, wenn die Parteien des Transfers sich vertraglich auf seine Bedingungen, insbesondere auf den Preis für die Inanspruchnahme des fremden Guts, geeinigt hätten. Der Eingriffskondiktion kommt im Rahmen des durch das außervertragliche Schuldrecht gewährleisteten Rechtsgüterschutzes die Rolle einer „Auffangordnung" zu, die dann zum Einsatz kommt, wenn ein Gütertransfer stattgefunden hat, der vom Inhaber des in Anspruch genommenen Rechts nicht konsentiert war. Die ökonomische Analyse des Rechts, genauer: die Theorie von den Property Rights vermag aber, wie sich zeigen wird, nicht nur einen

§ 1 Einleitung

und

Problemstellung

19

Beitrag zu Funktion und Anspruchsbegründung der Eingriffskondiktion zu leisten, sondern auch zu der Frage des Inhalts des Bereicherungsanspruchs. Die Grundlagen der Eingriffskondiktion aus ökonomischer Sicht werden in Kapitel II der Arbeit dargestellt. Im III. Kapitel geht es demgegenüber um die rechtlichen Fundamente der Eingriffskondiktion. Dabei wird zunächst gezeigt, wie unterschiedlich sich die theoretischen Ansätze zur Bestimmung des Zuweisungsgehalts darstellen und wie stark dadurch innerhalb der Zuweisungsgehaltslehre die Auffassungen über die Reichweite der Eingriffsbereicherung auseinandergehen. Zur Gewinnung eines eigenen Ansatzes für die inhaltliche Bestimmung des Konzepts des Zuweisungsgehalts wird noch einmal auf die ökonomische Theorie der Property Rights zurückgegriffen. Klar ist dabei, daß sich das ökonomische K o n zept der Property Rights nicht unvermittelt in das juristische Normensystem transponieren läßt, wenn auch die Nähe zu den absoluten subjektiven Rechten unverkennbar ist. Für die inhaltliche Bestimmung des Konzepts des Zuweisungsgehalts und die damit verbundene Festlegung der Reichweite der Eingriffskondiktion bedarf es der Entwicklung von Kriterien, die einerseits die grundlegende Bedeutung ausschließlicher Berechtigungen an knappen Gütern für die Allokationseffizienz berücksichtigen, andererseits aber auch die wirtschaftliche Handlungsfreiheit von Konkurrenten und anderen Marktteilnehmern nicht über Gebühr, d. h. in einem den wirtschaftlichen Wettbewerb beeinträchtigenden Ausmaß, einschränken. In den Kapiteln IV. bis VI. wird versucht, den bereicherungsrechtlichen Zuweisungsgehalt, seinen Inhalt und seine Grenzen in Bezug auf bestimmte Rechte und Rechtspositionen des Privatrechts unter Anwendung der zuvor entwickelten Kriterien festzulegen. Unbestritten ist im Rahmen der Zuweisungsgehaltslehre die Zuweisungsgehaltsfähigkeit der absoluten subjektiven Rechte des Sachenrechts und des Immaterialgüterrechts. Hier geht es der U n tersuchung im wesentlichen um die Bestimmung des Inhalts und der Grenzen dieses Zuweisungsgehalts. Bei einigen weiteren Rechtspositionen ist die Zuweisungsgehaltsfähigkeit selbst umstritten, etwa bei der Anwendbarkeit des § 812 I 1, 2. Alt. B G B auf Positionen, die durch Normen des U W G geschützt sind. Im Verlauf der Studie wird deutlich werden, daß die grundlegenden Entscheidungen für die Frage, ob und in welchem Umfang eine Rechtsposition einen bereicherungsrechtlich geschützten Zuweisungsgehalt besitzt, sehr wesentlich außerhalb des Bereicherungsrechts getroffen werden, nämlich in denjenigen Rechtsmaterien, die die Arten von Berechtigungen, ihre Zuordnung und ihren Umfang festlegen. Diese Materien sind demnach - ebenso wie die ökonomische Frage nach Gründen und Funktion exklusiver Zuordnungen - in die Untersuchung einzubeziehen. Das VII. Kapitel der vorliegenden Arbeit befaßt sich mit einigen Kernproblemen des Anspruchsinhalts bei der Eingriffskondiktion, insbesondere der

20

§ 1 Einleitung und

Problemstellung

Bestimmung des nach § 812 I 1 BGB erlangten Etwas sowie mit der Frage, ob der Wertersatz nach § 818 II BGB auch einen durch den Bereicherungsschuldner mit der Rechtsverletzung erzielten Gewinn erfaßt oder sich nur auf die Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr beschränkt.

Kapitel I

Die dogmatischen Grundlagen der Eingriffskondiktion § 2 Uberblick über die historische Entwicklung des Rechtsinstituts Das Recht der Kondiktionen ist ein Kind des römischen Privatrechts. Entstanden ist diese Klageart des strengrechtlichen Legisaktionenverfahrens wohl im 2./3. Jhdt. v. Chr. Seit ihrer Entstehung sind die Kondiktionsansprüche über die Jahrhunderte erweitert und verfeinert worden. Der Grundgedanke, der bereits den Kondiktionen des klassischen römischen Rechts zugrunde lag, hat sich jedoch niemals geändert: hat jemand von einem anderen einen Vermögenswert erlangt, ohne daß ein wirksamer Grund zum dauerhaften Behalten dieses Wertes vorhanden ist, so muß die Rechtsordnung einen Anspruch auf die Rückführung des Erlangten gewähren1. Die in der klassischen wie der nachklassischen Periode des römischen Rechts entwickelten Typen und Tatbestandsvoraussetzungen der Kondiktionen sind von der deutschen Pandektistik aufgenommen worden und haben auch die Gesetzgebungsarbeiten zum 24. Titel des B G B nachhaltig beeinflußt. Mehr als in anderen Rechtsgebieten, wie etwa im Vertragsrecht oder im Deliktsrecht 2 , wurde die Auslegung der Vorschriften des B G B über die ungerechtfertigte Bereicherung von schon im römischen Recht entstandenen Vorstellungen beherrscht. Als Beispiel sei etwa auf die auch noch bis in die zweite Hälfte unseres Jahrhunderts herrschende Lehre von der Vermögensverschiebung als Voraussetzung der Eingriffskondiktion hingewiesen. Das Erfordernis der Vermögensverschiebung wurde unter Rückgriff auf das römische Recht begründet. Erst mit dem „System der Rechte auf den Eingriffserwerb" von F. Schulz und der maßgeblich von Wilburg und 1 Siehe Käser, Das Römische Privatrecht I, 592; den., Römisches Privatrecht, § 48 I; Kupisch, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1. 2 Das Inkrafttreten des B G B schnitt im allgemeinen sehr wirkungsvoll den Rückgriff auf die inhaltlichen, konstruktiven und dogmatischen Elemente der Pandektistik ab. Allerdings gibt es auch hier einige Ausnahmen wie etwa das Kondiktionenrecht, aber auch die Geschäftsführung ohne Auftrag, bei denen die römisch-rechtlichen Vorbilder auch noch während der Kodifikation wirkungsmächtig blieben.

22

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

v. Caemmerer entwickelten Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte als Grundlage der Eingriffskondiktion wurde eine allmähliche Befreiung der Konzeption der Eingriffsbereicherung von den Fesseln des römisch-rechtlichen Kondiktionenrechts eingeleitet. Aber auch heute noch wird nicht selten für die Lösung aktueller bereicherungsrechtlicher Fragen auf die römisch-rechtlichen Vorbilder zurückgegriffen 3 . O b und inwieweit der Rückbezug auf die Rechtssätze und Parömien des römischen Rechts heute noch eine Riehtigkeitsgewähr bei der Anpassung des überkommenen Bereicherungsrechts an die wegen der wirtschaftlich-technischen Entwicklung geänderten ökonomischen Rahmenbedingungen bietet, in denen die Eingriffskondiktion ihre Funktion zu erfüllen hat, erscheint zumindest fragwürdig. Jedenfalls ist zu konstatieren, daß sich die moderne Dogmatik des Bereicherungsrechts zunehmend von den römisch-rechtlichen Vorbildern freimacht. Allerdings lassen sich die Entwicklungen des modernen Bereicherungsrechts, die etwa zur Herausbildung der Eingriffskondiktion 4 als eines im Verhältnis zur Bereicherung durch Leistung systematisch und tatbestandlich separaten Kondiktionstyps und damit zu einer Trennung der bis dahin als Einheit aufgefaßten Bereicherungsansprüche des § 812 I B G B geführt haben, ohne eine Berücksichtigung der rechtsgeschichtlichen Grundlagen des Kondiktionenrechts nicht verstehen. In einer gerafften Form soll im folgenden ein Uberblick über diese Grundlagen gegeben werden.

I. Die Herausbildung der Kondiktionen im klassischen römischen Recht und ihre Funktionen 1. Die Entwicklung der Kondiktionen im klassischen römischen Recht als Herausgabeklagen für ungerechtfertigte Vorenthaltung Erwarb jemand einen Gegenstand aus dem Vermögen eines anderen, ohne einen Grund zum Behaltendürfen des Gegenstandes zu besitzen, so bedurfte es eines Rückforderungsanspruchs, um die „richtige" Rechtslage wiederherzustellen. Hatte der Empfänger nicht das Eigentum an einer Sache erworben, so stand dem Eigentümer nach dem klassischen römischen Recht die rei vindicatio zu Gebote, um wieder in den Besitz seiner Sache zu gelangen5. Diese Klage half jedoch in den Fällen nicht, in denen das Eigentum auf den Empfänger über3 Als Beispiel sei hier nur auf eine neuere Arbeit von Jakobs, Lucrum ex negotiatione. Kondiktionsrechtliche Gewinnhaftung in geschichtlicher Sicht, hingewiesen, in der er Fragen der kondiktionsrechtlichen Gewinnhaftung behandelt und in diesem Rahmen Rückschlüsse auf das moderne Recht aus einer Exegese des römischen Rechts zieht. 4 Als Unterkategorie der Nichtleistungskondiktionen. 5 Käser, Das Römische Privatrecht I, 592.

§ 2 Überblick

über die historische

Entwicklung

23

gegangen war. Dafür bedurfte es besonderer Rückforderungsklagen. Zu diesem Zweck schufen die Römer die legis actio per condictionem 6 . Entwickelt hatte sich diese Klage ursprünglich für die Rückforderung eines formlosen Darlehens (mutuum), welches anfangs - wegen der Formlosigkeit des Versprechens - wohl keine Rechtsverbindlichkeit besaß. Die Weigerung des Schuldners, das ihm für einen vorübergehenden Zeitraum überlassene Geld oder die ihm überlassenen Sachen zurückzugewähren, wurde dem Diebstahl bzw. der Unterschlagung gleichgestellt. In der Anfangszeit der römischen G e schichte vor dem Zusammenschluß der gentes zum populus romanus vollzogen sich Austauschgeschäfte nicht in rechtlichen Formen und Kategorien, etwa durch die Ubergabe einer Sache durch den Berechtigten an den Erwerber aufgrund einer Verpflichtung, sondern durch die - vom Berechtigten geduldete -Wegnahme der veräußerten Gegenstände. Austauschgeschäfte bestanden demnach aus aufeinander bezogenen Befugnissen zur gegenseitigen Wegnahme; es gab in dieser Frühzeit der Rechtsentwicklung noch keine Vorstellung des Rechtsgeschäfts, sondern der Austausch wurde durch aufeinander bezogene Realhandlungen vollzogen. Die uralte Form des Erwerbs durch Wegnahme bei einem anderen spiegelt sich auch im Begriff der datio. Ursprünglich bedeutete dare nämlich nicht übereignen, sondern: dem Zugriff des anderen freigeben. Die Verweigerung der Rückgabe der als Darlehen hingegebenen Sachen oder des Geldes wurde dementsprechend zunächst als Diebstahl oder Unterschlagung angesehen. Erst die historisch später erfolgende Entwicklung des Rechtsgeschäfts ließ die Deliktsvorstellung in Bezug auf die verweigerte Rückübertragung beim Darlehen zurücktreten. Eine Besonderheit der Klageformel bei der legis actio per condictionem lag darin, daß sie den Verpflichtungsgrund verschwieg, also abstrakt in bezug auf die zugrundeliegende Obligation war. Dieser Umstand ermöglichte es den klassischen römischen Juristen, den Anwendungsbereich der Kondiktionenklage über das formlose Darlehen hinaus 7 auch auf sonstige Fälle grundloser Vorenthaltung von Geld oder Sachen auszudehnen.

2. Die Kondiktion als legis actio Die Kondiktionsklage ist als legis actio ein strengrechtliches Rechtsmittel. Daraus ergeben sich strikte Bindungen von Inhalt und Umfang der Kondiktion. Der Name der Kondiktion geht auf die für diese Klage gebräuchliche Formel zurück, bei der vom Kläger vorgetragen wurde 8 : 6 Zum Zusammenhang von rei vindicatio und condictio siehe auch Kupisch, Ungerechtfertigte Bereicherung, 7 und 10. 7 Mit der fortschreitenden Entwicklung des vertraglichen Rechtsschutzes verlor die Kondiktion beim Darlehen ihre Funktion als Rückforderungsanspruch für das Hingegebene, weil dafür zunehmend vertragliche Ansprüche zur Verfügung standen. 8 Gaius 4,17b; siehe auch Käser, Römisches Privatrecht, § 81 ll.i.;v. Lübtow, Beiträge zur Lehre von der Condictio nach römischem und geltendem Recht, 106.

24

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

Aio te mihi sestertiorum X milia dare oportere; id postulo, aias aut neges. Quando tu negas, in diem tricensimum tibi iudicis capiendi causa condico. Zu deutsch: Ich erkläre, daß du mir zehntausend Sesterzen zu zahlen verpflichtet bist; ich fordere dich auf, dies zu erklären oder zu bestreiten. Wenn du bestreitest, sage ich dir einen Termin vor Gericht zur Erlangung eines Richters am dreißigsten Tag an. Das Terminansagen hat der Kondiktion den Namen gegeben. Nach Ablauf der Frist hatte der Beklagte vor dem Praetor zur Bestellung eines Richters (iudex) zu erscheinen. Die Frist von dreißig Tagen diente dazu, den Parteien die Möglichkeit zur friedlichen Streitbeilegung einzuräumen. Die Klagformel war insofern abstrakt, als sie den Verpflichtungsgrund (z.B. ex stipulatio etc.) nicht nannte. Dieser Umstand machte die legis actio per condictionem in besonderer Weise vielfältig verwendbar. So kam es dazu, daß der Anwendungsbereich der Kondiktionsklage schnell über den Darlehensrückzahlungsanspruch hinauswuchs. Einerseits blieb sie Kontraktsklage: die Kondiktion erlaubte das Einklagen von Forderungen aus Litteralkontrakt, Stipulation u.a. Andererseits fand die Kondiktion schnell Verwendung in den Fällen rechtsgrundloser Vorenthaltung erlangter Vermögensgegenstände. Diese Anwendungsform knüpfte über die Denkfigur des Quasi-Kontrakts an den Ursprungsfall (Darlehen) an. Allerdings verminderte sich die Bedeutung der Kontraktkondiktionen mit der Entstehung der Vertragsklagen im Rahmen des Legisaktionensystems. Als Grund für die Entwicklung von gesonderten Kondiktionsklagen werden Unzulänglichkeiten der bereits vorhandenen Klagearten genannt 9 . Für dari oportere ([rück-]übereignen) von Geld oder Sachen standen als Klageformen auch die legis actio sacramento in personam wie auch die legis actio per iudicis postulationem zur Verfügung. Die Sakramentsklage diente als Vorbild für die Abstraktheit der legis actio per condictionem. Die legis actio sacramento in personam, eine Klage auf die persönliche Haftung des Beklagten, setzte die Eingehung einer Art Prozeßwette zwischen den Parteien voraus (provocatio sacramento), bei der jede Partei eine feststehende Summe setzte. Der Betrag der unterliegenden Partei wurde zum Staatsschatz eingezogen 1 0 . Demgegenüber übernahm die Kondiktionsklage von der legis actio per iudicis postulationem den Verzicht auf das Sakramentum, wenn es auch den Parteien dieser Klage gestattet war, eine entsprechende (freiwillige) Übereinkunft abzuschließen, von der der Praetor die Richterernennung abhängig machte 1 1 . Ein wesentlicher Grund zur Schaffung der legis actio per condictionem lag wohl darin, daß durch die Befreiung vom Erfordernis des Sakramentum eine 9

115. 10 11

v. Lübtow,

Beiträge zur Lehre von der Condictio nach römischem und geltendem Recht,

Käser, Römisches Privatrecht, § 81 II 1 c). v. Lübtow, a.a.O., 115.

§ 2 Überblick über die historische

Entwicklung

25

leichtere und für die Parteien bequemere Klagemöglichkeit für Rückforderungsansprüche bereitgestellt werden sollte 12 .

3. Tatbestand und Anwendungsbereich der Kondiktionsklage im klassischen römischen Recht a) Der Tatbestand der

Kondiktionsklage

Im Laufe der Zeit bildete sich eine Reihe von Tatbestandsmerkmalen für die Kondiktion heraus. Dabei handelte es sich um folgende Elemente:

aa) Datio Zur Begründung der Kondiktionsklage war der Erwerb des quiritischen Eigentums (datio) durch den Beklagten erforderlich 13 . Diese Voraussetzung weist noch auf die enge Beziehung der Kondiktion zum Darlehen hin. Allerdings wurde in der fortschreitenden Rechtsentwicklung das Erfordernis der datio, also eigentlich des „rechtsgeschäftlichen" Erwerbs, immer weiter aufgeweicht. So reichte zur Kondiktion etwa auch der mittelbare Eigentumserwerb und der Erwerb durch Ersitzung aus. Begrenzt wurde diese Ausdehnung der Erwerbsmodalitäten durch das Erfordernis eines rechtsgeschäftlichen Kontaktes (negotium contrahere [gerere]) zwischen dem Kläger und dem Beklagten, einem von einem Geschäftswillen getragenes, erlaubtes Verhalten 14 . Fehlte es an einem solchen Verhalten, etwa bei dem Uberbau auf fremdem Grund und Boden 15 , so war eine Kondiktionsklage nicht gegeben.

bb) Fehlender Rechtsgrund Als weitere Voraussetzung der klassischen Kondiktion tritt neben die datio (oder einem gleichgestellten Erwerbstatbestand) das Erfordernis, daß das Erlangte ohne Rechtsgrund (sine causa) dem Berechtigten vorenthalten wird. Eine Zuwendung an eine andere Person erfolgt aus der Sicht des Zuwendenden zur Erreichung bestimmter Zwecke, etwa um einen Kaufvertrag oder eine Schenkung zu erfüllen. Ist die Zweckvereinbarung nicht wirksam zustandegekommen oder ist an die falsche Person geleistet worden, so darf der Empfänger das Erlangte nicht behalten, weil die causa retinendi fehlt. Der causa-Begriff des römischen Rechts ist mehrdeutig. Zu unterscheiden ist bei der Eigentumsverschaffung die causa dandi, die den Rechtsgrund für die 12

v. Lübtow, Beiträge zur Lehre von der Condictio nach römischem und geltendem Recht,

115.

13 14 15

Käser, Das Römische Privatrecht I, 594. Käser, Das Römische Privatrecht I, 594 f. Iul. D. 12, 6, 33.

26

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

Übereignung als solche bildet. Daneben bedarf es aber noch einer causa retinendi, die das Behalten des wirksam erworbenen Eigentums an der erlangten Sache rechtfertigt. Der Mangel dieser zweiten causa, der Zweckvereinbarung der Zuwendung, die z.B. solvendi causa erfolgt, begründet die Kondiktion 16 . Wenn auch der causa-Begriff des römischen Rechts nicht die technische, dogmatisch durchgearbeitete Funktion des Begriffes des Rechtsgrundes im modernen Bereicherungsrecht aufweist, so scheint es doch übertrieben, von der causa als einem „Allgemeinbegriff forensischer Rhetorik" zu sprechen 17 , der - dieser Eindruck wird vermittelt - zur Legitimierung beliebiger Ergebnisse taugt.

b) Der Anwendungsbereich

der legis actio per condictionem

Im klassischen römischen Privatrecht wurde die legis actio per condictionem als einheitlicher Anspruch angesehen. Die Juristen des klassischen römischen Rechts haben - entsprechend ihrem auf die praktische Rechtsanwendung gerichteten Sinn - keine allgemeingültigen, theoretischen Grundlagen der Kondiktion formuliert, sondern nutzten die Abstraktheit der legis actio per condictionem dazu, nach und nach Tatbestandsgruppen zu entwickeln, in denen sie die Anwendung der Kondiktion als gerechtfertigt ansahen 18 . Diese Tatbestandsgruppen werden durch den Umstand verbunden, daß dem Beklagten kein rechtlich anerkannter Grund zum Behaltendürfen der vom Kläger erlangten Vermögensgegenstände zu Gebote stand. Auf diese bereits zur klassischen Zeit gebildeten Kondiktionstypen soll im folgenden kurz eingegangen werden. aa)

Solutum

indebitum

Der vielleicht wichtigste Fall der klassischen Kondiktion bildet die Herausgabe einer Zuwendung, die nicht geschuldet wurde und die zum Zweck der Schuldtilgung geleistet worden war 19 . Der Grund für das Fehlschlagen des Leistungszwecks kann z.B. darin liegen, daß die Schuldverpflichtung nicht besteht, weil ein entsprechender Vertrag nicht wirksam zustandegekommen ist, oder daß die Schuldverpflichtung nicht der Leistung entspricht 20 . Voraussetzung der Rückforderung war allerdings, daß der Leistende hinsichtlich des Bestehens des Leistungszwecks gutgläubig war 21 . Aber nicht nur bei Fehlschlagen des Erfüllungszwecks (solutio), sondern bei Verfehlen anderer Zweckvereinbarungen, konnten die Leistungen kondiziert werden, z.B. wenn sich die Parteien nicht über die Erwerbscausa geeinigt Schwarz, Die Grundlage der Condictio im klassischen römischen Recht, 220 ff. Esser, Grundsatz und Norm, 45. 18 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 7. 19 Iul. D. 12, 6, 32, 3; 26, 8, 13; Paul. D. 12, 6, 65. 20 Käser, Das Römische Privatrecht I, 596. 21 Käser, Das Römische Privatrecht 1,596, der darauf hinweist, daß auch der Empfänger der Leistung gutgläubig sein mußte oder er anderenfalls ein furtum beging. 16 17

§ 2 Überblick

über die historische

Entwicklung

27

hatten 22 oder wenn die anvisierte causa, etwa Kauf oder Schenkung, rechtlich nicht wirksam zustande gekommen ist 23 .

bb) Datio ob rem Die legis actio per condictionem war auch in den Fällen anwendbar, in denen der Zweck einer Zuwendung darin bestand, ihren Empfänger zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen zu veranlassen, zu dem er rechtlich nicht verpflichtet war 2 4 . Wurde die mit der Leistung verbundene Erwartung, etwa auf den Erhalt einer bestimmten Gegenleistung, enttäuscht, konnte das Geleistete mit der Kondiktionsklage zurückgefordert werden, weil der Leistungszweck verfehlt worden war.

cc) Condictio ob turpem rem (causa) Eine Leistung war nach dem klassischen römischen Recht ebenfalls dann kondizierbar, wenn die ihr zugrundeliegende Zweckvereinbarung gegen die guten Sitten verstieß (condictio ob turpem rem). Der Zuwendungsempfänger muß das herausgeben, was er unter Verstoß gegen die guten Sitten erhalten hat. Möglicherweise war der Anspruch verwirkt, wenn auch der Zuwendende sittenwidrig gehandelt hatte 25 .

4. Der Gegenstand

der

Kondiktion

Zur klassischen Zeit richtete sich die legis actio per condictionem zunächst auch hier wird die enge Beziehung zum Darlehen deutlich - auf certa pecunia, eine festgelegte Geldsumme; dieser Gegenstand der Kondiktionsklage ist durch eine lex Silia wohl im 2./3. Jhdt. v. Chr. eingeführt worden. Der Anspruchsgegenstand der Kondiktionsklage wurde dann durch die lex Calpurnia ebenfalls im 2./3. Jhdt. auf certa res, eine bestimmte Sache erweitert 26 . Es wird z.T. angenommen, daß bereits zu klassischer Zeit auch die Geltendmachung unbestimmter Gegenstände durch eine „condictio incerti" gestattet wurde; dies ist aber bestritten und wohl zweifelhaft 2 7 . Im Unterschied zum heutigen Bereicherungsrecht richtete sich der Kondiktionsanspruch nicht auf die zur Zeit der Geltendmachung des Anspruchs noch vorhandene Bereicherung, sondern auf die ursprünglich erlangte Sache bzw. das erlangte Geld. Bei Untergang der Sache haftet der Schuldner, wenn die Obligation perpetuiert ist. Dies ist der Ulp. D. 12, 1, 18. Käser, Das Römische Privatrecht I, 597. 24 Siehe dazu Käser, a. a. O., 597. 25 Siehe dazu Käser, a. a. O., 598; Schwarz, Die Grundlage der Condictio im klassischen römischen Recht; 175 ff. 26 Käser, Römisches Privatrecht, § 81 II.3. 27 Siehe dazu Käser, Das Römische Privatrecht I, 599 f. 22 23

Kapitel I: Dogmatische

28

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

Fall, wenn die Unmöglichkeit der Herausgabe vom Schuldner zu vertreten ist oder er sich im Leistungsverzug befand 28 .

5. Die condictio ex furtiva causa als Vorläuferin der Eingriffskondiktion Die in der klassischen Periode entwickelten Kondiktionstypen, die oben kurz dargestellt wurden, decken den Bereich der Kondiktionen ab, der heute vom Begriff der Leistungskondiktion erfaßt wird. Zuwendungen erfolgen zur Erreichung rechtsgeschäftlich vereinbarter Zwecke oder jedenfalls in Erwartung bestimmter Handlungen oder Unterlassungen des Schuldners. Voraussetzung der legis actio per condictionem war ein rechtsgeschäftlicher Kontakt (negotium contrahere) der Parteien. Weder im klassischen noch im nachklassischen römischen Recht war den Juristen die Unterscheidung zwischen Leistungs- und Nichtleistungs-, bzw. Eingriffskondiktionen geläufig 29 . Der vorangehende Versuch, tatbestandliche Konturierung und Anwendungsbereich der legis actio per condictionem nachzuzeichnen, macht das Ubergewicht von Rückforderungsfällen deutlich, die ihren Grund im Fehlschlagen rechtsgeschäftlicher Zwecksetzungen der beteiligten Parteien hatten. Das von einem Geschäftswillen getragene, zweckgerichtete Handeln war geradezu Voraussetzung der Kondiktionsklage. Neben diesen auf (in moderner Terminologie) auf Leistungen abstellenden Kondiktionstypen findet sich aber bereits im klassischen römischen Recht ein Kondiktionstyp, der für die Rückforderung nicht auf das Fehlschlagen rechtsgeschäftlicher Zweckvereinbarungen oder rechtsgeschäftsähnlicher Erwartungen der Parteien abstellt, sondern darauf, daß der Beklagte die herauszugebenden Gegenstände durch einseitigen Eingriffsakt (Wegnahme), nämlich durch Diebstahl oder Unterschlagung, erlangt hat. Der technische Name dieses K o n diktionstyps lautete condictio ex furtiva causa 30 . Es ist davon auszugehen, daß sich die condictio furtiva bereits zu der Zeit entwickelt hat, in der „dari oportere" noch nicht „übereignen", sondern: dem Zugriff eines anderen freigeben, bedeutete. In dieser Frühzeit des römischen Rechts vollzogen sich sowohl Käser, Das Römische Privatrecht I, 598. Historisch ist die Klage wegen Herausgabe des ungerechtfertigt Erlangten wahrscheinlich älter als vertragliche Herausgabeansprüche. Da sich etwa Darlehensrückgabeansprüche der Ursprungsfall der Kondiktion - zunächst wegen der mangelnden Rechtsverbindlichkeit des Darlehensversprechens mit deliktischen Vorstellungen verbanden (die Verweigerung der Rückgabe des als Darlehen Empfangenen als Diebstahl oder Unterschlagung), lassen sich deliktische Wurzeln der Ansprüche aus ungerechtfertigter Vorenthaltung vermuten. Da zu Beginn der Entwicklung der Kondiktion vertragliche Rückgabeansprüche beim Darlehen unbekannt waren, lag die Differenzierung in Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen nicht nahe. 3 0 D. 13,1. 28

29

5 2 Überblick

über die historische

Entwicklung

29

(vom Eigentümer) gewollte wie auch ungewollte Weitergaben von Sachen dadurch, daß sich der Erwerber die Sachen wegnahm. Da zu dieser Zeit sowohl der „rechtsgeschäftliche" Erwerb von Gütern als auch der Diebstahl durch Wegnahme erfolgte, stellte die condictio furtiva im Rahmen der anderen K o n diktionen keine Besonderheit dar. Dieses sollte sich jedoch ändern, als das römische Recht „dari oportere" als „übereignen" verstand. Wie oben bereits erwähnt, wurde die datio als Ubereignung Voraussetzung der Kondiktionsklage. Der Dieb hingegen erwarb kein Eigentum. D e m durch den Diebstahl Geschädigten standen nach klassischem römischen Recht zwei Rechtsbehelfe zur Verfügung: Mittels der actio furti konnte er vom Dieb als Privatstrafe den doppelten (duplum bei für nec manifestum) oder den vierfachen Wert der gestohlenen Sache (quadruplum bei für manifestum) bekommen. Allerdings verschaffte ihm diese Klage keinen Rückgabeanspruch bezüglich der Sache selbst. Zur Wiedererlangung der gestohlenen Sache stand dem Bestohlenen die rei vindicatio zu Gebote, denn er blieb ja Eigentümer. Allerdings mußte die rei vindicatio erfolglos bleiben, wenn die Sache untergegangen war oder der Dieb ohne Verschulden oder fahrlässig den Besitz daran verloren hatte 3 1 . Auch wenn der Dieb verstorben war, konnte die rei vindicatio nicht gegen seine Erben geltend gemacht werden. Es wird vermutet, daß wegen dieser Schwächen der alternativen Rechtsbehelfe bei Wegnahme von Sachen die condictio furtiva entstanden ist 32 . Die praktische Überlegenheit dieses Kondiktionstyps gegenüber den anderen Klagearten dürfte ihre Beibehaltung auch in späterer Zeit, als die anderen Kondiktionen grundsätzlich nur bei datio und einigen anderen Erwerbsmodi des Eigentums anwendbar waren, erklären. D a die condictio furtiva keinen Eigentumserwerb des Beklagten und kein von einem Geschäftsführungswillen der Parteien getragenes Verhalten voraussetzte, bildete sie im römischen Privatrecht gegenüber den anderen K o n diktionstypen eine Anomalie. D a sie auf den Akt des Diebstahls und nicht auf ein negotium gerere der Parteien abstellt, kann man in dieser Kondiktion eine frühe Vorläuferin der heutigen Eingriffskondiktion sehen.

II. Die Weiterentwicklung des Kondiktionenrechts in der justinianischen Zeit Prägend für die condictio der klassischen Zeit war ihr strengrechtlicher Charakter. Die F o r m der legis actio band die Klageart trotz der Abstraktheit in Bezug auf den Verpflichtungsgrund an genau definierte, enge Grenzen und verschaffte ihr eine präzise tatbestandliche Kontur. Ohne daß die Juristen der 31

v. Lübtow,

Beiträge zur Lehre von der Condictio nach römischem und geltendem Recht,

v. Lübtow,

a. a. O., 115 m. w. N.

114. 32

30

Kapitel I: Dogmatische Grundlagen der

Eingriffskondiktion

klassischen Zeit je eine übergreifende T h e o r i e der K o n d i k t i o n entwickelt hätten, läßt sich doch sagen, daß die F u n k t i o n der legis actio per condictionem die Rückforderung grundlos vorenthaltener Gegenstände in bestimmten, genau umgrenzten Fällen war; Erweiterungen des Anwendungsbereichs der Klage aus Gründen der allgemeinen Billigkeit und zur K o r r e k t u r als ungerecht empfundener Ergebnisse des strengen Rechts waren nicht Aufgabe der K o n d i k tionsklage. Diese klare tatbestandliche Konturierung und eindeutige Aufgabenzuweisung wurde in der nachklassischen Zeit, sichtbar im Gesetzgebungswerk des Kaisers Justinian im 6. J h d t . n. Chr., einem erheblichen Wandel unterzogen. Dieser Wandel wird vor allem in zwei Veränderungen deutlich: D i e oströmische Rechtswissenschaft zur Zeit Justinians war durch die E t h i k der griechischen Philosophie wie von den Moralvorstellungen des Christentums beeinflußt 3 3 . U n t e r dem Eindruck dieser Ideen formulierte Pomponius den berühmten Satz, daß sich niemand am Schaden eines anderen bereichern dürfe. „Iure naturae aequum est, neminem cum alterius detrimento et iniuria fieri locupletiorem", D. 50, 17, 206. „Nam hoc natura aequum est neminem cum alterius detrimento fieri locupletiorem." D. 12, 6, 14. Dieses Bereicherungsverbot - welches bereits in der aristotelischen E t h i k und in der stoischen Philosophie bekannt war - bildete die Grundlage des Verständnisses der Kondiktionen als eines Mittels, dem Gedanken von Billigkeit und Gerechtigkeit gegenüber den Härten des strengen Rechts zum D u r c h bruch zu verhelfen. Dementsprechend lud das nachklassische R e c h t den B e griff der „iusta causa" zunehmend mit Billigkeitselementen auf und machte ihn dazu dienstbar, formell gültige Vermögensverschiebungen, die materiell als ungerecht empfunden wurden, rückgängig zu machen. Wenn auch der Gedanke, daß eine unberechtigte Bereicherung rückgängig zu machen ist, bereits im klassischen R e c h t vorhanden war, so blieb es der oströmischen Rechtsschule vorbehalten, diesen - unmittelbar aus der Idee der Gerechtigkeit abgeleiteten Gedanken 3 4 - zur Grundlage der Kondiktion als allgemeiner Billigkeitsklage zu machen. Erleichtert wurde diese Entwicklung durch die Auflösung des klassischen Aktionensystems der klassischen Zeit, die eine größere Freiheit in Ausgestaltung und Weiterentwicklung der Kondiktionstatbestände erlaubte.

33 Käser, Das Römische Privatrecht II, 422; Coing, Zum Einfluß der Philosophie des Aristoteles auf die Entwicklung des römischen Rechts, SZ (Rom. Abt.) 69 (1952), 24 ff. (39 ff.); Reuter / Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 9; Esser, Grundsatz und Norm, 59. 34 Siehe Cels. D. 12,1, 32 (bonum et aequum); Afr. D. 23,3, 50 ( bonafides); Cels. D. 12,6, 47 (ius gentium).

§ 2 Überblick über die historische Entwicklung

31

1. Die Entwicklung der einzelnen Kondiktionstypen Das klassische römische R e c h t war von der Vorstellung einer einheitlichen Kondiktionsklage ausgegangen, die sich entweder auf certa pecunia oder auf certa res richtete. D i e Vorstellung von der K o n d i k t i o n als einheitlichem A n spruch hinderte nicht die Bildung von Tatbestandsgruppen der Kondiktionen zur klassischen Zeit. Diese Tatbestandstypen wurden von den oströmischen Juristen aufgegriffen und im Laufe der Zeit zu selbständigen Ansprüchen weiterentwickelt. Das Ergebnis dieses Wandels sind die in den Digesten und im C o d e x im einzelnen aufgeführten und konkretisierten Kondiktionstypen.

a) Condictio indebiti Mittels der condictio indebiti kann das auf eine Nichtschuld unwissentlich Geleistete v o m Empfänger zurückverlangt werden 3 5 . D i e Digesten behandeln den Kondiktionsanspruch wegen Leistung auf eine Nichtschuld von allen Kondiktionen am ausführlichsten.

b) Die Condictio causa data causa non secuta (ob causam datorum)if> Diese K o n d i k t i o n dient der Rückforderung einer Leistung, die der Leistende in Erwartung eines Erfolges ( z . B . einer Gegenleistung des Empfängers) oder des Eintritts eines sonstigen Ereignisses erbringt, ohne daß den Empfänger eine rechtliche Pflicht zur Herbeiführung des Erfolges bzw. des sonstigen Ereignisses trifft.

c) Die Condictio ob turpem vel iniustam causam Diese K o n d i k t i o n ermöglichte die Rückforderung von Gegenständen, die aus einem sittenwidrigen oder unrechtmäßigen Grund geleistet worden sind 3 7 . Allerdings besteht der Rückforderungsanspruch dann nicht, wenn beiden Parteien die Sittenwidrigkeit zur Last fällt 3 8 .

d) Die Condictio sine causa39 Das nachklassische R e c h t entwickelte mit der condictio sine causa schließlich einen Kondiktionstyp, den das klassische R e c h t nicht gekannt hatte. D i e Ulp. D. 12, 6, 1; C. 4, 5 ; Pomp. D. 12, 6, 7. D. 12,4. 37 Ulp. D. 12, 5, 6; Paul. D. 12, 5, 1, 2. 38 Paul. D. 12, 5, 3. 39 D. 12,7; Käser, Das Römische Privatrecht II, 423; Schwarz, Die Grundlage der Condictio im klassischen römischen Recht; 209. 35 36

32

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

condictio sine causa unterscheidet sich hinsichtlich ihres Tatbestandes nicht von den anderen Kondiktionen, denen allen das Fehlen des Rechtsgrundes, der causa, gemeinsam ist. Die condictio sine causa tritt neben die speziellen Kondiktionen und findet darüber hinaus in den Fallkonstellationen Anwendung, bei denen eine Rückforderung zwar als gerechtfertigt erscheint, die aber nicht durch einen der speziellen Kondiktionstypen erfaßt werden.

e) Condictio ex lege und Condictio generalis Eine von Justinian neu eingeführte Kondiktionsart ist die condictio ex lege. Dieser Anspruch wurde in den Fällen gewährt, in denen ein Gesetz zwar eine Verbindlichkeit begründete, aber darauf verzichtete, eine besondere Klage zu bezeichnen, mit der der Anspruch verwirklicht werden konnte 40 . Daneben entstand später die (von den Glossatoren so genannte) condictio generalis, die eine Rückforderung aus Vertrag, Quasi-Kontrakt und Delikt zuläßt, wenn sich der Anspruch auf ein certum bezieht 41 . Es handelte sich dabei um eine allgemeine Billigkeitsklage, die zur Korrektur als ungerecht scheinender Vermögensverschiebungen herangezogen wurde.

f ) Condictio furtiva Die condicto furtiva, wegen ihrer abweichenden Tatbestandsmerkmale eine Anomalie unter den klassischen Kondiktionstypen, blieb auch im justinianischen Recht erhalten.

2. Anspruchsinhalt Auch nach der justinianischen Kodifikation konnte mittels des Kondiktionsanspruchs das ursprünglich Erlangte vom Beklagten herausverlangt werden. Der Anspruch beschränkte sich wohl noch nicht auf die im Augenblick seiner prozessualen Geltendmachung noch vorhandene Bereicherung 42 .

Paul. D. 13,2. Ulp. D. 12, 1, 9; siehe dazu Käser, Das Römische Privatrecht II, 424; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 9. 42 Flume, Der Wegfall der Bereicherung in der Entwicklung vom römischen zum geltenden Recht, FS für Niedermeyer, 103 ff.; Käser, Das Römische Privatrecht II, 425. Diese Auffassung ist aber stark umstritten; Schuh, Das System der Rechte auf den Eingriffserwerb, AcP 105 (1909), 1 ff. (472 f.); v. Liibtow, Beiträge zur Lehre von der Condictio nach römischem und geltendem Recht, 20 ff. und Schwarz, Die Grundlage der Condictio im klassischen römischen Recht, 307, vertreten die Meinung, daß die Beschränkung des Anspruchs auf die noch vorhandene Bereicherung bereits ein Werk der justinianischen Kompilatoren gewesen sei, welches mit dem Billigkeitsgedanken zu erklären sei. 40 41

§ 2 Überblick

über die historische

Entwicklung

33

III. Die Kondiktionen im gemeinen Recht bis zur Neuformulierung der Anspruchskategorie der Kondiktionen durch C. F. v. Savigny Die neuere Romanistik hat der Entwicklung des Kondiktionenrechts während des Mittelalters bis zur Zeit der Rezeption des römischen Rechts in Deutschland keine große Aufmerksamkeit geschenkt, weil sie sich offenbar davon keine neuen Erkenntnisse über die Entwicklung des Kondiktionenrechts versprach, die über die bereits im klassischen und nachklassischen römischen Recht gefundenen Ansätze hinausgehen43. Dieser Befund wird von den Untersuchungen, die zu dem Kondiktionenrecht dieser Periode der Rechtsgeschichte vorliegen, bestätigt. Im folgenden sollen die Ergebnisse dieser Untersuchungen nur in aller Kürze referiert werden.

1. Glossatoren/Postglossatoren

(11.-14. Jhdt.)

Ihrem exegetischen Grundverständnis folgend, verzichtete die Glosse darauf, für die Kondiktionsansprüche eine gemeinsame Grundlage zu finden. Zwar wird die Parömie des Pomponius, niemand dürfe sich zum Schaden eines anderen bereichern, als Ausgangspunkt und Grundgedanke der Kondiktionen angesehen, doch wird der Widerspruch zwischen dieser Regel der allgemeinen Billigkeit und dem strengen Recht, dem rigor iuris, deutlich gesehen, der zu einer Einschränkung des Anwendungsbereichs der Billigkeitsregel führen kann44. Dies hinderte die Glossatoren allerdings nicht daran, gestützt auf die Billigkeitsregel die condictio sine causa zu einem weitgespannten Rechtsmittel gegen eine als unbillig empfundene Vermögensverschiebung zu machen, deren Rückgängigmachung nicht von einem anderen der im justinianischen Gesetzgebungswerk vorgesehenen Kondiktionstypen erfaßt wurde. Die Glossatoren gingen nur vorsichtig und zögernd über den Rahmen hinaus, der dem Anwendungsbereich der Kondiktionen durch die Digesten gesteckt war. Vereinzelt allerdings wurde das allgemeine Bereicherungsverbot, welches aus der Billigkeit abgeleitet wurde, herangezogen, um Fallkonstellationen, bei denen die Gerechtigkeit für einen Rückforderungsanspruch sprach, die aber nicht unter einen Kondiktionstyp zu subsumieren waren, im Rahmen anderer Rechtsinstitute zu lösen. Der Einfluß des allgemeinen Bereicherungsverbots beschränkte sich somit nicht allein auf die Kondiktionen, sondern erstreckte sich auch auf andere Rechtsinstitute, wie z.B. die negotiorum gestio. So schlug Martinus etwa vor, dem Eigentümer einer gestohlenen Sache gegenüber dem gutgläubigen Ver43 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 10; Flume, Der Wegfall der Bereicherung, 140 f. 44 v. Mayr, Der Bereicherungsanspruch des deutschen bürgerlichen Rechts, 3; Dawson, Unjust Enrichment. A Comparative Analysis, 67.

34

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

äußerer auch dann einen Anspruch auf den Veräußerungserlös zu gewähren, wenn der Eigentümer gegenüber dem Erwerber seinen Herausgabeanspruch auf die Sache geltend machen könnte 45 . Die Digesten gewähren einen solchen Anspruch nur, wenn die Sache selbst etwa wegen Untergangs nicht mehr vindizierbar ist46. Die Auffassung des Martinus hat sich allerdings bei seinen Nachfolgern nicht durchgesetzt 47 . Martinus zog die negotiorum gestio auch heran, um demjenigen, der Verwendungen auf ein fremdes Grundstück gemacht und damit den Eigentümer bereichert hatte, einen Ausgleichsanspruch zu verschaffen 48 . Das klassische und das justinianische Recht hatten in einem solchen Fall keine Klage vorgesehen. Darüber hinaus baute die Glosse die condictio sine causa des Corpus iuris justinianus zur condictio generalis aus, die an die Stelle aller anderen Kondiktionen treten kann, wenn deren Tatbestand zwar nicht vorliegt, aber trotzdem ein Rückforderungsanspruch aus Billigkeitsgründen als gerechtfertigt erscheint. Die Glossatoren, von denen vielleicht Martinus, Accursius und Azo die bedeutendsten Beiträge zum Recht der Kondiktionen geleistet haben, unterwerfen die Kondiktionen nicht einem einheitlichen Prinzip, sondern sahen - trotz des allgemeinen Bereicherungsverbots - jede Kondiktion für sich. Auch die Postglossatoren entwickelten kein gemeinsames konstruktives Prinzip der Kondiktionen. Allerdings kommt Bartolus einem solchen gemeinsamen Prinzip nahe, wenn er den Grund der Kondiktionen darin sieht, daß es dem Empfänger einer Vermögensverschiebung an einem Grund zum Behaltendürfen des Erlangten mangelt49. Baldus, ein Schüler des Bartolus, griff diesen Ansatz indes nicht auf, sondern stützte die Kondiktionen entsprechend den Vorbildern der Glossatoren, auf den Quasi-Kontrakt 50 .

2. Die Kondiktionen

im gemeinen

Recht vor v. Savigny

Die gemeinrechtliche Literatur vor der Neuformulierung des Rechtsgebiets in v. Savignys System widmet den Kondiktionen nur einen recht knappen Raum. Häufig werden die Kondiktionen als „vermischte Fälle" oder als „Obligationen aus verschiedenen anderen Gründen" behandelt 51 . Zum Teil wird die condictio indebiti als Quasi-Kontrakt eingeordnet, während die anderen anerkannten Kondiktionen als verschiedene andere Obligationen, „für welche sich kein allgemeiner Grund, als etwa die natürliche von den Gesetzen anerkannte

45 46 47 48 49 50 51

Siehe dazu Dawson, Unjust Enrichment. A Comparative Analysis, 71. Afr. D. 12, 1, 23; C. 4, 51, 1; C. 3, 32, 3. Dawson, a.a.O., 71. Dawson, a.a.O., 68. v. Mayr, Der Bereicherungsanspruch des deutschen bürgerlichen Rechts, 5. v. Mayr, a. a. O., 6. Mackeldey, Lehrbuch des heutigen Römischen Rechts II, Vor § 458.

§ 2 Überblick

über die historische

Entwicklung

35

Billigkeit angeben läßt" 5 2 , qualifiziert werden 5 3 . Die condictio sine causa wird als allgemeiner Kondiktionstatbestand aufgefaßt, der alle anderen Kondiktionstypen in sich aufnimmt und diese ergänzt. N u r vereinzelt werden die Kondiktionen noch mit dem Bereicherungsverbot in Verbindung gebracht. Einhelligkeit herrscht darüber, daß im Wege der K o n diktion nicht jegliche Vermögensverschiebung rückgängig gemacht werden kann, sondern nur solche Fallkonstellationen erfaßt werden, bei denen ein Eigentumsübergang oder jedenfalls eine (willentliche) Ubergabehandlung stattgefunden hat 5 4 . Insgesamt ist festzustellen, daß sich die Pandektistik bis zum „System des heutigen römischen Rechts" C.F. v. Savignys stark an den römisch-rechtlichen Vorbildern orientiert. Die Kontur einer Eingriffskondiktion als eigenständiger Kondiktionstyp neben denjenigen Kondiktionen, die der Korrektur fehlgeschlagener Leistungszwecke dienen, ist nicht erkennbar. Der Anspruch richtet sich inhaltlich im älteren gemeinen Recht noch auf das Empfangene und nicht auf die zur Zeit der Geltendmachung des Anspruchs noch vorhandene Bereicherung. Diese Beschränkung des Anspruchs auf die noch vorhandene Bereicherung ist eine Neuerung, die das jüngere gemeine Recht im 19. Jhdt. unter Hinweis darauf eingeführt hat, daß es unbillig sei, den gutgläubigen Bereicherungsschuldner auch dann haften zu lassen, wenn die Bereicherung ohne sein Verschulden nicht mehr vorhanden ist 55 . Diese Auffassung, die zunächst heftig bekämpft wurde 5 6 , hat sich durchgesetzt und ist in § 8 1 8 III B G B Gesetz geworden.

3. Der Einfluß des a)

Naturrechts

Grundlagen

Im 17. und 18. Jhdt., am Ende der Rezeption des römischen Rechts in Deutschland, gewann das Naturrecht auch im Bereich des Kondiktionenrechts an Einfluß. Dabei überrascht es wenig, daß die Naturrechtler von dem auf der Billigkeit beruhenden Bereicherungsverbot ausgingen. Systematisch ordnet das Naturrecht dabei die Kondiktionen - insoweit dem römisch-rechtlichen M o dell folgend - dem Quasi-Kontrakt zu 5 7 . Mackeldey, Lehrbuch des heutigen Römischen Rechts II, Vor § 458. Vgl. näher Hammen, Die Bedeutung Carl v. Savignys für die allgemeinen dogmatischen Grundlagen des Deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs, 186. 54 v. Wening-Ingenheim, Lehrbuch des Gemeinen Civilrechts II, § 291,288; Thibaut, System des Pandektenrechts II, § 986,367; Mackeldey, Lehrbuch des heutigen Römischen Rechts II, § § 4 8 1 , 4 8 2 . 55 Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts II, 637, FN. 3; Flume, Der Wegfall der Bereicherung, 145 f. 56 Siehe die Hinweise auf ablehnende Stimmen im Schrifttum bei Windscheid, a. a. O., 637, FN. 3. 57 Wolff, Grundsätze des Natur- und Völckerrechts, 471 ff. 52

53

36

Kapitel I: Dogmatische Grundlagen der

Eingriffskondiktion

Auch das Naturrecht folgte dem Satz, daß sich niemand am Schaden eines anderen bereichern dürfe. Seine Grundlage findet dieses allgemeine Bereicherungsverbot in dem sozialphilosophischen Prinzip, daß „der Mensch verbunden ist, nicht allein sich und seinen Zustand vollkommener zu machen, und die Unvollkommenheit abzuwenden; sondern auch zur Vollkommenheit des andern und seines Zustandes, ..., soviel als ihm möglich beyzutragen" 5 8 . Daraus folgt, daß keiner einen anderen vorsätzlich oder versehentlich schädigen dürfe. Geschehe dies dennoch, so ist der Schädiger zu Ersatz des von ihm verursachten Schadens verpflichtet. D e r Schaden bestehe in dem „Verlust des Seinigen" (d. h. des Geschädigten). Trete dieser Verlust in der Weise ein, daß „das Seinige" des Geschädigten als Sache oder als Vorteil aus der Sache in das Vermögen des Schädigers gelangt, so ergebe sich die Pflicht zum Ausgleich der Bereicherung schon aus dem Schädigungsverbot 5 9 . Wolff behandelt drei Fälle des Rückgabeanspruchs: Eine Rückleistungspflicht besteht zum einen bei irrtümlicher Zahlung auf eine Nichtschuld; weiterhin wird eine Rückgabepflicht auch dann anerkannt, wenn etwas in Erwartung des Eintritts einer Ursache geleistet worden ist und es nicht zum Eintritt dieser Ursache k o m m t und schließlich m u ß auch das zurückgegeben werden, was ohne Ursache geleistet worden ist 6 0 . O b w o h l Wolff das Bereicherungsverbot - insofern abweichend v o m römischen R e c h t - aus dem allgemeinen Schädigungsverbot ableitet, bleibt er doch systematisch bei den „Leistungskondiktionen" stehen. Eine Schädigung und entsprechende Bereicherung durch usurpatorische Handlung des Bereicherten (Wegnahme) wird nicht behandelt; vermutlich verhindert die Denkfigur des Q u a s i - K o n t r a k t s die Einbeziehung entsprechender Bereicherungsvorgänge.

b) Die Kondiktionen

im ALR

Das preußische A L R ist eine der großen Kodifikationen, die auf dem B o d e n des rationalistischen Naturrechts entstanden ist. A u c h dieses kannte ein allgemeines Bereicherungsverbot, das in seiner weiten Fassung der Parömie des Pomponius nicht unähnlich ist. Teil I. 13 § 232 sieht vor: „Doch darf sich niemand die Vortheile fremder Sachen oder Handlungen ohne besonderes Recht zueignen und sich also mit dem Schaden eines anderen bereichern". Indes gibt sich das A L R mit diesem allgemeinen Bereicherungsverbot nicht zufrieden, sondern konkretisiert es, indem das Gesetzbuch drei Typen von Rückforderungsansprüchen näher regelt, nämlich: a) D i e Rückforderung wegen der Zahlung auf eine Nichtschuld 6 1 ; b) die Rückforderung wegen Leistung auf einen zukünftigen Umstand, der nicht eintritt 6 2 ; 58 59 60 61 62

Wolff Wolff Wolff ALR ALR

a.a.O., 86. a.a.O., 167. a.a.O., 477ff. I. 16 § 166. Siehe dazu Eccius/Förster, Preussisches Privatrecht II, 485 ff. I. 16 § 200; dazu Eccius/Förster, a. a. O., 495 ff.

5 2 Überblick

über die historische

Entwicklung

37

c) die Rückforderung wegen einer Leistung zu unrechtmäßigen oder sittenwidrigen Zwecken 6 3 . Die Besonderheit dieses Rückforderungsanspruchs im Vergleich zum römischen Recht liegt darin, daß bei Leistung zu einem verbotenen Zweck und bei Leistung aus sittenwidrigem Zweck nicht der Leistende, sondern der Fiskus die geleisteten Gegenstände kondizieren kann. Bei Leistungen zu unerlaubten Zwecken gilt dies auch bei Gutgläubigkeit des Empfängers. Hingegen kann der Fiskus bei der Leistung wegen unsittlichen Zwecken nur dann kondizieren, wenn der Empfänger die Unsittlichkeit des Geschäfts gekannt hat 6 4 . Inhaltlich in enger Verbindung mit den Kondiktionen steht die actio de in rem verso, die Klage wegen nützlicher Verwendung, die im A L R in I. 13 §§ 2 6 2 - 2 8 0 geregelt ist. Diese Klageart wird im Schrifttum allerdings getrennt von den Rückforderungsrechten, den Kondiktionen, behandelt. Im klassischen römischen Recht ist die actio de in rem verso eine Klage, mit der der Eigentümer eines Sklaven aus einem Geschäft des Sklaven bzw. der Vater aus einem Geschäft des Sohnes haftbar gemacht werden konnte, wenn er aus diesem Geschäft bereichert war 6 5 . Das justinianische Recht hatte die Versionsklage auf solche Fälle erweitert, in denen eine unabhängige Person mit einer anderen Person ein Geschäft abgeschlossen hatte, aus dem ein Dritter bereichert wurde 6 6 . Im älteren gemeinen Recht war es umstritten, wie dieser Anspruch einzuordnen war; z.T. wurde er der negotiorum gestio zugeordnet, teilweise aber auch als Anwendungsfall der actio de in rem verso utilis angesehen 6 7 . Darüber hinaus entwickelte sich die Versionsklage schon im älteren gemeinen Recht zu einer allgemeinen Bereicherungsklage und zu einem Mittel des Regresses, die etwa Anwendung fand, wenn jemand aus den Aufwendungen eines anderen Vorteile gezogen hatte 68 . Das A L R übernahm vom älteren gemeinen Recht die Grundidee der Versionsklage, ist jedoch in einem entscheidenden Punkt darüber hinausgegangen. Das ältere gemeine Recht hatte immer vorausgesetzt, daß dem Bereicherten der Vermögensvorteil durch einen Mittelsmann, der wiederum mit dem „Entreicherten" in vertraglichen Beziehungen stand, zugeflossen war. Das A L R hingegen erklärt die Versionsklage auch dann für einschlägig, wenn der Begünstigte den Vorteil direkt aus dem Vermögen des Zuwendenden und ohne Durchgang durch das Vermögen eines Dritten erlangt 69 . Die entsprechende Vorschrift lautet:

A L R I. 16 § 202; Eccius/Förster, a. a. O., 496 f. A L R I. 16 §§ 205, 206; Eccius/Förster, a.a.O., 498. 65 Siehe dazu Käser, Das Römische Privatrecht II, 607; Dawson, Unjust Enrichment. A Comparative Analysis, 84. 66 C 4, 26, 7, dazu Dawson, a. a. O., 85f. 67 Coing, Europäisches Privatrecht II, 501. 68 Coing, Europäisches Privatrecht II, 502. 69 Siehe die Hinweise zur Entstehungsgeschichte der Vorschrift bei Eccius/Förster, Preussisches Privatrecht II, 454 ff. 63 64

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Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

„Derjenige aus dessen Vermögen etwas in den Nutzen eines anderen verwendet worden ist, ist dasselbe entweder in der Natur zurück, oder für den Werth Vergütung zu fordern berechtigt"70. Die Anwendung der Versionsklage bei einem Direkterwerb ist von der Pandektistik überwiegend abgelehnt worden71. Unter dem Einfluß der Pandektistik ist der Anwendungsbereich der Versionsklage im preussischen Recht vom Schrifttum und von der Rechtsprechung eingeschränkt worden. Trotz des Fehlens der allgemeinen Bereicherungsklage (condictio sine causa) im ALR hat diese Haltung der Pandektistik dazu geführt, daß die Versionsklage nicht wie im französischen Recht die Rolle einer allgemeinen Bereicherungsklage übernommen hat72. Zusammenfassend ist festzustellen, daß auch das Naturrecht und auf ihm beruhende Kodifikationen - insoweit dem gemeinen Recht folgend - durch eine starke Betonung der Leistungskondiktionen gekennzeichnet sind. Ein dogmatisch und systematisch von der willentlichen Aufgabe von Vermögensbestandteilen abgehobener Kondiktionstyp, der die Rückforderung im Falle des Eingriffs in einen fremden Vermögenskreis zum Gegenstand hat, ist nicht entwickelt worden.

IV. Abschließende

Bemerkungen

Der notwendig kursorische Uberblick über die Entwicklung des Rechts der Kondiktionen vom klassischen römischen Recht bis zum gemeinen Recht vor der Neubegründung des Rechtsinstituts durch C.F. v. Savigny macht deutlich, daß in der geschichtlichen Entwicklung des Rechts der Kondiktionen die Rückforderung von Leistungen, von zweckgerichteten Vermögenszuwendungen im Fall des Fehlschlagens des Leistungszweckes73 ein klares Ubergewicht im Vergleich zur Korrektur von Vermögensverschiebungen besitzt, die auf andere Weise - etwa durch Eingriff des Bereicherten - erfolgten. Bereits im klassischen römischen Recht war es Voraussetzung der legis actio per condictionem, daß die Vermögensverschiebung, die sich als datio, Eigentumsverschaffung darstellen mußte, auf einem Geschäftswillen der Parteien beruhte. Fehlte das Element des Geschäftswillens, war die Klage nicht gegeben. Es erscheint einleuchtend, daß in einem solchen System der Rückforderungsansprüche wegen fehlgeschlagener rechtsgeschäftlicher oder rechtsgeschäftsähnlicher Zwecke die Kondiktion bei Fallkonstellationen, die nach moderner Terminologie als Eingriffe einzuordnen wären, als Anomalie erscheinen. Als Beispiel dafür sei auf die A L R I 13 § 2 6 2 . Repräsentativ v. Jhering, Mitwirkung für fremde Rechtsgeschäfte, Jherings Jb. 1 (1873), 340, FN. 68; vgl. auch Going, Europäisches Privatrecht II, 503. 72 Siehe dazu Going, Europäisches Privatrecht II, 504. 73 Insoweit wird hier davon abgesehen, daß die Kondiktionsklage in der Anfangszeit die Funktion eines (vertraglichen) Darlehensrückforderungsanspruchs besaß. 70 71

5 2 Überblick

über die historische

Entwicklung

39

condictio furtiva hingewiesen. Für die Rückforderung von Gegenständen, die ohne oder gegen den Willen des Berechtigten in das Vermögen des Beklagten gelangt waren, stand in erster Linie die rei vindicatio zur Verfügung. Die condictio furtiva wurde vor allem für die Fälle entwickelt, in denen die rei vindicatio (etwa wegen Untergangs der Sache) versagte. In späterer Zeit, etwa während der Periode der Glosse, wurden Funktionen, die im modernen Recht der Eingriffskondiktion zugewiesen sind, durch andere Rechtsinstitute übernommen. Der Anspruch auf den Kaufpreis einer durch einen Nichtberechtigten veräußerten Sache wurde der negotiorum gestio zugeordnet. Das auf Erwägungen der Billigkeit gestützte, durch Pomponius formulierte allgemeine Bereicherungsverbot hat nicht zu einer dogmatischen Strukturierung der Kondiktionen zu einem umfassenden System des Bereicherungsrechts geführt, obwohl der Zusammenhang zwischen Kondiktionen und ungerechtfertigter Bereicherung schon früh erkannt worden war74. Eine Unterscheidung von Kondiktionen bei willentlicher und zweckgebundener Zuwendung durch den Kläger einerseits und Kondiktionen, die durch den Eingriff eines Dritten in den Vermögensbestand des Klägers ausgelöst werden, ist nie gemacht worden. In klassischer Zeit wurde die legis actio per condictionem als einheitliche Klageart angesehen, in deren Rahmen zwar typische Fallgestaltungen herausgearbeitet wurden, die aber doch einheitlich blieb. Mit der Auflösung des Aktionensystems zu justinianischer Zeit und in der späteren Rechtsentwicklung bis zum gemeinen Recht ging diese Einheitlichkeit verloren. Die Kondiktionsansprüche standen mehr oder weniger unverbunden nebeneinander; hinsichtlich von Anwendungsbereich und Tatbestandsmerkmalen wurden sie als selbständige Ansprüche angesehen. Als einigendes Dach wurden sie lediglich noch durch das allgemeine Bereicherungsverbot überwölbt, welches aber im gemeinen Recht wegen seiner Allgemeinheit und Unbestimmtheit nur noch als Leitmaxime, nicht mehr aber als unmittelbar anwendbare Rechtsnorm aufgefaßt wurde. Diese Zersplitterung der Kondiktionen sollte erst durch v. Savigny aufgehoben werden. Die Entwicklung der Kondiktionen spiegelt - wohl ähnlich wie die des Vertragsrechts - den wirtschaftlichen und technischen Entwicklungsstand der Zeit wider, in der sie entstanden und entsprechend den Bedürfnissen fortentwickelt worden sind. Von der Zeit des klassischen römischen Rechts bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts hatte es das Recht der Kondiktionen im wesentlichen mit der Zweckverfehlung bei der rechtsgeschäftlichen Übertragung von Sachen und Geld zu tun. Immaterielle Wirtschaftsgüter, für deren Schutz die Eingriffskondiktion heute von großer Bedeutung ist, gab es noch nicht. Die vom Eigentümer nicht gebilligte Nutzung des Eigentums im Rahmen von uti, 74 Ein Teil des romanistischen Schrifttums nimmt an, daß der Zusammenhang zwischen Kondiktion und ungerechtfertigter Bereicherung schon dem klassischen Recht bekannt war, siehe Flume, Der Wegfall der Bereicherung, 139; Dawson, Unjust Enrichment. A Comparative Analysis, 42 ff.

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Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

fruti, abuti setzte fast immer den Besitz der Sache voraus. Für eine Korrektur der Besitzverhältnisse stand die rei vindicatio zur Verfügung. Eine Wirtschaftsordnung, deren Rechtssystem im wesentlichen den Verkehr mit beweglichen und unbeweglichen Sachen zu regeln hat, weil keine Berechtigungen an anderen Gegenständen vorhanden waren, kann sich mit Eigentumsherausgabe (und damit verbundenen N u t z u n g s - ) und Schadensersatzansprüchen begnügen. Ein allgemeiner Anspruch wegen ungerechtfertigter Vorenthaltung ist nur insoweit erforderlich, als der Eigentumsanspruch versagt und nimmt - da die Inanspruchnahme von Sachen gegen den Willen des Berechtigten keine Rechtsübertragung (datio) bewirkt - insoweit nur eine untergeordnete Stellung ein. N o c h ein anderes Element, das bereits vom klassischen römischen Recht entwickelt w u r d e , blieb bis in die erste Hälfte unseres Jahrhunderts konstant: ein Rückforderungsanspruch aufgrund einer Kondiktion w u r d e nur dann ausgelöst, w e n n ein gegenständlicher Vermögensübergang zwischen Kläger und Beklagtem stattgefunden hatte (im klassischen Recht mußte ein Eigentumsübergang, eine datio, erfolgt sein). Der als Gegenstands-(=Sach-)verschiebung begriffene Bereicherungsvorgang hat - w i e im folgenden näher gezeigt w e r d e n w i r d - auch das moderne Bereicherungsrecht noch lange beherrscht und die Integration neuer, immaterieller absoluter Berechtigungen in das System des Bereicherungsrechts erheblich behindert.

§ 3 Die sog. „traditionelle" Bereicherungslehre: das Dogma von der Vermögensverschiebung als Voraussetzung des Bereicherungsanspruchs Eingriffskondiktion als Fortsetzung des Sachenrechts mit anderen Mitteln Betrachtet man die Entwicklung desjenigen Teils des Bereicherungsrechts, der heute als Eingriffskondiktion bezeichnet wird, von der Zeit seiner Grundlegung durch v. Savigny über die Kodifikation im B G B bis in die heutige Zeit, so lassen sich drei aufeinander folgende Theoriekonzeptionen mit je unterschiedlicher Funktionszuweisung und Reichweite des Rechtsinstituts scheiden: die Lehre von der Vermögensverschiebung, die von einer einheitlichen Fassung der Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen ausging und bei der die Begründung eines Bereicherungsanspruchs eine (unmittelbare) Vermögensverschiebung zwischen Bereicherungsschuldner und Bereicherungsgläubiger voraussetzte; demgegenüber stellt die sog. Rechtswidrigkeitstheorie in ihren unterschiedlichen Spielarten die Rechtswidrigkeit des Eingriffs bzw. die Unrechtmäßigkeit des Habens in den Mittelpunkt ihrer Begründung des Bereicherungsanspruchs und führt tendenziell zu einem wesentlich weiteren Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion als die Lehre von der Vermögensverschiebung. Der letzte große Versuch, die Eingriffskondiktion konzeptionell zu erfassen und ihr den neben der Leistungskondiktion und den übrigen Ausgleichsordnungen des bürgerlichen Rechts zukommenden Platz einzuräumen, ist die Lehre vom Zuweisungsgehalt subjektiver Rechte. Im Zentrum ihrer dogmatischen Überlegungen zur sachgerechten Eingrenzung der Eingriffskondiktion stehen die absoluten subjektiven Rechte und diesen verwandte Schutzpositionen. Diese Rechte weisen ihren Inhabern bestimmte Befugnisse und deren wirtschaftlichen Wert exklusiv zu. Eignet sich ein Dritter solche exklusiv dem Rechtsinhaber zugewiesenen Nutzungen an, so hat er deren Wert an den Berechtigten herauszugeben. Von der Reichweite des Bereicherungsanspruchs her steht die Lehre vom Zuweisungsgehalt zwischen der engeren Vermögensverschiebungslehre und der weiteren Rechtswidrigkeitstheorie. Letztere hat sich allerdings in Rechtsprechung und Lehre nicht durchgesetzt. Das Bereicherungsrecht der §§ 812 ff. B G B beruht in überaus deutlicher Weise auf den von C.F. v. Savigny geschaffenen Grundlagen der Kondiktionen. Gesetzgeber und ihm folgend auch Rechtsprechung und Lehre sahen lange Zeit den in § 812 I 1 B G B normierten Anspruch auf Herausgabe des durch

42

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

Leistung oder auf sonstige Weise Erlangten als allgemeinen und einheitlichen Bereicherungsanspruch an. Die Auffassung, daß es sich bei den Leistungskondiktionen und den Kondiktionen in sonstiger Weise, insbesondere bei der Eingriffskondiktion, um nach Funktion, Tatbestand und Rechtsfolge verschiedene Ansprüche handeln könne, wurde von der weit überwiegenden Meinung zurückgewiesen. Tatbestandlich setzte der Bereicherungsanspruch, gleichgültig, aufweiche Weise die Bereicherung bewirkt worden war, folgende Merkmale voraus: - eine unmittelbare Vermögensverschiebung, mittels derer ein Vermögensgegenstand aus dem Vermögen des Bereicherungsgläubigers in das Vermögen des Bereicherungsschuldners übergeht sowie - das Fehlen eines Rechtsgrundes, der dem Bereicherungsschuldner das Behalten des Erlangten gestattet und schließlich - eine Bereicherung beim Schuldner 1 . Auf die enge Verbundenheit des im BGB kodifizierten Bereicherungsrechts mit den von v. Savigny entwickelten Vorstellungen ist bereits hingewiesen worden. Zum Teil werden die diesbezüglichen Untersuchungen v. Savignys als „der repräsentative Beginn des Bereicherungsrechts" 2 der Pandektistik mit wesentlicher Bedeutung für das nachfolgende gemeine Recht und das BGB bezeichnet. Die spezifische Fassung der Bereicherungstatbestände, ihre Einheit sowie Leistungsfähigkeit und Grenzen der gesamten Konzeption sind bereits in der Reformulierung des überkommenen römisch-rechtlichen Pandektenrechts durch v. Savigny angelegt. Trotz erheblicher Defizite sowohl im Bereich der Leistungskondiktionen wie auch gerade im Gebiet der Eingriffskondiktion hat sich das von v. Savigny entworfene und von seinen Nachfolgern modifizierte Grundmodell der ungerechtfertigten Bereicherung als überaus stabil erwiesen. Zu einem „Paradigmenwechsel" in der Dogmatik des Bereicherungsrechts kam es erst mit der Entwicklung der Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte durch Wilburg und v. Caemmerer. Von der Rechtsprechung wurde diese neue Grundlegung des Bereicherungsrechts aber erst in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts rezipiert. Die auf v. Savigny zurückgehende sog. traditionelle Bereicherungslehre hat damit auch nach dem Inkrafttreten des BGB für mehr als ein halbes Jahrhundert die Dogmatik des deutschen Bereicherungsrechts beherrscht. Zum Verständnis der sog. traditionellen Bereicherungslehre sowie der bereicherungsrechtlichen Konzeptionen, die zu ihrer Uberwindung entwickelt worden sind, ist es daher angemessen, mit dem Savignyschen System zu beginnen. 1 v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts V, Beylage XIV, 525; vgl. auch v. Mayr, Der Bereicherungsanspruch des deutschen bürgerlichen Rechts, 110 ff.; Krawielicki, Grundlagen des Bereicherungsanspruchs, 2 f.; Jung, Die Bereicherungsansprüche und der Mangel des rechtlichen Grundes, 125 ff.; Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, 848 ff.; Oertmann, Recht der Schuldverhältnisse, 1326ff.; Planck, Kommentar zum BGB, §812, Anm. I.; Soergel(-Lohe), Kommentar zum BGB, § 812, Anm. 1-3. 1 Joerges, Bereicherungsrecht als Wirtschaftsrecht, 18; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 11.

5 3 Die sog. „ traditionelle

"

Bereicherungslehre

43

I. Die Grundlegung des Kondiktionenrechts durch C.F. v. Savigny Das Bereicherungsrecht steht systematisch im Schnittpunkt zwischen der dynamischen Ordnung des Rechtsverkehrs und der statischen Ordnung der den Rechtssubjekten zugewiesenen Gütern, dem - soweit die Güter dinglicher Natur sind - Sachenrecht, soweit die Güter nicht-dinglicher Art sind, dem Immaterialgüterrecht. Im Verhältnis zu dem die Zuordnung begründenden subjektiven Recht, z.B. dem Eigentum an einer Sache, kommt der Kondiktion eine dienende Funktion zu 3 . Sie hat dafür zu sorgen, daß eine eingetretene Güterverteilung, die nicht der rechtlichen Zuordnung entspricht, so korrigiert wird, daß eine Güterverteilung erreicht wird, die mit der rechtlichen Zuordnung in Ubereinstimmung steht. Zu Recht ist darauf hingewiesen worden, daß Änderungen der Organisation des Rechtsverkehrs durch das Schuldrecht und anderer Rechtsgebiete, die die Zuteilung von Gütern regeln, sich auch im Bereicherungsrecht auswirken müssen4. So wird sich etwa zeigen, daß die den Anwendungsbereich des Bereicherungsanspruchs begrenzende Vermögensverschiebungslehre, die vor dem Hintergrund einer im wesentlichen auf dem Verkehr körperlicher Gegenstände beruhenden Wirtschaftsordnung entwikkelt wurde, die Integration neu entstehender absolut zugewiesener Rechte im Bereich des Urheberrechts und des gewerblichen Rechtsschutzes nur sehr schwer zu bewerkstelligen vermochte. Der Grund dafür liegt in dem Umstand, daß Systematik, Inhalt und Grenzen des Bereicherungsrechts durch v. Savigny und seinen Nachfolgern vor dem Hintergrund eines bestimmten ökonomischen, technischen, wissenschaftlichen und juristischen Entwicklungsstandes konzipiert worden sind. Als C.F. v. Savigny die Grundlagen des heute im B G B geregelten Bereicherungsrechts in seinem Werk „System des heutigen römischen Rechts" schuf 5 , stand Deutschland an der Schwelle zur industriellen Revolution, die mit der Schaffung moderner Verkehrssysteme (Eisenbahn), der zunehmenden Industrialisierung der Güterproduktion und der Verstädterung der Bevölkerung bereits ihre Schatten warf. In dieser Phase der wirtschaftlichen Entwicklung stand die industrielle Produktion von Waren im Vordergrund. Daraus erklärt sich die Konzentration C.F. v. Savignys auf die rechtlichen Mechanismen des Verkehrs mit Sachen.

3 Wilhurg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 27 ff.; v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel I, 352 ff. 4 Siehe dazu die Hinweise von Joerges, Bereicherungsrecht als Wirtschaftsrecht, 30 ff. 5 Der V. Band des Werkes, der die Ausarbeitung des Systems der Kondiktionen enthält, ist im Jahr 1841 erschienen.

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Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

1. Die Ableitung des Bereicherungsanspruchs „einfachen, gemeinschaftlichen

aus Principe

einem.

Mit der Herausarbeitung seines Systems der Bereicherungsansprüche bezweckte C.F. v. Savigny keine Fortsetzung des überlieferten Kondiktionenrechts mit seinen durch das justinianische Recht und das Naturrecht zersplitterten Ansprüchen. Die Reformulierung dieses Rechtsgebiets im V. Band des „Systems des heutigen römischen Rechts" markiert vielmehr einen Neubeginn in dogmatischer wie systematischer Hinsicht. a) Der funktionale

Ausgangspunkt

des Prinzips

aa) Abkehr von der Funktion der Kondiktionen

und seine

als Institute

Herleitung der

Billigkeit

In dogmatischer Hinsicht erteilt v. Savigny der Auffassung des Pandektenrechts und des Naturrechts, das Bereicherungsrecht stelle ein Billigkeitsrecht höherer Ordnung dar, das dazu berufen sei, die Härten des Strengrechts abzumildern, eine klare Absage7. Er scheidet die Klagen, die für die Durchsetzung der unterschiedlichen Ansprüche zur Verfügung stehen, in solche, die bona fide und solche, die stricti iuris sind. Der Unterschied liegt darin, daß bei den stricti iuris actiones dem Richter keinerlei Ermessen bei seiner Entscheidung zusteht, wie es bei den bona fide actiones der Fall ist. Die Kondiktionen werden von v. Savigny geradezu als Beispielsfall der stricti iuris actiones dargestellt, bei denen Billigkeitserwägungen keinen Raum haben können. bb) Die Schaffung für alle positiven

einer einheitlichen Grundlage Bereicherungsansprüche

Neben der Abkehr von der Rechtsnatur der Kondiktionen als schwammige Billigkeitsinstitutionen beseitigt v. Savigny aber auch die Zersplitterung der Kondiktionen, die sich im Laufe der Jahrhunderte in der Rechtsentwicklung zwischen dem klassischen römischen Recht, in dem die Kondiktion noch als einheitliche Anspruchskategorie angesehen wurde, bis zur späten Pandektistik ergeben hatte, indem er sie umfassend aus einem gemeinschaftlichen „einfachen Princip" ableitet8. Dieses einfache, alle Bereicherungsansprüche umfassende Prinzip wird induktiv aus der Zusammenschau von Anwendungsfällen der Kondiktion entwickelt und von v. Savigny wie folgt gefaßt: v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts V, Beylage XIV, 507. v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts III, 451. 8 v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts V, Beylage XIV, 511: „Betrachten wir die Fälle, in welchen Condictionen unzweifelhaft anwendbar sind, so erscheinen uns diese auf den ersten Blick höchst mannichfaltig; dennoch lassen sich dieselben auf ein sehr einfaches Princip zurück führen, welches sich durch bloße organische Bildungskraft zu jener Mannichfaltigkeit entfaltet hat, fast ohne Eingriff der Gesetzgebung." 6

7

§ 3 Die sog. „ traditionelle"

Bereicherungslehre

45

„Alle diese Fälle also haben miteinander gemeinsam die Erweiterung eines Vermögens durch die Verminderung eines anderen Vermögens, die entweder stets ohne Grund war, oder ihren ursprünglichen Grund später verloren hat"9. Mit dieser Formulierung führt v. Savigny alle im Pandektenrecht getrennt nebeneinander existierenden Kondiktionen zusammen. In ihr spiegelt sich in prismenhafter Verdichtung die Funktion des Bereicherungsanspruchs als eines gegenständlich orientierten Rückforderungsanspruchs, der - wie v. Savigny selbst betont - immer dann zur Verfügung zu stehen hat, wenn die rei vindicatio, z.B. wegen Verlusts, Verbrauchs oder Weiterveräußerung der herausverlangten Sache an einen unbekannten Dritten versagt10. cc) Die Bildung eines einheitlichen bei der Leistungskondiktion

Tatbestandes

Die hervorstechende Leistung v. Savignys auf dem Gebiet des Bereicherungsrechts liegt darin, daß er ein System entwickelt hat, welches die Zusammenfassung der im nachklassischen römischen Recht vollkommen zersplitterten Kondiktionen auf der Grundlage einheitlicher Rechtsprinzipien ermöglicht. Die gemeinsame Grundlage aller Kondiktionen leitet er nicht deduktiv aus einer vorgegebenen Funktion oder aus Sinn und Zweck der kondiktionsrechtlichen Rückforderungsansprüche ab, sondern erarbeitet sie sich durch induktive Vorgehensweise, indem er nämlich aus einer vergleichend-wertenden Analyse der Fallkonstellationen, in denen die Anwendbarkeit der Kondiktionen anerkannt ist, diejenigen Tatbestandsmerkmale herausfiltert, die allen Kondiktionen gemeinsam sind. (1) Rückforderung

aus

Darlehen

C.F. v. Savigny beginnt die Entwicklung des Bereicherungsanspruchs mit der Kondiktion zur Rückforderung eines Darlehens und folgt insoweit den römisch-rechtlichen Quellen 11 . Der Darlehensgeber übereignet dem Darlehensnehmer die Darlehensgegenstände. Dabei handelt er im Vertrauen darauf, daß ihm der Darlehensnehmer nach Ablauf der Darlehensfrist eine gleiche Anzahl von Gegenständen zurückgibt. Durch die Ubereignung begibt sich der Darlehensgeber des Schutzes durch die rei vindicatio. Die Kondiktion rechtfertigt sich durch die erhöhte Schutzbedürftigkeit des Vertrauens des Darlehensgebers auf die Rückerstattung der Darlehensgegenstände durch den Darlehensnehmer. v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts V, Beylage XIV, 525. v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts V, Beylage XIV, 515: „Uberall also erscheint die condictio als der Ersatz, der anstatt der verlornen Vindication eintritt, und dasselbe ausschließende, alternative Verhältniß zwischen diesen beiden Klagen findet sich auch in anderen Rechtsverhältnissen ...". 9

10

11

S.o. §2.

46

Kapitel I: Dogmatische

(2)

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

Verwahrung

Ebenso wie beim Darlehen rechtfertigt sich die Kondiktion bei der Verwahrung aus dem Gesichtspunkt entgegengebrachten (und enttäuschten) Vertrauens. Derjenige, der einem anderen etwas in Verwahrung gibt, vertraut darauf, daß ihm dieser den anvertrauten Gegenstand unversehrt zurückgibt. Bei Verwahrung wird kein Eigentum auf den Verwahrer übertragen, so daß der anderen Partei wegen der Herausgabe die rei vindicatio zur Verfügung steht. Verliert der Verwahrer jedoch den Besitz an den eingelieferten Sachen, etwa weil er sie für sich verbraucht, so steht dem Eigentümer der Vindikationsanspruch nicht mehr zur Verfügung. Sein Vertrauen soll daher durch die Kondiktion geschützt werden12. Daneben stützt v. Savigny den Kondiktionsanspruch hier aber auch auf den Gesichtspunkt der rechtswidrigen Handlung des Verwahrers, der dem Eigentümer die anvertraute Sache eigenmächtig und gegen dessen Willen entzieht13. (3) Kondiktion

wegen Irrtums bei der

Eigentumsübertragung

Als nächste, vom ihm als „fernere" bezeichnete Stufe der Entwicklung schließt v. Savigny die Fälle der Bereicherungsansprüche an, die heute als Leistungskondiktionen bezeichnet werden. Sie entsprechen dem Fall des Darlehens insoweit, daß auch bei ihnen Eigentum übertragen wird. Sie unterscheiden sich vom Darlehensmodell darin, daß der Zweck der Ubereignung nicht im Anvertrauen einer Sache liegt, sondern andere Absichten damit verfolgt werden, wie z.B. die Erfüllung einer Verbindlichkeit. Dabei kann der Rechtsgrund der Leistung von Anfang an gefehlt haben oder nachträglich entfallen sein. Zu dieser Gruppe der Kondiktionen zählen die condictio indebiti, die condictio causa data, causa non secuta und die condictio ob iniustam causam14. Der innere Grund für die Anwendbarkeit der Kondiktion in diesem Bereich liegt nicht in einem dem Bereicherten entgegengebrachten Vertrauen, sondern in dem Irrtum des Leistenden in Bezug auf den Bestand seiner Leistungsverpflichtung. Hier zeigt sich eine Konsequenz des für die Privatrechtskonzeption v. Savignys grundlegenden Abstraktionsprinzips. Der Eigentumsübergang rechtfertigt sich durch den Willen des Berechtigten. Dieser Wille wirkt unabhängig davon, ob sein Zustandekommen durch Irrtum beeinflußt ist. Dieser Irrtum wirkt sich daher nicht auf den Bestand des Ubereignungsgeschäfts aus. Vielmehr ist die - auf dem Irrtum beruhende -Zweckverfehlung der Leistung (etwa causa solvendi) im Wege der Kondiktion zu korrigieren.

12 13 14

v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts V, Beylage XIV, 515. v. Savigny, a. a. O., 520. v. Savigny, a.a.O., 521.

5 3 Die sog. „ traditionelle

"

Bereicherungslehre

b) Tatbestandsbildung der Nicbtleistungskondiktionen, der Eingriffskondiktion

47

insbesondere

Als weiterer wichtiger Anwendungsfall der Kondiktionen, der in der von v. Savigny verfolgten Entwicklungsgenealogie noch eine Stufe weiter vom Ursprungsfall der Darlehenskondiktion entfernt ist, werden die Kondiktionen für die Fälle herausgearbeitet, in denen der Bereicherungsschuldner entweder aufgrund seiner eigenen Handlung oder durch Zufall bereichert wird. „Auch dasjenige kann condiziert werden, was aus meinem Vermögen anders als durch meinen Willen in fremdes Eigenthum übergeht, sey es, daß der Andere durch seine Handlung oder durch zufällige Umstände auf meine Kosten bereichert wurde"15. Es ist diese Differenzierung, die in der späteren dogmatischen Entwicklung des Bereicherungsrechts die Herausbildung einer von den Leistungskondiktionen nach Funktion und Tatbestandsmerkmalen differenzierten Nichtleistungskondiktion, insbesondere einer Eingriffskondiktion, ermöglichte. Die Tragweite dieser Unterscheidung im Hinblick auf die erst durch Wilburg vorgenommene Trennung von Leistungs- und Eingriffskondiktion 16 konnte v. Savigny naturgemäß noch nicht bewußt sein. Dennoch hat er mit dieser Differenzierung die Grundlage dafür geschaffen; die als Billigkeitsrecht aufgefaßten, je einzeln für sich existierenden Kondiktionen der Pandektistik vor v. Savigny boten für eine solche Weiterentwicklung keinen Anhalt.

aa) Das Fehlen des

Willenselementes

Der wesentliche Unterschied dieses Bereicherungsanspruchs zu den zuvor behandelten Kondiktionen liegt im Fehlen des Willensmomentes bei der condictio sine causa17. Alle anderen Kondiktionen betreffen Fälle, in denen die Verschiebung eines Vermögensbestandteils aus dem Vermögen des Entreicherten in das Vermögen des Bereicherten, sei es durch Ubereignung oder durch Besitzverschaffung, mit dem Willen des Entreicherten erfolgt ist. Nur ist dieser Wille aus je unterschiedlichen Gründen nicht geeignet, das dauerhafte Verbleiben des erworbenen Vermögensgegenstandes bei dem Bereicherten zu legitimieren 18 , z. B. weil der Wille in rechtserheblich fehlerhafter Weise gebildet wurde. In den Ausgangsfällen von Darlehen und Verwahrung ist es das enttäuschte Vertrauen in die Rückgabe des Erhaltenen durch den Bereicherten, das die Kondiktion begründet, in den daran anschließenden Fällen verhindert der Irrtum des Leistenden über den Zweck der Leistung den dauerhaften Vermögensübergang. Der Vermögensübergang in der Form einer Ubereignung findet zwar statt, weil er dem - wenn auch fehlerhaft gebildeten - Willen des 15 16 17 18

v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts V, Beylage XIV, 523. Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 49. v. Savigny, a. a. O., 523. Zur Bedeutung der Willenskategorie im Vermögensbegriff v. Savignys s.u. im Anschluß.

48

Kapitel I: Dogmatische Grundlagen der

Eingriffskondiktion

Betroffenen entspricht. E r hat aber keinen Bestand und wird mittels der K o n diktion korrigiert. Wenn schon eine Vermögensmehrung beim Bereicherungsschuldner nicht von dauerhaftem Bestand sein kann, die mit dem Willen des Berechtigten erfolgt ist (wenn sich dieser Wille als fehlerhaft erweist), so ist eine V e r m ö gensverschiebung u m so mehr im Wege der K o n d i k t i o n rückgängig zu machen, die vollkommen ohne den Willen des Berechtigten stattgefunden hat, sondern auf einer Handlung des Bereicherten oder auf zufälligen Umständen beruht.

bb) Der Vermögensvorteil des Bereicherten als Bestandteil der Vermögensverschiebung Als Modellfall einer als Grundlage eines Bereicherungsanspruchs dienenden Vermögensverschiebung stand für v. Savigny die Übertragung des Sacheigentums ganz im Vordergrund. D i e Konzentration auf dingliche Rechte, insbesondere das Eigentum, ist verständlich; die s o z i o - ö k o n o m i s c h e n und technischen Randbedingungen in der Anfangsphase der industriellen Revolution in Deutschland führten dazu, daß der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Betätigung in jener Zeit im Bereich der Güterproduktion, sei es im industriellen, sei es im agrarischen Sektor, lag 1 9 . Dagegen entwickelten sich die Immaterialgüterrechte 2 0 und der gesamte gewerbliche Rechtsschutz, die Gebiete, die heute bei der Anwendung der E i n griffskondiktion nach § 812 I 1, 2. Alt. B G B in der Rechtspraxis im Verhältnis zu dinglichen Rechten klar im Vordergrund stehen, erst später. Bereicherungen, die durch die unbefugte N u t z u n g exklusiv zugewiesener Berechtigungen an nicht-dinglichen Gegenständen bewirkt wurden, hat v. Savigny bei der Ausformulierung des Erfordernisses der Vermögensverschiebung im R a h m e n seiner Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung nicht berücksichtigen k ö n nen . D e r Bereicherungsanspruch setzt die (rechtsgrundlose) Verschiebung eines Gegenstandes zwischen dem Vermögens des Bereicherungsgläubigers und dem Vermögen des Bereicherungsschuldners voraus. Dieses gemeinsame M e r k m a l aller Kondiktionstypen faßt v. Savigny folgt zusammen:

wie

„Alle diese Fälle also haben miteinander gemein die Erweiterung eines Vermögens durch Verminderung eines andern Vermögens, die entweder stets ohne Grund war, oder ihren ursprünglichen Grund verloren hat" 22 . Siehe dazu etwa Henning, Die Industrialisierung in Deutschland 1800 bis 1914, 126 ff. Der Begriff der Immaterialgüterrechte wurde durch Josef Kohler erst gegen Ende des 19. Jhdts. entwickelt. 21 Dennoch ist es falsch, wenn immer wieder behauptet wird, v. Savigny seien die Immaterialgüterrechte unbekannt gewesen. Er hat selbst am Entwurf eines Urhebergesetzes für Preußen mitgewirkt, siehe dazu Coing, Europäische Rechtsgeschichte II, 154. 22 v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts V, Beylage XIV, 525. 19

20

§ 3 Die sog. „ traditionelle"

Bereicherungslehre

49

Auf der Seite des Bereicherungsschuldners muß also eine Vermögensmehrung stattgefunden haben. Auffällig ist dabei, daß die Gegenstände, die Objekte einer Vermögensverschiebung sein können, für die verschiedenen Kondiktionstypen unterschiedlich abgegrenzt werden. Die Kondiktionen, die auf irrtümlicher Vermögensübertragung mit Willen des Berechtigten beruhen (nach heutiger Terminologie: Leistungskondiktionen) können nicht nur die Übertragung von Eigentum, sondern den Transfer aller anderen Vermögensrechte wie z.B. Nießbrauch, Forderungsabtretung, Schulderlaß, zum Gegenstand haben. Sogar die Erbringung von Arbeitsleistungen, zu denen sich der Leistende irrtümlich verpflichtet fühlte, kann zur Kondiktion führen, allerdings nur insoweit, als die Arbeitsleistung sich mit einer gezahlten Geldsumme vergleichen läßt, d. h., wenn die erbrachte Leistung einen Geldwert besitzt 23 . Demgegenüber kann ein Kondiktionsanspruch im Fall des rechtsgrundlosen Vermögensübergangs ohne oder gegen den Willen des Berechtigten nur dann gegeben sein, wenn der Bereicherungsschuldner Eigentümer der Sache geworden ist oder er sich durch die Sache bereichert hat, indem er sie für sich verbraucht oder - bei unentgeltlicher Erlangung der Sache - wenn er sie gegen ein Entgelt veräußert hat und die Sache bei dem neuen Besitzer untergegangen ist. Erlangt der Bereicherungsschuldner dagegen nicht Eigentum, sondern lediglich den Besitz an der Sache, so spricht sich v. Savigny - in Ubereinstimmung mit den römisch-rechtlichen Vorbildern - gegen die Anwendbarkeit der Kondiktionsklage aus, weil dem Berechtigten die Eigentumsherausgabeklage zur Verfügung steht. An einer späteren Stelle wird noch einmal die Voraussetzung des Eigentumserwerbs bei der „Eingriffskondiktion" hervorgehoben: „Endlich aber wird die gleiche Wirkung auch auf die grundlose zufällige Bereicherung des Einen aus dem Eigenthum des Anderen übertragen"24. Es muß davon ausgegangen werden, daß diese Differenzierung bei der Bestimmung der möglichen Gegenstände der Kondiktionen keine zufällige Abweichung oder Ungenauigkeit bei der Formulierung der Anspruchsvoraussetzungen für die verschiedenen Bereicherungstypen darstellt, sondern so beabsichtigt ist. Eine Begründung für die unterschiedliche Fassung des Gegenstands des Bereicherungsanspruchs gibt v. Savigny nicht. Zu vermuten ist aber, daß diese Differenzierung mit der Funktion des Vertrages im Rechtssystem v. Savignys zusammenhängt. Die Rechtssubjekte regeln ihre Rechtsverhältnisse privatautonom. Als freien Personen ist es ihnen freigestellt, welche Gegenstände sie zu Objekten vertraglich vereinbarten Austauschs machen. Hat der Vertrag keinen Bestand, weil er rechtserheblich von „Irrtum" beeinflußt ist, so muß konsequenterweise alles, was zur Erreichung des Vertragszwecks hingegeben wurde, wieder restituiert werden. 23 24

v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts V, Beylage XIV, 522 f. v. Savigny, a. a. O., 525; Hervorhebung durch den Verf.

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Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

Bei der Kondiktion einer Vermögensverschiebung, die auf der Handlung des Bereicherten bzw. auf Zufall beruht, sieht dies anders aus. Hier einigen sich die „Parteien" nicht auf eine vom Willen des Berechtigten getragene Vermögensverschiebung. Als Bereicherungsgegenstand kommt hier nur in Betracht, was gegenständlich in das Vermögen des Bereicherungsschuldners eingehen kann, indem er sich den Gegenstand selbst nimmt oder dieser zufällig in sein Vermögen gelangt. So ist es kaum denkbar, daß jemand zufällig oder ohne Willensbetätigung Arbeitsleistungen für einen anderen erbringt.

cc) Der Vermögensnachteil des Bereicherungsgläubigers der Vermögensverschiebung

als Element

Das Merkmal der Vermögensverschiebung im Recht der ungerechtfertigten Bereicherung setzt nicht nur einen Zuerwerb des Bereicherten voraus, sondern auch einen Vermögensverlust des Bereicherungsgläubigers. Eine den Bereicherungsanspruch begründende rechtsgrundlose Vermögensverschiebung liegt aber nur dann vor, wenn der vom Bereicherungsschuldner erlangte Gegenstand sich vorher schon einmal im Vermögen des Bereicherungsgläubigers befunden hat. „Eben so ist es aber auch nöthig, daß Dasjenige, welches dem Andern zur Bereicherung diente, vorher schon wirklich einmal zum Vermögen Dessen gehört habe, welcher darauf eine Condiction gründen will" 2 5 .

Die Voraussetzung der in dieser Form gefaßten Vermögensverschiebung sollte für die weitere Entwicklung des Bereicherungsrechts weitreichende Folgen haben. Das Erfordernis der gegenständlich orientierten Vermögensverschiebung führte bei der kondiktionsrechtlichen Behandlung bloßen Gebrauchs von Sachen zu Schwierigkeiten. Probleme bereitete auch die Integration der Immaterialgüterrechte in den Schutz des Bereicherungsrechts vor unbefugter Inanspruchnahme der geschützten Rechtsposition. Mit der Vermögensverschiebung wurde die Vorstellung des gegenständlichen Ubergangs eines Vermögensgegenstandes von dem einen in das andere Vermögen verbunden. Die darauf beruhende starke Verengung des Anwendungsbereichs des Bereicherungsanspruchs nötigte später zu fragwürdigen dogmatischen Konstruktionen, um auch - unter Beibehaltung des Erfordernisses der Vermögensverschiebung solche rechtsgrundlosen Bereicherungen erfassen zu können, bei denen keine gegenständliche Vermögensverschiebung erfolgt war. In neuerer Zeit ist bestritten worden, daß v. Savigny vorausgesetzt habe, daß der Gegenstand, der in das Vermögen des Bereicherten übergegangen ist, vorher als solcher schon einmal in dem Vermögen des Bereicherungsgläubigers existent gewesen sein mußte. Die oben im Wortlaut wiedergegebene Textstelle 25

v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts V, Beylage XIV, 526 f.

§ 3 Die sog. „ traditionelle

"

Bereicherungslehre

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müsse demgegenüber so verstanden werden, als liege eine die Kondiktion begründende Vermögensverschiebung bereits dann vor, wenn sich der Bereicherte mittels des Vermögens des Bereicherungsgläubigers, unter Nutzung seiner Vermögensgegenstände, bereichert habe. Das Erfordernis der „Veräußerung", d. h. des Ubergangs eines Rechts, habe v. Savigny nur für die condictio indebiti aufgestellt. Der Begriff der Veräußerung wird im Schenkungsrecht gebraucht. Dort bezeichnet er als Erfordernis „wahrer Schenkung", daß der Schenker gegenständlich ein Recht in das Vermögen des Beschenkten verbringen muß. „Es muß nämlich erstens Etwas aus einem Vermögen ausscheiden und in das andere hinübergehen, und es muß zweitens der letzte Erfolg dieser Veränderung darin bestehen, daß der Totalwerth des einen Vermögens vermindert, der des andern vermehrt wird ... Das erste dieser beiden, so unterschiedlichen Elemente nenne ich die Veräußerung, und es ist demnach vor allem auszuführen, daß jede Schenkung eine Veräußerung enthalten müsse. Ja dies ist in der That die Grundlage aller Schenkung"26. Das Moment der Veräußerung beherrscht nicht nur die Schenkung, sondern ist auch für einige andere Rechtsinstitute charakteristisch. Zu diesen zählt auch die condictio indebiti. „Einigermaßen gehört auch die condictio indebiti... unter die Rechtsinstitute, deren Analogie zur Bestimmung der in der Schenkung nothwendig enthaltenen Veräußerung benutzt werden kann. Die Condiction insofern, als auch sie ein Weggeben oder Veräußern voraussetzt, ebenso wie die Schenkung (dort solvendi animo, hier donandi); ..." 27 . Daraus und aus dem Umstand, daß v. Savigny an keiner Stelle seiner Kondiktionenlehre mit dem Begriff der Veräußerung operiert, zieht Wilhelm den Schluß, daß es bei den Kondiktionen, die nicht Leistungskondiktionen sind, im System des Bereicherungsrechts v. Savignys nicht darauf ankomme, daß der Gegenstand der Bereicherung schon einmal im Vermögen des Bereicherungsgläubigers vorhanden gewesen sei. Verstehe man die Voraussetzung der Vermögensverschiebung in dieser Weise, so ergebe sich ein unauflöslicher Widerspruch: Unmittelbar vor seiner Äußerung, daß dasjenige, welches dem Bereicherungsgläubiger zur Bereicherung diente, vorher schon einmal wirklich zum Vermögen des Bereichungsgläubigers gehört haben müsse, behandle v. Savigny die Kondiktion bei Veräußerung einer Sache durch den Nichtberechtigten. Dort bejahe er den Bereicherungsanspruch auf den Kaufpreis, obwohl sich dieser nie im Vermögen des Bereicherungsgläubigers befunden habe28. Dieser Widerspruch - so Wilhelm - löse sich jedoch auf, wenn v. Savigny beim Wort genommen werde: ein Kondiktionsanspruch sei auch dann gegeben, wenn der Bereicherungsschuldner mit Hilfe, unter Inanspruchnahme der Rechtsgüter des Bereicherungsgläubigers bereichert sei. Die Wendung „Dasje26 27 28

v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts IV, 24. v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts IV, 26. Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, 32.

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Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

nige, welches dem Anderen zur Bereicherung diente", sei eine Abstraktion, die zwei Fälle der Kondiktion in sich aufnehme, nämlich die Bereicherung durch Vermögensverschiebung, bei der ein im Gläubigervermögen bereits gegenständlich vorhandenes Objekt ins Schuldnervermögen übergehe, und Bereicherung durch Inanspruchnahme fremder Rechtsgüter. Von dem zweiten Fall der Bereicherungsansprüche sei die Verfügung durch den Nichtberechtigten nur ein Beispielsfall 29 . O b v. Savigny diese Differenzierung unterschiedlicher Modi der Bereicherung je nachdem, ob es sich um willentliche Leistung oder Bereicherung aufgrund einer Rechtsverletzung durch den Bereicherungsschuldner handelte, wirklich so vorgenommen hat, wie sie Wilhelm in das „System des heutigen römischen Rechts" hineinliest, erscheint höchst zweifelhaft und ist bei einer Gesamtwürdigung der bereicherungsrechtlichen Ausführungen v. Savignys abzulehnen. Daraus, daß der Begriff der „Veräußerung", der im Schenkungsrecht definiert wird, im Bereicherungsrecht nicht mehr auftaucht, läßt sich nichts für die Frage der Vermögensverschiebung herleiten. Richtig ist zwar, daß die Veräußerung nach einem Hinweis im Kapitel über Schenkungen nur bei der condictio indebiti Voraussetzung des Bereicherungsanspruchs ist. In seinen Ausführungen zum Bereicherungsrecht hebt v. Savigny als gemeinsames Element aller Kondiktionen die „Erweiterung eines Vermögens durch Verminderung eines anderen Vermögens" hervor 30 . Dies gilt auch für die condictio indebiti, für die ja die Voraussetzung der (gegenständlichen) Veräußerung gilt; ob der Terminus darüber hinaus geht und auch weitere Formen des rechtsgrundlosen Erwerbs umfaßt, kann hier offen bleiben. Denn es kommt klar zum Ausdruck, daß die Erweiterung des einen durch Verminderung des anderen Vermögens bewirkt werden muß. Bei den Nutzungs- und Gebrauchsfällen fehlt es immer dann an einer Verminderung des Klägervermögens, wenn dieser die Sache oder das Recht nicht nutzen konnte oder wollte. Auch der angebliche Widerspruch zwischen dem Erfordernis der Vermögensverschiebung und dem Bereicherungsanspruch bei Veräußerung einer Sache durch einen Nichtberechtigten taugt nicht zur Begründung der Auffassung Wilhelms. v. Savigny stützt den Bereicherungsanspruch auf den vom Nichtberechtigten erzielten Kaufpreis auf die Funktion der Kondiktion, „an die Stelle der verlornen Vindication" zu treten 31 . In seiner Vorstellung tritt damit aber nicht nur die Kondiktion an die Stelle des verlorengegangenen Eigentumsherausgabeanspruchs, sondern der Kaufpreis substituiert auch die veräußerte Sache. Damit läßt sich auch das Erfordernis in Ubereinstimmung bringen, daß „Dasjenige, welches dem Andern zur Bereicherung diente, vorher schon wirklich 29 30 31

Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, 32 f. v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts V, Beylage XIV, 525. v. Savigny, a. a. O., 515.

§ 3 Die sog. „ traditionelle"

Bereicherungslehre

53

einmal zum Vermögen Dessen gehört habe, welcher darauf eine Condiction gründen will." Der Kaufpreis bildet lediglich das Surrogat der Sache, die vorher im Eigentum des Bereicherungsgläubigers sich befunden hat. Läßt man den vom Nichtberechtigten erzielten Kaufpreis als Surrogat an die Stelle der Sache selbst treten, so kann auch ganz zwanglos das Erfordernis aufrechterhalten werden, das Objekt der Bereicherung müsse sich vor dem entreichernden Vorgang schon einmal gegenständlich im Vermögen des Bereicherungsgläubigers vorhanden gewesen sein32. Die von Wilhelm unterstellte Differenzierung, die der Wortlaut des Textes nicht hergibt, setzt auf Seiten von v. Savigny die Erkenntnis der ökonomischen und rechtlichen Bedeutung der kapitalmäßigen Nutzung von Gegenständen, ihres Einsatzes als Produktionsfaktoren im wirtschaftlichen, insbesondere industriellen Produktionsprozeß voraus. Diese Anschauung fehlte v. Savigny jedoch, was wenig erstaunt, da er seine Arbeit zu Beginn der industriellen Revolution in Deutschland verfaßte. Deutlich gemacht wird dieses Defizit durch seine Äußerungen zur „productiven Natur" der Rechte, die er nur einigen wenigen Rechtspositionen zuerkennt33. Im Ergebnis ist damit festzustellen, daß die „Erweiterung des einen Vermögens durch die Verminderung des andern", d.h. eine gegenständliche Vermögensverschiebung, nach der Lehre v. Savigny sowohl bei den Leistungskondiktionen wie auch bei der Eingriffskondiktion Voraussetzung und Begrenzung des Bereicherungsanspruchs ist. Dies ist auch von Lehre und Rechtsprechung nach v. Savigny so gesehen worden. Das Erfordernis der Vermögensverschiebung als Voraussetzung des Bereicherungsanspruchs wurde in der Wissenschaft wie auch in der Rechtsprechung recht schnell rezipiert. dd) Der Mangel des

Rechtsgrundes

Um im Wege der Kondiktion zurückgefordert zu werden, muß der Vermögensverschiebung ein Rechtsgrund von Anfang an gefehlt haben oder später weggefallen sein34. Im Mittelpunkt des Savignyschen Systems des Bereicherungsrechts steht der (Sach-) Eigentümer. Dem Bereicherungsrecht kommt die Funktion zu, eine endgültige Verlagerung dieser Stellung und der mit ihr verbundenen gegen32 Es bedarf also der von Wilhelm propagierten Differenzierung zwischen einer Kondiktion aufgrund einer Vermögensverschiebung und einer Kondiktion wegen eines mittels der Rechtsgüter des Gläubigers und durch Rechtsverletzung, aber ohne die Erlangung eines Vermögensgegenstandes, der vorher schon einmal als solcher im Vermögen des Bereicherungsgläubigers sich befunden hat nicht, um das System des Bereicherungsrechts bei v. Savigny widerspruchsfrei zu interpretieren. Das von ihm präferierte Verständnis des Textes von v. Savigny scheint von dem Bestreben motiviert, seine eigene dogmatische Herleitung des Bereicherungsrechts als in Ubereinstimmung mit der Auffassung v. Savigny erscheinen zu lassen. 33 v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts IV, 49. 34 v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts V, Beylage XIV, 525.

54

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

ständlich im Gläubigervermögen vorhandenen rechtlichen Vorteile ohne seinen Willen (Eingriffskondiktion) bzw. mit rechtserheblich fehlerhaft gebildetem Willen (Leistungskondiktion) rückgängig zu machen. Die konstitutive Bedeutung des Willens des Berechtigten als Legitimationsgrundlage für Veränderungen in seiner Vermögenssphäre steht vollkommen in Übereinstimmung mit der überragenden Stellung des Willensdogmas für die Rechtstheorie der Aufklärung; bei v. Savigny ist insofern der Rückbezug auf die aufklärerische Philosophie Kants unübersehbar. Bei Kant wird der natürliche Zustand durch den Eigentumsschutz überwunden und so der Ubergang in die bürgerliche Gesellschaft ermöglicht. Diese Gesellschaft konstituiert und legitimiert sich aus dem vereinigten Willen aller ihrer Mitglieder. Sie unterscheidet sich vom Naturzustand dadurch, daß der Erwerb einer Sache nicht nur vorläufiger, sondern dauerhafter (peremptorischer) Natur sein kann, wenn er dem vereinigten Willen aller Gesellschaftsmitglieder entspricht. Die bürgerliche Gesellschaft mit ihrer rechtlichen Verfassung begründet den Besitz an Sachen nicht; die Macht, etwas Außeres als das Seine zu haben, existiert bereits im Naturzustand. Dieser Zustand gewährt dem Besitzer allerdings keine ausreichenden Mittel, seinen Besitz gegen andere zu schützen. Dieser Schutz wird erst durch den Rechtszustand der bürgerlichen Gesellschaft sichergestellt35. Diesen Gedanken stellt v. Savigny an die Spitze seiner Überlegungen zu System und Funktion der zivilrechtlichen Klagen, wo er als „das erste und dringendste Bedürfnis für den geordneten Rechtszustand (den) richterliche(n) Schutz des Eigenthums und der ihm verwandten Rechte" bezeichnet36. In erster Linie diene diesem Schutz die Eigentumsklage und der negatorische Rechtsschutz, der auf Abwehr und Wiederherstellung gerichtet sei. Nicht immer sei ein so auf das Eigentum beschränkter Rechtsschutz aber ausreichend; dieser versage bei denjenigen Fallkonstellationen, in denen das Eigentum des Berechtigten ohne oder mit später weggefallenem Rechtsgrund auf einen anderen übergegangen sei. In diesen Fällen sei der frühere Berechtigte durch die Einräumung persönlicher Klage, z.B. durch die Kondiktion, zu schützen. Ausdrücklich bezieht er diese Feststellung auf alle Fälle rechtsgrundlosen Eigentumserwerbs, sei es durch Leistung des Berechtigten, sei es durch Handlung des Bereicherten oder sei es durch Zufall. Diese Ausführungen verdeutlichen die grundlegende Bedeutung, die die Stellung des Eigentümers für das System des Rechtsschutzes bei v. Savigny aufweist: das differenzierte Anspruchssystem ist geradezu um die Eigentümerstellung herum gruppiert. Der wichtigste Anspruch ist die Vindikation zusammen mit dem negatorischen Anspruch, weil hier das Eigentum die unmittelbare Quelle der Berechtigung des Eigentümers gegen den Besitzer bildet. Als nächste Gruppe schließen sich die Kondiktionen an, die als Substitut für die durch Übergang des Eigentums auf den Bereicherten verlorengegangene Vindikation dienen. 35 36

Kant, Metaphysik der Sitten, Rechtslehre, Kant-Werke Bd. 7, 374 ff. v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts V, Beylage XIV, 107.

§ 3 Die sog. „ traditionelle

2. Wille, subjektives

"

Bereicherungslehre

55

Recht und Vermögen im System v. Savignys

Im Rechtsdenken v. Savigny stellt das Privatrecht - in Abgrenzung zum öffentlichen Recht - die Sphäre des freien Willens dar. Schon in seiner Herleitung des Rechtsverhältnisses verweist er auf das subjektive Recht als „die der einzelnen Person zustehende Macht: ein Gebiet, worin ihr Wille herrscht, und mit unserer Einstimmung herrscht" 37 . Die für das Privatrecht grundlegende Kategorie ist das Rechtsverhältnis. Dabei handelt es sich um eine durch eine Rechtsregel bestimmte Beziehung zwischen Personen. Die Funktion der Rechtsregel in einem solchen Verhältnis liegt darin, „daß dem individuellen Willen ein Gebiet angewiesen ist, in welchem er unabhängig von jedem fremden Willen zu herrschen hat" 38 . Rechtsverhältnisse sind demnach als Willensverhältnisse aufzufassen. Nach den Gegenständen, die Objekt der Willkür eines Rechtssubjekts sein können, klassifiziert v. Savigny die Arten der Rechtsverhältnisse: Gegenstände möglicher Willensherrschaft können „die unfreye Natur, und fremde Personen" 39 sein. Die „unfreye Natur" kann nicht als Ganzes, sondern nur im Hinblick auf einzelne Sachen beherrscht werden. Das vollständigste Recht an einer Sache ist das Eigentum. Den Rechten an Sachen werden die Obligationen gegenübergestellt. Der Willensherrschaft des Gläubigers unterliegt bei diesen eine einzelne Handlung des Schuldners, nicht aber seine Person in ihrer Gesamtheit, denn dies wäre Sklaverei. Die einzelne Handlung des Schuldners „wird dann, als aus der Freyheit des Handelnden ausgeschieden, und unserem Willen unterworfen gedacht" 40 . Sachenrechtliche Berechtigungen und Obligationen bilden das Vermögen eines Rechtssubjektes: „Durch beide Arten der Rechte also, das Eigenthum wie die Obligation, wird die Macht der berechtigten Person nach außen, über die natürlichen Gränzen ihres Wesens hin, erweitert. Die Gesammtheit der Verhältnisse nun, welche auf diese Weise die

37 v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts I, 7. Auch hier liegt die Übereinstimmung mit Kants Metaphysik der Sitten auf der Hand. Dort ist der rechtliche Zustand in der bürgerlichen Gesellschaft dadurch charakterisiert, daß der Besitzer jedermann von der Einwirkung auf das Seinige ausschließen kann. Diese Einschränkung der Freiheit der Ausgeschlossenen gilt aber reziprok; der Besitzer hat auch den Besitz der anderen zu respektieren. Dadurch wird die Freiheit der Ausgeschlossenen beschränkt. Dies bedarf einer Legitimation, die nur im allgemeinen Gesetz oder in der Zustimmung der Betroffenen liegen kann. Kant führt dazu aus: „Nun kann der einseitige Wille in Ansehung eines äußeren, mithin zufälligen, Besitzes nicht zum Zwangsgesetz für jedermann dienen, weil das der Freiheit nach allgemeinen Gesetzen Abbruch tun würde. Also ist nur ein jeden anderen verbindender, mithin kollektiv-allgemeiner (gemeinsamer) und machthabender Wille derjenige, welcher jedermann jene Sicherheit leisten kann. - Der Zustand aber unter einer allgemeinen äußeren (d.i. öffentlichen) Gesetzgebung ist der bürgerliche. Also kann es nur im bürgerlichen Zustande ein äußeres Mein und Dein geben." Kant, Metaphysik der Sitten, Rechtslehre 365 f. 38 v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts I, 333. 39 v. Savigny, a. a. O., 338. 40 v. Savigny, a. a. O., 339.

56

Kapitel I: Dogmatische Grundlagen der

Eingriffskondiktion

Macht eines Einzelnen erweitern, nennen wir das Vermögen desselben, und die Gesamtheit der darauf bezüglichen Rechtsinstitute das Vermögensrecht" 41 .

3. Voraussetzungen

dauerhaft wirksamer

Vermögensverschiebungen

Bildet die Willensherrschaft die Grundlage des Vermögensrechts, bedarf es keiner weiteren Erläuterung, daß die Übertragung von Gegenständen aus der Vermögenssphäre des Berechtigten auf ein anderes Rechtssubjekt nur dann und insoweit erfolgen kann, als sie vom Willen des Berechtigten gedeckt ist. Als Mittel privatautonomer Gestaltung von Tauschbeziehungen dient der Vertrag. E r bildet das Medium, Veränderungen im Vermögensbestand des Berechtigten im Zusammenwirken der Beteiligten herbeizuführen und ihren dauerhaften Bestand zu legitimieren. D e r durch den Vertrag ausgedrückte Wille des Berechtigten, einen Vermögensgegenstand auf ein anderes Rechtssubjekt zu übertragen, bildet die causa des Erwerbs. Ist dieser Wille vorhanden, beruht aber auf „ I r r t u m " , so führt der Wille zwar zum Eigentumsübergang 4 2 . Dieser kann aber - wegen der rechtserheblichen Fehlvorstellung - im Wege der K o n d i k t i o n wieder rückgängig gemacht werden. E i n Rechtsübergang, der auf einem Vertrag der Beteiligten beruht, erfolgt mit Rechtsgrund. Soweit der Wille des Beteiligten ohne rechtserheblichen Irrtum durch den Vertrag widergespiegelt wird, rechtfertigt er den dauerhaften Rechtsübergang. Bei gegenseitigen Verträgen k o m m t es auf die Äquivalenz der ausgetauschten Leistungen nicht an: „Es kommt nämlich darauf an, daß dem Ubergang eines Rechts aus einem Vermögen in ein anderes die causa entzogen sey, oder stets gefehlt habe... Anders bei einem wohlfeylen Kauf, wobey zwar auch der Käufer auf Kosten des Verkäufers bereichert wird, jedoch ohne daß irgend ein Mangel der causa wahrzunehmen ist, indem der hier obwaltende Irrtum gar nicht die causa, d. h. den Rechtsgrund der Veränderung, betrifft, sondern nur die materielle Werthschätzung, die ganz außer dem Rechtsgebiet liegt" 43 . D i e Äquivalenz der getauschten Leistungen steht demnach vollkommen außerhalb des Rechtsgrundes. Dies bedeutet, daß eine Kondiktion zur R ü c k forderung einer übereigneten Sache nicht darauf gestützt werden kann, daß der zwischen den Parteien vereinbarte Kaufpreis unangemessen hoch oder niedrig gewesen sei.

41 42 43

v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts I, 339 f. v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts V, Beylage XIV, 521 f. v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts V, Beylage XIV, 526.

§3

Die sog. „traditionelle"

Bereicherungslehre

57

4. Stärken und Schwächen der Savignyschen Konzeption der Vermögensverschiebung als Voraussetzung aller Bereicherungsansprüche Die große Leistung v. Savignys auf dem Gebiet des Bereicherungsrechts liegt in erster Linie in der dem systemgebundenen Denken verpflichteten Grundlegung eines einheitlichen Bereicherungsanspruchs, der sowohl die rechtsgrundlose Vermögensverschiebung mit Willen des Bereicherungsgläubigers einerseits als auch ohne seinen Willen andererseits umfaßt. Unter diese Kategorien konnte v. Savigny alle Kondiktionsarten, die sich im klassischen römischen Recht wie im älteren Pandektenrecht unabhängig voneinander und zum Teil ohne klare funktionelle Grenzziehung zu anderen Kondiktionsansprüchen und zu benachbarten Rechtsinstituten wie z.B. der Geschäftsführung ohne Auftrag entwickelt hatten, auf einer einheitlichen Grundlage zusammenfassen. Zugleich überwand v. Savigny die bis dahin mit den Kondiktionen verbundene Vorstellung, es handele sich dabei um Rechtsinstitute, die in besonderer Weise Funktionen der Billigkeit zu erfüllen hätten. Die Stilisierung des Bereicherungsrechts in fast mystische Sphären der Billigkeit hatte zum Teil zur fast völligen Auflösung des Tatbestandes der Kondiktionen geführt. Diesem Auflösungsprozeß wurde durch die klare Funktionszuweisung und Tatbestandskonturierung in v. Savignys System entgegengewirkt. Allerdings ist auch anzumerken, daß der Rückbezug dieses Systems auf das römische Recht v. Savigny erhebliche Kritik eingetragen hat. Diese Kritik richtet sich auf die Begründung des bereicherungsrechtlichen Systems aus den römisch-rechtlichen Vorbildern durch v. Savigny.44 Angesichts des im Vergleich zum vorhergehenden Rechtszustand erheblichen dogmatischen Fortschritts dürfte diese Kritik als Kritik an der bereicherungsrechtlichen Konzeption v. Savignys nicht durchschlagend sein. Darüber hinaus schuf die analytische Differenzierung von Vermögensverschiebungen mit Willen des Berechtigten und solchen ohne seinen Willen die Grundlage für die ein knappes Jahrhundert später durch Wilburg eingeleitete Weiterentwicklung der Bereicherungsansprüche durch die funktionelle und tatbestandliche Trennung von Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen. Ohne die von v. Savigny geschaffene einheitliche Systematik des Bereicherungsrechts wäre diese Weiterentwicklung nicht möglich gewesen. Schließlich ist hervorzuheben, daß die Vermögensverschiebung als Voraussetzung des Bereicherungsanspruchs den Konflikt zwischen der Position des Inhabers eines absolut geschützten subjektiven Rechts und der Handlungsfreiheit des Verletzers dieser Rechtsposition, der für andere Konzeptionen des Anspruchs wegen Eingriffsbereicherung typisch ist, vermeidet. Der Anspruch richtet sich auf einen Gegenstand, der vorher schon einmal als solcher im 44 Siehe etwa Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 12; Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 17 f.; Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, 24 ff.

58

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

Vermögen des Berechtigten vorhanden gewesen ist. Fehlt es an einem den Ubergang in das Vermögen des Bereicherungsschuldners legitimierenden Rechtsgrund, so ist der Gegenstand bzw. sein Surrogat herauszugeben. Gegenstände, die erst durch die Eingriffshandlung des Bereicherungsschuldners entstehen und die als solche vorher im Vermögen des Bereicherungsgläubigers nicht vorhanden waren, können das Erfordernis der Vermögens Verschiebung nicht erfüllen. Die Stärke der Konzeption der Vermögensverschiebung, ihre klare Konturierung des Bereicherungsanspruchs, markiert zugleich ihre größte Schwäche: wegen ihrer gegenständlichen Orientierung des Erfordernisses der Vermögensverschiebung erfaßt der Anwendungsbereich des Bereicherungsanspruchs nur Objekte (oder deren Surrogate), die vorher bereits einmal im Vermögen des Bereicherungsgläubigers vorhanden war. Die strikte Einhaltung dieses Erfordernisses schließt den Bereicherungsanspruch bei allen Fallkonstellationen aus, in denen es um die Bereicherung aus unbefugter Nutzung von Sachen oder vor allem - nichtkörperlichen Gegenständen wie Immaterialgüterrechten oder ihnen gleichgestellten Rechtspositionen geht. Bei der unbefugten Nutzung solcher Rechtspositionen ist der Gegenstand, der die Bereicherung des Schuldners bildet, gegenständlich nie im Vermögen des Betroffenen vorhanden gewesen. Der Vorteil aus der unbefugten Nutzung einer fremden Gleisanlage, aus dem Eingriff in ein fremdes Urheber- oder Patentrecht im Vermögen des unbefugt Eingreifenden ist als solcher nie dem Vermögen des Bereicherungsgläubigers zugehörig gewesen. Im vermögensrechtlichen Konzept v. Savignys betreffen Veränderungen in der Vermögenssphäre eines Rechtsinhabers Veränderungen des Herrschaftszustands über ein Rechtsobjekt. Die Funktion von Gütern als Produktionsfaktoren konnte v. Savigny aufgrund des wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Entwicklungsstandes seiner Zeit noch nicht in der erforderlichen Deutlichkeit vor Augen stehen. Daher kommt die Frage der Verteilung von Werten, die durch die Nutzung anderer Güter erst neu produziert werden und die als solche vorher noch nicht im Vermögen des Rechtsinhabers vorhanden waren, im Vermögensbegriff v. Savignys zu kurz. Der Erwerb, der aus produktiver Nutzung von Vermögensbestandteilen erwirtschaftet wird, steckt nicht als solcher in den einzelnen zum Vermögen gehörenden Gütern, sondern hängt vom Willen des Nutzenden ab. Allerdings verdient es hervorgehoben zu werden, daß v. Savigny die „productive Natur" bestimmter Vermögensbestandteile durchaus anerkannt hat; jedoch handelt es sich dabei um Ausnahmen, die sich nicht verallgemeinern lassen. Zu Vermögensbestandteilen von „productiver Natur" zählt er den Mietertrag von Häusern und den Pachtvertrag von Landgütern. „Dagegen giebt es Vermögenstheile, die eine productive Natur in sich tragen, so daß sie gleichsam aus inwohnender Kraft dem Inhaber einen neuen Erwerb bereiten, ohne daß es dazu eines besonderen Entschlusses von seiner Seite bedarf, ja daß es vielmehr auf ungewöhnlicher Willkühr beruht, wenn ein solcher Erwerb unterbleiben soll;

5 3 Die sog. „ traditionelle"

59

Bereicherungslehre

auch ist derselbe so wenig zufälliger Art, daß der Lebensunterhalt darauf regelmäßig gegründet zu werden pflegt. Dahin gehört der Miethertrag eines Hauses, der Fruchtoder Pachtertrag eines Landgutes. Die regelmäßige Natur dieser Arten der Production führt es mit sich, daß durch sie auch Dasjenige, welches noch nicht zu unsrem Vermögen gehört, als Gegenstand wahrer Veräußerung, und somit auch wahrer Schenkung, betrachtet werden kann"45. Die Konzeption der (rechtsgrundlosen) Vermögensverschiebung als Grundlage des Bereicherungsanspruchs führt daher tendenziell zu einem übermäßig engen Anwendungsbereich des Bereicherungsanspruchs. Wie sich im folgenden zeigen wird, schwankt denn auch die weitere Entwicklung des Bereicherungsrechts in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Lehre nach der Grundlegung durch v. Savigny zwischen den Extrempositionen eines strikten Festhaltens an der Gegenstandsorientierung und Aufweichungen dieser Position in dem Bestreben, die Anwendung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion auf weitere für kondiktionswürdig erkannte Sachverhalte zu eröffnen.

II. Die Rezeption der bereicherungsrechtlichen v. Savignys in der Spätpandektistik

Konzeption

Die bereicherungsrechtlichen Lehren v. Savignys fanden im Schrifttum rasche Verbreitung. Die Zurückführung des Bereicherungsanspruchs auf eine einheitliche Grundlage wurde von den meisten Autoren übernommen und nunmehr an die Spitze ihrer Behandlung des Kondiktionenrechts gesetzt. Allerdings lassen sich dabei gewisse Unterschiede beobachten. Während zum Teil im „habere sine causa" der alleinige Entstehungsgrund des Bereicherungsanspruchs gesehen wird, weist Windscheid darauf hin, daß es nicht möglich sei, auf die Frage, wann eine Bereicherung eine ungerechtfertigte sei, mit einer „alle Fälle umfassenden Formel zu antworten" 46 . Bereits in der Pandektenliteratur vor Inkrafttreten des B G B wird ein Meinungszwiespalt deutlich, der die Theorie von der Vermögensverschiebung dauerhaft kennzeichnen sollte: ein Teil der Lehre definierte das Erfordernis der Vermögensverschiebung sehr strikt, indem sie den Übergang eines Vermögensgegenstandes aus dem Vermögen des Entreicherten in das Vermögen des Bereicherten forderte 47 . Demgegenüber vertrat eine andere Auffassung in der Literatur, die insbesondere von Windscheid repräsentiert wurde, einen viel weitergehenden Begriff der Vermögensverschiebung, der auch die Integration der Nutzungs- und Gebrauchsfälle sowie der Immaterialgüterrechte in den Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion hätte ermöglichen können. Windscheid nimmt eine Bereicherung nicht nur in dem Fall an, in dem der Bereicherte 45 46 47

v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts IV, 49. Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts II, § 422, S. 624 f. Witte, Bereicherungsklagen des gemeinen Rechts, 295.

60

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

etwas erlangt hat, das sich vor dem Bereicherungsvorgang gegenständlich im Vermögen des Bereicherungsgläubigers befunden hat, sondern auch dann, wenn das Erlangte durch Mittel des fremden Vermögens erworben wurde 48 . Damit geht der Ansatz von Windscheid ganz erheblich über die rein an dem gegenständlichen Ubergang von Vermögensbestandteilen orientierte Vermögensverschiebungstheorie hinaus. Allerdings geht Windscheid in seinem Lehrbuch des Pandektenrechts mit keinem Wort auf die Frage der Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion bei Immaterialgüterrechten ein, obwohl die entsprechenden Gesetze zum Zeitpunkt des Erscheinens des Lehrbuches bereits vorlagen. Andererseits jedoch erstaunt das Fehlen einer Behandlung dieses Fragenkomplexes wenig, weil ja zunächst die Anwendbarkeit des bürgerlich-rechtlichen Rechtsschutzes im Immaterialgüterrecht mit dem Argument der Spezialität dieser Gesetze abgelehnt wurde. Die Rechtsprechung hat die Vermögensverschiebungslehre langsamer als die Literatur rezipiert. Sie griff vor dem Inkrafttreten des BGB noch häufig auf die alten Billigkeitserwägungen zur Begründung des Bereicherungsanspruchs zurück. Doch allmählich setzte sich die Lehre von der Vermögensverschiebung auch in der Judikatur durch 49 . Auch bei der Rechtsprechung zeigte sich von Anfang an der bereits erwähnte Unterschied bei der Fassung des Erfordernisses der Vermögensverschiebung. Während z.B. das OAG Rostock dieses Element als „den Übergang eines Vermögensobjektes aus einem Vermögen in ein anderes" faßte50, führte das Oberste Gericht für Bayern aus, daß es nicht notwendig sei, daß das Erlangte „früher zum Vermögen des Kondizierenden gehörte"; es reiche vielmehr aus, daß er es zu fordern berechtigt gewesen sei51.

III. Die Eingriffskondiktion im Gesetzgebungsverfahren zum BGB Wie stark sich die Vermögensverschiebung als Grundlage des Bereicherungsanspruchs auch außerhalb der wissenschaftlichen Erörterung des Bereicherungsrechts durchgesetzt hatte, zeigte sich in großer Deutlichkeit im Gesetzgebungsverfahren zum BGB.

48 Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts II, § 421, S. 623. Als Beispiele einer Bereicherung, die durch Mittel des fremden Vermögens erfolgt, nennt er Gebrauch, Verbrauch, Hingabe, Belastung, NichtVermehrung des fremden Vermögens. 49 Siehe zum ganzen Hammen, Die Bedeutung Friedrich Carl v. Savignys für die allgemeinen dogmatischen Grundlagen des Deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs, 200 ff. 50 OAG Rostock 14. 4. 1864, Seuff. Arch. XIX Nr. 152, S. 246. 51 Oberstes Gericht für Bayern, Bd. 3, S. 182; OAG f. Bayern v. 9. 1. 1846, Seuff. Arch. II Nr. 57, S. 64

5 3 Die sog. „ traditionelle

1. Teilentwurf

"

Bereicherungslehre

v.

61

Kübel

Bereits die Keimzelle des Bereicherungsrechts des BGB, der Teilentwurf v. Kübels, der im Jahre 1874 vorgelegt wurde, kann in ihrer Grundkonzeption die enge Verwandtschaft mit dem bereicherungsrechtlichen Denken v. Savignys nicht leugnen. Zum Nachweis dieses Befundes sei nur auf einige wenige, aber grundsätzliche Übereinstimmungen hingewiesen. Zu diesen Ubereinstimmungen gehört die klare Absage des Teilentwurfs an die alten billigkeitsrechtlichen Grundlagen des Bereicherungsanspruchs. Die gemeinsame Grundlage aller Kondiktionen liege in der Rechtsgrundlosigkeit des Erwerbs des einen Teils auf Kosten der anderen Partei. Für die Bestimmung der Rechtsgrundlosigkeit könne weder auf die Billigkeit noch auf die Kategorien des Quasikontraktes zurückgegriffen werden. Der Billigkeitssatz, wonach sich niemand mit fremdem Schaden bereichern dürfe, sei „unrichtig" und sei darüber hinaus auch nicht geeignet, die Rechtsgrundlosigkeit eines Erwerbs zu erklären. Vielmehr seien die Kondiktionenklagen auf Herausgabe des rechtsgrundlos erfolgten Vermögenserwerbs gerichtet. Dabei könne sich der Mangel des Rechtsgrundes entweder unmittelbar aus dem Gesetz wie auch aus der Unbeachtlichkeit des Willens des Gebers ergeben. Auch v. Kübel geht von einer Vermögensverschiebung als Grundlage des Kondiktionsanspruchs aus: Zweck des Bereicherungsanspruchs sei es, die „möglichste Wiederherstellung des früheren Zustandes durch die Zurückgewährung des aus dem Vermögen des Kondiktionsberechtigten in das Vermögen des anderen Ubergegangenen oder Ersatzleistung" 52 zu gewähren. v. Kübel verzichtet ausdrücklich darauf, eine Vorschrift aufzunehmen, die das von ihm in den Erläuterungen ausführlich entwickelte Prinzip aller im Teilentwurf geregelten Kondiktionen deutlich macht. Dieser Verzicht wird durch die Gefahr motiviert, daß eine weitreichende und vage Generalklausel zu mißbräuchlicher und vom Gesetzgeber so nicht gewollter Auslegung führen könne. Dieser Gefahr könne nur dadurch begegnet werden, daß dem Prinzip eine Anzahl präziser Einzelvorschriften folge; eine solche Vorgehensweise aber mache die Hervorhebung des Prinzips überflüssig. Wenn auch der Teilentwurf die Kondiktion wegen irrtümlicher Leistung als den wichtigsten Fall der ungerechtfertigten Bereicherung angibt, verzichtet er doch nicht darauf, auch die Kondiktionsformen zu regeln, die nicht auf Leistung beruhen. Bemerkenswert ist, daß der Bereicherungsanspruch aufgrund Eingriffs des Bereicherten in das Vermögen des Kondizienten nicht nur durch die Vorschrift des § 27, sondern auch durch § 21 erfaßt wird. § 27 des Teilentwurfs räumt demjenigen, „aus dessen Vermögen etwas ohne seinen Willen in das Vermögen eines anderen gekommen ist", einen Anspruch auf Rücker52 v. Kübel, Schuldverhältnisse aus ungerechtfertigter Bereicherung, in: Schubert Die Vorlagen der Redaktoren zum B G B , Recht der Schuldverhältnisse, Teil 3, 669.

(Hrsg.),

62

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

stattung des Erlangten ein, wenn die Vermögensverschiebung rechtsgrundlos erfolgt ist. Ausweislich der Begründung erfaßt diese Vorschrift vor allem zufällige Vermögensverschiebungen, die etwa durch Verbindung, Vermischung und Verarbeitung zustandegekommen sind; die Begründung erwähnt daneben u. a. auch Fälle, in denen die Vermögensverschiebung durch eine Handlung des Bereicherungsschuldners verursacht wurde, etwa indem er fremde Geschäfte im Glauben, es handele sich um eigene, besorgt hat. § 21 des Teilentwurfs verpflichtet den Bereicherten zur Herausgabe desjenigen, was er infolge einer von ihm begangenen rechtswidrigen Handlung aus dem Vermögen des Kondizienten erlangt hat. Die Herausgabepflicht umfaßt den Gewinn, der aus der bösgläubigen Fruchtziehung gemacht worden ist. In den Anwendungsbereich der Vorschrift fällt ebenfalls die widerrechtliche Besitzentziehung. Diese Vorschrift umfaßt wichtige Fälle der (heute so genannten 53 ) Eingriffskondiktion 5 4 . Die Begründung des Teilentwurfs verweist in diesem Zusammenhang auf die Herkunft dieses Anspruchs aus der römischrechtlichen condictio furtiva 55 . In der modernen Diskussion um die Grundlagen des Bereicherungsrechts wird daraus z.T. der Schluß gezogen, die besondere Betonung der Widerrechtlichkeit in dieser Vorschrift bestätige die heute vertretene sog. Rechtswidrigkeitstheorie, die das wesentliche Element bei der Begründung der Eingriffskondiktion in der Widerrechtlichkeit des Handelns des Bereicherten sieht 56 . Insbesondere sei bei der Eingriffskondiktion keine Vermögensverschiebung erforderlich. M . E . ergibt sich dieses weder aus dem Wortlaut des Teilentwurfs noch aus dem Inhalt der Begründung. § 21 des Teilentwurfs erfaßt ausschließlich Fälle, in denen der Eingriff in die Vermögenssphäre des Kondizienten bewußt durch den Bereicherten erfolgt und wegen des vorsätzlich-rechtswidrigen Handelns des Bereicherten - gerade aus der Sicht des römischen Rechts mit der condictio furtiva - ein Bereicherungsanspruch besonders nahe liegt. Die Begründung des § 21 läßt klar erkennen, daß auch die Kondiktion „aufgrund widerrechtlichen Erwerbs" eine Vermögensverschiebung voraussetzt 5 7 . 53 Der Begriff des Eingriffs als auslösendes Element eines Kondiktionsanspruchs wurde soweit ersichtlich - zum ersten Male von Freund, Der Eingriff in fremde Rechte (1902), 2, also nach Inkrafttreten des B G B , gebraucht. Diese Arbeit befaßt sich mit dem Bereicherungsausgleich bei wirksamer Verfügung eines Nichtberechtigten gemäß § 816 I B G B . 54 Siehe Schubert, Windscheid und das Bereicherungsrecht, SavZ (Rom. Abt.) 92 (1975), 186 ff. (220). 55 Schubert (Hrsg.), Die Vorlagen der Redaktoren zum B G B , Recht der Schuldverhältnisse, Teil 3, 734. 56 Schubert, Windscheid und das Bereicherungsrecht, SavZ (Rom. Abt.) 92 (1975), 186 ff. (220, F N . 145; 227, F N . 171 mit Hinweis auf die Arbeit von Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung). 57 Wörtlich heißt es in der Begründung: „Die zweite Art der hier in Betracht kommenden Handlungen sind solche, welche ohne Mitwirkung des Willens und demzufolge einer Handlung des Benachtheiligten vermöge ihres Einflußes auf den natürlichen oder rechtlichen Bestand des Vermögens des Benachtheiligten, einer diesem gehörigen Sache, den Verlust des Eigenthums des Benachtheiligten und andererseits eine gleichzeitige Vermögensvermehrung

§ 3 Die sog. „ traditionelle " Bereicherungslehre

2. Erster

63

Entwurf

D e r erste E n t w u r f zum Bürgerlichen Gesetzbuch lehnte sich eng an den Entwurf v. Kübels an 5 8 . A u c h hier bildete die rechtsgrundlose Vermögensverschiebung die Grundlage des Bereicherungsanspruchs. Allerdings wurden die 28 Vorschriften über die Kondiktionen im Vorentwurf zu acht N o r m e n im ersten E n t w u r f zusammengefaßt und entsprechend gestrafft 59 . D e r 1. E n t w u r f folgte allerdings dem Teilentwurf v. Kübel in dem Verzicht auf eine N o r m , die das bereicherungsrechtliche Prinzip zum Ausdruck bringt. Diesbezüglich weist die Begründung auf die unterschiedlichen Arten des Rechtsgrundmangels hin, der die Entscheidung zur Rückgängigmachung einer Vermögensverschiebung trägt. A u f dieser Verschiedenheit beruht die im E n t w u r f vorgenommene Klassifizierung der Kondiktionen 6 0 . D e r 1. E n t w u r f geht in seiner Begründung zu § 748 (condictio sine causa, Nichtleistungskondiktion) auch ausführlich auf das zweite wichtige Tatbestandsmerkmal des Bereicherungsanspruchs, nämlich das Fehlen des R e c h t s grundes, ein. Die Begründung verweist auf unterschiedliche M o d i der Vermögensverschiebung: der Vermögensvorteil des Bereicherten könne auf rein faktischem Wege Zustandekommen, etwa durch Verbrauch oder Gebrauch fremder Sachen. In solchen Fällen fehle es eindeutig an einem Rechtsgrund zum Behalten des Erlangten. Anders hingegen liege es in den Fällen, in denen die Bereicherung auf Rechtsvorschriften beruhe, wie z . B . bei Verarbeitung, Vermischung, Verbindung und E r w e r b durch Verfügung eines Nichtberechtigten, Ersitzung etc. Einerseits sei klar, daß nicht in allen solchen Fällen eine Kondiktion gegeben sei. Andererseits gäbe es aber auch keinen Grundsatz, nach dem alle Vermögensverschiebungen, die durch Rechtsvorschrift wirksam seien, wegen des fehlenden Willens des Berechtigten als rechtsgrundlos anzusehen, wenn nicht das Gesetz auf Seite des Handelnden herbeiführen; es sind dies namentlich die eingangs Ziff. 3-7 erwähnten Fälle (Bereicherung durch Verzehren, Verbrauch, Verkauf, Verbindung, Vermischung, Verarbeitung durch den unredlichen Besitzer). Ueberall entspricht es dem juristischen Gedanken der Kondiktionen, daß die eingetretene und vom Recht mißbilligte Vermögensveränderung rückgängig gemacht werde und diese Wiederherstellung eben mittels einer Kondiktion erstrebt wird.", in Schubert, (Hrsg.), Die Vorlagen der Redaktoren zum BGB, Teil 3, 736. 58 Dies ist nicht verwunderlich, da die 1. Kommission die von den Redaktoren erstellten Teilentwürfe des bürgerlichen Rechts ihren Beratungen zugrundelegte. Der für die Ausarbeitung des Rechts der Schuldverhältnisse zuständige Redaktor v. Kübel verstarb vor Abschluß der Arbeiten; für die nicht fertiggestellten Teile des Schuldrechts legte die 1. Kommission den Dresdener Entwurf zugrunde; da der Teilentwurf für das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung jedoch schon vorlag, wurde dieser für die Ausarbeitung des ersten Entwurfs herangezogen. Siehe zum Teilentwurf v. Kübel auch Schubert, Windscheid und das Bereicherungsrecht, SavZ (Rom. Abt) 92 (1975) 186 ff. (190 ff.). 59 Diese Straffung geht auch auf den Einfluß Windscheids in der 1. Kommission zurück, s. dazu ausführlich Schubert, Windscheid und das Bereicherungsrecht, SavZ (Rom. Abt.) 92 (1975), 186 ff. (225). 60 Mugdan //, Motive, 463.

64

Kapitel I: Dogmatische Grundlagen der

Eingriffskondiktion

ausdrücklich eine gegensätzliche Anordnung treffe. E i n solches Prinzip sei gefährlich, weil bei einer großen Zahl von Rechtsnormen, die zu Rechtsänderungen führten, wie z . B . Präklusion, Ersitzung etc., Zweifel bestünden, ob die Rechtsänderung mit oder ohne Rechtsgrund erfolge. D i e K o m m i s s i o n hat sich angesichts dieser Bedenken zu folgendem Vorgehen entschlossen: bei einer vom Gesetz angeordneten Rechtsänderung sei davon auszugehen, daß sie mit Rechtsgrund erfolge und die darauf beruhende Bereicherung keinem K o n diktionsanspruch ausgesetzt sein solle. Erfolge eine Rechtsänderung aufgrund gesetzlicher Vorschrift ohne Rechtsgrund, so habe das Gesetz die Anwendbarkeit der Kondiktion anzuordnen. Dies könne ausdrücklich geschehen, wie etwa in (dem späteren) § 951 B G B . A b e r auch ohne ausdrückliche gesetzliche Verweisung auf die bereicherungsrechtlichen Vorschriften könne sich aus der Auslegung einzelner N o r m e n , die zu Rechtsänderungen führen, ergeben, daß die Rechtsänderung nicht mit Rechtsgrund erfolgt und ein Bereicherungsanspruch daher gegeben sei. D i e Begründung geht auch ausführlich auf die Gegenstände ein, die als O b jekte einer den Bereicherungsanspruch begründenden Vermögensverschiebung in Betracht k o m m e n . Es handelt sich dabei um „Alles, was als Vermögenswerth oder Vermögensbestandtheil angesehen werden kann, durch dessen Uebergang aus dem Vermögen des Einen in dasjenige eines Anderen der Letztere bereichert wird , . . " 6 1 . Außer Frage steht für den Entwurf - insoweit vollkommen im Einklang mit der Savignyschen Grundlegung des Bereicherungsanspruchs stehend die Erlangung des Eigentums an Sachen als Gegenstand einer Vermögensverschiebung. Die Begründung nennt aber ausdrücklich auch die Begründung und den Erlaß einer Obligation als Gegenstand einer Vermögensverschiebung. D e r E n t w u r f sieht darüber hinaus in Besitz und Innehabung von Sachen k o n dizierbare Vermögensbestandteile; zwar handele es sich insoweit nicht um (absolute) subjektive Rechte, gleichwohl seien sie als „ökonomische Rechtsgüter" aufzufassen, weil sie wertvolle Rechtspositionen vermittelten 6 2 .

3. Zweiter

Entwurf

D e r E n t w u r f der 2. K o m m i s s i o n führte zu erheblichen inhaltlichen und formalen Veränderungen des Bereicherungsrechts, wie es im Vorentwurf und im 1. E n t w u r f entwickelt worden war. D i e beiden vorangehenden Entwürfe hatten es abgelehnt, eine Vorschrift an die Spitze des Titels zum Bereicherungsrecht zu stellen, die das übergreifende Prinzip der Kondiktionen zum Ausdruck bringt. D e r Redaktor v. Kübel hat in seinem Teilentwurf des Bereicherungsrechts darauf verzichtet, eine Vorschrift an die Spitze der kondiktionsrechtlichen 61 62

Mugdan II, Motive, 464. Mugdan II, Motive, 464.

§ 3 Die sog. „ traditionelle"

Bereicherungslebre

65

N o r m e n zu stellen, die das gemeinsame Prinzip aller Bereicherungsansprüche - die rechtsgrundlose Vermögensverschiebung - zum Ausdruck bringt. Darin ist ihm die 1. K o m m i s s i o n gefolgt, v. Kübel hat diesen Verzicht mit der Gefahr „vager und mißbräuchlicher A n w e n d u n g " begründet. Dieser Gefahr k ö n n e nur „mit einer beschränkenden Hinweisung auf die folgenden Einzelbestimmungen" begegnet werden, was wiederum die Hervorhebung eines übergreifenden Prinzips überflüssig erscheinen lasse 6 3 . In A b k e h r von dieser Systematik entschloß sich die 2. Kommission, die Regelungen des Bereicherungsrechts mit einer allgemeinen Vorschrift beginnen zu lassen. Diese tiefgreifende Veränderung des Titels zur ungerechtfertigten Bereicherung fand ihren G r u n d in den folgenden Erwägungen: A u c h im Recht der unerlaubten Handlungen habe man das allgemeine Prinzip an die Spitze der betreffenden Vorschriften gestellt; es sei daher ebenfalls im B e reicherungsrecht systematisch richtig, den allgemeinen Grundsatz zunächst zu statuieren und im folgenden dann lediglich Abweichungen und Besonderheiten zu regeln. A u f diese Weise vermeide man - im Unterschied zum ersten E n t w u r f - häufig sich wiederholende Verweisungen. D e r Gegenentwurf zum 1. Entwurf, der von der 2. K o m m i s s i o n zur G r u n d lage ihrer Vorschläge gemacht wurde, sah als § a folgende Vorschrift vor: „Hat jemand aus dem Vermögen eines anderen etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, so ist er dem Anderen zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet" 64 . D i e K o m m i s s i o n beschloß - einem diesbezüglichen Antrag folgend - die Worte „aus dem V e r m ö g e n " des Gegenentwurfs zu ersetzen durch „auf K o sten" (Antrag 1) oder „von Seite" (Antrag 2). Als Begründung des Antrags 2 wurde dargelegt, daß die Fassung „aus dem Vermögen" zu eng geraten sei. Es gebe nicht wenige Fälle, in denen das O b j e k t der K o n d i k t i o n nicht zum Vermögen des Kondizienten gehört habe, aber dennoch ein Bereicherungsanspruch gegeben sein müsse. Dies sei etwa der Fall bei bloßer Innehabung des Verwahrers; die Sache, die sich in seiner Verwahrung befindet, gehöre nicht zu seinem Vermögen. Schlüge jemand eine Erbschaft aus, habe sie nie zu seinem Vermögen gehört. D a z u trete noch ein weiteres Problem, welches durch die Vermögensbezogenheit des Gegenentwurfs nicht angemessen gelöst werde. Häufig erhalte der Bereicherte nämlich mehr als der Kondizient verliere. Beispielsweise könne der Bereicherte juristischen Besitz erlangt haben, während der Kondizient nur die einfache Innehabung gehabt hätte 6 5 . D i e Mehrheit der K o m m i s s i o n entschied sich für die Version „auf K o s t e n eines A n d e r e n " und gegen „von Seiten". D i e gewählte Formulierung - so die Begründung - trüge dem erstgenannten Bedenken Rechnung, indem sie weit 63 v. Kübel, Die Vorlagen 64 Mugdan 65 Mugdan

Schuldverhältnisse aus ungerechtfertigter Bereicherung, in: Schubert der Redaktoren zum B G B , Teil 3, Bes. Teil II (1980), 675. II, Protokolle, 1169. II, Protokolle, 1170.

(Hrsg.),

66

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

genug gefaßt sei, um auch diejenigen Fälle abzudecken, „in denen das Objekt der Bereicherung, ohne bereits in das Vermögen des Kondiktionsberechtigten übergegangen zu sein, doch den Vermögensstand desselben berühre" 6 6 . Der Umstand, daß sich die 2. Kommission zu dieser Erweiterung des Anwendungsbereichs der ungerechtfertigten Bereicherung entschlossen hat, sollte im weiteren Verlauf der Entwicklung zur weitgehenden Auflösung des Vermögensverschiebungsdogmas in Literatur und Rechtsprechung beitragen.

IV. Der Mangel des Rechtsgrundes in der traditionellen Bereicherungslehre Die sogenannte traditionelle Bereicherungslehre zeichnet sich dadurch aus, daß die Kondiktionen auf ein einheitliches Prinzip zurückgeführt wurden. Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen bildeten keine scharf zu trennenden, differenzierten Ansprüche, sondern wurden lediglich als Unterarten eines einheitlichen Bereicherungsanspruchs verstanden. Dementsprechend kannte die traditionelle Bereicherungslehre auch keine differenzierten Tatbestandsmerkmale für die Bereicherungsansprüche aus dem Erwerb von Vermögensvorteilen aufgrund von Leistung einerseits und Nichtleistung andererseits. Ein solcher Anspruch setzte voraus, daß der Bereicherte a) durch eine Vermögensverschiebung zwischen dem Kondizienten und ihm etwas erlangt hat und b) daß die Vermögensverschiebung unmittelbar und rechtsgrundlos erfolgt ist. Ebenso wie beim Begriff der Vermögensverschiebung entwickelte die traditionelle Bereicherungslehre ein einheitliches Konzept des Rechtsgrundmangels, das in gleicher Weise für die Leistungs- wie für die Nichtleistungskondiktionen Geltung beanspruchte. Während im Pandektenrecht der Mangel des Rechtsgrundes noch häufig mit der behaupteten Billigkeitsfunktion des Bereicherungsrechts verquickt wurde und über Inhalt und Funktion dieses Konzepts in der Literatur erhebliche Auseinandersetzungen stattfanden 67 , ist der Rechtsgrundbegriff im Rahmen der traditionellen Bereicherungslehre zu Beginn dieses Jahrhunderts weitgehend geklärt worden 6 8 . Danach war der Rechtsgrund für eine Vermögensverschiebung als Legitimation zum dauerhaften Behalten des Erlangten durch den Adressaten der Vermögensverschiebung aufzufassen. Dabei kommen als Rechtsgrund sowohl obligatorische Rechtsbeziehungen 66

Mugdan II, Protokolle, 1171. Crome, System des deutschen bürgerlichen Rechts, 979; Dernburg, Das bürgerliche Recht des Deutschen Reichs und Preußens, Bd. 2: Schuldverhältnisse, Abt. 2, §§ 374 ff.; Endemann, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts, Bd. I, 1234; Stammler, Zur Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung nach dem bürgerlichen Gesetzbuch, Festgabe f. Hermann Fitting, 131 ff. (153ff.); O. v. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3: Schuldrecht, 995f. 68 Siehe dazu etwa Krawielicki, Grundlagen des Bereicherungsanspruchs, 3 ff.; v. Mayr, Der Bereicherungsanspruch des deutschen bürgerlichen Rechts, 420 ff.; Jung, Die Bereicherungsansprüche und der Mangel des rechtlichen Grundes, 56ff.; Collatz, Ungerechtfertigte Vermögens Verschiebung, 15 ff. 67

§ 3 Die sog. „ traditionelle"

Bereicherungslehre

67

(obligatorische Unterlage 6 9 ) wie auch gesetzliche Vorschriften in Frage, die einen E r w e r b als endgültig legitimieren 7 0 . Unterschieden wird dabei zwischen abstrakten und kausalen Vermögensverschiebungen. D i e abstrakten V e r m ö gensverschiebungen bedürfen zu ihrem dauerhaften Bestand einer obligatorischen Grundlage; kausale Vermögensverschiebungen tragen den Rechtsgrund für ihr dauerhaftes Verbleiben beim Empfänger in sich selbst 7 1 . Beide Arten von Vermögensverschiebungen, abstrakte wie kausale, hängen in ihrer Beständigkeit v o m Vorliegen eines Rechtsgrundes ab; lediglich die Art der Abhängigkeit ist bei beiden F o r m e n der Vermögensverschiebung unterschiedlich. Ist eine Vermögensverschiebung bei einem Rechtsgrundmangel nichtig, handelt es sich u m eine kausale Verschiebung; ist sie wirksam, aber kondizierbar, so ist sie als abstrakt zu qualifizieren 7 2 . Schließlich bestand Einigkeit darüber, daß der Begriff des Rechtsgrundes, sein Inhalt und seine F u n k t i on, für alle Arten der Kondiktionen (d.h. Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen) gleich sein muß. Diese Auffassung führte dazu, daß für alle Vermögensverschiebungen die Notwendigkeit eines Rechtsgrundes postuliert wurde. Dieses Postulat läßt sich jedoch in einer wettbewerbsorientierten W i r t schaft nicht aufrechterhalten. I m wirtschaftlichen Wettbewerb werden bestimmte Güter, etwa Marktanteile, Absatzwege, G o o d Will eines U n t e r n e h mens, nicht sondergesetzlich geschützte Ideen und Einfälle, Organisationspläne etc. nicht durch die Zuordnung absoluter subjektiver Rechte, sondern durch den Wettbewerb selbst verteilt. Zwischen Wettbewerbern finden dabei in einem dynamischen Markt permanent „Vermögensverschiebungen" i.S.v. H i n zuerwerb und Verlust von Marktanteilen zugunsten der Leistungsstärkeren auf Kosten der Leistungsschwächeren statt, ohne daß solche wirtschaftlich potentiell außerordentlich einschneidenden Verschiebungen eines Rechtsgrundes im Sinne einer obligatorischen Grundlage bedürften. Es ist Marktteilnehmern im R a h m e n ihrer wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit grundsätzlich gestattet, sich durch Imitation fremde Produktionsmethoden, Organisationsprinzipien, Ideen, Einfälle und im R a h m e n des lauteren Wettbewerbs auch Produkte, die zunächst von Mitwettbewerbern eingeführt und genutzt wurden und die nicht gesetzlich durch Ausschließlichkeitsrechte geschützt sind, zunutze zu machen. A u c h hier handelt es sich um eine Bereicherung auf Kosten eines anderen, für die kein Rechtsgrund im Sinne von einer obligatorischen Grundlage erforderlich ist.

69

Jungy Die Bereicherungsansprüche und der Mangel des rechtlichen Grundes, 128; Krawielicki, Grundlagen des Bereicherungsanspruchs, 5; v. Mayr, Der Bereicherungsanspruch des deutschen bürgerlichen Rechts, 429. 70 Krawielicki, Grundlagen des Bereicherungsanspruchs, 160 ff.; v. Mayr, Der Bereicherungsanspruch des deutschen bürgerlichen Rechts, 429; Jung, Die Bereicherungsansprüche und der Mangel des rechtlichen Grundes, 125. 71 Siehe dazu näher Krawielicki, Grundlagen des Bereicherungsanspruchs, 6 ff. 72 Krawielicki, a. a. O., 7.

68

Kapitel I: Dogmatische

V. Die Grenzen der

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

Vermögensverschiebungstheorie

Wie bereits oben näher dargelegt, stand hinter dem Konzept der Vermögensverschiebung, wie es von v. Savigny in das Bereicherungsrecht eingeführt worden war, die Vorstellung, daß gegenständliche Objekte aus dem Vermögen des Kondizienten in das Vermögen des Bereicherten gelangen. In der Grundkonzeption ging diese Lehre also vom gegenständlichen Ubergang von bereits im Vermögen des Kondizienten vorhandener Güter aus. Erhebliche Schwierigkeiten bereitete es der Vermögensverschiebungstheorie, die Verteilung neugeschaffener und demgemäß gegenständlich im Vermögen des Kondizienten zur Zeit des Erwerbs durch den Bereicherten noch nicht vorhandener Vermögensvorteile im Rahmen der Eingriffskondiktion dogmatisch einwandfrei zu erfassen. Diese Probleme ergaben sich in verschiedenen Fallkonstellationen.

1. Die Nutzung und der Gebrauch von Sachen Die Begründung einer Vermögensverschiebung in den Fällen von Gebrauch und Nutzung von Sachen ist im Rahmen der Vermögensverschiebungslehre deshalb problematisch, weil weder Gebrauch noch Nutzung fremder Sachen zu einer Verschiebung von vor dem Gebrauch bzw. der Nutzung im Kondizientenvermögen bereits gegenständlich vorhandener Güter führen. Vielmehr entstehen die Vorteile des Gebrauchs und der Nutzung originär im Vermögen des Gebrauchenden bzw. Nutzenden, ohne als solche vorher überhaupt existent gewesen zu sein73. Nimmt man das Erfordernis der Vermögensverschiebung ernst, so gilt dieser Befund unabhängig davon, wie das Erlangte gemäß § 812 I 1 B G B in den Fällen des unbefugten Gebrauchs oder Nutzens definiert wird.

a) Die Anknüpfung an die durch den Gebrauch bzw. Nutzung eines fremden Rechts oder einer fremden Sache ersparten Aufwendungen Voraussetzung des Bereicherungsanspruchs nach § 812 I 1 B G B ist es, daß der Bereicherungsschuldner etwas ohne Rechtsgrund auf Kosten des Kondizienten erlangt. In den Fällen unbefugten Gebrauchs oder unrechtmäßiger Nutzung von Sachen und Rechten hat es der Rechtsprechung und der Literatur erhebliche Schwierigkeiten bereitet, das Erlangte in einer Weise zu fixieren, die mit dem Erfordernis der Vermögensverschiebung vereinbar war. Häufig wurde 73 Siehe dazu Batscb, Vermögensverschiebung und Bereicherungsherausgabe, 36; J. Wolf, Der Stand der Bereicherungslehre und ihre Neubegründung, 21 f.; Antoni, Die Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung im gewerblichen Rechtsschutz, 95 ff.; Mestmäcker, Eingriffserwerb und Rechtsverletzung in der ungerechtfertigten Bereicherung, J Z 1958, 521 ff. (523); Büsching, Der Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion im Wettbewerbsrecht, 21; R O H G 13.9.1877, R O H G E 22, 338 (340).

5 3 Die sog. „ traditionelle"

Bereicherungslehre

69

das Erlangte in der sog. Ausgabenersparnis des Bereicherten gesehen. Durch den unbefugten Gebrauch einer fremden Sache soll der Bereicherungsschuldner dasjenige erlangt haben, was er bei ordnungsgemäßem Verhalten dem Berechtigten für den Gebrauch oder die Nutzung der Sache bzw. des Rechts hätte bezahlen müssen. Typisch für dieses Begründungsmuster sind die Ausführungen des R G in dem bekannten Gleisanlagenfall. D o r t heißt es u.a.: „Bereichert ist die Beklagte auf Kosten des Klägers insofern, als sie bei ordnungsgemäßem Vorgehen den Kläger für die unerlaubte Mehrbenutzung eine angemessene Entschädigung hätte zahlen müssen, diese also erspart und damit zugleich dem Kläger entzogen hat" 74 . Die Verknüpfung der Vermögensverschiebung mit der Ausgabenersparnis ist aus mehreren Gründen in die Kritik geraten. So wird darauf verwiesen, daß dem Entreicherten nur etwas entgangen sein kann, wenn ihm ein Anspruch auf eine Gegenleistung für den Gebrauch der Sache zugestanden hätte 75 . Dies aber ist in den Fällen der Eingriffskondiktion kaum je der Fall. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls darauf hinzuweisen, daß die A n knüpfung an die ersparten Ausgaben des Bereicherten schon deshalb mit dem Erfordernis der Vermögensverschiebung kollidieren muß, weil der ersparten Aufwendung des Bereicherten kein Vermögensbestandteil beim Entreicherten entsprach, der dessen Vermögen durch die Nutzung verlassen hätte. Die Funktion des Konzepts der ersparten Aufwendungen hat sich im Recht der ungerechtfertigten Bereicherung im Laufe der Zeit verändert. Der Begriff der ersparten Aufwendungen beschreibt eine „sekundäre" Bereicherung: Die Ersparnis von Aufwendungen ist nur möglich, wenn zunächst (vor der Ersparnis) etwas anderes erlangt worden ist, für das im Falle des Nichterlangens Aufwendungen gemacht worden wären 7 6 . Wenn z . B . jemand die Erfindung aus einem dem anderen zustehenden Patent nutzt, so hat er eben die Nutzung des Patents erlangt. Aufwendungen hat er dadurch dann erspart, wenn er sich das Recht zur Nutzung der patentierten Erfindung gegen Entgelt vom Berechtigten hätte einräumen lassen müssen, um dasselbe wirtschaftliche Ergebnis zu erreichen.

b) Der Verwendungserfolg als das Erlangte Neben der Ausgabenersparnis konnte man den wirtschaftlichen Erfolg der Inanspruchnahme der fremden Sache oder des fremden Rechts als das Erlangte

R G 20.12.1919, R G Z 97, 310(312). Batsch, Vermögensverschiebung und Bereicherungsherausgabe, 44 f. 76 Batsch, a.a.O., 44; Larenz/Canaris, SchR II/2, § 71 I 2 a); Staudinger(-Lorenz), § 812, Rz. 72; Goetzke, Subjektiver Wertbegriff im Bereicherungsrecht?, AcP 173 (1973), 288ff. (311); Kleinhey er, Eingriffsbereicherung durch unbefugte Nutzung und Wertersatz, J Z 1961, 473 f.; Gursky, Ersparnisgedanke und Reserveursache im Bereicherungsrecht, J R 1972,279 ff.; Erman(- Westermann), § 812, Rz. 9; Canaris, Anm. zu B G H 7.1.1971, B G H Z 55, 128 (Flugreisefall), J Z 1971, 560 (561). 74 75

70

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

im Sinne von § 812 11 B G B ansehen 77 . Hält man aber strikt an dem herkömmlichen juristischen Vermögensbegriff fest, so ist klar, daß ein solcher Verwendungserfolg erst im Vermögen des unbefugten Nutzers - eben als Ergebnis von Gebrauch oder Nutzung einer Sache oder eines Rechts - entsteht. Dieser Erfolg ist vor der Inanspruchnahme des Rechts oder der Sache weder als subjektives Recht noch als ökonomisch fixierter Wert im Vermögen des K o n dizienten enthalten und kann dementsprechend auch nicht Gegenstand einer Vermögensverschiebung sein.

2. Probleme

der Vermögensverschiebungstheorie in Immaterialgüterrechte

bei

Eingriffen

Entsprechende Probleme wie bei unbefugtem Gebrauch und unbefugter Nutzung von Sachen hinsichtlich der Feststellung einer Vermögensverschiebung ergaben sich bei der unbefugten, aber gutgläubigen Nutzung fremder Immaterialgüterrechte. Das Festhalten am Vermögensverschiebungserfordernis führte in der traditionellen Bereicherungslehre tendenziell zu einer starken Einschränkung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion: Immer dann, wenn der Bereicherung auf der einen Seite keine entsprechende Vermögensverminderung (Schaden) auf der anderen Seite gegenüberstand, konnte kein Anspruch aus § 812 I 1 B G B geltend gemacht werden. D e r bereits im klassischen römischen Kondiktionenrecht (datio 78 ) angelegte und von v. Savigny für das moderne Bereicherungsrecht herausgearbeitete Begriff der Vermögensverschiebung war im Kern auf den Ubergang gegenständlich im Vermögen des Kondizienten vorhandener Objekte angelegt. Vor dem Hintergrund des technischen und wirtschaftlichen Entwicklungsstandes am Vorabend der industriellen Revolution, also des Ubergangs von einer vorwiegend agrarisch bestimmten Gesellschaft in eine Industriegesellschaft, erscheint die Konzentration v. Savignys auf den bereicherungsrechtlichen Bestandsschutz des als Summe der subjektiven Rechte des Inhabers begriffenen Vermögens verständlich, in dessen Mittelpunkt bewegliche und unbewegliche Sachen standen. J e mehr die fortschreitende technische, wirtschaftliche und auch juristische Entwicklung zu der Entstehung nichtgegenständlicher Vermögensobjekte führte, desto weniger erwies sich der eben erwähnte „gegenständliche" Begriff der Vermögensverschiebung als für den Schutz neuer Arten von Vermögensobjekten, die immaterieller Natur waren, tauglich. Das rein gegenständliche oder sich sogar auf Rechtsübergang beschränkende Konzept der Vermögensverschiebung vermochte den Anspruch auf Herausgabe der durch Eingriff in 77 Siehe etwa Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 122 ff.; Batsch, Vermögensverschiebung und Bereicherungsherausgabe, 36 ff. 78 S.o. § 2 I 3 a)aa).

$3 Die sog. „traditionelle"

Bereicherungslehre

71

fremdes Recht erlangten Bereicherung weder bei unbefugter Nutzung oder Gebrauch von Sachen noch bei der unerlaubten Inanspruchnahme fremder Rechte befriedigend zu erklären, weil es bei diesen Formen der Inanspruchnahme fremden Gutes eben zu keiner Verschiebung von Vermögensgegenständen kommt. Daher erstaunt es wenig, daß praktisch von der Zeit ab, in der das B G B dem Bereicherungsrecht eine neue Form gegeben hatte, in Rechtsprechung und Schrifttum Versuche zur Ausdehnung des Konzepts der Vermögensverschiebung mit dem Ziel stattgefunden haben, die engen Grenzen dieses Konzepts zu erweitern und damit dem Rechtsinstitut der Eingriffskondiktion einen größeren Anwendungsbereich zu geben. Grundlage dieser Bemühungen war die Erkenntnis, daß in den Fällen der unbefugten Nutzung und des Gebrauchs von Sachen sowie in der Verletzung von immateriellen Rechten die Gewährung eines Anspruchs aus Eingriffskondiktionen sachlich gerechtfertigt war, das Konzept der Vermögensverschiebung aber dennoch an seine Grenzen stieß. Die in Literatur und Rechtsprechung vorgenommenen Neuformulierungen des Konzepts der Vermögensverschiebung dienten dem Ziel, den Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion über die als zu eng erkannte Grenze des gegenständlichen Vermögensüberganges hinaus auszudehnen. Wie sich zeigen wird, führten die Versuche zur Erweiterung dieses Konzeptes im Ergebnis zu einer - wenn auch durch verschleiernde Formulierungen - verdeckten Aufgabe des Vermögensverschiebungserfordernisses. Bei dieser verschleierten Aufgabe fällt insbesondere ins Gewicht, daß wegen der mangelnden Konkretheit und inhaltlichen Faßbarkeit der Erweiterung die Funktion des Vermögensverschiebungserfordernisses im Tatbestand der Eingriffskondiktion nicht mehr erfüllt werden konnte: nämlich die sachgerechte Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion, d.h. die Abgrenzung des Schutzes des Rechtsinhabers von dem Bereich der Handlungsfreiheit der anderen Rechtssubjekte. Das Ergebnis der wirtschaftlichen Anstrengungen derjenigen, die sich auf einem Markt betätigen, darf nicht ohne sachlich gerechtfertigten, schwerwiegenden Grund auf andere übergewälzt werden und diesen zugutekommen, sondern muß den Handelnden verbleiben.

VI. Die verdeckte Aufgabe des Konzepts der Vermögensverschiebung durch die Erweiterung des Vermögensbegriffs hzw. durch die Einführung eines Schadenserfordernisses Die Ausdehnung und schließliche Aufgabe des Erfordernisses der Vermögensverschiebung erfolgte methodisch auf zwei verschiedenen Wegen: Einerseits durch die Ausweitung des Vermögensbegriffs, andererseits durch die Ersetzung der Vermögensverschiebung durch das Erfordernis eines Schadens im Vermögen des Kondizienten und der Kausalität zwischen diesem Schaden und der Bereicherung des Bereicherungsschuldners.

72

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

1. Die Ausdehnung des

der

Eingriffskondiktion

Vermögensbegriffes

Ein einheitlicher Begriff des Vermögens ist in rechtlich verbindlicher Weise nicht festgelegt. Auch das B G B verzichtet auf eine Legaldefinition des Begriffes. Einen spezifisch juristischen Vermögensbegriff hatte v. Savigny entwikkelt: das Vermögen einer Person wird als die Summe der subjektiven Rechte aufgefaßt, die dieser Person zustehen79. Die Verklammerung des Konzepts des subjektiven Rechts mit dem des Vermögens80 ist charakteristisch für den juristischen Vermögensbegriff und schließt werthaltige Verhältnisse, die nicht in der Form eines subjektiven Rechts abgesichert, sondern faktischer Natur sind, aus dem Vermögen aus. Dieser juristische, auf der Grundlage des subjektiven Rechts fußende Vermögensbegriff hat sich im Bereich des bürgerlichen Rechts lange Zeit als herrschend durchgesetzt. Zum Nachweis dieser These sei nur auf zwei repräsentative Stimmen im Schrifttum hingewiesen. Für v. Tu.hr können nur Rechte, unter diesen aber auch Anwartschaften und betagte und bedingte Obligationen, Bestandteil des Vermögens sein. Konsequent wird die Vermögenseigenschaft von tatsächlichen Verhältnissen des Wirtschaftslebens abgelehnt, auch wenn solche tatsächlichen Verhältnisse für den Vermögensinhaber ökonomisch vorteilhaft, d. h. wertvoll sind. Soweit solche Verhältnisse aber den Wert einzelner Vermögensrechte erhöhen oder den Erwerb von Vermögensrechten erst ermöglichen, seien diese Stellungen als Vermögensinteressen des Inhabers des Vermögens rechtlich geschützt81. Ganz ähnlich grenzt Nipperdey den Begriff des Vermögens ab. Vermögen wird definiert als die Gesamtheit der Rechte, die zur Befriedigung der Bedürfnisse einer Person dienen, also als subjektive Rechte zu qualifizieren sind. Dazu gehören auch Anwartschaften sowie befristete und bedingte Rechte 82 . Ausdrücklich ausgeschlossen aus dem Vermögenskonzept sind dagegen bloße Aussichten und Chancen auf zukünftigen Erwerb von Vermögensbestandteilen, die sich noch nicht zu Anwartschaften und bedingten Rechten verdichtet haben83. Der enge juristische Vermögensbegriff mit seiner Orientierung an der Kategorie des subjektiven Vermögensrechts wurde von Anfang an, d.h. nach seiner Entwicklung durch v. Savigny auch für das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung rezipiert. So bestimmt Bolze in einer frühen Arbeit zu der Lehre von den Kondiktionen das Vermögen als „die Summe der einer Person zustehenden einzelnen Vermögensrechte zuzüglich derjenigen nutzbaren tathsächlichen Verhälthnisse, welche von der Person rechtmäßig für eigene Rechnung genutzt werden"84. v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts I, 339 f. Siehe dazu etwa Joerges, Bereicherungsrecht als Wirtschaftsrecht, 14 f. 81 v. Tuhr, Allgemeiner Teil des deutschen bürgerlichen Rechts I, 318 ff. 82 Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, 1. Hlbbd., 841 f. 83 Enneccerus/Nipperdey, a. a. O., 842. 84 Bolze, Zur Lehre von den Kondiktionen, insonderheit von der condictio sine causa, AcP 78 (1892), 422 ff. (427). 79 80

§ 3 Die sog. „ traditionelle

"

Bereicherungslehre

73

Diese Auffassung geht bereits - wenn auch in sehr beschränktem Maße über den Kreis der subjektiven Rechte als alleinige Bestandteile des Vermögens hinaus, in dem auch bestimmte, „tatsächliche Verhältnisse" mit in den Vermögensbegriff einbezogen werden, wenn und soweit sie nur rechtmäßig und für eigene Rechnung des Vermögensinhabers genutzt werden. Für das Bereicherungsrecht bedeutet diese Erweiterung, daß eine Vermögensverschiebung demnach nicht mehr allein durch den Transfer subjektiver Rechte konstituiert werden konnte. Einen Schritt weg von der strikten Bindung des Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung an den engen Vermögensbegriff unternahm der Gesetzgeber des BGB, indem er den ursprünglichen Formulierungsvorschlag „aus dessen Vermögen" in „auf Kosten eines Anderen" 8 5 änderte. Damit sollten auch Fälle erfaßt werden, bei denen der Gegenstand der Bereicherung noch nicht Bestandteil des Vermögens des Kondizienten geworden sei, sondern dieses nur berührt habe. Diese Formulierung ist für vielerlei Deutung offen; später ist sie auch für die Begründung von Bereicherungsansprüchen in Fällen herangezogen worden, an die der historische Gesetzgeber sicherlich nicht gedacht hatte. a) Der Vermögensbegriff Spezialliteratur

in der

bereicherungsrechtlichen

Diese Definition des Vermögensbegriffes wurde vom bereicherungsrechtlichen Schrifttum und der Rechtsprechung aufgegriffen. Die sog. traditionelle Bereicherungslehre, deren Grundlagen durch die Arbeiten von Jung, v. Mayr und Krawielicki gelegt wurden, folgte diesem etwas erweiterten Vermögensbegriff. Beispielhaft sei hier auf die Ausführungen zur Vermögensverschiebung in den grundlegenden Arbeiten der genannten Autoren hingewiesen 86 . Auch v. Mayr hält an der Definition des Vermögensbegriffs und dem Erfordernis der Vermögensverschiebung fest 87 . Konsequent wäre daher die Ablehnung des Bereicherungsanspruchs bei dem rechtswidrigen Eingriff in ein fremdes Patent, weil das aus einer solchen unbefugten Nutzung Erlangte sich vor dem Eingriff nicht als solches im Vermögen des Kondizienten befand; dies gilt - auch wenn man den durch die Motive leicht erweiterten Vermögensbegriff zugrundelegt - jedenfalls dann, wenn der Patentinhaber selbst eine solche Nutzung nicht vorgenommen hätte, v. Mayr selbst geht auf diesen Widerspruch zwischen seiner Definition der Vermögensverschiebung und der Integration von Verletzungen von Patentrechten in den Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion mit keiSiehe Mugdan II, Protokolle 1171. Jung> Die Bereicherungsansprüche und der Mangel des rechtlichen Grundes, 127ff.; v. Mayr, Der Bereicherungsanspruch des deutschen bürgerlichen Rechts, 113 ff.; Krawielicki, Grundlagen des Bereicherungsanspruchs, 2 ff. 87 v. Mayr, a.a.O., 114f. 85 86

74

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

nem Wort ein. Von den Äußerungen v. Mayrs abgesehen, gehen die frühen bereicherungsrechtlichen Grundlagenarbeiten - ebenso wie die Kommentierungen zum B G B - auf die Frage der Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion bei der Bereicherung durch Verletzung von Immaterialgüterrechten oder anderen Rechtspositionen, deren O b j e k t nicht gegenständlich ist, nicht ein. Die Rechtsprechung lehnte die Anwendung der Eingriffskondiktion auf Immaterialgüterrechte ab 8 8 . D i e Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 812 I 1, 2. Alt. B G B wurde jedoch nicht mit der fehlenden unmittelbaren Vermögensverschiebung zwischen Kondizient und Bereicherungsschuldner in Fällen der Verletzung von Immaterialgüterrechten begründet, sondern mit dem abschließenden Regelungscharakter der Gesetze, durch die die Immaterialgüterrechte begründet wurden. Eine Ausnahme von diesem Prinzip erkannte die Rechtsprechung lediglich bei der Verletzung von Urheberrechten an. Auch wenn die Begründung der entsprechenden höchstrichterlichen Urteile es häufig nicht offenlegte, spielte das Fehlen einer gegenständlichen Vermögensverschiebung bei der Ablehnung der Anwendung der Eingriffskondiktion auf die Verletzung von Immaterialgüterrechten sicherlich eine Rolle. In einzelnen Fällen zog die Rechtsprechung das Fehlen einer Vermögensverschiebung heran, um die Ablehnung der Anwendung der Eingriffskondiktion im Bereich der Immaterialgüterrechte zu begründen 8 9 . Hinzu trat die Befürchtung, daß sich die Gewährleistung eines Anspruchs wegen Eingriffskondiktion auf den durch den Rechtsverletzer erzielten Gewinn erstrecken könnte. Die Rechtsprechung befürchtete, daß dann dadurch ein schuldlos Handelnder einem Anspruch auf Gewinnherausgabe ausgesetzt sein könnte und fand diese Sanktion wohl zu hart.

b) Die Einbeziehung faktischer

Vorteile in den

Vermögensbegriff

D i e eben skizzierte Ausdehnung des Begriffs des Vermögens und damit auch der Bedeutung des Konzepts der Vermögensverschiebung im R a h m e n des Tatbestandes der Eingriffskondiktion zeichnet sich dadurch aus, daß sie zwar auf die Verschiebung bereits im Kondizientenvermögen vorhandener R e c h t e unter bestimmten Voraussetzungen verzichtet, aber dennoch im wesentlichen bei der Definition des Vermögens als Gesamtheit von subjektiven Rechten verharrt. Gewisse Ausnahmen werden nur für Besitz und Anwartschaften anerkannt. Das D i k t u m der 2. Kommission, der Gegenstand der Kondiktion müsse nicht Bestandteil des Kondizientenvermögens gewesen sein 90 , sein Vermögensstand müsse lediglich berührt worden sein, bezieht sich ersichtlich auf Fallkonstellationen, in denen der Kondizient ein subjektives R e c h t nur deshalb nicht erworben hat, weil der Bereicherungsschuldner den Gegenstand vor der Vollendung des Erwerbs ohne Rechtsgrund erlangt hat. 88 89 90

Siehe dazu näher unten § 19 I 2. Siehe R O H G 13.9.1977, R O H G E 22, 328 (340) (Richard's Wanderleben). Mugdan II, Protokolle, 1171.

§ 3 Die sog. „ traditionelle

"

Bereicherungslehre

75

Insbesondere im Schrifttum zu den Immaterialgüterrechten und z u m gewerblichen Rechtsschutz entwickelten sich bereits kurz nach dem Inkrafttreten des B G B Bestrebungen, den Begriff des Vermögens noch einmal zu erweitern und n u n m e h r auch faktische Vorteile in den Vermögensbegriff einzubeziehen, die dem Kondizienten rechtsgrundlos entzogen wurden. Im Schrifttum mehrten sich nach dem Inkrafttreten des B G B zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Stimmen, die für eine A n w e n d u n g der Eingriffskondiktion auf dem Gebiet der Immaterialgüterrechte und des gewerblichen Rechtsschutzes eintraten. Das R G und auch - anfänglich - der B G H lehnten eine eingriffsbereicherungsrechtliche Haftung für die Verletzung von Immaterialgüterrechten ab. Begründet w u r d e diese Ablehnung mit dem abschließenden Regelungscharakter der Immaterialgütergesetze, der eine A n w e n d u n g der Eingriffskondiktion nach § 812 I 1, 2. Alt. B G B ausschlösse 9 1 . Lediglich für Urheberrechtsverletzungen w u r d e davon eine A u s n a h m e gemacht 9 2 . Diejenigen, die im Schrifttum für einen bereicherungsrechtlichen Ausgleich unbefugter Eingriffe in Immaterialgüterrechte eintraten, mußten daher nicht nur den Bedenken wegen der Ausschließlichkeit der Schadensersatzregeln der Immaterialgüterrechtsgesetze entgegentreten, sondern auch dartun, daß in den Fällen der Verletzung solcher Rechte eine Vermögensverschiebung vorliegt. Das R G hat in einigen Entscheidungen, z.T. als obiter dictum festgestellt, daß in solchen Fällen eine Vermögensverschiebung nicht vorliege 9 3 . Im Urteil vom 12.5.1926 ging es u m die Verletzung des Urheberrechts eines Schriftstellers an seinem Werk. Ein Rundfunksender hatte das Werk „Der Tor und der Tod" ohne die Einwilligung des Autors ausgestrahlt. Daraufhin machte der U r h e b e r Schadensersatzansprüche nach dem L i t U r h G und Bereicherungsansprüche nach § 812 I 1, 2. Alt. B G B geltend. Das Gericht stellte z w a r fest, daß die Ausstrahlung des fraglichen Werkes durch den beklagten R u n d f u n k s e n d e r eine nach § 111 des damaligen Urhebergesetzes unbefugte Verbreitung gewesen sei. Den geltend gemachten Bereicherungsanspruch lehnte es aber ab. Es sei nicht „angängig", aus dem dargelegten Sachverhalt abzuleiten, daß der Beklagte auf Kosten des Kondizienten etwas erlangt habe 9 4 . Hilfsweise w i r d darauf hingewiesen, daß das Urhebergesetz vom 19.6.1901 die Schadensersatzansprüche des Urhebers abschließend regele und nach dem Zweck des Gesetzes keine Ansprüche, und z w a r auch keine Bereicherungsansprüche, geltend gemacht werden könnten, die nicht im Urhebergesetz selbst geregelt seien. Das H a u p t argument, mit dem das Gericht einen Anspruch aus Eingriffsbereicherung ablehnt, kann nur so verstanden werden, daß in den Fällen unbefugter N u t zung von urheberrechtlichen Berechtigungen (und weitergefaßt: allen Immaterialgüterrechten), keine Vermögensverschiebung vorliegt. Damit fehlte eine nach der damals herrschenden Auffassung entscheidende Voraussetzung des 91 92 93 94

Siehe dazu näher unten § 19 I 2. R G 4.4.1917, RGZ 90, 137ff. (Erikamuster). Näher dazu unten § 19 I 3. R O H G 13.9.1977, R O H G 22, 338 (340). R G 12.5.1926, RGZ 113, 413 (424) (Der Tor und der Tod).

76

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung. Bei der N u t z u n g von I m m a terialgüterrechten wird dem Vermögen des Kondizienten nichts Gegenständliches entnommen. Sein (in casu:) Urheberrecht ist in seinem Bestand durch den Eingriff selbst nicht beeinträchtigt. D e r Vorteil, den der Rechtsverletzer erw o r b e n hat, ist originär in seinem Vermögen entstanden. Dieser Vorteil war als solcher zu keiner Zeit Bestandteil des Kondizientenvermögens. U m diese Schwierigkeiten zu überwinden, wurde versucht, den Vermögensbegriff so zu erweitern, daß auch vom Rechtsverkehr als ö k o n o m i s c h wertvoll beurteilte Positionen, die nicht als subjektive Rechte zugewiesen waren, als Vermögensbestandteile erfaßt werden konnten. E i n e sehr weitgehende Ausdehnung des Vermögensbegriffs über den B e stand der bekannten subjektiven Rechte hinaus schlug Lobe im H i n b l i c k auf die Anwendung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion bei Verletzung von N o r m e n des Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vom 27.5. 1896 9 5 vor. Aus der Entstehungsgeschichte des § 812 B G B sowie aus der Gleichstellung von entgangenem G e w i n n und damnum emergens in § 252 B G B zieht Lobe den Schluß, daß der Gesetzgeber dem Tatbestandsmerkmal des § 812 B G B „auf dessen K o s t e n " den denkbar weitesten Sinn beilegen wollte 9 6 . E b e n so wie in § 2 5 2 B G B seien durch § 812 B G B nicht nur die „unmittelbar beherrschten Sachwerte", sondern auch alle rechtlich geschützten Aussichten auf den erst künftigen Erwerb wirtschaftlicher Leistungen geschützt. Die rechtlich geschützten Erwerbsaussichten bildeten daher einen Bestandteil des Vermögens desjenigen, der eine solche günstige, wenn auch bloß faktische Lage im Wettbewerb erworben habe 9 7 . Allerdings bilde nicht jede noch so entfernte Möglichkeit zukünftigen Vermögenserwerbs einen Vermögensbestandteil. Vielmehr sei erforderlich, daß die Erwerbsaussicht nach den „natürlichen Verhältnissen und Wirkungen des Lebens" wahrscheinlich sei. Dies sei insbesondere dann anzunehmen, wenn die ungestörte Realisierung der Erwerbsaussicht rechtlich abgesichert sei. J e wahrscheinlicher die Erwerbsaussicht aufgrund der tatsächlichen Lage werde, desto mehr gleiche sich der Wert der günstigen wirtschaftlichen Situation dem zu erzielenden Gewinn an. F ü r die Schadensberechnung ergebe sich dies aus § 252 B G B . D e r dort zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke sei auch für das Bereicherungsrecht fruchtbar zu machen, wenn auch die F o r mulierung des § 252 B G B etwas ungenau sei; Vermögensbestandteil sei nicht der entgangene Gewinn, sondern die günstige wirtschaftliche Lage, die eine Gewinnerzielung nach dem gewöhnlichen Verlauf der D i n g e als wahrscheinlich erscheinen lasse. D i e für den Bereicherungsanspruch vorausgesetzte Vermögensverschiebung liege im Bereich des unlauteren Wettbewerbs darin, daß durch die unlautere Wettbewerbshandlung des Verletzers dem Kondizienten eine der Gewinnerzielung günstige wirtschaftliche Lage entzogen und dem 95 96 97

RGBl. 1896,145 ff. Lobe, Der unlautere Wettbewerb als Rechtsverletzung, 359. Lobe, a.a.O., 360.

§ 3 Die sog. „ traditionelle

"

Bereicherungslehre

77

Vermögen des Verletzers zugeführt werde98. Bei der günstigen wirtschaftlichen Lage handelt es sich nach dieser Auffassung zugleich auch um das durch den Bereicherten Erlangte nach § 812 I 1 BGB. Dessen Herausgabe in natura sei nicht möglich, weshalb nach § 818 II B GB der Wert zu erstatten ist. Die günstige wirtschaftliche Position, die nach dieser Auffassung die Grundlage des Bereicherungsanspruchs darstellt, ist kein Immaterialgut, das im Sinne von § 818 I B G B i.V.m. § 100 B G B Gegenstand einer Nutzung sein könnte. Vielmehr entspricht der Wert der entzogenen günstigen wirtschaftlichen Position dem Gewinn, den der Verletzer durch die unlautere Wettbewerbshandlung auf Kosten des Kondizienten gezogen hat. Beim Bereicherungsanspruch wegen Verletzung des gewerblichen Betätigungsrechts verbleibt es auch dann, wenn die Wettbewerbshandlung ein absolutes Recht an einer Bezeichnung verletzt hat, wie z.B. Warenzeichen, Name, Firma, Ausstattung. Wenn auch die Bezeichnung durch ein absolutes Recht geschützt sei, so verkörpere sich in ihm aber kein selbständiger Vermögenswert. Die unbefugte Nutzung einer Bezeichnung und der daraus erwirtschaftete Gewinn könne daher nicht dem Zeichen selbst, sondern müsse dem Wirtschaftsunternehmen zugerechnet werden, welches unter dem Zeichen auftrete". Sofern jedoch eine Bereicherung durch die Verletzung selbständiger Genußgüter im Wettbewerb herbeigeführt werde, etwa durch die unbefugte Inanspruchnahme von Patenten oder Urheberrechten, erwachse daraus ein selbständiger Bereicherungsanspruch100. Der Gegenstand des Bereicherungsanspruchs sei nicht der Gewinn des Rechtsverletzers, sondern der Wert der Nutzung des Immaterialgüterrechts. Soweit der Erwerb des Rechtsverletzers neben der Nutzung fremden Gutes auch auf eigene Arbeit zurückzuführen sei, müsse der Wert der eigenen Arbeit des Verletzers von dem Erwerb, der dem Kondizienten zustehe, abgesetzt werden101. Der Mangel des Rechtsgrundes bei Bereicherungsansprüchen aufgrund der Verletzung von UWG-Normen liege gerade in der unlauteren Wettbewerbshandlung, die zur Bereicherung geführt habe. Nur derjenige Erwerb, der durch lauteren Wettbewerb erzielt worden sei, sei mit Rechtsgrund erlangt worden. Der im Wege unlauteren Wettbewerbs erzielte Erwerb sei hingegen rechtsgrundlos erlangt, da die Rechtsordnung - wie aus dem U W G sichtbar werde den unlauteren Wettbewerb rechtlich mißbillige und dieser daher auch keinen Rechtsgrund für die Vermögensverschiebung bilden könne. Die von Lobe als Gegenstand der Vermögensverschiebung herausgearbeitete günstige wirtschaftliche Stellung des Kondizienten, die der Verletzer durch unlautere Wettbewerbshandlungen zum Zwecke der eigenen Gewinnerzielung in Anspruch nimmt, ist für den bereicherungsrechtlichen Schutz anderer Güter, z.B. von Patenten und Warenzeichen, nutzbar gemacht worden. Die Einbe98 99 100 101

Lobe, Lobe, Lobe, Lobe,

Der unlautere Wettbewerb als Rechtsverletzung, 361. a.a.O., 363. a.a.O., 363f. a.a.O., 365.

78

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

ziehung faktisch-wirtschaftlicher, aber noch nicht subjektiv-rechtlich geschützter Positionen in das Konzept des Vermögens ermöglicht eine im Vergleich zur herkömmlichen Vermögenskonzeption wesentlich erweiterte Anwendung der Eingriffskondiktion. Für das Gebiet des Bereicherungsrechts wurde damit hinsichtlich des Erfordernisses der Vermögensverschiebung die traditionell gegenständlich orientierte Konzeption des Vermögensbegriffes überwunden. Allerdings läßt die Begründung rechtlich fixierter Vermögenspositionen im Bereich des Wettbewerbs durch Lobe ein falsches Verständnis der Funktionsweise und der Bedingungen des wirtschaftlichen Wettbewerbs erkennen. Erwerbschancen und Möglichkeiten des geschäftlichen Erfolgs werden im Wettbewerb mit den der Konkurrenz eigenen Mitteln verteilt. Die Dynamik der Konkurrenz, die sich im Erwerb und Verlust wirtschaftlich vorteilhafter Stellungen - sei es durch lautere oder unlautere Wettbewerbshandlungen der Wettbewerber ausdrückt, verträgt keine Fixierung durch als subjektiv-rechtlich zugeordnete Vermögensgüter gefaßte „wirtschaftlich vorteilhafte Positionen".

c) Die Ausnutzung einer Verwertungsmöglichkeit der Vermögensverschiebung

als

Gegenstand

Im Unterschied zum rein bürgerlich-rechtlichen Schrifttum, welches überwiegend davon ausging, daß Ansprüche aus Eingriffskondiktionen wegen des angeblich abschließenden Charakters der Schadensersatzregelungen in den Gesetzen zu den Immaterialgüterrechten bei Verletzung solcher Rechte nicht gegeben seien, öffnete sich die Spezialliteratur zu den Immaterialgüterrechten stärker den Bestrebungen, den Ausgleichsmechanismus der Eingriffskondiktion auch für unbefugte Inanspruchnahme von gewerblichen Schutzrechten nutzbar zu machen. Das dogmatische Hauptproblem, nämlich die Aufrechterhaltung der Fiktion einer Vermögensverschiebung zwischen Kondizient und Bereichertem, wurde dabei nicht nur über eine Erweiterung des Vermögensbegriffs auf im Wettbewerb errungene Marktpositionen zu lösen versucht. Während die dadurch bewirkte Erweiterung des herkömmlichen Vermögensbegriffs, der nur subjektive Rechte umfaßte, auch faktische Herrschafts- und Wertpositionen integrierte, zielte ein anderer Lösungsansatz, der sich an der Struktur der Immaterialgüterrechte und nicht an einer faktischen Marktstellung orientierte, unter Aufrechterhaltung des Erfordernisses der Vermögensverschiebung auf einen erweiterten Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion. Um in Fällen des unbefugten Eingriffs in Immaterialgüterrechte eine Vermögensverschiebung feststellen zu können, wurde auf sog. konkrete Verwertungsmöglichkeiten von Immaterialgüterrechten als Vermögensbestandteile, die zwischen dem Vermögen des Kondizienten und dem Vermögen des Bereicherungsschuldners transferiert wurden, abgestellt. Orth lehnt den rein juristischen, auf den vorhandenen Bestand subjektiver Rechte des Vermögensinhabers sich beziehenden Vermögensbegriff ab, weil diese Vermögensdefinition den wirtschaftlich entscheidenden Aspekt der Wert-

§ 3 Die sog. „traditionelle"

Bereicherungslehre

79

haltigkeit von Gütern nicht zureichend erfasse. Orth geht von ökonomischen Grundüberlegungen wie etwa der Knappheit bestimmter Güter aus und gelangt darüber zu der Erkenntnis, daß der Wert von Gütern - seien es materielle oder immaterielle - darin liege, das Gut zu benutzen, zu tauschen und neue Güter mit seiner Hilfe zu erzeugen, es - kurz gesagt - zur Befriedigung bestimmter menschlicher Bedürfnisse zu verwenden102. Wirtschaftlich sei daher all das zum Vermögen zu rechnen, was geeignet sei, neue Güter zu produzieren, gebraucht oder getauscht zu werden103. Demgemäß werden als Vermögensbestandteil alle konkreten Verwertungsmöglichkeiten104 (^konkrete Möglichkeiten zu produzieren, zu tauschen oder zu gebrauchen105) angesehen. Die konkreten Verwertungsmöglichkeiten müssen jedoch, um als Vermögensbestandteil praktisch handhabbar zu werden, auf eine Person bezogen werden, die Vermögensinhaber ist. Eine konkrete Verwertungsmöglichkeit ist Vermögensbestandteil einer Person, soweit für diese Person die Verwertungsmöglichkeit existiert. Die Möglichkeit der Realisierung der Verwertung durch den Vermögensinhaber impliziert die Wahrscheinlichkeit, daß der Inhaber die Chance auch tatsächlich realisieren wird. Für die Existenz einer konkreten Verwertungsmöglichkeit ist es nicht erforderlich, daß er die Chance kennt oder tatsächlich auch verwirklicht106. Die Lehre von den konkreten Verwertungsmöglichkeiten wurde von Orth zunächst entwickelt, um die Anwendbarkeit des Bereicherungsanspruchs auf dem Gebiet des Patentrechts zu begründen. Der Ansatz wurde im Schrifttum jedoch aufgegriffen, um ihn auch für den bereicherungsrechtlichen Schutz anderer Immaterialgüterrechte und für die bereicherungsrechtliche Behandlung von Positionen im U W G fruchtbar zu machen. Unter Heranziehung des Konzepts der konkreten Verwertungschancen wurde demgemäß für die Anwendung des Anspruchs aus Eingriffsbereicherung im Warenzeichenrecht107, Orth, Die Bereicherung im Patenrecht, 78 ff. Orth, a.a.O., 82. 104 Orth, a.a.O., 88. 105 Orth, a.a.O., 83. 106 Orth, a.a.O., 88ff. 107 Oelschläger, Schadensersatz und Bereicherung im Warenzeichenrecht, 17: „Dafür(fürdie Anwendbarkeit des Anspruchs aus Eingriffskondiktion bei Warenzeichenverletzungen, R.E.) spricht noch mehr eine vernünftige Auslegung des Begriffs der Vermögensverschiebung, nämlich wenn man diese nicht in streng gegenständlichem Sinne auffaßt, vielmehr die Vermögensverschiebung in dem Uebergange der Anwartschaftsrechte, der Verwertungsmöglichkeiten (Hervorh. durch den Verf.) - bzw. nach unserer Fassung, einer Möglichkeit, einen Gewinn zu erzielen, der den Vermögensstand des anderen deshalb ungünstig berührt, weil der andere diesen dann nicht mehr erzielen kann - sieht und nicht in den einzelnen erhaltenen Geldbeträgen".; Peters, Die Gewinnherausgabepflicht aus Verletzung eines Warenzeichens, 31: „Vermögensbestandteil sind deshalb insbesondere alle Verwertungsmöglichkeiten. Jede einzelne Verwertungsmöglichkeit mit Verwirklichungsaussicht ist als Vermögensbestandteil aufzufassen, nicht nur geldwerte Rechte im juristischen Sinne sind darunter zu rechnen". Orth selbst plädiert für die Anwendung der Eingriffskondiktion bei der unbefugten Inanspruchnahme fremder Warenzeichen, siehe Orth, Die Bereicherung im Patentrecht, 162 f. 102 103

80

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

im Urheberrecht 108 und im Recht der unlauteren Wettbewerbs plädiert109. Die Eigenart dieser erweiterten Konzeption des Vermögensbegriffs besteht darin, daß versucht wird, die wirtschaftlichen Nutzungsformen rechtlich zugeordneter Güter jedenfalls insoweit von den zugrundeliegenden Berechtigungen zu lösen, daß sie - mehr oder weniger selbständig - Gegenstand des Vermögens und damit auch bereicherungsrechtlich relevanter Vermögensverschiebungsvorgänge sein können. Im Unterschied zu der Lehre von den günstigen wirtschaftlichen Lagen im Wettbewerb knüpft die Theorie von den konkreten Verwertungsmöglichkeiten stärker an den zugrundeliegenden Rechten an. Die „günstige wirtschaftliche Lage im Wettbewerb" ist eine rein faktische Position, auch wenn sie in einzelnen Aspekten rechtlichen Schutz, z.B. durch Schadensersatzansprüche, genießt. Die konkreten Verwertungsmöglichkeiten hingegen stellen letztlich auf die rechtliche Zuordnung von Gütern an ein Rechtssubjekt ab, auch wenn wirtschaftliche Gesichtspunkte betont werden. Allerdings geht der Ansatz der konkreten Verwertungsmöglichkeiten in derjenigen Ausformung, die er bei Orth gefunden hat, viel zu weit. Das Vermögen und sein Inhaber lassen sich auf der Grundlage dieser Konzeption nicht mehr hinreichend sicher und sinnvoll von anderen Vermögen und deren Inhabern abgrenzen. Konkrete Verwertungsmöglichkeiten in Bezug auf zugeordnete Güter besitzen alle Personen, die faktisch in der Lage sind, die Güter zu nutzen, gleichgültig, ob sie dazu befugt sind oder nicht. Derjenige, der die Lehre eines Patentes kennt, kann die Erfindung nutzen, auch ohne eine Genehmigung des Patentinhabers eingeholt zu haben. Der Passant, der an einem Apfelbaum vorbeikommt, kann die Äpfel ernten, ohne dazu befugt zu sein. Dennoch sollen diese faktischen Möglichkeiten zu unbefugter Nutzung Vermögensbestandteil sein110. Noch stärker gegen diese Bestimmung des Vermögensbegriffs spricht es, daß, wenn man das Konzept konsequent verfolgt, solche Verwertungsmöglichkeiten auch dann zum Vermögen gehören müßten, wenn sie nicht realisiert werden, wenn sie eben bloße Möglichkeiten bleiben. Es überdehnt den Vermögensbegriff, wenn man annehmen wollte, daß derjenige, der eine patentierte Erfindung kennt, aber nicht nutzt oder der an einem Apfelbaum vorbeikommt, aber die Äpfel nicht erntet, eine rechtsgrundlose Vermehrung seines Vermögens erlangt haben soll, indem er die bloße Möglichkeit einer solchen Nutzung hatte. Im Ergebnis ist damit festzustellen, daß die Lehre von den konkreten Verwertungsmöglichkeiten nicht geeignet ist, für den Anwendungsbereich des 108 Riezler, Deutsches Urheber- und Erfinderrecht, 140. Dabei wird auf den Entzug der Möglichkeit zur wirtschaftlichen Ausbeutung eines Immaterialgüterrechts durch einen Unbefugten zugunsten seines Vermögens abgestellt. Vgl. auch Orth, Die Bereicherung im Patentrecht, 103 ff. 109 Callmann, Der unlautere Wettbewerb, Einl., 124. 110 Kritisch dazu auch B G H 24.11.1981, B G H Z 82, 299 (306) (Kunststoffhohlprofil II); Haines, Bereicherungsansprüche bei Warenzeichenverletzungen und unlauterem Wettbewerb, 39 f.; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 86.

§ 3 Die sog. „ traditionelle

"

Bereicherungslehre

81

Anspruchs aus Eingriffskondiktion zu einer angemessenen Vermögensdefinition zu gelangen.

2. Die Substitution der Vermögensverschiebung durch ein Schadenserfordernis auf Seiten des Entreicherten und Kausalität von Vermögensminderung und Vermögensvermehrung Bereits mehrfach wurde darauf hingewiesen, daß das Erfordernis der Vermögensverschiebung - verstanden als gegenständlicher Ubergang von Vermögensobjekten-jedenfalls dann die Anwendung des Bereicherungsanspruchs erschwerte, wenn es sich um die bloße Nutzung von Sachen oder Rechten handelte, weil es dann an einem gegenständlichen Ubergang von Gütern aus dem Vermögen des Kondizienten in das Vermögen des Rechtsverletzers fehlte 111 . U m dennoch am Erfordernis einer Vermögensverschiebung festhalten zu können, gingen Literatur und Rechtsprechung dazu über, statt eines gegenständlichen Übergangs von Vermögensbestandteilen einen Vermögensnachteil auf Seiten des Kondizienten, einen Vermögensvorteil des Bereicherten sowie einen unmittelbaren Kausalzusammenhang zwischen Schaden und Vermögensvorteil ausreichen zu lassen. Eine Vermögensverschiebung im Sinne des Merkmals „auf dessen Kosten" in § 812 11 B G B liegt nach dieser Auffassung bereits dann vor, wenn der Vermögensnachteil beim Kondizienten und der Vermögensvorteil beim Bereicherten auf ein und dieselbe Ursache zurückzuführen sind 112 . Diesem Erfordernis war auch dann genüge getan, wenn der Verlust auf der einen und der Erwerb auf der anderen Seite sich der Höhe nach nicht entsprachen. In der Rechtsprechung schlug sich dieser Ansatz in Formulierungen nieder wie: „Nur dann liegt eine Bereicherung im Sinne des § 812 vor, wenn zwischen der Vermögensverminderung des einen und der Vermögensvermehrung des anderen ein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang besteht" 113 . „Bereichert ist die Beklagte auf Kosten des Klägers insofern, als sie bei ordnungsgemäßem Vorgehen dem Kläger für die unerlaubte Mehrbenutzung eine angemessene Entschädigung hätte zahlen müssen, diese aber erspart und damit zugleich dem Kläger entzogen hat" 114 . 111 Sieheoben Abschnitt V. dieses Paragraphen; dazu auch Batsch, Vermögens Verschiebung und Bereicherungsherausgabe, 36 ff.; Riimker, Das Tatbestandsmerkmal „ohne rechtlichen Grund" im Bereich der Eingriffskondiktion, 45; J. Wolf, Der Stand der Bereicherungslehre und ihre Neubegründung, 21 ff.; Haines, Bereicherungsansprüche bei Warenzeichenverletzungen und unlauterem Wettbewerb, 38; Büsching, Der Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion im Wettbewerbsrecht, 29. 112 Siehe dazu Batsch, Vermögensverschiebung und Bereicherungsherausgabe, 45 ff. m. w. N.; Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, 850 f. 113 R G 29.10.1919, R G Z 97, 65. 114 R G 20.12.1919, R G Z 97, 310 (312). Siehe auch R G 26.4.1907, R G Z 66, 77 (80); R G 26.3.1910, R G Z 73, 173 (177); R G 28.12.1899, R G Z 45, 170 (173).

82

Kapitel I: Dogmatische Grundlagen der

Eingriffskondiktion

Doch auch die Forderung nach dem ursächlichen Zusammenhang zwischen Vermögensverminderung auf der einen und Vermögensvermehrung auf der anderen Seite kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich der Sache nach nicht selten um die verdeckte Aufgabe des Tatbestandsmerkmals der Vermögensverschiebung handelte. Die Reduktion des ehemals auf gegenständlichen Ubergang von Rechtsobjekten gerichteten Tatbestandsmerkmals der Vermögensverschiebung auf einen bloßen Ursächlichkeitszusammenhang zwischen einer Bereicherung und einer Entreicherung führte letztlich dazu, die Vermögensverschiebung nur noch als Fiktion aufrechtzuerhalten. Dies wird durch einen vom RG entschiedenen Fall treffend illustriert 115 . Im Verlag des Klägers war das Buch „Frauenberufe" verlegt worden. Der Beklagte hatte in seinem Verlag ein Buch mit dem Titel „Was soll unsere Tochter werden?" herausgebracht, für das große Teile des Inhalts der „Frauenberufe" unselbständig übernommen worden waren. Die Klage richtete sich u.a. auch auf die Herausgabe der Erlöse aus dem Verkauf des vom Beklagten herausgebrachten Buches. Das Gericht bejahte einen Herausgabeanspruch aus § 812 BGB, indem es davon ausging, daß eine Vermögensverschiebung zwischen dem Vermögen des Klägers und demjenigen des Beklagten vorlag. Bemerkenswert daran ist die Art und Weise, wie die angebliche Vermögensverschiebung begründet wird. Das Gericht konstatiert einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Gewinn des Bereicherten und Verlust des Kondizienten in dem Sinne, daß ein einheitlicher Vorgang - nämlich die urheberrechtswidrige Veröffentlichung des Plagiats durch den Beklagten - beides bewirkt habe 116 . Von einer Vermögensverschiebung könnte hier allenfalls dann die Rede sein, wenn der Kondizient dartun könnte, daß der „Gewinn", den der Beklagte durch die unbefugte Nutzung des fremden Rechts (hier: Urheberrechts) erzielt hat, bei ordnungsgemäßem Verlauf dem Berechtigten zugeflossen wäre. Auf diesen Nachweis verzichtet das Gericht. Vielmehr schließt es allein aus der rechtsverletzenden Handlung auf „eine Schmälerung des Urheberrechts" indem es ausführt: „Es bedarf keiner besonderen Darlegung, daß der Absatz des abhängigen Buches eine Schmälerung des Urheberrechts von Verfasser und Verleger bedeutet, in deren Befugnisse die unfreie Benutzung eingriff. Inwieweit der Absatz des Beklagten dem Absatzausfall der Klägerin entspricht, braucht hier nicht entschieden zu werden. Es genügt, wenn in irgendwelchem Umfang das eine durch das andere verursacht worden ist"117. Damit verzichtet das RG letztlich auf einen Nachweis einer Vermögensbeeinträchtigung beim Kondizienten und damit auch auf das Erfordernis der Vermögensverschiebung. Selbst wenn der Kondizient durch die rechtsverletzende Handlung des Bereicherten eine Vermögensbeeinträchtigung erlitten hat, muß diese keineswegs nach Art und Umfang dem entsprechen, was der Bereicherte erlangt. Auf diese Weise wird das Erfordernis der Vermögens115 116 117

RG 9.6.1928, RGZ 121, 258 (Frauenberufe). RG 9.6.1928, RGZ 121, 258 (263). RG 9.6.1928, RGZ 121, 258 (263).

§ 3 Die sog. „ traditionelle"

Bereicherungslehre

83

Verschiebung zur Fiktion 1 1 8 . Die Aufweichung dieses Erfordernisses bis hin zu seiner verdeckten Aufgabe ermöglicht zwar die bereicherungsrechtliche Bewältigung von Fallkonstellationen, in denen die Gewährung eines Anspruchs aus Eingriffskondiktion angemessen erscheint, von einer Vermögensverschiebung aber nicht gesprochen werden kann. Die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion auf die Fälle der unbefugten Sach- und Rechtsnutzung ist damit auch im Rahmen der Vermögensverschiebungslehre ermöglicht worden. Ein festes dogmatisches Fundament konnte der Eingriffskondiktion aber dadurch nicht gegeben werden. Hinzu kommt, daß die Ausdehnung der Anwendung der Eingriffskondiktion auf die genannten Fälle der Sach- und Rechtsnutzung erkauft wurde durch eine faktische Aufgabe des Erfordernisses der Vermögensverschiebung. Dieses Tatbestandsmerkmal denaturierte zur bloßen Fiktion, indem es auf ein bloßes Schadens- und Kausalitätsmoment reduziert wurde. Dadurch wurde aber auch die Erfüllung der Funktionen des Erfordernisses der Vermögensverschiebung im Tatbestand der Eingriffskondiktion in Frage gestellt. Das Erfordernis der unmittelbaren Vermögensverschiebung hatte im Rahmen der traditionellen Bereicherungslehre vor allem zwei Aufgaben zu erfüllen: 1. Die unmittelbare Vermögensverschiebung bildet die dogmatische Grundlage des einheitlichen Bereicherungstatbestandes, der Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen als Unterarten eines gleichartigen Anspruchs zusammenfaßt. Dabei sind die Erfordernisse der unmittelbaren Vermögensverschiebung und der Rechtsgrundlosigkeit des Erwerbs beiden Arten des Kondiktionsanspruchs gemeinsam. Wie im folgenden noch auszuführen ist, hat die neuere Bereicherungslehre den Grundsatz der Einheit der Bereicherungsansprüche aufgegeben und geht hinsichtlich von Funktion und Anspruchsvoraussetzungen von einer klaren dogmatischen Trennung zwischen Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen aus. Im Rahmen der älteren Bereicherungslehre bestand eine wichtige Aufgabe des Erfordernisses der Vermögensverschiebung darin, die Parteien des Kondiktionsanspruches festzulegen. Das Erfordernis der Unmittelbarkeit im Zusammenhang mit der Vermögensverschiebung sollte nach dem Willen des Gesetzgebers die alte gemeinrechtliche Versionsklage ausschließen. 2. Eine Abgrenzungsfunktion kommt dem Erfordernis der unmittelbaren Vermögensverschiebung über die Bestimmung der Parteien des Bereicherungsanspruches hinaus zu: Durch eine (jeweils enge oder weite) Definition des Vermögensbegriffs wird auch festgelegt, welchen Anwendungsbereich die Ein118 Batsch, Vermögensverschiebung und Bereicherungsherausgabe, 31, spricht von der „Auflösung" des Erfordernisses der Vermögensverschiebung als Tatbestandsmerkmal der Eingriffskondiktion. Siehe dazu auch Mestmäcker, Eingriffserwerb und Rechtsverletzung in der ungerechtfertigten Bereicherung, JZ 1958, 521 (522): „...; in Wahrheit verzichtet diese Rechtsprechung auf eine Vermögensverschiebung und setzt an ihre Stelle das Postulat rechtmäßigen Verhaltens".

84

Kapitel 1: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

griffskondiktion gemäß § 812 I 1, 2. Alt. B G B über das Tatbestandsmerkmal „auf dessen Kosten" haben soll 1 1 9 . Soweit diese Funktion des Erfordernisses der Vermögensverschiebung betroffen ist, so hat es das Konzept nicht vermocht, die als kondiktionswürdig anerkannten Fälle der Nutzung von Sachen und Rechten befriedigend in den Tatbestand der Eingriffskondiktion zu integrieren und in diesem Rahmen einer Lösung zuzuführen. Trotz verschiedener Versuche, den Vermögensbegriff auszudehnen, konnten die Probleme der Einbeziehung der Immaterialgüterrechte in den Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion nicht überzeugend gelöst werden. Die Ersetzung des Erfordernisses der Vermögensverschiebung durch die Forderung nach Einheitlichkeit des Bereicherungsvorganges, d.h. Ent- und Bereicherung müssen auf ein und demselben Vorgang beruhen, sich aber nicht entsprechen, hat schließlich dazu geführt, daß das Konzept der Vermögensverschiebung in Wahrheit aufgegeben wurde. Wie Wilburg nachgewiesen hat, hatte das Erfordernis des Schadens auf Seiten des Kondizienten zur Ausfüllung des Tatbestandsmerkmals „auf dessen Kosten" des § 812 11 B G B keinen Platz in der Dogmatik des Bereicherungsanspruchs, weil die Eingriffskondiktion andere Funktionen hat als ein Anspruch wegen unerlaubter Handlung. Die immer stärkere Bedeutung der gewerblichen Schutzrechte und sonstiger immaterieller Rechtspositionen in der juristischen Wirklichkeit führten dazu, daß bei der unbefugten Inanspruchnahme solcher Rechte der Rechtsverletzer Vorteile erwarb, die vor der Rechtsverletzung als solche nicht im Vermögen des Kondizienten vorhanden waren und daher auch nicht Gegenstand einer Vermögensverschiebung gewesen sein konnten. Hier ist die überkommene Bereicherungslehre mit der Orientierung an der gegenständlichen Vermögensverschiebung an Grenzen gestoßen, die sie letztlich nur dadurch überwinden konnte, daß sie auf verdeckte Weise das Erfordernis der Vermögensverschiebung aufgab. Gleichzeitig wurde damit aber auch die Funktion der unmittelbaren Vermögensverschiebung beseitigt, um dem Anspruch aus Eingriffskondiktion F o r m und Kontur zu geben.

VII.

Vermögensverschiebung

als

Rechtsverschiebung

Allerdings gab es im Schrifttum auch Stimmen, die dafür eintraten, daß ein Anspruch aus Eingriffskondiktion nach § 8 1 2 1 1 , 2 . Alt. B G B nur dann gewährt würde, wenn der Bereicherungsschuldner ein Recht vom Kondizienten erwirkt, welches vorher dem Vermögen des Kondizienten zugehörig war. Diese Auffassung wurde vor allem von Leonhard vertreten. Als einer der ersten wies er daraufhin, daß es sich bei den Ansprüchen aus Leistungs- und Nichtleistungskondiktion um nach Tatbestand und Rechtsfolgen verschiedenartige Ansprüche handelt 120 . E r machte diese Erkenntnis zur Grundlage seiner be119 120

Siehe dazu oben Abschnitt VI., 1 in diesem Paragraphen. Leonhard, Besonderes Schuldrecht des B G B II, 453 f.

§3

Die sog. „traditionelle"

Bereicherungslehre

85

reicherungsrechtlichen „Unterscheidungslehre"121. Der Kerngehalt dieser Lehre lag darin, daß die Voraussetzungen der Vermögensverschiebung, die wiederum die Grundlage für den Bereicherungsanspruch insgesamt bildet, für die Leistungskondiktion einerseits und die Nichtleistungskondiktionen andererseits separat formuliert werden. Als Gegenstand der „Leistungsverschiebung" kommt jeder beliebige Vorteil in Betracht, der vom Kondizienten an den Bereicherungsschuldner geleistet wird. Es genügt z. B. die Verschaffung von Besitz, ein Arbeitserfolg oder die Ersparnis von Ausgaben, etwa bei einem Forderungsverzicht. Der Grund für die sehr weit gezogene Bestimmung des Güterkreises, der Gegenstand einer Leistung sein kann, liegt darin, daß eine Vereinbarung der Parteien vorliegt, durch die diese sich darauf geeinigt haben, daß der fragliche Gegenstand das Objekt der Leistung sein soll. Wer einem anderen freiwillig irgendwelche Güter überträgt, um damit einen Leistungszweck zu erreichen und diesen verfehlt, soll das Geleistete zurückfordern können 122 . Ganz anders liegt es hingegen bei den Nichtleistungskondiktionen. Hier reicht zur Begründung einer Vermögensverschiebung nicht der Ubergang eines beliebigen Gegenstandes aus, sondern bei der Eingriffskondiktion muß eine Veränderung der Rechtslage, eine „Rechtsverschiebung" stattgefunden haben: dann und nur dann, so Leonhard, könne von einem Erwerb aufgrund einer gesetzlichen Bestimmung ausgegangen werden, die ihren Zweck verfehlt habe123. Diese enge Definition des Begriffs der Vermögensverschiebung steht in unmittelbarem Zusammenhang mit Funktion und Auslegung des Konzepts der Rechtsgrundlosigkeit in § 812 I 1 BGB. Auch hier hält Leonhard konsequent an seiner Trennung zwischen Leistungskondiktion und Nichtleistungskondiktion fest. Während bei der Leistungskondiktion die Zwecksetzung hinsichtlich der Leistung den Rechtsgrund für das Behaltendürfen des Erlangten bildet, faßt er den Begriff des Rechtsgrundes bei der Eingriffskondiktion unabhängig und eigenständig davon. Eine Bereicherung durch Rechtsverschiebung erfolge dann rechtsgrundlos, wenn sie nicht durch die schuldrechtliche Beziehung zwischen den Beteiligten gedeckt sei124. Die Unterscheidungslehre, wie sie von Leonhard entwickelt wurde, kann als eine dogmatische Vorläuferin der heute vorherrschenden Trennungstheorie angesehen werden. Wie diese differenziert die Unterscheidungslehre hinsichtlich der Auslegung von Tatbestand und Rechtsfolgen des Bereicherungsanspruchs konsequent zwischen Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen. Die Anknüpfung der Eingriffskondiktion an eine durch den Eingriff ausgelöste Rechtsverschiebung erwies sich jedoch als zu eng, um eine brauchbare Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion zu leisten. Die Rechtsverschiebungslehre erfaßt nur die Fälle der Eingriffskondiktion, in denen es - wie bei Verarbeitung, Verbindung, Vermischung (§§ 946ff. B G B ) und 121 122 123 124

Leonhard, Leonhard, Leonhard, Leonhard,

Besonderes Schuldrecht des B G B II, 454. a. a. O., 454; Hillmer, Der Vermögensbegriff bei der Bereicherung, 6ff. a. a. O., 454; Hillmer, a. a. O., 23 ff. Besonderes Schuldrecht des B G B II, 475.

86

Kapitel I: Dogmatische Grundlagen der

Eingriffskondiktion

bei Verfügung eines Nichtberechtigten ( § 8 1 6 1 1 BGB) - zu einem Wechsel in der Rechtszuständigkeit an einer Sache durch Eingriff kommt. Die Fälle des unbefugten Nutzens und Gebrauchens von Sachen und Rechten wie auch des Verbrauchs von Sachen lassen sich mit diesem Konzept nicht erfassen. Von vornherein ausgeschlossen war die bereicherungsrechtliche Erfassung der Fälle, die heute im Zentrum der Anwendung der Eingriffskondiktion stehen: nämlich Bereicherungsansprüche bei unbefugter Nutzung von Immaterialgüterrechten. Der Vorteil der Rechtsverschiebungslehre lag darin, daß sie eine überaus klare Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion ermöglichte. Allerdings - und hier liegt die entscheidende Schwäche dieser Theorie wird sie dem Inhalt der Rechtspositionen, auf deren Verschiebung sie abstellt, nicht gerecht. Solche Positionen ordnen ihrem Inhaber bestimmte Handlungsbefugnisse in Bezug auf die Gegenstände zu, an denen die jeweilige Berechtigung besteht. Diese Befugnisse umfassen sowohl das Haben des Gegenstandes als auch seine Nutzung durch den Berechtigten. Die Rechtsverschiebungstheorie beschränkt ihren Schutzbereich auf die Rechtsinhaberschaft des Berechtigten. Ein Anspruch aus Eingriffskondiktion ist dann und nur dann gegeben, wenn der Berechtigte seine Inhaberschaft am Recht verliert. Der gesamte Bereich des Nutzens von Gegenständen, der neben der Rechtsinhaberschaft ebenfalls durch das absolute subjektive Recht geschützt ist, bleibt hier vom Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion ausgeschlossen. Dies ist ein zumindest aus heutiger Sicht unhaltbares Ergebnis.

VIII.

Die tatbestandliche

Enge der

Eingriffskondiktion

Der Gesetzgeber des BGB wollte durch die Auswechslung der Worte „aus dessen Vermögen" durch „auf dessen Kosten" deutlich machen, daß aus der Sicht des Gesetzes nicht auf jeden Fall an dem Erfordernis einer gegenständlichen Vermögensverschiebung festgehalten werden sollte, sondern ein Bereicherungsanspruch - wenn auch die näheren Voraussetzungen und Grenzen noch durch Rechtsprechung und Wissenschaft herauszuarbeiten seien - auch dann gegeben sein könne, wenn der in das Schuldnervermögen übergegangene Gegenstand vorher noch nicht dem Vermögen des Entreicherten rechtlich zugehörig gewesen sei. Es genüge, wenn der Gegenstand der Vermögensverschiebung den Vermögensstand des Kondizienten lediglich berührt habe. Dennoch zeigte sich recht bald, daß die Bewältigung der Fälle der Eingriffsbereicherung, die über die Rückgabe beweglicher oder unbeweglicher Sachen hinausgingen, Schwierigkeiten bereitete. Als Beispiel aus der früheren Rechtsprechung kann auf den sog. Gleisanlagen-Fall des RG 125 hingewiesen werden, der einige Bekanntheit erlangt hat und diese Probleme auf instruktive Weise 125

RG 20.12.1919, R G Z 97, 310 (Gleisanlagen).

§3 Die sog. „traditionelle" Bereicherungslehre

87

verdeutlicht. D e r Beklagte betrieb eine Fabrik auf einem Grundstück, das neben dem klägerischen Grundstück belegen war. U b e r das Grundstück des Klägers lief ein Eisenbahngleis, welches der Kläger für seine eigenen Fabrikationsanlagen benutzte. D e m Beklagten war vom Kläger vertraglich gestattet worden, dieses Eisenbahngleis, das durch ein Zweiggleis mit dem Grundstück des Beklagten verbunden war, mitzubenutzen. Später errichtete der Beklagte auf einem dritten, ebenfalls benachbarten Grundstück ein Fabrikgebäude, das er verpachtete. D e r Beklagte nutzte nun die Gleisanlage auf dem klägerischen Grundstück nicht nur zur Belieferung seiner eigenen Fabrikanlagen, sondern auch um das dritte Grundstück und die dort belegenen verpachteten Unternehmensteile zu versorgen. Gegen diese erweiterte N u t z u n g der Gleisanlage durch den Beklagten wandte sich der Kläger, wobei er die geltend gemachten Ansprüche auf vertragliche, delikts- und bereicherungsrechtliche Grundlagen stützte. Das R G bestätigte die Auffassung des Berufungsgerichts, daß ein Vertrags- oder deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch hier mangels eines Schadens nicht gegeben sei. Im P r o z e ß war vorgetragen worden, daß dem Kläger infolge der verstärkten N u t z u n g der Gleisanlage ein Schaden durch die dadurch verursachte erhöhte Abnutzung der Gleisanlagen entstanden sei. Diesen Anspruch lehnte das R G allerdings nur deshalb ab, weil die Gleisanlagen nach dem vertraglichen Vereinbarungen der Parteien vom Beklagten zu unterhalten waren 1 2 6 . D e r Fall macht die Grenzen des gegenstandsorientierten Begriffs der Vermögensverschiebung deutlich: Weder das durch den Beklagten Erlangte, nämlich die (über das vertragliche vereinbarte Ausmaß hinaus) erweiterte N u t z u n g der Gleisanlage noch ihr Wert waren als abgrenzbarer Vermögensgegenstand im Vermögen des Klägers vorhanden gewesen, bevor sie vom Beklagten erworben wurden. Die Vorteile, die der Beklagte aus der erweiterten N u t z u n g der Gleisanlage gezogen hat, entstanden erst mit der N u t z u n g selbst. D a der B e klagte zur Unterhaltung der Gleisanlage vertraglich verpflichtet war, hat der Kläger durch die erweiterte N u t z u n g des Beklagten keinen wie immer gearteten Vermögensverlust erlitten. D a h e r war es auch nicht möglich, hier eine Entsprechung von Vermögensverlust auf der Klägerseite und einem Vermögenszuwachs auf der Beklagtenseite festzustellen. Bei einem strengen Festhalten am hergebrachten Begriff der Vermögensverschiebung hätte ein Bereicherungsanspruch abgelehnt werden müssen. Dies hatte das Berufungsgericht getan. D e r Auffassung des Untergerichts ist das R G entgegengetreten und hat einen Bereicherungsanspruch zuerkannt. Bei seiner Begründung ist es allerdings mit keinem W o r t auf die Voraussetzung der Vermögensverschiebung eingegangen, sondern hat einerseits auf den Eingriff durch den Beklagten und andererseits auf die durch ihn ersparten Aufwendungen verwiesen, die er bei ordnungsgemäßen Vorgehen hätte an den Kläger zahlen müssen.

126

RG 20.12.1919, RGZ 97, 311.

88

Kapitel I: Dogmatische Grundlagen der

Eingriffskondiktion

D i e Sprache der Entscheidungsbegründung zeigt die Mißbilligung des G e richts bezüglich der Vorgehensweise des Beklagten: „rechtswidrig" und „in eigensüchtiger Weise" habe er das Grundstück benutzt, indem er auch die Güter seines Pächters „verbotswidrig" über das klägerische Grundstück transportiert habe 1 2 7 . Das mit dem Bereicherungsanspruch geltend gemachte E n t gelt für die N u t z u n g der Gleisanlage richtete sich auf einen Zeitraum, in dem der Kläger dem Beklagten die erweiterte N u t z u n g (auch zugunsten des Pächters) schriftlich untersagt hatte. D e n n o c h setzte der Beklagte die erweiterte N u t z u n g bis zu dem Termin fort, zu dem ein von dem Kläger erwirktes U n t e r lassungsurteil rechtskräftig wurde. D e r Beklagte handelte daher mit dem Wissen, daß die von ihm durchgeführte Art und Weise der N u t z u n g der Gleisanlage unzulässig war. Aus den Formulierungen der Urteilsbegründung wird deutlich, daß das Gericht an dieser Vorgehensweise erheblichen A n s t o ß nahm. D e n n o c h wäre bei strikter Einhaltung eines gegenständlich aufgefaßten Vermögensverschiebungserfordernisses ein Bereicherungsanspruch nicht begründbar gewesen. Das R G sah sich daher gezwungen, auf ein anderes Kriterium, nämlich die vom Kläger ersparten Aufwendungen auszuweichen.

127

RG 20.12.1919, RGZ 97, 312.

§ 4 Die Rechtswidrigkeitstheorie I Die Eingriffskondiktion als Quasi-Delikt Die Brüchigkeit des Ansatzes der Vermögensverschiebung und die im Zeitverlauf immer deutlicher gewordene Unfähigkeit dieses Ansatzes, Probleme des Bereicherungsrechts in sachlich angemessener Weise zu lösen (Bestimmung der Parteien des Bereicherungsanspruchs, insbesondere bei Beteiligung Dritter am Austauschvorgang; die Bewältigung von Nutzungs- und Gebrauchsfällen durch das Erfordernis der Vermögensverschiebung) legte es nahe, sich um neue, alternative dogmatische Grundlagen des Bereicherungsrechts zu bemühen, um die aufgezeigten Schwächen der Vermögensverschiebungslehre zu überwinden. Als Alternativen zur herkömmlichen Bereicherungslehre kamen im Rahmen der in ihrem Wortlaut unveränderten Vorschriften der §§ 812 ff. BGB zur ungerechtfertigten Bereicherung im wesentlichen zwei Ansätze in Betracht, nämlich die Rechtswidrigkeitstheorien und die Theorie vom Zuweisungsgehalt der Rechte. Im Vergleich zur traditionellen Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, die auf dem Erfordernis einer unmittelbaren Vermögensverschiebung fußte, kommt die Rechtswidrigkeitstheorie in ihren verschiedenen Varianten zu einem wesentlich erweiterten Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion. Das Problem der Vermögensverschiebungslehre bei der Erfassung von Bereicherungsvorgängen, deren Gegenstände vorher noch nicht im Vermögen des Kondizienten existiert hatten, stellt sich einem Ansatz nicht, der auf die Rechtswidrigkeit des Nehmens statt auf die Verschiebung gegenständlich vorhandener Objekte abstellt.

I. Die Grundlagen der Rechtswidrigkeitstheorie Das Recht am Eingriffserwerb als Kernelement der Eingriffskondiktion des § 812 11, 2. Alt. BGB Als Begründer der Rechtswidrigkeitstheorie und - noch weitergehend - als eigentlicher Entdecker der Eingriffskondiktion gilt Fritz Schulz. Er legte die Grundlagen der Rechtswidrigkeitstheorie in seinem Werk „System der Rechte auf den Eingriffserwerb" 1 . Allerdings ist anzumerken, daß bereits im Rahmen der Vermögensverschiebungslehre für den Bereich der Nichtleistungskondik1

Schulz, System der Rechte auf den Eingriffserwerb, AcP 105 (1909), 1 ff.

90

Kapitel I: Dogmatische Grundlagen der

Eingriffskondiktion

tion das Element des Eingriffs herausgearbeitet wurde 2 ; dies geschah allerdings eher in einer beschreibenden Funktion. Dogmatische Konsequenzen für den Tatbestand und die Rechtsfolgen einer eigenständigen, von der Leistungskondiktion vollständig getrennten Eingriffskondiktion wurden daraus noch nicht gezogen. D e r Ansatz von Schulz geht nun allerdings weit über die Schaffung einer neuen dogmatischen Grundlage für die Eingriffskondiktion des § 812 I 1, 2. Alt. B G B hinaus. Sein Ziel ist es, das gesamte Anspruchssystem des bürgerlichen Vermögensrechts neu zu strukturieren, indem er die bisher im Schuldund Sachenrecht des B G B und in den Immaterialgütergesetzen sowie dem U W G verstreut geregelten Ansprüche auf drei grundlegende Anspruchsarten reduziert: a) D e n sog. Anspruch auf den Eingriffserwerb; b) Sicherungsansprüche; c) Schadensersatzansprüche. Bei den Sicherungsansprüchen handelt es sich u m die negatorischen Ansprüche, die eine Beseitigung und Unterlassung der Verletzung subjektiver Rechte zum Ziel haben 3 . Sicherungs- und Schadensersatzansprüche werden von Schulz nur am Rande und zum Z w e c k der Komplettierung seines „Systems der Rechte auf den Eingriffserwerb" behandelt. I m Zentrum seiner Überlegungen steht das (von ihm so genannte) R e c h t auf den Eingriffserwerb. D e r Anspruch auf den Eingriffserwerb ist eine fundamentale Kategorie des von Schulz entworfenen Anspruchssystems. N i e m a n d soll das behalten dürfen, was er durch rechtswidrigen Eingriff in fremdes G u t erlangt hat. Zur Begründung dieser Anspruchskategorie zieht Schulz den alten naturrechtlichen Satz: Natura aequum est, neminem cum alterius detrimento fieri locupletiorem heran 4 . Bei Schulz ist der Satz, daß sich niemand am Schaden eines anderen bereichern dürfe, nicht mehr konturenloser Programmsatz einer neben oder über dem normierten R e c h t stehenden Billigkeit. E r verwirklicht sich vielmehr im geltenden R e c h t selbst. Zur dogmatischen Fundierung seines Ansatzes folgt Schulz einer induktiven Methode: E r zieht eine Vielzahl von Rechtsnormen des bürgerlichen Rechts, des gewerblichen Rechtsschutzes und des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb heran, an denen er die Existenz eines Anspruchs auf Herausgabe des durch rechtswidrigen Eingriff in fremde Rechte Erlangten nachweisen will. Schulz selbst weist daraufhin, daß es sich bei dem System der Rechte auf den Eingriffserwerb um eine „Erweiterung des Grundgedankens der sog. Bereicherungsansprüche" handele 5 . Bei dieser Feststellung handelt es 2 Soweit ersichtlich wurde der Terminus des Eingriffs zum ersten Mal in der Arbeit von Freund, Der Eingriff in fremde Rechte (1902), im Rahmen einer bereicherungsrechtlichen Untersuchung verwandt. Es geht in dieser Arbeit um den Bereicherungsanspruch nach § 816 BGB. Siehe auch O.v.Gierke, Deutsches Privatrecht III, Schuldrecht, 1000 („Widerrechtlicher Eingriff"). 3 Schulz, System der Rechte auf den Eingriffserwerb, AcP 105 (1909), 455. 4 Schulz, a. a. O., 443. 5 Schulz, a.a.O., 443.

$ 4 Rechtswidrigkeitstheorie

91

I

sich um eine beträchtliche Untertreibung. Richtig ist, daß unter dem Deckmantel der Erweiterung des Grundgedankens der ungerechtfertigten Bereicherung eine völlig neue, im Vergleich zum B G B andersartige Systematisierung der vermögensrechtlichen Ansprüche versucht wird.

1. Die Begründung des Rechts auf den

Eingriffserwerb

Zur Begründung seines Systems beruft sich Schulz auf den Grundsatz, daß sich niemand aus widerrechtlichem Eingriff in ein fremdes Recht bereichern dürfe 6 . Die Wirkkraft dieses Prinzips im positiven Recht soll durch den besonderen Teil des „Systems der Rechte auf den Eingriffserwerb" nachgewiesen werden, indem eine Vielzahl von Vorschriften als Ausdruck dieses Prinzips „entdeckt" wird. Schulz modifiziert den genannten Grundgedanken nun dahin, daß es nicht auf den Schaden eines anderen ankomme, um den Anspruch auf Herausgabe des Eingriffserwerbs auszulösen 7 , sondern darauf, daß sich der Schuldner durch unrechtmäßiges Handeln bereichert habe 8 . Daher tritt Schulz der Forderung, der Schuldner habe den Eingriffserwerb nur in der H ö h e an den Gläubiger herauszugeben, in der diesem ein Schaden entstanden sei, während der den Schaden übersteigende Betrag an den Staat abzuführen sei, entgegen 9 . Die Aufteilung der Anteile von Gläubiger und Staat würde sich in der Praxis häufig schwierig gestalten; auch sei der Schadensnachweis beim Gläubiger oft problematisch. Weiterhin erlaube es die Anknüpfung an den Eingriffserwerb unter Verzicht auf das Schadenserfordernis auch auf sanktionsbedürftige Rechtsverletzungen zu reagieren, wenn noch kein Schaden entstanden sei. Die Abwägung der Interessen von Gläubiger und Staat mache deutlich, daß der Staat an den unregelmäßig entstehenden und wohl eher geringen Beträgen kein starkes Interesse habe und daher zugunsten des Gläubigers zu entscheiden sei. Eine darüber hinausgehende Begründung des Rechts auf den Eingriffserwerb liefert Schulz nicht. Der Surrogationsgedanke erfasse nur einen Teil, nicht aber alle Fälle des Eingriffserwerbs 1 0 . Ebensowenig geeignet sei der Hinweis auf das Fruchtrecht des Eigentümers. Dieser Gedanke trage eine Begründung nur insoweit, als es sich beim Eingriffserwerb tatsächlich um eine Frucht im Sinne von § 99 B G B handle. Bei den weitaus meisten Anwendungsfällen des Rechts am Eingriffserwerb gehe es jedoch nicht um Früchte im Sinne dieser Bestimmung.

6 7 8 9 10

Schulz, Schulz, Schulz, Schulz, Schulz,

System der Rechte auf den Eingriffserwerb, AcP 105 (1909), 443. a. a. O., 440 f.. a.a.O., 431 ff.. a.a.O., 443. a.a. O., 445.

92

Kapitel I: Dogmatische

2. Der Tatbestand

Grundlagen

der

des Rechts am

Eingriffskondiktion

Eingriffserwerb

Der Tatbestand des Anspruchs auf Herausgabe des Eingriffserwerbs umfaßt den Eingriff in ein fremdes Recht, einen darauf kausal zurückzuführenden Erwerb sowie in der Regel die Widerrechtlichkeit der Eingriffshandlung.

a)

Eingriff

Schulz definiert den Eingriff als eine Einwirkung auf ein fremdes Recht 11 . Dabei kann es sich um jede mögliche Beeinträchtigung bis hin zur Vernichtung des Rechts handeln. Ein Eingriff liegt aber auch schon dann vor, wenn sich die rechtliche Beziehung, die das Recht konstituiert, ändert. Bemerkenswert erscheint dabei, daß das Konzept des Eingriffs vollständig losgelöst ist vom Merkmal der Rechtswidrigkeit. Der Begriff erfaßt auch Beeinträchtigungen von Rechten, die als rechtmäßig zu qualifizieren sind. So sei der rechtmäßige Verkauf einer Sache durch den Pfandgläubiger ebenso ein Eingriff in das Eigentum wie die unbefugte Veräußerung einer Sache durch einen Nichtberechtigten 12 .

b) Der Erwerb durch

Eingriff

Unter Eingriffserwerb versteht Schulz „alles, was durch den Eingriff erworben wird, ..." 1 3 . Gemeint sind damit diejenigen Vermögensvorteile, die ein Eingreifer in fremdes Recht durch den Eingriff erlangt. Unterschieden wird dabei einerseits zwischen dem technischen und andererseits dem wirtschaftlichen Eingriffserwerb. Unter dem Begriff des technischen Eingriffserwerbs werden die Gegenstände zusammengefaßt, die durch den Eingriff als juristisch-technische Folge erlangt werden (z. B. die Buchexemplare beim urheberrechtswidrigen Nachdruck). Demgegenüber erfaßt das Konzept des wirtschaftlichen Eingriffserwerbs alle anderen, positiven Folgen des Eingriffs im Vermögen des Eingreifers, z.B. den Erlös aus der Veräußerung der Raubkopien des nachgedruckten Buches. Auch der Verbrauch fremder Güter ist als Eingriffserwerb zu qualifizieren, weil dadurch die Konsumtion anderer Gegenstände im Vermögen des Eingreifers unterblieben ist 14 .

c)

Ursächlichkeit

Der Anspruch auf Herausgabe des Eingriffserwerbs setzt weiterhin voraus, daß zwischen Eingriff und Erwerb eine kausale Beziehung besteht 15 . Er muß 11 12 13 14 15

Schulz, Schulz, Schulz, Schulz, Schulz,

System a.a.O., a.a.O., a.a.O., System

der Rechte auf den Eingriffserwerb, AcP 105 (1909), 427. 428. 428. 429. der Rechte auf den Eingriffserwerb, AcP 105 (1909), 430f.

5 4 Rechtswidrigkeitstheorie

I

93

gerade auf den in Frage stehenden Eingriff kausal zurückgehen. Hätte das durch den Eingriff herbeigeführte Resultat, etwa die Produktion einer Maschine oder Ausnutzung einer Patentverletzung, auch ohne die Patentverletzung erreicht werden können, so ist der Erwerb nicht Folge des Eingriffs. Dann besteht mangels Kausalität kein Recht auf Herausgabe des Eingriffserwerbs.

d) Rechtswidrigkeit

des Eingriffs

Die Funktion des Rechts auf den Eingriffserwerb ist die Rückgängigmachung von Vermögensvorteilen, die dem Schuldner durch einen in der Regel als rechtswidrig zu qualifizierenden Eingriff in ein Rechtsgut des Gläubigers zugeflossen sind. Im Schrifttum wird häufig darauf hingewiesen, daß die Rechtswidrigkeit des Eingriffs - darauf deutet schon die Bezeichnung „Rechtswidrigkeitstheorie" hin - konstitutives Tatbestandsmerkmal des Rechts am Eingriffserwerb bzw. der ungerechtfertigten Bereicherung sei 16 . Dazu ist anzumerken, daß Schulz selbst darauf hinweist, daß die Rechtswidrigkeit „keineswegs unbedingt Voraussetzung für die Entstehung eines Rechts auf den Eingriffserwerb" sei 17 . Ebenso, wie aus rechtmäßigem Eingriff in fremdes Recht (Beispiel: § 904 B G B ) ein Schadensersatzanspruch entstehen könne, sei es möglich, daß der durch einen rechtmäßigen Eingriff erlangte Erwerb durch den Eingreifer herauszugeben sei 18 . Demnach läßt das von Schulz entworfene Recht am Eingriffserwerb auch Herausgabeansprüche zu, wenn der Eingriff, der für den Erwerb ursächlich war, nicht als rechtswidrig beurteilt werden kann. Allerdings - darauf weist Schulz selbst hin - sei beim größten Teil der Fälle die Rechtswidrigkeit Voraussetzung der Herausgabe des Eingriffserwerbs; sei ein Eingriff nicht widerrechtlich, so deute dieser Umstand in der Regel darauf hin, daß der Eingreifer das Erlangte behalten dürfe 19 . Beim Konzept der Widerrechtlichkeit unterscheidet Schulz zwischen absoluter und relativer Rechtswidrigkeit. Als absolut rechtswidrig sieht er Verstöße gegen zwingende Gebots- oder Verbotsvorschriften an. Relativ rechtswidrig hingegen sind Eingriffe in ein subjektives Privatrecht, die der Inhaber des Rechts nicht zu dulden braucht. Eingriffe in zwingende (= objektive) Gebotsund Verbotsnormen spielen im Rahmen des Rechts am Eingriffserwerb keine bedeutsame Rolle, da es bei ihnen nur selten um die Verletzung fremder Güter geht. Den Regelfall bilden Eingriffe in subjektive Privatrechte wie z.B. das Eigentum oder materielle Güterrechte. Der wesentliche Unterschied zwischen der objektiven und subjektiven Widerrechtlichkeit liegt darin, daß Beeinträch-

16 Siehe z. B. Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 242; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 72; Loewenheim, Bereicherungsrecht, 65 ff.; MüKo (-Lieh), § 812, Rz. 199; Staudinger(-Lorenz), § 812. Rz. 23; Larenz/Canaris, SchR II/2, § 69 I 1 b). 17 Schulz, System der Rechte auf den Eingriffserwerb, AcP 105 (1909), 431. 18 Schulz, a.a. O., 434. 19 Schulz, a.a.O., 431.

94

Kapitel 1: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

tigungen eines subjektiven Privatrechts (also die subjektive Rechtswidrigkeit) durch den Rechtsinhaber genehmigungsfähig sind 20 .

e) Schaden Im Unterschied zur Vermögensverschiebungslehre bildet der Vermögensnachteil des Gläubigers keine Voraussetzung des Anspruchs auf Herausgabe des Eingriffserwerbs. Das System der Rechte am Eingriffserwerb dient dazu auszuschließen, daß ein Gewinn aus Unrecht erzielt wird. Bei einer solchen Zielsetzung kommt es lediglich auf den durch die Handlung des Eingreifenden erlangten Eingriffserwerb an. Bezugsobjekt des Anspruchs ist also das Vermögen des Eingreifenden. Eine nachteilige Veränderung der Vermögenslage des Gläubigers ist demnach nicht Tatbestandsmerkmal des Anspruchs auf den Eingriffserwerb. Negative Veränderungen in der Sphäre des Gläubigers bleiben in der Konsequenz dieses Ansatzes außer Betracht. Nicht geleugnet wird der Umstand, daß in vielen Fällen der Eingriff auch ein Schaden verursacht. Manchmal entspricht die Schadenshöhe dem Betrag des Eingriffserwerbs. Dieser Zusammenhang sei indes kein notwendiger. Schulz sieht durchaus den Widerspruch seiner Lehre zu dem Tatbestandsmerkmal „auf dessen Kosten" in § 8 1 2 1 1 B G B . Die Bindung des Bereicherungsanspruchs an einen Schaden des Gläubigers führt er auf historische Ursachen in der Entstehung des Bereicherungsanspruchs zurück. Sachlich richtig sei die Aufgabe des Schadenserfordernisses 21 . Das Gesetz stehe einer solchen extensiven Interpretation nicht entgegen; vermutlich habe eine Befreiung des Bereicherungsanspruchs von dem Schadenserfordernis dem Gesetzgeber selbst vorgeschwebt, da ein Ausgleich nach § 812 B G B auch in den Fällen stattfinden soll, in denen der Bereicherte mehr erwirbt als der Verletzte verloren hat. Das Prinzip sei nur nicht mit hinreichender Schärfe erkannt worden und finde im Wortlaut der Vorschrift daher keinen genügend präzisen Niederschlag. Im Ergebnis kann es daher für den Anspruch auf Herausgabe des Eingriffserwerbs auf den Nachweis eines Schadens beim Gläubiger nicht ankommen; der Blick richtet sich allein auf die (durch den Eingriff positiv veränderte) Vermögenslage beim Eingreifenden.

f)

Verschulden

Im Unterschied zum Schadensersatzanspruch ist das Verschulden des Eingreifenden nicht Voraussetzung des Herausgabeanspruchs auf den Eingriffserwerb 2 2 .

20 21 22

Schulz, System der Rechte auf den Eingriffserwerb, AcP 105 (1909), 433 f. Schulz, a.a.O., 440. Schulz, System der Rechte auf den Eingriffserwerb, AcP 105 (1909), 442.

5 4 Rechtswidrigkeitstheorie

3. Der Anwendungsbereich

95

1

des Rechts auf den

Eingriffserwerb

Dem Recht auf den Eingriffserwerb kommt die Funktion zu, durch unrechtmäßige Handlungen erlangte Gewinne zu restituieren. Unter dieser sehr allgemein gehaltenen Prämisse erscheint es nicht überraschend, daß das Recht auf den Eingriffserwerb einen sehr viel weiteren Anwendungsbereich aufweist als die Eingriffskondiktion nach der herkömmlichen Vermögensverschiebungslehre. Die Reichweite des Rechts auf den Eingriffserwerb übersteigt aber auch erheblich den Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion, wie er von der Lehre vom Zuweisungsgehalt subjektiver Rechte festgelegt wird. Im „Besonderen Teil" seines „Systems" bestimmt Schulz diejenigen Rechtsnormen, deren widerrechtliche Verletzung den Anspruch auf Herausgabe des Eingriffserwerbs auslöst. Hier wird sehr schnell der weitreichende Umfang des Schutzes deutlich, den der Anspruch auf Herausgabe des Eingriffserwerbs demjenigen gewährt, dessen Vermögen sich ein anderer rechtswidrig zunutze macht.

a) Eingriff in Sachenrechte

und

Aneignungsrechte

Der Anspruch auf Herausgabe des Erwerbs wird durch Eingriffe in Eigentum, Besitz und Aneignungsrechte ausgelöst23. Als technischer Eingriffserwerb gilt dabei etwa die Entziehung und Vorenthaltung des Sachbesitzes durch den Eingreifen Darauf ist aber der Eingriff nicht beschränkt; er kann sich auch auf das Eigentumsrecht selbst beziehen. Dies soll etwa dann der Fall sein, wenn der Berechtigte sein Eigentum aufgrund eines nichtigen Kaufvertrages auf den Erwerber überträgt. Der Erwerber greife hier durch die Annahme des Ubereignungsangebotes in das Eigentum des Berechtigten ein 24 . Zum technischen Eingriffserwerb rechnen auch die mittels der usurpierten Sache erzielten Nutzungen, soweit es sich nicht um Erlöse handelt, die durch Rechtsgeschäft mit der Sache erzielt werden. Diese gehören nicht zum technischen, sondern zum wirtschaftlichen Eingriffserwerb. Das Recht auf die Herausgabe des Eingriffserwerbs umfaßt auch Verletzungen von Aneignungsrechten, wie etwa dem Jagd-, Fischerei- und Bergrecht 25 , die den sachenrechtlichen Rechten nahestehen.

b) Eingriff in Immaterialgüterrechte gegen unlauteren Wettbewerb

und

Normen

Wie bereits ausgeführt, wurde die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion durch die der traditionellen Vermögensverschiebungslehre verpflichtete herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum bei der unbefugten Inanspruchnahme von fremden Immaterialgüterrechten abgelehnt. Eine Ausnahme 23 24

25

Schulz, a. a. O., 309 ff. Schulz, a. a. O., 339.

Schulz, a.a.O., 210ff.

96

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

machte die Rechtsprechung nur insofern, als die Eingriffskondiktion bei der Bereicherung durch Eingriff in ein fremdes Urheberrecht zugelassen wurde 2 6 . Probleme hatte die Lehre von der Vermögensverschiebung mit der Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion bei Verletzungen der Immaterialgüterrechte einmal insoweit, als sich bei ihnen die herauszugebende Bereicherung kaum als Vermögensverschiebung erfassen läßt, weil sich das, was der Bereicherte erlangt hat, vorher niemals gegenständlich im Vermögen des Kondizienten befunden hat. Diese Schwierigkeiten hätten durch dogmatische Kunstgriffe - wie etwa die verdeckte Ersetzung des Erfordernisses der Vermögensverschiebung überwunden werden können. Dennoch blieb die Rechtsprechung sehr lange ihrem hinsichtlich der Anwendung der Eingriffskondiktion auf die Immaterialgüterrechte ablehnenden Standpunkt treu. Zur Begründung dafür wurde angeführt, daß die Gesetze zu den Güterrechten den Schutz der durch sie begründeten Rechte abschließend regeln. Mit diesem - unrichtigen - Argument wurden die Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung im Gebiet des Immaterialgüterrechts ausgeschlossen. Allerdings ist der Bereicherungsanspruch jedenfalls zum Teil durch den Schadensersatzanspruch in Form der sog. dreifachen Schadensberechnung substituiert worden 2 7 . Eine Gewinnherausgabe wegen Verletzung eines fremden Immaterialgüterrechts kam demnach nur bei Verschulden des Verletzers in Betracht. Diese, hier nur kurz skizzierte Auffassung wird von Schulz entschieden zurückgewiesen. Nach seiner Meinung steht dem Berechtigten bei der Verletzung von Immaterialgüterrechten nicht nur ein Anspruch auf die Herausgabe der unter Verwendung des fremden Rechts hergestellten Gegenstände 28 (technischer Eingriffserwerb), sondern auch der Gewinn, der durch die Benutzung des fremden Rechts bei dem Rechtsverletzer entstanden ist 29 , zu. Gestützt wird dieses Ergebnis auf eine analoge Anwendung des § 812 BGB unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens der §§ 281 und 816 BGB 30 . Die Erforderlichkeit der analogen Anwendung ergebe sich aus dem Umstand, daß das Tatbestandsmerkmal „auf dessen Kosten" einen Vermögensverlust auf Seiten des Beeinträchtigten verlange. Das Recht auf Herausgabe des Eingriffserwerbs setzt lediglich die widerrechtliche Verletzung eines Immaterialgüterrechts und einen daraus gezogenen Gewinn des Verletzers voraus; einen Schaden hingegen muß der Verletzte nicht erlitten haben, um das Recht auf den Eingriffserwerb geltend machen zu können 3 1 . Unter den aufgezeigten tatbestandlichen Prämissen ist es nicht verwunderlich, daß das Recht auf Herausgabe des Eingriffserwerbs nicht nur Verletzungen des Urheberrechts, sondern auch der übrigen Immaterialgüterrechte, näm26 27 28

Siehe unten § 19 I 3 m . w . N . Siehe unten § 19 II. Schulz, S y s t e m der Rechte auf den Eingriffserwerb, AcP 105 (1909), 49 für das Patent-

recht. 29 30 31

Schulz, a. a. O., 63 ff. für das Patentrecht. Schulz, a. a. O., 443 ff. Schulz, System der Rechte auf den Eingriffserwerb, AcP 105 (1909), 440.

§ 4 Rechtswidrigkeitstheorie

I

97

lieh des Patent- und Gebrauchsmusterrechts, des Geschmacksmusterrechts und des Warenzeichenrechts umfaßt 3 2 . Konsequenterweise geht der Anwendungsbereich des Rechts am Eingriffserwerb über den Kreis der mit Sonderrechtsschutz versehenen Immaterialgüter weit hinaus. So bezieht Schulz günstige Rechtsstellungen, die sich aus dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb ergeben, in den Anwendungsbereich des Rechts auf Herausgabe des Eingriffserwerbs ein. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb begründe ein Recht auf den ungestörten Gewerbebetrieb, in das durch Dritte mit der Folge des Anspruchs auf Gewinnherausgabe eingegriffen werden könne 3 3 . Ebenso erkennt Schulz bei Verletzungen des Rechts am eigenen Bild einen Anspruch auf Herausgabe des Eingriffserwerbs an 34 . Das Gleiche gilt für Kennzeichnungsrechte wie Name und Firma 3 5 .

c) Verletzung schuldrechtlicher

Forderungen

Die umfassende Reichweite des Rechts am Eingriffserwerb zeigt sich schließlich auch an dem Umstand, daß ein Anspruch auf Herausgabe des erlangten Vermögensvorteils auch bei Verletzung schuldrechtlicher Forderungen gewährt wird 3 6 . Die rechtliche Grundlage für den Anspruch auf die Herausgabe des durch Eingriff in obligatorische Rechte Erlangten bildet nicht - wie bei den absoluten Rechten oder diesen nahestehenden Rechtspositionen - § 812 B G B , sondern § 281 B G B . Erwirbt der Schuldner einer Obligation etwas aus einem Umstand, der ihm die Erfüllung seiner Verpflichtung unmöglich macht, so hat er das Erlangte, etwa den Schadensersatz für den Verlust einer bereits verkauften Sache, gemäß § 281 B G B an den Gläubiger herauszugeben.

4. Das Recht auf den Eingriffserwerb und das Bereicherungsrecht, insbesondere die Eingriffskondiktion Das von Schulz entworfene, durch seine inhaltliche Geschlossenheit außerordentlich beeindruckende System der Rechte auf den Eingriffserwerb wird von Teilen des Schrifttums häufig als „Entdeckung" der eigentlichen Eingriffskondiktion dargestellt 37 . Richtig daran ist, daß Schulz die Bedeutung des Eingriffs und der Rechtswidrigkeit desselben erkannt und diese Elemente zur Grundlage eines umfassenSchulz, a.a.O., 49-190. Schulz, a.a.O., 218ff. 34 Schulz, a.a.O., 189ff. 35 Schulz, a.a.O., 207ff. 36 Schulz, a.a.O., 5ff. 37 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 24; Rümker, Das Tatbestandsmerkmal „ohne rechtlichen Grund" im Bereich der Eingriffskondiktion, 20. 32 33

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Kapitel I: Dogmatische Grundlagen der

Eingriffskondiktion

den Systems des Rechtsgüterschutzes in der bürgerlichen Vermögensrechtsordnung gemacht hat. Zur Begründung seines Anspruchs auf Herausgabe des Eingriffserwerbs, der als Anspruchskategorie das gesamte bürgerliche Vermögensrecht durchzieht, führt Schulz eine Vielzahl von Tatbeständen aus allen Büchern des B G B an, aus denen er - obwohl sie unterschiedliche Zusammenhänge regeln und auch unterschiedliche Voraussetzungen aufweisen - den Anspruch auf den Eingriffserwerb ableitet.

a) Das Recht auf den Eingriffserwerb als Auflösung des differenzierten Ansprucbssystems des BGB Vorrangiges Ziel der dogmatischen Bemühungen von Schulz ist nicht, Position und Funktion von Leistungs- und Eingriffskondiktion im System der außervertraglichen Ansprüche des B G B auf eine neue Grundlage zu stellen. Die Zielrichtung seiner Überlegungen geht vielmehr auf die Schaffung einer vollkommenen Neuordnung des vermögensrechtlichen Anspruchssystems. Das hinsichtlich der Tatbestandselemente und Rechtsfolgen der einzelnen vermögensrechtlichen Ansprüche fein ausdifferenzierte Anspruchssystem des B G B wird auf drei bereits oben erwähnte Anspruchskategorien reduziert, nämlich das Recht auf den Eingriffserwerb, Schadensersatzansprüche und Sicherungsansprüche (negatorische und sonstige Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche). Es überrascht wenig, wenn festgestellt werden muß, daß Schulz mit seinem brillianten, in seiner dogmatischen und systematischen Geschlossenheit beeindruckenden Neuentwurf einer vermögensrechtlichen Dogmatik gescheitert ist. Sein - trotz des Scheiterns - großartiger Entwurf konnte sich aus vielerlei Gründen nicht durchsetzen und hat im heutigen bürgerlichen Recht - mit Ausnahme des Rechts der Nichtleistungskondiktionen - kaum Spuren hinterlassen. Die Gründe für dieses Scheitern sollen hier nicht in aller Breite aufgefächert werden. Zum Verständnis sei auf einige wesentliche Schwächen des Ansatzes hingewiesen: - Als letzte Begründung für sein Recht auf den Eingriffserwerb verweist Schulz auf den Satz, daß niemand aus Unrecht einen Gewinn ziehen (und diesen behalten) dürfe. Dem Gerechtigkeitsgehalt dieses Satzes kann sich wohl niemand verschließen. Allerdings haben bereits die Pandekten mit solchen weitgefaßten Gerechtigkeitspostulaten als unmittelbar anwendbare Rechtsnormen schlechte Erfahrungen gemacht. Daraus hat sich die Erkenntnis entwickelt, daß sich breite Programmsätze dieser Art für die unmittelbare Rechtsanwendung kaum eignen. - Schulz leitet seinen Anspruch auf Herausgabe des Eingriffserwerbs aus einer Vielzahl von einzelnen Bestimmungen des positiven Rechts ab, die er als zum Teil unvollkommene Ausprägungen des Rechts auf den Eingriffserwerb ansieht. Es ist jedoch nicht angängig, aus den herangezogenen Vorschriften ein einheitliches, zugrundeliegendes Prinzip, nämlich das Recht auf den Eingriffserwerb, abzuleiten. Nach Funktion, Tatbestand und Rechtsfolgen sind die

§ 4 Rechtswidrigkeitstheorie

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Bestimmungen, auf die das Recht auf den Eingriffserwerb gestützt wird, viel zu inhomogen, um als Grundlage eines einheitlichen Anspruches zu dienen 38 . Dies sei nur an einem Beispiel illustriert. Im Bereich der Eingriffe in nichtsachenrechtliche Positionen stützt Schulz den Anspruch auf Herausgabe des Eingriffserwerbs vorwiegend auf § 281 BGB 39 . In anderen Bereichen - etwa bei Eingriffen in Immaterialgüterrechte - wird § 812 BGB herangezogen. Tatbestand und Funktion von § 281 BGB und § 812 BGB sind aber zu verschieden, um beide Ansprüche zu einem logisch-begrifflich übergeordneten einheitlichen Anspruch auf Herausgabe des Eingriffserwerbs zu verschmelzen. § 281 BGB - eine Vorschrift des allgemeinen Schuldrechts - befaßt sich mit der Unmöglichkeit der Leistung. Die Vorschrift setzt also das Bestehen einer Leistungspflicht voraus. Wenn der Schuldner aufgrund des Umstandes, der zur Unmöglichkeit führte, anstelle des geschuldeten Gegenstandes einen Ersatz oder Ersatzanspruch erlangt, so kann der Gläubiger die Herausgabe dieses Ersatzes verlangen. Die Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung nach §§ 812ff. BGB beruhen demgegenüber auf einem anderen Grundgedanken. Sie dienen einer anderen Funktion und sind auch tatbestandlich andersartig aufgebaut. Die Kondiktionen zielen nicht auf eine Surrogation des geschuldeten Gegenstandes bei Unmöglichkeit der Leistung durch einen ersatzweise erlangten Gegenstand ab, sondern bezwecken die Rückgewähr rechtsgrundlos erlangter Vermögensgegenstände. Im Ergebnis ist festzustellen, daß das System der Rechte auf den Eingriffserwerb zu einer Auflösung des differenzierten Anspruchssystems des BGB führt.

b) Die Entbehrlichkeit der Eingriffskondiktion der Rechte auf den Eingriffserwerb

im System

Bereits oben wurde darauf hingewiesen, daß es nicht Zweck der dogmatischen Bemühungen von Schulz gewesen ist, der Kondiktion in sonstiger Weise, wie sie in § 812 I 1, 2. Alt. BGB geregelt ist, eine neue Fundierung zu geben. Vielmehr zielt sein Entwurf der Ansprüche auf Herausgabe des Eingriffserwerbs auf die „Auflösung dieser ganzen Anspruchskathegorie" 40 (d.h.: der Kondiktionen) ab. Die Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung werden abgelehnt, weil sie einerseits in dem System der Rechte auf den Eingriffserwerb 38 Siehe dazu etwa Kisch, Bereicherungsanspruch bei gutgläubiger Patentverletzung, in: Festgabe zum 50jährigen Bestehen des Reichspatentamts, 92ff. (lOOff.); Bickenbach, Bereicherungsansprüche bei Verletzung von Urheber- und Patentrechten, 18 ff.; Antoni, Die Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung im gewerblichen Rechtsschutz, 68; Haines, Bereicherungsansprüche bei Warenzeichenverletzungen und unlauterem Wettbewerb, 50; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 242 f.; Büsching, Der Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion im Wettbewerbsrecht, 37. 39 Schulz, System der Rechte auf den Eingriffserwerb, AcP 105 (1909), 5 ff. 40 Schulz, System der Rechte auf den Eingriffserwerb, AcP 105 (1909), 473.

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Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

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Eingriffskondiktion

überflüssig werden und andererseits auch in ihrer gegenwärtigen Struktur nicht in die Systematik des Vermögensrechts des BGB passen. Schulz lehnt die Kategorie der Bereicherungsansprüche ab, weil kein eigenartiger, von anderen Anspruchsarten abgrenzbarer Anspruchsgegenstand erkennbar sei41. So sei die Herausgabe des Erlangten auch der Gegenstand des Eigentumsanspruchs 42 . Das Tatbestandsmerkmal „auf Kosten eines anderen" sei zu eng, da zur Geltendmachung des Anspruchs nicht nur ein Zuwachs im Vermögen des Herausgabepflichtigen, sondern auch ein Verlust im Vermögen des Kondizienten verlangt werde. Zwar müßten sich Verlust und Gewinn der Höhe nach nicht entsprechen, doch könne von Erlangen auf Kosten eines anderen nicht die Rede sein, wenn der Kondizient nicht gleichzeitig einen Vermögensverlust erleide. Wenn demgegenüber die Erzielung eines Gewinns zwar durch Rechtsverletzung erfolge, es aber an einer Vermögensschädigung fehle, liege kein Erlangen auf Kosten eines anderen vor. Das Erfordernis des Vermögensschadens als Voraussetzung des Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung wird von Schulz konsequent zurückgewiesen. Für den Anspruch auf Herausgabe des Eingriffserwerbs kommt es ausschließlich auf die Rechtswidrigkeit des Erwerbsvorgangs durch den Verpflichteten an, nicht aber auf einen Schaden beim Verletzten. Diese Fälle könnten durch § 812 BGB mit seinem gegebenen Wortlaut nicht erfaßt werden, obwohl dies erforderlich sei. Als Lösung schlägt Schulz die analoge Anwendung des § 81211,1. Alt. BGB auf Fälle des rechtswidrigen Vermögenserwerbs ohne Schädigung des Kondizienten vor. Der Gesetzgeber habe „in diese Richtung gehen" und mit „seiner Formel nichts verbauen" wollen 43 . In systematischer Hinsicht müsse - solange § 812 BGB in Kraft sei - zwar zwischen dem Vermögenserwerb auf Kosten eines anderen und dem Vermögenserwerb, der lediglich durch eine rechtswidrige Handlung ausgelöst wurde, unterschieden werden. Dieser Unterscheidung komme dogmatisch indes keine Bedeutung mehr zu, da beide Fälle gleich zu behandeln seien. Auf Kritik stößt auch das Erfordernis der Rechtsgrundlosigkeit in der Auslegung der traditionellen Bereicherungslehre, die dieses Element des Bereicherungsanspruchs mit dem Fehlen einer die Vermögensverschiebung rechtfertigenden obligatorischen Unterlage identifizierte. Dieses Konzept lehnt Schulz ab und regt an, den Begriff „ohne rechtlichen Grund" durch das Wort „widerrechtlich" zu ersetzen, da die Bereicherungsansprüche Ansprüche aus rechtswidrigem Handeln seien44. Diese Ausführungen erhellen das Verhältnis zwischen dem Recht auf den Eingriffserwerb und dem Anspruch aus § 812 I 1, 2. Alt. BGB: Der Anspruch wegen Eingriffskondiktion hat in einem System des Vermögensrechts, das 41 42 43 44

Schulz, Schulz, Schulz, Schulz,

a.a.O., a.a.O., a.a.O., System

475f. 475. 479. der Rechte auf den Eingriffserwerb, AcP 105 (1909), 479 f.

§ 4 Rechtswidrigkeitstheorie

I

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einen allgemeinen Anspruch auf Rückerstattung aller rechtswidrig erlangten Vermögensvorteile kennt, keinen dogmatischen Platz mehr. Es ist überflüssig geworden45, ebenso wie der Anspruch des Geschäftsherrn gegen den unechten Geschäftsführer ohne Auftrag nach § 687 II BGB 4 6 . Solange aber das gesetzliche System des B G B noch besteht, erweist sich § 812 I 1 als lästig, da das Erfordernis „auf dessen Kosten" die Abschöpfung des Eingriffserwerbs, der zwar durch rechtswidrige Handlung, aber ohne Schädigung des Verletzten erlangt wurde, behindert. Hier muß die bereits erwähnte Analogie helfen, die darin besteht, die Voraussetzung „auf dessen Kosten" in § 812 11 B G B aus dem Tatbestand des Bereicherungsanspruchs zu eliminieren.

c) Die Konnexität von Schadensersatz und, Bereicherung beim Eingriffserwerb Im Unterschied zur traditionellen Bereicherungslehre verzichtet Schulz auf ein Schadenserfordernis im Tatbestand des Anspruchs auf den Eingriffserwerb und überwindet damit die zu engen Grenzen des Bereicherungsanspruchs auf der Grundlage der traditionellen Lehre, die das Vorliegen eines Anspruchs aus Eingriffskondiktion an eine unmittelbare Vermögensverschiebung geknüpft hatte. Dennoch weisen der Anspruch auf die Herausgabe des Eingriffserwerbs, der auch mit einer Analogie zu § 812 I 1, 2. Alt. B G B begründet wird und der Schadensersatzanspruch bei näherem Hinsehen einige funktionale und dogmatische Gemeinsamkeiten auf. Zwar betont Schulz selbst, daß der Anspruch auf den Eingriffserwerb eine Umkehrung des Grundgedankens des Schadensersatzes enthalte: Jener solle einen infolge rechtswidrigen Eingriffs erlangten Vermögensvorteil beim Rechtsverletzer abschöpfen, während dieser einen rechtswidrig im Vermögen des Verletzten verursachten Schaden ausgleichen solle47. Trotz dieser offensichtlichen Gegensätzlichkeit rücken Schadensersatz- und Bereicherungsansprüche im System des Rechts auf den Eingriffserwerb funktional näher zusammen, als dies in der traditionellen Lehre der Fall war. Beide Ansprüche zielen nämlich auf die Herstellung eines Zustandes, der bestehen würde, wenn nicht eine rechtswidrige Handlung vorgenommen worden wäre, die einerseits beim Bereicherungsanspruch zum Erwerb eines Vermögensvorteils des Bereicherten, andererseits beim Schadensersatzanspruch zu einem Schaden im Vermögen des Verletzten geführt hat. Schadensersatzanspruch und Anspruch auf den Eingriffserwerb beruhen damit auf demselben Grundgedanken: die Rückgängigmachung eines aufgrund rechtswidrigen Handelns eingetretenen Vermögenszustandes. Die rechtliche Notwendigkeit, den eingetretenen Zustand zu beseitigen und einen Zustand herbeizuführen, der bestehen würde, wenn das inkriminier45 46 47

Schulz, a.a.O., 473. Schulz, a.a.O., 472. Schulz, System der Rechte auf den Eingriffserwerb, AcP 105 (1909), 445.

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Eingriffskondiktion

te Handeln nicht stattgefunden hätte, ergibt sich gerade aus der Beurteilung des Handelns als widerrechtlich. Die Widerrechtlichkeit des Handelns bildet bei den Schadensersatzansprüchen wie bei den Ansprüchen auf den Eingriffserwerb sowohl den Kern des Tatbestandes als auch den dogmatischen Grundgedanken der Regelung. Beide Ansprüche dienen damit Zielen der Sanktion und der Verhinderung rechtswidrigen Handelns: die Folgen solchen Handelns sollen beseitigt, zukünftige widerrechtliche Handlungen möglichst unterlassen werden. Im Unterschied zum Recht auf den Eingriffserwerb setzt der Schadensersatzanspruch schuldhaftes Verhalten des Rechtsverletzers voraus. Abweichend vom Ansatz der Vermögensverschiebungslehre läßt sich daher bei der Rechtswidrigkeitstheorie - wie sie in ihren Grundzügen von Fritz Schulz entworfen worden ist - eine enge funktionale Beziehung zwischen Schadensersatzrecht und dem Recht auf den Eingriffserwerb feststellen. d) Die Auswirkungen des „Systems der Rechte auf den Eingriffserwerb " Das von Schulz entworfene neue Anspruchssystem ist durchgängig abgelehnt worden und hat wenig direkten Einfluß auf die weitere Entwicklung des bürgerlichen Vermögensrechts genommen 48 . Dies ist teilweise auf den Umstand zurückzuführen, daß das System der Rechte auf den Eingriffserwerb eine Revolution zur Unzeit war 49 . Im Schrifttum wird zu Recht darauf verwiesen, daß die umstürzende neue Systematik zu einer Zeit (fach-) öffentlich geworden sei, in der Wissenschaft und Rechtsprechung - neun Jahre nach dem Inkrafttreten des BGB - noch mit dessen Verstehen und Interpretation beschäftigt gewesen sei. Darüber hinaus teile das System der Rechte auf den Eingriffserwerb das Schicksal aller Revolutionäre, daß sie über ihr Ziel hinausschießen, während es das Wesen der Reaktion sei, alle Ergebnisse der Revolution wegen der unschuldigen Toten zu verdammen 50 . Diese hübsche Metapher 51 erklärt allerdings das Scheitern der Theorie des Anspruchs auf Herausgabe des Eingriffserwerbs nicht vollständig. Die mangelnde Bereitschaft von Rechtsprechung und Schrifttum, das System der Rechte auf den Eingriffserwerb zu akzeptieren, kann nicht allein aus der zeitlichen Nähe zum Inkrafttreten des BGB und der Konzentration der damaligen Rechtswissenschaft auf das neue Gesetz gefolgert werden. Denn zumindest in der Literatur hat eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem System der Rechte auf den Eingriffserwerb stattgefunden. Das System der Rechte auf den Eingriffserwerb ist aus sachlichen Gründen abgelehnt worden. Es kann nicht völlig ausgeschlossen werden, daß auch das unzeitgemäße Er48 Einer der wenigen Anhänger die die ursprüngliche Rechtswidrigkeitstheorie gefunden hat, war Siber, Schuldrecht, 417. 49 Vgl. Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung, 154. 50 Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung, 154. 51 Die Metapher trifft die Sachlage indes nicht ganz: die Rechtswidrigkeitstheorie - wie sie von Schuh begründet wurde - hat sich in der Rechtspraxis niemals durchgesetzt; für das Recht

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scheinen der Theorie während einer Zeit, in der die Rechtswissenschaft mit der Rezeption des BGB präokkupiert war, eine Rolle gespielt hat. Wahrscheinlich ist diese Ursache für die Ablehnung aber nicht entscheidend gewesen. Das differenzierte Anspruchssystem des BGB mit seiner Trennung der Anspruchsgrundlagen (vertragliche/außervertragliche Ansprüche) und den verschiedenartigen Tatbeständen erwies sich dem doch relativ undifferenzierten System der Rechte auf den Eingriffserwerb als überlegen. Immer wieder wird in den kritischen Stellungnahmen zum System der Rechte auf den Eingriffserwerb darauf hingewiesen, daß dieses System auf einer überaus brüchigen Grundlage stehe: Das System integriert verschiedenartige, im positiven Recht funktional und tatbestandsmäßig ganz unterschiedlich geregelte Ansprüche. Funktion und Grundgedanken der Ansprüche, die Teil des Systems der Rechte auf den Eingriffserwerb bilden, sind so unterschiedlich, daß es nicht möglich ist, dafür eine gemeinsame Grundlage nachzuweisen. Hinzu kommt schließlich, daß dem positiven Recht kein allgemeiner Satz des Inhalts, daß „niemand aus einem widerrechtlichen Eingriff in ein fremdes Recht einen Gewinn" machen darf 52 , entnommen werden kann. Unter bestimmten Voraussetzungen können rechtsgrundlos erlangte Vermögensvorteile nach § 812 BGB herausverlangt werden. Nach § 687 II i. V.m. §§ 677, 681 S. 2, 667 BGB ist derjenige, der wissentlich die Geschäfte eines anderen im eigenen Interesse betreibt, zur Herausgabe des dadurch erzielten Gewinns verpflichtet. Es handelt sich dabei jedoch um Ansprüche, die sich sowohl hinsichtlich der Rechtsfolgen wie auch hinsichtlich ihrer Tatbestandsvoraussetzungen deutlich unterscheiden. Weder aus diesen Anspruchskategorien noch aus anderen Anspruchsgrundlagen des BGB läßt sich ein so allgemeiner Satz wie der eben zitierte und von Schulz seinem System zugrundegelegte ableiten. Ein solcher Versuch wäre auch als unhistorisch in dem Sinne zu qualifizieren, daß er die Entwicklung des Bereicherungsrechts seit der Pandektistik mißachten würde. Als eine große Schwäche des Kondiktionenrechts war die Funktion der ungerechtfertigten Bereicherung als Ausgleichsordnung im Rahmen eines unkonturierten Billigkeitsgedankens angesehen worden, die dazu führte, daß der Anspruch in seiner Reichweite praktisch unbeherrschbar wurde. Wie sich bereits aus den Vorentwürfen zu den Kondiktionen im BGB ergibt, hat der Gesetzgeber die Billigkeit als Grundlage der Bereicherungsansprüche nach §§ 812 ff. BGB abgelehnt, weil er die Unbrauchbarkeit dieses Konzepts erkannte 53 . Solche allgemeinen, weitgefaßten, faßt grenzenlosen Rechtsparöder ungerechtfertigten Bereicherung ist dieser dogmatische Ansatz weitgehend folgenlos geblieben. Revolutionen hingegen zeichnen sich dadurch aus, daß sie für die Realität überkommener sozialer Strukturen umstürzende Wirkungen haben, also außerordentlich folgenreich sind. 52 Schulz, System der Rechte auf den Eingriffserwerb, AcP 105 (1909), 443. 53 Siehe v. Kübel, Schuldverhältnisse aus ungerechtfertigter Bereicherung, in: Schubert (Hrsg.), Die Vorlagen der Redaktoren zum BGB, Recht der Schuldverhältnisse Teil 3, 661 ff. (663).

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mien sind ungeeignet, als juristisch faßbare Normen zur Interessenabgrenzung und Konfliktlösung im Bereich des bürgerlichen Vermögensrechts zu dienen. Dies ist m.E. - vor allem, wenn man sich das Bestreben des Schulz'scben Entwurfes vor Augen führt, das differenzierte Anspruchssystem des BGB zu beseitigen - der Haupteinwand gegen das System der Rechte auf den Eingriffserwerb und auch der wesentliche Grund dafür, daß sich das System nicht hat durchsetzen können.

II. Die Integration der Rechtswidrigkeitstheorie in die Systematik des Bereicherungsrechts des BGB: Die Widerrechtlichkeit des Verletzerhandelns als Grundlage der Eingriffskondiktion nach § 812 11, 2. Alt. BGB 1. Die Aufgabe des umfassenden Ansatzes des Schulz'schen der Rechte auf den Eingriffserwerb

Systems

Daß die Lehre von Schulz im späteren Verlauf der dogmatischen Entwicklung des Bereicherungsrechts nicht folgenlos blieb, lag daran, daß die Rechtswidrigkeit des Vorteilserwerbs durch den Bereicherten zum Grundgedanken der Nichtleistungskondiktion im Rahmen des bestehenden Bereicherungsrechts gemacht und auf die viel weitergehenden Implikationen des „Systems der Rechte auf den Eingriffserwerb" - nämlich die Sprengung des durch das BGB vorgegebenen Anspruchssystems - verzichtet wurde. Damit verbunden war die Aufgabe des Ziels, dem bürgerlichen Vermögensrecht durch den umfassenden Anspruch auf die Herausgabe rechtswidrig erlangten Eingriffserwerbs eine neue Kontur zu geben. Der Verzicht auf das weitergehende Ziel des Systems der Rechte auf den Eingriffserwerb ist gewissermaßen der dogmatische Preis, der für die Integration des Rechtswidrigkeitsansatzes in das bestehende Kondiktionsrecht zu entrichten war.

2. Das Kriterium der Rechtsverletzung bzw. der Rechtswidrigkeit als Grundlage der Eingriffskondiktion Als Folge der deutlich ablehnenden Haltung von Schrifttum und Rechtsprechung zum „System der Rechte auf den Eingriffserwerb" von Fritz Schulz blieb es zunächst für einige Jahrzehnte still um diesen dogmatischen Ansatz. Nachdem die mangelnde Tragfähigkeit der Vermögensverschiebungstheorie insbesondere bei Verletzungen von Immaterialgüterrechten und bei unbefugter Nutzung von Sachen deutlich geworden war, bot die von Wilburg und v. Caemmerer entwickelte Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte eine dogmatische Alternative, die sich allmählich durchzusetzen begann. Allerdings

$ 4 Rechtswidrigkeitstheorie

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zeigte sich schnell, daß die Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion durch die verschiedenen Vertreter dieser Lehre recht unterschiedlich ausfielen. Zweifel an der Richtigkeit des Grundansatzes der Zuweisungsgehaltslehre und die bereits erwähnte Inhomogenität der Bestimmung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion führten dazu, daß die Grundgedanken des Schulz'schen Systems der Rechte auf den Eingriffserwerb wieder aufgegriffen wurden und - wenn auch in reduzierter Form - eine Renaissance erlebten. Die Grundkonzeption des Systems der Rechte auf den Eingriffserwerb wurde von Jakobs aufgegriffen und in seinem Werk „Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung" zur Grundlage der Eingriffskondiktion gemacht.

a) Die Kondiktion

einer

Vermögensverschiebung

Bei seiner Analyse geht Jakobs von der herkömmlichen Vermögensverschiebungstheorie aus, wie sie von v. Savigny begründet wurde. Dabei wird das Prinzip akzeptiert, „die Unrechtmäßigkeit einer Bereicherung vom Vorhandensein oder Fehlen einer Causa bzw. obligatorischen Unterlage abhängig zu machen .. ," 5 4 . Das Fehlen einer Causa rechtfertigt den Anspruch aus Eingriffskondiktion immer dann, wenn zwischen dem Vermögen des Kondizienten einerseits und des Bereicherten andererseits eine Vermögensverschiebung stattgefunden hat. Fehlt es hingegen an einem solchen Kontakt, ist also kein vor dem relevanten Vorgang schon im Kondizientenvermögen befindlicher Gegenstand in das Vermögen des Bereicherten transferiert worden, so genügt das Fehlen einer obligatorischen Unterlage oder eines gesetzlichen Erwerbsgrundes nicht, um den Bereicherungsanspruch zu begründen. Daher muß ein anderes Kriterium zur Begründung der Eingriffskondiktion gefunden werden.

b) Die Kondiktion wegen rechtswidriger fremder Rechtsgüter

Verwendung

Fehlt es an einer solchen gegenständlichen Vermögensverschiebung zwischen Kondizienten und Bereicherten, so reicht das Nichtvorhandensein einer Causa zur Begründung des Bereicherungsanspruchs nicht aus, sondern es muß ein weiteres Element hinzutreten, um die Gewährung einer Kondiktion zu rechtfertigen. Der Grund dafür liegt in dem Umstand, daß es sehr häufig zu Vermögensverlusten auf der einen und Erwerbsvorgängen auf der anderen Seite kommt, bei denen keine Gegenstände von dem einen in das andere Vermögen übertragen werden, sondern die sich als Ersparung eigener Ausgaben oder als Vermögensvorteile aus der Nutzung fremder Rechte bzw. dem Gebrauch fremder 54

Jakobs,

Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung, 52.

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Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

Sachen darstellen. Die Rechtsordnung billigt vielfach solche „causalosen" Bereicherungsvorgänge ohne gegenständliche Vermögensverschiebung, ohne dem Begünstigten eine Ausgleichsverpflichtung aufzuerlegen. Jakobs verweist in diesem Zusammenhang auf das Beispiel der Verlegung einer Eisenbahnlinie, durch die bestimmte Grundstücke wertvoller werden, während andere an Wert verlieren. In einem solchen Fall hat der Benachteiligte gegen denjenigen, dessen Grundstück durch die Verlegung an Wert gewinnt, keinen Anspruch aus Eingriffskondiktion 55 . Das in solchen Fällen erforderliche und den Bereicherungsanspruch tragende Tatbestandselement soll nach Auffassung von Jakobs das der Eingriffshandlung sein56. Die Bedeutung der Moment der Rechtswidrigkeit Rechtswidrigkeit für die Begründung des Bereicherungsanspruchs erschließt sich aus der Unzulänglichkeit des herkömmlichen Kriteriums der Vermögensverschiebung in den Fällen des Ge- und Verbrauchs fremder Sachen und Rechte. Bei der Lösung dieser Fälle greift die Vermögensverschiebungslehre zur Denkfigur der Ersparnisbereicherung. Der Rechtsverletzer ist durch den Gebrauch der fremden Sache oder des fremden Rechts in dem Maße bereichert, als er eigene Ausgaben für die Erreichung desselben wirtschaftlichen Ergebnisses vermeidet, indem er eben fremde Sachen oder Rechte für sich nutzt. In solchen Fällen läßt sich eine Verschiebung von Vermögensbestandteilen zwischen den Vermögen der Beteiligten mangels Gegenstandsidentität nicht feststellen: „Der möglicherweise schuldlos handelnde Nichtberechtigte soll auf einen Wert haften, der vielleicht immer in seinem Vermögen war, den er jedenfalls nicht vom Kondiktionsgläubiger durch Leistung oder in sonstiger Weise aus dessen Vermögen erlangt hat" 57 . Da in solchen Fällen weder Leistung noch Vermögensverschiebung die Verknüpfung zwischen Kondizienten- und Bereichertenvermögen herstellen, kann diese, zur Begründung des Bereicherungsanspruchs nach Auffassung von Jakobs notwendige Verbindung nur durch das Abstellen auf die Qualität des Handelns des Bereicherten geschaffen werden: die Bereicherungshaftung beruht auf der Rechtswidrigkeit des Eingriffsaktes 58 . Die Rechtswidrigkeit der Eingriffshandlung bezeichnet zugleich die Grundlage wie auch die Grenze des Bereicherungsanspruchs.

c) Der Tatbestand

der

Eingriffskondiktion

Nach der Rechtswidrigkeitslehre, wie sie von Jakobs entworfen wird, ist jede Vermögensvermehrung herauszugeben, die entweder auf einer causalosen Vermögensverschiebung oder auf rechtswidrigem Eingriff in fremdes Recht beruht. Das Tatbestandsmerkmal der Rechtsgrundlosigkeit wird - jedenfalls bei Fehlen einer Vermögensverschiebung - durch das Element der Rechtswidrig55 56 57 58

Jakobs, Jakobs, Jakobs, Jakobs,

Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung, 52. a.a.O., 50ff. und 168. a. a. O., 54. Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung, 168.

§ 4 Rechtswidrigkeitstheorie

I

107

keit substituiert. Das Schadenserfordernis, das integraler Bestandteil des Bereicherungstatbestandes nach der Vermögensverschiebungslehre war, ist nicht mehr Voraussetzung der Eingriffskondiktion. Nach der Auffassung Jakobs wird ein Schadenserfordernis auch nicht durch die Worte „auf dessen Kosten" in § 8 1 2 1 1 B G B statuiert. Fritz Schulz hatte wegen dieses Tatbestandsmerkmals die unmittelbare Anwendbarkeit des § 812 I 1 B G B in den Gebrauchs- und Nutzungsfällen, in denen keine gegenständliche Vermögensverschiebung vorliegt, verneint und statt dessen nur eine analoge Anwendung vorgeschlagen. Dabei war er davon ausgegangen, das Tatbestandsmerkmal „auf dessen Kosten" könne nur bedeuten, daß ein Bereicherungsanspruch voraussetze, daß dem Gewinn des Rechtsverletzers ein Vermögensverlust des Kondizienten gegenüberstehe, der dem Gewinn des ersteren der Höhe nach entsprechen müsse 59 . Diese Auslegung des § 812 I 1 B G B und auch die darauf fußende Analogie wird von Jakobs abgelehnt 60 . Aus den Worten „auf dessen Kosten" in § 8 1 2 1 1 B G B auf das Erfordernis eines Schadens beim Kondizienten zu schließen, der sich allerdings mit dem Erwerb des Rechtsverletzers nicht zu decken brauche, sei unrichtig und überholt. Der Gesetzgeber habe diese Formulierung gerade deshalb gewählt, um deutlich zu machen, daß ein bereicherungsrechtlich relevanter Erwerbsvorgang das Vermögen des Kondizienten nur „berührt" zu haben brauche. Mit dieser Formulierung sei eine möglichst weite Anwendbarkeit des Bereicherungstatbestandes beabsichtigt worden. Dem werde die Interpretation der Worte „auf dessen Kosten" in Richtung eines Schadenserfordernisses im Vermögen des Kondizienten nicht gerecht. Als der vom Gesetzgeber geforderte Mindestkontakt zwischen dem Vermögen des Rechtsverletzers und dem des Kondizienten reiche daher der Umstand, daß der in Frage stehende Erwerb „Folge einer Handlung ist, die im Widerspruch zu einem Recht des anderen ,mit vermögensrechtlicher Tragweite' steht" 6 1 . Nicht nur das Merkmal der Rechtsgrundlosigkeit, sondern auch das Erfordernis, daß eine Bereicherung auf Kosten des anderen erworben sein muß, wird durch das Element der Rechtswidrigkeit der Eingriffshandlung ausgefüllt. Allerdings erkennt Jakobs dem Merkmal „auf dessen Kosten" in § 812 I 1 B G B i. V.m. der Rechtswidrigkeit der Eingriffshandlung eine wichtige Funktion zu: nämlich die Aufgabe, den Anwendungsbereich des Anspruchs aus Eingriffsbereicherung zu bestimmen. Nicht jede Vermögensmehrung durch eine rechtswidrige Handlung sei eine ungerechtfertigte Bereicherung, sondern „nur die Vermögensvermehrung, die unter Verletzung des Rechts eines anderen gemacht ist, und sie ist ungerechtfertigt gegenüber demjenigen, dem das verletzte Recht zusteht" 6 2 . Diese Ausführungen sind deshalb bemerkenswert, weil sie die Rechtswidrigkeitstheorie, sowie sie von Jakobs entwickelt wird, in die Nähe der so vehe59 60 61 62

Schulz, Jakobs, Jakobs, Jakobs,

System der Rechte auf den Eingriffserwerb, AcP 105 (1909), 478. a.a.O., 63f. a.a.O., 64. Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung, 64.

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Kapitel

I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

ment von den Verfechtern dieser Theorie abgelehnten Zuweisungsgehaltslehre rücken. Denn danach soll es nicht mehr schlicht auf eine Normverletzung ankommen, sondern darauf, daß in das Recht eines anderen eingegriffen wird. Allerdings wird diese Einschränkung bei der Bestimmung der Positionen, die eingriffsbereicherungsrechtlich relevant sind, von Jakobs nicht mehr aufgegriffen 63 . Im Zusammenhang mit der Behandlung der Zuweisungsgehaltstheorie wird deutlich werden, daß die theoretische Grundlegung der sich gegenüberstehenden Grundansätze des Rechts der Eingriffsbereicherung nicht so fern stehen wie dies häufig im Schrifttum behauptet wird64; wesentliche Unterschiede ergeben sich jedoch bei der Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion hinsichtlich der durch dieses Rechtsinstitut geschützten Rechtspositionen.

3. Das Problem der Begrenzung des Anwendungsbereichs Eingriffskondiktion bei dem Abstellen auf die Rechtswidrigkeit des Eingriffs

der

Die Rechtswidrigkeitslehre - wie sie von Jakobs entworfen wurde - knüpft den Anspruch aus Eingriffsbereicherung an ein rechtswidriges Handeln an, das für die Bereicherung kausal gewesen ist. Der Begriff der Rechtswidrigkeit bezeichnet ein Werturteil der Rechtsordnung über ein menschliches Verhalten, das an einer Rechtsnorm gemessen wird. Die h. L. verknüpft dabei das Rechtswidrigkeitsurteil mit dem Resultat der widerrechtlichen Handlung, nämlich mit der Verletzung eines rechtlich geschützten Gutes (Lehre vom Erfolgsunrecht) 65 . Grundsätzlich indiziert eine Rechtsgutsverletzung die Rechtswidrigkeit der dafür kausalen Handlung. Das Rechtswidrigkeitsurteil wird dadurch entkräftet, daß das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes dargetan wird. Die Frage des Sorgfaltsmaßstabes für die Handlung wird hingegen dem Verschulden zugewiesen. Demgegenüber steht die Lehre vom Handlungsunrecht auf dem Standpunkt, daß nach den Maßstäben der Rechtsordnung sorgfältiges Handeln, das dennoch zur Schädigung eines anderen geführt hat, nicht rechtswidrig ist. Gegen diese Lehre wird häufig eingewandt, sie vermische objektiven (Rechtswidrig6 3 Später macht Jakobs deutlich, daß nicht nur Vermögensvorteile Gegenstand des Anspruchs aus Eingriffskondiktion sein können, die durch Verletzung eines absoluten Rechts erlangt wurden, sondern auch Vermögensmehrungen, die auf der Verletzung von Normen beruhen, die den Schutz eines anderen bezwecken. Auch sittenwidrige Handlungen und die Verletzung von Forderungsrechten könnten einen Anspruch nach § 812 I 1, 2. Alt. B G B auslösen, siehe Jakobs, a.a.O., 168 f. 64 Siehe etwa Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 7 2 f f . ; / . Wolf, Der Stand der Bereicherungslehre und ihre Neubegründung, 51; Rümker, Das Tatbestandsmerkmal „ohne rechtlichen Grund" im Bereich der Eingriffskondiktion, 31 ff. 6 5 Dazu z . B . Palandt(-Thomas),§ 823, Rz. 33; Larenz/Canaris, S c h R I I / 2 , § 75 II 3; Esser/ Weyers, SchR II BT, § 55 II 3 c); M ü K o { - M e r t e n s ) , § 823, Rz. 23; Medicus, B R , Rz. 606.

§4 Rechtswidrigkeitstheorie

I

109

keit) und subjektiven (Verschulden) Tatbestand 6 6 . Im Bereich des Rechts der Eingriffskondiktion spielt diese Unterscheidung keine solch wichtige Rolle w i e im Deliktsrecht. Hinter dem Begriff der Rechtswidrigkeit steht der rechtliche Schutz bestimmter, als schutzwürdig erkannter Interessen. Die durch Rechtsnormen geschützten Interessen sind zahlreich und äußerst vielfältig. Es handelt sich u m private und öffentliche Interessen, u m materielle und immaterielle Belange. Die A n w e n d b a r k e i t des Anspruchs aus Eingriffskondiktion nach § 812 I 1 B G B ist nicht bei jedweder als rechtswidrig zu qualifizierenden Interessenverletzung gegeben. Eine Beschränkung des Anwendungsbereichs dieser N o r m ergibt sich sowohl aus ihrem Tatbestand w i e auch aus teleologischen und systematischen Überlegungen. N a c h § 812 I 1 B G B setzt der Bereicherungsanspruch voraus, daß ein Vorteil „auf Kosten" des Kondizienten erlangt w u r d e . Der Anspruch aus Eingriffsbereicherung ist daher als vermögensrechtlicher Anspruch zu qualifizieren: Die herauszugebende Bereicherung m u ß vermögensrechtlicher N a t u r sein. Damit scheiden rechtswidrige H a n d lungen, die dem Handelnden keine Vermögens^orteile eingebracht haben, sondern etwa nur immateriellen Gewinn, als Grundlage der Eingriffskondiktion aus 67 . Darüber hinaus reicht die Rechtswidrigkeit einer H a n d l u n g allein auch nach Auffassung der Vertreter dieser Theorie nicht aus, u m einen Anspruch aus Eingriffskondiktion zu begründen. Jakobs selbst schränkt die Bedeutung der Rechtswidrigkeit des Handelns mit der B e m e r k u n g ein, „... nicht jede Vermögensvermehrung durch widerrechtliches Handeln ist eine .ungerechtfertigte Bereicherung', sondern nur die Vermögensverschiebung, die unter Verletzung des Rechts eines anderen gemacht ist und sie ist ungerechtfertigt gegenüber denjenigen, dem das verletzte Recht zusteht" 6 8 . Zur Begründung des Anspruchs aus Eingriffsbereicherung genügt daher nicht jedwede rechtswidrige Handlung, sondern das in Frage stehende Verhalten muß gerade das einem anderen zustehende Recht verletzt haben. Zur Begrenzung des Anspruchs aus Eingriffsbereicherung ist die Rechtswidrigkeitstheorie daher auf zusätzliche, restringierende Tatbestandselemente angewiesen. Dieses (hinsichtlich der Rechtswidrigkeit) zusätzliche, anspruchsbegrenzende Kriterium w i r d in den einzelnen Varianten der Rechtswidrigkeitstheorie unterschiedlich gefaßt; dies führt zu im Detail unterschiedlichen Abgrenzungen der Anspruchsreichweite im Rahmen desselben theoretischen Grundansatzes. Kennzeichnend für die Rechtswidrigkeitslehren - in welcher Nuancierung sie auch vertreten werden - ist, daß z w a r nach außen hin die Rechtswidrigkeit in das Zentrum des Bereicherungsanspruchs gerückt w i r d , aber zur Grenzziehung zusätzliche Kriterien eingeführt werden.

Vgl. die bei der vorhergehenden Fußnote genannten Textstellen. Siehe dazu Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 533 ff.; Staudinger(-Lorenz), § 812, Rz. 65 a. E.; Medicus, BR, R z . 726; Ostendorf, Die Be- und Entreicherung beim ungerechtfertigten Verbrauch und Gebrauch von Gegenständen und Leistungen, 32 ff. 68 Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung, 64. 66

67

110

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

Wie sich zeigen wird, weisen diese zusätzlichen Kriterien alle auf einen ganz bestimmten Aspekt hin: nämlich - zunächst untechnisch formuliert - die (ggf. ehemalige) Zugehörigkeit des Vermögensvorteils, den das „Erlangte" repräsentiert, zum Vermögen des Kondizienten. Daraus ergibt sich zwanglos die Frage, ob in Wirklichkeit nicht die Rechtswidrigkeit das tragende Element des Anspruchs aus Eingriffskondiktionen darstellt, sondern die - wie auch immer - abzugrenzende Zuweisung von Gütern zu Personen; darauf wird später noch näher einzugehen sein 69 . Zunächst soll gezeigt werden, auf welche Weise im Rahmen der Rechtswidrigkeitslehren eine Abgrenzung der Reichweite des Anspruchs aus Eingriffskondiktion versucht wird.

Rechte a) Rechtswidriger Eingriff in fremde subjektive und Normen mit vermögensschützendem Charakter Bereits oben ist darauf hingewiesen worden, daß bei aller Betonung der Rechtswidrigkeit als Grundelement des Bereicherungstatbestandes schon Jakobs nicht jede rechtswidrige Handlung, die zu einem Vermögensvorteil einer Person geführt hat, zur Begründung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion ausreichen lassen will. Der Grund dafür liegt in dem Umstand, daß die Rechtswidrigkeit nicht genügt, um die Entscheidung zur Rückgängigmachung einer eingetretenen Bereicherung zu tragen. D e r durch die Rechtsordnung verwirklichte rechtliche Interessenschutz geht weit über den Schutz verfestigter, mit exklusiven Berechtigungen ausgestatteter Vermögensinteressen hinaus, indem etwa die Offenheit der Märkte, die Lauterkeit des Wettbewerbs etc. (auch) durch Individualrechte gewahrt werden. Daher fordert Jakobs für die Begründetheit des Anspruchs aus Eingriffskondiktion, daß nur diejenige Vermögensvermehrung einen Bereicherungsanspruch auslöst, die unter Verletzung des Rechts eines anderen erzielt worden ist. D e r Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion hängt daher davon ab, welchen Inhalt der Begriff des „Rechts eines anderen" 7 0 erhalten soll und welches vom Eingreifer rechtswidrig verletzt wird. Hier zieht Jakobs die Grenze sehr weit. Neben den absoluten subjektiven Rechten wie Eigentum und Immaterialgüterrechten, darunter auch dem Warenzeichenrecht, nimmt er die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion auch bei Bereicherungen an, die durch unerlaubte Handlungen bewirkt worden sind. Einbezogen in den Anwendungsbereich des § 812 I 1, 2. Alt. B G B werden dabei vor allem Verletzungen der in § 823 II B G B genannten Schutzgesetze sowie Bereicherungen aus sittenwidrigem Verhalten nach § 826 B G B . Auf diese Weise kommt Jakobs zu einer weitreichenden Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion bei Verstößen gegen N o r m e n des U W G : E r erkennt eine „Be69 70

Siehe unten § 6 und § 15. Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung, 64.

§ 4 Rechtswidrigkeitstheorie

I

111

reicherungshaftung aus unlauterem Wettbewerb" 71 an. Ein Bereicherungsanspruch im Bereich des UWG kann lediglich aus praktischen Gründen im Einzelfall zu versagen sein, nämlich dann, wenn durch den Eingriff in fremdes Recht mehrere Berechtigte beeinträchtigt werden und diese ihrer Zahl nach nicht bestimmbar sind, so daß eine Aufteilung des Eingriffsgewinns zu gleichen Teilen zwischen den beteiligten Kondizienten nicht möglich ist. Ein solcher Fall trete jedoch bei den wettbewerbswidrigen Handlungen nach § 1 UWG kaum auf: beim Abspenstigmachen von Kunden, bei anlehnender Werbung und bei Nutzung fremder Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse seien in aller Regel die nachteilig Betroffenen feststellbar. Lediglich bei Rechtsverletzungen im Bereich der §§ 3-12 UWG könne es sein, daß der Kreis der Verletzten nicht exakt bestimmbar sei und daher ein Anspruch auf Eingriffskondiktion nicht gegeben sei. Bedenken dagegen, daß auf diesem Wege eine im Verhältnis zur Schadensersatzhaftung nicht durch den Filter des Verschuldens begrenzte Bereicherungshaftung geschaffen werde, wischt Jakobs beiseite. Liege der Grund für eine Bereicherung in der Verletzung des § 1 UWG, so setze der Tatbestand dieser Norm das sittenwidrige Handeln des Rechtsverletzers voraus. Soweit andere Normen, deren Verletzung in Frage stehe, ein Verschuldenserfordernis vorsehen, trete auch die Bereicherungshaftung nur dann ein, wenn der Tatbestand der verletzten Norm einschließlich des Verschuldens erfüllt sei. Zusammenfassend ist festzustellen, daß in der Rechtswidrigkeitstheorie, wie sie von Jakobs vertreten wird, das Merkmal der rechtswidrigen Handlung als Grundlage des Anspruchs wegen Eingriffskondiktion hervorgehoben wird. Seine Legitimationsgrundlage bezieht der Bereicherungsanspruch hier aus der Widerrechtlichkeit des Nehmens durch den Eingreifen Zugleich wird aber nicht geleugnet, daß ein alleiniges Abstellen auf die Rechtswidrigkeit der bereichernden Handlung die Bereicherungshaftung uferlos machen und über das Ziel hinausschießen würde. Alles hängt also davon ab, wie der Begriff des Eingriffs in das „Recht eines anderen" 72 zu definieren ist. Um so erstaunlicher erscheint es, daß dieser Aspekt als allgemeines Problem der Theorie der Rechtswidrigkeit in der Arbeit von Jakobs nicht weiter thematisiert wird. Behandelt werden Kondiktionsansprüche aus Eingriff in das Eigentum, in Immaterialgüterrechte, in sonstige absolute Rechte sowie aus der Verletzung von Schutzgesetzen. Offenbar wird dabei vorausgesetzt, daß es sich immer um Eingriffe in „das Recht eines anderen" handelt. In der Anerkennung einer Bereicherungshaftung aus unlauterem Wettbewerb liegt - folgt man dem Ansatz Jakobs - die Annahme eines Rechts auf lauteren Wettbewerb als Eingriffsgegenstand. Diese Annahme wird nicht weiter hinterfragt. Ob und inwieweit ein solches Recht als „Recht eines anderen" anzusehen ist, wäre zu klären. Dies gilt insbesondere, wenn man bedenkt, daß das UWG, um dessen bereicherungsrechtliche Rele71 72

Jakobs, a.a.O., 117. Jakobs, a.a.O., 64.

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Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

vanz es Jakobs vor allem - aber nicht ausschließlich - geht, sehr differenzierte Regelungen enthält. Ob jede einzelne davon als „Recht eines anderen" aufzufassen ist und daher einen Bereicherungsanspruch trägt, müßte näher belegt werden, was jedoch unterbleibt. In dem Bezug auf „das Recht eines anderen" liegt bereits eine gewisse Annäherung an den Ansatz der Zuweisungsgehaltstheorie. Die Leistung Jakobs liegt in der Integration des von Schulz entwickelten, durch Gedanken der Rechtswidrigkeit der Handlung des Rechtsverletzers getragenen Rechts auf den Eingriffserwerb in das bestehende System des im BGB geregelten Bereicherungsrechts. Wo Schulz die Grenzen des bürgerlich-rechtlichen Anspruchssystems durch seinen kühnen Entwurf sprengt, integriert Jakobs das Erfordernis der Rechtswidrigkeit unter weitestgehender Erhaltung des (insoweit bewährten) Systems des Bereicherungsrechts. Dies geschieht durch die Ersetzung des Erfordernisses der Rechtsgrundlosigkeit in § 812 I 1 B G B durch das der Rechtswidrigkeit des Eingriffs. Darüber hinaus bleibt das überkommene System des Bereicherungsrechts weitgehend unberührt. Im Bereich der Eingriffskondiktion verbleibt es bei der Voraussetzung der Vermögensverschiebung, wenn eine Rechtsverschiebung, d. h. der Ubergang eines Rechts vom Kondizienten auf den Rechtsverletzer, stattgefunden hat73. Nur dann, wenn ein solcher Rechtsübergang nicht festzustellen ist, wie z.B. bei der Verletzung von Immaterialgüterrechten und des UWG, kommt die Kondiktion aufgrund rechtswidrigen Handelns zur Anwendung. Die Vermögensverschiebung behält ihren Platz auch bei der Leistungskondiktion. Eine durch Leistung bewirkte Vermögensverschiebung kann kondiziert werden, wenn sie ein indebitum ist. Die Einbeziehung der Leistungskondiktion in das System der Rechte auf den Eingriffserwerb, wobei der Eingriff darin liegen sollte, daß der Veräußerer bei fehlender Causa die „Eigentumsentziehung" nicht zu dulden brauchte74, wird als „eine der unnötigen Ubersteigerungen" abgelehnt, „mit denen Fritz Schulz der Anerkennung seines Prinzips mehr geschadet als genutzt hat" 75 . b) Eingriff in ein gegenständlich (Kellmann )

identifizierbares

Rechtsobjekt

Eine weitere Variante zur Festlegung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion auf dem Boden der Rechtswidrigkeitstheorie entwickelt Kellmann. In seiner das US-amerikanische und englische Recht einbeziehenden rechtsvergleichenden Studie geht er der Frage nach, ob und inwieweit ein rechtswidrig Handelnder die wirtschaftlichen Ergebnisse seines widerrechtlichen Tuns herauszugeben hat oder behalten darf. Zunächst werden die Rechtsinstitute des US-amerikanischen Recht dargelegt, die die Grundlage der Ge73 74 75

Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung, 41 ff. und 164 ff. Schulz, System der Rechte auf den Eingriffserwerb, 435. Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung, 155.

§ 4 Rechtswidrigkeitstheorie

I

113

winnhaftung in der dortigen Rechtsordnung bilden. Herangezogen werden dabei vor allem die Institute des Constructive Trust und des Waver of Tort. Anhand dieser Institute werden Voraussetzungen, Umfang und rechtspolitische Funktionen der Gewinnhaftung in Fällen aufgezeigt, in denen ein Eingreifer Vermögensvorteile aus der unbefugten Nutzung von Vermögensgegenständen zieht, die einer anderen Person gehören. Daran schließt sich die Untersuchung der Gewinnhaftung im deutschen Zivilrecht an. Als sedes materiae dieser zivilrechtlichen Sanktion sieht Kellmann das Bereicherungsrecht an. Unter Ablehnung der Vermögensverschiebungstheorie und der Lehre vom Zuweisungsgehalt absoluter Rechte sieht Kellmann in der Rechtswidrigkeit des Handelns des Eingreifers die Grundlage des Bereicherungsanspruchs. Als wesentlicher Schwachpunkt der Rechtswidrigkeitstheorie wird die prinzipiell grenzenlose Weite des Bereicherungsanspruchs hervorgehoben. Lasse man jeden widerrechtlichen Verstoß gegen Verhaltensnormen zur Begründung eines Anspruchs aus Eingriffskondiktion ausreichen, so sei der Anspruch auf Gewinnherausgabe - trotz des richtigen Grundansatzes der Widerrechtlichkeit zu weitgehend 76 . Als Kriterium der Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion entwickelt Kellmann den Topos der Ausnutzung eines fremden, gegenständlich identifizierbaren Rechtsobjektes 77 . Der Vorteil dieses Abgrenzungskriteriums liege darin, daß es ohne die häufig nur als Fiktion zu haltende Voraussetzung der Vermögensverschiebung auskomme und den zu weiten Anwendungsbereich des Bereicherungsanspruchs nach der Rechtswidrigkeitstheorie, so wie sie von Schulz und Jakobs vertreten werde, vermeide. Will man beurteilen, welchen Erkenntnisfortschritt das Kriterium der „Ausnutzung eines fremden, identifizierbaren Rechtsobjekts" im Hinblick auf die tatbestandliche Eingrenzung der Eingriffskondiktion bringt, so kommt es darauf an, wie dieses Kriterium definiert wird. Untersucht man die Ausführungen Kellmanns zu dieser Frage, so wird schnell deutlich, daß dieses Kriterium in keiner Hinsicht eine größere Sicherheit für die Bestimmung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion schafft. Nach Kellmann soll die Kategorie der Rechte mit einem identifizierbaren Rechtsobjekt durch eine „konkrete Gegenstandsbeziehung" gekennzeichnet sein 78 . Als Modell sei hier auf die bei dinglichen Rechten bestehende Beziehung des Rechtsinhabers zu der Sache zu verweisen, auf die sich das Recht bezieht. Bei manchen Rechten sei hingegen das Bezugsobjekt nicht identifizierbar, etwa bei dem Anspruch auf Lieferung einer nur der Gattung nach bestimmten Sache. Auch Forderungen auf ein Tun oder Unterlassen seien keine Rechte mit einem identifizierbaren Rechtsobjekt, weil ein menschliches Handeln nicht als Rechtsobjekt zu fassen sei. Dagegen seien Forderungen „als solche ... eindeutig" als Rechte mit identifizierbarem Rechts76 77 78

Kellmann, Kellmann, Kellmann,

Grundsätze der Gewinnhaftung, 108 f. a.a.O., 110ff. Grundsätze der Gewinnhaftung, 110.

114

Kapitel I: Dogmatische Grundlagen der

Eingriffskondiktion

objekt zu qualifizieren79. Die Forderung selbst sei Gegenstand der Berechtigung des Forderungsinhabers. Der Kern des Bereicherungsanspruchs im Gebiet der Eingriffskondiktion sei ein Eingriffsverbot, das sich an den Rechtsverletzer richte und ihn von der Nutzung des jeweiligen Rechtsobjektes ausschließe. Daher genüge zur Begründung des Bereicherungsanspruchs die Verletzung einer Rechtsnorm, die einem anderen die Nutzung eines Rechtsobjektes verbiete. Dabei komme es nicht darauf an, ob dieses Verbot sich an alle Rechtsgenossen (außer dem Berechtigten) richte, also auf einem absoluten Recht beruhe, oder ob nur eine bestimmte Person (aufgrund eines relativen Rechts) betroffen sei. Auch immaterielle Güter können identifizierbare Rechtsobjekte sein. So werde ein Bereicherungsanspruch auf Gewinnherausgabe ausgelöst, wenn A dem B ein Geheimnis mit der Vereinbarung anvertraut, es vertraulich zu behandeln und B es dennoch veröffentlicht. Bei obligatorisch begründeten Nutzungsverboten soll es darauf ankommen, ob sich aus dem relativen Recht eigene Abwehransprüche des Berechtigten gegen den Eingreifer ergeben. Nach Auffassung Kellmanns ist dies etwa bei Miete und Pacht der Fall. Dabei komme es für die Gewinnhaftung nicht auf die Eigenschaft des Mieters und Pächters als Besitzer und auf die Besitzschutzvorschriften an, weil dann dem Eigentümer als dem „wahren" Berechtigten der Vorrang gebühre und ein Ausgleich mit dem Mieter oder Pächter nur im Innenverhältnis stattfinden könne. Zweifelhaft sei die Einordnung der menschlichen Arbeitskraft. Grundsätzlich sei die menschliche Arbeitskraft kein fremdes, identifizierbares Rechtsobjekt. Dies anzunehmen würde die menschliche Arbeit in die Nähe der Sklaverei rücken80. Es komme auf die Vorstellung des Arbeitnehmers von der Identifizierbarkeit des Gutes an. Täusche A den Arbeitnehmer des B, der den Rasen des C mähen soll und läßt ihn den eigenen Rasen schneiden, so soll B ein Anspruch auf Gewinnherausgabe gegen A zustehen. Auch die Verletzung gesetzlicher Wettbewerbsverbote (z. B. §§ 112,60 HGB) sowie die Ausnutzung günstiger Positionen durch einen Treuhänder, Rechtsanwalt, Verwalter oder Vertreter zur Erlangung persönlicher Vorteile rechtfertige die bereicherungsrechtliche Gewinnhaftung. Denn auch hier gehe es um die Ausnutzung fremder, identifizierbarer Rechtspositionen. Für die Beurteilung dieses Kriteriums der Begrenzung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion ist entscheidend, ob es zu einer klaren und sachlich nachvollziehbaren Grenzziehung in Bezug auf die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion führt. Dies ist nicht der Fall. Kellmann begründet seine Auffassung u.a. damit, daß die Rechtswidrigkeitstheorie - wie sie von Schulz und Jakobs entwickelt worden sei - zwar im Grundsatz zutreffend, in der Praxis wegen der tatbestandlichen Reichweite des Bereicherungsanspruchs jedoch nur schwer zu handhaben sei. Schon der Ausgangspunkt der Kritik Kellmanns ist nicht zutreffend. Weder Schulz noch Jakobs wollen einen Bereicherungsanspruch 79 80

Kellmann, a.a.O., 111.

Kellmann, a. a. O., 114.

5 4 Rechtswidrigkeitstheorie

I

115

bei jeder rechtswidrigen Normverletzung zulassen. Beide betonen, daß es sich um die Verletzung des Rechts eines anderen handeln müsse. Man kann - neben der grundsätzlichen Frage, ob die Rechtswidrigkeit als Grundlage der Eingriffsbereicherung überhaupt geeignet ist - allenfalls kritisch untersuchen, ob die in den vorgenannten theoretischen Ansätzen enthaltenen Begrenzungskriterien für die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion auch ausreichend fruchtbar gemacht werden. Dies ist wohl nicht der Fall. Die Behauptung Kellmanns, eine Begrenzung des Anspruchs sei überhaupt nicht vorhanden, geht jedenfalls fehl. Schwerer wiegt jedoch, daß das Kriterium des „fremden, identifizierbaren Rechtsobjekts" inhaltlich nicht geeignet ist, dem Bereicherungsanspruch Form und Grenze zu geben. Die Funktion, die der Begriff übernehmen soll, nämlich die Begrenzung der Reichweite des Anspruchs aus Eingriffsbereicherung, wird verfehlt. Kellmann operiert - auch wenn dies nicht offen ausgewiesen wird - mit dem Begriff des subjektiven Rechts, bei dem ein Rechtsträger befugt ist, die Einwirkung anderer (sei es einer bestimmten Person, sei es aller Personen) auszuschließen. Da es aber kein subjektives Recht ohne ein „identifizierbares Rechtsobjekt" gibt, taugt dieses Kriterium nicht für die Aufgabe der Abgrenzung. Hinzu kommt, daß das Kriterium des fremden identifizierbaren Rechtsobjekts auch zu unscharf ist, um hinreichend sichere Ergebnisse zu ermöglichen. Dies zeigen bereits Ungereimtheiten, die sich bei der Zuordnung der verschiedenen Rechte - wie sie durch Kellmann selbst vorgenommen wird ergeben. So sollen Forderungen, die auf ein Tun oder Unterlassen gerichtet sind, ohne identifizierbares Rechtsobjekt sein, da sich menschliches Handeln in der Regel nicht als fremde Berechtigung darstellen lasse. Andererseits sind jedoch offenbar Berechtigungen aus Miet- und Pachtverträgen mit identifizierbaren Rechtsobjekten ausgestattet. Augenscheinlich bezieht sich diese Aussage auf die Sachen, die vermietet oder verpachtet werden. Diese Einordnung ist juristisch nicht zutreffend. Durch Vermietung und Verpachtung von Sachen ändert sich die dingliche Berechtigung daran nicht. Der Mieter oder Pächter erlangt lediglich den schuldrechtlichen Anspruch gegenüber dem Vermieter oder Verpächter auf Überlassung der Sache zum Gebrauch (und bei Pacht zur Fruchtziehung). Dabei handelt es sich um nichts anderes als einen Anspruch auf ein menschliches Tun, das ja nach Kellmanns Auffassung gerade nicht als identifizierbares Rechtsobjekt zu qualifizieren ist 81 . Abgesehen von Ungereimtheiten und Unklarheiten bei der Identifizierbarkeit von Rechtsobjekten ist der vielleicht schwerwiegendste Einwand gegen diese Art der Abgrenzung des Schutzbereichs der Eingriffskondiktion, daß der Tatbestand des § 812 I 1, 2. Alt. B G B keinerlei Zusammenhang mit der Identifizierbarkeit von Rechtsobjekten aufweist. Darüber, daß § 812 I 1, 2. Alt. B G B wohl kaum Angriffe in nicht-identifizierbare Rechtsobjekte sanktionieren soll, dürfte leicht Einigkeit zu erzielen sein. Was aber - im Sinne des Bereicherungsrechts - fremde, identifizierbare Rechtsobjekte sein sollen, dar81

Kellmann,

Grundsätze der Gewinnhaftung, 114 f.

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Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

über dürfte weit weniger leicht Übereinstimmung herzustellen sein. Die Merkmale Fremdheit und Identifizierbarkeit von Rechtsobjekten eröffnen der Eingriffskondiktion ein zu weites Anwendungsgebiet, weil diese Kriterien zu unbestimmt sind. Als Kriterien zur Begrenzung des Tatbestands der Eingriffskondiktion sind sie daher nicht geeignet.

c) Objektiv rechtswidrige Verletzung einer individualschiitzenden Rechtsnorm unter Berücksichtigung der Dispositionsfreiheit des Verletzten (Haines) Einen anderen, engeren und zugleich der von ihm entschieden bekämpften Zuweisungsgehaltstheorie näherstehenden Ansatz zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion entwickelt Haines82. Auch er steht auf dem Boden der Rechtswidrigkeitstheorie und lehnt sowohl die Lehre von der Vermögensverschiebung wie auch die Zuweisungsgehaltstheorie ab. Die Relevanz der Rechtswidrigkeit i. S. v. Verhaltensunrecht erklärt Haines im Rahmen einer Analyse der am Bereicherungsanspruch beteiligten Interessen und der Stellungnahme der Rechtsordnung bezüglich dieser Belange83. Kennzeichnend für den Anspruch aus § 812 I 1, 2. Alt. B G B (Eingriffskondiktion) sei es, daß der Erwerb des Rechtsverletzers auf rechtswidrigem Verhalten des Verletzers selbst oder eines Dritten beruhe. Der Anspruch könne nicht auf eine ohne Rechtsgrund erfolgte Vermögensverschiebung gestützt werden, wenn die Vermögensvorteile, die der Verletzer erlangt hat, vorher niemals im Vermögen des Kondizienten vorhanden gewesen sind. Dennoch sei festzustellen, daß der Verbleib von Vorteilen beim Rechtsverletzer, die aufgrund rechtswidriger Handlungen erlangt worden seien, nicht schutzwürdig sei. Die Rechtsordnung habe die Handlung verboten; zugleich mit dem Verbot einer Handlung sei aber auch ein Unwerturteil über solche Vorteile ausgesprochen, die der Rechtsverletzer unter Verstoß gegen die Verbotsnorm erlangt habe. Wolle die Rechtsordnung das Verbot von bestimmten Verhaltensweisen nicht zur „leeren Deklamation" verkommen lassen, könne sie nicht umhin, auch die beim Rechtsverletzer eingetretenen positiven Folgen solcher Handlungen dadurch zu sanktionieren, daß sie eine möglichst vollständige Abschöpfung dieser Vorteile gewährleiste. Eine solche Abschöpfung sei auch eine wirksame Prävention gegen Versuche, sich durch rechtswidriges Verhalten Vermögensvorteile zu verschaffen84. Rechts82 Haines, Bereicherungsansprüche bei Warenzeichenverletzungen und unlauterem Wettbewerb, 49 ff. 83 Haines, a. a. O., untersucht die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion bei Verletzungen des Warenzeichenrechts (S. 89 ff.) und der Vorschriften des U W G (S. 93 ff.). Seine Ausführungen zur Tragfähigkeit des Topos der „individualschützenden Norm" für die Begründung des Bereicherungsanspruchs sind jedoch verallgemeinerungsfähig und gehen über die genannten Positionen hinaus. 84 Haines, Bereicherungsansprüche bei Warenzeichenverletzungen und unlauterem Wettbewerb, 49.

5 4 Rechtswidrigkeitstheorie

I

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widrig erlangte Vermögensvorteile seien ganz unabhängig davon nicht schutzwürdig, ob die Rechtsverletzung vom Handelnden schuldhaft begangen worden sei oder nicht. Begründet wird diese Auffassung mit der Erwägung, daß das Verschulden nicht „Tatbestandsvoraussetzung der Verletzungshandlung" 85 sei, sondern - jedenfalls in der Regel - Element der Haftung wegen Schadensersatzes. Erkenne man die rechtswidrige Handlung als das tragende Element des Anspruchs aus Eingriffskondiktion an, so ergäbe sich eine - auch hinsichtlich der Anspruchsbegrenzung - befriedigende Tatbestandsbildung: Bereicherungsschuldner könne nur sein, wer selbst rechtswidrig handele, Bereicherungsgläubiger, wer durch die rechtswidrige Handlung verletzt sei 86 . D e r Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion erstrecke sich nicht auf die rechtswidrige Verletzung vertraglich begründeter Rechtspositionen. In diesem Gebiet verwirkliche § 281 B G B Wertungen, die denen des Bereicherungsrechts funktional adäquat seien. Darüber hinaus habe § 812 I 1 , 2 . Alt. B G B aber bei der Verletzung vertraglicher Rechte keinen Platz: das Gefüge des Schuldverhältnisses sei zu wahren. Ein Vertragspartner könne nicht mehr Rechte beanspruchen (und ihre Verletzung rechtlich sanktionieren lassen), als ihm durch den Vertrag zustünden. Der Vertrag schaffe keine darüber hinausgehenden Interessensphären der Beteiligten, die gegenüber dem Vertragspartner durch dieselben allgemeinen Instrumente zu schützen seien wie absolute Rechte und Normen des objektiven Rechts gegen Verletzungen durch jedermann 87 . Deshalb erstrecke sich der Schutz der Eingriffskondiktion auf absolute subjektive Rechte und Normen des objektiven Rechts, nicht aber auf vertraglich begründete Rechtspositionen 8 8 . Aber auch im System der Eingriffsbereicherung reicht nach Auffassung Haines die bloße Widerrechtlichkeit des Handelns des Bereicherten zur Begründung des Anspruchs nicht aus. Im Hinblick auf die Eingriffskondiktion könne nur ein Verhalten tatbestandsmäßig sein, bei dem es um die Verletzung einer N o r m gehe, die gerade dem Individualschutz diene und nicht einer N o r m , die z . B . die Allgemeinheit schützen solle und bei der sich der Bezug zum Vermögen des Kondizienten lediglich als Reflex ergäbe 89 . Bei der Eingriffskondiktion gehe es um die Rückgängigmachung erlangter Vorteile, nicht um den Ausgleich erlittener Schäden. Daher sei nicht wie bei § 823 II B G B der Schutzzweck der verletzten N o r m für die Anwendbarkeit des Bereicherungsanspruchs maßgeblich, sondern der U m stand, daß die verletzte N o r m eine Individualbegünstigung bezwecke. Darunter will Haines Absicht und Wirkung einer N o r m verstehen, die ihren Adressaten bei der Mehrung des eigenen Vermögens die „beliebige Disposition" über einen bestimmten Gegenstandsbereich gewähre. Haines, a.a.O., 49. Haines, a. a. O., 50. 87 Haines, a. a. O., 50. 88 Haines, a. a. O., 50. 89 Haines, Bereicherungsansprüche bei Warenzeichenverletzungen und unlauterem Wettbewerb, 93 ff. 85 86

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der

Eingriffskondiktion

Es kommt damit für die Bestimmung der Grenzen des Bereicherungsanspruchs auf den Zweck der verletzten Norm an: Handelt es sich um eine individualschützende Norm, die verletzt wurde, so kann der durch die Rechtsverletzung erlangte Vermögensvorteil im Wege des Anspruchs aus Eingriffskondiktion abgeschöpft werden. Wie muß die Individualbegünstigung ausgestaltet sein, um als Grundlage des Bereicherungsanspruchs dienen zu können? Haines verdeutlicht den Zusammenhang zwischen Zweck der verletzten Norm und Vermögensinteressen des Kondizienten an den Beispielen von Warenzeichenrecht und unlauterem Wettbewerb. Kennzeichnend für die Individualbegünstigung ist danach, daß die Rechtsordnung dem Kondizienten einen exklusiven Raum zu eigenverantwortlicher Gestaltung zuweist und darüber hinaus auch die Verteidigung dieser Sphäre zu privatautonomer Verwirklichung allein in sein Belieben stellt. So behalte das Warenzeichenrecht seinem Inhaber exklusiv vor, seine Waren mit dem Zeichen im Rechtsverkehr zu kennzeichnen. Der Inhaber des Zeichens allein entscheidet über die Nutzung der Marke. Bei Markenverletzungen ist es allein seine Angelegenheit, gegen den Rechtsverletzer zum Schutze des Zeichens die nach dem Warenzeichengesetz, heute dem Markengesetz gegebenen Ansprüche geltend zu machen. Verzichtet der Inhaber darauf, Ansprüche auf Unterlassung, Beseitigung, Schadensersatz und Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung geltend zu machen, bliebe die Rechtsverletzung ohne Sanktion. Der Umstand, daß - in indirekter Weise - auch Dritte (z.B. Kunden des Warenzeicheninhabers) und die Allgemeinheit durch das Warenzeichenrecht in ihren Belangen geschützt werden, habe bei der Entscheidung über die Anwendbarkeit des Anspruchs aus Eingriffskondiktion außer Betracht zu bleiben. Die Wahrung dieser Interessen erfolge allenfalls reflexiv; ihre Träger würden durch das Warenzeichenrecht berechtigt und verpflichtet, nicht aber die Kunden des Warenzeichenberechtigten, die auf Herkunft der Waren aus dem Betrieb des Berechtigten vertraut haben, und auch nicht die Allgemeinheit. Das Anwendungsgebiet der Eingriffskondiktion beschränkt sich nicht auf die Verletzung absoluter subjektiver Rechte; auch objektiv-rechtlich abgesicherte Interessensphären sind nach Auffassung von Haines kondiktionsbewehrt, soweit nur die solche Sphären konstituierenden Rechtsnormen als individualbegünstigende zu qualifizieren seien. Diese Voraussetzungen erfüllt ein Teil der Vorschriften des UWG, sie liegen aber nicht für alle Bestimmungen dieses Gesetzes vor. Für eindeutig hält Haines die Individualbegünstigung bei den Normen des § 14 UWG (Anschwärzung), § 1 5 UWG (geschäftliche Verleumdung), § 16 (Schutz geschäftlicher Bezeichnungen), § 17 UWG (Verletzung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen), § 18 UWG (Vorlagenfreibeuterei) und § 20 UWG (Verleitung zum Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen) 90 . 90 Haines, Bereicherungsansprüche bei Warenzeichenverletzungen und unlauterem Wettbewerb, 93 ff.

§ 4 Rechtswidrigkeitstheorie

I

119

Daneben seien aber auch der Generalklausel des § 1 U W G gewisse individualschützende Normen zu entnehmen. Die im Rahmen des § 1 U W G von Lehre und Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen fielen teilweise in den Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion. Als individualschützend in diesem Sinne seien etwa die bezugnehmende Werbung, die sklavische Nachahmung fremder Produkte und das Ausspannen fremder Arbeitskräfte zu qualifizieren. Bei diesen Tatbeständen hänge die rechtliche Sanktion des Verstoßes gegen § 1 U W G davon ab, daß der Betroffene seine Rechte gegenüber dem Rechtsverletzer geltend mache. Eine Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion bei der Verletzung des § 1 U W G setze eine sorgfältige Untersuchung der unterschiedlichen, im Rahmen der Generalklausel entwickelten Fallgruppen daraufhin voraus, ob sie jeweils individualschützenden Charakter aufwiesen. Sei dies zu bejahen, greife die Eingriffskondiktion bei Rechtsverletzung ein. Neben den individualschützenden Bestimmungen weise das U W G allerdings auch eine Vielzahl von Normen auf, die entweder eine unbestimmte Vielzahl von Begünstigten oder die Allgemeinheit schützen sollen. Zur erstgenannten Kategorie von Normen gehörten etwa die Vorschriften der §§ 3 - 6 U W G über irreführende Werbung oder §§ 7 - 1 0 U W G über unerlaubte Ausverkäufe, die Konsumenten und Mitbewerber des Rechtsverletzers schützen sollen. Das Verbot der Ausnutzung der Spielleidenschaft und der reißerischen Werbung hingegen, das sich im Rahmen des § 1 U W G entwickelt hat, schütze die Allgemeinheit insgesamt. Haines lehnt die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion in diesen Fällen ab, weil es „inkonsequent" wäre, dem „belästigten Marktbeteiligten" einen Anspruch auf den Eingriffserwerb oder einen Teil davon zu gewähren 91 . Es sei praktisch in vielen Fällen kaum möglich, einen der individuellen Betroffenheit des einzelnen Kondizienten entsprechenden Verteilungsschlüssel zu finden, so daß jede mögliche konkrete Verteilung Elemente von Willkür enthalten würde. Der wesentliche Grund für die Ablehnung des Bereicherungsanspruchs aber liegt darin, daß bei der Verletzung von Normen, die eine unbestimmte Vielzahl von Personen oder die Allgemeinheit schützen, der einzelne Betroffene nicht über das Rechtsschutzmonopol zur Sanktionierung der Rechtsverletzung verfügt. Es ist dort nicht in das Belieben des betroffenen Einzelnen gestellt, ob er die rechtsverletzende Handlung billigt oder nicht. Die Eingriffskondiktion gründe sich nicht auf die rechtliche Dispositionsfähigkeit über vorgegebene Güter, denn solche Dispositionsmöglichkeiten würden durch alle Schutzgesetze des § 823 Abs. 2 B G B zugewiesen und geschützt. Kennzeichnend für die kondiktionsbewehrten Fälle sei vielmehr das Rechtsschutzmonopol, das dem einzelnen die Verfügung über den Rechtsschutz bei Verletzung „seines" Rechts exklusiv vorbehalte. Nur durch einen solchermaßen verfaßten Rechtsschutz 91

Haines, a.a.O., 100.

120

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

werde ein Gut zum Individualgut. D a nur bei solchen Gütern dem einzelnen die wirtschaftliche Nutzung exklusiv vorbehalten sei, beschränke sich der A n wendungsbereich der Eingriffskondiktion mit der Abschöpfung des Eingriffserwerbs auf Güter, die zugunsten ihres Inhabers mit einem Rechtsschutzmonopol ausgestattet seien.

d) Einige kritische Anmerkungen zur Anknüpfung der Eingriffskondiktion an den individualschützenden der verletzten Norm-

Charakter

Haines knüpft an die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Bereicherungsschuldners als dem tragenden Element der Eingriffskondiktion an; er muß sich daher auch diejenigen Einwendungen gegenhalten lassen, die gegen Verknüpfung von Widerrechtlichkeit des Verletzerhandelns und der Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion erhoben werden. Darüber hinaus ist aber auch die Verknüpfung der Eingriffskondiktion mit dem individualschützenden Charakter der verletzten N o r m , die von Haines entwickelt wird, nicht bedenkenfrei. Fragen wirft bereits die Annahme auf, daß Vorteile, die ein Rechtsverletzer aufgrund seines rechtswidrigen Verhaltens erwirbt, unabhängig von der Kenntnis der Unrechtmäßigkeit nicht schutzwürdig seien und an denjenigen überführt werden müssen, den die N o r m schützen will. So überzeugend diese Interessenwertung bei erstem Hinsehen auch klingen mag, so erhellt bereits ein Blick in das Gesetz, daß dieses die Interessenanalyse von Haines in vielen Fällen nicht mitvollzieht und sogar Regelungen vorsieht, die dieser Analyse widersprechen. N u r beispielhaft sei auf §§ 993, 932 und 955 B G B hingewiesen. Nach § 993 I B G B darf der unrechtmäßige, aber gutgläubige Besitzer die gezogenen Früchte der Sache behalten, die als Ertrag anzusehen sind. Gemäß § 932 I B G B erwirbt ein Gutgläubiger auch dann Eigentum an einer Sache, wenn der Verkäufer zur Verfügung über das Eigentum nicht berechtigt ist. Der gutgläubige Eigenbesitzer einer Sache erwirbt nach § 955 B G B das Eigentum an Erzeugnissen und sonstigen zu den Früchten gehörenden Bestandteilen, obwohl er nicht Eigentümer ist. Allen diesen Vorgängen liegen rechtswidrige Handlungen des Begünstigten zugrunde. Der unberechtigte Besitzer ist zur Nutzung einer Sache, die einem anderen gehört, nicht befugt. N u r der Eigentümer darf eine Sache gemäß § 903 B G B nutzen. Der unrechtmäßige Besitzer handelt daher rechtswidrig. Ebenso ist grundsätzlich nur der Eigentümer (oder ein von ihm wirksam bevollmächtigter Vertreter) zur Übertragung des Eigentums befugt. Dennoch erwirbt der Gutgläubige das Eigentum vom Nichtberechtigten. Der Vorgang der Veräußerung, d. h. die Einigung zwischen nichtberechtigtem Veräußerer und dem gutgläubigen Erwerber ist rechtswidrig, weil die Sache fremd ist. Ebenso darf der (nichtberechtigte) Eigenbesitzer die Sache nicht zur Gewinnung von Erzeugnissen und zur Ziehung von Früch-

5 4 Rechtswidrigkeitstheorie

I

121

ten nutzen. Dennoch gibt ihm § 955 B G B das Eigentum daran, wenn er glaubt, daß die Sache ihm gehört. Nach der Interessenwertung von Haines müßte in allen diesen Fällen der Eingriffserwerb kondiziert werden können, da rechtswidrige Handlungen zu diesem Erwerb geführt haben. Unstreitig findet beim Erwerb aufgrund der erwähnten Vorschriften, die dem Schutz des gutgläubigen Erwerbes dienen, die Eingriffskondiktion gegenüber dem gutgläubigen Erwerber keine Anwendung. Würde man hier einen Herausgabeanspruch auf der Grundlage der Eingriffskondiktion zulassen, so unterliefe man den Zweck des Gutglaubensschutzes und damit die vom Gesetz im Konflikt zwischen Eigentümer- und Erwerberinteresse getroffene Wertung. Die These, daß die Rechtsordnung generell den Erwerb aufgrund einer rechtswidrigen Handlung des Rechtsverletzers als nicht schutzwürdig ansieht und diesen Erwerb - gewissermaßen aus dem Sinn des Verbots heraus - abschöpfen muß, trifft nicht zu. Zu der Interessenanalyse, die Haines seiner Struktur des Anspruchs auf Eingriffsbereicherung zugrundelegt und die explizit von der Schutzunwürdigkeit des Eingreifers hinsichtlich des Behaltens des rechtswidrig Erlangten ausgeht, ist generell anzumerken, daß die völlige Negation des Interesses des rechtswidrig Handelnden unhaltbar ist und darüber hinaus im Gesetz keine Stütze findet. Wegen der Rechtswidrigkeit seines Handelns wird der Erwerb des Rechtsverletzers als nicht schutzwürdig deklariert92. Dabei soll es nicht auf seine Gutund Bösgläubigkeit ankommen. Der Rechtsverletzer handelt bei der Eingriffskondiktion, „idealtypisch" gesehen, ohne Kenntnis der Widerrechtlichkeit seines Tuns. Er geht seiner normalen wirtschaftlichen Erwerbstätigkeit nach, ohne mit dem Risiko zu rechnen, daß ihm die aus seiner Erwerbstätigkeit erlangten Vorteile nachträglich wieder abgenommen werden. Dieses Risiko kannte er nicht und er brauchte es auch nicht zu kennen93. Unter diesem Aspekt erscheint es viel zu weitgehend, wenn bei einem rechtswidrig Handelnden alle Vorteile, die ihm durch dieses Handeln zugeflossen sind, entzogen werden, soweit nur sein Verhalten eine den Kondizienten betreffende, individualschützende Norm verletzt hat, obwohl er die Verletzung dieser Norm ohne Verschulden nicht erkannt hat. Eine solch weitgehende Bereicherungshaftung hat nachteilige Auswirkungen auf das optimale wirtschaftliche Aktivitätsniveau. Wie oben bereits gezeigt, vollzieht auch das Gesetz einen sehr umfassenden Interessenschutz der Berechtigten gegenüber rechtswidrigen Eingriffen eines gutgläubigen Rechtsverletzers nicht mit. Hinzu kommt, daß das Kriterium, welches Haines zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion entwickelt hat, eine sachlich begründete Bestimmung der Reichweite der Eingriffskondiktion nicht leistet. Eine Rechtsnorm soll dann individualschützenden Charakter besitzen, wenn 92 Haines, Bereicherungsansprüche bei Warenzeichenverletzungen und unlauterem Wettbewerb, 53. 93 Vgl. Mestmäcker, Eingriffserwerb und Rechtsverletzung in der ungerechtfertigten Bereicherung , J Z 1958, 522.

122

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

es ins Belieben der durch diese Norm geschützten Person gestellt ist, den Schutz der Norm in Anspruch zu nehmen oder dies nicht zu tun, wenn also die Person das Rechtsschutzmonopol in Bezug auf das durch die Norm geschützte rechtliche Interesse innehat. Diese Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion wäre dann überzeugend, wenn als Funktion der Eingriffsbereicherung die Abschöpfung von Vermögensvorteilen dargetan werden könnte, die durch die Verletzung individualschützender Normen erlangt worden sind. Eine solche Funktion des Bereicherungsrechts läßt sich aber kaum begründen. Dies macht gerade das Beispiel des U W G deutlich. Insgesamt gilt aber, daß Haines - obwohl er von der Grundlage der Rechtswidrigkeit als tragendes Element der Eingriffskondiktion ausgeht - mit seiner Anknüpfung an die Individualschutzfunktion der verletzten Norm bereits nah an die von ihm scharf abgelehnte Zuweisungsgehaltstheorie heranrückt. Jedoch führt der Bezug auf die individualschützende Funktion der verletzten Norm noch zu einem zu weiten Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion.

4. Gegenstand und Umfang des Bereicberungsansprucbs nach der Rechtswidrigkeitstheorie a) Grundsatz:

Gewinnherausgabe

Die vorangehenden Ausführungen machen deutlich, daß diejenigen Autoren, die die Widerrechtlichkeit des Verhaltens des Rechtsverletzers in das Zentrum des Anspruchs aus Eingriffskondiktion stellen, tendenziell zu einer im Vergleich zu der Lehre von der Vermögensverschiebung erheblich erweiterten Reichweite der Eingriffsbereicherung gelangen. Im Rahmen der unterschiedlichen Varianten der Rechtswidrigkeitslehre besteht weitgehende Einigkeit über Gegenstand und Umfang des Anspruchs aus Eingriffsbereicherung: der Anspruch richtet sich auf den Eingriffserwerb. Darunter sind die Vermögensvorteile zu verstehen, die der Rechtsverletzer in Folge der widerrechtlichen Handlung erlangt hat94. Zwischen der Handlung des Bereicherten und dem Erwerb muß Kausalität bestehen. Die Funktion des Bereicherungsanspruchs nach der Rechtswidrigkeitstheorie ist es, die Lage herzustellen, die bestehen würde, wenn der rechtswidrige Eingriff nicht stattgefunden hätte95. Herauszugeben ist der „Gewinn" des Eingreifers dann und insoweit, als er kausal auf die Handlung des Rechtsverletzers zurückzuführen ist. Hätte sich ein Vermögensvorteil in gleicher Höhe für den Rechtsverletzer auch erwerben 94 Siehe dazu Schulz, System der Rechte auf den Eingriffserwerb, AcP 105 (1909), 428f.; Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung, 123; Haines, Bereicherungsansprüche bei Warenzeichenverletzungen und unlauterem Wettbewerb, 127. 95 Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung, 123; Schulz, System der Rechte auf den Eingriffserwerb, AcP 105 (1909), 445.

§ 4 Rechtswidrigkeitstheorie

I

123

lassen, ohne das Recht zu verletzen, so ist die rechtswidrige Handlung für die Erlangung des Vermögensvorteils nicht kausal geworden. Sie kann nämlich hinweggedacht werden, ohne daß der Handlungserfolg, nämlich der Erwerb des Vermögensvorteils, entfiele.

b) Einzelfragen

des

Herausgabeanspruchs

Wenn auch die Vertreter der Rechtswidrigkeitstheorie darin übereinstimmen, daß Gegenstand des Bereicherungsanspruchs der Eingriffserwerb ist, d. h. der Gewinn nach Abzug der Kosten, den der Rechtsverletzer infolge seiner rechtswidrigen Handlung erzielt hat, so bestehen doch in Einzelfragen und Nuancen durchaus Meinungsunterschiede. Beispielhaft sei nur auf die Frage der Verteilung von Gewinnanteilen bei Mitursächlichkeit hingewiesen. In der Regel läßt sich für den wirtschaftlichen Erfolg von Handlungen des Bereicherten mehr als eine Ursache feststellen. So kann der Rechtsverletzer neben dem Patent des Kondizienten ein eigenes Patent oder das eines Dritten benutzt haben. Dann erhebt sich die Frage, in welcher Weise - wenn überhaupt - der Gewinn auf die einzelnen Beiträge zu verteilen ist. Die Anhänger der Rechtswidrigkeitstheorie geben darauf unterschiedliche Anworten. Schulz96 lehnt eine Verteilung nach Beitrags werten ab. Für eine Verteilung nach Beitragswerten plädiert hingegen Jakobs97. Auch Haines lehnt eine Verteilung nach Beitragswerten wegen theoretischer und praktischer Probleme der Zurechnung eines wirtschaftlichen Erfolges zu einzelnen Faktoren ab98. Auf die Probleme des Anspruchsinhalts wird unten noch näher einzugehen sein.

96 Schulz, System der Rechte auf den Eingriffserwerb, 110: „Man kann allgemein sagen, es ist unmöglich, den Ertrag auf die Ertragsfaktoren ursächlich zurückzuführen und zu verteilen. In der nationalökonomischen Theorie wird freilich immer noch das Gegenteil behauptet, ein letztes Ueberbleibsel der alten Lehre, daß die Produktionskosten den Wert und den Preis des Produktes bestimmen, denn dann lag es ja nahe, den erzielten Preis wieder rückwärts auf die Produktionsfaktoren zurückführen zu wollen. Doch diese ganze Proportionalitäts- oder Zurechnungsidee ist unhaltbar, sie ist ökonomisch unhaltbar, weil sie die Wertschätzungen der Konsumenten als eine Ursache des wirtschaftlichen Ertrages zu wenig beachtet. Sie ist aber auch juristisch undurchführbar ...". Den Grund dafür sieht Schulz in Problemen der Beitragsverteilung mit dem Kausalitätsprinzip. Gegenteilig äußert sich Wilburg. Dieser erkennt zwar an, daß aus dem Erfordernis der Kausalität keine Anhaltspunkte für eine Verteilung der entstandenen Vermögenswerte nach Beitragsanteilen auf Kondizient und Bereicherungsschuldner zu entnehmen seien. Es handle sich jedoch nicht um ein Kausalitätsproblem, sondern um eine wirtschaftliche Zurechnung nach den Grundsätzen des praktischen Lebens, siehe "Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 131. 97 Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung, 123 ff. 98 Haines, Bereicherungsansprüche bei Warenzeichenverletzungen und unlauterem Wettbewerb, 125 f.

124

Kapitel I: Dogmatische

III.

Kritik der

Grundlagen der

Eingriffskondiktion

Rechtswidrigkeitslehre

Bereits bei der Darstellung der einzelnen Varianten der Rechtswidrigkeitslehren sind einige der bedenklichen Aspekte dieses Ansatzes zur Bestimmung der Reichweite der Eingriffskondiktion hervorgehoben worden. Zusammenfassend sollen im Folgenden noch einmal die Gründe dargelegt werden, wegen denen die Rechtswidrigkeit des Verletzerhandelns als tragendes Element des Anspruchs auf die Herausgabe der Eingriffsbereicherung ungeeignet ist.

1. Keine gesetzliche Grundlage für den Satz: Niemand darf aus Unrecht erlangten Gewinn behalten Das beherrschende Axiom der Rechtswidrigkeitslehre ist der Satz, daß niemand durch Unrecht einen Gewinn ziehen und diesen behalten dürfe. Vielmehr verlange es die innere Stimmigkeit der Rechtsordnung, Gewinne aus widerrechtlichen Handlungen beim Rechtsverletzer abzuschöpfen. Wenn die Rechtsordnung eine Handlung mit dem Werturteil „widerrechtlich" versehen habe, sei es nur konsequent, wenn nicht nur die negativen Folgen der Handlung im Vermögen des Verletzten durch Schadensersatzansprüche beseitigt, sondern auch die positiven Wirkungen im Vermögen des Rechtsverletzers abgeschöpft würden. Unterbleibe dies, bestehe die Gefahr, daß das Urteil der Rechtswidrigkeit zur bloßen Deklamation" verkomme. Der Satz, daß keiner einen rechtswidrig erlangten Vermögensvorteil behalten dürfe, findet jedoch in dieser weitgehenden Form im Gesetz keine Grundlage. Die Beispiele der §§ 955, 993 B G B zeigen, daß - etwa aus Gründen des Schutzes des gutgläubigen Erwerbs - sehr wohl Vermögensvorteile, die der Erwerber rechtswidrig erlangt hat, weil er nicht Eigentümer der Sache geworden ist (§ 955 B G B ) bzw. als gutgläubiger Besitzer Nutzungen aus der Sache gezogen hat (§ 993 BGB), vom Rechtsinhaber nicht herausverlangt werden können. Gegenüber dem Eigentümer sind die Handlungen des Besitzers in diesen Fällen rechtswidrig, da nur er die Sache nutzen darf. Diese Beispiele zeigen bereits, daß nicht alle aufgrund rechtswidriger Handlungen erlangten Vorteile im Wege der ungerechtfertigten Bereicherung herauszugeben sind.

2. Rechtsgrundlosigkeit und Rechtswidrigkeit in 1 812 11, 2. Alt. BGB Die Rechtswidrigkeitslehren ersetzen im Tatbestand des § 812 I 1, 2. Alt. B G B das Element der Rechtsgrundlosigkeit durch die Voraussetzung der Rechtswidrigkeit. 99

Haines, a.a.O., 49.

§ 4 Rechtswidrigkeitstheorie

I

125

Das Tatbestandselement der Rechtswidrigkeit gewährleistet keine angemessene Abwägung der Belange des Handelnden einerseits und der Interessen des Verletzten andererseits. Macht man die Rechtswidrigkeit zur Grundlage des Bereicherungsanspruchs, führt dies zu einer verschuldensunabhängigen Haftung für jeden Eingriff in jegliche durch eine Rechtsnorm geschützte Rechtsposition des Verletzten. Dabei wird nicht berücksichtigt, daß es zwischen absolut zugewiesenen subjektiven Vermögensrechten, die dem Berechtigten zur alleinigen vermögensmäßigen Nutzung zur Verfügung stehen, und dem Bereich der gleichen Handlungsfreiheit aller Rechtssubjekte noch einen Bereich gibt, in dem Vermögensinteressen der Berechtigten durch Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche geschützt werden, ihre Verletzung aber keinen A n spruch aus Eingriffsbereicherung auslöst, weil die in Frage stehenden Vermögensinteressen keinen exklusiv dem Berechtigten vorbehaltenen Handlungsbereich markieren 1 0 0 . Tendenziell weisen die Rechtswidrigkeitstheorien daher für die Eingriffskondiktion einen zu weiten Anwendungsbereich auf. Daran ändern auch die Bemühungen nichts, die Reichweite des Anspruchs (z.B. über eine Beschränkung auf Eingriffe in fremde Rechte oder in individualschützende Normen) zu begrenzen.

3. Rechtswidrigkeit

und

Vermögenszuordnung

Die Rechtswidrigkeit stellt ein Werturteil der Rechtsordnung über ein menschliches Verhalten dar, das an den Normen der Rechtsordnung gemessen wird. Die Gründe, aus denen ein Verhalten als rechtswidrig qualifiziert und damit verboten wird, sind ganz unterschiedlicher Natur. Eine Verbotsnorm kann ergangen sein, um absolute subjektive Rechte zu schützen. Ein Verhalten kann aber auch verboten sein, weil es die Chancengleichheit im Wettbewerbsprozeß, die allgemeine Handlungsfreiheit und die Erwerbsfreiheit anderer verletzt. Bei solchen Schutzpositionen handelt es sich nicht um absolute subjektive Rechte, sondern um einen „Graubereich" vermögensrechtlich in bestimmter Hinsicht abgesicherter Interessen 101 . Die Verletzung solcher Interessen kann keinen Anspruch aus Eingriffskondiktion auslösen, weil solche Schutznormen nicht die Funktion haben, dem Verletzten eine exklusive Nutzungsberechtigung in Bezug auf ein bestimmtes Rechtsobjekt zu gewährleisten. Das Kriterium der Rechtswidrigkeit ist nicht geeignet, die Umverteilung der beim Bereicherungsschuldner entstandenen Bereicherung zum Kondizienten zu legitimieren. Eine solche Legitimationsfunktion könnte die Rechtswidrigkeit nur dann erfüllen, wenn das Konzept der Widerrechtlichkeit eine Beziehung zwischen der durch die Handlung verletzten N o r m und dem Vermögen des Kondizienten markierte, aus der sich ergäbe, daß die Bereicherung dem Kondizienten und nicht dem 100 101

246 f.

Vgl. Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 246 f. Siehe dazu unten § 27 III; vgl. auch Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung,

126

Kapitel I: Dogmatische Grundlagen der

Eingriffskondiktion

Eingreifer zusteht. Dies jedoch setzt voraus, daß der Gegenstand und die Nutzung des verletzten Rechts dem Kondizienten allein zugeordnet ist. Das Kriterium der Rechtswidrigkeit ist auf diese „Vermögenszuordnung" nicht zugeschnitten, weil die von Verbotsnormen geschützten Zwecke weit über den Bereich hinausgehen, in denen sich mit Sicherheit eine Zuweisung zugunsten des Bereicherungsgläubigers anhand der gesetzlichen Regelungen feststellen läßt. Die Gleichsetzung von Rechtswidrigkeit und Rechtsgrundlosigkeit führt im Ergebnis zu einem viel zu weitgehenden Bereicherungsschutz, der sich auch auf solche bloß von Verbotsnormen abgedeckten Bereiche erstreckt, in denen von einer Vermögenszuordnung zugunsten des Kondizienten nicht gesprochen werden kann.

4. Eingriffe durch rechtmäßige

Handlungen

Das Abstellen auf die Rechtswidrigkeit als tragendes Element der Eingriffskondiktion impliziert, daß ein Anspruch aus § 812 I 1, 2. Alt. BGB immer und nur dann gegeben ist, wenn jemand aufgrund einer rechtswidrigen Handlung, die einen Eingriff in den den Kondizienten schützenden Normenbestand darstellt, bereichert worden ist. In bestimmten Fällen ist eine Eingriffskondiktion jedoch auch dann anwendbar, wenn die Bereicherung nicht auf einer rechtswidrigen Handlung beruht. So greift der Anspruch aus § 812 I 1, 2. Alt. BGB z.B. dann ein, wenn die Bereicherung durch ein Naturereignis (z.B. durch Anschwemmung von Land) verursacht worden ist. Allerdings muß man nicht zu dem eher lebensfremden, nur in Lehrbüchern zitierten Beispiel der Alluvion greifen, um ein Beispiel für eine Nichtleistungskondiktion aufgrund rechtmäßigen Handelns darzustellen. Nicht jeder Eigentumsübergang nach §§ 946ff. BGB wegen Verbindung, Vermischung und Verarbeitung beruht auf einer rechtswidrigen Handlung. Ein Bereicherungsanspruch aus § 81211,2. Alt. BGB ist weiterhin auch dann gegeben, wenn im Zwangsvollstreckungsverfahren eine schuldnerfremde Sache beschlagnahmt und veräußert wird. Der Gerichtsvollzieher, der die Sache versteigert, handelt nicht rechtswidrig. Ein weiteres Beispiel für rechtmäßige Eingriffe in das Eigentum bildet § 904 BGB. Danach darf der Eigentümer eine Einwirkung auf seine Sache durch einen anderen nicht verbieten, wenn dieser andere zum Zweck der Gefahrenabwehr handelt. Erlangt der Eingreifer durch seinen Eingriff einen Vermögensvorteil, so bildet § 904 BGB keinen (gesetzlichen) Rechtsgrund für ein dauerhaftes Behalten dieses Vorteils. Die Vorschrift eröffnet lediglich die Einwirkungsmöglichkeit zu Zwecken der Gefahrenabwehr; sie hat nicht die Aufgabe, Vermögenswerte Vorteile zwischen den Beteiligten zu verteilen. Daher hat der Eingreifer solche Vorteile gemäß § 812 11,2. Alt. BGB an den Berechtigten herauszugeben. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß er rechtmäßig gehandelt hat102. 102

Siehe etwa Koppensteiner/Kramer,

Ungerechtfertigte Bereicherung, 73; Reeb, Grund-

§4 Rechtswidrigkeitstheorie

I

127

Auch die Vertreter der Rechtswidrigkeitslehre haben durchaus erkannt, daß es „kondiktionswürdige" Sachverhalte geben kann, bei denen kein rechtswidriges Verhalten des Bereicherten vorliegt. So spricht Schulz etwa davon, daß die Rechtswidrigkeit nicht unbedingt Voraussetzung des Anspruchs auf Herausgabe des Eingriffserwerbs sei; allerdings liege in den weitaus meisten Fällen rechtswidriges Handeln dem Eingriffserwerb zugrunde 103 . Als empirische Beobachtung trifft dies sicher zu. Fraglich ist allerdings, ob es dennoch zutreffend ist, die Rechtswidrigkeit des Handelns zur Grundlage des Bereicherungsanspruchs zu machen, wenn erkennbar Fallkonstellationen gegeben sind, bei denen der Eingriff nicht als rechtswidrig zu beurteilen ist und bei denen die Rechtswidrigkeitstheorie - streng genommen - die Eingriffskondiktion nicht begründen kann. Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß die Rechtswidrigkeitslehren keine widerspruchsfreien und generalisierbaren Kriterien für Inhalt und Grenzen des Anspruchs aus Eingriffsbereicherung entwickelt haben.

Probleme des Bereicherungsrechts, 34; Riimker, Das Tatbestandsmerkmal „ohne rechtlichen Grund" im Bereich der Eingriffskondiktion, 34 f. 103 Schulz, System der Rechte auf den Eingriffserwerb, AcP 105 (1909), 431.

§ 5 Rechtswidrigkeitstheorie II: Die Beseitigung rechtsgrundlosen Habens und seiner Folgen - Der Bereicherungsanspruch als Quasi-Negatoria Eine andere theoretische Grundlegung des Anspruchs wegen Eingriffsbereicherung, die von Wilhelm entwickelt worden ist, sieht die Aufgabe der Eingriffskondiktion in der Beseitigung des rechtswidrigen Habens. Auch diese Auffassung stellt auf die Rechtswidrigkeit des Erwerbs ab; deshalb ist sie unter den dogmatischen Ansätzen des Bereicherungsrechts den Rechtswidrigkeitslehren zuzurechnen. Allerdings unterscheidet sich dieser Ansatz in Begründung und dogmatischer Ausformung des Bereicherungsanspruchs so erheblich von den zuvor dargestellten Rechtswidrigkeitslehren, daß eine gesonderte Behandlung gerechtfertigt erscheint.

I. Ausgangspunkt: Die Reformulierung des Savignyschen Ansatzes der ungerechtfertigten Bereicherung und die Überwindung des Dogmas von der Vermögensverschiebung Wilhelm, grenzt seine Lehre sowohl von der traditionellen Vermögensverschiebungslehre wie auch von der Rechtswidrigkeitstheorie, wie sie insbesondere von Jakobs vertreten wird, ab. Zur Gewinnung eines dogmatischen Ausgangspunktes geht er hinter die Vorstellungen zurück, die den legislatorischen Vorarbeiten zu den §§ 812 ff. B G B zugrundelagen und bezieht sich unmittelbar auf den Begründer des modernen Bereicherungsrechts, C.F. v. Savigny. Die traditionelle Vermögensverschiebungslehre hatte aus dem Diktum v. Savignys, daß „Dasjenige, welches dem Anderen zur Bereicherung diente, vorher schon wirklich einmal zum Vermögen Dessen gehört habe, welcher darauf eine Condiction gründen will" 1 , den Schluß gezogen, daß der Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung eine gegenständliche Vermögensverschiebung voraussetze. Allerdings wurde bereits während der Vorarbeiten zum B G B deutlich, daß das Erfordernis der Vermögensverschiebung - wenn es denn konsequent angewandt würde - zu einem viel zu engen Anwendungsbereich insbesondere der 1

v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts V, Beylage XIV, 526 f.

§ 5 Rechtswidrigkeitstheorie

II

129

Nichtleistungskondiktion führen würde. Vor allem - wie auch Wilhelm erkennt - waren die Fälle unbefugten Gebrauchs von Sachen nicht über das Erfordernis einer Vermögensverschiebung zu lösen2. Wilhelm wendet sich nun gegen das Verständnis der Ausführungen v. Savignys durch die traditionelle Vermögensverschiebungslehre, das nämlich ein Bereicherungsanspruch nur dann gegeben sei, wenn eine gegenständliche Vermögensverschiebung stattgefunden habe. Er plädiert dafür, v. Savigny beim Wort zu nehmen3. Nicht das durch den bereichernden Vorgang auf Seiten des Bereicherten Erlangte müsse sich zuvor schon einmal im Vermögen des Kondizienten befunden haben. Vielmehr sei nur erforderlich, daß das, „was dem Anderen zur Bereicherung diente, vorher wirklich schon einmal zum Vermögen Dessen gehört habe, welcher darauf eine Condiction gründen will" 4 . Damit sei - so Wilhelm - keineswegs eine gegenständliche Entsprechung von Entreicherung beim Kondizienten und Bereicherung beim Bereicherungsschuldner gemeint gewesen; v. Savigny habe damit lediglich ausdrücken wollen, daß der Bereicherungsschuldner sich mit Rechtsgütern aus dem Vermögen des Kondizienten bereichert habe, daß ihm diese Rechtsgüter „zur Bereicherung dienten" 5 . Erweitert man den Wirkungsbereich der Kondiktionen auf diese Weise, so wird deutlich, daß der Fall der rechtsgrundlos erfolgten Vermögensverschiebung nur einen, wenn auch sehr wichtigen Anwendungsfall der ungerechtfertigten Bereicherung darstellt, daß sich darin aber nicht das Grundprinzip dieser Anspruchskategorie ausdrückt. Dieses Grundprinzip der Kondiktionen bestehe in der Rückführung desjenigen, das aus dem Vermögen des Kondizienten rechtsgrundlos entnommen wurde und zwar ohne daß es darauf ankomme, ob der Bereicherungsschuldner dem Kondizienten das Objekt seines Rechts vorenthält, oder ob das Erlangte mit Hilfe der Nutzung von Gegenständen und Rechten des fremden Vermögens erlangt ist. Es sei dabei nicht erforderlich, daß sich das Erlangte bereits vorher gegenständlich im Vermögen des Kondizienten befunden habe6. Im System v. Savignys trete die Kondiktion als Rechtsverletzungsanspruch in Erscheinung. In Abgrenzung zu Vindikation und zu anderen vertraglichen und außervertraglichen Ansprüchen gehe es bei der Kondiktion um die Rückforderung dessen, was unter Nutzung von Vermögensgegenständen des Kondizienten erlangt worden ist. Dabei sei eben nicht - wie bei der Vindikation Voraussetzung, daß die Gegenstände noch zum Vermögen des Kondizienten gehörten. Auf der anderen Seite könnten Ansprüche auf Miet- und Darlehenszinsen oder aus Delikt nicht Gegenstand von Kondiktionsklagen sein, weil sie „etwas ganz neues" darstellten7. Aus der Sicht Wilhelms stellt die Vermögens2 3 4 5 6 7

Wilhelm, Wilhelm, Wilhelm, Wilhelm, Wilhelm, Wilhelm,

Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, 26. Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, 32. a.a.O., 32. a.a.O., 32. a.a.O., 35. a. a. O., 35 mit Hinweis auf v. Savigny.

130

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

Verschiebung als Voraussetzung der Eingriffskondiktion - jedenfalls soweit zu ihrer Begründung die Lehre v. Savignys herangezogen wird - ein Mißverständnis dar, welches sich in der Dogmatik der Eingriffskondiktion sehr nachteilig ausgewirkt hat und das es zu korrigieren gilt.

II. Die Rechtswidrigkeit des Habens (= des durch den Bereicherungsvorgang eingetretenen Zustands) als tragendes Element des Bereicherungstatbestandes Erkennt man - wie Wilhelm bei seiner Interpretation des Textes von Savigny - nicht eine gegenständliche Vermögensverschiebung, sondern die Rechtsverletzung als den tragenden Grund der Kondiktion (der auch dann Geltung beansprucht, wenn eine Vermögensverschiebung vorliegt), so erscheint es zwingend, in der Rechtswidrigkeit des Handelns des Rechtsverletzers die Grundlage des Anspruchs auf Herausgabe des Eingriffserwerbes zu sehen. Wilhelm müßte dann an dogmatischen Vorarbeiten von Schulz und insbesondere Jakobs anknüpfen.

1. Die Ablehnung der Rechtswidrigkeitstheorie in der Version von Schulz und Jakobs Die Abschöpfung des Eingriffserwerbs beim Bereicherten zugunsten des Kondizienten rechtfertigen Schulz und Jakobs mit der Rechtswidrigkeit des Handelns des Rechtsverletzers 8 . Dahinter steht das Axiom, daß es die Rechtsordnung nicht hinnehmen könne, wenn jemand einen Erwerb, den er durch unrechtmäßige Handlung erzielt habe, behalten dürfe. Dies gelte auch dann, wenn durch die Handlung ein anderer nicht zu Schaden gekommen sei9. Im Unterschied zur Rechtswidrigkeitstheorie, wie sie von Schulz und Jakobs entwickelt worden ist, stellt Wilhelm klar, daß nicht in sämtlichen „bereicherungswürdigen" Fallkonstellationen ein rechtswidriger Eingriff vorliege. Es mag in seltenen Ausnahmefällen an einer menschlichen Handlung überhaupt fehlen 10 . Auch zwinge die Konzentration des Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung auf die Rechtswidrigkeit des Handelns Schulz dazu, im Bereich der Leistungskondiktion mit merkwürdigen und lebensfremden Konstruktionen zu arbeiten. Um die Leistungskondiktion mit den Kategorien der Rechtswidrigkeit erfassen zu können, müsse er die Annahme oder die VorentSiehe dazu oben § 4. Z.B. Schulz, System der Rechte auf den Eingriffserwerb, AcP 105 (1909), 443 ff .-Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung, 55; Haines, Bereicherungsansprüche bei Warenzeichenverletzungen und unlauterem Wettbewerb, 49 ff. 10 Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, 81 f. 8 9

§ 5 Rechtswidrigkeitstheorie

II

131

haltung der geleisteten Sache durch den Bereicherungsschuldner als diejenige rechtswidrige Handlung ansehen, die den Bereicherungsanspruch begründet. Auf diese Weise verbaue das Abstellen auf die Rechtswidrigkeit des Verletzerhandelns den Weg zur Erkenntnis der Widerrechtlichkeit des Habens als gemeinsamer Grundlage von Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen. Diese Konsequenz werde deutlich an der Lehre von Jakobs. Weil eine Begründung der Leistungskondiktion durch die Rechtswidrigkeit des Handelns nicht möglich sei, komme es zu einer vollständigen Trennung der dogmatischen Grundlagen von Leistungs- und Eingriffskondiktion. Für die Eingriffskondiktion hält Jakobs am widerrechtlichen Verhalten des Rechtsverletzers als Anspruchsvoraussetzung fest; dies soll für die Leistungsbereicherung nicht gelten. Damit wird die Einheitlichkeit des Bereicherungsanspruchs aufgegeben. Wilhelm ist zu diesem Opfer nicht bereit; er hält es unter dogmatischen Gesichtspunkten auch nicht für erforderlich, da es aus seiner Sicht möglich ist, eine sachlich befriedigende Abgrenzung der Eingriffskondiktion zu entwickeln, ohne die Einheit des Bereicherungsanspruchs, bestehend aus Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen aufzugeben.

2. Die Kritik

an der

Zuweisungsgehaltstheorie

Wilhelm grenzt sich aber auch von der sogenannten Zuweisungsgehaltstheorie ab, der er kritisch entgegenhält, die Lehre v. Savignys mißzuverstehen. Den Vorwurf dieser Lehre, v. Savigny sei „der suggestiven Macht der Leistungskondiktionen" 11 erlegen, indem er das Erfordernis der Causa auch zur Grundlage aller anderen Kondiktionen gemacht habe, sieht er als unberechtigt an. Das savignysche Modell der einheitlichen Begründung aller Bereicherungsansprüche werde von Wilburg in sein Gegenteil verkehrt: die Nichtleistungskondiktionen würden auf eine dogmatisch vollständig unabhängige, von der Leistungskondiktion mit ihrem Causa-Erfordernis getrennte Grundlage gestellt. Dies sei das Konzept der Lehre von der Rechtsfortwirkung, über das sich das verletzte oder entzogene Recht in Gestalt des Bereicherungsanspruchs verwirkliche12. Auch für v. Savigny seien die Kondiktionen Rechtsfortwirkungsansprüche im Sinne Wilburgs gewesen. Ebenso wie bei Wilburg beruhe die Kondiktion auf dem Gedanken der Fortwirkung subjektiver Rechte und damit auf dem Prinzip der Rechtsverletzung. Das Vermögen i.S.v. v. Savigny konstituiere sich eben durch subjektive Rechte. Im Bereich des Eigentumsschutzes sei es v. Savigny und Wilburg gemeinsam, daß die Kondiktion an Stelle der verlorengegangenen Vindikation trete.

11 12

Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 15. Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, 21.

132

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

3. Rechtsverletzung (= Widerrechtlichkeit) durch den Widerspruch des Habens des Bereicherungsschuldners zum Recht des Bereicherungsgläubigers Um die Schwächen der anderen Auffassungen zu überwinden, sieht sich die Theorie Wilhelms vor zwei Aufgaben gestellt: Einerseits muß ein Kriterium zur sachgemäßen Abgrenzung der Eingriffskondiktion entwickelt werden, welches die Einheit der Bereicherungsansprüche unangetastet läßt. Andererseits sollte dieses Kriterium so beschaffen sein, daß die Schwächen und Ungereimtheiten, die durch die Anknüpfung an das rechtswidrige Verhalten des Bereicherungsschuldners als Grundelemente des Bereicherungsanspruchs hervorgerufen werden, vermieden werden. Dieses Kriterium findet Wilhelm im Widerspruch des Habens des Bereicherungsschuldners zum Recht des Kondizienten. Ausdrücklich lehnt er die Auffassung von Schulz ab, es sei „ein schwerer Irrtum, Zustände, Rechte, überhaupt Erfolge von Handlungen als rechtmäßig oder rechtswidrig zu bezeichnen. Es gibt kein rechtswidriges Eigentum, es gibt nur rechtswidrige Handlungen" 13 . Wilhelm formuliert sein eigenes Konzept der Widerrechtlichkeit für den Gesamtbereich der ungerechtfertigten Bereicherung wiederum unter Rückgriff auf v. Savigny. Dieser habe seinen Widerrechtlichkeitsbegriff gerade zum Schutz der im subjektiven Recht liegenden Vermögenszuordnung entwickelt, die durch die Rechtsordnung geschützt werden muß. Widerrechtlich ist demnach die Ausübung einer Sach- oder Vermögensherrschaft in Widerspruch zum Recht des Kondizienten. Die Aufrechterhaltung der im Recht des Kondizienten liegenden dinglichen und vermögensmäßigen Zuordnung erzwinge bei Verletzung des Rechts die Rückführung auf „das wahre Rechtsgebiet" 14 . Die Funktion des Bereicherungsanspruchs besteht für Wilhelm in der Beseitigung rechtswidrigen, d.h. unter Verletzung fremden Rechts zustandegekommenen Habens. Damit schafft er einen engen inneren Zusammenhang von Eigentums- und Bereicherungsansprüchen. Die Kondiktion wird auf diese Weise zu einer Art von „Quasi-Negatoria" 15 . Er dient dazu, die Vermögensvorteile, die durch Verletzung fremden Rechts zustandegekommen sind und deren Innehabung deshalb rechtswidrig ist, zu beseitigen und den Zustand Schulz, System der Rechte auf den Eingriffserwerb, AcP 105 (1909), 438. v. Savigny, Obligationenrecht II, 293 f. 15 Der Begriff der „Quasi-Negatoria" wird hier in einem untechnischen Sinne gebraucht. Gemeint ist nicht die analoge Anwendung des § 1004 B G B auf die Beeinträchtigung auf andere absolute subjektive Rechte als das Eigentum, sondern die Funktion des Bereicherungsanspruchs als eines Anspruchs, der der Beseitigung (=Rückführung zum Berechtigten) rechtswidrig erlangter Vermögensvorteile dient. Als „quasi-negatorisch" wird dieser Anspruch hier deshalb bezeichnet, weil es zwar nicht um die Beseitigung faktischer Störungen des Rechts geht, aber doch um die Rückführung der vermögensmäßigen Vorteile des Bereicherungsschuldners zum Kondizienten, die er durch eine unbefugte Inanspruchnahme des fremden Rechts erlangt hat. 13 14

§ 5 Rechtswidrigkeitstkeorie

II

133

herzustellen, der der vermögensmäßigen Zuordnung des verletzten Rechts entspricht. Wilhelm selbst führt dazu aus: „...; allgemeine Grundlage des Bereicherungsanspruchs ist die widerrechtliche Vermögensherrschaft des Schuldners, und in Hinsicht auf das Erfordernis der widerrechtlichen Vermögensherrschaft, daß also der Schuldner etwas in seinem Vermögen hat, was nach unserer auf Rechten und Rechtspositionen aufbauenden Vermögensordnung dem Gläubiger nach seinem Recht oder seiner Rechtsposition gebührt, ist die Bedeutung der widerrechtlichen Handlung im Tatbestand der Eingriffskondiktion richtig zu stellen" 16 .

Demnach ist ein Bereicherungsanspruch begründet, wenn sich etwas im Vermögen des Schuldners befindet, das nach der vermögensrechtlichen Zuordnung dem Gläubiger gebührt. Sieht man - wie es Wilhelm ausweislich der angeführten Textstelle tut - die Grundlage des Bereicherungsanspruchs in der Rückgängigmachung von Vermögensvorteilen, die entsprechend der rechtlichen Güterzuordnung dem Gläubiger gebühren, so läge es nahe, zur Abgrenzung des Tatbestandes der Eingriffskondiktion die angesprochenen „Rechte und Rechtspositionen" näher zu bestimmen. Diesen methodischen Weg wählt Wilhelm aber nicht; vielmehr versucht er, eine Abgrenzung des Tatbestands der Eingriffskondiktion (und - da er eine einheitliche Begründung des Bereicherungsanspruchs verficht - auch der Leistungskondiktion) über das Konzept der Rechtswidrigkeit zu entwickeln.

III. Der stufenweise Auß>au des Bereicherungsanspruchs auf der Grundlage des rechtswidrigen Habens des Schuldners Das rechtswidrige Haben des Bereicherungsschuldners bezieht sich auf Vermögensvorteile, die nach der rechtlichen Vermögenszuordnung dem Gläubiger zugewiesen sind und die daher im Wege des Bereicherungsanspruchs in dessen Vermögen überführt werden müssen. Ausgehend von der Erkennbarkeit der Zugehörigkeit eines Gegenstandes zum Vermögen einer Person und von den verschiedenartigen Anforderungen, die an das Behaltendürfen des Erwerbs gestellt werden, baut Wilhelm seinen Bereicherungsanspruch in drei Stufen auf:

1. Die rechtsgrundlose

Vermögensverschiebung

Der Erwerb von Sachen, die einem anderen gehören, setzt - unabhängig davon, ob die Handlung, die zum Erwerb geführt hat, rechtmäßig oder rechtswidrig war - voraus, daß ein Rechtsgrund diesen Erwerb legitimiert. Dieser Rechtsgrund kann sich entweder aus einem wirksam zustandegekommenen 16

Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, 80.

134

Kapitel

I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

Vertrag mit dem Berechtigten oder aus einer gesetzlichen Vorschrift ergeben. Fehlt ein Rechtsgrund, so ist die Herrschaft des Schuldners über die erworbene Sache rechtswidrig; die aus dem Eigentum begründete Zuordnung der Sache zum Vermögen des Kondizienten erfordert die Rückführung der Sache in das Vermögen des letzteren. Dadurch wird das Unrecht im Haben des Erwerbers genauso beseitigt wie der Vindikationsanspruch den unrechtmäßigen Besitz zugunsten des Eigentümers aufhebt17.

2.

Nutzungen

In den Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion gehört - als nächster Schritt - auch die Herausgabe von Nutzungen und zwar sowohl von Sachfrüchten wie von Rechtsfrüchten und Gebrauchsvorteilen. Im Fall der Ziehung natürlicher Früchte und des wirtschaftlichen Ertrages wird die Sache selbst nutzbar gemacht. Eine differenzierende Behandlung von Sachfrüchten einerseits und Rechtsfrüchten sowie Gebrauchsvorteilen - wie sie von den Vertretern der Rechtswidrigkeitstheorie gefordert wird - lehnt Wilhelm ab. Diese Differenzierung läuft darauf hinaus, daß die Sachfrüchte als aus dem Vermögen des Eigentümers erlangt angesehen werden und daher der Kondiktion wegen Vermögensverschiebung unterfallen18, während Rechtsfrüchte und vor allem der wirtschaftliche Ertrag aus dem Gebrauch einer Sache durch die Verletzung fremden Eigentums, nicht aber im Wege der Vermögensverschiebung erlangt sein sollen19, da diese Nutzungen nicht - wie Fritz Schulz sagt - wie „das Mineral im Bergwerk stecken" 20 . Der wirtschaftliche Nutzen einer Sache soll nach dieser Auffassung nicht aus dem Eigentum an der Sache selbst, sondern durch die Verletzung des Eigentums erlangt worden sein. Die Herausgabepflicht stellt sich aus dieser Sicht als Sanktion gegen die rechtswidrige Handlung des Bereicherten dar. Gegen dieses - die Ertragsmöglichkeiten von Sachen in einen rechtlichen und einen wirtschaftlichen Vermögensbegriff aufspaltende - Vermögenskonzept wendet sich Wilhelm. Er faßt in seinem Vermögensbegriff die Sache und den ökonomischen Ertrag aus der Nutzung der Sache, sei es aus Sachfrüchten oder aus dem Gebrauch oder Rechtsfrüchten, zu einem einheitlichen Vermögenskonzept zusammen. In Abgrenzung zur Rechtswidrigkeitstheorie ermöglicht ihm dieses Vorgehen, auf die Rechtswidrigkeit des Handelns als tragendes Element des Anspruchs aus Eingriffsbereicherung zu verzichten. Folgt bei der Rechtswidrigkeitstheorie die Pflicht zur Herausgabe des durch Nutzung fremden Gutes Erlangten aus der Widerrechtlichkeit der Nutzung durch den Bereicherten, so dreht Wilhelm dieses Prinzip um: Die Nutzungen sind nicht herausWilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, 82. Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung, 29. 19 Jakobs, a . a . O . , 29 und 105. 20 Schulz, System der Rechte auf den Eingriffserwerb, AcP 105 (1909), 220 N . 613 sowie S. 438. 17 18

§ 5 Rechtswidrigkeitstheorie

II

135

zugeben, weil sie rechtswidrig gezogen wurden, sondern weil diese Nutzungen dem Vermögen des Berechtigten zugeordnet sind und nicht dem Vermögen des Bereicherten. Die Nutzungen gehören „als Ergebnis der Benutzung der Sache grundsätzlich in das Vermögen des Berechtigten, während sie der Nichtberechtigte dieser vermögensmäßigen Zuordnung zuwider hat" 21 . Für die Gleichbehandlung von Sachfrüchten einerseits und sonstigen Nutzungen (Rechtsfrüchten und Sachgebrauch) andererseits führt Wilhelm verschiedene Argumente an. Zunächst weist er darauf hin, daß der Gesetzgeber selbst die unterschiedlichen Nutzungsarten habe gleichbehandeln wollen 22 . Weiterhin sei der Vorgang des Nutzens bei beiden Arten von Nutzungen kein wesensmäßig verschiedener: Auch die Ziehung von Sachfrüchten setze einen Vorgang der Nutzbarmachung in der Regel voraus, ebenso wie die Erzielung von anderen Erträgen der Sache; immer müsse die Sache zur Ertragsgewinnung genutzt werden. Weiterhin gehörten auch die aus einem Rechtsgeschäft mit der Sache erzielten Erträge (Rechtsfrüchte) zu den dem Inhaber der Sache zugewiesenen Nutzungen. Dies zeige sich an § 818 I BGB. Danach sei der rechtsgrundlose Eigentümer verpflichtet, die Miet- und Pachtzinsen, die er durch Rechtsgeschäft unter Verwendung der Sache erzielt habe, dem Kondizienten herauszugeben. Da hierbei von einem rechtswidrigen Eingriff nicht gesprochen werden könne, sei die Herausgabepflicht dieser Erträge nur so zu verstehen, daß die Sache und ihre Nutzungen dem Vermögen des Berechtigten zugewiesen seien und die Herrschaft des Schuldners darüber „rechtswidrige Vermögensherrschaft" sei23.

3. Verbrauch und Veräußerung der Sache Nichts anderes als bei den Sachnutzungen will Wilhelm bei dem Verbrauch und der Veräußerung von Sachen durch einen Nichtberechtigten gelten lassen. Auch bei diesen Formen der Nutzung der Sache gebühre der erzielte wirtschaftliche Ertrag (Gewinn) dem Kondizienten und nicht dem Bereicherten, weil die Sache und ihr Nutzungspotential allein dem Kondizienten als Berechtigtem zugeordnet sei. Soweit der Ertrag aus der Sache erlangt sei, müsse der erzielte Vermögensvorteil über die verwendete Sache dem fremden Vermögen zugeordnet und könne nicht als Resultat des Einsatzes eigener Vermögensbestandteile des Bereicherten angesehen werden. Dabei spiele es keine Rolle, ob es sich um einen rechtswidrigen Eingriff des Bereicherten oder um ein rechtmäßiges Verhalten handele, ob also der Nichtberechtigte die Sache (rechtswidrig) verwendet oder veräußert habe oder ob dies durch eine rechtmäßige Handlung des rechtsgrundlosen Eigentümers oder gar des früheren Eigentü21 22 23

Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, 83. 'Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, 54 f. und 82. Wilhelm, a.a.O., 83.

136

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

mers geschehen sei, der die Sache zugunsten eines Dritten rechtsgrundlos verbraucht 24 . Auch in den Fällen von Verbrauch und Veräußerung der Sache sieht Wilhelm den Grund des Bereicherungsanspruchs in der rechtswidrigen Vermögensherrschaft des Bereicherten über Nutzungen, die durch die Rechtsordnung dem Vermögen des Kondizienten zugeordnet sind.

4. Bereicherungsansprüche bei Verletzung von Normen gegen unlauteren Wettbewerb Nach der Theorie des rechtswidrigen Habens kann der Anspruch aus Eingriffskondiktion aber auch dann begründet sein, wenn der Vermögensvorteil, den der Kondizient vom Bereicherten herausverlangt, vorher niemals - sei es als absolutes subjektives Recht oder als Nutzung eines solchen - sich im Vermögen des Kondizienten befunden hat. Ein Beispielsfall sei § 816 II BGB. Danach hat ein Nichtberechtigter, an den ein Schuldner mit befreiender Wirkung leistet, dem Berechtigten das Geleistete herauszugeben 25 . Auch Vermögensvorteile, die auf Kosten von Konkurrenten durch Mittel des unlauteren Wettbewerbs erlangt worden sind, haben sich vorher niemals als solche im Vermögen des Kondizienten befunden. Der Grund für den Bereicherungsanspruch ist nach Wilhelm in beiden Fällen derselbe: Der erlangte Vermögensvorteil ist durch den Bereicherungsschuldner unrechtmäßig erlangt worden. Das unrechtmäßige Haben dieses Vermögensvorteils widerspricht dem Recht des Kondizienten darauf und muß daher beseitigt werden. Interessant erscheint die Begründung des Anspruchs aus Eingriffsbereicherung in den Fällen der Verletzung von UWG-Normen. Seine dogmatische Fundierung erfährt der Bereicherungsanspruch hier durch die Anerkennung eines Rechts des Konkurrenten, sich im Rahmen des lauteren Wettbewerbs auf dem Markt zu betätigen und durch seine Tätigkeit einen Gewinn zu erzielen. Jedem Konkurrenten stehe ein Erwerbsrecht, ein Recht auf Gewinn zu. Ein Konkurrent, der sein Wettbewerbsverhalten unlauter gestalte, greife in das Erwerbsrecht seiner Mitbewerber ein. Ein Gewinn, den der unlauter Handelnde durch sein Verhalten erziele, sei seinen Konkurrenten gegenüber widerrechtlich erlangt. Wilhelm nennt als Beispiele von Normen des UWG, deren Mißachtung einen Anspruch wegen Eingriffsbereicherung auslösen könne, § 3 UWG (unzulässige vergleichende Werbung, irreführende Angaben) und § 13 UWG (Benutzung verwechslungsfähiger Bezeichnungen). In klarer Abgrenzung zu einer von Anhängern der Zuweisungsgehaltstheorie vertretenen Auffassung, nach der die Verletzung von Warenzeichen keinen Anspruch aus Eingriffsbereicherung begründen können, weil dem WarenWilhelm, a.a.O., 85. Beispielsfälle der Leistung an einen Nichtgläubiger mit befreiender Wirkung für den Schuldner sind §§ 407,408,413 BGB; siehe dazu etwa BGH 16.12.1957, BGHZ 26,185 (193); BGH 30.5.1960, BGHZ 32, 357. 24

25

5 5 Rechtswidrigkeitstheorie

II

137

zeichenrecht ein Zuweisungsgehalt fehle26, stellt sich Wilhelm auf den Standpunkt, daß Gewinne, die ein Nichtberechtigter aus der Nutzung eines fremden Warenzeichens ziehe, als widerrechtliches Haben zu qualifizieren seien und daher dem Bereicherungsanspruch unterlägen27. Mit der Einbeziehung der Rechtspositionen, die das U W G zugunsten der Konkurrenten eines Marktteilnehmers schafft, in den Kreis der kondiktionswürdigen Tatbestände folgt Wilhelm der Linie, die von der Rechtswidrigkeitstheorie (Schulz, Jakobs) vorgegeben wurde. Allerdings unterscheidet sich hier die Begründung. Der „reinen" Rechtswidrigkeitstheorie reicht es aus, daß ein Marktteilnehmer einen Gewinn aufgrund rechtswidrigen Handelns unter Eingriff in ein rechtlich geschütztes Interesse eines Konkurrenten gemacht hat28. Entscheidend für diese Variante der Rechtswidrigkeitstheorie zur Begründung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion ist die Widerrechtlichkeit des Nehmens. Wilhelm hingegen legitimiert den Bereicherungsanspruch durch das rechtswidrige Haben des Bereicherten im Verhältnis zum Kondizienten. Das „rechtswidrige Haben" wiederum setzt eine Zuordnung des durch den Bereicherten erlangten Vermögensvorteils zum Vermögen des Kondizienten voraus. Es liegt daher in der Konsequenz des Ansatzes von Wilhelm, daß er auf das „Recht zum Erwerb" oder das „Recht zum Gewinn" rekurriert. Allerdings unterläuft ihm dabei ein verhängnisvoller Fehler: Ein solches Recht - wenn es denn existiert - kann in einer an der Leitidee des Wettbewerbs orientierten Marktwirtschaft nicht zur Institutionalisierung rechtlich abgesicherter, juristisch garantierter Gewinnchancen in einem gegebenen Markt führen. Die Annahme, daß derjenige, der sich im Wettbewerb unlauter verhält und dadurch einen Gewinn erzielt, ein juristisch fixiertes Recht auf Gewinnerzielung seiner Konkurrenten verletzt, verkennt in schwerwiegender Weise die Funktionsweise des wirtschaftlichen Wettbewerbs. Die Verteilung der „Marktgüter" (Kundenkreis, Vertragsabschlüsse, Good-Will) unter den wirtschaftlichen Konkurrenten entscheidet sich im Wettkampf der Marktteilnehmer um die Erlangung dieser Güter und erfolgt nicht, wie der Transfer exklusiv zugewiesener Güter durch rechtliche Regelungen (etwa: Vertrag), die die Zustimmung des Berechtigten voraussetzen. Diese Zusammenhänge werden durch ein von Wilhelm angenommenes Recht auf Gewinnerzielung verschleiert. Die Normen gegen unlauteren Wettbewerb haben zum Ziel, bestimmte, als schädlich bewertete wettbewerbsbezogene Handlungen zu unterdrücken und damit die Interessen der Konkurrenten und der Marktgegenseite, nämlich der Verbraucher zu schützen. Auf diese Weise gewährleisten die Normen des U W G (neben vielen anderen wirtschaftsrechtlichen Gesetzen wie z.B. dem GWB), daß die Wettbewer26 Siehe etwa Mestmäcker, Eingriffserwerb und Rechtsverletzung in der ungerechtfertigten Bereicherung, JZ 1958,525; Raiser, Der Stand der Lehre vom subjektiven Recht im Deutschen Zivilrecht, J Z 1961,468. 27 'Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, 94 ff. 28 Schulz, System der Rechte auf den Eingriffserwerb, AcP 105 (1909), 220 ff.; Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung, 115 ff.

138

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

ber auf dem Markt - jedenfalls was unlauteres Verhalten angeht - gleichen Bedingungen unterliegen. Demzufolge verletzt ein Mitbewerber, der unter Mißachtung der gleichen Bedingungen für alle einen Gewinn erzielt, eine Gewinnchance, die zunächst allen Konkurrenten gleichermaßen zur Realisierung offensteht. Er hat sich rechtswidrig verhalten und das rechtliche Interesse seiner Mitbewerber verletzt. Daher ist er Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen ausgesetzt29. Wenn sich aber der wirtschaftliche Erfolg der marktwirtschaftlichen Betätigung der Konkurrenten im Wettkampf untereinander entscheidet, kann dem Vermögen des einzelnen Konkurrenten kein Recht auf einen bestimmten Gewinn zugeordnet sein. Er hat das Recht, sich unter den gleichen rechtlichen Bedingungen wie seine Mitkonkurrenten am Markt zu betätigen und durch seine Betätigung Gewinne zu erzielen. Ein juristisch fixiertes Recht auf einen bestimmten Gewinn kann einem Marktteilnehmer im Rahmen eines am Gedanken des Wettbewerbs orientierten marktwirtschaftlichen Systems nicht zustehen. Ein solches Recht würde zu einer Zementierung der Marktstruktur führen und die positiven ökonomischen Wirkungen des Steuerungssystems Markt verhindern. Auch bei Verletzungen des Warenzeichenrechts erkennt Wilhelm den Schutz der Eingriffskondiktion an. Als Zuordnungsobjekt des Warenzeichenrechts sieht er die alleinige Befugnis des Inhabers an, die Anziehungs- und Kennzeichnungskraft seines Zeichens zum Absatz eigener Waren und zur Erteilung schuldrechtlicher Lizenzen zum Vertrieb fremder Waren unter seinem Zeichen zu verwenden30. Wilhelm widerspricht einer insbesondere von Mestmäcker vertretenen Auffassung, wonach das Warenzeichen lediglich vor der Nachahmung durch Dritte schütze und es sich daher bei diesem Recht um ein bloßes Verbietungsrecht handele, welches keinen bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt aufweise. Dies zeige sich auch daran, daß nur eine schuldrechtliche und keine dingliche Warenzeichenlizenz erteilt werden könne und auch die Zulässigkeit der schuldrechtlichen Lizenz davon abhänge, daß durch die Verwendung des Warenzeichens keine Täuschung des Publikums herbeigeführt werde31. Ein Anspruch des Warenzeicheninhabers aus Eingriffskondiktion ist nach der Auffassung von Wilhelm dann nicht gegeben, wenn die Nutzung des Warenzeichens durch den Bereicherten zu einer Täuschung des Publikums über die Herkunft der Ware geführt hätte und daher auch dann nicht zulässig gewesen wäre, wenn sich die Parteien darüber rechtsgeschäftlich geeinigt hätten. Falls die Warenzeichenverletzung zu einer Täuschung der Käufer geführt hätte, so stünde der Ertrag aus den Geschäften, die unter Täuschung des Publikums abgeschlossen worden seien, nicht dem Warenzeicheninhaber zu, sondern den Siehe etwa §§ 1, 3, 13, 14 I, 19 U W G , § 33 G W B . Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, 96. 31 Mestmäcker, Eingriffserwerb und Rechtsverletzung in der ungerechtfertigten Bereicherung, J Z 1958, 525; so auch Raiser, Der Stand der Lehre vom subjektiven Recht im Deutschen Zivilrecht, J Z 1961,468. 29 30

§ 5 Rechtswidrigkeitstheorie

II

139

getäuschten Kunden, die mit dem Nichtinhaber des Warenzeichens kontrahiert hätten 32 . Der Gewinn des Verletzers entstamme dem Vermögen der Kunden. Er gebühre nicht dem Warenzeichenberechtigten, weil das Warenzeichen ihm nicht die durch den Rechtsverletzer getätigten Geschäfte zuweise 33 . Aus diesem Grunde stehe den getäuschten Kunden der Gewinn des Rechtsverletzers aus den mit ihnen abgeschlossenen Geschäften zu 34 . Dieses Ergebnis überrascht. Der Anspruch aus Nichtleistungskondiktion stützt sich auf ein rechtswidriges Haben des Bereicherungsschuldners. Das „Haben von Vermögensvorteilen" ist dann widerrechtlich, wenn diese Vorteile nach den Wertungen der Rechtsordnung nicht dem Vermögen des Bereicherungsschuldners, sondern dem des Kondizienten zuzuordnen sind. Zwischen Rechtsverletzer und Kunden bestehen Vertragsverhältnisse. Die Lieferung der Waren durch den Rechtsverletzer und die Bezahlung des Entgelts durch die Kunden stellen Leistungen im Sinne von § 812 I 1, 1. Alt. BGB dar. Die Rückführung von Vermögensvorteilen, die durch Leistung erworben sind, unterliegt der Leistungskondiktion, nicht der Eingriffskondiktion. Die Leistungskondiktion (condictio indebiti) setzt neben der Leistung das Fehlen oder den späteren Wegfall des Rechtsgrundes für die Leistung voraus. Der Rechtsgrund fällt hier weg, wenn der zwischen Kunden und Rechtsverletzer abgeschlossene Vertrag unwirksam ist. Eine Unwirksamkeit dieses Vertrages kann hier durch Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB (Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften der Sache) oder § 123 I BGB (arglistige Täuschung) eingetreten sein. Vorausgesetzt, eine Anfechtung durch einen Käufer greift durch, beruht die Rückabwicklung des Schuldverhältnisses nicht auf der Verletzung des Warenzeichens durch den Verkäufer, sondern auf dem Fehlen des Rechtsgrundes wegen der erfolgreichen Anfechtung. Kondiziert wird dann die jeweilige Leistung der Vertragspartner, nicht etwa der „Gewinn" des Rechtsverletzers. Sieht man von den Problemen des Vorrangs der Leistungskondiktion vor der Eingriffskondiktion einmal ab, so setzte eine Nichtleistungskondiktion die Zuordnung eines Vermögensvorteils zum Vermögen des Kondizienten voraus. Aus dem Warenzeichenrecht selbst kann sich eine solche Zuordnung nicht ergeben. Wenn dieses Recht auch das Interesse der Verbraucher an der zutreffenden Information über die Herkunft der Waren schützt, so steht es doch allein seinem Inhaber zu. Das Warenzeichenrecht ordnet - wie alle anderen subjektiven Rechte auch - Vermögensvorteile aus seiner Nutzung lediglich seinem Inhaber und nicht anderen Personen zu. Eine Zuordnung eines durch Herkunftstäuschung der Waren erzielten Gewinns zum Vermögen der getäuschten Kunden kann sich daher allenfalls aus § 3 UWG ergeben. Diese Vorschrift verbietet irreführende Angaben über die Herkunft von Waren und gewerblichen Leistungen im geschäftlichen Verkehr und zu Zwecken des Wettbewerbs. 32 33 34

Wilhelm, a.a.O., 97. Wilhelm, a.a.O., 97. Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, 97.

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Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen der

Eingriffskondiktion

Werden durch irreführende Angaben Schäden verursacht, so können die Geschädigten nach § 13 V Nr. 1 U W G den Ersatz des ihnen entstandenen Schadens verlangen. Aus diesen Vorschriften läßt sich jedoch nicht begründen, daß ein Gewinn, den ein Gewerbetreibender mit irreführenden Angaben über die von ihm vertriebenen Waren macht, den getäuschten Kunden zusteht, und zwar auch dann nicht, wenn die Kunden gerade unter dem Einfluß der Herkunftstäuschung kontrahiert haben. § 3 U W G will lediglich sicherstellen, daß Verbraucher die Entscheidung über die von ihnen zu beziehenden Waren unter zutreffender Information über deren Herkunft treffen können. Eine vermögensrechtliche Zuweisung von Gewinnen, die mit der Herkunftsbezeichnung der Ware - sei sie richtig oder irreführend - erzielt wurden, ist mit dieser Vorschrift nicht verbunden.

IV. Die Rechtswidrigkeit des Habens als das des Bereicherungsanspruchs 1. Die Abkehr vom

Fundament

Verhaltensunrecht

Den Kern des Anspruchs aus Eingriffskondiktion bildet im bereicherungsrechtlichen System von Wilhelm der Begriff des „rechtswidrigen Habens". Die Herausgabe von Vermögensvorteilen, die auf widerrechtliche Weise erzielt werden, beruht nicht auf der Widerrechtlichkeit des Handelns, weil der verhaltensbezogene Rechtswidrigkeitsbegriff nach der Auffassung Wilhelms zur Begründung des Kondiktionsanspruchs nicht tauglich ist. Der Begriff der Widerrechtlichkeit, wie er von Schulz und Jakobs verwandt wird, sei nicht in der Lage, angemessen zu bestimmen, welches Recht des Kondizienten verletzt werden müsse, um einen Bereicherungsanspruch begründen zu können. Am Beispiel des Eigentums demonstriert Wilhelm, wie das Konzept der Widerrechtlichkeit gefaßt werden muß, wenn es zugleich Grundlage von Leistungsund Eingriffskondiktion sein und die Defizite des handlungsorientierten Rechtswidrigkeitsbegriffs vermeiden soll. Diese Nachteile liegen einerseits darin, daß zwischen Leistungs- und Eingriffskondiktion eine kategoriale Differenzierung zu treffen ist, da die Legitimation der Leistungskondiktion nicht im rechtswidrigen Handeln eines Beteiligten, sondern in der Rechtsgrundlosigkeit der Leistung liegt. Andererseits gestaltet das Abstellen auf die Rechtswidrigkeit den Anspruch aus Nichtleistungskondiktion zu eng, denn der Handlungsbegriff bezieht sich auf rechtswidriges menschliches Handeln. Damit scheiden die Fälle aus dem Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion aus, in denen entweder das Handeln des Beteiligten nicht rechtswidrig ist (z. B. § 904 BGB) oder aber eine rechtsgrundlose Bereicherung ganz ohne menschliches Handeln eingetreten ist (z.B. das Anschwemmen von Land durch eine Flut). Nach Auffassung von Wilhelm ist für die dogmatische Fundierung der Eingriffskondiktion nicht auf die Rechtswidrigkeit des Handelns (= des Nehmens)

5 5 Rechtswidrigkeitstheorie

II

141

des Bereicherungsschuldners oder eines Dritten abzustellen, sondern darauf, ob ein durch den Bereicherungsschuldner erlangter Vermögensvorteil sich im Gegensatz zur rechtlichen Vermögenszuordnung im Vermögen des Schuldners befindet, ob der beim Schuldner befindliche Erwerb als widerrechtliches Haben zu qualifizieren ist 35 . Wilhelm macht die Statthaftigkeit der Eingriffskondiktion also davon abhängig, daß der Bereicherungsschuldner etwas erlangt hat, was nach der Vermögenszuordnung dem Kondizienten gebührt und daher im Wege der Kondiktion in dessen Vermögen zu überführen ist.

2. Die positive Seite des Recbtswidrigkeitsurteils als Abgrenzungskriterium für die Reichweite der Eingriffskondiktion Der Ansatz der „quasi-negatorischen" Beseitigung rechtswidrigen Habens (d.h.: der Beseitigung einer der rechtlichen Vermögenszuordnung widersprechenden Vermögensherrschaft des Bereicherungsschuldners durch die Uberführung des betroffenen Vermögensbestandteils in das Vermögen des Kondizienten) zwingt zu einer Konkretisierung der Zuordnung des Rechts, auf dessen Inanspruchnahme der Vermögensvorteil beruht, der sich im Vermögen des Bereicherungsschuldners befindet. Die rechtliche Zuordnung von Sachen und anderen Gütern, z.B. solchen immaterieller Art, und den Nutzungen dieser Gegenstände erfolgt im Rahmen der subjektiven Rechte, die den einzelnen Rechtssubjekten zustehen. Wenn das „rechtswidrige Haben" das dogmatische Fundament und zugleich die Legitimation der Eingriffskondiktion bilden soll und dieses wiederum durch Widerspruch des Habens des Bereicherungsschuldners zur Zuordnung des fraglichen Gegenstandes gekennzeichnet ist, hätte es nahegelegen, die Zuordnung durch den Rückgriff auf die absoluten subjektiven Rechte zu konkretisieren, wie dies im Rahmen der Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte geschieht. Die Bestimmung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion durch den Zuweisungsgehalt absoluter subjektiver Rechte und diesen äquivalenter Rechtspositionen lehnt Wilhelm indes entschieden ab. Zum einen mißbilligt er die kategoriale Trennung von Leistungs- und Nichtleistungskondiktion 36 , die im Hinblick auf Funktion und Tatbestand durch die Zuweisungsgehaltstheorie zu eigenständigen Anspruchskategorien ausgestaltet werden, womit natürlich die Aufgabe einer - von Wilhelm verfochtenen - einheitlichen Anspruchsbegründung verbunden ist. Zum anderen bezweifelt Wilhelm, daß das Konzept des Zuweisungsgehalts der Rechte eine sachgerechte Abgrenzungsfunktion für den Tatbestand der Eingriffskondiktion zu erfüllen vermag. Hinzu komme, daß der Begriff des Zuweisungsgehalts der Rechte zur Ausfüllung des Tatbestands der Eingriffskondiktion nicht genügen könne; vielmehr sei auch diese 35 36

Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, 93. Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, 174.

142

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

Lehre auf das Merkmal des rechtswidrigen Eingriffs angewiesen37. Statt der absoluten subjektiven Rechte stellt Wilhelm die Rechtswidrigkeit in das Zentrum seiner Begründung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion. Dabei ist er allerdings gezwungen, den Inhalt des Begriffs der Rechtswidrigkeit, wie er üblicherweise und auch von den Vertretern der Rechtswidrigkeitstheorie gebraucht wird, in erheblicher Weise umzuinterpretieren. Die Rechtswidrigkeit, wie sie herkömmlicherweise verstanden wird, ist ein Urteil darüber, daß eine menschliche Handlung gegen eine Rechtsnorm verstoßen hat. Nach Wilhelm ist es aber unrichtig, bei diesem Begriff in seiner negativen Bedeutung stehen zu bleiben, durch die die Eingriffskondiktion den Charakter einer Sanktion für verbotenes Handeln bekomme 38 . Das Rechtswidrigkeitsurteil besitze neben seinem negativen, eine Handlung als verboten kennzeichnenden Aspekt auch eine positive Seite. Dem Rechtswidrigkeitsurteil könne nämlich auch die Bedeutung beizulegen sein, daß dem Bereicherungsgläubiger die nutzen- oder gewinnbringende Handlung, die dem Bereicherungsschuldner durch eine Rechtsnorm untersagt ist, vorbehalten sein soll 39 . Die eigentliche Problematik, die im Bereicherungsrecht zu lösen sei, sei die Frage, inwieweit ein Rechtsgut dem Kondizienten zugewiesen sei und welche vermögensmäßigen Folgen sich aus der Zuordnung ergäben. Hinter der Qualifikation einer Handlung als rechtswidrig verberge sich die eigentlich entscheidende Wertung, nämlich daß ein Gegenstand dem Berechtigten zugewiesen sei, daß die Rechtsordnung dem Berechtigten Gebrauch, Verbrauch, Veräußerung und sonstige ökonomisch relevante Nutzungen exklusiv zuordne und demgemäß die Aneignung dieser ökonomischen Funktionen durch den Bereicherungsgläubiger verbiete40. Auch einer Norm, die ein einzelnes Verbot statuiert, könne - wie etwa Vorschriften des U W G - die Wertung entnommen werden, daß die Vorteile, die ein Rechtsverletzer aus einem Normenverstoß ziehe, in das Vermögen des durch die Norm Geschützten gehörten. In Fällen des unlauteren Wettbewerbs folge die Zuordnung des Vermögensvorteils, der beim Bereicherungsschuldner entstanden ist, zum Vermögen des Kondizienten nicht aus einem absoluten subjektiven Recht, sondern aus Einzelnormen. Wilhelm selbst bringt seine Konzeption der Eingriffskondiktion wie folgt auf den Begriff: „Die Eingriffskondiktion folgt aus der in Gestalt des subjektiven Rechts bestehenden oder durch die Verbotsnorm vorbehaltenen Vermögensrechtsposition des Gläubigers und dem ihr widersprechenden Haben des Schuldners"41.

37 38 39 40 41

Wilhelm, Wilhelm, Wilhelm, Wilhelm, Wilhelm,

a.a.O., 90. Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, 90 ff. a.a.O., 93. a.a.O., 93. a.a.O., 93.

§ } Rechtswidrigkeitstheorie

II

143

V. Die Rechtsfolgen der Eingriffskondiktion: Haftung auf den Gewinn, der im „widerrechtlichen Haben" des Bereicherungsschuldners steht Die Legitimation für den Anspruch auf Herausgabe des Erlangten im Rahmen der Eingriffskondiktion sieht Wilhelm im rechtswidrigen Haben des Bereicherungsschuldners. Rechtswidrig ist dieses Haben im Verhältnis zum Kondizienten, dem der beim Bereicherungsschuldner befindliche Vermögensvorteil nach der rechtlichen Güterzuordnung zusteht. In das Vermögen des Kondizienten zurückzuführen sind die durch den Eingriff erlangten Vorteile des Bereicherungsschuldners, der Eingriffserwerb 42 . Unter Eingriffserwerb versteht "Wilhelm in Fällen, in denen es um die Herausgabe einer Sache geht, die Sache selbst. Bei Nutzungen von Sachen oder Rechten oder dem Erlös aus der Veräußerung von Sachen umfaßt der Eingriffserwerb auch den Gewinn aus der Sach- oder Rechtsnutzung bzw. der Veräußerung. Insoweit entspricht die bereicherungsrechtliche Theorie Wilhelms, die hier als „quasi-negatorisch" etikettiert wird, den Rechtswidrigkeitslehren, wie sie von Schulz und Jakobs entwickelt wurden.

VI. Die Bewertung der Eingriffskondiktion als „ Quasi-Negatoria " 1. Die Einheit des Bereicherungsanspruchs: Gemeinsame Grundlagen von Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen Ein selbstgestecktes Ziel der dogmatischen Bemühungen Wilhelms liegt in der Betonung der einheitlichen Begründung von Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen in § 812 11 BGB. Entschieden wendet sich Wilhelm gegen die von der Zuweisungsgehaltslehre vertretene Trennung dieser Kondiktionsarten in hinsichtlich von Funktion und Tatbestand vollkommen getrennte Ansprüche. Er beklagt die Aufspaltung des in § 812 BGB einheitlich geregelten Anspruchs in Fallgruppen und versucht nachzuweisen, daß die Trennung der bereicherungsrechtlichen Anspruchsarten der geschichtlichen Entwicklung des Bereicherungsrechts widerspreche, vom Gesetzgeber nicht vorgesehen sei und unter dogmatischen Gesichtspunkten unzweckmäßig und unnötig sei, da sich - nach seiner Auffassung - die problematischen Fälle sowohl im Bereich der Leistungsbereicherung wie im Sektor der Eingriffskondiktion auf der Grundlage eines einheitlichen Bereicherungsanspruchs lösen lassen, der wiederum auf dem Fundament des rechtswidrigen Habens durch den Bereicherungsgläubiger steht. 42

Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, 87, 93.

144

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

2. Die Untauglichkeit der positiven Funktion des Rechtswidrigkeitsurteils als Grundlage der Eingriffskondiktion Wie bereits erwähnt, steht im Zentrum des von Wilhelm, entworfenen dogmatischen Ansatzes das „rechtswidrige Haben" des Bereicherungsschuldners, der in seinem Vermögen Vorteile hat, die nach der rechtlichen Güterzuordnung dem Kondizienten gebühren. Zur Begründung dieses Ansatzes greift Wilhelm hinter die traditionelle Vermögensverschiebungslehre unmittelbar auf die Grundlegung des Bereicherungsrechts durch C.F. v. Savigny zurück. Dieser hatte den Herausgabeanspruch aus Kondiktion auf das beschränkt, „was vorher schon wirklich einmal zum Vermögen Dessen gehört habe, welcher darauf eine Condiction gründen will" 43 . Eine Interpretation dieser Aussage in Richtung auf das Erfordernis einer gegenständlichen Vermögensverschiebung hält Wilhelm für ein Mißverständnis; die „grundlose Bereicherung des Andern aus unserem Vermögen" setze nicht eine gegenständliche Zugehörigkeit der durch den Bereicherungsschuldner erworbenen Vorteile zum Vermögen des Kondizienten voraus, sondern es genüge, daß Güter, die im Vermögen des, Kondizienten stünden, dem Bereicherungsschuldner zur Bereicherung „dienten"; dieses „zur-Bereicherung-dienen" sei nun nicht nur als Rechtsübergang zu verstehen, sondern umfasse auch die Anmaßung fremden Rechts 44 . Das Ergebnis dieses An-SichZiehens und Sich-Dienstbar-Machens fremder Güter ist für Wilhelm das rechtswidrige Haben des Kondiktionsschuldners. Die Rechtswidrigkeitsansätze von Schulz und Jakobs knüpfen an die Rechtswidrigkeit des Handelns des Bereicherungsschuldners an. Es ist die Widerrechtlichkeit des Nehmens, welche die Grundlage des Anspruchs aus Eingriffskondiktion bildet. Dadurch gewinnt der Anspruch aus Eingriffskondiktion den Charakter einer Sanktion für unrechtmäßiges Verhalten. Die Feststellung, daß ein bestimmtes Verhalten rechtswidrig war, kann nicht begründen, warum die positiven ökonomischen Effekte, die dieses Handeln im Vermögen des Bereicherten ausgelöst hat, gerade an den Kondizienten abgeführt werden sollen. Diese Funktionszuweisung wird daher der Eingriffskondiktion aus § 812 I 1 B G B nicht gerecht. Diese Schwäche des Rechtswidrigkeitsansatzes überwindet die Lehre von Wilhelm, in dem er nicht mehr das Verhalten des Bereicherten zur Grundlage der Eingriffskondiktion macht, sondern auf das Ergebnis dieses Verhaltens abstellt; nämlich das „rechtswidrige Haben" des Bereicherungsschuldners. Dieses rechtswidrige Haben bezeichnet einen Zustand, bei dem der Bereicherungsschuldner Vermögensvorteile hat, die nach der rechtlichen Güterzuweisung dem Kondizienten zustehen. Damit aber erweitert Wilhelm den Vermögensbegriff v. Savignys, der lediglich subjektive Rechte als Vermögensgegenstände v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts V, Beylage XIV, 526 f. Auf die Zweifelhaftigkeit dieses Verständnisses der Textstelle von v. Savigny wurde bereits oben in § 3 I 1 b)cc) hingewiesen. 43

44

§ 5 Rechtswidrigkeitstheorie

II

145

angesehen hatte, in so weitreichender Weise, daß die Berufung auf das bereicherungsrechtliche System v. Savignys durch Wilhelm als unstatthaft erscheint. Die Feststellung, ob sich Vermögensvorteile im Widerspruch zur rechtlichen Güterzuordnung im Vermögen des Bereicherungsschuldners befinden, zwingt Wilhelm zu einer näheren Bestimmung dieser rechtlichen Vermögenszuordnung. Als Abgrenzungskriterium zieht Wilhelm die von ihm so genannte positive Funktion der Rechtswidrigkeit heran. Das Konzept der Rechtswidrigkeit diene nicht nur der Qualifikation von Handlungen als gegen Rechtsnormen verstoßend, sondern der Rechtswidrigkeit komme auch die positive Bedeutung zu, daß die nutz- oder gewinnbringende Handlung dem Kondizienten vorbehalten sei. Diese Konstruktion ist aus zwei Gründen abzulehnen. Zum einen ist dem Begriff der Rechtswidrigkeit - wie er sich z. B. im Deliktsrecht entwickelt hat eine solche positive Bedeutung nicht zuzumessen. Aus dem Umstand, daß eine Handlung als rechtswidrig qualifiziert wird, kann nicht der Schluß gezogen werden, daß demjenigen, der durch die entsprechende Rechtsnorm geschützt wird, die ökonomischen Vorteile aus der gegen das Verbot verstoßenden Handlung gebühren sollen. Andererseits ergeben sich bei dem Ansatz von Wilhelm nicht weniger Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Bestimmung der Vermögenszuordnung als bei der von Wilhelm stark kritisierten Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte. Das Konzept der Rechtswidrigkeit - wie es vor allem im Recht der unerlaubten Handlungen entwickelt und dogmatisch fundiert wurde - dient dazu, einen Schaden im Vermögen des Verletzten, der durch ein Handeln oder pflichtwidriges Unterlassen des Schädigers verursacht wurde, zum Zwecke der Auferlegung einer Ausgleichspflicht dem tatbestandsmäßigen Handeln zuzurechnen. Je nach dem theoretisch präferierten Konzept der Rechtswidrigkeit setzt die Auferlegung dieser Ausgleichspflicht die Verursachung eines tatbestandsmäßigen Erfolges (Lehre vom Erfolgsunrecht) oder die Bewertung des schädigenden Verhaltens als rechtswidrig (Lehre vom Handlungsunrecht) voraus. Der Rechtswidrigkeit - so viel wird deutlich - kommt im Deliktsrecht eine vollkommen andere Funktion zu als im Rahmen der Eingriffskondiktion: Das Urteil über die Rechtswidrigkeit im Deliktsrecht besagt, daß der durch eine kausale Handlung herbeigeführte Erfolg einen Normverstoß darstellt bzw. die Handlung selbst gegen Normen des Rechts verstößt. Positive Elemente - etwa über die vermögensmäßige Zuordnung von Vermögensvorteilen aus der Verletzung von Normen - wohnen in diesem Konzept nicht inne. Es ist auch nicht sinnvoll, die Funktion des Rechtswidrigkeitskonzepts in Richtung auf einen „positiven" Inhalt zu erweitern, wie es Wilhelm vorschlägt. Eine solche Funktionsausdehnung hätte zur Folge, daß die Frage, um die es geht, nicht beantwortet, sondern eher verschleiert würde. Die dogmatische Aufgabe ist die sachgerechte Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion. Wilhelm selbst erkennt an, daß die Grundlage des Bereicherungsanspruchs bei Eingriff in der rechtlichen Zuordnung der Güter durch absolute subjektive Rechte und durch einzelne Rechts-

146

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

normen liegt. Dementsprechend ist die Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion als Wertungsfrage auf diese Zuordnung, ihren Inhalt, ihre Legitimation und ihre Auslegung zu stützen. Kritisch anzumerken ist, daß die von Wilhelm vorgenommene Abgrenzung der geschützten Vermögensgüter über die rechtliche Zuweisung viel zu weit geht. Inwieweit durch die Normen des UWG, die von Wilhelm als Zuweisungsnormen aufgefaßt werden, dem Begünstigten wirklich ein Gut exklusiv zugeordnet wird, wäre unter Berücksichtigung der tragenden Grundprinzipien der Wettbewerbsordnung zu belegen. Eine Auseinandersetzung mit dem Problem der Dichotomie von exklusiv zugewiesenen Gütern und der Handlungsfreiheit im Wettbewerb unterbleibt bei Wilhelm jedoch völlig. Die Begründung und Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion durch zweifelhaften Rückbezug auf zeitlich weit zurückliegende dogmatische Modelle und am Begriff klebender Auslegungsversuche erscheint methodisch zweifelhaft und vom Ergebnis her unzutreffend. Obwohl die von Wilhelm entwickelte Variante der Rechtswidrigkeitstheorie die Grundlage der Eingriffskondiktion in dem rechtsgrundlosen (= rechtswidrigen) Haben des Bereicherungsschuldners sieht, löst sich diese Lehre doch deutlich von der „reinen" Rechtswidrigkeitstheorie und nähert sich der von Wilhelm recht schroff abgelehnten Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte an, indem sie für die Rechtswidrigkeit des Habens an der rechtlichen Zuordnung der Güter zum Vermögen von Rechtssubjekten anknüpft. Diese Zuordnung erfolgt im Wege über absolute subjektive Rechte und einzelne Zuweisungsnormen. Die Ablehnung der „Zauberformel" vom Zuweisungsgehalt der Rechte erfolgt durch Wilhelm u.a. deshalb, weil die Unbestimmtheit des Begriffs keine hinreichend klare Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion ermögliche. Dieser Befund gilt in gleicher Weise jedoch auch für den Ansatz von Wilhelm. Denn auch im Rahmen dieses dogmatischen Konzepts muß die Reichweite des Bereicherungsanspruchs durch Rückbezug auf die rechtliche Zuordnung von Gütern zum Vermögen des Kondizienten bestimmt werden. Dabei treten hinsichtlich der Konkretisierung der bereicherungsrechtlich geschützten Positionen keine anderen Probleme und Fragen auf als bei der Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte. Es scheint so zu sein, daß sich in diesem Punkt beide Ansätze entsprechen. Als Fazit ist folgendes festzuhalten: Die Theorie von der Beseitigung rechtswidrigen Habens (Eingriffskondiktion als „Quasi-Negatoria") bringt im Verhältnis zu den „reinen" Rechtswidrigkeitstheorien insofern einen dogmatischen Fortschritt, als sie die dort verbreitete Vorstellung überwindet, allein aus der verletzten Verbotsnorm erklären zu können, warum bei Eingriffen in eine fremde Vermögenssphäre ein bereicherungsrechtlicher Ausgleich stattfinden muß. Bei der Anknüpfung an das rechtswidrige Haben des Bereicherungsschuldners wird allerdings übersehen, daß die Feststellung von Inhalt und Umfang einer von Wilhelm behaupteten „positiven Funktion" des Rechtswidrigkeitsurteils, über die die Beziehung zum Vermögen des Kondizienten

Rechtswidrigkeitstheorie

II

147

hergestellt werden soll, ebenso eine Wertungsfrage ist und daher unterschiedlicher Beurteilung unterliegen kann wie das Abstellen auf den Zuweisungsgehalt von Rechten. Hinzu tritt, daß die Gleichsetzung von Rechtswidrigkeit und Rechtsgrundlosigkeit in der Lehre Wilhelms die wirklich zu entscheidenden Wertungsfragen verschleiert. Es geht nämlich um die sachgerechte Abgrenzung der Handlungsfreiheit des sich auf dem Markt betätigenden Wettbewerbers und dem Schutz exklusiv zugewiesener Rechtspositionen. Von der herkömmlichen Rechtswidrigkeitstheorie unterscheidet sich Wilhelms Ansatz dadurch, daß er nicht auf die Rechtswidrigkeit des Nehmens, sondern auf die Widerrechtlichkeit des Habens abstellt. Obwohl diese Auffassung deutliche Annäherungen an die Zuweisungsgehaltslehre aufweist, steht sie doch noch den Konzepten näher, die die Legitimation für den Anspruch aus Eingriffskondiktion in der Widerrechtlichkeit des Erwerbs durch den Bereicherungsschuldner sehen.

§ 6 Die Lehre vom Zuweisungsgehalt der unbefugt in Anspruch genommenen Rechtsposition die Eingriffskondiktion als Quasi-Kontrakt Die heute in Rechtsprechung und Schrifttum vorherrschende Lehre zur Begründung und inhaltlichen Ausgestaltung der Eingriffskondiktion ist die Theorie vom Zuweisungsgehalt der Rechte. Sieht man in Anbetracht ihrer Begründungsschwäche von der Vermögensverschiebungstheorie und von der Rechtswidrigkeitstheorie ab, so bleibt zur dogmatischen Konturierung und Abgrenzung des Anwendungsbereichs des § 812 I 1 B G B nur noch der Rückgriff auf die rechtliche Zuordnung von Gütern, die durch den Bereicherungsschuldner unbefugt in Anspruch genommen wurden - etwa durch Gebrauch, Verbrauch oder sonstige Nutzung - , zum Vermögen des Kondizienten.

I. Grundlagen:

Die kategoriale Trennung von und Eingriffskondiktionen

Leistungs-

In seiner im Jahre 1934 erschienenen Schrift „Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung nach österreichischem und deutschem Recht" zeigt Wilburg in scharfer Abgrenzung zum überkommenen Einheitstatbestand der ungerechtfertigten Bereicherung, daß es sich bei den in § 81211 BGB geregelten Leistungskondiktionen einerseits und den Nichtleistungskondiktionen andererseits um vollständig voneinander getrennte, nach Funktion und Tatbestand unterschiedliche Ansprüche handelt. Zugleich schafft er für den Bereich der Eingriffskondiktion eine neue dogmatische Grundlage, indem er für die Abgrenzung des Anwendungsbereichs dieser Kondiktionsart an die Fortwirkung subjektiver Rechte, insbesondere des Eigentums, anknüpft.

1. Die Ungerechtfertigtheit

der

Bereicherung

Wie oben bereits angedeutet, tritt Wilburg - und dies sollte für die Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte kennzeichnend werden - für eine klare Trennung von Leistungs- und Nichtleistungskondiktion ein. Es handelt sich bei diesen Formen der Kondiktionsansprüche um in ihrer Funktion und ihren Tatbestandsvoraussetzungen vollständig voneinander getrennte Ansprüche, obwohl

5 6 Die Lehre vom

Zuweisungsgehalt

149

sie ihre gesetzliche Grundlage gemeinsam in § 812 I 1 B G B finden 1 . Erst die Uberwindung der traditionellen Einheitslehre, die die Tatbestandsvoraussetzungen des § 812 I 1 B G B wie z . B . die des Rechtsgrundes für Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen unterschiedslos interpretiert hatte, ermöglichte es, einerseits die divergierenden Funktionen und - darauf aufbauend - jeweils „passende" Tatbestandsmerkmale zu entwickeln und andererseits eine bereits vielfach über die Begrenzungen des herkömmlichen Ansatzes der Vermögensverschiebungslehre hinausgegangene Praxis wieder „einzufangen", indem die in Rechtsprechung und Literatur erreichten Ergebnisse in einer erneuerten D o g m a t i k des Bereicherungsrechts integriert wurden.

a) Der Rechtsgrundmangel

bei der

Leistungskondiktion

D i e vorliegende Arbeit befaßt sich mit den Problemen der Eingriffskondiktion. Wenn an dieser Stelle dennoch auf die dogmatische Grundlegung der Leistungskondiktion durch Wilburg eingegangen wird, so geschieht dies, weil die Trennungslehre Wilburgs auf einer spezifischen Interpretation des Begriffs des Rechtsgrundes beruht. Dieses K o n z e p t wird für die beiden Kondiktionsarten differenziert ausgelegt. D i e Abgrenzung kann jedoch nur nachvollzogen werden, wenn die jeweilige Bedeutung des Causa-Begriffs in beiden K o n diktionsarten im Auge behalten wird. F ü r die Begründung der Leistungskondiktion greift Wilburg zunächst auf die K o n z e p t i o n C.F. v. Savignys zurück: D e r rechtliche G r u n d eines Vermögenserwerbs sei auf die Causa einer Leistung im Sinne einer willentlichen Zuwendung von Vermögensteilen bezogen. Dieser Willensakt rechtfertige den E r w e r b dann, wenn er rechtlich anerkannt werde. Die Rechtsordnung versagt dem Willen die Anerkennung, wenn die Leistung mißbilligten Zwecken diene (§ 817, S. 1 B G B ) oder der Leistende einem Irrtum über den G r u n d unterliege 2 . F ü r Wilburg stellt die Causa eine zweckstiftende Bezugnahme eines zugrundeliegenden Causa-Geschäftes auf ein Leistungsgeschäft dar 3 . Insoweit entspricht der Causa-Begriff, den Wilburg für die Leistungskondiktion verwendet, demjenigen, den v. Savigny seiner K o n z e p t i o n des Bereicherungsrechts zugrundegelegt hat. In einem entscheidenden Punkt allerdings geht Wilburg über den hergebrachten Causa-Begriff hinaus. In Auseinandersetzung mit dem Erfordernis der Unmittelbarkeit, wie es im Rahmen der Vermögensverschiebungslehre entwickelt worden war, ermittelt er die Parteien des Anspruchs aus Leistungskondiktion mittels eines zweckorientierten Leistungsbegriffs. D e r Anspruch soll dem Leistenden nur gegenüber dem Leistungsempfänger zustehen; dessen Person ergebe sich aus Inhalt und Z w e c k der Leistung 4 . A u f eine Unmittelbarkeit des Erwerbs könne es daher nicht ankommen. 1

Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 49.

2

Wilburg, a.a.O., 7. Wilburg, a.a.O., lOf.

3

4

Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 113.

150

Kapitel I: Dogmatische Grundlagen der

Eingriffskondiktion

Darin liegt - wie es Joerges zutreffend formuliert - im Verhältnis zur Konzeption v. Savignys eine Verselbständigung der Leistungsebene in ihrem Bezug zu den gegenständlichen Güterbewegungen 5 . Damit - und hier liegt der entscheidende Unterschied zur herkömmlichen, sich auf die Konzeption v. Savignys beziehenden Bereicherungslehre - verändert sich die Funktion der Causa: Die Causa hat nicht mehr unmittelbare Güterbewegungen zwischen den beteiligten Parteien zu rechtfertigen, sondern sie bezieht sich als Rechtsgrund auf die Leistung und deren Zweck. Die Loslösung des Causa-Begriffs von der gegenständlichen Güterbewegung einerseits und dem ihr zugrundeliegenden schuldrechtlichen Vertrag, dem sog. Kausalverhältnis, wird noch deutlicher bei v. Caemmerer formuliert: „Als im Sinne des Bereicherungsrechts erhebliche causa der Leistung erscheint danach allein die Durchführung der schuldrechtlichen Vereinbarung"6. Die Funktion der Causa beschränkt sich in diesem Konzept auf die Zuordnung einer Güterbewegung zu einem Schuldverhältnis, die vom Leistenden vorgenommen wird. Noch einmal ist an dieser Stelle der Unterschied zur Kondiktionslehre v. Savignys hervorzuheben: Indem er die Kondiktion „als Ersatz für die verloren gegangene Vindication" 7 ansah, konnte er das Kausalgeschäft als Legitimation für den Bestand der Vermögensverschiebung begreifen, wobei der Rechtsgrund als Bestandteil des Kausalgeschäfts selbst gedacht war. In Wilburgs System des Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung kommt der Leistungskondiktion allein die Funktion zu, fehlgeschlagene Leistungen oder Leistungen aufgrund nachträglich weggefallener Kausalverhältnisse rückabzuwickeln. Nicht mehr der Irrtum des Leistenden und der Verlust der Vindikation, sondern „Inhalt und Zweck der Leistung" stehen im Zentrum des Anspruchs aus Leistungskondiktion 8 . Damit wird der Anspruch aus Leistungskondiktion dogmatisch auf eine Stufe mit anderen schuldrechtlichen Rückabwicklungsnormen gestellt 9 und von den sachenrechtlichen Aspekten der zugrundeliegenden Güterbewegung, die noch bei v. Savignys Vorstellung von der Kondiktion als Ersatz für die verlorengegangene Vindikation im Vordergrund gestanden hatten, abgelöst 10 . Diese strukturellen Veränderungen in der Dogmatik der Leistungskondiktion wurden von v. Caemmerer auf den Begriff gebracht; angelegt waren sie schon in der Vorarbeit Wilburgs.

5 6 7 8 9

Joerges, Bereicherungsrecht als Wirtschaftsrecht, 25. v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel I, 344. v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts V, Beylage XIV, 515. Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 113. Besonders deutlich v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel I,

342. 10

Vgl. dazu Joerges, Bereicherungsrecht als Wirtschaftsrecht, 25.

§ 6 Die Lehre vom

b) Der Rechtsgrund

bei der

Zuweisungsgebalt

151

Eingriffskondiktion

In scharfer Abgrenzung zu Begriff und F u n k t i o n der Causa im H i n b l i c k auf das dauerhafte Behaltendürfen geleisteter Gegenstände entwickelt Wilburg das Erfordernis des Rechtsgrundes außerhalb der Leistungskondiktion. Seine K r i tik setzt an der Ü b e r n a h m e des Causa-Begriffs von der Leistungskondiktion in die Nichtleistungskondiktion in der Nachfolge v. Savignys an, wobei Wilburg zu dem Ergebnis k o m m t : „Diese Übertragung verdunkelt das ganze Bereicherungsrecht" 1 1 . Die Übertragung des Tatbestandsmerkmals „ohne Rechtsgrund" in § 812 11 B G B von der Leistungskondiktion auf die Eingriffskondiktion sei zur Erfassung der Eingriffskondiktion nicht nur nicht hilfreich, sondern verschleiere in Wahrheit geradezu die zu beantwortenden Sachfragen. Eine gewisse - wenn auch nur äußerliche - Ähnlichkeit mit der rechtsgeschäftlichen Zuwendung weise der E r w e r b von Rechten durch gesetzliche Vorschrift auf. H i e r erfolge der Rechtsübergang, ohne daß es auf den Willen oder die Zweckgebung durch den Berechtigten ankomme 1 2 . Allerdings beruhe nicht jeder E r w e r b von Vermögensgütern auf einer gesetzlichen Vorschrift; ein solcher E r w e r b könne sich auch aus rein faktischem Handeln ergeben. Dies sei der Fall bei Gebrauch oder Verbrauch fremden Gutes. Hier sei keine gesetzliche Vorschrift nachweisbar, die dem E r w e r b von solchen Vermögensvorteilen eine rechtliche Grundlage gebe. „Die Vorstellung, daß hier ein Rechtssatz die Vermögensverschiebung begründe, wäre gesucht. Das Problem des rechtlichen Grundes läßt sich in diesen Fällen .natürlicher' Bereicherung nicht durch den Hinweis auf eine zugrundeliegende Erwerbsnorm lösen, deren Sinn über die Zulässigkeit der Bereicherungsklagen entscheiden könnte" 13 . Werde der Rechtsgrund als Tatbestand aufgefaßt, der nach der Rechtsordnung einen zureichenden G r u n d für eine dauerhafte Vermögensverschiebung liefere, so sei diese Begriffsableitung zirkulär: der R ü c k b e z u g auf das Gesuchte - nämlich die Bedeutung des Rechtsgrundes - liege auf der Hand 1 4 . D i e Übertragung des Erfordernisses des fehlenden Rechtsgrundes von der Leistungs- auf die Eingriffskondiktion sei auch deshalb irreführend, weil sie suggeriere, daß jede Vermögensverschiebung eines rechtlichen Grundes bedürfe, um dauerhaft Bestand zu haben. Manche meinten sogar, daß jede Bereicherung ungerechtfertigt sei, die nicht auf einem zwischen den Parteien bestehenden Schuldverhältnis beruhe. D a ß diese Auffassung nicht haltbar sei, zeige bereits die im Gesetz vorgesehene Möglichkeit, ohne Vertrag mit dem Eigentümer das Eigentum an Sachen, etwa durch Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung zu erwerben.

11

12 13 14

Wilburg, Wilburg, Wilburg, Wilburg,

Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 12. a.a.O., 12. a.a.O., 13. a.a.O., 14.

152

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

Allgemein sei zu beachten, daß bei dem Erwerb vermögenswerter Güter auf Kosten anderer zunächst davon auszugehen sei, daß der Erwerb gerechtfertigt sei; die Frage sei vielmehr auf den Grund der Ungerechtfertigtheit zu richten. „Es ist überhaupt, wenn jemand zum Nachteile Anderer einen Vorteil erlangt hat, die Frage zunächst nicht nach dem Grunde einer Rechtfertigung, sondern nach einem Grund der Ungerechtfertigtheit zu richten. Durch Verlegung einer Bahnstrecke wird ein Grundstück an Wert gewinnen, das andere verlieren; ein rechtlicher Grund für diese Wertverschiebung liegt nicht vor und doch ist die Bereicherung der einen Seite keine ungerechtfertigte15". Ein Gewinn auf fremde Kosten löse nur dann einen Bereicherungsanspruch aus, wenn er „auf den Schutz der fremden Interessen" stoße 16 . Damit rückt Wilburg die Eingriffskondiktion funktionell in unmittelbare Nähe des Deliktsrechts, denn auch dieses dient dazu, den Schutz fremder Interessen - wenn auch nicht hinsichtlich einer Bereicherung, sondern hinsichtlich eines Schadens - zu gewährleisten. Wenn auch das Beispiel, das Wilburg zur Untermauerung seiner These anführt, daß in den Fällen der Nichtleistungskondiktionen die Fragestellung auf den Grund der Ungerechtfertigtheit zu richten sei, so wohl nicht stimmt, ist Wilburg dennoch darin zuzustimmen, daß es Fälle des Erwerbs gibt, die dem Erwerber einen dauerhaften Vermögensvorteil verschaffen, ohne daß die Rechtsordnung dafür einen Rechtsgrund im technischen Sinne einer Causa fordern würde17. Die Erstreckung des Erfordernisses der Rechtsgrundlosigkeit aus dem Bereich der Leistungskondiktionen in den Sektor der Nichtleistungskondiktionen sei eine „bedenkliche Erbschaft des gemeinen Rechts" 18 , erklärbar nur „aus der suggestiven Macht der Leistungskondiktionen" 19 . Wilburg kommt zu dem Ergebnis, daß das Tatbestandsmerkmal des Mangels des Rechtsgrundes Inhalt und Umfang des Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung nur unzureichend erfasse. Die beiden Arten der ungerechtfertigten Bereicherung seien lediglich äußerlich durch den Umstand verbunden, daß es in beiden Fällen um einen von der Rechtsordnung mißbilligten Erwerb gehe. Dieser Umstand drücke sich negativ in der Rechtsgrundlosigkeit aus. Doch wiesen beide Kondiktionsarten positive Merkmale auf, so die Leistungskondiktion das Erfordernis der Causa. Demgegenüber sei dieses Tatbestandselement bei den Kondiktionen in sonstiger Weise nicht ergiebig. Es sei daher die Aufgabe der Rechtswissenschaft, die positiven Merkmale der Nichtleistungskondiktionen herauszuarbeiten20.

15 16 17 18 19 20

Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 14 f. Wilburg, a.a.O., 15. Vgl. Wilburg, a. a. O., 14. Wilburg, a.a.O., 15. Wilburg, a.a.O., 15. Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 18.

§6 Die Lehre vom Zuweisungsgehalt

153

2. Der Verzicht auf die Einheit der Bereicherungsansprüche als typisierendes Merkmal der Zuweisungsgehaltslehre In der Feststellung, daß die positiven Tatbestandsmerkmale von Leistungsund Nichtleistungskondiktionen unabhängig voneinander zu entwickeln seien, liegt bereits eine dogmatische Konsequenz der Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte, nämlich die A u f g a b e der bis dahin als Einheit aufgefaßten Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung. Die unterschiedlichen Arten der Kondiktionen, die sich im Laufe der rechtsgeschichtlichen Entwicklung herausgebildet hatten, w u r d e n z w a r erst auf einer relativ späten historischen Entwicklungsstufe als einem einheitlichen Prinzip unterworfen erkannt. Die B e w a h r u n g dieses Prinzips, von dem auch der Gesetzgeber des B G B ausgegangen war, führte im Rahmen der Vermögensverschiebungstheorie mit der gleichförmigen A n w e n d u n g des Rechtsgrunderfordernisses zu Problemen bei der Integration der N u t z u n g s - und Gebrauchsfälle sowie der Fälle der Verletzung von Immaterialgüterrechten in das Recht der Eingriffskondiktion. Seine Bedenken gegen die Einheitlichkeit der Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung formuliert Wilburg deutlich: „Daß die Klage aus unbegründeter Leistung und aus Bereicherung ohne Leistung in ihrem Fundament zusammengehören, ist nie erwiesen worden; der offenbare Mißerfolg der Bereicherungsdogmatik spricht deutlich dagegen. Die noch folgende Untersuchung erhofft sich ein klärendes Ergebnis durch gänzliche Scheidung (Hervorhebung durch den Verfasser)" 21 . Im späteren Verlauf seiner Untersuchung kommt Wilburg zu dem Ergebnis, daß „der Anspruch wegen Bereicherung in sonstiger Weise nach der dargestellten Grundlage in seiner Entstehung mit den Leistungskondiktionen nichts zu tun" 2 2 habe. Durch die Trennung der Tatbestandsvoraussetzungen von Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen im Rahmen des § 812 11 BGB w u r d e die Dogmatik der Nichtleistungskondiktionen von dem Ballast befreit, den die undifferenzierte Anwendung der Rechtsgrundvoraussetzung und des Vermögensverschiebungserfordernisses auf die Nichtleistungskondiktionen mit sich gebracht hatten. Dadurch gewann Wilburg hinsichtlich der Funktionsbestimmung und der Tatbestandsbildung der Eingriffskondiktion den dogmatischen Spielraum, der erforderlich war, u m diesem Rechtsinstitut eine in sich stimmige und sachangemessene Position in der Gruppe der Regelungen des B G B z u m außervertraglichen Schuldrecht zu geben.

21 22

Wilburg, a.a.O., 23. Wilburg, a. a. O., 49.

154

Kapitel I: Dogmatische Grundlagen der

3. Divergente

Funktionen

von Leistungs-

Eingriffskondiktion

und

Eingriffskondiktion

Wird der Ansatz Wilburgs, daß es sich bei Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen um völlig separate Ansprüche handelt, einmal akzeptiert, so ist auch der Schritt zu der Erkenntnis, daß diese Anspruchstypen unterschiedlichen Funktionen dienen, nicht weit. Wilburg selbst sah in den Leistungskondiktionen Ansprüche zur Rückabwicklung fehlgeschlagener Leistungen, genauer gesagt: von Leistungen, bei denen der vom Leistenden verfolgte Zweck nicht erreicht worden ist. Er vergleicht diese Art der Kondiktionen mit einer rechtsgeschäftlichen Anfechtung23. Diesen Kondiktionstyp kontrastiert er mit der Bereicherung in sonstiger Weise. Hier gehe es nicht um die Rückabwicklung einer Leistung, sondern um die Verwirklichung des Zwecks eines verkürzten Rechts24. Mit noch größerer Trennschärfe hat v. Caemmerer die divergierenden Funktionen von Leistungs- und Nichtleistungskondiktion formuliert, indem er den Ansatz Wilburgs aufgreift. Die Leistungskondiktion als Rückabwicklungsanspruch gehöre zum Recht der Güterbewegung und habe hier die Funktion einer Ergänzung und eines Störungskorrektivs. Dogmatisch seien die Leistungskondiktionen auf derselben rechtlichen Ebene anzusiedeln wie die Vorschriften, die die Abwicklung etwa eines Mietvertrages, Pachtvertrages, Darlehens, einer Verwahrung, eines Rücktritts vom Vertrag und einer Wandlung beträfen. Wenn hier die Rückgabe des Geleisteten nicht besonders geregelt worden wäre, handelte es sich um Anwendungsfälle der condictio ob causam finitam25. Dabei stelle das Recht der Leistungskondiktion die technische Regelung der Rückabwicklung dar. Die eigentlichen Gründe, die zu der Zweckverfehlung geführt haben, seien nicht Bestandteil des Bereicherungsrechts. Dieses würde durch die Aufnahme der vielfältigen Interessen und Aspekte, die bei den Voraussetzungen des wirksamen Zustandekommens und der Dauerhaftigkeit rechtsgeschäftlicher Vereinbarungen zu berücksichtigen sind, zu einer Überlastung des Rechts der Leistungskondiktionen führen26. Als zweite bedeutende Gruppe der Kondiktionsansprüche macht v. Caemmerer die Ansprüche aus, die auf der Bereicherung aus fremdem Gut beruhen. Die Kondiktion wegen Bereicherung aus fremdem Gut ist die Eingriffskondiktion. Anders als die Leistungskondiktionen, die dem Recht des Güterverkehrs zuzuordnen seien, diene der Anspruch wegen Bereicherung aus fremdem Gut dem Güterschutz und sei insoweit dem Deliktsanspruch wegen Verletzung absoluter Rechte, der actio negatoria und dem Vindikationsanspruch vergleichbar27. 23 24 25 26 27

Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 11. Wilburg, a.a.O., 28. v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel I, 333 ff. (342). v. Caemmerer, a.a.O., 343. v. Caemmerer, a.a.O., 353.

§ 6 Die Lehre vom

Zuweisungsgehalt

155

Die Rechtsgrundlosigkeit bei dieser Art des Bereicherungsanspruchs ergebe sich aus dem Widerspruch der beim Bereicherten eingetretenen Vermögenslage zum Zuweisungsgehalt des Eigentums, wenn es sich um Sachen handele, oder zum Zuweisungsgehalt sonstiger Rechte 28 . Die Zuordnung des Kondiktionsanspruchs wegen Bereicherung aus fremdem Gut zu den Rechtsinstituten, die dem Güterschutz dienen, geht zwar in die richtige Richtung, ist aber - wie sich unten zeigen wird - nicht präzise genug. Dem Rechtsgüterschutz dient vor allem das Deliktsrecht, das für einen Ausgleich für den Fall sorgt, daß Rechtsgüter durch rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten beeinträchtigt werden und ihrem Inhaber ein Schaden entsteht. Die Zuordnung der Nichtleistungskondiktion und insbesondere der Eingriffskondiktion zum Rechtsgüterschutz verwischt zu sehr die funktionsbezogenen Grenzen der Eingriffskondiktion zum Deliktsrecht. Wie sich unten weiter zeigen wird, läßt sich die Funktion der Eingriffskondiktion noch präziser fassen als das durch den recht pauschalen Hinweis auf den Güterschutz geschieht.

II. Die erste Entwicklungsstufe der Lehre vom Zuweisungsgehalt: Die Fortwirkung des verletzten Rechts als tragender Grund für die Eingriffskondiktion Die Erkenntnis Wilburgs, das Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen auf separaten und völlig voneinander unabhängigen Grundlagen beruhen, schaffte den dogmatischen Spielraum, der für eine Neubestimmung der Funktion dieses Rechtsinstituts und einer darauf fußenden neuen tatbestandlichen Grundlage der Eingriffskondiktion erforderlich war. In Abkehr von den bis dahin angenommenen Voraussetzungen der Vermögensverschiebung und der Rechtswidrigkeit des Eingriffs sah Wilburg die dogmatische Grundlage der Eingriffskondiktion im absoluten subjektiven Recht, in das der Bereicherte unbefugt eingreift.

1. Die Verbindung von Bereicherungsanspruch und verletztem Recht bei Heck Der Bezug auf das Eigentum und andere absolute Rechte als Grundlage des Anspruchs aus Eingriffskondiktion kennzeichnet den Ansatz Wilburgs im Kontrast zur Vermögensverschiebungslehre und zu den verschiedenen Ausprägungen der Rechtswidrigkeitstheorie. Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß auch diese Auffassung nicht ohne Vorläufer ist. Bereits Heck hat die Bedeutung der absoluten subjektiven Rechte für die Auslegung und Konkretisierung 28

v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel I, 353.

156

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

von § 812 11 BGB hervorgehoben. Für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals „auf dessen Kosten" sei keine Vermögensminderung beim Kondizienten erforderlich; vielmehr genüge es, wenn dem Kondizienten Erwerbsmöglichkeiten zugewiesen seien, auch wenn nicht feststehe, daß der Kondizient im Einzelfall den Erwerb auch gemacht haben würde 29 . Heck fährt dann fort: „In der Anerkennung eines subjektiven Rechts liegt m.E. immer die Zuweisung desjenigen Erwerbs, der durch die Veräußerung und Ausübung erzielt wird. Die Zuweisung ist für den Fall eines wissentlichen Eingriffs positiv ausgesprochen in § 687, 2 ferner für die Fälle eines Vernichtungserwerbs in § 816. Die Probleme des Ausübungserwerbs haben größtenteils Sonderregelungen erfahren, z.B. hinsichtlich des Eigentums in § 987f." 30 .

Darüber hinaus sieht Heck eine Zuweisung auch bei den Immaterialgütern, insbesondere beim Urheberrecht. Hier sei dem Berechtigten der gesamte aufgrund des Eingriffs erzielte Erwerb zugewiesen, auch wenn ein Absatzausfall auf seiner Seite nicht feststellbar sei. In der Bezugnahme auf das absolute subjektive Recht für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „auf dessen Kosten" in § 812 I 1 BGB liegt bereits in gewisser Weise ein Anstoß zur fünf Jahre später von Wilburg begründeten Rechtsfortwirkungslehre, die durch v. Caemmerer zur Zuweisungsgehaltstheorie ausgebaut werden sollte. Obwohl Heck bereits von Zuweisung spricht, handelt es sich doch nicht um mehr als einen Anstoß, weil erst Wilburg durch die konsequent durchgeführte Trennung von Leistungs- und Nichtleistungskondiktion die Grundlage für die differenzierte, auf die funktionellen Anforderungen der jeweiligen Kondiktionsarten abstellende Tatbestandsbildung schuf. 2. Die Uberwindung

der

Vermögensverschiebungsdoktrin

Es fiel Wilburg relativ leicht, die Notwendigkeit einer neuen dogmatischen Grundlage für das Bereicherungsrecht zu begründen, konnte er doch auf eine Praxis verweisen, die in wesentlichen Aspekten nicht mehr mit den Prämissen der überkommenen, damals in Rechtsprechung und Lehre vorherrschenden Bereicherungsdogmatik in Ubereinstimmung zu bringen war 31 . Dies macht Wilburg am Schadenserfordernis im Rahmen des Tatbestands der Eingriffskondiktion deutlich. Die damals herrschende Vermögensverschiebungslehre forderte zur Begründung des Bereicherungsanspruchs eine unmittelbare Verschiebung von Vermögensvorteilen zwischen Kondizienten und Bereichertem. Eine solche Vermögensverschiebung konnte nur dann angenommen werden, wenn der Vermögensvorteil des Bereicherten einem Vermögensnachteil, einem Schaden auf Seiten des Kondizienten entsprach. In den Fällen des Sach29 30 31

Heck, Grundriß des Schuldrechts, 421. Heck, a . a . O . , 421. Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 98 ff.

§ 6 Die Lehre vom

157

Zuweisungsgehalt

gebrauchs und der Verletzungen des Urheberrechts war häufig kein Schaden des Kondizienten feststellbar, z.B. weil er selbst die Nutzung der Sache bzw. des Rechts nicht vorgenommen hätte. Die Rechtsprechung - unterstützt von der h. L. - erkannte unter Verwendung fragwürdiger Konstruktionen (z. B. der Vermögensnachteil des Kondizienten muß nur „irgendwie" vorhanden sein, nach Art und Umfang aber nicht dem Vermögensvorteil des Bereicherten entsprechen 32 ) auch in solchen Fällen den Bereicherungsanspruch an. Faktisch wurde dadurch das Schadenserfordernis (und die Vermögensverschiebung) aufgegeben und verkam zur Fiktion 3 3 . Als Ersatz für diese Prämissen, über die die Praxis hinweggegangen war, kam die Lehre vom Eingriffserwerb nicht in Betracht, weil der Anwendungsbereich des Bereicherungsanspruchs viel zu weit ausgedehnt werde 3 4 .

3. Die Legitimation des Anspruchs wegen aus der Fortwirkung des verletzten

Eingriffsbereicherung Rechts

In Abgrenzung zu Vermögensverschiebungs- und Rechtswidrigkeitslehren sieht Wilburg die Grundlage des Anspruchs aus Nichtleistungskondiktion in dem Zweck des unbefugt in Anspruch genommenen Rechts, welches dem Berechtigten bestimmte Güter und deren Nutzung zuordne. „Nicht die außerhalb des Rechtes liegende Idee einer Vorteilsentziehung als strafende Reaktion gegen unrechtes Handeln, sondern der rein sachliche Zweck des verkürzten Rechtes, bestimmte Güter und deren Nutzen dem Berechtigten zuzuweisen, scheint das Geheimnis der Ungerechtfertigtheit fremden Erwerbs zu enthalten. In ihm suchen wir als innere Kraft des Bereicherungsanspruchs eine organische Grundlage" 35 . Die „organische" Grundlage des Bereicherungsanspruchs bilden also die subjektiven Privatrechte. Diese Rechte weisen - soweit sie absolute sind - dem Inhaber das Haben, Nutzen und Veräußern eines Gutes exklusiv zu. Greift ein anderer unbefugt in den Zuweisungsgehalt des fremden Rechts ein, so ist er deshalb ungerechtfertigt bereichert, weil das Nutzen des Gutes, das den Gegenstand des Rechts bildet, allein dem Berechtigten zusteht 36 .

a) Das Eigentum als „ organische" des Bereicherungsanspruchs

Grundlage

Bei der Neufundierung des Bereicherungsanspruchs auf der Grundlage absoluter subjektiver Rechte stand Wilburg als „Modell" das Eigentum an Sachen 32 33 34 35 36

Vgl. dazu RG 9.6.1928, RGZ 121, 258 (263) (Frauenberufe). Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 103. Wilburg, a.a.O., 105. Wilburg, a. a. O., 27. Wilburg, a.a.O., 28ff.

158

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

vor Augen 3 7 . A m Ausgangspunkt seiner Überlegungen steht die Beobachtung, daß sich der wirtschaftliche Zweck des Eigentums nicht in der dinglichen Herrschaft über die Sache erschöpft, die durch die Vindikationsklage und die actio negatoria vor Eingriffen Dritter geschützt ist. Vielmehr verschaffe sich der wirtschaftliche Zweck des Eigentums in rechtlich anderer Form, nämlich als Bereicherungsanspruch Geltung, wenn die rechtlich geschützte Sachherrschaft irreversibel beendet sei, weil die Sache ihre Selbständigkeit verloren habe oder untergegangen sei. So sei im Verbrauch einer fremden Sache für eigene Rechnung, ohne daß der Eigentümer zugestimmt habe, ein zuweisungswidriger Erwerb zu sehen, wenn der Nutzer dadurch die Verwendung einer eigenen Sache erspart habe 3 8 . „Die Verwendung für einen Andern widerspricht dem Eigentumszweck, und fordert aus dessen Kraft die Auseinandersetzung. Aus dem Eigentum folgt die Bereicherungsklage" 39 . Die Fortwirkung des Eigentums zeigt sich auch - und vor allem - dann, wenn das Eigentum des Berechtigten bereits beendet ist, sei es dadurch, daß ein anderer es erworben hat ( § 9 5 1 I, § 816 I 1 B G B ) oder daß die Sache selbst durch Verbrauch untergegangen ist. Auch der Erwerb von Gebrauchsvorteilen durch einen Nichtberechtigten ist als Fortwirkung des Eigentumsrechts Gegenstand des Anspruchs aus Eingriffskondiktion. Die Bereicherungsklage wegen Eingriffs stellt sich nach der Vorstellung Wilburgs als eine Fortsetzung des Eigentums in anderer Form - nämlich in der F o r m eines obligatorischen K o n diktionsanspruchs - gegenüber demjenigen dar, der ohne dazu befugt zu sein, einen Vorteil aus dem fremden Eigentum gezogen hat, bzw. in dessen Vermögen sich ein unbefugt gezogener Vorteil befindet 4 0 .

b) Die Rechtsfortwirkung anderer absoluter als Grundlage der Eingriffskondiktion

Rechte

Die Bereicherungsklage steht nicht nur dem Eigentümer zu Gebote, aus dessen Sache ein anderer unbefugt Nutzen gezogen hat, sondern kann auch auf die Wirkung anderer absoluter Rechte „und Rechtssätze der Güterwelt" gestützt werden 4 1 . Zu dem Kreis solcher Rechte zählt Wilburg die Aneignungsrechte an herrenlosen Sachen, das Bergwerksrecht, Fischerei- und Wasserrecht sowie dingliche Rechte an fremden Sachen wie z. B. das Pfandrecht, Dienstbarkeit sowie dingliche Vorkaufs-, Miet- und Pachtrechte 4 2 .

37 38 39 40 41 42

Wilburg, Wilburg, Wilburg, Wilburg, Wilburg, Wilburg,

a . a . O . , 28. Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 28. a. a. O., 28. a . a . O . , 29. a . a . O . , 35. a. a. O., 36.

§ 6 Die Lehre vom

Zuweisungsgehalt

159

Demgegenüber könne der Besitz nicht Grundlage der Bereicherungsklage sein, weil er lediglich bezwecke, daß bestehende Zustände nicht eigenmächtig verändert werden sollten. Ihm komme daher polizeilicher Charakter zu und er sei dem Eigentum nicht gleichzustellen 43 . Anders liege es bei den petitorischen Rechten, die sich auf früheren Besitz stützen (§ 1007 BGB). Denn das in § 1007 BGB geregelte Recht ziele auf eine endgültige Zuweisung von Haben und Nutzen an einer Sache zugunsten des (früheren) Besitzers. Weiterhin bezieht Wilburg die Immaterialgüterrechte, nämlich das Urheber-, Patent-, Gebrauchs-, Geschmacksmuster- und Warenzeichenrecht in den Schutzbereich der Bereicherungsklage ein. Damit setzt er sich in Widerspruch zu der damaligen h.L., die die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion in den Gebieten des Patent-, Muster- und Warenzeichenrechts ausgeschlossen hatte. Die Argumente, die zum Ausschluß der Immaterialgüterrechte aus dem Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion herangezogen wurden, hält Wilburg nicht für stichhaltig 44 . Auch bestimmte Persönlichkeitsrechte seien bereicherungsrechtlich geschützt, so etwa Name, Firma, das Recht am eigenen Bild und die Arbeitskraft, letztere aber nur insoweit, als es sich tatsächlich um eine Verwendung handele 45 . Nicht einbezogen ist die Nutzung fremder, ungeschützter Geisteswerke. Diese sind gemeinfrei. Einen außerordentlich weiten Anwendungsbereich erhält die Eingriffskondiktion dadurch, daß nicht nur die unbefugte Inanspruchnahme von Gütern, die Gegenstand absoluter subjektiver Rechte sind, bereicherungsrechtlich sanktioniert wird, sondern sich die Bereicherungsklage auch auf die Verletzung von Rechtssätzen stützen kann, die das Vermögen schützen, ohne daß dem Geschützten ein absolutes subjektives Recht eingeräumt wird 46 . Einen Unterschied zwischen den beiden Kategorien von Normen ergibt sich nach Auffassung von Wilburg nur insoweit, daß der Bereicherungsanspruch wegen unbefugter Inanspruchnahme fremder absoluter subjektiver Rechte auch ohne rechtswidriges Handeln des Bereicherungsschuldners gegeben ist. Im Rahmen der Rechtsnormen, die durch die Eingriffskondiktion geschützt seien, ohne daß ihnen ein absolutes subjektives Recht zugrundeliege, bildeten die Normen des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb die wichtigste Kategorie. So sei der Bereicherungsanspruch gegeben, wenn sich jemand rechtswidrig das Betriebsgeheimnis eines anderen verschaffe, dieses nutze und sich so bereichere. Ebenso liege es, wenn ein Mitbewerber durch irreführende Reklame die Kunden seiner Konkurrenten abwerbe 47 . 43 44 45 46 47

Wilburg, Wilburg, Wilburg, Wilburg, Wilburg,

Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 3 7 f. a.a.O., 44. a.a.O., 43. a.a.O., 44. a. a. O., 45.

160

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

Allerdings warnt Wilburg zu Recht davor, mit einer überdehnten Anwendung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion im Wege über das Bereicherungsrecht neue exklusive Rechte zu schaffen. „Dies strebt der Schaffung neuer ausschließlicher Rechte zu, darf aber nicht dazu führen, daß über die gesetzlich festgelegten Voraussetzungen des Immaterialgüterrechts hinaus jeder Einfall, jede gelungene Maßnahme zum Privileg werde. Eine nichtpatentierte Erfindung ist nur ausnahmsweise, wenn z.B. der Nachahmer die Kenntnis erschlichen hat oder durch die sklavische Ähnlichkeit über die Herkunft täuscht, zu schützen" 48 .

c) Sonstige rechtlich geschützten

Interessen

Wilburg billigt nur absoluten subjektiven Rechten und absolut geschützten Interessen den Schutz der Klage aus Eingriffsbereicherung zu. Damit werden relative subjektive Rechte, etwa vertragliche Ansprüche aus dem Anwendungsbereich der Kondiktion ausgeschlossen49. Nur die Forderungszuständigkeit unterliege nach § 816 II B G B dem Schutz der Eingriffskondiktion, weil diese Position absolut, d.h. gegenüber jedermann, gewährleistet sei. Wilburg verzichtet auf eine nähere Begründung, warum Forderungen nicht an dem Schutz durch den Anspruch aus Eingriffskondiktion teilnehmen. Er weist darauf hin, daß im Bereich der Forderungen der Anspruch auf Herausgabe des stellvertretenden Commodums (§ 281 B G B ) eine dem Anspruch aus Eingriffsbereicherung vergleichbare Funktion habe.

4. Der Umfang des

Bereicherungsanspruchs

Die Lehre Wilburgs über Funktion und Anwendungsbereich der Kondiktion baut auf der Trennung von Leistungskondiktionen und Nichtleistungskondiktionen auf. Es liegt daher nahe, auch bei der Bestimmung des Anspruchsinhaltes zwischen diesen Kondiktionsarten zu differenzieren.

a)

Leistungskondiktionen

Der Grund für die Herausgabepflicht liegt hier in der Verfehlung des Leistungszweckes. Es ist daher nur konsequent, wenn Wilburg als Gegenstand der Bereicherungklage die Rückgabe des Geleisteten oder (bei Unmöglichkeit) die Herausgabe seines Wertes ansieht50.

48 49 50

Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 45 f. Wilburg, a.a.O., 46f. Wilburg, a.a.O., 124.

§ 6 Die Lehre vom

b)

Zuweisungsgehalt

161

Nichtleistungskondiktionen

Anders als bei der Leistungskondiktion liegt die Rechtfertigung des Bereicherungsanspruchs bei den Nichtleistungskondiktionen nicht im Fehlschlagen eines von den Parteien verfolgten Leistungszwecks, sondern in der Fortwirkung eines vom Bereicherungsschuldner unbefugt verkürzten Rechts, das dem Kondizienten zusteht. Die Kondiktionsklage wegen Nichtleistung erstreckt sich auf alle Vermögensbestandteile, die vom Zuweisungsgehalt des verkürzten Rechts erfaßt werden. „Der Anspruch richtet sich als Rechtsfortwirkung auf alle Güter, die in den Z u weisungsbereich des Grundrechtes fallen. E r umfaßt alle Vorteile des Bereicherten, die mit dem fremden Rechtsgut in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen" 5 1 .

Den wirtschaftlichen Zusammenhang von Vorteilen auf Seiten des Kondiktionsschuldners und dem Rechtsgut des Kondizienten bestimmt Wilburg auf zweierlei Weise: Er ist gegeben, wenn der Substanzwert, etwa durch Verbrauch, Veräußerung oder Verarbeitung vom Kondiktionsschuldner erworben wurde. Darüber hinaus hat der Kondiktionsschuldner die Vorteile herauszugeben, die er durch die Nutzung des fremden Gutes erlangt hat. Allerdings seien bei den Nutzungen Sonderregelungen, wie etwa die Normen zum Schutz des redlichen entgeltlichen Besitzers in § 993 B G B zu beachten. Bei immateriellen Gütern hingegen sei eine rechtliche Trennung von Verbrauch und Gebrauch, zwischen Substanz und Nutzungen nicht gezogen. Hier sei - wie von Schulz vorgeschlagen zwischen technischem (Verletzungsgegenstände) und wirtschaftlichem Eingriffserwerb (Ertrag aus der Verwertung der Eingriffsgegenstände) zu unterscheiden. Der technische Eingriffserwerb gebühre dem Verletzten oder unterliege der behördlichen Vernichtung. Der wirtschaftliche Eingriffserwerb, der Ertrag aus der Geschäftstätigkeit unter Verwendung fremden Guts, stehe dem Kondizienten zu52. Seine Grenze findet der Bereicherungsanspruch dort, wo sich ein Erwerb nicht als Verwendungserfolg darstellt, der unter Inanspruchnahme fremden Rechtsguts erlangt wurde53. Hinsichtlich des Umfanges der Herausgabepflicht entscheidet sich Wilburg im Grundsatz für einen Anspruch auf den Gewinn des Bereicherten, wobei dieser Gewinn in vollem Umfang aber nur dann der Herausgabepflicht unterliegen soll, wenn der Ertrag nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise ausschließlich auf der Verwendung des fremden Rechtsguts beruht54. 51 52 53 54

Wilburg, Wilburg, Wilburg, Wilburg,

Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 122. a.a.O., 124. a.a.O., 124. a.a.O., 126.

162

Kapitel I: Dogmatische Grundlagen der

Eingriffskondiktion

In der Regel wird eine solche Ausschließlichkeit indes nicht vorliegen. In solchen Fällen plädiert Wilburg dafür, daß der Umfang der herauszugebenden Bereicherung nach den jeweiligen Beitragsanteilen der Beteiligten am erzielten Erfolg berechnet wird. Für den Fall, daß eine Ermittlung der Beitragsquoten unmöglich sei oder zu aufwendig wäre, komme ein Ausgleich durch ein angemessenes Entgelt in Betracht. Zur Lösung des Problems der Beitragswertbemessung greift Wilburg auf Vorbilder des österreichischen und französischen Gesellschaftsrechts zurück. In diesen Rechtsordnungen bestimme sich in Abwesenheit entsprechender Vereinbarungen die Gewinnverteilung nach dem Verhältnis der jeweiligen Beiträge. Dieses Prinzip finde sich auch im Sachenrecht; bei der Verbindung getrennter Sachen würden die Eigentümer Miteigentümer im Verhältnis des Wertes der von ihnen eingebrachten Gegenstände. Das Argument von Schulz gegen die Berücksichtigung der einzelnen Beitragswerte läßt Wilburg nicht gelten. Schulz hatte die Berechnung nach Beitragswerten abgelehnt, weil dies mit der Kausalität der einzelnen Beiträge nicht in Ubereinstimmung zu bringen sei: Es gebe keine verteilende Kausalität. Wilburg hält dem entgegen, daß es sich bei der Verteilung neu entstandener Vermögenswerte nach Beitragsquoten nicht um ein Problem der Kausalität handele; vielmehr gehe es „um wirtschaftliche Zurechnung nach den Grundsätzen des praktischen Lebens" 55 . Bei dem Herausgabeanspruch des § 816 I auf „das durch die Verfügung Erlangte" sei zu differenzieren: Teile eines Gewinnes könnten u.U. nicht der Sache, sondern den besonderen Bemühungen und Fähigkeiten des Veräußernden zuzuschreiben sein. Dann seien diese Gewinnanteile nicht Gegenstand des Herausgabeanspruchs, weil sie nicht „aus der Verfügung" erlangt seien56. Daneben gibt es Fallkonstellationen, bei denen eine beitragsorientierte Zurechnung von Gewinnanteilen nicht möglich oder zu schwierig ist. In solchen Fällen plädiert Wilburg dafür, die ortsübliche Vergütung, die der Rechtsverkehr für Güter und Dienstleistungen herausgebildet hat, als Maßstab für die Bestimmung des Anspruchs wegen Eingriffsbereicherung heranzuziehen57. Die Problemlage bei der Eingriffskondiktion wegen unbefugter Verwendung fremden Guts sei der Situation bei einem Vertrag vergleichbar, bei dem die Parteien die Gegenleistung nicht bestimmt hätten: Hier habe der Richter die Höhe der Gegenleistung festzusetzen, der dies unter Bezug auf das ortsübliche Entgelt tue. Dabei seien der verhältnismäßige Gewinnanteil und die angemessene Vergütung nicht als Gegensatz anzusehen. Auch letztere bedeute eine Beteiligung des Kondizienten am Gewinn, der unter Verwendung seines Gutes vom Bereicherungsschuldner erzielt worden ist. Die angemessene Vergütung sei gerade dazu bestimmt, den wirtschaftlichen Vorteil, der sich aus einer Vermögensverschie55 56 57

Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 131. Wilburg, a.a.O., 132f. Wilburg, a.a.O., 133ff.

§ 6 Die Lehre vom

Zuweisungsgehalt

163

bung ergäbe, beiden Beteiligten zukommen zu lassen. Dieses Modell entspreche auch der Preisbildung im Rahmen privatrechtlicher Verträge 58 .

c) Wegfall der Bereicherung Die Berücksichtigung bereicherungsmindernder Umstände im Rahmen des § 8 1 8 III B G B befindet Wilburg für zu weitgehend: Die ebenfalls schützenswerten Interessen des Kondizienten kämen dabei zu kurz. „Diese Ergebnisse sind bedenklich. Sie machen den Eindruck, den Bereicherten gegenüber dem Ersatzgläubiger ohne einleuchtenden Grund zu bevorzugen"59. Das in §§ 818 IV, 819 B G B zum Ausdruck kommende Prinzip, die verschärfte Haftung des Bereicherungsgläubigers nur bei Rechtshängigkeit bzw. Bösgläubigkeit eintreten zu lassen, stelle eine unangemessene Bevorzugung des Bereicherungsschuldners dar 60 . Im Vergleich mit anderen Rechtsordnungen legt er die singuläre Stellung des deutschen Rechts im Hinblick auf die angesprochene Interessenwertung dar. Als bessere Lösung schlägt Wilburg die Anwendung des Veranlassungsprinzips vor. Danach soll das Risiko des gänzlich oder partiellen Verlustes des Erlangten derjenige tragen, der den rechtsgrundlosen Erwerb veranlaßt hat 61 . Die Frage der Veranlassung könne nicht generell festgelegt werden, sondern sei im Einzelfall zu entscheiden.

III. Die Weiterentwicklung des Rechtsfortwirkungsgedankens: Der Zuweisungsgehalt absoluter subjektiver Rechte als Grundlage der Eingriffskondiktion Wilburgs Neubegründung der bereicherungsrechtlichen Dogmatik bestätigte insbesondere durch die Trennung von Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen Ergebnisse einer bereits vorhandenen Praxis, die mit den Ansätzen des überkommenen Theoriekonzepts nicht mehr erklärbar war, und eröffnete auf diesem Wege die Chance zu einer Wiederannäherung von Theorie und Praxis auf dem Feld des Bereicherungsrechts. Der Entwurf Wilburgs stellte aber keinen Endpunkt einer dogmatischen Entwicklung dar, sondern einen Anstoß, der insbesondere durch v. Caemmerer aufgegriffen, verfeinert und weitergeführt wurde.

58 59 60 61

Wilburg, Wilburg, Wilburg, Wilburg,

Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 136. a.a.O., 142. a.a.O., 145. a.a.O., 147ff.

164

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

1. Die

der

Eingriffskondiktion

Grundkonzeption

Kennzeichnend für die dogmatische Konzeption v. Caemmerers ist die Anknüpfung an die von Wilburg begründete kategoriale Trennung von Leistungsund Nichtleistungskondiktionen. Bei dieser relativ groben Einteilung der Kondiktionstypen bleibt v. Caemmerer indes nicht stehen. a) Die Einteilung

der Kondiktionen

in Typen

Die Einteilung der Kondiktionen in Anspruchstypen bedeutet keine Aufgabe des Grundgedankens, der das gesamte Kondiktionenrecht durchzieht: daß nämlich rechtsgrundlos erlangte Vermögensvorteile dem Berechtigten zurückgegeben werden müssen. Bei den Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung sei zu beachten, daß die heutige Generalklausel erst im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens zum BGB entstanden sei, aber - historisch gesehen sich aus Einzeltatbeständen entwickelt habe62. Diese Einzeltatbestände dienten ganz unterschiedlichen Zwecken: Die Anspruchsvoraussetzungen, etwa das Erfordernis der Rechtsgrundlosigkeit, seien daher in den unterschiedlichen Konstellationen, in denen ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung Anwendung findet, unterschiedlich zu interpretieren. Bei § 812 BGB handelt es sich um eine Generalklausel, deren sachgemäße Anwendung die Bildung von Fallgruppen und Anspruchstypen erfordere, um so die Konkretisierung des allgemeinen Grundsatzes im Hinblick auf die Rechtsanwendung im Einzelfall zu ermöglichen. Im Hinblick auf die notwendige Konkretisierung bildet v. Caemmerer unter Nutzung der rechtsvergleichenden Methode - fünf Fallgruppen der ungerechtfertigten Bereicherung, nämlich: aa) Die

Leistungskondiktion6i

Der wichtigste Fall der Leistungskondiktion ist die condictio indebiti64. Dabei bildet den vermeintlichen „Rechtsgrund" einer Leistung ein vertraglicher oder gesetzlicher Anspruch bzw. eine Naturalobligation. Der Leistende muß sich im Hinblick auf die Existenz des Rechtsgrundes in einem Irrtum befunden haben; eine Leistung im Wissen darüber, nichts zu schulden, berechtigt nicht zur Rückforderung. Zurückgefordert werden könne alles, was Gegenstand vertraglicher Leistungsvereinbarungen bzw. gesetzlicher Leistungsverpflichtungen sei. 62 v. Caemmerer, Bereicherung u n d unerlaubte H a n d l u n g , probleme des Bereicherungsrechts, in: Leser (Hrsg.), Ernst Schriften I, 373. 63 v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte H a n d l u n g , 64 v. Caemmerer, G r u n d p r o b l e m e des Bereicherungsrechts,

FS Rabel I, 335; ders., G r u n d v. C a e m m e r e r - Gesammelte FS Rabel I, 340 ff. in: Leser (Hrsg.), a.a.O., 376ff.

§ 6 Die Lehre vom

bb)

Zuweisungsgehalt

165

Aufwendungskondiktion

Als weitere Fallgruppe erwähnt v. Caemmerer die Kondiktion von Impensen. Es geht dabei um Aufwendungen einer Partei, die dem Vermögen der anderen Partei zugutekommen 65 . Bei Rückforderung solcher Aufwendungen handele es sich nicht um eine Leistungskondiktion, weil der Kondizient nicht in der Absicht handelt, Bestandteile seines Vermögens einem anderen zuzuwenden. Es geht dabei z. B. um Bauten auf fremden Grundstücken oder um die Verwendung eigener Sachen in der irrigen Meinung, es handele sich um fremde66 und um Reparaturen fremder Sachen. Da der Aufwendende hier zur Förderung seiner eigenen Interessen handeln will, stellen sich teilweise andere Fragen als bei der Leistungskondiktion. So kann es angemessen sein, dem Handelnden den Bereicherungsanspruch zu versagen, wenn er wußte, daß er ohne Rechtsgrund einen anderen bereicherte67. Lasse man einen Bereicherungsanspruch des Verwenders zu, so müßten auch die Interessen des Bereicherungsgläubigers berücksichtigt werden. Er müsse in seinen wirtschaftlichen Dispositionen gegen eine aufgedrängte Bereicherung geschützt werden. cc) Zahlung fremder

Schulden

Bei Zahlung fremder Schulden sei ein Bereicherungsanspruch gegeben, wenn nicht ohnehin eine Legalzession das Interesse des Zahlenden wahre. Die Kondiktion beruhe hier auf der Erwägung, daß der Zahlende eine Pflicht erfüllt habe, der nicht er, sondern der Schuldner unterlegen habe68. dd)

Versionsklagen

Hierbei geht es um die Fälle, in denen eine Vertragsleistung einer Person zugutegekommen sind, die nicht Vertragspartei gewesen ist69. ee)

Eingriffskondiktion

Schließlich arbeitet v. Caemmerer als - neben der Leistungskondiktion wichtigsten Fall seiner Typologie von Bereicherungsansprüchen die Kondiktion aufgrund der Verletzung fremden Gutes heraus70.

65 v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel 1,365 ff.; ders., Grundprobleme des Bereicherungsrechts, in: Leser (Hrsg.), a.a.O., 383f. 66 v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel I, 366. 67 v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel I, 366. 68 v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel I, 360 ff. 69 v. Caemmerer, Grundprobleme des Bereicherungsrechts, in: Leser (Hrsg.), a.a.O., 387 ff.; ders., Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel I, 369ff. 70 v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel 1,352 ff.; ders., Grundprobleme des Bereicherungsrechts, in: Leser (Hrsg.), a.a.O., 378ff.

166

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

Im Einklang mit der durch Wilburg begründeten Lehre sieht auch v. Caemmerer den Grund für die Bereicherungsklage bei der Eingriffskondiktion im Zweck des unbefugt in Anspruch genommenen Rechts, das Gebrauch, Verbrauch und Nutzung eines Gegenstandes allein dem Rechtsinhaber vorbehält.

b) Der Zuweisungsgehalt als tragendes Kriterium des Bereicherungsanspruchs bei Eingriff in fremdes Gut Die Anerkennung eines Anspruchs aus § 812 1 1 B G B wegen Bereicherung aus fremden Gut setzt voraus, daß der Vermögensvorteil durch den Bereicherungsschuldner rechts grundlos erlangt worden ist. Für die Bestimmung der Rechtsgrundlosigkeit in Fällen des Eingriffs in fremdes Gut greift v. Caemmerer ebenso wie Wilburg auf den Zweck der unbefugt in Anspruch genommenen Rechte zurück. Es liege im Wesen des absoluten Rechts, ein Gut seinem Inhaber zuzuweisen. Zugleich schließt das absolute subjektive Recht alle anderen Personen von der Verwendung des dem Inhaber vorbehaltenen Gutes aus. Auf diesen Zusammenhang stütze sich das Urteil über die Rechtsgrundlosigkeit des Erwerbes in Fällen des Eingriffs in fremdes Gut. „Wenn jemand also eine fremde Sache gebraucht oder nutzt, wenn er sie verbraucht (§812 Abs. 1 Satz 1 BGB), wenn er sie verarbeitet oder in ein Haus einbaut, so daß sie als selbständige Sache untergeht (§ 951 Abs. 1 BGB), wenn er sie unter dem Schutz des Rechtsscheins wirksam veräußert und damit für sich verwertet (§816 Abs. 1 Satz 1 BGB), dann hat er etwas erlangt, was nach dem Zuweisungsgehalt des Eigentums dem Eigentümer gebührt" 71 . So gebühre dem Eigentümer das Haben, Gebrauchen, Nutzen und Verbrauchen und Veräußern einer Sache (uti, fruti, abuti). Das Eigentumsrecht wiederum könne man sich als umfassendstes Herrschaftsrecht über Sachen aus einzelnen beschränkten dinglichen Rechten zusammengesetzt vorstellen, die wiederum einen bereicherungsrechtlich schützenswerten Zuweisungsgehalt aufweisen 72 . Neben dem Eigentum und den beschränkten dinglichen Rechten an Sachen genießen aber nach Auffassung v. Caemmerers alle anderen absoluten subjektiven Vermögensrechte den Schutz der Eingriffskondiktion vor unbefugter Nutzung durch andere. In Betracht kommen dabei insbesondere die Immaterialgüterrechte einschließlich des Urheberrechts, für das die Anwendbarkeit des Anspruchs aus Eingriffskondiktion schon länger anerkannt war 7 3 . Dabei hängt das Bestehen des Bereicherungsanspruchs nicht davon ab, ob der Kondizient eine Lizenz über die Rechtsnutzung hätte vergeben können oder wollen oder ob er selbst in der Lage gewesen wäre, den durch das Recht ihm vorbehaltenen Gegenstand gewinnbringend zu nutzen 7 4 . Knüpft man für 71 72 73 74

v. v. v. v.

Caemmerer, Caemmerer, Caemmerer, Caemmerer,

Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel I, 353. a. a. O., FS Rabel I, 353. a.a.O., FS Rabel I, 354f. a. a. O., FS Rabel I, 358.

§ 6 Die Lehre vom

Zuweisungsgehalt

167

den Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion am absoluten subjektiven Recht an, ist es nur konsequent, wenn v. Caemmerer die Anwendung der Eingriffskondiktion in einem in der Praxis sehr wichtigen Bereich, nämlich der zur Bereicherung des Handelnden führenden Verletzung von Normen des U W G ausdrücklich ablehnt. Da das U W G keine subjektiven Rechte schaffe, durch die dem Berechtigten bestimmte Erwerbschancen mit Wirkung gegenüber jedermann fest zugewiesen würden, besäßen seine Normen - z.B. §§ 17, 18 U W G zum Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen sowie Vorlagen und technischen Vorschriften - keinen bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt 75 . Schließlich seien auch Forderungen jedenfalls in bestimmten Aspekten absolut, d.h. gegen Eingriffe von dritter Seite geschützt und genössen insofern den Schutz der Eingriffskondiktion. Dies zeige sich an § 816 II B G B 7 6 . Eingriffe, die auf eine Verletzung von Rechtsnormen hinauslaufen, die nicht einem absoluten subjektiven Recht zuzuordnen sind, sondern die lediglich als Verhaltensnormen bestimmte Schutzpositionen gewährleisten, werden durch die Eingriffskondiktion nicht erfaßt, weil solche Normen keinen Zuweisungsgehalt aufweisen. Bloße Schutzpositionen, die zugunsten des Geschützten zwar zu individuellen Ansprüchen auf Unterlassung und ggfs. Schadensersatz führen, aber nicht auf die Einräumung absoluter subjektiver Rechte beruhen, sind nicht durch die Eingriffskondiktion geschützt. In dieser Abgrenzung liegt einer der wesentlichen Unterschiede hinsichtlich der Bestimmung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion zwischen den Konzeptionen von Wilburgs einerseits und v. Caemmerers andererseits. Wilburg dehnt im Rahmen seiner Lehre von der Rechtsfortwirkung, bei der es auf den objektiven Zweck des verkürzten Rechts ankommt, die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion ohne weiteres auf die durch die Vorschriften des U W G erfaßten Schutzbereiche aus. Darauf wird unten noch zurückzukommen sein. Demgegenüber ermöglicht der Ansatzpunkt des Zuweisungsgehalts absoluter subjektiver Rechte v. Caemmerer eine engere Festlegung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion.

2. Der Inhalt des Bereicherungsanspruchs wegen Eingriffs: Der Wertersatzanspruch Die Zuweisungsgehaltslehre, wie sie von v. Caemmerer entwickelt wird, beschränkt sich nicht darauf, die dogmatischen Grundlagen des Bereicherungsanspruchs und den Anwendungsbereich dieser Anspruchskategorie neu zu bestimmen. Vor dem Hintergrund funktionsverwandter Rechtsinstitute des 75 v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel I, 397; ders., Grundprobleme des Bereicherungsrechts, in: Leser (Hrsg.), a.a.O., 382f. Vergleiche dazu auch v. Caemmerer, Wandlungen des Deliktsrechts, 54 f. 76 v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel I, 355.

168

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

außervertraglichen Schuldrechts und der gesetzlichen Ausgestaltung des Bereicherungsanspruchs in §§ 812, 818 B G B wird auch ein pointierter Standpunkt zu der Frage eingenommen, was der Gegenstand des Anspruchs aus Eingriffsbereicherung sei. Gegenstand des Anspruchs aus Leistungskondiktion ist das durch den Kondizienten Geleistete. Demzufolge können alle Vermögensvorteile, deren Ubertragung oder Nutzung von Rechtssubjekten vertraglich vereinbart werden kann, Gegenstand der Leistungskondiktion sein. Bei der Eingriffskondiktion hingegen bilden die Vermögensvorteile, die nach dem Zuweisungsgehalt absoluter subjektiver Rechte und sonstiger geschützter Rechtspositionen dem Kondizienten zugewiesen sind, den primären Gegenstand des Bereicherungsanspruchs. In den Fällen der Eingriffskondiktion, in denen es nicht um die Herausgabe von Sachen geht, sondern um den Ausgleich von Vorteilen, die durch Gebrauch, Verbrauch oder Nutzung von Sachen oder Rechten beim Bereicherungsschuld-i ner entstehen, ist in der Regel eine Herausgabe des erlangten Vorteils in natura nicht möglich. Dann ist nach § 818 II BGB der Wert des Erlangten herauszugeben77. Nicht Gegenstand des Bereicherungsanspruchs ist nach v. Caemmerer der Gewinn, den der Bereicherungsschuldner mit Hilfe des Eingriffs in das fremde Recht erwirtschaftet hat78. Die Erstreckung des Bereicherungsanspruchs auf den Gewinn des Bereicherten sei abzulehnen: Es sei ungerecht, wenn der schuldlos handelnde Patentverletzer nicht nur den Wert der Nutzung des fremden Rechts, sondern darüber hinaus auch den Ertrag seiner eigenen Bemühungen an den Kondizienten herausgeben müsse. Befürchtungen, daß der Bereicherungsanspruch auf den Gewinn des schuldlos Bereicherten ausgedehnt werden könnte, hätten in Rechtsprechung und Lehre zu einer unter diesem Aspekt verständlichen Weigerung geführt, den Anspruch wegen Eingriffskondiktion überhaupt auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes anzuwenden79. Solcherlei Bedenken könnten, wie es das Beispiel der Anwendung der Eingriffskondiktion beim Urheberrecht zeige, nicht aufrechterhalten werden, wenn der Anspruch von vornherein auf die Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr beschränkt werde80. § 81611 BGB, der bei einem Spezialfall der Eingriffskondiktion, der Verfügung durch den Nichtberechtigten, die Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten einschließlich eines ggfs. darin enthaltenen Gewinnes anordnet, wird mit dem Surrogationsgedanken erklärt. Hinzu komme, daß der vom Nichtberechtigten erlangte Kaufpreis üblicherweise dem Wert der veräußerten Sache entspreche. Veräußere der Bereicherte die Sache jedoch unter Wert, so habe er nur den tatsächlich erlangten Kaufpreis herauszugeben. § 816 I 1 B G B könne daher nicht die allgemeine Grundlage eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs auf Gewinnherausgabe bilden. 77 78 79 80

v. v. v. v.

Caemmerer, Caemmerer, Caemmerer, Caemmerer,

Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel I, 357. a.a.O., FS Rabel I, 356. a.a.O., FS Rabel I, 356. a.a.O., FS Rabel I, 356.

5 6 Die Lehre vom

Zuweisungsgebalt

169

Im abgestuften Anspruchssystem des B G B sei ein Gewinnherausgabeanspruch nur in § 687 II B G B vorgesehen; diese Vorschrift setze den vorsätzlichen Eingriff in fremdes Recht voraus. Daraus folgt für v. Caemmerer, daß es sich bei der Gewinnherausgabe nach § 687 II B G B um eine besondere Sanktion für den rechtswidrigen und vorsätzlichen Eingriff in fremdes Recht handelt 81 . Die durch die Wissentlichkeit des Eingriffs belegte, bewußte Mißachtung des fremden Rechts rechtfertige es, den Gewinn des Eingreifers als für den Berechtigten gemacht anzusehen und ihm diesen Ertrag zuzuweisen 82 . Diese besondere Konstellation liege hingegen beim Bereicherungsanspruch nicht vor. Dieser strebe lediglich den Ausgleich des objektiven Werts der Bereicherung an, die durch den (redlichen) Eingreifer erlangt worden sei. In der Beschränkung des Bereicherungsausgleichs auf den objektiven Wert des Erlangten (falls dieses nicht in natura herausgegeben werden kann) liegt der zweite bedeutende Unterschied des bereicherungsrechtlichen Ansatzes v. Caemmerers im Unterschied zur Lehre Wilburgs, der eine bereicherungsrechtliche Gewinnhaftung befürwortet. Der dogmatische Ansatz, den v. Caemmerer auf der Grundlage der Wilburgs chen Vorarbeiten für Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen entwickelt hat, sollte einen enormen Einfluß auf Praxis und Lehre des Bereicherungsrechts gewinnen und sich schließlich im Wettbewerb mit den anderen dogmatischen Lehrmeinungen durchsetzen.

81 82

v. Caemmerer, v. Caemmerer,

Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel I, 359 f. a.a.O., FS Rabel I, 359.

§ 7 Überlegenheit und Schwächen der Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte Die vorstehend behandelten dogmatischen Ansätze der Eingriffskondiktion haben einen wechselhaften Einfluß auf die Entwicklung des Bereicherungsrechts gehabt. War die Vermögensverschiebungslehre zunächst noch über die Kodifizierung des Bereicherungsrechts hinaus in Rechtsprechung und Lehre herrschend gewesen, so machte die Rechtswidrigkeitstheorie in Gestalt des „Systems der Rechte auf den Eingriffserwerb" von Fritz Schulz bereits die erheblichen Schwierigkeiten und Zweifel deutlich, die an der Leistungsfähigkeit der Vermögensverschiebungslehre in Bezug auf die Erfassung von Nutzungs- und Gebrauchsfällen und die Integration gewerblicher Schutzrechte bestanden. Die Defizite der Vermögensverschiebungslehre, die an der Einheitlichkeit des Bereicherungsanspruchs festhielt, führte schließlich zu einer neuen dogmatischen Einkleidung der Bereicherungsansprüche unter Anerkennung der Verschiedenheit der Kondiktionstypen, was ihre Funktion und Tatbestandselemente angeht. Die Trennung von Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen in Bezug auf Funktion und Tatbestandsmerkmale ermöglichte es, den Begriff des Rechtsgrundmangels aus der Herrschaft der Leistungskondiktion zu lösen und seine Elemente auf die speziellen Erfordernisse der Nichtleistungs-, insbesondere der Eingriffskondiktion auszurichten. Bereits in den Abschnitten über die einzelnen dogmatischen Ansätze des Bereicherungsrechts wurde auf die kritischen Einwände gegenüber den jeweiligen Theorien hingewiesen. Hier sollen die Argumente, die für und gegen die einzelnen theoretischen Ansätze streiten, noch einmal kurz aufgegriffen und gegenüber gestellt werden, um den Ausgangspunkt für den weiteren Fortgang der vorliegenden Untersuchung festzulegen.

I. Die Überlegenheit der Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte gegenüber den anderen dogmatischen Ansätzen der Eingriffskondiktion 1. Die

Vermögensverschiebungslehre

In den ersten Jahrzehnten der Geltung des B G B galt diese Theorie des Bereicherungsrechts praktisch unangefochten; im Unterschied zu den sich später entwickelnden Alternativen dogmatischer Ansätze stellt die Vermögens-

5 7 Überlegenheit

und Schwächen

der

Zuweisungsgehaltslehre

171

Verschiebungslehre noch eine Verbindung zur Dogmatik des Bereicherungsrechts der Pandektistik dar. Eine Bereicherung ist nur dann auf Kosten des Kondizienten erlangt, wenn dem Erwerbsvorgang die Verschiebung eines Vermögensvorteils zwischen dem Vermögen des Kondizienten und des Bereicherten zugrundeliegt. Die noch von der Kondiktion des klassischen römischen Rechts, das für die Kondiktion eine datio voraussetzte, beeinflußte, im wesentlichen von v. Savigny1 herausgearbeitete Lehre hatte dabei eine gegenständliche Vermögensverschiebung im Sinn. In der Zeit des Ubergangs der agrarisch strukturierten Gesellschaft in eine Industriegesellschaft spielten bewegliche und unbewegliche Sachen und ihre Übertragung die überragende Rolle im Güterverkehr. Die modernen Immaterialgüterrechte und Dienstleistungen treten - soweit sie bereits als Güter des Rechtsverkehrs existierten - noch nicht als wichtige Elemente des Wirtschaftslebens in Erscheinung. Führt man sich den sozio-ökonomischen Entwicklungsstand der Wirtschaft zur Zeit v. Savignys vor Augen, so wird die Funktionalisierung der Eingriffskondiktion als Ersatz für die verlorengegangene Vindikation (etwa bei gutgläubigem Erwerb und bei Eigentumsverlust durch Akzession) verständlich. Die dogmatische Leistungsfähigkeit dieser Grundlegung der Eingriffskondiktion stieß jedoch an ihre Grenzen, wenn es sich um Bereicherungsvorgänge handelte, die auf bloßer Nutzung von Sachen oder Rechten beruhten. Hier ließ sich nicht mehr - ohne Begriffsklitterung - von einer Verschiebung von Vermögensgegenständen aus dem Vermögen des Kondizienten in das Vermögen des Herausgabepflichtigen sprechen. Die Einführung eines Schadenserfordernisses in den Tatbestand des Anspruchs aus Eingriffskondiktion diente dem Zweck, das Merkmal „auf K o sten" in § 812 I 1 B G B in den Fällen, in denen sich der vom Bereicherungsschuldner erlangte Vermögensvorteil vorher nicht gegenständlich im Vermögen des Kondizienten befunden hatte, nicht zur Makulatur werden zu lassen. Ubersehen wurde dabei, daß die Funktion der ungerechtfertigten Bereicherung eine andere ist als die des Rechts der unerlaubten Handlungen; es ist daher unzutreffend, die Gewährung eines Bereicherungsanspruchs vom Eintritt eines Schadens im Vermögen des Kondizienten abhängig zu machen. Es steht zu vermuten, daß die tatbestandliche Enge, die die Lehre von der Vermögensverschiebung dem Anspruch aus Eingriffserwerb gab, zusammen mit der Vorstellung, daß beim schuldlosen Rechtsverletzer der Gewinn aus der unbefugten Nutzung fremden Guts kondiziert werden könne, zur Ablehnung der Integration der Immaterialgüterrechte in den Schutzbereich der Eingriffskondiktion geführt hat. Die Ablehnung des Schutzes von Immaterialgüterrechten durch die Eingriffskondiktion sollte weitreichende dogmatische Folgen mit sich bringen. Als Reaktion darauf entwickelte sich die sog. dreifache Methode der Schadensberechnung, die die Rechtsfolgen von Eingriffskondiktion nach § 8 1 2 1 1 B G B , der unechten Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß § 687 II B G B sowie des Deliktsrechts nach § 823 B G B kombiniert und den Eintritt der 1

Siehe dazu oben § 3 I 1 a)dd).

172

Kapitel

I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

unterschiedlichen Rechtsfolgen dieser Vorschriften allein den Voraussetzungen des § 823 I B G B unterwirft. Dadurch wurden Rechtsschutzinstrumente geschaffen, die in der angewandten Form durch das Gesetz nicht vorgesehen sind und deren juristische Legitimität auf wackeligen Beinen steht. Beeinflußt durch die Zuweisungsgehaltstheorie hat der B G H im Jahr 1976 die Anwendung der Eingriffskondiktion auf die Immaterialgüterrechte über das Urheberrecht hinaus ausgedehnt2. Erstaunlich ist dabei, daß diese Öffnung der Eingriffskondiktion für den Schutz von Immaterialgüterrechten nicht zu einer Aufgabe der dreifachen Schadensberechnungsmethode geführt hat, sondern daß diese neben den Ansprüchen aus § 687 II und § 812 I 1 B G B bestehen geblieben ist. Zusammenfassend bleibt festzustellen, daß die Vermögensverschiebungsdoktrin ihrem wirtschaftlichen Hintergrund, nämlich dem ökonomischen Entwicklungsstand während der beginnenden Industriegesellschaft, mit dem im wesentlichen am Sacheigentum orientierten Vermögensschutz verhaftet blieb; im Bereich der Eingriffskondiktion entsprach dem die Forderung nach gegenstandsgleicher Entreicherung des Kondizienten und Bereicherung des Schuldners. Besondere juristische Uberzeugungskraft gewann diese Forderung durch die Verknüpfung mit überholten Vorstellungen des klassischen römischen Rechts. Die modernen Bestrebungen, durch eine Erweiterung des Vermögensbegriffs, etwa durch die Integration von Nutzungs- und Dispositionsbefugnissen sowie durch eine Befreiung von Ent- und Bereicherung vom Erfordernis der Gegenstandsgleichheit die engen Begrenzungen der Vermögensverschiebungsdoktrin zu sprengen, vermochten die grundlegende Schwäche dieser Lehre nicht zu beseitigen. Das Festhalten an dem Erfordernis der Vermögensverschiebung diente auch der Aufrechterhaltung eines einheitlichen Bereicherungstatbestandes, der für Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen dieselben Tatbestandsmerkmale und dieselben Rechtsfolgen vorsah. Wilburg und v. Caemmerer haben überzeugend dargelegt, daß die Kombination von Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen in § 812 I B G B auf historischen Zufälligkeiten beruht und nicht auf sachlicher Übereinstimmung. Beide Kondiktionsarten dienen unterschiedlichen Zwecksetzungen und sind daher hinsichtlich von Tatbestand und Funktion differenziert zu betrachten.

2.

Rechtswidrigkeitslehren

Als Alternative zum Dogma der Vermögensverschiebung entwickelten sich die Lehren, die die dogmatische Grundlage des Bereicherungsanspruchs in der Rechtswidrigkeit des Erwerbsvorgangs sahen. Etwas euphemistisch - da diese Lehren sich in der Praxis nie durchsetzten-wird das Erscheinen dieser Ansätze als „erste bereicherungsrechtliche Wende" etikettiert 3 . 2 3

B G H 30.11.1976, B G H Z 68, 90 ff. (Kunststoffhohlprofil I). Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 24.

5 7 Überlegenheit

und Schwächen

der Zuweisungsgehaltslehre

173

Bereits bei der ausführlichen Behandlung dieses dogmatischen Ansatzes wurde deutlich, daß es sich bei den Auffassungen, die auf die Rechtswidrigkeit des Erwerbs abstellen, nicht um eine in sich geschlossene Lehrmeinung, sondern um ein ganzes Bündel von Auffassungen handelt, die sich im Detail erheblich voneinander unterscheiden. Soweit die Rechtswidrigkeitslehren von der Widerrechtlichkeit des Erwerbs durch den Kondiktionsschuldner als dem grundlegenden Element des Bereicherungsanspruchs, insbesondere der Eingriffsbereicherung, ausgehen 4 , ist kritisch anzumerken, daß sich aus dem Rechtswidrigkeitsurteil über eine Handlung des Bereicherten allein keine Legitimationsgrundlage dafür gewinnen läßt, dem Handelnden das durch die rechtswidrige Handlung Erlangte wegzunehmen und dem Vermögen des Kondizienten zuzuführen. Aus dem Rechtswidrigkeitsurteil ergibt sich lediglich das (objektive) Verbotensein der Handlung, nicht mehr und nicht weniger. Der Rechtswidrigkeit einer Handlung kann vor allem nicht generell entnommen werden, daß diejenigen Vorteile, die der Handelnde erlangt hat, an denjenigen herauszugeben sind, dessen Interessen durch die die Rechtswidrigkeit statuierende N o r m geschützt sind. Die Pflicht zur Herausgabe der durch rechtswidrige Handlung erlangten Vermögensvorteile durch den Handelnden setzt vielmehr voraus, daß sie dem Kondizienten in irgendeiner Weise zustehen. Denn sonst kann der Transfer der Vorteile gerade zum Kondizienten nicht gerechtfertigt werden. U b e r die vermögensrechtliche „Zuständigkeit" für die positiven Folgen der Verletzungshandlung trifft das Rechtswidrigkeitsurteil keine Aussage, weil es andere Zwecke - nämlich die Unterbindung rechtlich aus welchen Gründen auch immer unerwünschter Handlungen - verfolgt.

a) Die negative Funktion der

Rechtswidrigkeit

Soweit die sog. Rechtswidrigkeitstheorien auf die negative, verbotsorientierte Funktion der Rechtswidrigkeit abheben, sind sie mit dem eben formulierten Problem konfrontiert. U m eine Beziehung zwischen dem Vermögensvorteil des Schuldners und dem Vermögen des Kondizienten herzustellen („auf dessen Kosten" § 812 11 B G B ) , sind sie gezwungen, über die Rechtswidrigkeit des Handelns hinaus ein weiteres Tatbestandselement einzuführen: nämlich eine (je nach theoretischem Ansatz unterschiedlich gefaßte) Bezugsgröße im Vermögen des Kondizienten, ein Rechtsgut 5 , die individualschützende Funktion der verletzten N o r m 6 oder die Verletzung eines fremden, identifizierbaren Rechtsobjekts 7 . Damit verlassen diese Lehren aber bereits den von ihnen ver4 Schulz, System der Rechte auf den Eingriffserwerb, AcP 105 (1909), 1 ff.; Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung, 54 ff. 5 Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, 92 f. 6 Haines, Bereicherungsansprüche bei Warenzeichenverletzungen und unlauterem Wettbewerb, 93 ff. 7 Kellmann, Grundsätze der Gewinnhaftung, 110 ff.

174

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

tretenen Ansatz, den Tatbestand der Eingriffsbereicherung allein von der Rechtswidrigkeit des Handelns des Bereicherten abhängig zu machen und bewegen sich mit der Berücksichtigung fremder Rechtsgüter oder individualschützender Normen bereits in Richtung auf den Zuweisungsgehalt einer verletzten Rechtsposition, auch wenn dieser Bezug hinter der Rechtswidrigkeitsrhetorik verblaßt.

b) Die positive Funktion des

Rechtswidrigkeitsurteils

Noch deutlicher wird die Annäherung der Rechtswidrigkeitslehre an die Zuweisungsgehaltstheorie bei dem Ansatz von Wilhelm, der die Rechtsgrundlosigkeit des Erwerbs zwar mit der Rechtswidrigkeit gleichsetzt, aber anders als die sonstigen Rechtswidrigkeitslehren nicht auf die Rechtswidrigkeit des Erwerbs, sondern auf die Rechtswidrigkeit des Habens abstellt. Das Haben des Bereicherungsschuldners ist dann rechtsgrundlos und rechtswidrig, wenn es mit der rechtlichen Güterzuordnung nicht vereinbar ist8. Die vermögensrechtliche Güterordnung ergibt sich nach dieser Auffassung aus den subjektiven Vermögensrechten wie aus den durch die Handlung des Kondiktionsschuldners verletzten Rechtsnormen. Der Rechtswidrigkeit wohne nicht nur eine negative Funktion (des Verbotenseins von Handlungen), sondern auch eine positive Funktion (der Zuordnung von Vermögensvorteilen an Personen) inne. Bei dieser positiven Funktion der Rechtswidrigkeit handelt es sich um nichts anderes als den Versuch, eine Zuweisung zu begründen, weil erkannt worden ist, daß die negative Funktion der Rechtswidrigkeit nicht geeignet ist, die Überwälzung der vom Kondiktionsschuldner erlangten Vermögensvorteile auf den Kondizienten zu legitimieren. Dies folgt aus der Funktion des Rechtswidrigkeitsurteils, welches das Verbot von Handlungen konstituieren, nicht aber die Verteilung der Vermögensvorteile legitimieren kann, die durch das verbotswidrige Handeln beim Kondiktionsschuldner entstanden sind. Die „positive Seite" der Rechtswidrigkeit soll dazu dienen, die zur Begründung des Bereicherungsausgleichs notwendige Beziehung zwischen dem vom Verletzer Erlangten und dem Vermögen des Kondizienten herzustellen. Gemeinsam ist den Rechtswidrigkeitstheorien, daß sie zu einem sehr weit gefaßten Anwendungsbereich des Anspruchs aus Eingriffskondiktion gelangen, der sowohl die unbefugte Nutzung von Immaterialgüterrechten wie auch die Verletzung von Normen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und weitere Verbotsnormen umfaßt. Damit verfehlen die Rechtswidrigkeitstheorien den angemessenen Ausgleich zwischen dem Interesse des Kondizienten, über die ökonomische Verwendung der ihm zustehenden Vermögensrechte allein zu entscheiden und dem Interesse des typischerweise schuldlos handelnden Rechtsverletzers, nicht nachträglich um die Früchte seiner Anstrengungen (wenn auch unter unbefugter Verwendung fremder Güter) ge8

Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, 93.

$ 7 Überlegenheit

und Schwächen

der

Zuweisungsgehaltslehre

175

bracht zu werden, wirtschaftlich gesprochen: nachträglich mit Kosten belastet zu werden, die der Handelnde in der Preiskalkulation für seine Produkte nicht berücksichtigen konnte. Zu dem zu weit ausgedehnten Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion tritt noch ein weiteres Element hinzu: Es ist ein gemeinsames Merkmal der Rechtswidrigkeitslehren, daß sie als Gegenstand der Herausgabepflicht in den praktisch wichtigen Fällen der Verletzung von Immaterialgüterrechten den durch den Verletzer erwirtschafteten Gewinn sehen, soweit dieser ursächlich auf die unbefugte Nutzung eines fremden Vermögensgegenstandes zurückgeführt werden kann 9 . Der vom Gesetz als typisch vorausgesetzte Fall ist der der schuldlosen unbefugten Nutzung fremden Guts: § 812 I 1 B G B enthält - anders als das Deliktsrecht - kein Verschuldenserfordernis. Die Abschöpfung des rechtswidrig, aber schuldlos durch den Rechtsverletzer erlangten Gewinnes stellt nach den Rechtswidrigkeitslehren eine Sanktion gegen rechtswidriges Handeln unter Verzicht auf das Verschulden des Handelnden dar. Damit wird diese dogmatische Fundierung der Funktion der Eingriffskondiktion im Rahmen des geltenden Rechts nicht gerecht.

II.

Zuweisungsgehaltslehre

Die aufgezeigten Schwächen von Vermögensverschiebungs- und Rechtswidrigkeitslehren vermeidet die Zuweisungsgehaltslehre. Unabhängig davon, wie der Zuweisungsgehalt im einzelnen zu bestimmen ist, welchem Recht ein Zuweisungsgehalt zukommt, welche Elemente der Zuweisungsgehalt aufweist und wie er zu begrenzen ist, schafft das Abstellen auf den Zuweisungsgehalt fremder absoluter subjektiver Rechte und ihnen gleichkommender Rechtspositionen eine überzeugende Legitimation für die Korrektur einer bestehenden Vermögenslage, die durch Eingriff zustandegekommen ist, durch das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung. Es geht nämlich nicht nur darum zu begründen, warum der Bereicherungsschuldner das Erlangte herauszugeben hat; es bedarf ebenso der Rechtfertigung, daß gerade der Kondizient das Erworbene erhalten soll und nicht eine andere Person oder etwa der Staat. Die Begründung einer solchen Vermögensrestitution bietet dann keine Schwierigkeiten, wenn der herauszugebende Gegenstand selbst bereits vor dem Ubergang in das Vermögen des Bereicherungsschuldners im Vermögen des Kondizienten vorhanden war und keine gesetzliche oder vertragliche Rechtsgrundlage für den dauerhaften Erwerb durch den Bereicherungsschuldner vorliegt. In den für die gerichtliche Praxis bedeutsamsten Fällen der Eingriffskondiktion geht es nicht um die Herausgabe von Sachen, die dem Kondizienten entzogen worden sind: Die unbefugte Nutzung fremder immaterieller Güter führt in der Regel dazu, daß das Erlangte, nämlich die Nutzung selbst, als 9 Vgl. etwa Schulz, System der Rechte auf den Eingriffserwerb, AcP 105 (1909), 428 ff.; Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung, 123; Kellmann, Grundsätze der Gewinnhaftung, 137 ff.

176

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

unkörperlicher Gegenstand nicht als solcher im Vermögen des Kondizienten vorhanden war. Hier hilft nur der Rückbezug auf das am Gegenstand bestehende Recht, welches die Nutzung dem Rechtsinhaber exklusiv zuweist. Es ist das Verdienst der Zuweisungsgehaltstheorie, diesen entscheidenden Zusammenhang aufgedeckt und dogmatisch fruchtbar gemacht zu haben. Den zentralen Bezugspunkt dieser Lehre bildet das absolute subjektive Recht, welches den Gegenstand, sein Haben und die Befugnis, ihn zu veräußern sowie seine Nutzungen, die sonstigen Gebrauchsvorteile und seinen Verbrauch allein dem Inhaber des Rechts gewährt und zugleich alle anderen Rechtssubjekte vom uti, fruti, abuti des Gegenstandes ausschließt. Diese doppelte Funktion des absoluten subjektiven Rechts, nämlich der Einräumung einer alleinigen Handlungsbefugnis in Bezug auf den Gegenstand des Rechts für den Berechtigten und den Ausschluß aller anderen Rechtssubjekte von der Nutzung des Gegenstandes begründet, warum der Kondiktionsschuldner das Erlangte nicht behalten darf, sondern an den Kondizienten herauszugeben hat, weil es diesem zusteht. Da diese Aufgabe von keiner der konkurrierenden theoretischen Ansätze der Eingriffskondiktion gelöst wird, erweist sich die Zuweisungsgehaltstheorie diesen Lehren als überlegen. Allerdings sind damit keineswegs alle Fragen beantwortet: Welche Rechte sind mit einem Zuweisungsgehalt ausgestattet? Welche Elemente weist der Zuweisungsgehalt auf? Und vor allem: Wie sind sein Umfang und seine Grenzen zu bestimmen? Lassen sich für die Rechtspositionen, die aufgrund ihres Zuweisungsgehalts in den Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion fallen, gemeinsame Kriterien für die Bestimmung des Zuweisungsgehalts gewinnen? Die Überlegenheit der Zuweisungsgehaltslehre bildet einen Ausgangspunkt für die weiteren Überlegungen zur sachgemäßen Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Eingriffsbereicherung. Zum Inhalt und Abgrenzung des Zuweisungsgehalts als Grundelement der Eingriffskondiktion wird in Kapitel III näher Stellung genommen.

§ 8 Die Auswirkungen der Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte auf den Tatbestand von § 812 I 1 BGB und insbesondere auf die Eingriffskondiktion Aus den oben angegebenen Gründen schließt sich diese Untersuchung unter den vorhandenen Theorien der Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte als Grundlage der Eingriffskondiktion an. Diese Grundentscheidung hat weitreichende Folgen für die tatbestandsmäßige Fassung der Eingriffskondiktion im Rahmen des § 812 I 1 BGB sowie auf das Verhältnis zu den ebenfalls in dieser Vorschrift geregelten Leistungskondiktionen. Diese Konsequenzen der Entscheidung zugunsten der Zuweisungsgehaltstheorie sollen im folgenden umrissen werden.

I. Die Trennung von Leistungs- und

Nichtleistungskondiktionen

Die überkommene Vermögensverschiebungstheorie, aber auch Teile der sog. Rechtswidrigkeitstheorien, sehen in § 812 I 1 BGB einen einheitlichen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung. Es scheint daher gerechtfertigt, die Auswirkungen der Trennungstheorie auf die Leistungskondiktion im Rahmen dieser Untersuchung kurz darzustellen. O b die Bereicherung des Schuldners durch Leistung oder nicht aufgrund einer Leistung des Kondizienten bewirkt wird, spielt für den Tatbestand und die Rechtsfolgen nach Auffassung der Einheitslehren keine Rolle. Leistung und Nichtleistung beschreiben lediglich unterschiedliche Modalitäten des Zustandekommens der Bereicherung. Zwischen den Modalitäten bestehen hinsichtlich von Tatbestandsmerkmalen und Rechtsfolgen keine Unterschiede. Das Tatbestandsmerkmal „auf dessen Kosten" wird im Sinne des Erfordernisses einer unmittelbaren Vermögensverschiebung für beide Kondiktionsarten interpretiert, bei der dem Vermögensvorteil des Bereicherten ein Vermögensnachteil oder Schaden des Kondizienten gegenüberstehen muß 1 . Auch beim Tatbestandsmerkmal der Rechtsgrundlosigkeit wird nicht zwischen Leistungs1 Siehe dazu etwa Batscb, Vermögensverschiebung u n d Bereicherungsherausgabe, 52 ff.; v. Mayr, D e r Bereicherungsanspruch des deutschen bürgerlichen Rechts, 192 ff.; Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 97 ff.; Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, 850; Planck(-Landois), § 812, A n m . I.2.b); Soergel(-Keßler), § 812, A n m . 5; vgl. auch oben § 3 I.l.e) dd) (3).

178

Kapitel I: Dogmatische Grundlagen der

Eingriffskondiktion

und Nichtleistungskondiktionen differenziert. Vielmehr geht die Vermögensverschiebungslehre auch für die Nichtleistungskondiktionen davon aus, daß das Erfordernis der Rechtsgrundlosigkeit durch das Fehlen einer obligatorischen Grundlage für eine Vermögensverschiebung charakterisiert ist2. Von einem ganz anderen theoretischen Ansatz her kommt Schulz ebenfalls zu einem einheitlichen Bereicherungsanspruch. In seiner Konzeption nimmt die Kondiktion die Funktion eines Abschöpfungsanspruchs für rechtswidrig erlangte Vermögensvorteile an. Der Anspruch erhält damit den Charakter einer Sanktion für widerrechtliches Handeln analog zum Deliktsanspruch. Seine Einheitlichkeit behält der Bereicherungsanspruch auch in Schulz's System der Rechte auf den Eingriffserwerb dadurch, daß ebenfalls für die Fälle der Leistungskondiktion das Erfordernis der Rechtsgrundlosigkeit durch die Voraussetzung der Rechtswidrigkeit ersetzt wird. Damit wird die Annahme eines Indebitums zum Eingriff, denn der Annehmende war nicht berechtigt, die Leistung vom Leistenden zu fordern 3 . Diese Auffassung hat sich zu Recht nicht durchsetzen können und wird heute selbst von einem Teil der modernen Rechtswidrigkeitslehre abgelehnt, weil es sich dabei um eine der „unnötigen Ubersteigerungen, mit denen Fr. Schulz der Anerkennung seines Prinzips mehr geschadet als genutzt" habe, handelte 4 . Es ist mit der Funktion der Leistungskondiktion unvereinbar, die Annahme der nicht geschuldeten Leistung als Eingriff zu qualifizieren. Die Aufgabe des Anspruchs aus Leistungskondiktion ist es, Vermögenszuwendungen rückgängig zu machen, deren Zweck mißlungen ist. Im Fehlschlagen des mit der Leistung verfolgten Zwecks liegt der Grund für ihre Rückabwicklung. Deshalb geht eine Interpretation des Tatbestandes der Leistungskondiktion als rechtswidriger Eingriff in fremdes Recht an der Funktion und dem Tatbestand dieses Rechtsinstituts vorbei.

/. Divergenzen in Funktion und Tatbestand der beiden Kondiktionsarten Erst die Loslösung der dogmatischen Grundlagen der ungerechtfertigten Bereicherung vom Gedanken der Vermögensverschiebung und der Rechtswidrigkeit sowie die Entwicklung des modernen Leistungsbegriffs und schließlich die Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte hat die Augen dafür geöffnet, daß es sich bei den in der Generalklausel des § 812 I 1 BGB zusammengefaßten Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen um Ansprüche handelt, die funktional und damit auch von ihrem - gesetzlich nicht detailliert geregelten Tatbestand ganz unterschiedlich sind und es sich nicht - wie von der traditio2 Jung, Die Bereicherungsansprüche und der Mangel des rechtlichen Grundes, 128; v. Mayr, Der Bereicherungsanspruch des deutschen bürgerlichen Rechts, 428 ff.; Krawielicki, Grundlagen des Bereicherungsanspruchs, 5. 3 Schulz, System der Rechte auf den Eingriffserwerb, AcP 105 (1909), 435.

5 8 Die Auswirkungen

der Zuweisungsgehaltslehre

auf § 812 I BGB

179

nellen Bereicherungslehre angenommen - lediglich um verschiedene Modalitäten desselben Anspruchs handelt. Die Leistungskondiktionen dienen der Rückabwicklung von Zuwendungen, die zur Erfüllung oder Begründung einer O b ligation erbracht werden und bei denen dieser Zweck nicht erreicht wird, weil die vom Leistenden vorausgesetzte Verpflichtung von Anfang an nicht bestand, später weggefallen ist oder die Leistung nicht zu dem bezweckten Erfolg führt bzw. sie von der Rechtsordnung sittlich mißbilligt wird. Der bei weitem wichtigste praktische Anwendungsfall der Leistungskondiktionen ist die condictio indebiti, bei der die Leistung zur Erfüllung einer nicht bestehenden Schuld erfolgt. Daraus wird deutlich, daß die Leistungskondiktion funktional sich auf derselben rechtlichen Ebene befindet wie andere Instrumente der Rückabwicklung von Schuldverhältnissen, etwa der Rücktritt vom Vertrag gemäß §§ 346 ff. B G B . Bei der Leistungskondiktion, insbesondere der condictio indebiti beim nichtigen gegenseitigen Vertrag, geht es ebenso wie beim rechtsgeschäftlich vorbehaltenen Rücktritt vom Vertrag um die Rückgewähr der Leistungen, die sich die Parteien des (nicht existenten) Vertragsverhältnisses gegenseitig erbracht haben 5 . Demgegenüber haben die Nichtleistungskondiktionen, insbesondere die Eingriffskondiktion, eine völlig andere Funktion. Es geht bei ihnen nicht um die Rückgewähr von Vermögenszuwendungen, deren Zweck verfehlt wurde, weil z. B. das Schuldverhältnis, in dessen Rahmen sie erbracht wurden, nicht bestand. Die Eingriffskondiktion - um die wichtigste der Nichtleistungskondiktionen herauszugreifen - hat die Aufgabe, Vermögensvorteile, die nach der rechtlichen Güterzuordnung nicht dem Bereicherten, sondern dem Kondizienten zustehen, aber durch Eingriff in das Vermögen des Bereicherten gelangt sind, rückgängig zu machen. Zur Abgrenzung der insoweit gegen fremden unbefugten Zugriff gesicherten Vermögensbereiche des Kondizienten ist - wie oben bereits näher dargestellt wurde - auf den Zuweisungsgehalt absoluter subjektiver Rechte und ihnen gleichgestellter Rechtspositionen zurückzugreifen 6 . D e m Tatbestandsmerkmal „auf dessen Kosten" und „ohne Rechtsgrund" muß bei einer solchen Funktionszuweisung eine andere Bedeutung innewohnen als bei der Leistungskondiktion. Bei der Leistungskondiktion verknüpft der Rechtsgrund Leistung und zugrundeliegendes Rechtsgeschäft: Fehlt dieses oder fällt es weg, so wird der Zweck der Leistung unerreichbar und der Leistungsempfänger hat die Leistung zurückzugewähren. Bei der Eingriffskondiktion findet keine vom Willen des Leistenden getragene, bewußte und zweckgerichtete Mehrung des Vermögens des Bereicherten statt. D e r Bereicherte erlangt - zumeist durch eigene Handlung - etwas, das nach der rechtlichen Güterzuordnung nicht ihm, sondern dem Kondizienten Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung, 155. So bereits v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel I, 342 ff. 6 Grundlegend Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 22 ff. und 49f.; v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel I, 337ff. 4

5

180

Kapitel 1: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

gebührt. Die genannten Tatbestandsmerkmale - insbesondere das des Rechtsgrundes und „auf dessen Kosten" - müssen bei der Eingriffskondiktion eine Abgrenzung des geschützten Vermögensbereiches des Kondizienten einerseits und der freien Betätigung des Bereicherten andererseits - und zwar nach den für beide Interessen im Gesetz getroffenen Wertungen - leisten. Nicht jeder Erwerb von Vermögensvorteilen zu Lasten anderer und ohne deren Zustimmung löst einen Anspruch auf Rückgewähr gemäß §812 1 1 , 2 . Alt. B G B aus. Vielmehr beruht der wirtschaftliche Wettbewerb in einer Marktwirtschaft geradezu darauf, daß ein Wettbewerber einem anderen dessen Kunden abjagen darf, ohne daß dem Benachteiligten daraus ein Anspruch auf Ausgleich, sei es aus Delikt oder sei es aus Eingriffskondiktion, erwüchse. Dieser Interessenkonflikt und die Frage nach der angemessenen Abgrenzung und Gewichtung der Belange stand Wilburg vor Augen, als er ausführte7: „Es ist überhaupt, wenn jemand zum Nachteile Anderer einen Vorteil erlangt hat, die Frage zunächst nicht nach dem Grunde einer Rechtfertigung, sondern nach einem Grund der Ungerechtfertigtheit zu richten. Durch Verlegung einer Bahnstrecke wird ein Grundstück an Wert gewinnen, das andere verlieren; ein rechtlicher Grund für diese Wertverschiebung liegt nicht vor und doch ist die Bereicherung der einen Seite keine ungerechtfertigte". Hinter diesen Ausführungen wird bereits die Vorstellung deutlich, daß die Verteilung wirtschaftlich wertvoller Güter im Rahmen einer Marktwirtschaft nicht ausschließlich über eine rechtsgeschäftliche Einigung mit dem Inhaber bestimmter Positionen bzw. durch Rechtsvorschrift erfolgt, sondern eben auch auf andere Weise, nämlich im Rahmen des wirtschaftlichen Wettbewerbes. Ein Vorteilserwerb auf Kosten eines anderen ist nach Auffassung von Wilburg nur dann zurückzugewähren, wenn er unter Mißachtung fremder, rechtlich geschützter Interessen erfolgt sei8. Auf der Grundlage der Vorarbeit von Wilburg hat v. Caemmerer die Funktionsabgrenzung von Leistungs- und Eingriffskondiktionen prägnanter formuliert: Die Leistungskondiktion, die der Rückabwicklung fehlgeschlagener Leistungen diene, gehöre zum Recht der Güterbewegung9; demgegenüber liege der Zweck der Eingriffskondiktion im Güterschutz 10 . Werden die Funktionen derart voneinander abgegrenzt, so wird deutlich, daß es sich bei Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen, insbesondere Eingriffskondiktionen, nicht um Varianten desselben Anspruchs handelt, sondern um verschiedenartige Ansprüche, die lediglich in einer Vorschrift zusammengefaßt sind. Die Sicht, daß es sich bei Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen um getrennte Ansprüche handelt, deren Verschiedenheiten auch bei der Interpretation von Tatbestand und Rechtsfolgen berücksichtigt werden müssen, hat sich mittlerweile in Rechtsprechung und Literatur durchgesetzt. 7 8 9 10

Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 14 f. Wilburg, a.a.O., 15. v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel I, 342. v. Caemmerer, ibid., 353.

§ 8 Die Auswirkungen

der Zuweisungsgehaltslehre

auf § 812 I BGB

181

Auch nach der Entwicklung der Zuweisungsgehaltstheorie durch Wilburg und v. Caemmerer dauerte es noch eine geraume Zeit, bis sich die darauf beruhende kategoriale Trennung von Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen in der Rechtsprechung durchsetzte. Die ältere Rechtsprechung und das Schrifttum zum Bereicherungsrecht waren stark von der Vorstellung geprägt, bei den Kondiktionen handele es sich um ein Rechtsgebiet, das in besonderer Weise der Billigkeit verpflichtet sei und Härten und Ungerechtigkeiten des formalen „Strengrechts" beseitigen solle11. Diese Funktionszuweisung an das Bereicherungsrecht, auf die übrigens auch die Gesetzgebungsmaterialien (ablehnend) Bezug nehmen12, geht auf Einflüsse des nachklassischen römischen Rechts13 und des Naturrechts14 zurück. Wenn auch in der Rechtsprechung des B G H in neuerer Zeit auf die billigkeitsrechtlichen Grundlagen noch gelegentlich zurückgegriffen wird, so ist die Abstützung des Bereicherungsrechts durch Vorstellungen der Billigkeit, die diesem Rechtsgebiet etwa eine höhere Dignität verliehe als anderen Ausgleichsordnungen, heute überholt. Dieser Standpunkt wird von Rechtsprechung und Schrifttum geteilt. Das Bereicherungsrecht stellt ein technisches Ausgleichsinstrument dar, das im Rahmen der außervertraglichen Obligationen eigene, spezifische Funktionen zu erfüllen hat. Dabei setzt das Bereicherungsrecht Wertungen um, die vorgängig durch andere Vorschriften des bürgerlichen Rechts im Rahmen von Rechtsverhältnissen getroffen worden sind. Im Bereich der condictio indebiti trifft das Bereicherungsrecht keine Entscheidung darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen ein zwischen den Parteien des Kondiktionsanspruchs geschlossener Vertrag unwirksam ist. Eine solche Wertung ist den Normen des allgemeinen Teils des Bürgerlichen Gesetzbuches oder des allgemeinen Schuldrechts zu entnehmen. Bei der Eingriffskondiktion kommt es auf den Zuweisungsgehalt absoluter subjektiver Rechte und vergleichbarer Rechtspositionen an. Sein Inhalt und seine Grenzen ergeben sich bei unbefugter Nutzung eines fremden Rechts nicht aus §§ 812 ff. BGB, sondern aus den Normen, die das betreffende subjektive Recht ausformen. Bei der Lösung dieser Fragen helfen Erwägungen allgemeiner Billigkeit nicht weiter; die in Konflikt stehenden Interessenpositionen der Beteiligten sind im Rahmen der für die jeweiligen Interessen einschlägigen Rechtsnormen gegeneinander abzuwägen und unter Berücksichtigung der gesetzlichen Wertungen zu entscheiden. Unbestimmte, gesetzlich nicht festgelegte Billigkeitserwägungen können insoweit keine Rolle spielen.

11 Siehe Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, 845; Crome, System des deutschen bürgerlichen Rechts II, 977 ff.; vgl. auch Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 23 m.w. N. 12 Mugdan II, Motive, 463; v. Kübel, Schuldverhältnisse aus ungerechtfertigter Bereicherung, in: Schubert (Hrsg.), Die Vorlagen der Redaktoren zum B G B , Recht der Schuldverhältnisse, Teil III, Bes. Teil II, 663. 13 Siehe dazu oben § 2 II.

182

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

2. Neuere Versuche einheitlicher

der

Eingriffskondiktion

Anspruchsbegründung

Der Gedanke an eine einheitliche Begründung des Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung ist auch nicht aufgegeben worden, nachdem sich die Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte, auf die die kategoriale Trennung von Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen zurückzuführen ist, durchgesetzt hatte. Die erneuten Versuche, die in § 812 11 BGB zusammengefaßten Ansprüche auf eine einheitliche Grundlage zu stellen, zeichnen sich nicht dadurch aus, daß sie auf einem gemeinsamen dogmatischen Fundament stehen 15 . Das Bedürfnis zur Schaffung einer solchen einheitlichen Dogmatik der Bereicherungsansprüche scheint unabhängig davon zu bestehen, ob der Grund des Bereicherungsanspruchs für die Nichtleistungskondiktionen in der Rechtswidrigkeit oder im Zuweisungsgehalt der Rechte zu sehen ist. Wer für Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen eine einheitliche Grundlage schaffen will, muß Kriterien benennen, die beiden Kondiktionsarten gemeinsam sind und die in der Lage sind, ungerechtfertigte und daher ausgleichsfähige Bereicherungen von Vermögensvorteilen abzugrenzen, die den Erwerber nicht zum Ausgleich verpflichten, weil sie nicht rechtsgrundlos erfolgt sind. So sieht etwa im Rahmen der Rechtswidrigkeitstheorien Kellmann keine Notwendigkeit, die Tatbestandsvoraussetzungen der Rechtsgrundlosigkeit und „auf dessen Kosten" für Leistungs- und Nichtleistungskondiktion unterschiedlich zu interpretieren 16 . Er erblickt den einzigen Unterschied zwischen Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen darin, daß bei einer Leistung die Vermögenszuweisung bewußt und gewollt erfolge, während bei Nichtleistungskondiktion die Vermögensmehrung beim Kondiktionsschuldner ohne das Einverständnis des Kondizienten geschehe 17 . Er kommt daher zu dem Ergebnis, 14

Siehe oben § 2 III 3 a). Hingewiesen sei hier beispielhaft auf die B e m ü h u n g e n u m eine einheitliche Begründung des Bereicherungsanspruchs d u r c h Costede, Dogmatische Überlegungen z u m Verständnis des Bereicherungsrechts, 41 ff.; Kaehler, Bereicherungsrecht u n d Vindikation, 154 ff.;J. Wolf, D e r Stand der Bereicherungslehre u n d ihre N e u b e g r ü n d u n g , 183 ff.; Wilhelm, Rechtsverletzung u n d Vermögensentscheidung, 173 ff.; Kellmann, G r u n d s ä t z e der G e w i n n h a f t u n g , 98 ff. Die hier erwähnten Ansätze sind nicht homogen. Ihnen liegen unterschiedliche G r u n d k o n zeptionen des Bereicherungsanspruchs zugrunde. Insgesamt ist festzustellen, daß eine R ü c k k e h r zu einer einheitlichen A n s p r u c h s b e g r ü n d u n g im Bereicherungsrecht n u r von einzelnen A u t o r e n vertreten wird. Angesichts der unterschiedlichen F u n k t i o n e n von Leistungs- u n d Nichtleistungskondiktionen ist es besser, an der Trennungslehre, wie sie sich auf der Grundlage der Arbeiten Wilburgs und v. Caemmerers herausgebildet hat, festzuhalten. Zwingende G r ü n d e , aus denen es unumgänglich wäre zu einer einheitlichen A n s p r u c h s b e g r ü n d u n g z u r ü c k z u k e h r e n , haben die neueren Einheitskonzeptionen nicht d a r t u n k ö n n e n . Vielmehr besteht bei ihnen die Gefahr, daß die grundlegenden Unterschiede zwischen Leistungs- u n d Nichtleistungskondiktionen verschleiert u n d die notwendigen dogmatischen K o n s e q u e n z e n aus diesen Divergenzen nicht gezogen werden. 16 Kellmann, G r u n d s ä t z e der G e w i n n h a f t u n g , 102 ff. 17 Kellmann, a . a . O . , 103. 15

5 8 Die Auswirkungen der Zuweisungsgekaltslehre

auf § 812 I BGB

183

daß beide Kondiktionsarten einem einheitlichen Prinzip unterlägen: In beiden Fällen fehle es am wirksamen rechtserheblichen Willen desjenigen, auf dessen Kosten die Bereicherung erfolge 18 . Die Differenzierung der Kondiktionsarten nach dem Willen des Kondizienten ist nicht neu; sie war bereits vor der Ausarbeitung des B G B vorherrschend 19 . Dennoch trifft sie die (unterschiedlichen) Zielrichtungen der Kondiktionstypen nicht. Es ist nicht die Fehlerhaftigkeit des Willens beim Leistenden, die die Leistungskondiktion rechtfertigt. Vielmehr bildet der mit der Zuwendung verfolgte, aber nicht erreichte Zweck der Leistung die Grundlage der Leistungskondiktionen. Ebenso bildet nicht der Mangel im Willen des Bereicherungsgläubigers hinsichtlich des Erwerbs des Bereicherungsschuldners die Legitimationsgrundlage für die Eingriffskondiktion, sondern der Umstand, daß das Erlangte aufgrund des Zuweisungsgehalts des unbefugt in Anspruch genommenen Rechts nicht dem Bereicherungsschuldner, sondern dem Kondizienten gebührt. Eine andere Auffassung sieht im rechtswidrigen Haben des Kondiktionsschuldners das einigende Merkmal von Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen 20 . Bei den hier beispielhaft dargelegten Auffassungen handelt es sich um solche, die den Rechtswidrigkeitstheorien zuzuordnen sind. Aber auch Vertreter der Zuweisungsgehaltstheorie sehen zum Teil einheitliche Grundlagen aller Bereicherungsansprüche. Dies ist deshalb von besonderem Interesse, weil es gerade die Zuweisungsgehaltslehren waren, die die fundamentale Trennung von Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen zuerst formuliert haben. So sieht z.B. Lieb nur einen Grundtatbestand des Bereicherungsanspruchs: nämlich das rechtsgrundlose Erlangen eines Vermögensvorteils auf Kosten eines anderen 21 . Dies sei der Grundtatbestand der Kondiktionen, wenn von der Art und Weise des Erlangens abstrahiert würde. Ein solches Vorgehen rechtfertige sich durch Regelung des § 812 I 1 B G B selbst: Die Wendung „oder in sonstiger Weise" verdeutliche, daß das Gesetz jedenfalls für die Nichtleistungskondiktionen auf eine Spezifizierung des Vorgangs der Bereicherung verzichte. Der Anspruch werde deshalb gewährt, weil ein Vorteil rechts grundlos erlangt worden sei und der Bereicherungsschuldner aus diesem Grund den Vorteil nicht behalten dürfe. Daraus ergäbe sich, daß bei dem Abstellen auf die Leistung in § 812 I 1, 1. Alt. B G B , bei dem es auf die Art des Bereicherungsvorgangs ankommt, nur um einen, wenn auch besonders wichtigen Modus von Bereicherungsvorgängen handele. Kellmann, Grundsätze der Gewinnhaftung, 102. Vergleiche etwa v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts V, Beylage XIV, 607ff.; Witte, Bereicherungsklagen des gemeinen Rechts, 41 ff.; Dernburg, System des römischen Rechts der Pandekten, 836 ff.; Crome, System des deutschen bürgerlichen Rechts II, 985 ff.; Mackeldey, Lehrbuch des heutigen römischen Rechts II, §§481, 482; Puchta, Pandekten, 471 ff.; Thibaut, System des Pandekten-Rechts, II, 160 ff. 20 Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, 93. 21 MüKo(-Lieb), § 812, Rz. 7. 18

19

184

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

Der dogmatische Gewinn, der aus der Formulierung einheitlicher Grundlagen aller Bereicherungsansprüche zu ziehen sei, liege in der Erfassung des gemeinsamen Zwecks dieser Ansprüche, nämlich der Korrektur ungerechtfertigten Vermögenserwerbs. So habe die Leistungskondiktion mit ihrer Anknüpfung an das Verfehlen des mit der Leistung bezweckten Erfolges ebenso Rechtsverfolgungscharakter wie die Eingriffskondiktion 22 . Jedoch hänge die konkrete Entscheidung darüber, ob Bereicherungsansprüche im Rahmen der jeweiligen Kondiktionstypen bestünden, ganz von der sorgfältigen Prüfung des jeweiligen bereichernden Vorgangs ab. So wird auch nicht geleugnet, daß das Erfordernis der Rechtsgrundlosigkeit und das Tatbestandsmerkmal „auf dessen Kosten" in § 8 1 2 1 1 B G B bei Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen durchaus unterschiedliche Inhalte haben23. Demgegenüber ist jedoch festzustellen, daß ein wie immer gearteter dogmatischer Gewinn durch die erneuten Versuche einheitlicher Anspruchsbegründung im Bereicherungsrecht nicht erzielt wird. Notwendig überaus abstrakt gehaltene Funktionszuweisungen in der Art, die Aufgabe der Kondiktion in der Beseitigung rechtswidrigen Habens (Wilhelm) oder der Restitution rechtsgrundlos erlangter Vermögensvorteile zu sehen, erschweren eher die zur Ausfüllung einer Generalklausel - und um eine solche handelt es sich bei § 812 B G B - erforderliche Konkretisierungsarbeit. Solche abstrakten Kriterien verwischen nämlich die Unterschiede in Tatbestand und Rechtsfolgen von § 8 1 2 1 1 BGB, die sich aus den sehr verschiedenen Funktionen der Kondiktionen ergeben. Hinzu kommt, daß auch die auf § 812 B G B folgenden Regelungen des 24. Titels danach differenzieren, ob es sich um eine Bereicherung durch Leistung handelt oder ob die Bereicherung auf Nichtleistung beruht. So beziehen sich die §§ 813, 815, 817, 820 B G B nur auf Bereicherungsvorgänge, die durch Leistung verursacht worden sind. Demgegenüber stellt § 816 B G B einen Sonderfall der Eingriffskondiktion dar, auf den die ausschließlich für die Leistungskondiktion geltenden Vorschriften des 24. Titels demgemäß nicht anwendbar sind. Im Ergebnis sprechen daher die besseren Gründe dafür, in den Leistungsund Nichtleistungskondiktionen des § 812 11 B G B unterschiedliche Ansprüche zu sehen. § 812 I 1 B G B stellt daher eine Generalklausel dar, die der Konkretisierung bedarf. Die bereits im klassischen römischen Recht entwikkelten Leistungskondiktionen liegen in ihrem Tatbestand und ihrer jeweiligen Funktion seit längerem fest. Für die Nichtleistungskondiktionen fehlt es an einer vergleichbaren, historisch entwickelten Tatbestandsverfestigung. Hier bedarf es zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs in den Fällen, in denen Vermögensvorteile nicht durch Leistung erworben worden sind, der Bildung von Kondiktionstypen, die wiederum die Herausarbeitung sachgemäßer Tatbestandsmerkmale für den 22 23

M ü K o ( - L i e b ) , § 812, Rz. 4. M.ü¥,o(-Lieb), § 812, Rz. 14.

§ 8 Die Auswirkungen

der Zuweisungsgehaltslehre

auf § 812 I BGB

185

jeweiligen Typus erlauben. Dies ist die grundlegende Aufgabe der Rechtsdogmatik im Gebiet des Bereicherungsrechts. Zur Entlastung der Praxis ist es erforderlich, für die unterschiedlichen Funktionen, denen das Bereicherungsrecht im Rahmen einer modernen, auf eine wettbewerbsorientierte Marktwirtschaft hin ausgerichtete Zivilrechtsordnung zu dienen hat, handhabbare, sachlich angemessene Tatbestände zu bilden und auch die Rechtsfolgenseite des Bereicherungsanspruchs im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben (§§ 818, 819 B G B ) sorgfältig auf den jeweiligen Anspruchstyp abzustimmen.

IL

Leistung

und

Leistungskondiktion

Da die sich vorliegende Untersuchung mit Grundlagen, Reichweite und Rechtsfolgen der Eingriffskondiktion befaßt, sollen die anderen Kondiktionsarten weitgehend außer Betracht bleiben. Dennoch müssen sie - zumindest kurz - mitbehandelt werden, um die Eingriffskondiktion in einen systematischen Rahmen zu stellen und um das Verhältnis der Eingriffskondiktion zu den anderen Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung, insbesondere der Leistungskondiktion, zu klären.

1. Der Begriff der

Leistung

Naturgemäß steht bei diesem Typus der Kondiktionen der Begriff der Leistung im Zentrum des Interesses. Die Entwicklung des heute die Dogmatik bestimmenden zweckorientierten Leistungsbegriffs wird vor dem Hintergrund der vormals herrschenden Vermögensverschiebungslehre deutlich. Im Rahmen der alten Lehre wurde als Leistung eine willensgesteuerte Zuwendung angesehen, die zu einer unmittelbaren Vermögensverschiebung des Kondiktionsschuldners führte. D e r Bereicherungsausgleich aufgrund der Leistungskondiktion fand zwischen den Parteien statt, zwischen denen sich die unmittelbare Vermögensverschiebung vollzogen hatte. Die Anknüpfung an die unmittelbare Vermögensverschiebung führte insbesondere dann zu Schwierigkeiten, wenn es sich um Leistungen in Mehrpersonenverhältnissen handelte, so z.B., wenn im Rahmen eines Anweisungsverhältnisses geleistet wurde und ein Rechtsgrundmangel wegen der Unwirksamkeit von Deckungs- oder Valutaverhältnis (oder beiden) vorlag. Das Erfordernis der unmittelbaren Vermögensverschiebung konnte lediglich die Bewegungen der jeweiligen Vermögenszuwendung nachvollziehen, nicht aber die von den Parteien im Rahmen der für sie jeweils maßgebenden Rechtsverhältnisse verfolgten Zwecksetzungen. Bereits Wilburg unterzog daher diese Lehre einer durchgreifenden Kritik, die im Schrifttum wachsende Zustimmung fand 24 . Allerdings hatte Wilburg 24

Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 97 ff.

186

Kapitel I: Dogmatische Grundlagen der

Eingriffskondiktion

seine Kritik der unmittelbaren Vermögensverschiebung nicht soweit geführt, daß er daraus die dogmatischen Konsequenzen gezogen und den Leistungsbegriff des § 812 I 1 B G B entsprechend umgedeutet hätte. Der dogmatische Durchbruch von der Zuwendung (= willensgetragene Mehrung fremden Vermögens) hin zum modernen Leistungsbegriff gelang erst Kötter25, setzte sich dann aber relativ schnell im Schrifttum und in der Rechtsprechung durch26. Unter Leistung ist danach die bewußte und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens zu verstehen27. Nicht selten ist im späteren Verlauf der Rechtsentwicklung versucht worden, aus dem Leistungsbegriff konstruktiv die Lösung bereicherungsrechtlicher Fallkonstellationen abzuleiten. Gegen diese Vorgehensweise hat sich in einem bekanntgewordenen Aufsatz Canaris gewandt und den „Abschied vom Leistungsbegriff" postuliert, indem er sich bei der Lösung von Fällen der Leistungsbereicherung in Mehrpersonenverhältnissen für eine stärkere Akzentuierung der hinter dem Leistungsbegriff stehenden materiellen Wertungen einsetzt28. Er betont die Funktion des Anspruchs aus Leistungsbereicherung als Rückgewähranspruch aus fehlerhaften Kausalverhältnissen und entwickelt drei Kriterien, die bei den entsprechenden Rückabwicklungsvorgängen die Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Beteiligten ermöglichen sollen, nämlich: 1. Jede Partei eines unwirksamen Kausalverhältnisses soll ihre Einwendungen gegen die andere Partei dieses Verhältnisses behalten. 2. Im Gegenzug soll jede Partei vor Einwendungen geschützt werden, die ihr „Vertragspartner" aus dem Verhältnis zu Dritten herleitet. 3. Schließlich ist auf eine angemessene Verteilung des Insolvenzrisikos zu achten: Jede Partei soll nur das Konkursrisiko desjenigen Partners tragen müssen, den sie sich selbst ausgesucht hat29. Unter Anwendung dieser Wertungskriterien kommt Canaris in den meisten Fällen zu denselben Ergebnissen wie diejenigen, die die Frage der Leistungsbeziehungen im Drittverhältnis nach dem modernen Leistungsbegriff beurteilen. Dies ist nicht besonders überraschend, da diese Kriterien bei der Bildung Kötter, Zur Rechtsnatur der Leistungskondiktion, AcP 153 (1954), 193 ff. In der Rspr. siehe BGH 31.10.1963, BGHZ 40, 272 (277); BGH 30.5.1968, BGHZ 50, 227 (231 f.); BGH 27.5.1971, BGHZ 56,228 (240); BGH 26.10.1978, BGHZ 72,246 (248 f.); im Schrifttum vgl. etwa RGRK(-Heimann-Trosien), § 812, Rz. 15; Erman(-Westermann), § 812, Rz. 11, je m.w.N. 27 Vgl. nur Loewenheim, Bereicherungsrecht, 19 ff.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 80 ff.; Koppensteiner/Krämer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 10 ff.; Esser/ Weyers, SchR II BT, § 48 II; Scblechtriem, SchR BT, Rz. 639; Emmerich, SchR BT, § 16 V 1; Palandt(-Thomas), § 812, Rz. 3 f.; Soergel(-Mühl), § 812, Rz. 3; Alternativkommentar(-/oergesJ, Vor § 812, Rz. 16; Medicus, BR, Rz. 666; Fikentscher, SchR, Rz. 1073 ff.; Staudinger(-Lorenz), § 812, Rz. 4 ff. 28 Canaris, Der Bereicherungsausgleich im Dreipersonenverhältnis, FS Larenz I, 799 ff. (857ff.). 29 Canaris, a.a.O., FS Larenz I, 802ff. 25

26

§8

Die Auswirkungen

der Zuweisungsgehaltslehre

auf § 812 I BGB

187

des Leistungsbegriffs der h.M. von Bedeutung waren und durch diesen gewissermaßen dogmatisch verschlüsselt werden 30 . Der moderne, zweckorientierte Leistungsbegriff ermöglicht in der weit überwiegenden Zahl der Fälle, auch in den bereicherungsrechtlich so intensiv diskutierten Mehrpersonenverhältnissen, eine angemessene und sachgerechte Lösung. Der dogmatische Ertrag des modernen Leistungsbegriffs liegt darin, daß er in der Lage ist, über die Orientierung am Zweck von Vermögenszuwendungen den sozialen Sinngehalt solcher Zuwendungen in einer immer differenzierter und komplizierter werdenden Produktions- und Distributionssphäre zu erfassen. Wenn in vertraglichen Beziehungen immer häufiger Drittpersonen, etwa als Kreditgeber etc. eingeschaltet werden, so genügt zur Rückabwicklung fehlgeschlagener Leistungsverhältnisse nicht das Abstellen auf tatsächliche Vermögenszuwendungen, um die Beteiligten an einem immer als Zweipersonenbeziehung gedachten Leistungsverhältnis zu ermitteln. Allerdings müssen auch die Grenzen des Leistungsbegriffs gesehen werden; Belange, die bei der Begriffsbildung nicht integriert wurden, können auch aus dem Begriff nicht abgeleitet werden. In Einzelfällen mag sich daher ein Korrekturbedarf in Bezug auf Wertungsgesichtspunkte ergeben, die von den hinter dem Leistungsbegriff stehenden materiellen Wertungskriterien nicht erfaßt werden 31 : Ein solches Interesse bildet etwa der Minderjährigenschutz. Dies ändert jedoch nichts an der Funktionsfähigkeit des zweckorientierten Leistungsbegriffs, der angemessene und sachgerechte Lösungen in der überwiegenden Zahl der Fälle der Leistungen in Mehrpersonenverhältnissen gewährleistet. Es ist die Aufgabe der Rechtsdogmatik, Gerechtigkeitsfragen operational zu machen 32 . Die relevanten Wertungsfragen sollen in den Rechtsbegriffen so verschlüsselt sein, daß die Rechtspraxis von der Notwendigkeit entlastet wird, die rechtlich zutreffende Lösung schwieriger Interessenkonflikte bei jedem Auftreten eines solchen Konfliktes immer neu analysieren zu müssen. Da der zweckorientierte Leistungsbegriff in der überwiegenden Zahl der Fälle eine angemessene Zurechnung von Leistungsvorgängen ermöglicht, wäre es falsch, dem Leistungsbegriff den Abschied zu geben. In den der Zahl nach begrenzten Fällen, in denen der Leistungsbegriff nicht zu einer sachgerechten Lösung des Interessenkonflikts führt, sind die nicht durch den Leistungsbegriff berücksichtigten Interessen offenzulegen und im Verhältnis zu den anderen auf dem Spiel stehenden Belange zu bewerten.

3 0 Siehe dazu etwa Medicus, BR, Rz. 667 und 686; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 12 ff.; Esser /Weyers, SchR II BT, § 48 II; Staudinger(- Lorenz), § 812, Rz. 5, 6; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 115 f. 31 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 116; Esser /Weyers, SchR II BT, § 48 II. 32 Esser, Vorverständnis und Methodenwahl, 12; ders., Dogmatik zwischen Theorie und Praxis, FS Raiser, 517 ff.; Kupisch, Einheitliche Voraussetzungen des Bereicherungsanspruchs - ein Mißgriff des Gesetzgebers, FS v. Lübtow, 502.

188

Kapitel 1: Dogmatische

Grundlagen

2. Arten der

der

Eingriffskondiktion

Leistungskondiktion

Der von Kötter, Wilburg, v. Caemmerer und anderen entwickelte, mittlerweile auch in der Rechtsprechung bestimmend gewordene Leistungsbegriff stellt den Zweck von Zuwendungen des Leistenden an den Zuwendungsempfänger in den Mittelpunkt des Anspruchs aus Leistungskondiktion. Dabei beschreibt der Leistungszweck, den der Leistende mit seiner Zuwendung verfolgt, nicht etwa die vielfältigen Motive, die mit Vermögenszuwendungen verfolgt werden mögen. Gemeint ist mit dem „Zweck der Leistung" vielmehr eine finale Verknüpfung der Leistung mit den Anforderungen, die sich für den Leistenden aus einem von ihm für wirksam gehaltenen Schuldverhältnis ergeben. Der Zweck kann also darin bestehen, mit der Leistung ein Schuldverhältnis zu erfüllen. Bei der Handschenkung liegt zwar zum Zeitpunkt der Ubergabe und Übereignung des Geschenks kein Schuldverhältnis vor, doch führt der Zweck der Leistung (donandi causa) dazu, daß der Beschenkte den erhaltenen Gegenstand auch behalten darf. Die Zahl der Zwecke, die auf diese Weise mit Leistungen verfolgt werden können, ist beschränkt. Bereits im gemeinen Recht haben sich die Fallgruppen der Leistungskondiktion herausgebildet; die Differenzierungskriterien bilden die Umstände, die zum Rechtsgrundmangel führen. a) Condictio

indebiti

Den wichtigsten Fall der Leistungskondiktion bildet die condictio indebiti des § 81211,1. Alt. BGB. Der rechtliche Grund hat hier von Anfang an gefehlt. Der Zweck, den der Leistende mit seiner Zuwendung verfolgt, nämlich die Befreiung von einer Verpflichtung gegenüber dem Leistungsempfänger, wird nicht erreicht. Der Kondizient kann das Geleistete zurückverlangen, weil dem Leistungsempfänger keine Forderung zustand, aufgrund derer er die Leistung hätte beanspruchen können 33 . b) Condictio ob causam

finitam

Bei dieser Art der Leistungskondiktion bestand zum Zeitpunkt der Leistung eine Forderung; diese fällt jedoch später, etwa wegen Eintritts einer auflösenden Bedingung, weg34.

33 Siehe etwa Larenz/Canaris, SchR II/2, § 68 I 1; Schlechtriem., SchR BT, Rz. 646; Esser/ 'Weyers, SchR II BT, § 49 I 1; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 50 ff.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 126 ff. 34 Fikentscher, SchR, Rz. 1099 ff.; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 55; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 139 ff.; Loewenheim, Bereicherungsrecht, 48; Esser/Weyers, SchR II BT, § 49 I 1 b).

5 8 Die Auswirkungen

der Zuweisungsgehaltslehre

auf $ 812 I BGB

189

c) Condictio ob rem Nach § 812 12 B G B besteht die Pflicht zur Rückgewähr einer Leistung auch dann, wenn „der mit einer Leistung nach dem Inhalte des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt". Die Kondiktion wegen Zweckverfehlung hat im System der Leistungskondiktionen nur einen eingeschränkten Anwendungsbereich. Sie ist im klassischen römischen Recht entwickelt worden, weil es dort Verträge gab, die nicht zu einklagbaren Ansprüchen führten. Daher kam es vor, daß jemand an einen anderen etwas leistete, dieser aber die erwartete Gegenleistung nicht erbrachte und - mangels Klagbarkeit des Anspruchs - auch nicht zur Leistungserbringung gezwungen werden konnte. D e r Gesetzgeber des B G B hat gezögert, diese Art der Kondiktionen überhaupt in die gesetzliche Regelung aufzunehmen 3 5 . Ihr Anwendungsbereich ist heute recht eng. Anwendbar ist die condictio ob rem in Fällen, in denen zwar kein Vertrag über den Austausch von Leistungen besteht, aber die Leistung nach einverständlicher Auffassung von Leistendem und Leistungsempfänger den letzteren zu einem bestimmten Verhalten veranlassen soll 36 . Als Beispiel wird im Schrifttum häufig der Fall der Haushälterin genannt, die für einen Auftraggeber gegen Kost, Logis und Taschengeld lange Zeit arbeitet, weil sie als seine Erbin eingesetzt ist. Kurz vor seinem Tod ändert der Auftraggeber sein Testament 3 7 . Hier kann die Haushälterin den Wert der von ihr erbrachten Leistungen auf der Grundlage der condictio ob rem von den Erben herausverlangen. Zum Teil werden die normativen Funktionen der condictio ob rem heute durch die Lehre von der Geschäftsgrundlage übernommen. Die condictio ob rem wird durch § 815 B G B eingeschränkt. D e r Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der mit der Leistung angestrebte Erfolg von Anfang an unmöglich war oder der Leistende den Eintritt des Erfolges gegen Treu und Glauben verhindert hat.

d) Condictio ob turpem vel iniustam causam Die Kondiktion wegen mißbilligter Leistungsannahme ist nach § 817 S. 1 B G B dann heranzuziehen, wenn die Annahme der Leistung gegen das Gesetz oder die guten Sitten verstößt. Auch dieser Kondiktionstyp hat nur einen engen Anwendungsbereich. Häufig wird bereits das Grundgeschäft wegen Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit nach §§ 1 3 4 , 1 3 8 1 B G B nichtig sein. Dann handelt es sich bei der Rückforderung des Geleisteten um einen Fall der condictio indebiti. § 817 S. 1 B G B kommt jedoch Siehe dazu Mugdan II, Motive, 470; Protokolle, 1173 f. Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 56 f.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 149; Fikentscher, SchR, Rz. 1103 ff.; Staudinger(-Lorenz), § 812, Rz. 105; Medicus, BR, Rz. 691. 37 Fikentscher, SchR, Rz. 1105; Medicus, BR, Rz. 692; Staudinger(-Lorenz), § 812, Rz. 106. 35 36

190

Kapitel I: Dogmatische Grundlagen der

Eingriffskondiktion

dann zum Zuge, wenn die condictio indebiti nach § 814 BGB wegen Kenntnis des Leistenden vom Fehlen der Verbindlichkeit ausgeschlossen ist. Wird der Zweck der Leistung nicht erreicht, so geht die condictio ob rem dem Anspruch aus § 817 S. 1 BGB vor, es sei denn, die condictio ob rem wird durch § 815 BGB ausgeschlossen. Ausgeschlossen ist der Rückgewähranspruch nach § 817 S. 2 BGB dann, wenn dem Leistenden „gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt". Dieser Kondiktionsausschluß wird in zwei Richtungen über seinen Wortlaut hinaus ausgedehnt: Zum einen ist die Kondiktion auch dann ausgeschlossen, wenn nur dem Leistenden ein Gesetzes- oder Sittenverstoß anzulasten ist38. Der Wortlaut des § 817 S. 2 BGB geht davon aus, daß beide Beteiligte gegen Gesetz oder gute Sitten verstoßen haben. Der Grund dafür liegt in der Erwägung, daß der redliche Leistungsempfänger nicht schlechter gestellt sein darf als der unredliche 39 . Zum anderen gilt § 817 S. 2 BGB nicht nur für die Kondiktion wegen mißbilligter Leistung nach § 817 S. 1 BGB, sondern der Anwendungsbereich der Ausschlußvorschrift erstreckt sich auch auf die anderen Leistungskondiktionen 40 . Darüber hinaus sind viele Einzelfragen hinsichtlich des Kondiktionsausschlusses nach § 817 S. 2 BGB umstritten 41 . Die vorstehenden Ausführungen sollen Grundlagen, Anwendungsbereich und Arten der Leistungskondiktion kurz skizzieren, um die Unterschiede zu den Nichtleistungskondiktionen, die im Anschluß behandelt werden, herauszuarbeiten. Da sich die vorliegende Studie auf die Eingriffskondiktion konzentriert, wird auf eine detailliertere Darstellung der Leistungskondiktionen verzichtet.

III. Die

Nichtleistungskondiktionen 1. Allgemeines

Als zweite große Kategorie der Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung kommen entsprechend der bereits in § 812 11 BGB enthaltenen Differenzierung die Nichtleistungskondiktionen in den Blick. Bereits oben wurde ausführlich begründet, daß es sich bei Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen um Ansprüche handelt, die nach Funktion, Tatbestand und Rechtsfolgen verschieden sind (Trennungslehre) 42 . 38

Staudinger(-Lorenz), § 817, Rz. 3; Medicus, BR, Rz. 696. Medicus, BR, Rz. 696; Esser/Weyers, SchR II BT, § 49 IV 2). 40 Medicus, BR, Rz. 696; Esser/Weyers, SchR II BT, § 49 IV 2. a.E. Neben den Leistungskondiktionen schließt die Sperre des § 817 S. 2 BGB nach ihrer Auffassung auch Rückforderungsansprüche aus, die sich aus Vindikation, Eingriffskondiktion oder Delikt ergeben. 41 Siehe dazu etwa Mäko(-Lieb), § 817, Rz. 17a ff.; Staudinger(-Lorenz), § 817, Rz. 11 ff.; Medicus, BR, Rz. 697 ff. 42 Siehe oben Abschnitt I dieses Paragraphen. 39

5 8 Die Auswirkungen

der Zuweisungsgehaltslehre

auf § 812 I BGB

191

Bei den Leistungskondiktionen bildet die Leistung, definiert als bewußte und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens, den gemeinsamen positiven Bestandteil aller in dieser Kategorie zusammengefaßten Kondiktionen. Bei den Nichtleistungskondiktionen ist ein positives Abgrenzungskriterium (wie die Leistung bei den Leistungskondiktionen) nicht vorhanden; sie werden negativ nach dem Gesichtspunkt abgegrenzt, daß bei ihnen die rückgängig zu machende Vermögensmehrung beim Bereicherungsschuldner gerade nicht auf Leistung beruht, sondern eine andere Ursache hat. Wie sich im folgenden zeigen wird, können die Ursachen der Bereicherung außerhalb der Leistung sehr vielfältig sein. Vielgestaltig und - je nach Typ der Kondiktion - unterschiedlich sind daher auch die Probleme, die mit den einzelnen Nichtleistungskondiktionen verbunden sind. Bei den Arten der Nichtleistungskondiktionen handelt es sich nicht - wie bei den Leistungskondiktionen - um einen Typus von Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung, die sich unter einem einheitlichen, klar konturierbaren Leitprinzip zusammenfassen ließen. Daher ist es für die Arten der Kondiktionen, die unter dem Titel Nichtleistungskondiktionen zusammengefaßt sind, auch nicht möglich, gemeinsame Grundsätze für Funktion, Tatbestandsabgrenzung und Rechtsfolgen aufzustellen, wie dies z . B . für die Tatbestandsmerkmale „Leistung" oder „ohne Rechtsgrund" bei den Leistungskondiktionen möglich ist. Dennoch hat sich das bereicherungsrechtliche Schrifttum darum bemüht, die Kategorie der Nichtleistungskondiktionen in Gruppen zu gliedern, die eine angemessene Abgrenzung und Konturierung von Anwendungsbereich und Funktion der einzelnen Ansprüche und eine gewisse Systembildung ermöglichen. Zu Recht wird in der Literatur darauf hingewiesen, daß es sich dabei nicht um ein nach strenger Begrifflichkeit aufgebautes, in sich kohärentes System handelt 43 . Vielmehr haben sich - zumeist geordnet nach der Art und Weise des Erwerbsvorganges - Gruppen von Kondiktionen herausgebildet. Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung sei es jedoch verfehlt, hier bereits von Typenbildung zu sprechen. Eine solche Typenbildung sei im Bereich der Nichtleistungskondiktionen gerade gescheitert 44 . Der Typus sei in der Rechtswissenschaft ein anerkanntes Instrument zur Ausfüllung konkretisierungsbedürftiger Generalklauseln und Blankettnormen, deren tatbestandliche Grenzen sich nicht aus den entsprechenden Normen selbst ergebe 45 . Der Typus leistet auf einem im Vergleich zum klassifikatorischen Begriff weniger hohen Abstraktionsniveau die Herausarbeitung eines Wesenskerns verwandter Erscheinungen, dessen Elemente allen zum Typus gehörigen Erscheinungen bei ihrer sonstigen Verschiedenheit gemeinsam ist 46 . Damit kann die TypenReuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 371 ff. Reuter/Martinek, a.a.O., 378. 45 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 378. 46 Engisch, Die Konkretisierung in Recht und Rechtswissenschaft, 258 ff.; Leenen, Typus und Rechtsfindung. Die Bedeutung der typologischen Methode für die Rechtsfindung, dargestellt am Vertragsrecht des B G B ; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 378. 43 44

192

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

bildung ihre Aufgabe erfüllen, zwischen Phänomenen, die Gemeinsamkeiten, aber auch Disparitäten aufweisen, einen Sinnzusammenhang herzustellen. Die Versuche der Typenbildung im Bereich der Nichtleistungskondiktionen seien überwiegend in der „kasuistischen Auffächerung" von Bereicherungsfällen steckengeblieben 47 . Lediglich die Eingriffskondiktion mit dem Merkmal des Zuweisungsgehalts, das allerdings der Ergänzung durch den Gedanken der Rechtsfortwirkung und der Usurpation des fremden Rechts bedürfe, stelle eine gelungene Typenbildung dar, weil sich die Eingriffskondiktion als ein geschlossenes Sinnganzes von den anderen Fällen der Bereicherung in sonstiger Weise abhebe 48 . Mit Ausnahme der Eingriffskondiktion, für die hinreichend klare tatbestandliche Konturen entwickelt worden sind, ist die Einteilung der Fallgruppen im Bereich der Nichtleistungskondiktionen stark umstritten 49 und geht in der Aufgliederung der Fallgruppen weit auseinander. Die Ausdifferenzierung der Fallgruppen im Rahmen der Nichtleistungskondiktionen hängt eng mit der Entstehung der Trennungslehre zusammen, wie sie von Wilburg und v. Caemmerer begründet worden ist. Wilburg50 hatte in seiner Grundlegung der kategorialen Trennung von Leistungs- und Eingriffskondiktion im wesentlichen nur diese beiden Kondiktionsarten einander gegenübergestellt. E. v. Caemmerer hat die Differenzierung von ungerechtfertigtem Erwerb, der nicht auf einer Leistung beruht, weiter aufgefächert. Neben die Kondiktion wegen Inanspruchnahme fremden Gutes stellte er die Rückgriffskondiktion, die Impensenkondiktion und die unentgeltliche Bereicherung zum Schaden eines anderen 51 . Demgegenüber lehnte er eine eigenständige Fallgruppe der Bereicherung aufgrund gesetzlicher Vorschrift ab 52 . Aus diesen Ansätzen hat sich im modernen Schrifttum eine zum Teil ausufernde Differenzierung von Fallgruppen der Nichtleistungskondiktionen entwickelt; teils als Gegenbewegung zu der sehr differenzierten Auffächerung einzelner Fallgruppen der Nichtleistungskondiktionen bemühen sich manche Stellungnahmen inzwischen aber auch darum, die Nichtleistungskondiktionen in einer möglichst kleinen Zahl von Fallgruppen zusammenzufassen. Als Beispiel für eine starke Untergliederung der Nichtleistungskondiktionen sei auf folgende Versuche zur Fallgruppenbildung hingewiesen: a) Eingriffskondiktion b) Rückgriffs- und Verwendungskondiktion 47

Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 378. Reuter/Martinek, a . a . O . , 378. 49 Siehe etwa UüKo(-Lieh), § 812, Rz. 182ff.; Staudinger(-Lorenz), § 812, Rz. 25ff.; Soergel (-Mühl), § 812, Rz. 27ff.; Erman(-Westermann), § 812, R z . 63 ff. 50 Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 7 ff. und 22 ff. 51 v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte H a n d l u n g , FS Rabel 1,352 ff.; ders., G r u n d probleme des Bereicherungsrechts, in: Leser (Hrsg.), E. v. C a e m m e r e r - Gesammelte Schriften I E.v.Caemmerer - Gesammelte Schriften I„ 378ff. 52 v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte H a n d l u n g , FS Rabel I, 363. 48

§8 Die Auswirkungen

der Zuweisungsgehaltslehre

auf § 812 I BGB

193

c) Kondiktion wegen rechtsgrundlosen Erlangens aufgrund gesetzlicher Vorschrift d) Kondiktion wegen rechtsgrundlosen Erlangens aufgrund entsprechender Handlung Dritter; e) Kondiktionsansprüche wegen Erwerbes aufgrund eines Naturvorganges 53 . Eine andere Einteilung gliedert die Nichtleistungskondiktion folgendermaßen: a) Eingriffskondiktion b) Rückgriffskondiktion c) Drittempfängerkondiktion d) Verwendungskondiktion e) Durchgriffskondiktion f) allgemeine Vermögenskondiktion (offene Nichtleistungskondiktion) 5 4 . Die Versuche einer derart feinen Untergliederung der Nichtleistungskondiktionen sind jedoch kritisch zu betrachten. Sie führen vielfach zu unklaren Abgrenzungen zwischen den Fallgruppen und damit zu Überschneidungen. Außerdem unterliegt die Bildung der Fallgruppen keinen kohärenten Kriterien. Zum Teil werden die tatsächlichen Vorgänge, die zum Erwerb der herauszugebenden Vermögensvorteile geführt haben, herangezogen (Eingriff), zum Teil die juristische Erwerbsmodalität (Kondiktion wegen Erwerbs aufgrund gesetzlicher Vorschrift 55 ). Im Rahmen des § 9 5 1 i.V.m. §§ 946ff. BGB (Verbindung, Vermischung, Verarbeitung) kann der Erwerb durch die Handlung des Bereicherten, (wenn er selbst fremdes Material in sein Haus einbaut), des Entreicherten (dann eventuell Leistung), oder eines Dritten (z.B. eines Bauunternehmers) erfolgen. Ein heuristischer Gewinn ist mit solchen Unterscheidungen nicht verbunden. Eine andere Auffassung erkennt neben der Eingriffskondiktion lediglich noch eine sog. Abschöpfungskondiktion an, mit der alle Fälle der Nichtleistungskondiktion erfaßt werden soll, die nicht auf Eingriff beruhen 56 . N u r bei Leistungs- und Eingriffskondiktion entstehe wegen des Zusammenspiels mit den „funktionsanalogen" Instituten des vertraglichen Rücktrittsrechts und des Deliktsrechts der Bedarf nach einer wegen der divergenten Funktionen unterschiedlichen Fassung von Tatbestand und Rechtsfolgen. Dieses Problem hingegen gäbe es bei den übrigen Fällen der Nichtleistungskondiktionen nicht. Hier sei allein der Umstand des zuweisungswidrigen Habens ausschlaggebend für die Pflicht zur Herausgabe der Bereicherung, nicht aber die Art und Weise, auf die der herauszugebende Vorteil erlangt worden sei 57 . Dieser Ansatz macht die Zuweisungsgehaltswidrigkeit zum gemeinsamen Kriterium aller NichtMüKo(-Lieb), § 812, Rz. 190. Fikentscher, SchR, Rz. 1072. 55 Vergleiche etwa MüKo (-Lieb), §812, Rz. 187; Erman(-Westermann), Fikentscher, SchR, Rz. 1125. 56 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 383f. 57 Reuter/Martinek, a.a.O., 383. 53 54

§812, Rz. 80;

194

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen der

Eingriffskondiktion

leistungskondiktionen. Die Aufgabe der Abschöpfungskondiktion als Residualkategorie der von der Eingriffskondiktion nicht erfaßten Fälle sei „... auf einen Ausgleich für das unrechtmäßige Haben aus fremdem Vermögen, d.h. auf die bloße Abschöpfung der noch vorhandenen Bereicherung des Kondiktionsschuldners gerichtet, die durch einen Zufluß von Vermögenswerten an den Bereicherten entstanden ist und ihn nicht gebührt, weil ihre Integration in seine Vermögenssphäre der materiellrechtlichen Zuweisungsordnung zuwiderliefe"58. Diese Auffassung sieht auch bei der Residualkategorie der Nichtleistungskondiktion in dem Widerspruch der eingetretenen Vermögenslage zu der rechtlichen Zuweisungsordnung das einigende Band zwischen den in dieser Kategorie zusammengefaßten Fällen. Dies erscheint allerdings wenig überzeugend. Der Widerspruch zum Zuweisungsgehalt vermögenswerter Positionen ist die Grundlage des Anspruchs auf Eingriffskondiktion, allerdings - nach Auffassung von Reuter/Martinek - noch um die Gedanken der Fortwirkung des verletzten Rechts und der Usurpation dieses Rechts ergänzt. Das Konzept des Zuweisungsgehalts wird nun auch für die Typen der Nichtleistungskondiktion fruchtbar gemacht, die nicht auf einem Eingriff in geschützte Rechtsgüter des Kondizienten beruhen. Der Zuweisungsgehalt der Rechte bietet deshalb die richtige dogmatische „Verschlüsselung" für die Reichweite der Eingriffskondiktion, weil das Konzept an dem für die Eingriffskondiktion entscheidenden Umstand anknüpft: nämlich dem Schutz der Rechte des Kondizienten gegen die unbefugte Inanspruchnahme durch Dritte. Das Konzept des Zuweisungsgehalts von Rechten und sonstigen geschützten Positionen fußt also auf dem durch solche Positionen gewährleisteten Drittschutz. Die den Kondizienten eingeräumten exklusiven Handlungsrechte und die damit verbundene Vermögensberechtigung grenzt die Handlungsbefugnisse Dritter in Bezug auf das Objekt des subjektiven Rechts aus. Die Funktion des Zuweisungsgehalts liegt in der bereicherungsrechtlichen Erfassung der unbefugten Inanspruchnahme von durch die Rechtsordnung exklusiv zugewiesenen Handlungs- und Vermögensberechtigungen durch Dritte. Nicht geeignet ist das Konzept für die Erfassung von Bereicherungsvorgängen, die - ohne auf Leistung zu beruhen - durch die Vermögensinhaber selbst ausgelöst werden. Dies zeigt sich an den unter dem Begriff der Aufwendungskondiktion zusammengefaßten Fällen der Verwendungs- und Rückgriffskondiktion. Sie zeichnen sich dadurch aus, daß der Kondizient Bestandteile seines eigenen Vermögens einsetzt und dadurch einem anderen einen Vorteil verschafft59. Bei der Verwendungskondiktion setzt der Kondizient Geld, Arbeit oder Material zur Verbesserung von Sachen ein, deren Eigenbesitzer er ist, die ihm aber nicht gehören60. Ebenso gehört dazu die irrtümliche Verwendung eigenen Materials Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 383. Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 68; MüKof-Lz'e^, § 812, Rz. 186. 60 v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel I, 365 ff.; Staudinger (-Lorenz), §812, Rz. 29; MüKof-LzeH §812, Rz. 250 ff.; Soergel(-Mühl), §812, Rz. 29; 58 59

§ 8 Die Auswirkungen

der Zuweisungsgehaltslehre

auf § 812 I BGB

195

für fremde Zwecke (Beispiel: Der Hausmeister verbrennt eigene Kohle im Mietshaus in der Auffassung, es handele sich um Brennmaterial des Vermieters). Die Rückgriffskondiktion bezieht sich auf den Fall, daß ein Nicht-Schuldner wirksam auf die Schuld eines anderen leistet und für die Erstattung der Bezahlung der fremden Förderung beim Schuldner Rückgriff nehmen möchte 6 1 . In diesen Fällen erbringen die Kondizienten jeweils ein freiwilliges Vermögensopfer; insbesondere bei der Verwendungskondiktion mag sich der K o n dizient darüber irren, daß das Vermögensopfer nicht ihm, sondern einem anderen zugute kommt. Dennoch ist daran festzuhalten, daß die Kategorie des Zuweisungsgehalts nicht geeignet ist, solche freiwilligen Vermögensopfer zu erfassen. Der Zuweisungsgehalt eines Rechts behält seinem Inhaber die alleinige Entscheidung über Haben, Nutzen und Veräußerung des Rechts vor. Der Zuweisungsgehalt eines Rechts wird nur dann beeinträchtigt, wenn ein anderer, der nicht der Rechtsinhaber ist, unbefugt die Befugnisse des Rechtsinhabers ausübt. Der Rechtsinhaber selbst verletzt den Zuweisungsgehalt seines Rechts nicht, wenn über den Gegenstand der Berechtigung disponiert, sich aber das von ihm vorgestellte Ergebnis seiner Disposition nicht einstellt, weil der Rechtsinhaber über die Rechts- oder Tatsachenlage irrte. Wenn man - wie Reuter/ Martinek dies tun - im zuweisungswidrigen Zustand auch bei der Aufwendungskondiktion die Grundlage des Bereicherungsanspruchs sieht, dann verliert der Begriff des Zuweisungsgehalts jede Kontur, da er nicht mehr auf absolute subjektive Rechte und diesen gleichstehende Rechtspositionen beschränkt wäre. Es wurde bereits oben darauf hingewiesen, daß eine solche Erweiterung des Begriffs auch seiner spezifischen Funktion zuwiderliefe, bereicherungsrechtlich denjenigen Bereich abzugrenzen, der im Rahmen von absoluten subjektiven Rechten oder ihnen gleichkommende Berechtigungen dem Zugriff Dritter verschlossen ist. Folgt man - wie es ganz überwiegend im Schrifttum anerkannt ist und auch durch das Gesetz selbst nahegelegt wird - als Einteilungskriterium für die Kondiktionstypen den natürlichen Ursachen, die den rechtsgrundlosen Erwerb ausgelöst haben, so lassen sich folgende Fallgruppen der Nichtleistungskondiktion ausmachen: - die Eingriffskondiktion; - die Aufwendungskondiktion mit den Untergruppen von Verwendungsund Rückgriffskondiktion; - sonstige Kondiktionen (z.B. aufgrund von Naturvorgang 6 2 und Zeitablauf 63 ). Fikentscher, SchR, Rz. 1144 ff.; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 101; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 383, mit abweichender Systematisierung. 61 v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel I, 360 ff.; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, \Q2tf.;Jauernig(-Schlechtriem), § 812, Anm. 2; Soergel(-Mühl), § 812, Rz. 166ff.; Staudinger(-Lorenz), § 812, Rz. 42. 62 Siehe dazu etwa MüKo(-Lieb), § 812, Rz. 189 a; Soergel(-Mühl), § 812, Rz. 31; Staudinger(-Lorenz), § 812, Rz. 30; Fikentscher, SchR, Rz. 1126; Schlechtriem, SchR BT, Rz. 661;

196

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

2. Die allgemeine

der

Eingriffskondiktion

Eingriffskondiktion

Generell anerkannt ist unter den sonst sehr umstrittenen Fallgruppen der Nichtleistungskondiktionen die Eingriffskondiktion. Diese Fallgruppe wiederum läßt sich unterteilen in die allgemeine Eingriffskondiktion nach § 812 I 1, 2. Alt. BGB, die alle die Fälle des rechtsgrundlosen Erwerbs durch Eingriff erfaßt, welche keiner der gesetzlich besonders geregelten Eingriffskondiktionen zuzuordnen sind, und die besonderen Eingriffskondiktionen.

3. Besondere

Eingriffskondiktionen

Besondere Eingriffskondiktionen ergeben sich aus §§ 816,951 i. V.m. §§ 946ff. BGB.

a) §8161

BGB

§ 81611 BGB verpflichtet den Nichtberechtigten, der eine dem Berechtigten gegenüber wirksame Verfügung trifft, diesem das aus der Verfügung Erlangte herauszugeben. Die Bestimmung betrifft im wesentlichen den gutgläubigen Erwerb von Sachen (§ 932 BGB) vom Nichtberechtigten. Der Erwerb aufgrund der Verfügung eines Nichtberechtigten stellt einen Eingriff in die Rechtsstellung des betroffenen Rechtsinhabers, z.B. des Eigentümers bei § 932 I BGB dar. Der Gutgläubige erwirbt das Eigentum an der beweglichen Sache nicht vom Nichtberechtigten, sondern unmittelbar vom Eigentümer. Dieser verliert sein Recht an der beweglichen Sache nicht aufgrund eigenen Willensentschlusses, sondern dadurch, daß ein Nichtberechtigter wirksam über die Sache verfügt. Die Vorschrift des § 932 Abs. 1 BGB stellt klar, daß der gutgläubige Erwerb von Gegenständen vom Nichtberechtigten mit Rechtsgrund erfolgt; die Vorschrift, die den gutgläubigen Erwerb regelt, bildet einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen des Gegenstandes 64 . Der gutgläubige Erwerber wird also vor Bereicherungsansprüchen des alten Eigentümers geschützt; dies ist erkennt man den Verkehrsschutz durch gutgläubigen Erwerb überhaupt an auch konsequent. Entzöge man dem gutgläubigen Erwerber den wirtschaftlichen Wert des erworbenen Gegenstandes, so würde der Schutz des Rechtsverkehrs, den das Sachenrecht anstrebt, durch das Bereicherungsrecht wieder aufgehoben. Folglich bleibt als Schuldner eines Anspruchs wegen Eingriffsbereicherung nur der Nichtberechtigte, der aus dem Kaufvertrag mit dem Erwerber als Gegenleistung den Kaufpreis erhalten hat. Durch die wirksame Verfügung hat Koppensteiner/Kramer, IV 1 b). 63 Larenz/Canaris, 64 Larenz/Canaris,

Ungerechtfertigte Bereicherung, 69; Larenz/Canaris, SchR II/2, § 69 IV 1 c). SchR II/2, § 67 III 2 a).

SchR II/2, § 69

$ 8 Die Auswirkungen der Zuweisungsgehaltslehre auf § 812 I BGB

197

der Nichtberechtigte den Zuweisungsgehalt des Eigentums des alten Eigentümers verletzt und deshalb das aufgrund dieser Verletzung Erlangte herauszugeben. D e r Gesetzgeber des B G B stand unter dem beherrschenden Eindruck der Lehre von der unmittelbaren Vermögensverschiebung, die eine Voraussetzung des Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung bildete. D i e Vorschrift des § 8 1 6 Abs. 1 B G B entstand nicht in den Beratungen zum Bereicherungsrecht, sondern in denen zum Sachenrecht. N a c h d e m man sich dort zu einem weitgehenden Schutz des gutgläubigen Erwerbers durchgerungen hatte 6 5 , bestand in der ersten K o m m i s s i o n Klarheit darüber, daß der ehemals Berechtigte den Vorteil, den der Nichtberechtigte aufgrund der Verfügung erlangt hat, herausverlangen könne. Allerdings - so die K o m m i s s i o n - könne die Statthaftigkeit der condictio sine causa deshalb in Frage gestellt werden, weil es an einem unmittelbaren Vermögensübergang fehle 6 6 . Dies trifft zu: D e r gutgläubige Erwerber erlangt das Eigentum unmittelbar v o m Eigentümer; der N i c h t b e r e c h tigte überträgt ihm den Besitz. D e r Nichtberechtigte b e k o m m t das Entgelt für die veräußerte Sache v o m gutgläubigen Erwerber. Sieht man den N i c h t b e rechtigten als u m den Kaufpreis bereichert an - wie es die K o m m i s s i o n offenbar tut - , so ist in der Tat festzustellen, daß eine unmittelbare Vermögensverschiebung zwischen dem Alteigentümer und dem Nichtberechtigten nicht erfolgt ist. D a h e r hielt die K o m m i s s i o n eine entsprechende Klarstellung für erforderlich und nahm deshalb § 816 I 1 B G B in die Vorschriften über das Bereicherungsrecht auf.

b) Die unentgeltliche Verfügung durch einen (§81612 BGB)

Nichtberechtigten

§ 816 I 1 B G B geht mit dem Anspruch gegen den Nichtberechtigten ins Leere, wenn die Verfügung unentgeltlich erfolgt ist. D e r gutgläubige E r w e r b e r wird zwar gemäß §§ 925, 932 I B G B immer noch Eigentümer; der N i c h t berechtigte erlangt jedoch aufgrund der Verfügung nichts, das Gegenstand eines bereicherungsrechtlichen Herausgabeanspruchs sein könnte. Bei den Gesetzgebungsarbeiten zum B G B war zunächst überlegt worden, den Schutz des guten Glaubens bei unentgeltlichem E r w e r b überhaupt auszuschließen. Dieser Vorschlag konnte sich jedoch nicht durchsetzen 6 7 . Vielmehr entschied sich die 2. K o m m i s s i o n , den unentgeltlichen gutgläubigen E r w e r b e r Siehe dazu König, Ungerechtfertigte Bereicherung, 157 ff. Siehe 1. Kommission, Protokoll über die Beratungen der Bestimmungen der Teilentwürfe, abgedruckt in Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Schuldverhältnisse III, S. 861. Dort heißt es: „Ob eine condictio sine causa nach § 742 schon von selbst gegeben sein würde, könnte mit Rücksicht darauf in Zweifel gezogen werden, daß es an einem unmittelbaren Uebergange aus dem einen Vermögen in das andere Vermögen fehle. Jedenfalls sei eine Klarstellung im praktischen Interesse erforderlich: ...". 67 Mugdan III, Protokolle, 543. 65 66

198

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

zum Schuldner des Bereicherungsanspruchs zu machen 68 . Die ratio legis liegt hier darin, daß im Rahmen des Gutglaubensschutzes nur derjenige kondiktionsfest geschützt ist, der für seinen Erwerb ein Vermögensopfer erbracht hat69. Umstritten ist allerdings, ob der unentgeltliche Erwerber allein der Kondiktion durch den ehemaligen Eigentümer ausgesetzt ist oder ob der Alteigentümer ein Wahlrecht hat, ob er vom Nichtberechtigten den Wert der verschenkten Sache oder vom unentgeltlichen Erwerber die Sache selbst kondizieren will. Richtigerweise wird man hier differenzieren müssen. Klar ist, daß sowohl in der Verfügung des Nichtberechtigten wie auch in dem Erwerb des Beschenkten ein Eingriff in den Zuweisungsgehalt des Eigentums des Alteigentümers liegt. Der Erwerber erlangt unentgeltlich das Eigentum am geschenkten Gegenstand. Fraglich ist demgegenüber, was der Nichtberechtigte erlangt hat. Von einem Teil des Schrifttums wird die Auffassung vertreten, der unentgeltlich verfügende Nichtberechtigte sei - außer im Fall der Gutgläubigkeit - immer verpflichtet, den objektiven Wert des veräußerten Gegenstandes nach § 816 I 1 BGB herauszugeben 70 . Folgt man dieser Auffassung, so stehen dem Kondizienten zwei Bereicherungsansprüche zu: der gegen den Nichtberechtigten nach § 816 I 1 BGB und der gegen den Erwerber nach § 816 I 2 BGB. Natürlich kann er nicht beide parallel geltend machen, weil der Kondizient dann selbst ungerechtfertigt bereichert wäre. Er muß sich für einen Anspruch entscheiden 71 . M.E. dürfte hier folgendes zu erwägen sein: Der Nichtberechtigte müßte nach § 816 11 BGB durch die Verfügung etwas erlangt haben. Davon wird man nur sprechen können, wenn er bei Kenntnis der Sachlage dem Erwerber einen anderen Gegenstand geschenkt haben würde. In diesem Fall wäre er bereichert. Kann der Nichtberechtigte jedoch dartun, daß er dem Erwerber nichts geschenkt hätte, steht dem Kondizienten allein der Anspruch aus § 816 I 2 BGB zu. § 816 I 2 BGB gewährt den Anspruch wegen Eingriffsbereicherung nur dann, wenn der Erwerber den Vorteil durch die Verfügung des Nichtberechtigten unmittelbar erlangt. Damit werden die Fälle aus dem Anwendungsbereich des § 816 I 2 BGB ausgeschlossen, in denen der Nichtberechtigte den Gegenstand des Kondizienten zunächst entgeltlich veräußert hatte und dann das vom Erwerber Erlangte unentgeltlich an einem Dritten weitergegeben hatte72. In Mugdan III, Protokolle, 543. Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 96 ff.; Loewenheim, Bereicherungsrecht, 91; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 330; TsAüKo(-Lieb), § 816, Rz. 46. 70 Siehe dazu Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 97; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 331; Staudinger(-Lorenz), § 816, Rz. 27; MüKo(-Lieb), § 816, Rz. 8. 71 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 331. Kritisch dazu Koppensteiner/ Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 97; Staudinger(-Lorenz), § 816, Rz. 27. 72 RG 7.12.1912, Recht 1913, Nr. 342-,Staudinger(-Lorenz), § 816, Rz. 27;Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 332. 68 69

$ 8 Die Auswirkungen

der Zuweisungsgehaltslebre

auf § 812 I BGB

199

Bezug auf § 816 I 2 BGB ist auch umstritten, wer kondizieren kann, wenn die Verfügung des Nichtberechtigten zwar dinglich wirksam, aber rechtsgrundlos erfolgt ist, weil der Vertrag zwischen Nichtberechtigten und Veräußerer sich als nichtig erweist. Das ältere Schrifttum hatte die rechtsgrundlose Verfügung der unentgeltlichen gleichgestellt mit der Folge der Anwendbarkeit des § 816 I 2 BGB unter Durchgriff des Alteigentümers auf den Erwerber 73 . Die Begründung: Wenn schon der Erwerber, der mit Rechtsgrund erworben habe, der direkten Kondiktion ausgesetzt sei, müsse dies erst recht für denjenigen Erwerber gelten, der den Vorteil sine causa erlangt habe. Der Anspruch des Nichtberechtigten wegen condictio indebiti gegen den Erwerber könne nicht als Entgelt angesehen werden. Diese sog. Einheitskondiktion des Alteigentümers gegen den rechtsgrundlosen Erwerber wird heute nur noch von einer Mindermeinung vertreten. Gegen diese Auffassung spricht auch ein in anderem Zusammenhang entscheidender Wertungsgesichtspunkt des Bereicherungsrechts: Läßt man den Durchgriff des Alteigentümers auf den Erwerber zu, so schneidet man dem Erwerber seine Einwendungen aus dem Verhältnis zum Nichtberechtigtem ab. Dies fällt insbesondere dann ins Gewicht, wenn der Erwerber bereits den Kaufpreis für die Sache bezahlt hat, denn dann kann er dem Herausgabeanspruch nicht mehr das Zurückbehaltungsrecht des § 273 I BGB entgegenhalten. Ebenso verlöre er eventuelle Einwendungen gegen den Anspruch des Nichtberechtigten nach §§ 814, 815 BGB. Demgegenüber hat die sog. Doppelkondiktion zur Folge, daß der Alteigentümer den Anspruch des Nichtberechtigten wegen Leistungskondiktion (condictio indebiti) kondiziert und diesen Anspruch gegenüber dem Erwerber geltend macht. Letzterer ist auf diese Weise vor dem Verlust seiner Einwendungen aus dem Verhältnis zum Nichtberechtigten geschützt: Nach § 404 BGB muß der Alteigentümer diese Einwendungen gegen sich gelten lassen. Die Rechtsprechung hat in den sog. Spielbankfällen geschwankt, ob sie die rechtsgrundlose Verfügung des Nichtberechtigten als unentgeltlich ansehen sollte. Im ersten dazu entschiedenen Fall war das Gericht von der Unentgeltlichkeit der Verfügung ausgegangen, weil sich die Gewinnchance, die sich der untreue Angestellte mit dem Geld seines Arbeitgebers erkauft hatte, nicht verwirklicht hatte 74 . Im zweiten Spielbankfall 75 erkannte das Gericht hingegen an, daß die Einräumung einer Spielchance wegen des dafür aufgewandten Einsatzes als entgeltlich zu qualifizieren sei. Daher schied hier eine Anwendung des § 816 I 2 BGB aus. Da in diesem Fall der Spielvertrag wirksam war, brauchte der BGH auf die Frage, ob rechtsgrundlose Verfügungen unentgeltlich sind, keine Antwort zu geben. 73 Boehmer, Grundlagen der bürgerlichen Rechtsordnung II/2, 6 ff.; v. Caemmerer, stungsrückgewähr bei gutgläubigem Erwerb, FS Boehmer, 145 ff. (147). 74 BGH 12.7.1962, BGHZ 37, 363 (368). 75 BGH 25.4.1967, BGHZ 47, 393.

Lei-

200

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

Manche ordnen § 816 I 2 B G B zusammen mit § 822 B G B , der eine ähnliche Funktion zu erfüllen hat, als eigenständige Kondiktionsart ein 76 . Dies ist abzulehnen. Es handelt sich bei dem Anspruch gegen den unentgeltlichen Erwerber nach § 816 I 2 B G B lediglich um einen Spezialfall der Eingriffskondiktion wegen wirksamer Verfügung eines Nichtberechtigten, in der der Besonderheit Rechnung getragen wird, daß die Verfügung des Nichtberechtigten unentgeltlich erfolgt und der Schutz des gutgläubigen Erwerbs schwächer ist, wenn dieser Erwerb ohne eigenes Vermögensopfer des Erwerbers zustande kommt. Daher ist es nicht sinnvoll, § 816 I 2 B G B als eine eigene Kondiktionsart im Rahmen der Nichtleistungskondiktionen anzusehen.

c) Eingriff in die

Forderungszuständigkeit

Eine weitere Sonderform der Eingriffskondiktion ist in § 816 II B G B geregeltIm Unterschied zu § 816 I B G B betrifft diese N o r m nicht die wirksame Verfügung über Sachen, sondern über Forderungen. Leistet der Schuldner in einer dem Berechtigten gegenüber wirksamen Weise an einen Nichtberechtigten, so hat der Berechtigte gegen den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Herausgabe des Geleisteten. Ein wichtiger Anwendungsbereich des § 816 II B G B ist die Zahlung an den Zessionar nach erfolgter, dem Schuldner aber nicht offen gelegter Abtretung der Forderung. Nach § 407 I B G B muß der Gläubiger die Leistung, die der Schuldner in Unkenntnis der Abtretung an den Altgläubiger in Bezug auf die Forderung vornimmt, gegen sich gelten lassen 77 .

d) Eingriffskondiktion nach $ 951 I BGB Eine Eingriffskondiktion kann auch in den durch § 9 5 1 i.V.m. §§ 946 ff. B G B geregelten Fällen der Verbindung, Verarbeitung oder Vermischung gegeben sein. Die §§ 946ff. B G B ordnen die rechtliche Zuordnung von Sachen, die durch Verbindung oder Vermischung anderer Sachen oder durch Verarbeitung neu entstanden sind. Dabei treten folgende Interessenkonflikte auf: 1. Sachen, die jeweils verschiedenen Eigentümern gehören, können dergestalt miteinander verbunden werden, daß neue Sachen entstehen. Soweit die dabei verwandten Sachen wesentliche Bestandteile der neuen Sache bilden, zeigt § 93 B G B , daß an solchen Bestandteilen keine besonderen Rechte entstehen können. In einem solchen Fall muß das Eigentum an der neu entstehenden Sache einem der Eigentümer der verbundenen Sachen zugeordnet werden. 2. Der zweite vom Gesetzgeber in § 950 B G B gelöste Interessenkonflikt ist der der Eigentumszuordnung an einer Sache, die ein Verarbeiter aus fremden 76 Siehe etwa Fikentscher, SchR, Rz. 1148, der § 816 I 2 B G B ebenso wie § 822 B G B als „Durchgriffskondiktion" einordnet. 77 Siehe Näheres zur Kondiktion wegen Eingriffs in die Forderungszuständigkeit in § 28 II.

§ 8 Die Auswirkungen

der Zuweisungsgehaltslehre

auf § 812 I BGB

201

Sachen hergestellt hat. In Konflikt stehen hier die Interessen des Verarbeiters und des Eigentümers der verarbeiteten Sache 78 . Das Gesetz läßt sich bei der Entscheidung dieser Fragen von dem Gesichtspunkt leiten, die mit den neugeschaffenen Sachen entstandenen ökonomischen Werte nicht dadurch zu zerstören, daß sie wieder in ihre Bestandteile zerlegt werden müßten 7 9 . Der (Mehr-)Wert der neuentstandenen Sache soll erhalten bleiben; daher geht es lediglich um die Zuordnung des Eigentums daran. So ordnet § 946 BGB dem Grundstückseigentümer das Eigentum an beweglichen Sachen zu, die dergestalt mit dem Grundstück verbunden werden, daß sie zu einem wesentlichen Bestandteil werden. Bei beweglichen Sachen, die so zu einer einheitlichen Sache verbunden werden, daß sie wesentliche Bestandteile der Sache werden, sieht § 947 BGB vor, daß die Eigentümer der früher selbständigen Sachen Miteigentum an der einheitlichen Sache nach dem Verhältnis des Wertes der kombinierten Sachen zur Zeit der Verbindung erwerben. Bildet jedoch eine Sache den Hauptbestandteil der neu entstandenen einheitlichen Sache, dann erwirbt der Eigentümer der Hauptsache Eigentum an der einheitlichen Sache. § 948 BGB verweist auf die Regelung des § 947 BGB für untrennbar miteinander vermischte oder vermengte Sachen. Auch hier entsteht Miteigentum an den vermischten Sachen; stellt sich eine Sache als Hauptsache dar, so erwirbt deren Eigentümer das Eigentum an den vermischten Sachen. Eine ähnliche Regelung trifft § 950 BGB für die Verarbeitung von fremden Sachen. Hier erwirbt der Verarbeiter das Eigentum an der neu entstehenden beweglichen Sache, die er aus einem oder mehreren Stoffen, die im Eigentum einer anderen Person stehen, hergestellt hat. Wie bereits oben erwähnt, ist es das Ziel des Gesetzes, durch die Zuweisung von Eigentum an den durch die genannten tatsächlichen Vorgänge neu geschaffenen Sachen Wohlfahrtsverluste zu vermeiden, die durch „Realteilung" der neu geschaffenen Gegenstände entstehen würden. § 951 I BGB macht deutlich, daß derjenige, der aufgrund der Vorschriften der §§ 946 ff. BGB sein Eigentum an den verarbeiteten und vermischten Sachen einbüßt, nun keineswegs auch den Vermögenswert dieser Sachen verlieren soll. Vielmehr kann er von demjenigen, der durch die Rechtsänderung aufgrund der §§ 946 ff. BGB Eigentum erwirbt, Vergütung in Geld nach den Vorschriften der §§ 812ff. BGB verlangen. Die Beschränkung auf die Herausgabe in Geld ist konsequent, weil die neu entstandene Sache nicht durch Zerlegung in ihre Bestandteile zerstört werden und damit ein wirtschaftlicher Verlust eintreten soll. § 951 I BGB enthält eine Rechtsgrund-, nicht nur eine Rechtsfolgenverweisung 8 0 . Daher sind im Rahmen eines Bereicherungsanspruchs wegen 78 Jauernig(-Jauernig), § 950, Anm. 1; Palandt(-Bassenge), § 950, Rz. 1; Alternativkommentar(-Reich), § 950, Rz. 1. 79 Siehe dazu etwa Erman(-Hefermehl), Vorbemerkung zu § 946, Rz. 6. 80 Siehe etwa Erman(-Hefermehl), §951, Rz. 3; Alternativkommentar('-/oerges/), §951, Rz. 2 ; J a u e r n i g ( - J a u e r n i g ) , § 951, Anm. \;Soergel(-Mühl), Vor § 812, Rz. 8; Reuter / Martinek,

202

Kapitel

I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

Verarbeitung, Vermischung oder Verbindung alle Tatbestandsvoraussetzungen des § 812 I 1 BGB zu prüfen. Heftig umstritten ist in Rspr. und Schrifttum, ob die in § 9 5 1 I 1 BGB enthaltene Rechtsgrundverweisung nur die Eingriffskondiktion des § 812 I 1, 2. Alt. BGB erfaßt oder ob sie auch den Fall der Leistungskondiktion abdeckt. In tatsächlicher Hinsicht kann sich ein Rechtserwerb nach §§ 946ff. BGB je nach Fallkonstellation sowohl als Eingriff wie als Leistung darstellen. Ein Eingriff liegt etwa vor, wenn ein Grundstückseigentümer fremdes Baumaterial in sein Haus einbaut und gemäß § 946 BGB Eigentum an den eingebauten Materialien erwirbt. Demgegenüber erfolgt der Rechtserwerb des Grundstückseigentümers nach § 946 BGB durch Leistung, wenn ein Bauhandwerker ihm gehöriges Baumaterial aufgrund eines Werkvertrages mit dem Grundstückseigentümer in dessen Haus einbaut, ohne daß es dem Grundstückseigentümer zuvor rechtsgeschäftlich übereignet wurde. Erweist sich der Werkvertrag als unwirksam, so steht dem Bauhandwerker gegen den Grundstückseigentümer ein Anspruch aus Leistungskondiktion nach § 812 I 1, 1. Alt. BGB zu. Die Rspr. und ein Teil des Schrifttums gehen davon aus, daß die Rechtsgrundverweisung des § 951 I 1 BGB beide Alternativen des § 812 I 1 BGB, also Leistungs- und Nichtleistungskondiktion erfaßt. 81 Der wohl überwiegende Teil der Literatur hingegen ist der Auffassung, daß § 951 11 BGB ausschließlich auf die Eingriffskondiktion nach § 812 11, 2. Alt. BGB verweist. 82 Begründet wird diese Beschränkung der Reichweite des § 951 I 1 BGB damit, daß es bei einer Anwendung des § 951 I 1 BGB auch auf die Leistungskondiktion in Fällen, in denen die Leistung in der Verarbeitung von Sachen besteht, zu einer Aufsplitterung der einheitlichen Leistung kommen könne: bei Unwirksamkeit des Werkvertrages werde die Sachleistung nach § 951 I 1 i.V.m. § 812 11, 1. Alt. BGB behandelt, während die Arbeitsleistung unmittelbar nach § 81211 BGB rückabzuwickeln sei. Bei der Frage des Wertersatzes sei dann jedoch wieder von einem einheitlichen Vergütungsanspruch auszugehen. 83 Der Ausschluß der Leistungskondiktion auf der Grundlage dieser Argumentation erscheint nicht überzeugend; jeder Handwerker berechnet bei der Kalkulation seiner Leistungen die Materialien, die er für einen Vertragspartner verbraucht, und die Arbeitszeit, die er zum Einbau der Materialien aufwendet, separat. Es ist nicht einzusehen, warum bei der Rückabwicklung eines WerkUngerechtfertigte Bereicherung, 740; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 215; BGH 31.10.1963, BGHZ 40, 272 (276); BGH 11.1.1971, BGHZ 55, 176 (177). 81 BGH 31.10.1963, BGHZ 40,272 (275 ff.); BGH 12.7.1989, BGH NJW 1989,2245 (2246 f.); Erman(-Hefermehl), § 951, Rz. 3; RGKK(-Pikart), § 951, Rz. 7. 82 M ü K o ( - Q u a c k ) , §951, Rz. 3, 5; Staudinger(-Gursky), §951, Rz. 2; Wieling, Sachenrecht, § 11 II 5 a); Palandt(-Bassenge), § 951, Rz. 2; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 53 c I; Westermann, Sachenrecht, § 54, 2; Soergel(-Mühl), § 951, Rz. 1; Jauernig(-Jauernig), § 951, Anm. 1; Fikentscher, SchR, Rz. 1071. 83 Siehe Staudinger(-Gursky), § 951, Rz. 2.

§ 8 Die Auswirkungen

der Zuweisungsgehaltslehre

auf § 812 I BGB

203

Vertrages mittels der Leistungskondiktion beide Komponenten nicht auch getrennt bewertet werden können. Hinzu kommt, daß auch in dem Teil des Schrifttums, der die Anwendbarkeit des § 95111 BGB auf die Eingriffskondiktion befürwortet, die Rechtsfolge des § 9511 BGB, nämlich die Beschränkung des Bereicherungsanspruchs auf Wertersatz und den Ausschluß der Naturalrestitution aufgrund analoger Anwendung des § 951 I BGB auch auf die Leistungskondiktion erstreckt. Dies ist im Ergebnis zu billigen, weil der Zweck des § 951 I BGB, nämlich zu verhindern, daß durch die bereicherungsrechtliche Naturalrestitution eine erhebliche Wertvernichtung stattfindet, indem aus verschiedenen Komponenten zusammengesetzte Sachen wieder in ihre Bestandteile zerlegt werden, auch bei der Leistungskondiktion zu berücksichtigen ist. Da keine zwingenden Gründe gegen die unmittelbare Anwendung des § 951 I BGB auch bei der Leistungskondiktion sprechen, kann man sich den Weg über die Analogie sparen, indem § 951 I BGB bei Rechtserwerb durch Leistung direkt angewandt wird.

4.

Verwendungskondiktion

Durchgängig im Schrifttum anerkannt sind auch die Verwendungskondiktion 84 und die Rückgriffskondiktion 85 als Fallgruppen der Nichtleistungskondiktionen; zum Teil werden diese beiden Typen der Nichtleistungskondiktion unter dem Oberbegriff der Aufwendungskondiktion 8 6 zusammengefaßt. Ein Anspruch wegen Verwendungskondiktion ist immer dann gegeben, wenn der Kondizient rechtsgrundlos eigene Sachen, Arbeitskraft oder Geld auf eine ihm nicht gehörige Sache verwendet, indem er irrtümlich annimmt, es handele sich um eine eigene Sache. Daneben kann die Verwendungskondiktion auch dann anwendbar sein, wenn der Kondizient eigene Sachen auf eine - von ihm auch zutreffend so wahrgenommene - fremde Sache verwendet, er aber irrtümlich annimmt, bei den verwendeten Sachen handele es sich um Sachen des Bereicherten. Verwendungen auf fremdes Vermögen erfolgen in der Realität weitaus häufiger durch Leistung als in sonstiger Weise, z. B. auf der Grundlage eines Werkvertrages. Fehlt es insoweit an einem Rechtsgrund oder fällt dieser später weg, so 84

Hüffer, Die Eingriffskondiktion, JuS 1981,266; Loewenbeim, Bereicherungsrecht, 97 ff.; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 101 f.; Soergel(-Mühl), § 8 1 2 , Rz. 159 ff.; Erman(-Westermann), § 812, Rz. 73; Staudinger(-Lorenz), § 812, Rz. 2; Medicus, BR, Rz. 885 ff.; v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte H a n d l u n g , FS Rabel I, 365 ff. 85 Staudinger(-Lorenz), § 812, Rz. 42; Soergel(-Mühl), § 812, Rz. 30; Schlechtriem, SchR BT, Rz. 678 ff.; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 102 ff.; Loewenheim, Bereicherungsrecht, 102 ff.; v. Caemmerer, Bereicherung u n d unerlaubte H a n d l u n g , FS Rabel I, 360 ff. 86 Siehe etwa Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 101; M ü K o ( - L i e b ) , § 812, Rz. 250 a u n d b; Larenz/Canaris, SchR II/2, § 69 III.

204

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

richtet sich die R ü c k a b w i c k l u n g nach den Grundsätzen der Leistungskondiktion. Mangelt es jedoch auf Seiten des Kondizienten an einer zweckgerichteten und bewußten Mehrung fremden Vermögens, so kann sich die R ü c k forderung der Bereicherung nur auf eine Nichtleistungskondiktion stützen. Die Verwendungskondiktion setzt nicht voraus, daß sich der Kondizient in U n w i s senheit über die Fremdheit der Sache befand, der seine Verwendungen zu gute gekommen sind. Es reicht zur Begründung eines Kondiktionsanspruchs wegen Verwendungen auf fremde Sachen aus, daß der Kondizient glaubte, die Verwendung werde ihm nützlich sein. So ist etwa ein Anspruch aus Verwendungskondiktion nach § 8 1 2 1 1 , 2 . Alt. BGB gegeben, w e n n ein Sohn Verwendungen auf das Haus seiner Mutter macht, während er davon ausgeht, daß er einen Anteil an diesem Haus später als Erbe seiner Mutter bekommen wird 8 7 . In Wirklichkeit hatte die Mutter das Haus jedoch bereits an eine Enkelin übereignet und sich einen lebenslangen Nießbrauch daran einräumen lassen. Die Rechtsänderung hatte die Mutter ihren Kindern nicht zur Kenntnis gegeben. Nachdem er davon erfahren hatte, nahm der Verwendende die Enkelin auf Herausgabe des Wertes der Arbeits- und Materialleistungen in Anspruch, die er für die Verbesserung des Hauses erbracht hatte. Das Gericht hat hier eine Nichtleistungskondiktion in der Form der Verwendungskondiktion angenommen. Eine Leistungskondiktion zwischen dem Sohn und der Mutter liegt nicht vor, weil der Sohn nicht zweckgerichtet das Vermögen der Mutter mehren wollte, sondern er seine Arbeiten gleichsam auf das Haus selbst erbrachte 8 8 . Klar ist, daß zwischen der Enkelin-Eigentümerin und dem Verwender kein Leistungsverhältnis besteht. Somit liegt eine Verwendungskondiktion vor, obwohl der Kondizient sich nicht über die Fremdheit der Sache, auf die er seine Arbeitskraft und sein Material verwandt hat, geirrt hatte. Er befand sich aber im Irrtum darüber, daß sich die von ihm erwarteten Erwerbschancen im Wege der Erbschaft realisieren könnten. Da das H a u s mit der Ubereignung aus dem Vermögen der prospektiven Erblasserin ausgeschieden war, konnte es nicht mehr im Wege der Erbfolge auf den Sohn übergehen. Durch die Verwendungen des Kondizienten auf das H a u s ist nicht nur die Eigentümerin bereichert worden, sondern auch die Mutter des Kondizienten, die einen Nießbrauch auf Lebenszeit an dem Haus innehatte 8 9 . Wirtschaftlich w i r k e sich der Nießbrauch w i e Miteigentum aus 90 . Ebenso w i e bei der Bereicherung einer Miteigentümergemeinschaft 9 1 haften die Beteiligten hier nicht als Gesamtschuldner auf den Wert des Erlangten, sondern jeder Beteiligte haftet nur auf den Betrag, der seinem Anteil am Grundstück entspricht. Für die Feststellung der Anteilswerte ist hier auf die wirtschaftlichen Begleitumstände des Nießbrauchs abzustellen 9 2 . 87 88 89 90 91 92

OLG OLG OLG OLG OLG OLG

Koblenz 8.11.1988, NJW 1990, 126. Koblenz, a.a.O.,127. Koblenz 8.11.1988, NJW 1990, 127. Koblenz, a.a.O., 127. Koblenz, a.a.O., 127. Koblenz, a.a.O., 127.

§ 8 Die Auswirkungen

der Zuweisungsgebaltslehre

auf § 812 I BGB

205

Für die Bestimmung des nach § 812 I 1 B G B aufgrund der Verwendung des Kondizienten Erlangten ist auf den Zeitpunkt der Fertigstellung der Arbeiten am Haus abzustellen. Erlangt haben die Bereicherten nicht die Arbeitsleistung bzw. das Material als solches, sondern die Wertsteigerung, die ihr Grundstück durch die Verwendung erfahren hat 9 3 . Aufgrund des Umstandes, daß die beklagte Eigentümerin des Hauses wußte, daß dem Kondizienten das Haus im Erbfall nicht zufallen würde und sie ihn dennoch mit seinen Arbeiten fortfahren ließ, war sie bösgläubig im Sinne von § 8 1 9 1 B G B und unterlag der verschärften Bereicherungshaftung. Dies bedeutet, daß sich zwischenzeitlich ergebende Wertminderungen an den Verwendungen nicht gemäß § 818 III B G B wegen Fortfalls der Bereicherung haftungsmindernd auswirken 94 . Ein Teil des Schrifttums stellt für die Verwendungskondiktion nach § 8 1 2 1 1 , 2. Alt. B G B das Erfordernis der Unmittelbarkeit auf 95 , welches - im Unterschied zur dogmatischen Ausformung des § 8 1 2 1 1 , 2 . Alt. B G B durch die alte Vermögensverschiebungslehre - für die Leistungs- und Eingriffskondiktion heute nicht mehr verlangt wird. Die Funktion dieses Tatbestandselementes liegt in der Bestimmung der Parteien des Anspruchs aus Verwendungskondiktion und dem Ausschluß des Anspruchs auf Herausgabe der Bereicherung, die durch das Vermögen eines Dritten gegangen ist, bevor der Bereicherte sie aufgrund Rechtgeschäfts mit dem Dritten erlangt hat (Versionsklage). Bei der Leistungskondiktion ist die Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung entbehrlich, weil die Parteien des Kondiktionsanspruchs über die Zweckorientierung des Leistungsbegriffs festgelegt werden und die Versionsklage dadurch ausgeschlossen wird, daß eine Rückabwicklung immer nur in dem jeweiligen Leistungsverhältnis stattfindet. Die Verzichtbarkeit des Unmittelbarkeitserfordernisses bei der Eingriffskondiktion ergibt sich aus analogen Erwägungen. Für die Bestimmung der Parteien ist das Konzept des Zuweisungsgehalts der unbefugt genutzten Rechtsposition des Kondizienten maßgeblich. Kondizient ist derjenige, dem das Recht, in welches eingegriffen wurde, zugewiesen ist. Die Stellung des Kondiktionsschuldners nimmt derjenige ein, in dessen Vermögen die durch den Eingriff erzielten Vermögensvorteile gelangt sind. Das im Gesetzgebungsverfahren offen geäußerte Anliegen der Gesetzesverfasser, die im gemeinen Recht anerkannte Versionsklage auszuschließen, wird - sollten mehr als zwei Personen an einem Bereicherungsvorgang beteiligt sein - durch den Vorrang der Leistungskondiktion aufrechterhalten. Dieser Grundsatz schafft ein Rangverhältnis zwischen den Ansprüchen von Kondizienten, die entweder durch Leistung oder durch Nichtleistung einen anderen rechtsgrundlos bereiO L G Koblenz, a.a.O., 127. O L G Koblenz, a.a.O., 126. 95 So Larenz/Canaris, SchR II/2, § 6 9 III 1 b). Gelegentlich greift auch die moderne Rechtsprechung bei der Nichtleistungskondiktion auf das Erfordernis der Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung zurück, so etwa B G H 31.3.1977, B G H Z 68, 276 (277f.); B G H 19.4.1985, B G H Z 94, 160 (165); B G H 30.1.1987, B G H Z 99, 385 (390). 93

94

206

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

chert haben. Besteht danach zwischen Beteiligten ein Leistungsverhältnis, so findet eine Rückabwicklung in der Regel nur im Rahmen des jeweiligen Leistungsverhältnisses statt, da der Bereicherungsgläubiger sich nur mit seinem Partner auseinandersetzen soll. Ein Anspruch aus Eingriffskondiktion desjenigen, in dessen Vermögen rechtswidrig eingegriffen wurde gegenüber einem Dritten, dem der weggenommene Gegenstand durch den Eingreifer oder einen anderen geleistet wurde, kommt nur dann in Betracht, wenn das Interesse des Leistungsempfängers, nur der Rückabwicklung im Leistungsverhältnis ausgesetzt zu sein, geringer zu bewerten ist als das Interesse des Kondizienten, in dessen Vermögen rechtswidrig eingegriffen worden ist 96 . Daher ist das Unmittelbarkeitserfordernis auch bei der Verwendungskondiktion überflüssig; es hier - im Gegensatz zu Leistungs- und Eingriffskondiktion - aufrechtzuerhalten, erscheint sogar eher irritierend. Besser ist es, die Wertungsgesichtspunkte, die zum Vorrang der bereicherungsrechtlichen Abwicklung von Leistungsbeziehungen im Verhältnis zu Bereicherungsvorgängen, die durch Nichtleistung führen, offenzulegen. Auf dieses Verhältnis soll unten noch näher eingegangen werden. Problematisch ist die Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Verwendungskondiktion im Verhältnis zu den Verwendungsersatzansprüchen des Besitzers gegen den Eigentümer nach §§ 994ff. BGB. Diese Ansprüche setzen voraus, daß eine Vindikationslage gemäß § 985 B G B zwischen Eigentümer und Besitzer besteht. Demgemäß finden die §§ 994ff. B G B auch nur Anwendung auf den besitzenden Verwender. Eine solche Einschränkung ist in § 812 I 1, 2. Alt. B G B nicht enthalten. Daher stellt sich die Frage der Konkurrenz der Ansprüche, wenn Verwendungen von einem (rechtsgrundlosen) Besitzer getätigt worden sind. Dazu werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. Nach Meinung der Rechtsprechung und des überwiegenden Teils des Schrifttums schließen Ansprüche aus den §§ 994ff. B G B Bereicherungsansprüche des Eigentümers nach dem Grundsatz der Spezialität aus, da sie die Verwendungsersatzansprüche des Besitzers erschöpfen. Dabei war das R G von einem weiten Verwendungsbegriff ausgegangen, nach dem alle Vermögensaufwendungen, die einer bestimmten Sache zugutekommen sollten, als Verwendungen zu qualifizieren waren97. Der B G H hat demgegenüber den Verwendungsbegriff auf solche Aufwendungen verengt, die eine Sache erhalten oder wiederherstellen sollen, ohne sie in ihrer Zweckbestimmung grundlegend zu verändern98. Eine solche Veränderung tritt etwa bei einem unentschuldigten Uberbau auf das Nachbargrundstück durch einen nichtberechtigten Besitzer ein99. Auch bei solchen Aufwendungen, die den Bestand der Sache verändern und - nach Auffassung des B G H - keine Verwendungen im Sinne des § 994 B G B darstelSiehe dazu unten Abschnitt V 2 dieses Paragraphen. R G 17.8.1936, RGZ 152, 100 (102). 98 B G H 10.7.1953, B G H Z 10, 171 (177); B G H 26.2.1964, B G H Z 41, 157 (160); B G H 18.6.1980, NJW 1980, 2245 (2247). 99 B G H 26.2.1964, B G H Z 41, 157 (161 f.). 96 97

§ 8 Die Auswirkungen

der Zuweisungsgehaltslehre

auf § 812 I BGB

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len, soll der Anspruch aus Verwendungskondiktion nach § 8 1 2 1 1 , 2 . Alt. BGB neben den Ansprüchen aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis ausgeschlossen sein. Das überwiegende Schrifttum teilt die Auffassung der Rechtsprechung, daß die §§ 994 ff. B GB gegenüber dem Anspruch auf Verwendungskondiktion eine abschließende Sonderregelung darstellten, die den Anspruch aus Verwendungskondiktion ausschließe 100 . In der Konsequenz dieser Auffassung liegt eine erhebliche Diskriminierung des besitzenden Verwenders im Verhältnis zum nichtbesitzenden Verwender. Letzterer kann die zum relevanten Zeitpunkt der Erhebung der Bereicherungsklage noch vorhandene Wertsteigerung der Sache vom Eigentümer herausverlangen, ohne daß es darauf ankäme, ob mit der Verwendung die Sache verbessert oder erhalten wurde oder ob sich ihr Charakter geändert hat. Der besitzende Verwender befindet sich demgegenüber in einer schlechteren Position. Er kann nach § 994 BGB nur für notwendige Verwendungen Ersatz (!) verlangen; war er zur Zeit der Vornahme der Verwendungen bösgläubig, so kann er dies nur nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag tun. Handelt es sich dagegen um andere als notwendige Verwendungen, so kann gemäß § 996 BGB dafür nur der gutgläubige Besitzer Ersatz verlangen und dies auch nur dann, wenn der Wert der Sache durch Verwendung noch erhöht ist. Diese Nachteile werden durch das dem Besitzer zustehende Wegnahmerecht des § 997 BGB nicht wettgemacht, da dieses wirtschaftlich häufig wertlos ist. Die h.L. will dem Besitzer dadurch helfen, daß sie zwar auch an dem Ausschluß der Verwendungskondiktion nach § 812 I 1, 2. Alt. BGB festhält, aber einen weiten Verwendungsbegriff anwendet, der auch Veränderungen der Sache umfaßt. Der gutgläubige Besitzer kann für solche Verwendungen nach § 996 BGB Ersatz verlangen bzw. von dem Wegnahmerecht gemäß § 997 BGB Gebrauch machen 101 . Eine davon abweichende Meinung folgt dem engen Verwendungsbegriff der Rechtsprechung, beschränkt allerdings den Ausschluß der Verwendungskondiktion auf die Fälle, die Verwendungen im engen Sinn zum Gegenstand haben. Handelt es sich um Aufwendungen, die danach nicht als Verwendungen zu qualifizieren sind, so besteht nach dieser Auffassung kein Grund, die Verwendungskondiktion auszuschließen 102 . Das Meinungsspektrum wird komplettiert durch eine Ansicht, die die Verwendungskondiktion und die Verwendungsersatzansprüche der §§ 994 ff. BGB 100 Köhl, Das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis im Anspruchssystem des BGB, 305 ff.; Wolf, Die Verwendungsersatzansprüche des Besitzers im Anspruchssystem, AcP 166 (1966), 188 (199ff.); Staudinger(-Gursky), Vor § 994, Rz. 39; Reuter/ Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 705. 101 Siehe dazu die in FN. 100 genannten Autoren. 102 Westermann/Pinger, Sachenrecht, § 33 I 3; Huber, Bereicherungsansprüche beim Bau auf fremden Boden, JuS 1970,515 ff. ( 5 1 9 J a k o b s , Die Begrenzung des Verwendungsersatzes, AcP 167 (1967), 350 ff. (370 ff.); Canaris, Das Verhältnis der §§ 994 ff. BGB zur Aufwendungskondiktion nach § 812 BGB, JZ 1996, 344 ff. (346 ff.).

208

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

nebeneinander für anwendbar erklärt 103 . Dieses Ergebnis wird von mehreren Argumenten getragen, denen im Ergebnis zu folgen ist. Zur Begründung der parallelen Anwendbarkeit von Verwendungskondiktion und Verwendungsersatzansprüchen nach §§ 994ff. BGB ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die unterschiedliche Behandlung von besitzenden und nichtbesitzenden Verwendern nicht gerechtfertigt ist104. Dem wird entgegengehalten, daß im Bereich der Verwendungskondiktion als Nichtleistungskondiktion die Interessenlage der Beteiligten eine Gleichbehandlung nicht erfordere. Für Besitzer und Eigentümer stelle die Verwendung eine Form der Sachherrschaft dar, die im Gefüge der Rechtsverhältnisse der Beteiligten nicht isoliert gesehen werden dürfe. Die Beschränkung des bösgläubigen Besitzers auf den Ersatz notwendiger Verwendungen erkläre sich u.a. daraus, daß der Eigentümer nach §§ 990, 989, 993 I, 2. Halbsatz BGB trotz der Widerrechtlichkeit des Besitzes das Risiko zufälliger Schäden durch die Besitzausübung trage. Man könne nun einem Eigentümer kaum einen Ausgleich für eine durch den Besitzer herbeigeführte Wertsteigerung der Sache zumuten, wenn er gleichzeitig die Schäden, die durch die „Verwaltung" der Sache durch den Besitzer entstanden seien, zu tragen habe 105 . Dieses Argument zieht indes nicht. Der Eigentümer trägt lediglich das Risiko zufälliger Schäden - und auch dies nicht immer 106 . Dabei handelt es sich aber lediglich um eine Folge der allgemeinen Risikoverteilung, die den Eigentümer trifft: casum sentit dominus. Daraus kann aber keine Rechtfertigung dafür abgeleitet werden, daß der Eigentümer Vorteile behalten darf, die der Besitzer in wertsteigernder Weise erbracht hat. Ein weiteres Argument für die parallele Anwendbarkeit von §§ 994ff. BGB und Verwendungskondiktion wird aus § 951 II BGB hergeleitet: Danach bleiben die Vorschriften über den Verwendungsersatz von der Bereicherungshaftung des §§ 951 I, 812 11,2. Alt. BGB unberührt 107 . Dem wird entgegengehalten, daß diese Vorschrift nicht allein die §§ 994ff. BGB betreffen, sondern auch weitere Verwendungsersatzvorschriften 108 . Ihrem Wortlaut nach besage diese Vorschrift nur, daß §§ 994 ff. BGB durch die Anwendung von §§ 951 I, 81211,2. Alt. BGB nicht verdrängt würden. Der umgekehrte Schluß - nämlich 103 So etwa Medicas, BR, Rz. 897; Larenz/Canaris, SchR II/2, § 74 I 3; Eike Schmidt, Besprechung von Medicus, Bürgerliches Recht, AcP 175 (1975), 165 ff. (172); Koppensteiner/ Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 208 ff.; Staudinger(-Lorenz), Vorbem. zu §§ 812 ff., Rz. 42 ff. 104 So auch Hager, Grundfälle zur Systematik des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses u n d der bereicherungsrechtlichen Kondiktionen, JuS 1987, 877 ff. (880); Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 208; Medicus, BR, Rz. 897; Pinger, F u n k t i o n u n d dogmatische E i n o r d n u n g des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses, 108 f.; Staudinger(-Lorenz), Vorbem. zu §§ 812ff., Rz. 43. 105 So Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 700. 106 Siehe etwa § 848 BGB, w o n a c h der Deliktsschuldner, der zur Rückgabe einer Sache verpflichtet ist, die er dem anderen durch unerlaubte H a n d l u n g entzogen hat, auch f ü r den zufälligen U n t e r g a n g der Sache haftet. 107 So Medicus, BR, Rz. 897; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 208. 108 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 700.

$ 8 Die Auswirkungen

der Zuweisungsgehaltslehre

auf $ 812 I BGB

209

die Nicht-Verdrängung der §§ 951, 812 I 1, 2. Alt. BGB - könne aus § 951 II BGB nicht gezogen werden. Diese Frage werde vielmehr von § 951 II BGB offengelassen 109 . Die Auslegung der Vorschrift erweist sich indes als fehlerhaft. Wenn das Gesetz tatsächlich §§ 9511,81211,2. Alt. BGB durch §§ 994ff. BGB hätte ausschließen wollen, hätten die Gesetzgeber diese Absicht nicht ungeschickter und mißverständlicher zum Ausdruck bringen können. Denn der Verweis in § 951 II BGB darauf, daß §§ 994ff. BGB unberührt bleiben, würde keinen Sinn machen, wenn nicht der Anspruch aus Verwendungskondiktion ebenfalls anwendbar wäre. Hätte der Gesetzgeber die Anwendbarkeit der §§ 951 I, 812 I 1, 2. Alt. BGB neben den §§ 994 ff. BGB ausschließen wollen, hätte sich angeboten, entweder keine Regelung aufzunehmen und darauf zu vertrauen, daß die Rechtspraxis nach dem Grundsatz der Spezialität verfährt oder den Ausschluß der §§ 951 I, 812 I 1, 2. Alt. BGB durch eine unmißverständliche Formulierung auch wirklich deutlich zu machen. Die Regelung des §951 II BGB, daß die Vorschriften über den Ersatz von Verwendung unberührt bleiben, ist nur dann sinnvoll, wenn §§ 951 I, 812 I 1, 2. Alt. BGB anwendbar sind. Zu Recht wird darauf hingewiesen, daß Verwendungskondiktion und Verwendungsersatzansprüche Unterschiede bei den Rechtsfolgen aufweisen: Die Verwendungskondiktion dient der Abschöpfung rechtsgrundlos erlangter Vermögensvorteile beim Bereicherten. Demgegenüber zielen die §§ 994 ff. BGB auf den Ersatz der Vermögensminderung, die der Besitzer durch die Aufopferung von Material und Arbeitskraft erlitten hat110. Die hier vertretene Auffassung führt zu einer im Vergleich zu den §§ 994 ff. BGB wesentlich erweiterten Herausgabehaftung des Eigentümers wegen Verwendungen, die ein Besitzer auf die Sache gemacht hat. Damit werden zwei Ziele erreicht, die verfehlt würden, wenn am Ausschluß der Verwendungskondiktion durch §§ 994 ff. BGB festgehalten würde: a) §§ 994 ff. BGB führen - wie bereits oben erwähnt - zu einer wesentlichen Besserstellung des besitzenden Verwenders im Vergleich zum nichtbesitzenden Verwender, ohne daß dafür ein triftiger sachlicher Grund ersichtlich wäre. b) Darüber hinaus führt die eingeschränkte Verwendungsherausgabehaftung dazu, daß der Eigentümer Vermögenswerte behalten darf, die er ohne Rechtsgrund erlangt hat. Beließe man ihm die erlangte ungerechtfertigte Bereicherung, liefe dies auf eine Bestrafung des Besitzers hinaus. Solche Strafzwecke sind dem Zivilrecht aber fremd. Ist die Verwendungskondiktion nach §§ 951 II, 812 11,2. Alt. BGB demnach neben §§ 994ff. BGB anwendbar, so fragt sich, worin die spezifische Funktion der §§994 ff. BGB neben der Verwendungskondiktion bestehen soll. Zur Bestimmung dieser Funktion ist zunächst auf die unterschiedlichen Ansatzpunkte der Verwendungskondiktion und der Verwendungsersatzansprüche 109

Waltjen, Das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis und A n s p r ü c h e aus ungerechtfertigter Bereicherung, A c P 175 (1975), 109ff. (125); Reuter/Martinek, a . a . O . , 700. 110 Auf diesen P u n k t weisen eindrücklich Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 208 hin.

210

Kapitel I: Dogmatische Grundlagen der

Eingriffskondiktion

der § § 9 9 4 ff. B G B hinzuweisen: Bei den Ansprüchen nach § § 9 9 4 f f . B G B handelt es sich u m Ersatzansprüche des Besitzers gegen den Eigentümer der Sache. Zur Bestimmung von Gegenstand und U m f a n g des Anspruchs richtet sich der Blick auf das Vermögen des Besitzers: Dieser soll als Verwendungen geltend machen können, was er aus seinem Vermögen aufgeopfert hat 1 1 1 . D e m gegenüber ist es das Ziel der Verwendungskondiktion, den noch beim Eigentümer vorhandenen Erfolg der Verwendung abzuschöpfen. Zur Abgrenzung beider Rechtsinstitute ergibt sich folgendes: §§ 9 9 4 f f . B G B enthalten die Voraussetzungen, unter denen der Eigentümer die Verwendungen des Besitzers ersetzen muß, will er die Rechtsfolge des § 1000 B G B , nämlich der Zurückbehaltung der Sache durch den Besitzer, vermeiden. Das Gesetz zieht den Kreis der Verwendungen - auch gerade in H i n sicht auf den unredlichen Besitzer - eng, um dem Eigentümer die Wiedererlangung seiner Sache nicht über Gebühr zu erschweren. Demgegenüber entscheidet die Verwendungskondiktion der §§ 951 I, 812 I 1, 2. Alt. B G B über den Verbleib des Verwendungserfolges. Zwar kann der Besitzer gegenüber dem Eigentümer bei Erhebung eines Bereicherungsanspruchs ein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 II B G B geltend machen. Dies belastet den Eigentümer der Sache jedoch nicht in gleicher Weise wie das Zurückbehaltungsrecht nach § 1000 B G B . N a c h den Grundsätzen der aufgedrängten Bereicherung ist er zur Herausgabe des Verwendungserfolges nach §§ 951 I, 812 I 1, 2. Alt. B G B nur verpflichtet, wenn er die Verwendungen im R a h m e n der von ihm beabsichtigten Zwecksetzung nutzen kann 1 1 2 . D e r Eigentümer kann - sollten die G r u n d sätze der aufgedrängten Bereicherung einen Anspruch zulassen - dem Zurückbehaltungsrecht des Besitzers nach § 273 II B G B dadurch entgehen, daß er vom Besitzer die Wegnahme des Verwendungserfolges verlangt. K o m m t der Besitzer dem nach, hat sich der Bereicherungsanspruch erledigt, weil der Eigentümer nicht mehr bereichert ist. Auf diese Weise kann das Interesse des Eigentümers an der Wiedererlangung seiner Sache gewahrt werden, auch wenn seine finanzielle Lage es nicht zuläßt, Wertersatz für die Verwendung zu leisten.

5.

Rückgriffskondiktion

U n t e r den Fallgruppen der Nichtleistungskondiktion ist schließlich noch die Rückgriffskondiktion zu nennen. D i e Situation, daß jemand die Verpflichtung eines anderen wirksam gegenüber dessen Gläubiger erfüllt, ist nicht selten. D i e Aufopferung eigener Vermögensbestandteile erfolgt dabei in aller Regel nicht uneigennützig, also schenkweise. Vielmehr will der Leistende die von ihm aufgewandten Vermögenswerte vom Schuldner erstattet b e k o m m e n . Häufig finden sich im B G B ausdrücklich geregelte Regreßansprüche, die dem Leisten111 112

Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 204; Medicus, BR, Rz. 897. Siehe Medicus, BR, Rz. 897.

§ 8 Die Auswirkungen

der Zuweisungsgehaltslebre

auf $ 812 I BGB

211

den einen Anspruch gegen den begünstigten Schuldner einräumen. Beispielhaft genannt seien hier nur §§ 426 (Rückgriff unter Gesamtschuldnern), 769 (Regreß unter Mitbürgen), 7 7 4 1 (Rückgriff des Bürgen gegen den Schuldner) B G B genannt. In diesen Fällen beruht der Rückgriff auf dem Umstand, daß der Leistende im Innenverhältnis zu anderen Schuldnern keine Verpflichtung zur (gänzlichen) Erfüllung der Verbindlichkeit hatte. Ein Rückgriff kann auch dann in Betracht kommen, wenn der Leistende überhaupt nicht zur Leistung verpflichtet ist, aber im Falle der Nichterfüllung der Forderung mit rechtlichen Nachteilen zu rechnen hat. Beispielsfälle bilden hier etwa die §§ 268 III, 1143 1,1150, 1225 und 1249 B G B . N u r dann, wenn ansonsten keine Regreßregelung hinsichtlich der Tilgung der Schuld durch den NichtSchuldner vorgesehen ist, kommt die Rückgriffskondiktion zur Anwendung. Diese setzt voraus, daß auf eine fremde Schuld mit Tilgungswirkung (§ 362 B G B ) geleistet worden ist. Die Schuld muß tatsächlich existiert haben, sonst könnte durch die Leistung keine Befreiungswirkung eintreten. Schließlich setzt die Rückgriffskondiktion das Fehlen einer besonderen Regreßregelung voraus (wie z . B . der Legalzession). D a in vielen Fällen entweder eine Leistung des Dritten an den Schuldner vorliegen wird (Beispiel: Anweisung) oder aber eine Regreßregelung bereits vorgesehen ist, bleibt für die Rückgriffskondiktion insgesamt nur ein schmaler Anwendungsbereich 1 1 3 . Ein Beispiel bildet etwa der Fall des Gläubigers, der die letzte Kaufpreisrate für eine Sache, die der Schuldner unter Eigentumsvorbehalt gekauft hat, an den Käufer zahlt, um in den Gegenstand beim Schuldner vollstrekken zu können 1 1 4 . Umstritten ist die Frage, ob der Leistende, der auf eine vermeintlich eigene Schuld geleistet hat, die Tilgungsbestimmung dieser Leistung nachträglich ändern darf, wenn er seinen Irrtum bemerkt und sich damit einen neuen, vielleicht besseren Schuldner für den Bereicherungsanspruch schafft 115 .

IV. Der Tatbestand der

Eingriffskondiktion

1. Das Problem der Verortung des Zuweisungsgehalts im Tatbestand des § 812 11, 2. Alt. BGB Wie bereits oben ausgeführt, erfüllt der moderne Leistungsbegriff im Rahmen der Leistungskondiktion die Funktion, die Parteien des Bereicherungsanspruchs zu bestimmen. In der herkömmlichen Vermögensverschiebungslehre 113 Esser/Weyers, SchR II BT, § 50 III 2.; Medicus, BR, Rz. 945; Reeb, Grundprobleme des Bereicherungsrechts, 86; Loewenheim, Bereicherungsrecht, 103; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 102. Für einen weiteren Anwendungsbereich der Rückgriffskondiktion Soergel(-Mübl), § 812, Rz. 30. 114 Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 103. 115 Siehe dazu v. Caemmerer, Irrtümliche Zahlung fremder Schulden, FS Dölle, 135 ff. (147 ff.); Medicus, BR, Rz. 951.

212

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

waren diejenigen Personen Parteien des Anspruchs aus Leistungskondiktionen, zwischen denen sich eine unmittelbare Vermögensverschiebung vollzogen hatte. Da diese Funktion nunmehr bereits durch den Leistungsbegriff erfüllt wird, reduziert sich der Tatbestand der Leistungskondiktion auf drei Elemente: Leistung, Erwerb des Erlangten und Rechtsgrundlosigkeit des Erwerbs. Demgemäß liest sich der Tatbestand der Leistungskondiktion wie folgt: „Wird durch die Leistung eines anderen etwas ohne Rechtsgrund erlangt, ist er zur Herausgabe verpflichtet." Die unmittelbare Vermögensverschiebung als Tatbestandsmerkmal des Bereicherungsanspruchs war kennzeichnend für die Einheitslehre, die in Leistungs- und Nichtleistungskondiktion keine Kategorien voneinander zu unterscheidender Ansprüche sah, sondern lediglich verschiedene Ausprägungen desselben Anspruchs mit identischen Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen. Oben wurde die Überlegenheit der Zuweisungsgehaltslehre bei der Abgrenzung der Reichweite des Anspruchs aus Eingriffskondiktion und der Bestimmung ihres Anspruchsinhalts herausgearbeitet und begründet. Es stellt sich nunmehr die Frage, bei welchem Merkmal der Zuweisungsgehalt des verletzten Rechts als Voraussetzung der Eingriffskondiktion im Tatbestand des § 812 I 1, 2. Alt. BGB anzusiedeln ist. Nach der Zuweisungsgehaltstheorie ist ein Anspruch aus Eingriffskondiktion dann gegeben, wenn der Erwerb von Vorteilen durch den Bereicherungsschuldner im Widerspruch zum Zuweisungsgehalt eines absoluten subjektiven Rechts oder einer ihm gleichgestellten Rechtsposition steht. Der Bereicherungsschuldner hat das Recht oder die Rechtsposition durch den Eingriff des Bereicherungsschuldners verletzt, indem er eine dem Kondizienten exklusiv zugeordnete Position nutzte. Das durch den Eingriff von ihm Erlangte gebührt auf der Grundlage der gesetzlichen Güterzuordnung nicht ihm, sondern dem Kondizienten als Inhaber des Rechts. Das Haben des Erlangten durch den Kondiktionsschuldner widerspricht dem Zuweisungsgehalt des Rechts 116 . Im Schrifttum wird die Frage, auf welche Weise die Zuweisungsgehaltslehre im Tatbestand des § 812 I 1 BGB zu verorten ist, unterschiedlich beantwortet. Die wohl überwiegende Auffassung verknüpft die Frage des Zuweisungsgehalts der verletzten Rechtsposition mit dem Tatbestandsmerkmal „auf dessen Kosten" in § 812 11 BGB 1 1 7 . Eine andere Meinung will die Zuweisungsgehaltslehre am Tatbestandsmerkmal „ohne Rechtsgrund" festmachen 118 . Siehe dazu oben § 6 und unten §§15 und 16. Müko (-Lieb), § 812, Rz. 193 ;Staudinger(-Lorenz), § 812, Rz. 23; Koppensteiner /Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 88; Erman(-Westermann), § 812, Rz. 64; Fikentscher, SchR, Rz. 1119 ff.; Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 109 ff. 1,8 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 240f.; KGKK(-Heimann-Trosien), § 812, Rz. 79; Palandt(-Tbomas), § 812, Rz. 93. 116

117

§ 8 Die Auswirkungen

der Zuweisungsgehaltslebre

auf § 812 I BGB

213

Eine dritte Auffassung verortet die Zuweisungsgehaltslehre bei beiden Tatbestandsmerkmalen (auf Kosten und ohne Rechtsgrund) des § 812 I 1 BGB 119 . Von entscheidender Bedeutung ist dieser Meinungsstreit für die Reichweite und die tatbestandsmäßige Ausformung der Eingriffskondiktion nicht. Durch die unterschiedliche Verortung der Frage des Zuweisungsgehalts wird lediglich festgelegt, an welcher Stelle des Tatbestands des § 812 I 1, 2. Alt. BGB die anhand des Zuweisungsgehalts von Rechtspositionen zu lösenden Sachfragen wie die Bestimmung der Parteien und der Reichweite des Anspruchs zu erörtern sind. Dennoch soll kurz auf den Meinungsstreit eingegangen werden. Die tatbestandliche Verankerung des Zuweisungsgehalts ist von den Funktionen abhängig zu machen, die das Kriterium des Zuweisungsgehalts exklusiver Rechtspositionen im Rahmen des Tatbestandes der Eingriffskondiktion zu erfüllen hat. Dabei handelt es sich um zwei Funktionen: a) Die Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte legt die Reichweite des Anspruchs aus Eingriffskondiktion fest, indem sie diejenigen Güter bestimmt, deren unbefugte Inanspruchnahme durch Dritte zuweisungswidrig ist und zugleich diejenigen Güter aus dem einen Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion ausgrenzt, die nicht zuweisungsgehaltsfähig sind. b) Eng damit verbunden ist die Aufgabe der Zuweisungsgehaltslehre, die Parteien des Bereicherungsanspruchs wegen Eingriffs in fremdes Gut zu bestimmen. Dies ist eine Funktion, die im Rahmen der traditionellen Vermögensverschiebungslehre dem Moment der unmittelbaren Vermögensverschiebung übertragen war. Dies wiederum fand seinen Platz im Tatbestandsmerkmal „auf dessen Kosten" des § 812 11 BGB. Die Rechtsprechung erkennt dem Zuweisungsgehalt der verletzten Rechtsposition dogmatisch die Funktion zu, die dem Leistungsbegriff bei der Leistungskondiktion zukommt. „ N a c h § 812 Abs. 1 Satz 1 B G B ist das erlangt, was der Bereicherungsschuldner durch die Leistung des Bereicherungsgläubigers oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten erhalten hat. Rechtlicher A n k n ü p f u n g s p u n k t f ü r die Bereicherungshaftung bei Schutzrechtsverletzungen ist - wie bei allen Eingriffskondiktionen - die von der Rechtsordn u n g mißbilligte Verletzung einer solchen Rechtsposition, die nach d e m Willen der R e c h t s o r d n u n g einen Berechtigten zu dessen ausschließlicher Verfügung zugewiesen ist. D e r Zuweisungsgehalt der Rechtsposition ersetzt demnach bei der Eingriffsk o n d i k t i o n das bei der Leistungskondiktion bestehende Erfordernis, daß das Erlangte aus einer Leistung des Bereicherungsgläubigers stammen müsse" 1 2 0 .

Die moderne Theorie des Bereicherungsrechts kennt bei der Leistungskondiktion nur noch drei Tatbestandsmerkmale: nämlich Leistung, Rechtsgrundlosigkeit und erlangtes Etwas 121 . Das Merkmal „auf dessen Kosten" wird 119

Hüffer, Die Eingriffskondiktion, JuS 1981, 264; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 241; Loewenheim, Bereicherungsrecht, 79; Esser/Weyers, SchR II BT, § 50 I 2. 120 B G H 24.11.1981, B G H Z 82, 299 ff. (306) (Kunststoffhohlprofil II). 121 Siehe etwa Erman(-Westermann), § 812, Rz. 16; Larenz / Canaris, SchR II/2, § 67 II 1; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 113; Loewenheim, Bereicherungsrecht,

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Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

durch den modernen Leistungsbegriff überflüssig gemacht, soweit die Bestimmung der Parteien des Bereicherungsanspruchs betroffen ist. Die Leistung im Sinne von § 812 11 BGB ist eine bewußte, zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Der Zweck ist auf die zwischen den beteiligten Personen bestehenden Schuldverhältnisse bezogen. Auch in Mehrpersonenverhältnissen lassen sich damit - jedenfalls in den meisten Fällen - die Parteien des Anspruchs aus Leistungskondiktion zutreffend bestimmen. Diese Funktion kommt bei der Eingriffskondiktion dem Konzept des Zuweisungsgehalts der verletzten Rechtsposition zu. Bereicherungsgläubiger ist der Inhaber dieser Position, als Bereicherungsschuldner muß derjenige geradestehen, dem die wirtschaftlichen Vorteile des Eingriffs zugute gekommen sind. Gewisse Probleme können sich ergeben, wenn Eingreifender und Bereicherter nicht identisch sind. Darauf wird unten noch näher einzugehen sein.

2. Das Merkmal „ auf dessen Kosten " bei der

Eingriffskondiktion

Nimmt man die Feststellung des BGH, daß der Begriff des Zuweisungsgehalts im Rahmen der Eingriffskondiktion dieselbe Funktion hat wie der Begriff der Leistung bei der Leistungskondiktion 1 2 2 wörtlich, würde dies dazu führen, daß das Tatbestandselement „auf dessen Kosten" bei der Eingriffskondiktion genauso überflüssig wird wie bei der Leistungskondiktion. Dort wird - wie bereits ausgeführt - die Bestimmung der Parteien des Anspruchs auf Leistungsbereicherung über den Leistungsbegriff vorgenommen 1 2 3 . Demnach ist Rückgewährgläubiger der Leistende und Rückgewährschuldner der Leistungsempfänger 1 2 4 , wobei als Leistung nach der in Rechtsprechung 1 2 5 und Literatur 1 2 6 h. M. die bewußte und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens zu verstehen ist. Dabei ordnet der Leistungszweck die Vermögensmehrung einem ihr zugrundeliegenden, durch die Leistung zu vollziehenden Kausalgeschäft zu. Zweifelsfragen, etwa aus welcher Sicht (Kondizient oder Bereicherungsschuldner) der Leistungsempfänger zu bestimmen ist oder welche Rechtsnatur 14; Esser/Weyers, SchR II BT, § 48 II; Schlechtriem, SchR BT, R z . 642; Soergel(-Mühl), § 812, Rz. 22; zurückhaltend hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals „auf dessen Kosten" M ü K o ( Lieb), § 812, R z . 10 ff.; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 16 ff. 122 So B G H 24.11.1981, B G H Z 82, 306 (Kunststoffhohlprofil II). 123 Siehe dazu oben Abschnitt II, 1. in diesem Paragraphen. 124 Siehe nur Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 113; v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte H a n d l u n g , FS Rabel I, 351; Schlechtriem, SchR BT, Rz. 639; Fikentscher, SchR, Rz. 1073 ff.; Loewenheim, Bereicherungsrecht, 18 ff.; Koppensteiner/ Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 11 ff.; Larenz/Canaris, SchR II/2, § 67 II 1.; Reuter/ Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 80 ff. 125 Seit B G H 31.10.1963, B G H Z 40, 272 ff. ständige Rspr. 126 Zuerst Kotier, Zur Rechtsnatur der Leistungskondiktion, A c P 153 (1954), 193 ff. Der finale Leistungsbegriff w i r d heute trotz gewisser Zweifel an seiner Tragweite vom weit überwiegenden Teil des Schrifttums der Lehre von der Leistungskondiktion zugrundegelegt.

§ 8 Die Auswirkungen

der Zuweisungsgebaltslehre

auf § 812 I BGB

215

die Leistung aufweist, werden im R a h m e n des Leistungsbegriffs gelöst; eines Rückbezugs auf das Merkmal „auf dessen K o s t e n " in § 812 1 1 B G B bedarf es dazu nicht. D i e Eingriffskondiktion ist gerade durch den Umstand definiert, daß bei ihr (wie bei allen Nichtleistungskondiktionen) das M o m e n t der bewußten und zweckgerichteten Mehrung fremden Vermögens fehlt. Bei der Eingriffskondiktion erfolgt der E r w e r b von Vermögensvorteilen nicht durch ein zweckgerichtetes (causa-bezogenes Verhalten) des Kondizienten, sondern dadurch, daß der Bereicherungsschuldner selbst oder ein Dritter in eine bereicherungsrechtlich relevante Rechtsposition des Kondizienten eingreift und sich dadurch einen Vermögensvorteil verschafft. „Auf K o s t e n " des Kondizienten im Sinne des § 812 1 1 , 2 . Alt. B G B gehen dabei aber nicht alle Vermögensvorteile, die der Eingreifer v o m Rechtsinhaber erlangt. In einer wettbewerblich orientierten Marktwirtschaft mit rechtlich garantierter, gleicher Handlungsfreiheit aller Rechtssubjekte k o m m t es häufig vor, daß Marktteilnehmer von Leistungen anderer Marktteilnehmer profitieren, ohne diesen dafür zum Ausgleich verpflichtet zu sein. In einem umgangssprachlichen Sinne könnte man hier dennoch von einem Erlangen auf Kosten anderer sprechen; einen Anspruch wegen Eingriffsbereicherung nach § 8 1 2 1 1 , 2. Alt. B G B ist hier jedoch nicht begründet, weil es an einem Zuweisungsgehalt der in Anspruch genommenen Rechtsposition fehlt und eine Bereicherung daher nicht rechtsgrundlos auf Kosten des Benachteiligten erfolgt ist. Ein instruktives Beispiel dafür bietet der vom B G H entschiedene Forschungskostenfall 1 2 7 . In diesem Fall hatte die Klägerin, ein chemisch-pharmazeutisches Unternehmen, bei der zuständigen Behörde umfangreiche Unterlagen über Labortests mit einem Pflanzenschutzmittel eingereicht, um eine Genehmigung zum Vertrieb des Mittels zu erhalten. Später beantragte der Beklagte ebenfalls die Zulassung für ein Mittel, das chemisch dieselbe Zusammensetzung wie das Mittel der Klägerin aufwies. D i e Zulassungsbehörde führte die toxikologische Prüfung dieses Mittels unter Benutzung der von der Klägerin früher eingereichten U n terlagen durch. Dadurch blieb es dem Beklagten erspart, eigene kostspielige Untersuchungen und Tests durchführen zu lassen. D i e Klägerin machte geltend, daß es sich bei den Untersuchungsergebnissen um wertvolles, geheimes K n o w - H o w handele, welches gegen Eingriffe Dritter rechtlich geschützt sei. D a h e r müsse der Beklagte einen Teil der Forschungskosten der Klägerin tragen. N a c h Angaben der Klägerin betrugen die K o s t e n für die Untersuchungen und Tests über 6 Millionen D M . Hätten die durch die Klägerin eingereichten Unterlagen bei der Zulassungsbehörde nicht vorgelegen, wäre der Beklagte darauf angewiesen gewesen, auf seine Kosten entsprechende Untersuchungen durchführen zu lassen. Diese K o s t e n hat er sich durch die Benutzung der Unterlagen der Klägerin erspart; er ist - so könnte man sagen - in H ö h e der ersparten Aufwendungen auf Kosten der Klägerin bereichert. 127

BGH 9.3.1989, BGHZ 107, 117ff.

216

Kapitel I: Dogmatische Grundlagen der

Eingriffskondiktion

Der B G H hat ebenso wie die Vorinstanzen die Klage abgewiesen. Die Haftung wegen Bereicherung in sonstiger Weise knüpfe an die Verletzung einer Rechtsposition an, die nach der von der Rechtsordnung getroffenen Zuordnung dem Berechtigten zu seiner alleinigen Verfügung zustehe. Demnach sei eine Bereicherungshaftung nur dann begründet, wenn der durch den Beklagten erlangte Vermögensvorteil dem Zuweisungsgehalt des verletzten Rechts widerspreche 128 . Dabei müsse die geschützte Rechtsposition ihrem Inhaber gewährleisten, daß Dritte die Position nicht ohne Zustimmung des Inhabers nutzen dürfen. Daraus ergibt sich, daß bloße Gewinn- und Erwerbschancen auch dann nicht bereicherungsrechtlich geschützt sein können, wenn sie - wie das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb - deliktsrechtlichen Schutz genießen 129 . Daran ändere auch der Umstand nichts, daß es faktisch nicht selten vorkomme, daß solche Unterlagen gegen Entgelt an Zweitanmelder weitergegeben würden. Demzufolge hat im Forschungskosten-Fall der Beklagte von der Klägerin nichts auf deren Kosten erlangt, weil die Nutzung der Testunterlagen bzw. der darin befindlichen Informationen keinen Eingriff in ein Recht mit Zuweisungsgehalt darstellte. Auf Kosten des Kondizienten bereichert ist also nur derjenige, der unbefugt in ein Recht mit Zuweisungsgehalt, das dem Kondizienten zusteht, eingegriffen und daraus einen Vorteil erlangt hat. Daher ist die Frage nach dem Zuweisungsgehalt der verletzten Rechtsposition dem Tatbestandsmerkmal „auf dessen Kosten" zuzuordnen. In diesem Rahmen dient es mehreren Funktionen: Zum einen ist hier zu erörtern, ob eine Rechtsposition mit Zuweisungsgehalt im Sinne von § 812 I 1, 2. Alt. BGB ausgestattet ist und - im Hinblick auf die konkrete, in Frage stehende Rechtsposition - inwieweit dieser Zuweisungsgehalt reicht. Wird die Frage, ob ein verletztes Recht Zuweisungsgehalt besitzt, bejaht, so steht damit auch die Rechtsgrundbedürftigkeit für die Nutzung dieses Rechts durch eine andere Person an den Rechtsinhaber fest. Eines Rechtsgrundes bedarf nicht jeder Erwerb. Die gewerbliche Tätigkeit von Konkurrenten in einer durch den freien Wettbewerb gekennzeichneten Marktwirtschaft setzt voraus, daß der erfolgreiche Wettbewerber die Aufträge der Kunden am Markt auf sich zieht und mit ihnen kontrahiert, ohne den erfolglosen Mitbewerbern, die sich um dieselben Vertragsabschlüsse bemühen, dafür zum Ausgleich verpflichtet zu sein. Bloße Erwerbs- und Geschäftschancen können in einer auf dem Prinzip der Gewerbefreiheit beruhenden, wettbewerbsorientierten Marktwirtschaft nicht wie absolute subjektive Rechte zugewiesen sein. Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs verlangt es, daß sich die Ergebnisse wettbewerblichen Handelns ohne die Zustimmung des unterlegenen Wettbewerbers realisieren und daß der überlegene Konkurrent, der seine Marktstellung „auf Kosten" seines unterlegenen Mitbewerbers ausbaut, nicht zum Ausgleich verpflichtet ist. So waren die Testinformationen im 128 129

BGH 9.3.1989, BGHZ 107, 120. BGH 9.3.1989, BGHZ 107, 121.

5 8 Die Auswirkungen

der Zuweisungsgehaltslehre

auf § 812 I BGB

217

Forschungskostenfall der Klägerin nicht durch ein vermögenswertes absolutes subjektives Recht zugewiesen. Die Klägerin verfügte in diesem Fall also nicht über ein exklusives Recht, das es ihr erlaubte, die Informationen allein unter Ausschluß aller anderen Personen zu nutzen. Da der Beklagte durch die Verwendung der Informationen nicht in den Zuweisungsgehalt eines der Klägerin exklusiv vorbehaltenen Rechts eingegriffen hatte, war die Nutzung der Informationen durch den Beklagten gegenüber der Klägerin nicht rechtsgrundbedürftig. Weiterhin hat - wie bereits erwähnt - das Merkmal „auf Kosten" in § 812 11 BGB die Aufgabe, die Parteien des Bereicherungsanspruchs festzulegen. Da das Merkmal „auf Kosten" in § 812 11 BGB bei der Eingriffskondiktion im Lichte der Zuweisungsgehaltstheorie zu interpretieren ist, richtet sich auch die Bestimmung der Parteien des Bereicherungsanspruchs nach den davon vorgegebenen Maßstäben. Allerdings sind bei der Bestimmung der Parteien die Wertungen zu beachten, die über das Bereicherungsrecht hinaus, etwa im Sachenrecht, die Interessen der Parteien determinieren. Darauf wird unten noch einzugehen sein. Im Ergebnis spricht die Funktion des Zuweisungsgehalts im Tatbestandsgefüge der Eingriffskondiktion dafür, dieses Anwendungsbereich und Reichweite der Eingriffsbereicherung festlegende Kriterium bei dem Tatbestandsmerkmal „auf dessen Kosten" zu verorten. Dies ist allerdings nicht unbestritten. Ein Teil der Lehre tendiert dazu, den Zuweisungsgehalt beim Tatbestandsmerkmal der Rechtsgrundlosigkeit in § 812 I 1 BGB festzumachen 130 . Zur Begründung wird darauf verwiesen, daß sich die Zuweisungsgehaltstheorie vor allem in Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals der Rechtsgrundlosigkeit entwickelt habe und daher auch dort verankert bleiben sollte 131 . Bei einer Verortung des Zuweisungsgehalts beim Tatbestandsmerkmal „auf Kosten" bestehe die Gefahr einer übermäßigen Betonung der bereicherungsrechtlich geschützten Vermögenssphäre des Kondizienten unter Vernachlässigung der Belange des Empfängers von Vermögensvorteilen. Ebenso wie bei der Leistungskondiktion lägen heute die Hauptprobleme der Eingriffskondiktion bei der Frage der Rechtsgrundlosigkeit; es gehe um die Rechtsgrundbedürftigkeit von Güterzuweisungen. Es sei zwar richtig, daß das Merkmal der Rechtsgrundlosigkeit historisch auf das Causa-Erfordernis zurückgehe und daher auf den Leistungsbegriff abziele; dieses Merkmal müsse jedoch auch auf die Eingriffskondiktion bezogen werden. Es habe dort jedoch eine andere Bedeutung als bei der Leistungskondiktion. Im Bereich der Leistungskondiktion sei die Rechtsgrundlosigkeit gleichzusetzen mit der Zweckverfehlung der Vermögenszuwendung; demgegenüber sei die Rechtsgrundlosigkeit bei der Eingriffskondiktion als Zuweisungswidrig130 So etwa Reuter/Martinek, griffskondiktion, JuS 1981, 264. 131 Siehe etwa Reuter/Martinek,

Ungerechtfertigte Bereicherung, 240 f.; H ü f f e r , Die EinUngerechtfertigte Bereicherung, 241.

218

Kapitel I: Dogmatische Grundlagen der

Eingriffskondiktion

keit aufzufassen. Wenn die Zuweisungsgehaltstheorie systematisch beim Tatbestandsmerkmal der Rechtsgrundlosigkeit angesiedelt werde, so absorbiere die als Zuweisungswidrigkeit verstandene Rechtsgrundlosigkeit zugleich das Merkmal „auf Kosten" 132 . Dem kann nicht zugestimmt werden. Vielmehr ist daran festzuhalten, daß die Tatbestandsmerkmale „auf Kosten" und „ohne rechtlichen Grund" auch bei der Eingriffskondiktion unterschiedliche Funktionen haben und als eigenständige Elemente des Tatbestandes behandelt werden sollten. Das Merkmal „auf Kosten" - bezogen auf den Zuweisungsgehalt der durch den potentiellen Bereicherungsschuldner in Anspruch genommenen Position stellt die Verbindung zwischen dem Vermögen des Kondizienten einerseits und des Bereicherungsschuldners andererseits her, die einen Anspruch aus Eingriffskondiktion überhaupt erst legitimiert, weil der Zuweisungsgehalt einer geschützten Position begründet, daß die Vermögensvorteile, die sich beim Kondiktionsschuldner befinden, allein dem Kondizienten zustehen. Richtet sich der Eingriff des Bereicherungsschuldners auf eine Position, die keinen Zuweisungsgehalt aufweist, so kommt es auf die Frage des Rechtsgrundes, der darüber entscheidet, ob der Bereicherungsschuldner das Erlangte behalten darf, nicht mehr an. Nur wenn es sich um die Inanspruchnahme einer Position des Kondizienten mit Zuweisungsgehalt handelt, kommt ein Anspruch aus Eingriffskondiktion überhaupt in Betracht. Das Konzept des Zuweisungsgehalts umfaßt alle Positionen, deren Innehabung, Nutzung, Verwertung bis hin zum Verbrauch allein dem Kondizienten zustehen. Demgegenüber hat das Tatbestandsmerkmal der Rechtsgrundlosigkeit bei einem Erwerb von Vermögensvorteilen durch den Bereicherungsschuldner festzulegen, ob er das Erworbene behalten darf oder nicht. Der Unterschied zwischen der bei dem Tatbestandsmerkmal „auf Kosten" angesiedelten Frage des Zuweisungsgehalts und dem Tatbestandselement der Rechtsgrundlosigkeit läßt sich an einem Beispiel demonstrieren: Zum Kreis der exklusiv dem Eigentümer nach § 903 B G B zugewiesenen Befugnisse gehört die Verfügungsbefugnis über die Sache. Im Prinzip darf allein der Eigentümer über die Sache verfügen. Dennoch sehen §§ 932ff., 892 B G B zum Schutze des Rechtsverkehrs die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs aufgrund einer Verfügung durch einen Nichtberechtigten vor. Die wirksame Verfügung durch einen Nichtberechtigten verletzt den Zuweisungsgehalt des Eigentums, da es sich um eine exklusiv dem Eigentümer vorbehaltene Befugnis handelt. §§ 892, 932ff. B G B bilden jedoch einen Rechtsgrund für den gutgläubigen Erwerber zum Behaltendürfen des Eigentums an der Sache. Die Tatbestandsmerkmale „auf dessen Kosten" und „ohne Rechtsgrund" haben also unterschiedliche Funktionen. Das Zusammenziehen der Tatbestandsmerkmale „auf Kosten" und Rechtsgrundlosigkeit auf der Grundlage der Zuweisungswidrigkeit - wie von Reuter/ 132

Reuter/Martinek, a.a.O., 240f.

§ 8 Die Auswirkungen

der Zuweisungsgehaltslehre

auf § 812 I BGB

219

Martinekm vorgeschlagen - wird der unterschiedlichen Funktion dieser Tatbestandsmerkmale nicht gerecht und erschwert den Tatbestandsaufbau.

3. Der Rechtsgrundmangel

bei der

Eingriffskondiktion

Die traditionelle Vermögensverschiebungslehre verwendete den gleichen Rechtsgrundbegriff für Leistungs- und für Nichtleistungskondiktionen. Danach war der Rechtsgrund für eine Vermögensverschiebung die obligatorische Grundlage, die den Empfänger des Gegenstandes der Vermögensverschiebung zum (dauerhaften oder zeitweiligen) Behalten der Sache berechtigt 134 . Nach dem heute vorherrschenden dogmatischen Ansatz handelt es sich bei den Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen um voneinander ganz verschiedene Ansprüche, die sich in Funktion und Tatbestand deutlich unterscheiden. Diese kategoriale Differenzierung macht sich auch bei der Konkretisierung des Begriffs der Rechtsgrundlosigkeit bei Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen bemerkbar. Der Rechtsgrund für eine Leistung ergibt sich aus dem mit der Leistung durch den Leistenden verfolgten Zweck. Da Leistungen (= Vermögenszuwendungen an andere Personen) nicht zweckfrei erfolgen, liegt jeder Leistung ein Leistungszweck zugrunde. Der Grund der Rückforderung bei den Leistungskondiktionen liegt darin, daß der mit der Leistung verfolgte Zweck verfehlt wird. Bei der condictio indebiti schlägt der Leistungszweck fehl, weil das Schuldverhältnis, auf das er sich bezieht, nicht existiert. Dennoch ist der Rechtsgrund nicht identisch mit der zugrundeliegenden Obligation. Vielmehr verknüpft der Rechtsgrund die Vermögenszuwendung mit der Obligation in der Weise, daß etwa der Leistende festlegt, daß seine Leistung die Erfüllung einer bestimmten Verpflichtung bezweckt. Es gibt - etwa im Anwendungsbereich der condictio ob rem - auch Leistungen, die sich nicht auf ein bestehendes Schuldverhältnis beziehen. Die Leistung wird hier in der Erwartung erbracht, daß ein von den Parteien vorgestellter Erfolg eintritt. Der zweckorientierte Rechtsgrundbegriff bei den Leistungskondiktionen paßt für die Nichtleistungskondiktion bereits deshalb nicht, weil bei ihnen der Erwerb von Vermögensvorteilen weder vom Willen noch von einer Zwecksetzung des Berechtigten (= des Kondizienten) getragen ist. Ein zweckorientiertes, vom Willen auf die Mehrung fremden Vermögens getragenes Verhalten des Kondizienten liegt bei der Eingriffskondiktion nicht vor: Der Bereicherte oder ein Dritter verschaffen sich selbst den Vermögensvorteil, der Gegenstand des Bereicherungsanspruchs ist. Allgemein läßt sich zur Funktion des Rechtsgrundbegriffs sagen, daß er die Legitimation zum dauerhaften Behaltendürfen eines Vermögensvorteils schafft. In dieser Allgemeinheit gilt dies für die Leistungs- wie die NichtleistungsReuter/Martinek, a.a.O., 241. v. Mayr, Der Bereicherungsanspruch des deutschen licki, Grundlagen des Bereicherungsanspruchs, 3 f. 133 134

bürgerlichen

Rechts, 425;

Krawie-

220

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

kondiktion. Da es jedoch bei der Eingriffskondiktion - wie bereits erwähnt nicht um eine zweckorientierte Mehrung fremden Vermögens durch den Kondizienten geht, muß der Inhalt des Rechtsgrundes bei der Eingriffskondiktion anders bestimmt werden. Die Grundlagen für die Interpretation des Rechtsgrundbegriffs bei der Eingriffskondiktion hat schon Wilburg gelegt135. Im Wirtschaftsleben kommt es häufig vor, daß sich Mitwettbewerber auf Kosten ihrer Konkurrenten oder der Marktgegenseite bereichern, obwohl sie sich im Rahmen der ihnen zustehenden allgemeinen Handlungsfreiheit betätigen. Nur dann, wenn der Eingriff im Widerspruch zur rechtlichen Güterzuordnung steht, stellt sich überhaupt die Frage des Rechtsgrundes136. Das Element des Zuweisungsgehalts beeinflußt insoweit auch die Inhaltsbestimmung des Rechtsgrundbegriffs bei der Eingriffskondiktion. Steht - bei der Prüfung des Elements „auf dessen Kosten" fest, daß in ein dem Kondizienten zustehendes, mit Zuweisungsgehalt ausgestattetes Recht eingegriffen wurde, so ergibt sich daraus die Rechtsgrundbedürftigkeit für das Behaltendürfen des durch den Eingreifer erlangten Vermögensvorteils. Handelt der Erwerber dagegen im Reich seiner Handlungsfreiheit, so bedarf der Erwerb von Vermögensvorteilen keines Rechtsgrundes. Liegt ein Eingriff in eine Position mit Zuweisungsgehalt vor, so kann sich der Rechtsgrund zum Behaltendürfen entweder aus Vertrag mit dem Berechtigten oder aus dem Gesetz ergeben.

a) Vertrag als Rechtsgrund Besteht zwischen dem Kondizienten und dem potentiellen Bereicherungsschuldner ein Vertrag, so wird eine Zuwendung des Kondizienten an den Erwerber fast immer als Leistung zu qualifizieren sein, so daß allenfalls eine Leistungskondiktion zur Rückgängigmachung der Zuwendung in Betracht kommt. In seltenen Ausnahmefällen kann dennoch ein Eingriff vorliegen, wenn der Beeinträchtigte aufgrund eines Vertrages mit dem Eingreifer zur Leistung verpflichtet war, der Eingreifer sich das zu Leistende aber ohne oder gar gegen den Willen des Beeinträchtigten eigenmächtig genommen hat. Der Mieter, dem der Vermieter den Zugang zur wirksam gemieteten Wohnung nicht einräumt, verschafft sich eigenmächtig Zugang und zieht in die Wohnung ein. Zwar hat der Mieter in das Eigentum des Vermieters eingegriffen und ist auch auf dessen Kosten bereichert. Allerdings ist diese Bereicherung nicht rechtsgrundlos, weil der Mietvertrag den Mieter zum Bezug der Wohnung und zu ihrer Benutzung berechtigt. Da ein Rechtsgrund vorliegt, ist ein Bereicherungsanspruch des Vermieters nicht gegeben137. Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 27ff. Wilburg, a.a.O., 14f. 137 Siehe auch Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 89; dort wird das Beispiel genannt, daß die Patentnutzung durch jemanden, dem der Patentinhaber eine Lizenz zugesagt hat, aber zum vereinbarten Zeitpunkt verreist ist, nicht zu einem Bereicherungsan135 136

§ 8 Die Auswirkungen

der Zuweisungsgehaltslehre

b) Rechtsgrund nach gesetzlichen

auf § 812 I BGB

221

Vorschriften

Wichtiger als vertragliche Vereinbarungen zwischen Kondizienten und Bereicherungsschuldner sind im Zusammenhang der Eingriffskondiktion gesetzliche Vorschriften, die einen Rechtsgrund für das endgültige Behaltendürfen eines Vermögenserwerbs bilden können 138 . Nach § 932 I BGB erwirbt der Gutgläubige auch dann Eigentum an einer beweglichen Sache, wenn sie ihm von einem Nichtberechtigten veräußert wird. Der Erwerb des Eigentums durch den Gutgläubigen erfolgt direkt vom Eigentümer. Im Erwerb des Eigentums durch den Gutgläubigen liegt ein Eingriff in das Eigentumsrecht des Berechtigten, der dieses verliert. Wegen seines guten Glaubens an die Verfügungsbefugnis des Nichtberechtigten wird der entgeltliche Erwerber durch § 932 I BGB geschützt. Dieser Schutz würde im wirtschaftlichen Ergebnis leerlaufen, wenn der Alteigentümer die Sache bzw. ihren Wert vom Erwerber kondizieren könnte. Auch § 816 I 1 BGB zeigt, daß der gutgläubige entgeltliche Erwerber nicht Schuldner eines Bereicherungsanspruchs wegen Eingriffs sein soll. Der entgeltliche Erwerb der beweglichen Sache soll endgültig sein. § 932 I BGB bildet daher einen Rechtsgrund zum Behalten des Erworbenen i.S.v. § 812 I 1, 2. Alt. BGB. Anerkannt ist heute auch, daß die Ersitzung nach § 937 BGB einen endgültigen Ubergang der Sache in das Vermögen des Ersitzungseigentümers bewirken soll. Demzufolge bilden § 937 BGB ebenso wie §§ 900 (Ersitzung von Grundstücken), 1033 (Ersitzung von Nießbrauch an beweglichen Sachen) BGB einen Rechtsgrund für den Erwerb des betroffenen Rechts, der einen Anspruch wegen Eingriffskondiktion ausschließt. Andererseits finden sich Vorschriften, die auf sachenrechtlicher Ebene einen Eigentumswechsel bewirken, ohne einen Rechtsgrund für den dadurch erfolgten Erwerb zu liefern. So zeigt die Rechtsgrundverweisung des § 951 I BGB, daß der Erwerb von Eigentum durch Verarbeitung, Verbindung und Vermischung nach §§ 946ff. BGB von keinem Rechtsgrund zum Behalten des erlangten Vorteils getragen ist: der Wert des Erlangten ist herauszugeben. Ähnlich verhält es sich mit dem Eigentumserwerb des Finders nach § 973 I BGB; auch diese Vorschrift bildet keinen Rechtsgrund zum Behalten des Erlangten: Nach § 977 BGB kann der Alteigentümer einen Bereicherungsanspruch auf Herausgabe des Erlangten gegen den Finder nach den in der Vorschrift genannten Voraussetzungen geltend machen.

spruch f ü h r t , da ein Rechtsgrund vorliege. Dies ist nicht zutreffend. Wenn ein Lizenzvertrag abgeschlossen ist, handelt es sich u m eine Leistung. D e r Eingriff (und eine Eingriffskondiktion) liegt dann nicht vor. Ist aber zwischen den Beteiligten kein Lizenzvertrag abgeschlossen, sondern nur eine diesbezügliche Absicht geäußert w o r d e n , so ist die N u t z u n g des Patents unbefugt, weil der Patentinhaber ihr nicht in rechtsgeschäftlich verbindlicher F o r m zugestimmt hat. Eine Bereicherung erfolgt dann ohne Rechtsgrund. 138 Siehe dazu Larenz/Canaris, SchR II/2, § 67 III 2; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 90 f.

222

Kapitel I: Dogmatische Grundlagen der

Eingriffskondiktion

I m R a h m e n der Eingriffskondiktion kann sich ein Rechtsgrund zum Behalten des durch Eingriff Erlangten auch aus N o r m e n außerhalb der Regeln zum Rechtsübergang im Sachenrecht ergeben. So ist bei einem Eingriff in I m materialgüterrechte und andere Rechte, wie etwa das R e c h t am eigenen Bild zu prüfen, wem die N o r m e n des jeweils durch den Eingriff betroffenen Rechts letztlich den wirtschaftlichen Erfolg des Eingriffs zuordnen. So ist bei der Eröffnung eines inländischen Konkurses die Einzelzwangsvollstreckung in ausländisches Vermögen des Gemeinschuldners nicht ausgeschlossen; dennoch gehört nach § 1 K O auch das ausländische Vermögen des Gemeinschuldners zur Konkursmasse. D a h e r muß der Gläubiger, der im Wege der Einzelzwangsvollstreckung im Ausland die Konkursmasse geschmälert hat, das durch die Zwangsvollstreckung Erlangte nach § 812 1 1 B G B als ungerechtfertigte Bereicherung herausgeben 1 3 9 . E i n Rechtsgrund für das Behalten des Erlangten besteht nicht, weil durch die Einzelzwangsvollstreckung die Ziele des Konkursverfahrens im Inland beeinträchtigt würden. D i e N u t z u n g eines fremden Grundstücks, die aufgrund einer öffentlichrechtlichen Baulast gestattet ist, wird nicht durch einen Rechtsgrund gedeckt: die dadurch erlangte Bereicherung ist herauszugeben 1 4 0 . N i c h t selten k o m m t es zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in Sachen, die dem Schuldner nicht gehören; der Zuschlag an den Ersteher ist rechtswirksam. F ü r ihn liegt ein Rechtsgrund vor. D e m Gläubiger, dessen Forderung mit dem in der Verwertung erzielten Geld befriedigt wird, steht hingegen kein R e c h t s grund zu G e b o t e : E r muß den Wert der schuldnerfremden Sache als ungerechtfertigte Bereicherung an den früheren Eigentümer herausgeben. Hingegen erlaubt § 23 K U G unter bestimmten Voraussetzungen den Eingriff in das R e c h t am eigenen Bild. D i e Vermögensvorteile, die aus einem solchen „erlaubten" Eingriff erzielt werden, sollen dem Eingreifer zustehen. § 23 K U G bildet den Rechtsgrund für das Behalten dieser Vorteile 1 4 1 . E b e n s o darf der Ersteher eines in der Zwangsvollstreckung verwerteten Gegenstandes diesen dauerhaft behalten. D e r öffentlich-rechtliche Zuschlag bildet einen Rechtsgrund für den Erwerb in der Zwangsvollstreckung. Dahinter steht das Bestreben, die Funktionsfähigkeit der Zwangsvollstreckung zu sichern: Könnte der Ersteher nicht sicher sein, die betreffende Sache durch den Zuschlag dauerhaft zu erwerben, so würde die C h a n c e beeinträchtigt, im Zwangsvollstreckungsverfahren genügend Mittel zu erlösen, u m die Verpflichtungen des Schuldners erfüllen zu können.

B G H 13.7.1983, B G H Z 88, 147. B G H 19.4.1985, B G H Z 94, 160; B G H 8.7.1983, B G H Z 88, 97. 141 Siehe dazu ausführlich unten § 25 III 2 c); vgl. Koppensteiner/Kramer, Bereicherung, 90 f. 139

140

Ungerechtfertigte

§8

Die Auswirkungen

4. Rechtsgrund

der Zuweisungsgehaltslehre

und Zuweisungsgehalt

auf § 812 I BGB

des verletzten

223

Rechts

Wie sich zeigt, beeinflußt der Begriff des Zuweisungsgehalts im Tatbestand des § 812 B G B nicht nur das Element „auf dessen Kosten", sondern auch das Merkmal der Rechtsgrundlosigkeit. Die voranstehenden Ausführungen zeigen, daß diese Merkmale unterschiedliche Funktionen im Tatbestand der Eingriffskondiktion erfüllen. Während im Rahmen des Tatbestandsmerkmals „auf dessen Kosten" zu prüfen ist, ob das Ziel des Eingriffs ein Recht mit Zuweisungsgehalt ist, wie weit dieser Zuweisungsgehalt reicht und wer Partei des Bereicherungsanspruchs ist, geht es bei dem Erfordernis des Rechtsgrundes darum, ob nicht doch der aufgrund des Eingriffs ermöglichte Erwerb von Vermögensvorteilen durch die vertraglichen Beziehungen der Parteien untereinander oder durch das Gesetz legitimiert ist, so daß der Begünstigte die Vorteile behalten darf. Die Frage nach dem Umfang des Zuweisungsgehalts eines verletzten Rechts ist im Rahmen des Tatbestandsmerkmals „auf dessen Kosten" zu erörtern. Dabei kann sich ergeben, daß der in Frage stehende Eingriff den Zuweisungsgehalt des Rechts nicht berührt hat, z . B . weil das Fotografieren eines Hauses von der öffentlichen Straße aus und die kommerzielle Verwertung dieses Fotos nicht exklusiv dem Eigentümer des Hauses zugewiesen ist 1 4 2 oder das Recht am eigenen Bild deshalb nicht beeinträchtigt ist, weil der Kläger auf dem Bild nicht für Dritte erkennbar dargestellt ist 143 . Hier fehlt es bereits an einem Eingriff in den Zuweisungsgehalt eines dem Kläger exklusiv zugeordneten Rechts; ein Anspruch aus Eingriffskondiktion kommt schon deshalb nicht in Betracht. Die Frage nach einem Rechtsgrund zum Behaltendürfen der Vorteile, die der Beklagte erworben hat, stellt sich nicht, da der Erwerb keines Rechtsgrundes bedarf. Der Umstand, daß sich das Kriterium des Zuweisungsgehalts sowohl bei der Auslegung des Merkmals „auf dessen Kosten" wie auch bei der Interpretation des Erfordernisses „ohne Rechtsgrund" im Tatbestand der Eingriffskondiktion auswirkt, ist in der engen sachlichen Verknüpfung der Bestimmung des Schutzbereichs der Eingriffskondiktion über den Zuweisungsgehalt von Rechten, nach dem sich das Erfordernis der Rechtsgrundbedürftigkeit für den Erwerb von Vermögensvorteilen richtet, und dem Rechtsgrund zum endgültigen Behalten des Erlangten begründet. Beide Tatbestandsmerkmale weisen aber - wie oben dargestellt - jeweils eigene, voneinander divergierende Funktionen im Tatbestand der Eingriffskondiktion auf und sind daher nicht verzichtbar.

142 143

B G H 9.3.1989, N J W 1989, 2251 (Friesenhaus). Siehe dazu B G H 26.6.1979, G R U R 1979, 732 (733) (Fußballtor).

224

Kapitel

I: Dogmatische

Grundlagen

5. a) Die Bedeutung

des

der

Eingriffskondiktion

Eingriff

Eingriffs

Daß zum Tatbestand der Eingriffskondiktion ein Eingriff 144 gehört, scheint so selbstverständlich zu sein, daß sich eine entsprechende Feststellung der Gefahr aussetzt, banal zu klingen. Gänzlich unproblematisch ist das Erfordernis des Eingriffs im Rahmen der Zuweisungsgehaltslehre jedoch nicht. Die Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte stützt den Herausgabeanspruch des Kondizienten darauf, daß der Bereicherungsschuldner etwas erlangt hat, was nach der rechtlichen Zuordnung von Gütern und ihrer Nutzungen, ihres Gebrauchs, Verbrauchs und ihrer Verwertung dem Kondizienten zusteht. Das Konzept des Zuweisungsgehalts subjektiver Rechte ist durch v. Caemmerer aus dem Ansatz Wilburgs, der in der Rechtsfortwirkung die Grundlage der Nichtleistungskondiktion gesehen hatte, entwickelt worden. Versteht man den Begriff der Rechtsfortwirkung bzw. des Zuweisungsgehalts in einem sehr weiten Sinn, so wird deutlich, daß hinter den Leistungskondiktionen ebenfalls der Rechtsfortwirkungsgedanke dergestalt steht, daß auch diese Kondiktionen die Funktion haben, Widersprüche zwischen dem schuldrechtlichen Grundgeschäft und der sachenrechtlichen Zuordnung aufzulösen. Der Rechtsinhaber soll sein Recht bzw. dessen wirtschaftlichen Wert nur dann verlieren, wenn dies auf einer schuldrechtlich einwandfreien Grundlage geschieht. Insoweit ist zu fragen, ob es für den Bereicherungsanspruch auf der Basis des Gedankens der Zuweisung von Gütern und (im umfassenden Sinn) ihrer Nutzung überhaupt auf einen Eingriff in Rechtspositionen des Kondizienten ankommt. Der dogmatische Fortschritt, der durch die Arbeiten v. Caemmerers und "Wilburgs erreicht worden ist, liegt in der durch die Trennung der tatbestandlichen Grundlagen von Leistungs- und Eingriffskondiktion ermöglichten Uberwindung der vom Vermögensverschiebungserfordernis gesetzten Grenzen des Bereicherungsrechts und in der schärferen Abgrenzung der Funktionen der verschiedenen Kondiktionsarten. Die Trennung von Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen ermöglicht eine schärfere funktionelle Abgrenzung der einzelnen Bereicherungsansprüche. Der Begriff des Zuweisungsgehalts umfaßt die Befugnisse des Rechtsinhabers in Bezug auf den Gegenstand (das „uti, fruti, abuti" v. Caemmerers)145 und das Recht, den ökonomischen Ertrag aus den zugeordneten Befugnissen zu ziehen und zu behalten. Alle Bereicherungsansprüche, die in §§ 812ff. B G B geregelt sind, dienen der Funktion, den rechtsgrundlos erfolgten Erwerb von 144 Zum Begriff des Eingriffs bei der Eingriffskondiktion siehe etwa Loewenheim, Bereicherungsrecht, 76 f.; MüKof-Lz'eH § 812, Rz. 183 ff. 145 v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel I, 353; ders., Grundprobleme des Bereicherungsrechts, in: Leser (Hrsg.), E. v. Caemmerer - Gesammelte Schriften I, 378.

$ 8 Die Auswirkungen der Zuweisungsgehaltslehre auf § 812 I BGB

225

Vermögensvorteilen zu korrigieren, indem die Vorteile aus Rechten an körperlichen und unkörperlichen Gegenständen wie N u t z u n g e n und Gebrauchsvorteile bzw. ihr wirtschaftlicher Wert aus dem Vermögen des Bereicherungsschuldners in das des Kondizienten zurückverlagert werden. D e r E r w e r b der Vermögensvorteile durch den Bereicherungsschuldner kann auf zwei kategorial unterschiedliche Weisen erfolgen. Einmal kann sich der E r w e r b als eine mit Willen und Einverständnis des Kondizienten von diesem selbst (oder auf seine Weisung durch einen Dritten) vorgenommene V e r m ö genszuwendung darstellen, mit der er einen auf ein zugrundeliegendes Rechtsverhältnis bezogenen Erfüllungszweck oder einen sonstigen Z w e c k verfolgt. In diesen Fällen erfolgt die Bereicherung durch Leistung. D e r andere Erwerbsmodus („oder auf andere Weise") ist negativ definiert: In den Anwendungsbereich dieser Kategorie von Bereicherungsansprüchen fallen alle rechtsgrundlosen Erwerbsvorgänge, die nicht auf eine bewußte und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens durch den Kondizienten zurückzuführen sind. D a h e r gehört der Eingriff zum Tatbestand dieser Art von Nichtleistungskondiktionen. Fritz Schulz, der Begründer der Rechtswidrigkeitstheorie und für viele der eigentliche Entdecker der Eingriffskondiktion, definiert den Eingriff als „jede Einwirkung auf ein fremdes R e c h t " 1 4 6 . Diese Definition ist zu weit gefaßt: D e r Nießbraucher, der vor Ablauf der Nießbrauchsfrist die fremde Sache nutzt, greift nicht in das R e c h t des Eigentümers ein, denn die N u t z u n g der Sache ist dem Nießbraucher durch Rechtsgeschäft eingeräumt 1 4 7 . Wenn unter Eingriff auch Einwirkungen auf fremde Rechte verstanden werden, die mit Zustimmung des Rechtsinhabers geschehen, so verwischt man die G r e n z e n zwischen Leistung und Nichtleistung. D e m Nießbraucher ist die Sache v o m Eigentümer geleistet worden. D i e N u t z u n g durch den Nießbraucher stellt keinen Eingriff dar. I m H i n b l i c k auf die F u n k t i o n von § 8 1 2 1 1 , 2 . Alt. B G B ist als Eingriff jede v o m Rechtsinhaber nicht gestattete Einwirkung auf ein fremdes R e c h t aufzufassen. Dabei ist der Begriff der Einwirkung weit zu verstehen. Es kann sich um die N u t z u n g von Sachen gemäß § 100 B G B , um den Verbrauch von Sachen, um die N u t z u n g von R e c h t e n z . B . Immaterialgüterrechten wie dem Urheber- und dem Patentrecht handeln, wobei diese Aufzählung nicht abschließend ist. Möglicherweise entsteht dem Kondizienten durch einen Eingriff ein Schaden; dies ist im R a h m e n des Anspruchs aus Eingriffsbereicherung ohne Belang. Es geht ausschließlich um den E r w e r b von Vermögensvorteilen durch den Bereicherungsschuldner. Wie bereits ausgeführt, ist ein Schaden im Vermögen des Kondizienten weder Voraussetzung des Bereicherungsanspruchs noch gar denknotwendig mit dem Umstand der Bereicherung verbunden. D e r Tatbestand der Eingriffskondiktion setzt nicht voraus, daß der die Bereicherung auslösende Eingriff rechtswidrig erfolgt. Das Erfordernis der RechtsSchulz, System der Rechte auf den Eingriffserwerb, AcP 105 (1909), 427. So aber Schulz, System der Rechte auf den Eingriffserwerb, AcP 105 (1909), 428, der beim Nießbrauch einen rechtmäßigen Eingriff ins Eigentum annimmt. 146

147

226

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

grundlosigkeit in § 812 11 B G B hat von seiner Funktion und seinem Inhalt her gesehen nichts mit der Rechtswidrigkeit von Handlungen zu tun, wenn auch die Rechtswidrigkeitstheorie beide Begriffe gleichsetzt. D e r Rechtsgrund bildet die Legitimation zum dauerhaften Behalten von Vermögensvorteilen, die ein Rechtssubjekt auf Kosten eines anderen Rechtssubjektes erworben hat. Nicht alle Erwerbsvorgänge von Gütern sind rechtsgrundbedürftig. U b e r die Rechtsgrundbedürftigkeit des Erwerbs vermögenswerter Güter entscheidet der Zuweisungsgehalt der Rechte, deren Gegenstände die fraglichen Güter bilden. Für das Verständnis der Funktion des Zuweisungsgehalts und des Tatbestandsaufbaus von § 812 I 1, 2. Alt. B G B ist von großer Bedeutung, zwischen Rechtsgrundbedürftigkeit und Rechtsgrund zu unterscheiden. Diese Differenzierung ist keine Selbstverständlichkeit. Ein Teil des Schrifttums vermengt beide Tatbestandsmerkmale miteinander und kommt daher zu keiner klaren Abgrenzung der Funktionen dieser Tatbestandselemente. Unter dieser Vorgehensweise leidet ein in sich schlüssiger Tatbestandsaufbau der Eingriffskondiktion 1 4 8 . Richtigerweise sind im Rahmen des Tatbestandsaufbaus der Eingriffskondiktion auf der Grundlage der Zuweisungsgehaltslehre folgende Differenzierungen zu treffen: Die Frage, ob ein Eingriff ein Recht mit Zuweisungsgehalt beeinträchtigt hat, ist im Rahmen des Tatbestandsmerkmals „auf dessen Kosten" des § 812 I B G B zu beantworten. Die Feststellung, daß der Rechtsverletzer unbefugt ein Recht mit Zuweisungsgehalt in Anspruch genommen hat, bedeutet zugleich, daß der Erwerb durch eine Person, die Nichtinhaber des Rechts ist, rechtsgrundbedürftig ist. Die Rechtsgrundbedürftigkeit des Erwerbs ergibt sich aus der exklusiven Zuweisung der Handlungs- und Vermögensbefugnisse des Rechtsinhabers in Bezug auf das Rechtsobjekt. Das Innehaben, die Nutzung und Verwertung des Rechts ist allein dem Rechtsinhaber vorbehalten. Wenn ein Nicht-Rechtsinhaber das Recht selbst, seine Nutzungs- und Gebrauchsvorteile erwirbt, so bedarf dieser Vorgang gegenüber dem (Alt-)Berechtigten eines Rechtsgrundes, damit der Erwerber das Erlangte behalten darf. Die Rechtsgrundbedürftigkeit beschränkt sich auf Rechte, die einen Zuweisungsgehalt aufweisen. Der Transfer rechtlich und faktisch vorteilhafter Positionen, die nicht mit Zuweisungsgehalt ausgestattet sind, bedarf keines Rechtsgrundes. Die Nutzung solcher Position steht im Rahmen des wirtschaftlichen Wettbewerbs und der Verhaltensnormen, die für einen fairen Wettbewerb sorgen sollen, jedermann frei. Ist die Rechtsgrundbedürftigkeit eines Erwerbes anhand des Merkmals des Zuweisungsgehalts festgestellt, so erhebt sich die Frage, ob für den konkreten Erwerb ein Rechtsgrund auch gegeben ist. Die Frage nach dem Rechtsgrund eines konkreten Erwerbsvorganges läßt sich nicht anhand des Zuweisungsgehalts des in Anspruch genommenen Rechts beantworten. § 8 1 2 1 1 B G B sieht deshalb ein gesondertes Tatbestandsmerkmal 148

Vgl. insoweit die Kritik von Koppensteiner/Kramer,

Ungerechtfertigte Bereicherung, 88.

$ 8 Die Auswirkungen

der Zuweisungsgehaltslehre

auf § 812 I BGB

227

dafür vor. D e r Rechtsgrund für einen Erwerb ergibt sich aus den schuldrechtlichen Beziehungen der Parteien (= des Rechtsinhabers und des Erwerbers) untereinander oder aus dem Gesetz. Ein Beispiel für einen gesetzlichen Rechtsgrund bildet § 932 B G B . Diese Vorschrift schafft einen Rechtsgrund dafür, daß der redliche Erwerber, der eine bewegliche Sache von einem Nichtberechtigten erworben hat, diese auch behalten darf. Zusammen mit § 816 I 1 B G B stellt die Vorschrift klar, daß der redliche Erwerber weder einem Vindikations- noch einem Kondiktionsanspruch ausgesetzt ist 149 . Positionen, die von der Rechtsordnung nicht in einer Dritte ausschließenden Weise ihrem Inhaber zugewiesen werden, sind hinsichtlich ihrer Übertragung und Nutzung auch dann nicht rechtsgrundbedürftig, wenn sie ökonomisch einen bedeutenden Wert darstellen. Dies ist etwa der Fall bei Informationen, die immaterialgüterrechtlich nicht ihrem Urheber bzw. Erfinder exklusiv zugewiesen sind. Sind diese Informationen geheim, so kann sie ein Dritter nur dann nutzen, wenn er mit dem Inhaber eine entsprechende Vereinbarung schließt. Diese ist aber nicht deshalb erforderlich, weil die Nutzung der Information rechtsgrundbedürftig ist, sondern weil der Inhaber der Informationen faktisch über eine Alleinstellung verfügt, die es ihm ermöglicht, alle anderen von der Nutzung der Information auszuschließen. Demgegenüber dient das Konzept der Rechtswidrigkeit dazu, ein Urteil über die Vereinbarkeit menschlichen Verhaltens mit den G e - und Verbotsnormen der Rechtsordnung zu fällen. Die G e - und Verbotsnormen der Rechtsordnung dienen vielfältigen Zwecken; eine Zuweisung des ökonomischen Ertrages aus Handlungen, die im Interesse einer Person anderen Personen verboten sind, läßt sich dem Konzept der Rechtswidrigkeit nicht entnehmen. Ein Blick auf die obergerichtliche Entscheidungspraxis auf dem Gebiet der Eingriffskondiktion zeigt, daß in den in der Rechtswirklichkeit bedeutsamen Fällen der Eingriff, der zur ungerechtfertigten Bereicherung führte, ausnahmslos rechtswidrig war. Dennoch muß dies nicht notwendigerweise der Fall sein. So braucht der Einbau von Baumaterial durch einen Nichtberechtigten, der einen Bereicherungsanspruch nach §§ 951 I, 812 11, 2. Alt. B G B auslöste, nicht in jedem Fall rechtswidrig zu sein. Auch die zum Erlöschen einer Forderung führende Annahme der Erfüllung durch einen Nichtberechtigten (§ 816 II B G B ) ist nicht immer rechtswidrig. Schließlich sei auf § 904 B G B hingewiesen. Wenn jemand durch den Einsatz der Sache des Kondizienten im Rahmen eines N o t standes einen Vermögensvorteil erwirbt, so ist dieser Eingriff nicht rechtswidrig, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 904 B G B vorliegen. Dennoch kann der Eigentümer den Wert der Vorteile nach §§ 812 I 1, 2. Alt., 818 II B G B herausverlangen, die auf der Nutzung seiner Sache beruhen. Die Rechtsordnung begrenzt durch § 904 B G B die Befugnis des Eigentümers einer Sache im Falle eines Notstandes. Dann tritt das Recht des Eigentümers, alle anderen Rechtssubjekte von der Nutzung seiner Sache ausschließen zu können, hinter die 149

Siehe oben IV.3.b. in diesem Paragraphen; vgl. auch Larenz/Canaris,

SchR II/2, § 67 III 2.

228

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

Erfordernisse der Notstandslage zurück. Dahinter steht die wirtschaftlich sinnvolle Erwägung, daß bei Gefahr eines im Verhältnis zum Nachteil des Eigentümers unverhältnismäßig großen Schadens dieser Schaden abgewendet werden sollte. § 904 B G B will jedoch dem Begünstigten keine Vermögensvorteile auf Kosten des Eigentümers der in der Notstandslage in Anspruch genommenen Sache gewähren. Soweit durch die Nutzung der fremden Sache, die bei Vorliegen eines Notstandes nach § 904 B G B rechtmäßig ist, ein Vermögensvorteil auf der Seite des Begünstigten entsteht, ist dieser Vorteil rechtsgrundlos erlangt und daher nach § 812 I 1, 2. Alt. B G B an den Eigentümer herauszugeben150. Die Frage, ob ein Eingriff in eine bereicherungsrechtlich geschützte Rechtsposition vorliegt, läßt sich von zwei Seiten aus beantworten: aus dem Blickwinkel des Bereicherungsschuldners wie auch aus der Sicht des Bereicherungsgläubigers als Inhaber der unbefugt in Anspruch genommenen Rechtsposition. Aus dem Blickwinkel des Bereicherungsschuldners konstituiert nur sein eigenes Handeln einen Eingriff. Demgegenüber können aus Sicht des Bereicherungsgläubigers auch Handlungen Dritter wie auch weitere Umstände zu einem Eingriff führen 151 . Solche weiteren Umstände bildet etwa der Eigentumserwerb nach §§ 946 ff. BGB. Dieses Konzept des Eingriffs ist weitergefaßt als der erstgenannte Eingriffsbegriff. Das weitergefaßte Konzept des Eingriffs ist vorzugswürdig, da sich in den Fällen des Eigentumserwerbs nach §§ 946ff. B G B dieselben sachlichen Probleme stellen wie bei einem Eingriff durch den Bereicherungsschuldner152. b) Arten von

Eingriffen

Es lassen sich mehrere Arten von Eingriffen unterscheiden, ohne daß es für die grundsätzliche Entscheidung, ob ein Eingriff oder eine Leistung zu einer ungerechtfertigten und daher herauszugebenden Bereicherung geführt hat, auf die Art des Eingriffs ankäme. Als Eingriff ist beispielsweise der vom Eigentümer nicht autorisierte Gebrauch von Sachen zu nennen. Hierbei spielt die Eingriffskondiktion allerdings zumeist nur eine Nebenrolle, da sie durch § 993 I B G B ausgeschlossen ist, soweit es sich um eine Nutzung durch einen redlichen, nichtberechtigten Sachbesitzer handelt. Ihre größte praktische Bedeutung erlangt die Eingriffskondiktion heute bei der rechtsgrundlosen Nutzung von Immaterialgüterrechten und in vergleichbaren Rechtspositionen. Die Rechtspraxis der letzten 30 Jahre zeigt die große Relevanz der unbefugten Nutzung von Immaterialgüterrechten und bestimmter Persönlichkeitsrechte bei der Anwendung der Eingriffskondiktion 153 . Ein Eingriff liegt auch im unbefugten Verbrauch von Sachen. 150 Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 91; Jauernig(-Schlechtriem), § 812, Anm. 3. 151 MüKo(-Lieb), § 812, Rz. 183; Loewenheim, Bereicherungsrecht, 77. 152 Loewenheim, a.a.O., 77. 153 Siehe unten Kapitel V und VI.

§ 8 Die Auswirkungen

der Zuweisungsgehaltslehre

auf § 812 I BGB

229

Bereicherungsrechtliche Sonderregelungen finden sich für die Verfügung über Sachen und die wirksame Einziehung von Forderungen in §§ 8161, 816 II B G B . Beide Arten der Verfügungen durch den Nichtberechtigten stellen einen Eingriff in das Eigentum bzw. die Forderungszuständigkeit des Berechtigten dar. Ein Eingriff ist auch dann gegeben, wenn im Zwangsvollstreckungsverfahren ein Gegenstand verwertet wird, der nicht im Eigentum des Schuldners steht. Der dadurch beim Zwangsvollstreckungsgläubiger entstehende, rechtsgrundlose Vermögensvorteil (der Erlös aus der Verwertung der schuldnerfremden Sache) wird nicht nach § 816 I 1 B G B ausgeglichen, weil es sich bei dem Zuschlag der Sache im Zwangsvollstreckungsverfahren, durch den der alte Eigentümer sein Recht verliert, um einen Hoheitsakt und nicht um eine rechtskräftige Verfügung eines Nichtberechtigten handelt, auf die allein sich § 8 1 6 1 1 B G B bezieht. Der in der Verwertung der schuldnerfremden Sache liegende Eingriff in das Eigentum des Berechtigten löst jedoch einen Anspruch auf Herausgabe der Bereicherung aufgrund der allgemeinen Eingriffskondiktion des § 812 I 1, 2. Alt. B G B gegen den die Zwangsvollstreckung betreibenden Gläubiger aus 154 .

6. Die Bestimmung der Parteien des Anspruchs aus Eingriffskondiktion nach der Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte Eine entscheidende Rolle beim Kampf der Theorien hat im Bereicherungsrecht immer die sachgerechte und angemessene Bestimmung der Parteien des Bereicherungsanspruchs gespielt. Dies ist deshalb eine so wichtige Frage, weil sich darin die Reichweite des Anspruchs widerspiegelt. Die früher das Bereicherungsrecht beherrschende Vermögensverschiebungslehre war gezwungen, zum Zwecke der Bestimmung der Parteien des Bereicherungsanspruchs begrenzende Kriterien zu entwickeln. Bei den Bereicherungsansprüchen im Mehrpersonenverhältnis, die sowohl bei Leistungskondiktionen wie bei Eingriffskondiktionen auftreten können, kommt es typischerweise dazu, daß Vermögensvorteile, die Gegenstand des Bereicherungsanspruchs sind, durch das Vermögen mehrerer Beteiligter fließen. U m hier zu einer Abgrenzung der Reichweite des Bereicherungsanspruchs zu kommen, war die Vermögensverschiebungslehre gezwungen, den Tatbestand des Bereicherungsanspruchs mit Elementen zu befrachten, die der K o n diktion funktionell fremd sind, wie z . B . das Erfordernis eines Schadens, oder die jedenfalls im gesetzlichen Tatbestand nicht enthalten sind, wie das Erfor154 Jauernig(-Schlechtriem), § 812, Anm. II 1 g); Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 90, 93; MüKo(-Lieb), § 812, Rz. 269ff.; Larenz/Canans, SchR II/2, § 6 9 1 3 c); Soergel(-Mühl), § 812, Rz. 152 und 228; Staudinger(-Lorenz), § 812, Rz. 27.

230

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

dernis der Unmittelbarkeit zwischen Vermögensverlust auf Seiten des Kondizienten und Erwerb auf Seiten des Bereicherungsschuldners.

a) Der

Bereicherungsgläubiger

Der Kern der Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte bildet die Verknüpfung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion mit der der rechtlichen Güterzuordnung widersprechenden Inanspruchnahme von Sachen oder Rechten des Kondizienten durch den Bereicherungsschuldner. Die Bestimmung des Kondiktionsgläubigers ist leicht: als Bereicherungsgläubiger kommt ausschließlich der Inhaber des unbefugt in Anspruch genommenen Rechts in Betracht 155 .

b) Der

Bereicherungsschuldner

Als problematischer kann sich hingegen die Bestimmung des Bereicherungsschuldners erweisen. Keine Schwierigkeiten ergeben sich, wenn es sich um einen Anspruch aus Eingriffsbereicherung handelt, bei dem sich nur zwei Personen, nämlich der Kondizient und der Eingreifer, der auch zugleich durch den Eingriff begünstigt ist, gegenüberstehen. Nicht selten jedoch sind mehr als zwei Personen an Bereicherungsvorgängen beteiligt. Beispiel: Der Gerichtsvollzieher verwertet eine schuldnerfremde Sache im Zwangsvollstreckungsverfahren und zahlt den Erlös an den Gläubiger aus. Hier greift der Gerichtsvollzieher in das Eigentum des Nicht-Schuldners ein. Als begünstigt hingegen könnte man drei Personen ansehen: den Ersteher, der das Eigentum an der Sache erwirbt, den Gläubiger, der den Erlös aus der Verwertung der Sache bekommt und den Schuldner, dessen Schuld mit dem Erlös aus der Verwertung der fremden Sache getilgt wird. Auch in den Fällen des § 951 I BGB können Eingreifer und Begünstige auseinanderfallen. Wenn z.B. ein Bauunternehmer dem Baustoffhändler gestohlenes Baumaterial in das Haus des Eigentümers einbaut, ist der Eigentümer dem Anspruch aus Eingriffskondiktion nach §§ 951 I, 812 I 1, 2. Alt. BGB ausgesetzt 156 . Aus dem Wortlaut des § 9511 BGB ergibt sich klar, wer bei einem Auseinanderfallen von Eingreifer und Begünstigtem Schuldner des Bereicherungsanspruchs sein soll: nämlich derjenige, „zu dessen Gunsten die Rechtsänderung eintritt", also der Begünstigte, nicht der Eingreifer. 155 Siehe Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 113; Larenz/Canaris, SchR II/2, § 69 I 3 a). 156 Zu beachten ist, daß es sich bei § 951 I B G B u m eine Rechtsgrund-, nicht eine Rechtsfolgenverweisung handelt; zur Begründung eines Anspruchs müssen alle Tatbestandsvoraussetzungen des § 812 I 1 B G B vorliegen, insbesondere muß ein Rechtsgrund z u m Behaltendürfen des Erlangten fehlen. Handelte es sich u m eine Rechtsfolgenverweisung, so käme man zu unsinnigen Ergebnissen: der Bereicherungsanspruch aus § 951 I B G B w ü r d e auch dann ausgelöst, wenn w i r k s a m e Kausalverhältnisse das Behaltendürfen des Erlangten legitimieren würden.

§ 8 Die Auswirkungen

der Zuweisungsgehaltslehre

auf § 812 I BGB

231

Die Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte sieht die Funktion der Eingriffskondiktion zutreffend in der Korrektur von Erwerbsvorgängen (= dem Erwerb von Vermögenswerten Vorteilen), die aufgrund unbefugter Inanspruchnahme fremder Rechtspositionen erlangt werden. Für die Rückabwicklung eines Erwerbs, der durch unbefugte Inanspruchnahme fremder Rechtspositionen erfolgt ist, ist notwendigerweise bei demjenigen anzusetzen, der die Vorteile erlangt hat. Anders hingegen könnte es auf der Grundlage der Rechtswidrigkeitstheorie aussehen. Sie stellt im Kern auf die Rechtswidrigkeit des Eingreifer-Verhaltens als Legitimation zur Gewährung eines Anspruchs aus Eingriffsbereicherung ab. Hier bekommt die Eingriffskondiktion die Funktion einer Sanktion für rechtswidriges Verhalten. Bei einer solchen Betrachtung könnte eher der Eingreifer als Partei des Anspruchs in Betracht kommen, da er der rechtswidrig Handelnde ist. Bei einem Auseinanderfallen beider Rollen muß aber auch die Rechtswidrigkeitstheorie den Begünstigten auf Herausgabe des Erlangten haften lassen, da nur er bereichert ist.

7. Die Unmittelbarkeit

des

Erwerbs

Die Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung war ein Merkmal des Bereicherungstatbestands der Vermögensverschiebungslehre 1 5 7 . In den Gebrauchs- und Nutzungsfällen, in denen eine gegenständliche Verschiebung von Vermögensbestandteilen fehlte, ersetzte das Erfordernis der Kausalität von Gewinn und Verlust 158 bzw. der Einheitlichkeit des Bereicherungsvorgangs 159 die Voraussetzung der Vermögensverschiebung. Die Schwierigkeiten der Vermögensverschiebungslehre bei der sachgerechten Abgrenzung der Reichweite des Bereicherungsanspruchs auch in den Fällen, in denen mangels Entreicherung des Kondizienten von einer gegenständlich faßbaren Vermögensverschiebung keine Rede sein konnte, vermeidet die Zuweisungsgehaltstheorie. Trotz des fundamentalen Wandels der dogmatischen Grundlagen der Eingriffskondiktion, den diese Theorie mit sich gebracht hat, verlangt ein Teil der Lehre auch im Rahmen der Zuweisungsgehaltstheorie die Einhaltung des Unmittelbarkeitserfordernisses 160 . Der überwiegende Teil der Literatur lehnt dagegen die Erforderlichkeit dieses Merkmals im Rahmen des Tatbestandes der Eingriffskondiktion ab 1 6 1 . Siehe dazu oben § 3 I 1 a dd). Siehe etwa Batsch, Vermögensverschiebung und Bereicherungsherausgabe, 32; R G 4.4.1917, R G Z 90, 137 (139) (Erikamuster). 159 Batsch, Vermögensverschiebung und Bereicherungsherausgabe, 47; Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, 853f.; R G 9.6.1928, R G Z 121, 258 (263). 160 So etwa Larenz/Canaris, SchR II/2, § 67 II 2 b). 161 Vgl. z.B. Koppensteiner / Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 85 ff.; Esser/Weyers, SchR II BT, § 50 I 2; Hüffer, Die Eingriffskondiktion, JuS 1981, 264. 157 158

232

Kapitel I: Dogmatische Grundlagen der

Eingriffskondiktion

E i n B l i c k auf die F u n k t i o n der U n m i t t e l b a r k e i t m a c h t deutlich, daß dieses E r f o r d e r n i s im T a t b e s t a n d der E i n g r i f f s k o n d i k t i o n , w i e er nach der L e h r e v o m Z u w e i s u n g s g e h a l t z u f a s s e n ist, keinen P l a t z m e h r hat. Z u m einen spricht d a g e g e n , daß die V e r m ö g e n s v e r s c h i e b u n g s l e h r e d e n S c h a d e n des K o n d i z i e n t e n u n d d e n E r w e r b des B e r e i c h e r u n g s s c h u l d n e r s in ein Verhältnis z u setzen bes t i m m t ist. D e r d o g m a t i s c h e F o r t s c h r i t t der L e h r e v o m Z u w e i s u n g s g e h a l t der R e c h t e liegt u . a . gerade darin, daß ein E r k l ä r u n g s a n s a t z f ü r die E i n g r i f f s k o n d i k t i o n entwickelt w i r d , der d a s - d e m B e r e i c h e r u n g s a n s p r u c h f r e m d e E r f o r d e r n i s des S c h a d e n s b e i m K o n d i z i e n t e n entbehrlich macht. A k z e p t i e r t m a n d e n Z u w e i s u n g s g e h a l t der R e c h t e als G r u n d l a g e der E i n g r i f f s k o n d i k t i o n , s o f r a g t sich, w e l c h e E l e m e n t e des T a t b e s t a n d e s der E i n g r i f f s b e r e i c h e r u n g ü b e r d a s M e r k m a l der U n m i t t e l b a r k e i t miteinander v e r k n ü p f t w e r d e n sollen. D i e s bleibt bei denjenigen, die an der U n m i t t e l b a r k e i t als Bestandteil des T a t b e s t a n des der E i n g r i f f s k o n d i k t i o n festhalten, unklar 1 6 2 . D a s E r f o r d e r n i s der U n m i t t e l b a r k e i t hatte v o r allem die F u n k t i o n , D r i t t e , die d e n v o n einem anderen r e c h t s g r u n d l o s erlangten V e r m ö g e n s v o r t e i l v o n d i e s e m a u f g r u n d eines R e c h t s g e s c h ä f t s erlangt h a b e n , v o r einem Bereicher u n g s a n s p r u c h desjenigen z u s c h ü t z e n , der u r s p r ü n g l i c h berechtigt war. D a s B e s t r e b e n , d e m B e r e i c h e r u n g s a n s p r u c h a u c h in s u b j e k t i v e r H i n s i c h t eine feste u n d ü b e r s c h a u b a r e K o n t u r z u geben, w a r bereits in d e n g e s e t z g e b e r i s c h e n Vorarbeiten z u m B G B z u erkennen. Sehr deutlich w i r d die A b l e h n u n g der V e r s i o n s k l a g e im V o r e n t w u r f v o n v. Kübel, w o es heißt: „Gemeinsam ist allen Kondiktionsfällen und als Grundsatz für dieselben aufzustellen, daß der sie veranlassende juristische Vorgang unmittelbar zwischen dem Benachtheiligten und dem Bereicherten eingetreten sein muß, d.h. ohne Vermittelung durch ein Rechtsgeschäft eines Dritten. ... In allen anderen Fällen aber, wenn Jemand das ihm aus einem Geschäft, welches er in seinem N a m e n ohne Beziehung auf einen Dritten abgeschlossen hat, zugekommene einem anderen zuwendete, steht dem anderen Kontrahenten gegen den letzteren kein Kondiktionsanspruch zu: nur diejenigen, welche bei dem Geschäft als Betheiligte einander gegenüber treten sind auch die Parteien im Kondiktionsstreit, zwischen dem Dritten und demjenigen, aus dessen Vermögen auf diese Weise etwas in das Vermögen des ersteren kam, entsteht hierdurch keinerlei obligatorische Beziehung. Der Dritte hat seinen Erwerb jedenfalls nicht ohne Rechtsgrund, denn dieser liegt für ihn im Willen des Zuwendenden und in dem hierfür zwischen diesen Beiden bestehenden und maßgebenden Verhältniß (causa)" 1 6 3 . Wenn also j e m a n d einen V e r m ö g e n s v o r t e i l v o n einem a n d e r e n e r w o r b e n hat u n d diesen V e r m ö g e n s v o r t e i l d u r c h R e c h t s g e s c h ä f t auf einen D r i t t e n überträgt, so ist der D r i t t e nicht einem B e r e i c h e r u n g s a n s p r u c h des z u n ä c h s t B e rechtigten a u s g e s e t z t . Bei dieser K o n s t e l l a t i o n handelt es sich u m die L a g e , die der V e r s i o n s k l a g e z u g r u n d e l i e g t 1 6 4 . D i e F r a g e nach der B e g r e n z u n g der R e i c h Siehe auch die Kritik bei Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 85 f. v. Kübel, Schuldverhältnisse aus ungerechtfertigter Bereicherung, in: Schubert (Hrsg.), Die Vorlagen der Redaktoren zum BGB, Recht der Schuldverhältnisse, Teil III, 671. 164 Siehe dazu ausführlich v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS 162

163

§ 8 Die Auswirkungen der Zuweisungsgebaltslehre

auf 5 812 I BGB

233

weite des Bereicherungsanspruchs ergibt sich aber nicht nur bei Versionsklagen; typischerweise treten auch etwa im Bereich von § 951 I B G B , w o der Gegenstand, der verarbeitet, verbunden oder vermischt wird, sich nicht notwendigerweise im Eigentum des Einbauenden oder Vermischenden befindet, Probleme mit der Bestimmung der Reichweite der Eingriffskondiktion auf. A u c h hier ist die Frage, ob der Begünstigte dem Bereicherungsanspruch des ehemaligen Eigentümers ausgesetzt ist. Das Merkmal der Unmittelbarkeit zur Begrenzung der Reichweite des A n spruchs aus Eingriffskondiktion in persönlicher Hinsicht enthält Wertungen, die sich bereits aus dem Gesetz selbst herleiten lassen. D e m Gesetz läßt sich nämlich entnehmen, daß ein Dritter, der einen Gegenstand von einem Herausgabepflichtigen durch Rechtsgeschäft oder auf sonstige Weise erlangt, nicht einem Bereicherungsanspruch des ursprünglichen Berechtigten ausgesetzt sein soll. Dieses Ergebnis läßt sich durch einen R ü c k s c h l u ß aus den Vorschriften der § § 8 1 6 1 2 und 822 B G B begründen. Darin ist der Durchgriff des ursprünglichen Berechtigten gegen den Dritten ausnahmsweise vorgesehen, weil der D r i t te den Gegenstand unentgeltlich erworben hat und der unentgeltliche E r w e r b weniger schützenswert ist als der entgeltliche. D e m n a c h ist der entgeltlich erwerbende Dritte vor Bereicherungsansprüchen des ehemaligen Berechtigten geschützt, wenn er den Gegenstand von einer Zwischenperson erlangt. Allerdings gilt dieser Grundsatz - wie sich unten noch zeigen wird - nicht uneingeschränkt. D i e Wertung, daß der gutgläubige entgeltliche E r w e r b nach § 932 Abs. 1 B G B einen Rechtsgrund für den E r w e r b e r zum endgültigen Behaltendürfen darstellt, setzt sich auch bei gesetzlichen Erwerbstatbeständen fort. D u r c h das M e r k m a l der Unmittelbarkeit sollen auch sog. Reflexbegünstigungen ausgeschlossen werden. Darunter versteht man den Umstand, daß z . B . die Gläubiger, Familienangehörigen etc. eines Kondiktionsschuldners ebenfalls dadurch bereichert sind, daß der „primär" Bereicherte durch das rechtsgrundlos Erlangte besser gestellt ist, weil sich sein Vermögen als Haftungsgrundlage dadurch vergrößert hat 1 6 5 . Z u m Teil wird der Ausschluß dieser reflexartig bereicherten Personen damit begründet, daß es an einem sachlichen G r u n d dafür fehle, dem Kondizienten neben dem Primärbegünstigten noch weitere Schuldner an die H a n d zu geben 1 6 6 . M . E . sind diese Personen in Wirklichkeit nicht bereichert: dem Vermögenszuwachs auf Seiten des primär Bereicherten steht ein Bereicherungsanspruch in gleicher H ö h e gegenüber. D e r primär Begünstigte muß das Erlangte wieder herausgeben. D a h e r vergrößert ein rechtsgrundloser E r w e r b das seinen Gläubigern als Haftungsgrundlage zur Verfügung stehende Vermögen nicht dauerhaft. Rabel I, 369 ff.; vgl. auch zur Ablehnung im Bereicherungsrecht des B G B Mugdan II, Motive, 487; v. Mayr, Der Bereicherungsanspruch des deutschen bürgerlichen Rechts , 339. 165 Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 88; Haines, Bereicherungsansprüche bei Warenzeichenverletzungen und unlauterem Wettbewerb, 28 ff. 166 Koppensteiner/Kramer, a.a.O., 88.

234

Kapitel I: Dogmatische Grundlagen der

Eingriffskondiktion

Eine Begrenzung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion ergibt sich auch aus dem sog. Vorrang der Leistungskondiktion. In Fällen, in denen bei Mehrpersonenverhältnissen Leistung und Eingriff zusammentreffen, ist der B e r e c h tigte häufig (aber nicht immer) auf eine R ü c k a b w i c k l u n g im R a h m e n der Leistungsverhältnisse angewiesen und kann nicht unmittelbar im Wege der Eingriffskondiktion auf denjenigen zugreifen, in dessen Vermögen sich der Gegenstand tatsächlich befindet. Allerdings läßt sich von einem Grundsatz des Vorrangs der Leistungskondiktion bzw. der Subsidiarität der Eingriffskondiktion nur unter großen Vorbehalten sprechen: darauf wird unter noch näher einzugehen sein. Gegen das Erfordernis der Unmittelbarkeit spricht nicht nur, daß es im Tatbestand der Eingriffskondiktion überflüssig ist, sondern sich auch begrifflich nicht klar fassen läßt und deshalb bei seiner Anwendung im konkreten Fall immer wieder Zweifel auftreten. E i n instruktives Beispiel dafür bietet der Baulastfall des B G H 1 6 7 . In diesem Fall war über folgenden Sachverhalt zu entscheiden: Kläger und Beklagte waren Eigentümer benachbarter bebauter Grundstükke. Zur Benutzung durch die B e w o h n e r der Gebäude beider Grundstücke ist eine Tiefgarage errichtet worden, die auf beiden Grundstücken belegen ist. Die Zufahrt liegt auf dem Grundstück der Kläger. Im Baulastenverzeichnis des O r t e s war eine zwischen dem Rechtsvorgänger des Beklagten und der Kläger vereinbarte öffentlich-rechtliche Baulast eingetragen, die auch gegenüber den Rechtsnachfolgern gelten sollte. Inhaltlich legt die Baulast fest, daß die G r u n d stücke während der Dauer der Bebauung als Einheit zusammengefaßt bleiben. D e r Beklagte hatte sein Haus vermietet, seine Mieter benutzten die Zufahrt zur Tiefgarage, die über das Grundstück der Kläger führte. Die Kläger nahmen daher den Beklagten auf Zahlung einer „Entschädigung" für die N u t z u n g der Garagenzufahrt in Anspruch. D i e Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen. D e r B G H gibt ihr unter dem Gesichtspunkt des § 812 I 1, 2. Alt. (Eingriffskondiktion) statt. D e r B G H sieht den „bereicherungsrechtlich relevanten Vorgang", womit wohl der Eingriff gemeint ist, in der „fortwährenden Benutzung" der auf ihrem (der Kläger, R . E . ) Grundstück liegenden Tiefgaragenzufahrt" 1 6 8 . Das Gericht stellt fest, daß sich aus der öffentlich-rechtlichen Baulast kein Rechtsgrund für die kostenlose N u t z u n g der Garagenzufahrt der Kläger durch den Beklagten bzw. seiner Mieter herleiten läßt. Möglicherweise ergebe sich öffentlich-rechtlich aus dem Umstand, daß beide Grundstücke bauordnungsrechtlich als Einheit zu behandeln seien und die baurechtliche Stellplatzverpflichtung durch eine gemeinsame Tiefgarage erfüllt werde, daß allen Benutzern der Zugang zur Garage offen stehen müsse und dieser Inhalt der Baulast durch Ordnungsverfügung der Bauaufsichtsbehörde durchgesetzt werden könne. Privatrechtlich jedoch sei der Eigentümer des belasteten Grundstücks zur Duldung der N u t z u n g nicht verpflichtet und schon gar nicht zur H i n n a h 167 168

B G H 19.4.1985, B G H Z 94, 160ff. B G H 19.4.1985, B G H Z 94, 164.

§ 8 Die Auswirkungen

der Zuweisungsgehaltslehre

auf§ 812 I BGB

235

me der unentgeltlichen Benutzung der Garagenzufahrt 169 . In dem hier in Frage stehenden Zusammenhang ist die Argumentation interessant, mit der der BGH den Bereicherungsschuldner bestimmt. Zur Auswahl stehen der Eigentümer des begünstigten Grundstücks, der den Mietern die Tiefgaragen inklusive Zugangsweg vermietet hat und die Mieter selbst, die die Garagenzufahrt nutzen. Der BGH entscheidet sich für den Eigentümer und Vermieter als Bereicherungsschuldner und begründet seine Auffassung wie folgt: auch wenn ausschließlich die Mieter des Beklagten (und nicht er selbst) die Zufahrt benutzen, so habe er doch durch den Eingriff etwas unmittelbar erlangt und sei daher dem Anspruch auf Eingriffskondiktion ausgesetzt. Das Erfordernis der unmittelbaren Vermögensverschiebung diene dazu, die Parteien der Nichtleistungskondiktion festzulegen und den Anspruch auf den durch den Eingriff unmittelbar Begünstigten zu beschränken. Hier sei der Beklagte unmittelbar begünstigt, indem er die Tiefgaragenplätze an seine Mieter vermietet habe und dafür die Zufahrt schulde 170 . Sein Vermögensvorteil bestehe in den ersparten Aufwendungen für die unbefugte Nutzung des klägerischen Eigentums. Die Entscheidung findet im Schrifttum Beifall 171 . Bei näherem Hinsehen erweckt die Argumentation des BGH jedoch Bedenken. Zum einen handelt es sich hier um einen insoweit typischen Nutzungsfall, als man von einer Vermögensverschiebung zwischen Kondizient und Bereicherungsschuldner gerade nicht sprechen kann. Es wird aus dem Vermögen des Kondizienten nichts in das Vermögen des Bereicherungsschuldners verschoben, was vorher schon im Vermögen des ersteren vorhanden gewesen wäre. Das Erlangte entsteht erst mit dem Vorgang der Nutzung des Grundstücks durch die Mieter des Beklagten. Mangelt es aber an einer Vermögensverschiebung, so kann diese auch nicht unmittelbar sein. Zweifelhaft erscheint auch, daß lediglich der Beklagte unmittelbar bereichert sein soll, nicht aber seine Mieter. Richtig ist, daß die Baulast zugunsten des jeweiligen Eigentümers des betroffenen Grundstücks eingetragen ist. Es trifft auch zu, daß der Beklagte seinen Mietern auch die Tiefgarage vermietet hatte und damit zur Verschaffung einer Zufahrt verpflichtet war. Diese Argumente vermögen jedoch nicht zu begründen, warum gerade der Beklagte, nicht aber seine Mieter Parteien des Bereicherungsanspruchs sind. Schuldner eines Anspruchs aus Eingriffskondiktion nach § 8 1 2 1 1 , 2 . Alt. BGB wird nach der Zuweisungsgehaltstheorie derjenige, der zuweisungswidrig etwas rechtsgrundlos vom Kondizienten erlangt hat. Einen Rechtsgrund für die Benutzung des Grundstücks können hier weder der Beklagte noch seine Mieter ins Feld führen. Die Mieter greifen in den Zuweisungsgehalt des Eigentums der Kondizienten ein, indem sie unbefugt deren Grundstück zum Zweck des Zugangs zur Tiefgarage benutzen. Unbefugt ist die Nutzung deshalb, weil die Eigentümer des Grundstücks ihnen die Nutzung nicht gestattet haben und sich 169 170 171

BGH 19.4.1985, BGHZ 94, 164 f. BGH 19.4.1985, BGHZ 94, 165. Larenz/Canaris, SchR II/2, § 69 I 3.a).

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Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

eine Erlaubnis auch nicht aus dem Mietvertrag mit dem Beklagten ergibt. Dieser konnte nämlich als Nichteigentümer des Grundstücks mit der Garagenzufahrt den Mietern eine Nutzung des fremden Grundstücks nicht gestatten. Daß der Beklagte im „Innenverhältnis" seinen Mietern gegenüber vertraglich verpflichtet ist, ihnen einen Zugang zur Tiefgarage zu verschaffen, geht die Kläger nichts an. Sie sind an dem Mietvertrag nicht beteiligt. Das Befahren des Grundstücks der Kläger durch die Mieter stellt einen Eingriff in deren Eigentumsrecht dar, durch den die Mieter zuweisungsgehaltswidrig eine mit dem Grundstück verbundene Nutzung erlangen. Ungerechtfertigt bereichert und daher Partei eines Anspruchs aus Eingriffskondiktion ist nicht der Beklagte. Indem er die Tiefgarage mit der einzigen Zufahrt über das Grundstück an seine Mieter vermietet, verursacht er zwar das Befahren der Zuwegung durch die Mieter. Darin liegt jedoch kein Eingriff in das Eigentumsrecht der Kläger. Der Beklagte ist nämlich rechtlich nicht in der Lage, seinen Mietern in rechtlich wirksamer Weise die Benutzung des klägerischen Grundstücks zu erlauben. Soweit der Beklagte einen Vorteil aus seinem Handeln zieht, rührt dieser nicht aus dem Vermögen der Kläger her. Ein gewisser Anteil des Mietzinses für die Wohnungen im Haus des Beklagten deckt die Vermietung der Tiefgarage inklusive der dazugehörigen Zufahrt. Dieses Entgelt hat der Beklagte nicht von den Klägern erhalten, sondern von seinen Mietern. Von den Klägern hat der Beklagte weder mittelbar noch unmittelbar (worauf es auch gar nicht ankommt) etwas erlangt. Er hat das Grundstück nicht genutzt. Dies haben seine Mieter getan. Die richtigen Parteien des Bereicherungsanspruchs der Kläger sind damit die Mieter des Beklagten, die die Zuwegung zur Tiefgarage tatsächlich nutzen. Die Mieter des Beklagten sind verpflichtet, den Klägern gemäß § 818 II B G B den Wert der Nutzung herauszugeben. Im Verhältnis zwischen dem Beklagten und seinen Mietern liegt in der mangelnden Befugnis der Mieter, die Zuwegung der Tiefgarage zu benutzen, ein Rechtsmangel an der gemieteten Sache, nämlich der Tiefgarage, im Sinne von § 541 B G B . Gemäß § 537 Abs. 1 B G B sind die Mieter für die Zeit, während der der Rechtsmangel bestanden hat und sie gemäß § 8 1 2 1 1 , 2 . Alt. B G B verpflichtet waren, den Klägern ein Nutzungsentgelt zu zahlen, zur Entrichtung des Mietzinses an den Beklagten insoweit befreit, als sich dieser auf die Zufahrt zur Tiefgarage bezieht. Dabei dürfte davon auszugehen sein, daß es sich der Höhe nach um einen solchen Anteil am Gesamtmietzins handelt, der dem Nutzungsentgelt entspricht, das die Mieter an die Kläger zu entrichten haben. Soweit es beim Erfordernis der Unmittelbarkeit um die Frage des Verhältnisses von Leistungs- und Eingriffskondiktion geht, welches hinsichtlich der Festlegung der Parteien eines Bereicherungsanspruchs im Mehrpersonenverhältnis eine wichtige Rolle spielt, so entscheidet sich der Vorrang der Leistungskondiktion bzw. die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion nach den Wertungen des zugrundeliegenden Normenbereichs, zumeist des Sachenrechts. Eines Rückbezugs auf die Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung bedarf es nicht.

§ 8 Die Auswirkungen

der Zuweisungsgehaltslehre

V. Das Verhältnis von Leistungs- und 1. Leistungs- und Eingriffskondiktion

im

auf 5 812 I BGB

237

Eingriffskondiktion Zweipersonenverhältnis

Die durch Wilburg und v. Caemmerer entwickelte Trennungslehre, die das Fundament der heute vorherrschenden Bereicherungsdogmatik darstellt, geht von einer grundsätzlichen Verschiedenheit von Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen aus, was den Tatbestand der Kondiktionen und die Funktion der Ansprüche angeht 172 . Die Verschiedenheit der in § 8121 B G B zusammengefaßten Anspruchsgrundlagen wirft die Frage auf, in welcher Weise Anwendungskonflikte zu lösen sind, die bei Zusammentreffen von Leistung und Eingriff entstehen. Ein Bereicherungsvorgang, an dem nur zwei Parteien beteiligt sind, kann entweder auf eine Leistung oder auf eine Nichtleistung zurückzuführen sein. Die Qualifikation der Bereicherungsursache schließt die jeweils andere Möglichkeit aus. Konflikte aus paralleler Anwendbarkeit von Leistungs- und Eingriffskondiktion ergeben sich im Zweipersonenverhältnis daher nicht.

2. Leistungs- und Eingriffskondiktion

im

Mehrpersonenverhältnis

In der durch zunehmende Arbeitsteilung gekennzeichneten und dadurch auch juristisch immer komplizierter werdenden Produktions- und Distributionssphäre kommt es nicht selten vor, daß eine Leistung im Sinne von § 8 1 2 1 1 B G B nicht nur das Vermögen einer Person, sondern das mehrerer Personen berührt. Die einfachste Konstellation eines Mehrpersonenverhältnisses ist die abgekürzte Lieferung, bei der z . B . A von B eine Maschine kauft, dieser sie vor Lieferung an C weiterverkauft und B auf Weisung des A die Maschine direkt an C ausliefert. Das Eigentum an der Maschine erhält C von B (Zuwendung). Geleistet wird indes von B an A und von A an C . Wenn in einem dieser Rechtsverhältnisse (oder in beiden) ein Mangel vorliegt, kann eine Kondiktion nur zwischen den Parteien der jeweiligen Leistung, die sich auf das fehlerhafte Rechtsverhältnis bezieht, stattfinden. Darüber hinaus ist jedoch festzustellen, daß in anderen Fallkonstellationen sich der Verlust des Eigentums für den ursprünglichen Berechtigten als Eingriff darstellen und zugleich im Verhältnis einer Zwischenperson zum neuen Berechtigten eine Leistung vorliegen kann 1 7 3 . 172 So ist das Tatbestandsmerkmal „auf dessen Kosten" des § 812 I 1 B G B nur bei den Nichtleistungskondiktionen relevant. Im Bereich der Leistungskondiktion ist es entbehrlich geworden, weil der moderne Leistungsbegriff eine angemessene Bestimmung der Parteien des Rückabwicklungsverhältnisses ermöglicht. 173 Siehe Medicus, BR, Rz. 727; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, \04 f.; Staudinger(-Lorenz), § 812, Rz. 62; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 399; Esser/Weyers, SchR II BT, § 50 IV.

238

Kapitel I: Dogmatische Grundlagen der

Eingriffskondiktion

Dann stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis Leistung und Eingriff zueinander stehen und wie die Rückabwicklungsansprüche zwischen den mehreren beteiligten Personen ausgestaltet sind. Beispielhaft sei nur auf den Fall hingewiesen, daß gestohlenes Baumaterial an einen gutgläubigen Baustoffhändler verkauft wird. Dieser verkauft es weiter an einen ebenfalls gutgläubigen Grundstückseigentümer, welcher das Material in seinem Haus einbaut. Hier erwirbt der Hauseigentümer nach § 946 BGB durch Verbindung Eigentum an den eingebauten Baumaterialien. Dieser Erwerb erfolgt unmittelbar vom ehemaligen Eigentümer, dem die Sachen gestohlen worden waren. Wegen des Abhandenkommens war ein gutgläubiger rechtsgeschäftlicher Erwerb aufgrund eines Rechtsgeschäfts zwischen dem Grundstückseigentümer und dem Nichtberechtigten nach § 935 I BGB ausgeschlossen. Gegenüber dem vorherigen Eigentümer stellt der Erwerb des Eigentums im Wege der Verbindung nach § 946 BGB durch den Einbauenden einen Eingriff in sein Eigentum dar. Das Baumaterial war ihm gestohlen worden. Einer Veräußerung des Materials hatte er nicht zugestimmt. Fraglich ist, ob der vorherige Eigentümer daher einen Anspruch aus Eingriffskondiktion nach § 9511 i.V.m. § 812 I 1, 2. Alt. BGB gegen den Einbauenden geltend machen kann. Zweifel daran ergeben sich aus dem Umstand, daß zwischen dem nichtberechtigten Veräußerer und dem Einbauenden eine Leistungsbeziehung besteht. Zwar hat der Nichtberechtigte dem Einbauenden nicht das Eigentum am Material geleistet; dazu war er wegen des Abhandenkommens der Sachen nach § 935 I BGB nicht in der Lage. Doch hat der Nichtberechtigte dem Einbauenden den Besitz am Baumaterial durch Leistung verschafft und diesem damit überhaupt erst ermöglicht, durch den Einbau Eigentum zu erwerben. Es stellt sich die Frage, ob der Umstand, daß an einer Stelle einer Veräußerungskette eine Leistung stattgefunden hat, die Eingriffskondiktion des vorherigen Eigentümers gegen den neuen Eigentümer ausschließt. Dazu werden in Rechtsprechung und Schrifttum unterschiedliche Auffassungen vertreten.

a) Subsidiarität der Eingriffskondiktion zur Leistungskondiktion

im Verhältnis

aa) Vorrang der Abwicklung im Leistungsverhältnis Die Rechtsprechung löst den Konflikt zwischen Eingriffs- und Leistungskondiktion im Rahmen des sog. Subsidiaritätsgrundsatzes: Das Vorliegen einer Leistung schließt danach die Eingriffskondiktion auch in einem Mehrpersonenverhältnis aus. Wenn an irgendeiner Stelle eines solchen Mehrpersonenverhältnisses eine Leistung erfolgt, so ist der ursprüngliche Berechtigte daran gehindert, im Wege der Eingriffskondiktion auf einen Erwerber zuzugreifen, der die Sache über eine nichtberechtigte Zwischenperson bekommen hat. Der B G H hat in seiner berühmt gewordenen Elektrogeräteentscheidung zum ersten Mal auf der Grundlage des modernen Leistungsbegriffs zu dem Konkurrenz-

$ 8 Die Auswirkungen

der Zuweisungsgehaltslehre

auf § 812 I BGB

239

problem Stellung bezogen 1 7 4 . In diesem Fall hatte der Beklagte auf seinen Grundstücken Häuser errichtet und eine Firma B mit der Herstellung der elektrischen Anlagen einschließlich der Beschaffung von Elektrogeräten beauftragt. B bestellte die erforderlichen Geräte bei der Klägerin. Diese übersandte dem Architekten des Beklagten eine Auftragsbestätigung, die dieser mit der Bemerkung zurücksandte, weder er noch der Beklagte hätten der Klägerin einen Auftrag erteilt. Die Geräte w u r d e n mit Lieferscheinen, die an den Beklagten ausgestellt w a r e n geliefert und bald darauf von Monteuren der Firma B eingebaut. Der Empfang der Geräte w u r d e von einem M o n t e u r der Firma B quittiert. Die Klägerin macht nun gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf den Wert der Elektrogeräte nach §§ 951 I 1 i.V.m. 812 I 1, 2. Alt. B G B geltend. Der B G H stellt zunächst fest, daß es für die Leistung als bewußte und zweckgerichtete M e h r u n g fremden Vermögens nicht einseitig auf den Willen des Leistenden a n k o m m e n könne, w e n n es u m die Feststellung des Empfängers der Leistung gehe. Vielmehr sei z u m Schutz des beklagten Bauherren, der nicht „ohne sein Zutun" in ein Leistungsverhältnis mit seinen R ü c k a b w i c k l u n g s folgen hineingedrängt w e r d e n soll, darauf abzustellen, als wessen Leistung die Z u w e n d u n g der Klägerin „bei objektiver Betrachtungsweise" in den A u g e n des Bauherrn erscheine. Das Gericht k o m m t hier zu dem Ergebnis, daß bei objektiver Betrachtungsweise hier aus der Sicht des Bauherrn eine Leistung der Firma B als seiner Vertragspartnerin, nicht aber des Klägers vorliege 1 7 5 . Daher stellte sich in diesem Fall die Frage, ob der Kläger bei Nichtvorliegen einer Leistung an den Beklagten gegenüber diesem einen Anspruch aus Eingriffskondiktion geltend machen konnte. Der B G H stellt dazu fest, daß dann, w e n n sich eine Z u w e n d u n g vom ausschlaggebenden Empfängerhorizont her gesehen als Leistung darstelle, der Leistungsempfänger mit einer Leistungskondiktion und überhaupt mit einem Bereicherungsanspruch ausschließlich von seinem Vertragspartner in Anspruch genommen w e r d e n könne, w e n n die Leistung nach den Rechtsbeziehungen der Parteien rechtsgrundlos erfolgt sei. Eine Eingriffskondiktion k o m m e auch bei einer Kette von Vermögenszuwendungen nur dann in Betracht, w e n n an keiner Stelle dieser Kette eine Leistung erfolgt sei. „Ein Anspruch wegen Bereicherung in sonstiger Weise, vielfach als Eingriffskondiktion bezeichnet (...), kann vielmehr nach der neuen Lehre nur dann entstehen, wenn der Bereicherungsgegenstand dem Empfänger überhaupt nicht, also von niemandem geleistet worden ist" 176 . In der Elektrogeräteentscheidung ging es u m eine vermeintliche Leistung der Klägerin an den Beklagten. Im acht Jahre später entschiedenen Einbaufall handelte es sich u m eine Leistungskette zwischen drei Beteiligten. Die Klägerin w a r eine Baustoffhändlerin, die die Firma S mit Baumaterialien unter verlän174 175 176

BGH 31.10.1963, BGHZ 40, 272ff. BGH 31.10.1963, BGHZ 40, 278. BGH 31.10.1963, BGHZ 40, 278.

Kapitel I: Dogmatische Grundlagen der

240

Eingriffskondiktion

gertem Eigentumsvorbehalt belieferte, welche diese zum Neubau von Instituten der Beklagten, einer Universität, benötigte 177 . In dem zwischen S und der Beklagten abgeschlossenen Bauvertrag war vorgesehen, daß eine Abtretung der aus diesem Vertrag erwachsenden Zahlungsansprüche nur unter bestimmten Bedingungen, insbesondere der Genehmigung durch die Landeshauptkasse, zulässig sein sollte. Die Firma S ging in Konkurs. Konkursverwalter und Konkursgläubiger einigten sich darauf, daß jeder Gläubiger seine Forderung gegen die Schuldner der S selbst einklagen sollte. Demgemäß machte die Klägerin gegen die beklagte Universität die Forderung der S geltend. Ebenso wie im Elektrogerätefall hat der BGH hier einen Anspruch der Klägerin nach §§ 951 I, 812 11,2. Alt. BGB wegen Eingriffskondiktion abgelehnt. Zur Begründung verweist das Gericht einerseits darauf, daß der Beklagten das Baumaterial und dessen Einbau durch die Firma S im Rahmen des von den Parteien abgeschlossenen Bauvertrages geleistet worden sei178. Hinzu kommt, daß auch im Verhältnis der Klägerin zur Firma S eine Leistung vorlag: Die Lieferung des Baumaterials erfolgte auf der Grundlage eines Kaufvertrages zwischen der Klägerin und S. Es handele sich im Einbaufall um eine doppelte Leistungsbeziehung. Dabei - dies stellt der BGH völlig klar - könne der Materiallieferant nicht mittels der Eingriffskondiktion nach §§ 9511, 812 11,2. Alt. BGB auf den nach § 946 BGB Erwerbenden zurückgreifen. Vielmehr habe er sich nur an seinen Vertragspartner zu halten, sollte sich die Leistung als rechtsgrundlos erweisen. Der BGH weist auch darauf hin, daß der Ausschluß der actio de in rem verso aus dem Bereicherungsrecht zur Verbindung einer ausufernden Bereicherungshaftung des nur mittelbar Bereicherten in diesen Fällen eine Anwendung der Eingriffskondiktion verbiete 179 . bb) Ausnahme vom

Subsidiaritätsprinzip

Allerdings hält die Rechtsprechung nicht ausnahmslos an dem Grundsatz der Subsidiarität der Eingriffskondiktion im Verhältnis zur Leistungskondiktion fest. In einer Kette von Zuwendungsvorgängen reicht eine Leistung dann nicht aus, den Erwerber von Eigentum durch Verarbeitung, Verbindung oder Vermischung nach §§ 946ff. BGB vor einem Anspruch aus Eingriffskondiktion nach §§ 951 I, 812 I 1 BGB zu schützen, wenn die Sachen dem Berechtigten abhanden gekommen sind. Diese Erwägungen lagen der Entscheidung des BGH im sog. Jungbullenfall zugrunde 180 . Dem Kläger, einem Landwirt, waren zwei Jungbullen von der Weide gestohlen worden. Der Dieb veräußerte die Tiere an den gutgläubigen Beklagten, der die Tiere in seiner 177 178 179 180

BGH BGH BGH BGH

27.5.1971, 27.5.1971, 27.5.1971, 11.1.1971,

BGHZ BGHZ BGHZ BGHZ

56, 56, 56, 55,

228 (Einbaufall). 240. 241. 176 (Jungbullen).

§ 8 Die Auswirkungen der Zuweisungsgehaltslehre auf $ 812 I BGB

241

Fleischwarenfabrik verwertete. D e r Landwirt klagte gegen den Fleischfabrikanten auf Wertersatz nach §§ 951 I, 812 I 1, 2. Alt. B G B . D e r Kläger hat sein Eigentum aufgrund der Vorschrift des § 950 B G B durch Verarbeitung verloren. D a h e r stellte sich die Frage, ob der Kläger den Ersatz des Wertes der Jungbullen nach § 951 I B G B verlangen konnte, o b w o h l der Besitz an den Tieren dem Beklagten geleistet wurde. D e r B G H hat in diesem Fall die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion nach § § 9 5 1 1 1 , 8 1 2 1 1 , 2 . Alt. B G B trotz der Leistung des Diebes bejaht. Es liege im Verhältnis zwischen Alteigentümer (Kläger) und E r w e r b e r (Beklagter) kein G r u n d vor, aus dem sich rechtfertigen ließe, daß der Erwerber das Eigentum ohne Ausgleich für den früheren Berechtigten behalten dürfe. § § 9 3 2 f f . B G B regelten abschließend den Interessenkonflikt zwischen dem Eigentümer einer Sache und dem gutgläubigen Erwerber, an den die Sache durch einen Nichtberechtigten veräußert werde. Das Gesetz entscheide diesen Interessenkonflikt nur dann zugunsten des Erwerbers, wenn er gutgläubig sei und die Sache ihrem Eigentümer nicht abhanden gekommen sei (§ 935 B G B ) . D a n n werde der E r w e r b e r nach §§ 932 ff. B G B Eigentümer, ohne einem Bereicherungsanspruch des alten B e rechtigten ausgesetzt zu sein. D e n n der Vertrag mit dem Nichtberechtigten bilde den Rechtsgrund für das Behaltendürfen der erworbenen Sache. In allen anderen Fällen jedoch entscheide das Gesetz diesen Interessenkonflikt zugunsten des Eigentümers. D e r Dritte erwerbe nicht das Eigentum, sondern werde lediglich Besitzer, der dem Herausgabeanspruch des Eigentümers nach § 985 B G B ausgesetzt sei. Werde er nun aufgrund der §§ 9 4 6 f f . B G B Eigentümer, so beruhe der Eigentumserwerb nicht auf dem Veräußerungsgeschäft des N i c h t berechtigten mit dem erwerbenden Dritten - dies werde durch § 935 B G B klargestellt-, sondern allein auf §§ 946 ff. B G B , im vorliegenden Fall auf Verarbeitung nach § 950 B G B 1 8 1 . Diese Vorschriften bilden aber nun gerade keinen Rechtsgrund zum dauerhaften Behalten des erlangten ökonomischen Vorteils. D e r Wert des Erlangten ist gemäß § 951 I an den Berechtigten herauszugeben. D e r Beklagte kann gegenüber dem Kläger auch nicht den an den D i e b gezahlten Kaufpreis von dem Wertersatz gemäß § 818 I I I B G B absetzen. D e n n der nichtberechtigte Besitzer, der eine Sache gemäß § 985 B G B an den Eigentümer herausgeben müsse, sei auch nicht befugt, dem Herausgabeanspruch den von ihm an einen Dritten gezahlten Kaufpreis für die Sache entgegenzuhalten. D e r überwiegende Teil des Schrifttums billigt der Sache nach diese E i n schränkung des Subsidiaritätsgrundsatzes, lehnt aber teilweise eine Subsidiarität der Eingriffs- im Verhältnis zur Leistungskondiktion überhaupt ab 1 8 2 . A l lerdings wird auch kritisch darauf hingewiesen, daß es sich im Jungbullenfall nicht um eine echte K o n k u r r e n z von Eingriff und Leistung gehandelt habe: D e r D i e b sei wegen § 935 B G B überhaupt nicht in der Lage gewesen, dem BGH 11.1.1971, BGHZ 55, 178. Siehe etwa Esser/Weyers, SchR II BT, § 50 IV; Medicus, BR, Rz. 727; Erman(-Westermann), § 812, Rz. 83 ff.; Müko(-Lieh), § 812, Rz. 232 ff.; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 108 f. 181 182

242

Kapitel I: Dogmatische Grundlagen der

Eingriffskondiktion

Beklagten das Eigentum an der Sache zu leisten. Geleistet habe er nur den Besitz an den Jungbullen. Daher sei die Entscheidung des B G H im Jungbullenfall nicht als Einschränkung des Subsidiaritätsgrundsatzes oder gar als Abschied davon zu verstehen183. Richtig ist daran, daß der Dieb dem gutgläubigen Erwerber kein Eigentum verschaffen kann und ihm demzufolge nur den Besitz an der gestohlenen Sache geleistet hat. Darauf kommt es aber - worauf der B G H in einer anderen Entscheidung zu Recht hinweist184 - nicht an. Die Leistung des Besitzes verschafft dem Leistungsempfänger die tatsächliche Verfügungsgewalt über die erlangte Sache und setzt ihn in den Stand, die Sache einzubauen oder zu verarbeiten und damit Eigentum zu erwerben. Für die Frage, ob es sich um eine Leistung (= bewußte und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens) handelt, kommt es nicht darauf an, ob die Leistungshandlung den verfolgten Zweck, hier etwa die Eigentumsverschaffung, verfehlt und nur den Besitz auf den Erwerber überträgt. Dies ändert nichts am Charakter der Handlung als Leistung 185 . In diesem Sinne vermag auch der Dieb an den Dritten zu leisten186, indem er ihm den Besitz an der gestohlenen Sache verschafft, der diesen wiederum in die Lage versetzt, durch Verarbeitung, Verbindung, Vermischung nach §§ 946 ff. B G B Eigentum an den geleisteten Sachen zu erwerben. cc) Subsidiarität

der Eingriffskondiktion

bei Leistung

des

Verlierenden

Der B G H hat in den oben erwähnten Entscheidungen B G H Z 40,272ff. und 56, 228 ff. die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion davon abhängig gemacht, daß dem Erwerber das Erlangte von niemandem geleistet worden ist. Demnach wäre eine Eingriffskondiktion bereits dann ausgeschlossen, wenn in einer mehrgliedrigen Zuwendungskette an irgendeiner Stelle eine Leistung vorläge. In der Literatur ist demgegenüber eine abweichende Form des Subsidiaritätsgrundsatzes vertreten worden. Danach soll nicht derjenige, der etwas durch Leistung erlangt hat, von der Herausgabepflicht im Wege der Eingriffskondiktion bewahrt werden, sondern derjenige, der etwas geleistet hat, soll daran gehindert sein, dies von einem Dritten, in dessen Vermögen es inzwischen gelangt ist, mittels der Eingriffskondiktion herauszuverlangen187.

183 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 400; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 106; Medicus, BR, Rz. 727; Thielmann, Gegen das Subsidiaritätsdogma im Bereicherungsrecht, AcP 187 (1987), 23 ff. (32). 184 BGH 27.5.1971, BGHZ 56, 241. 185 So auch BGH 27.5.1971, BGHZ 56, 241. 186 A.A. Staudinger(-Lorenz), § 812, Rz. 63. 187 So Esser, SchR BT (4.Aufl. 1971), § 104 II 2; Ehmann, Anmerkungen zum Jungbullenfall, NJW 1971, 612ff. (613); RGRK(-Heimann-Trosien), § 812, Rz. 41.

§ 8 Die Auswirkungen der Zuweisungsgebaltslehre

b) Relativierung des strengen durch die herrschende Lehre

auf § 812 I BGB

243

Subsidiaritätsgrundsatzes

D i e heute wohl als vorherrschend zu bezeichnende Lehre lehnt die generelle Anerkennung einer Subsidiarität der Eingriffskondiktion gegenüber der Leistungskondiktion ab oder stellt ein solches Prinzip jedenfalls sehr nachdrücklich in Frage 1 8 8 . Aus dem Blickwinkel der h. L. ist es deshalb übertrieben, von einem Subsidiaritätsprinzip im Verhältnis von Eingriffs- und Leistungskondiktion zu sprechen, weil es nur einen Grund für den Ausschluß der Eingriffskondiktion bei einem auf Leistung beruhenden E r w e r b gibt: nämlich die Kondiktionsfestigkeit des gutgläubigen, entgeltlichen Erwerbs 1 8 9 . D a ß der gutgläubige, entgeltliche E r w e r b e r keinem Kondiktionsanspruch des vorherigen Berechtigten ausgesetzt sein soll, ergibt sich aus § 816 1 1 und § 816 I 2 B G B . D e r Gutgläubige, der unentgeltlich erwirbt, ist demgegenüber nicht gegen einen solchen Bereicherungsanspruch geschützt. Die h. L. transponiert die Wertungen der §§ 932 ff., 892 und 8 1 6 1 B G B in den Rechtserwerb nach §§ 946 ff. B G B , der auf tatsächlicher Handlung, nicht auf Rechtsgeschäft beruht. Im R a h m e n der §§ 946 ff. B G B spielen Gesichtspunkte wie Bösgläubigkeit des Erwerbers, A b h a n d e n k o m m e n der Sache oder Geschäftsunfähigkeit von Veräußerer oder E r w e r b e r für das Ergebnis, nämlich den E r w e r b des Eigentums durch Verarbeitung, Verbindung oder Vermischung keine Rolle. D i e sachenrechtliche Wertung der §§ 9 4 6 f f . B G B , die einer klaren Zuordnung des Eigentums bei der Entstehung einheitlicher Sachen aus der Zusammensetzung von vorher getrennten Gegenständen dienen, führt demgemäß für den B e r e c h tigten auch dann zum Verlust der Vindikation, wenn ein rechtsgeschäftlicher E r w e r b nach §§ 932 ff., 892 B G B wegen Bösgläubigkeit oder A b h a n d e n k o m men der Sache oder auch wegen Geschäftsunfähigkeit eines Beteiligten scheitern würde. Das Ausblenden dieser Gesichtspunkte beschränkt sich nach dieser Auffassung indes auf die sachenrechtliche E b e n e , nämlich den E r w e r b des Eigentums. D i e kondiktionsrechtliche E b e n e , auf der die Frage zu klären ist, ob der Erwerber das Erlangte ohne Ausgleich für den vorherigen Berechtigten, der sein Eigentum verloren hat, behalten darf, hat die Kriterien des gutgläubigen entgeltlichen Erwerbs zu beachten, weil sie die F u n k t i o n hat, demjenigen, der sein Recht verliert, einen Ersatz für die gemäß §§ 9 4 6 f f . B G B verlorengegangene Vindikation zu bieten. Sachlich erscheint dies deshalb richtig, weil der Erwerber nach Wertung des Gesetzes nicht schutzwürdig ist, wenn er entweder hinsichtlich der Verfügungsbefugnis des Nichtberechtigten bösgläubig ist oder das Interesse des Berechtigten an der Aufrechterhaltung seiner Eigentümerstellung gegenüber dem Interesse des Erwerbers höher bewertet wird, da die 188 Esser/Weyers, SchR II BT, § 50 IV; Medicus, BR, Rz. 727; Erman(-Westermann), § 812, Rz. 83 ff.; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 108 f. 189 MüKof-ZieH § 812, Rz. 236.

244

Kapitel

I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

Sache dem Berechtigten abhanden gekommen ist (§ 935 B G B ) . Wenn der Erwerber bei rechtsgeschäftlicher Verfügung hier nicht schutzwürdig ist, so ist er es auch nicht bei originärem Rechtserwerb nach §§ 946ff. B G B . N u r wirkt sich dies nicht schon auf der sachenrechtlichen, sondern erst auf der Ebene des bereicherungsrechtlichen Ausgleichs für den Rechtsverlust nach § 951 I B G B aus. Was nun das Verhältnis von Leistungs- und Eingriffskondiktion angeht, so läßt sich sagen, daß der Leistungsempfänger nur soweit in seinem Interesse, sich ausschließlich mit seinem Vertragspartner über die Wirksamkeit des zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnisses auseinandersetzen zu müssen, geschützt ist, als nicht die gesetzlichen Wertungen der §§ 932, 935 B G B (Bösgläubigkeit, Abhandenkommen der Sache) dem Interesse des Berechtigten an einem Zugriff auf den Erwerber den Vorzug geben. Die Maßgeblichkeit der Kriterien des sachenrechtlichen Gutglaubenserwerbs trifft bei einem Teil des Schrifttums auf Kritik und Ablehnung 1 9 0 . Es sei von Grund auf falsch, die Konkurrenz von Eingriffs- und Leistungskondiktion auf der Grundlage der Kriterien des sachenrechtlichen Gutglaubensschutzes zu lösen. Die §§ 932 ff., 892 B G B beträfen die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Eigentümer im Falle der Verfügung eines Nichtberechtigten seine Eigentümerstellung behalten dürfe bzw. sein Interesse daran dem Interesse des (gutgläubigen) Erwerbers weichen müsse. Dabei handele es sich lediglich um einen Interessenkonflikt zwischen zwei Personen. In den Fällen des originären Eigentumserwerbs nach §§ 946ff. B G B hingegen wandele sich die Konstellation zu einem Konflikt zwischen drei Personen 1 9 1 . Dies eröffne Raum für die Möglichkeit, den Interessenkonflikt auch zu Lasten des Nichtberechtigten zu lösen. Im Bereich der rechtsgeschäftlichen Verfügung durch den Nichtberechtigten habe sich § 816 I 1 B G B für den Fall der entgeltlichen Veräußerung für diese Möglichkeit entschieden. Der Fehler der h . M . liege nun darin, die Lösung des dualistischen Interessenkonflikts in §§ 932ff., 892 B G B einfach auf die bei §§ 946ff. B G B gegebenen Dreipersonenkonstellationen zu übertragen, ohne die veränderte Interessenlage zu berücksichtigen 1 9 2 . Es gehe bei der Konkurrenz von Leistungs- und Eingriffskondiktion darum festzustellen, ob der Nichtberechtigte oder der Erwerber der „nähere" Bereicherungsschuldner sei 193 . Dazu aber sei die Analogie zu §§ 932 ff., 892 B G B ungeeignet. Im Ergebnis treten Reuter/Martinek für einen weiterreichenden Subsidiaritätsgrundsatz als die h . L . ein.

Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 402 ff. (403 f.). Reuter/Martinek, a. a. O . , 404. Richtig ist daran, daß für die Frage wer in den Fällen der §§ 932 ff., 892 B G B das Eigentum an der vom Nichtberechtigten veräußerten Sache be- oder erhalten soll, zwischen dem Berechtigten und dem Erwerber zu lösen ist. Der verfügende Nichtberechtigte spielt dafür keine Rolle. 192 Reuter/Martinek, a.a.O., 404. 193 Reuter/Martinek, a.a.O., 404. 190 191

§ 8 Die Auswirkungen der Zuweisungsgebaltslebre

c)

auf § 812 I BGB

245

Stellungnahme

Richtigerweise ist der Auffassung zu folgen, die zur Lösung der K o n k u r r e n z von Leistungs- und Eingriffskondiktion beim E r w e r b fremder Sachen auf die Kriterien des sachenrechtlichen Gutglaubensschutzes abstellt, wie es die überwiegende Auffassung der Literatur und auch die Rechtsprechung tun. Zur sachlich angemessenen Entscheidung über das Verhältnis von Eingriffsund Leistungskondiktion sind diejenigen Interessenwertungen offenzulegen und gegeneinander abzuwägen, die sich aus dem Gesetz für die Positionen des Berechtigten und des Erwerbers ergeben. Als gesetzlich geregeltes Modell des Verhältnisses von Leistungs- und Eingriffserwerb kann § 8 1 6 1 B G B angesehen werden. Verfügt ein Nichtberechtigter entgeltlich zugunsten eines Dritten über eine Sache und ist diese Verfügung gegenüber dem Berechtigten wirksam, so ist der E r w e r b e r von einem Anspruch des früheren Berechtigten aus Eingriffskondiktion freigestellt. Wirksam ist eine Verfügung gegenüber dem Berechtigten dann, wenn sie die von ihr intendierte sachenrechtliche Wirkung erreicht, d. h. dem gutgläubigen und entgeltlichen E r w e r b e r das Eigentum an der Sache verschafft. D e r redliche, entgeltliche E r w e r b e r wird vor einem Anspruch des ehemaligen Berechtigten geschützt, weil sonst der Schutz des guten Glaubens nach §§ 932 ff., 892 B G B leerlaufen würde. Das Gesetz verschafft dem G u t gläubigen aufgrund der §§ 932 ff., 892 B G B zwar das Eigentum an einer v o m Nichtberechtigten erworbenen Sache, würde ihm aber wirtschaftlich die Sache wieder entziehen, wenn der ehemalige Berechtigte vom E r w e r b e r Wertersatz verlangen könnte, o b w o h l er schon dem Nichtberechtigten den Kaufpreis für die Sache bezahlt. H i e r liegt der G r u n d des Ausschlusses der Eingriffskondiktion. Sie ist ausgeschlossen, weil sonst der legislatorisch gewollte Effekt des Schutzes des gutgläubigen Erwerbs konterkariert würde. D i e Eingriffskondiktion wird aber nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Nichtberechtigte an den E r w e r b e r geleistet hat. Richtig ist auch der Ansatz der h . L . , die Kriterien des sachenrechtlichen Gutglaubensschutzes für die Frage der K o n k u r r e n z von Leistungs- und Eingriffskondiktion auf die Erwerbstatbestände der §§ 946 ff. B G B zu übertragen. Diese Vorschriften sind von ö k o n o m i s c h e n Effizienzvorstellungen getragen, die unabhängig von den rechtlich gebilligten oder mißbilligten Umständen des Erwerbs verwirklicht werden müssen. Diese Effizienzvorstellungen rechtfertigen aber nur den Eigentumsübergang auf der sachenrechtlichen Ebene. Bei der Frage des bereicherungsrechtlichen Ausgleichs für denjenigen, der sein Eigentum nach den §§ 9 4 6 f f . B G B verloren hat, ist kein G r u n d erkennbar, nicht diejenigen Kriterien heranzuziehen, die im Bereich des rechtsgeschäftlichen Erwerbs den Konflikt zwischen dem Interesse des Berechtigten am Behalten der Sache und des Erwerbers an ihrem E r w e r b lösen: nämlich die Gutgläubigkeit des Erwerbers, das A b h a n d e n k o m m e n der Sache und die Geschäftsfähigkeit von Nichtberechtigten und Erwerber. Es ist nicht einzusehen, warum der originäre Rechtserwerb nach den §§ 9 4 6 f f . B G B auf dem Weg über die Subsidiarität der Eingriffskondiktion gegenüber der

246

Kapitel I: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

Leistungskondiktion besser gegenüber dem Interesse des Berechtigten abgesichert sein soll als dies bei rechtsgeschäftlichem Erwerb der Fall wäre. Das gegen diese Lösung vorgebrachte Argument, eine Heranziehung der Kriterien des sachenrechtlichen Gutglaubensschutzes verkenne die unterschiedliche Interessenlage, die beim Zweipersonenverhältnis der §§ 932 ff., 892 BGB im Vergleich zu den Dreipersonenverhältnissen der §§ 946ff. BGB vorliege, ist unzutreffend. Denn die Anwendung der Gutglaubenskriterien wird der Interessenlage vollständig gerecht. Reuter/Martinek plädieren unter Hinweis auf § 8161 BGB für die Belastung des Nichtberechtigten auch in den Fällen des originären Rechtserwerbs, wenn es in der Kette der Zuwendungen an einer Stelle eine Leistung gegeben hat 194 . Die Begründung dafür ist: Auch § 816 I BGB belaste - ausgenommen bei unentgeltlichem Erwerb - den Nichtberechtigten. Dies stimmt aber nur für den Fall, daß die Verfügung dem Berechtigten gegenüber wirksam ist. Ein solcher Fall liegt dann vor, wenn die Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs nach §§ 932ff., 892 BGB vorliegen. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, so bleibt dem Berechtigten die Vindikation des § 985 BGB erhalten. Der Nichtberechtigte wird in diesem Fall bereicherungsrechtlich in keiner Weise belastet. Zu keinem anderen Ergebnis führt die Anwendung der Kriterien des Gutglaubensschutzes beim originären Rechtserwerb. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich die wesentliche Funktion des sog. Subsidiaritätsdogmas: der redliche Erwerber soll davor geschützt werden, daß ihm der wirtschaftliche Wert der erlangten Sache dadurch wieder entzogen wird, daß der vorherige Eigentümer gegen ihn einen Anspruch aus Eingriffskondiktion geltend macht. Hinzu kommt die Erwägung, daß dem Leistungsempfänger nicht die Einwendungen genommen werden, die ihm aus dem Rechtsverhältnis zum Leistenden zustehen. Zu Recht zögern viele Stimmen im Schrifttum, die sog. Subsidiarität der Eingriffskondiktion im Verhältnis der Leistungskondiktion als ein grundlegendes Dogma des Bereicherungsrechts anzusehen 195 . Von einem allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität der Eingriffskondiktion gegenüber den Leistungskondiktionen könnte nur dann die Rede sein, wenn sich ein Vorrang der Leistungskondiktionen und ein diesem entsprechender Ausschluß der Eingriffskondiktion im gesamten Anwendungsbereich des Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung zeigen würde. Dies ist aber keineswegs der Fall. Der Grund für die nur begrenzte Bedeutung des Vorrangs der Leistungs- vor der Eingriffskondiktion liegt darin, daß er nur bei dem rechtsgrundlosen Er194

Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 404. MüY^o(-Lieb), § 8 1 2 , Rz. 21 f.; Staudinger(-Lorenz), § 8 1 2 , Rz. 64; Koppensteiner/ Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 108 f.: Loewenheim, Bereicherungsrecht, 58 ff.; Larenz/Canaris, SchR II/2, § 67 IV 3; Esser/Weyers, SchR II BT, § 50 IV. 195

5 8 Die Auswirkungen

der Zuweisungsgehaltslehre

auf $ 812 1 BGB

247

werb von Sachen eine Rolle spielt. Hier verfolgt die Rangordnung der Kondiktionen vor allem den Zweck, den gutgläubigen Erwerber einer Sache davor zu schützen, einem Anspruch des Alt-Eigentümers aus Eingriffskondiktion ausgesetzt zu sein, der den wirtschaftlichen Effekt des gutgläubigen Erwerbs hinfällig machen würde. Im Zusammenhang mit dem gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten wirkt der Ausschluß der Eingriffskondiktion des Alt-Berechtigten gegenüber dem redlichen Erwerber aber nicht nur, wenn der neue Eigentümer vom Nichtberechtigten mit Rechtsgrund erworben hat, sondern auch dann, wenn der Erwerb rechtsgrundlos war, weil der zugrundeliegende Vertrag sich als unwirksam erweist, der Redliche aber dennoch Eigentum erwirbt. Hier soll sich der gutgläubige Erwerber nur mit seinem Vertragspartner auseinandersetzen müssen. Einwendungen und Einreden aus dem Verhältnis zum Nichtberechtigten könnte er dem Alt-Eigentümer der Sache nicht entgegenhalten. Darüber hinaus spielt der Vorrang der Leistungskondiktion auch dort eine Rolle, wo der Begünstigte nicht aufgrund eines Vertrages mit dem Nichtberechtigten, sondern gemäß §§ 946ff. BGB Eigentum erwirbt. Aufgrund einer Parallelwertung zu den Vorschriften über den redlichen Erwerb wird auch hier der Erwerber vor einer Eingriffskondiktion des Verlierenden geschützt, wenn er bei rechtsgeschäftlichem Erwerb Eigentümer hätte werden können 196 . Sieht man die Funktion der sog. Subsidiarität der Eingriffskondiktion im Verhältnis zur Leistungskondiktion in der Absicherung des gutgläubigen Erwerbs, ergibt sich aus dieser Funktionalisierung bereits die Grenze der Subsidiarität: sie hat nur dort eine Rolle zu spielen, wo der gutgläubige Erwerb rechtlich vorgesehen ist. Dies ist beim Eigentum und bestimmten anderen Sachenrechten der Fall. Im Bereich derjenigen Ausschließlichkeitsrechte, bei denen der Schwerpunkt der höchstrichterlichen Praxis der Eingriffskondiktion liegt, nämlich bei den Immaterialgüterrechten, ist ein gutgläubiger Erwerb eines Rechts vom Nichtberechtigten indes nicht möglich. Daher ergibt sich in diesem Anwendungsfeld der Eingriffskondiktion auch kein Bedürfnis nach einer Vorrangregelung zwischen Leistungs- und Eingriffskondiktion, wenn mehr als zwei Parteien an einem Bereicherungsvorgang beteiligt sind. Wegen des Fehlens der Schutzwürdigkeit eines redlichen Erwerbers eines Rechts kann der Verletzte gegenüber dem Bereicherten den Anspruch aus Eingriffskondiktion auch dann geltend machen, wenn ihm der Gegenstand, mit dem der Eingriff vorgenommen wurde, von einem Dritten geleistet wurde. Ein instruktives Beispiel dafür bietet die Fernsehmoderatoren-Entscheidung des BGH 197 . In dem entschiedenen Fall hatte sich der Kläger, ein bekannter Schauspieler und Fernsehmoderator, aus Anlaß der Neueröffnung eines Modegeschäfts mit einer Brille aus der Kollektion des Inhabers des Modehauses von 196 197

Siehe dazu Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 107 f. BGH 14.4.1992, NJW 1992,2084.

248

Kapitel 1: Dogmatische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

einem Pressefotografen ablichten lassen. Das Foto gelangte an einen OptikerEinkaufsverband, der es dem Beklagten, dem Inhaber eines Optiker-Fachgeschäfts, für seine Werbung und Pressearbeit zur Verfügung stellte. Der Kläger nahm den Beklagten wegen der unbefugten Nutzung seines Bildes auf die Zahlung eines angemessenen Entgelts unter dem Gesichtspunkt der Eingriffskondiktion in Anspruch. Das O L G hatte die Klage abgewiesen, weil der Beklagte die Nutzung des Bildes nicht auf sonstige Weise, sondern mit Rechtsgrund, nämlich durch Vertrag mit dem Einkaufsverband, erlangt habe. Der B G H hat der Klage jedoch stattgegeben. Er begründet dies damit, daß der Einkaufsverband durch die Ubersendung des Fotos an den Beklagten diesem nicht die Befugnis zur Nutzung des Fotos gegenüber dem Kläger geleistet habe 198 . Da hier insoweit eine rechtlich relevante Leistung nicht erbracht worden sei, stelle sich die Frage der Subsidiarität nicht. Zwar vermeidet der B G H auf dieses Weise eine nähere Auseinandersetzung mit dem sogenannten Subsidiaritätsgrundsatz, jedoch mangelt es seiner Argumentation an Uberzeugungskraft. Es wirkt formalistisch, wenn das Gericht auf die Verschaffung der rechtlichen Nutzungsbefugnis für den Beklagten abstellt. Überzeugender wäre ein Hinweis auf die Funktion des Vorrangs der Leistungskondiktion im Verhältnis zur Eingriffskondiktion gewesen: der Beklagte war nicht in der Lage, das Recht zur Nutzung des Fotos des Beklagten vom Einkaufsverband gutgläubig zu erwerben. Die Befugnis zur Nutzung von Persönlichkeitsrechten kann ebensowenig wie die Befugnis zur Nutzung von Immaterialgüterrechten gutgläubig von einem Nichtberechtigten erworben werden. Es besteht daher kein Grund, den unbefugten Nutzer, der vermeintlich durch Vertrag mit einem Dritten die Nutzungsbefugnis an einem Persönlichkeitsrecht erworben zu haben glaubt, vor dem Anspruch des Berechtigten aus Eingriffskondiktion zu schützen 199 . Festzuhalten ist, daß von einer Subsidiarität der Eingriffskondiktion gegenüber der Leistungskondiktion nur im Bereich des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten und der analogen Wertung im Bereich des originären Rechtserwerbs nach §§ 946ff. BGB gesprochen werden kann. Eine solche Subsidiarität ist hingegen nicht bei den Rechten gegeben, wo von vornherein kein gutgläubiger Erwerb in Betracht kommt und daher ein Schutz des Bereicherungsgäubigers nicht erforderlich ist.

BGH 14.4.1992, NJW 1992, 2085. So auch Schlecbtriem, Besprechung von BGH 14.4.1992 (Fernsehmoderator), EWiR 2/ 1992, 663 (664); Jauernig(-Schlecbtriem), § 812, Anm. II 4. 198

199

Kapitel II

Die ökonomischen Grundlagen der Eingriffskondiktion § 9 Einleitung In Kapitel I dieser Untersuchung wurden die dogmatischen Grundlagen des Anspruchs aus Eingriffskondiktion gemäß § 812 I 1, 2. Alt. B G B behandelt. Dabei ist deutlich geworden, daß dem Rechtsinstitut der Eingriffskondiktion ganz unterschiedliche F u n k t i o n e n im R a h m e n des bürgerlichen Vermögensrechts übertragen werden können: 1. Eine im Schrifttum vertretene Auffassung, der sich mittlerweile auch die Rechtsprechung angeschlossen hat, sieht den Rechtsgüterschutz als die Aufgabe der Eingriffskondiktion an. E i n mehr oder weniger eng umrissener Kreis absoluter subjektiver Rechte und ihnen gleichstehender Rechtspositionen, die Verwertungs- und N u t z u n g s m o n o p o l e ihrer Inhaber unter Ausschluß aller Dritten konstituieren, fällt in den Schutzbereich der Eingriffskondiktion. D i e ausschließliche Befugnis des Rechtsinhabers zur N u t z u n g seines Rechts (bzw. des Rechtsobjektes) wird gegen den unbefugten und zu einer Bereicherung führenden Eingriff Dritter auch dann geschützt, wenn die Inanspruchnahme des fremden Rechts ohne Verschulden des Rechtsverletzers erfolgt, wenn also der Eingreifer das seiner Handlung entgegenstehende Recht eines Dritten nicht kannte und auch nicht zu kennen brauchte. Soweit sich der Herausgabeanspruch nicht auf eine körperliche Sache bezieht, hat der Eingreifer nach § 818 II B G B den Wert des Erlangten herauszugeben, weil N u t z u n g e n als solche nicht in natura zurückgegeben werden können. N a c h dieser Funktionszuweisung umfaßt der Anspruch aus Eingriffskondiktion nicht das R e c h t , v o m Eingreifer einen mittels des Eingriffs möglicherweise erzielten Gewinn herauszuverlangen. N a c h dem differenzierten Anspruchssystem des B G B erfordert ein A n spruch auf den Erlös des Eingreifers vorsätzliches Handeln gemäß § 687 II B G B . D i e Güterschutzfunktion der Eingriffskondiktion wird vor allem von Vertretern der sog. Zuweisungsgehaltstheorie in den Vordergrund gestellt 1 . 1 Siehe etwa v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel I, 353; Schlechtriem, Güterschutz durch Eingriffskondiktionen, in: Ungerechtfertigte Bereicherung,

250

Kapitel II: Ökonomische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

2. Eine ganz andere Zielrichtung gewinnt die Eingriffskondiktion hingegen, wenn nicht die Güterschutzfunktion als ihre Aufgabe angesehen wird, sondern die Sanktion gegen von der Rechtsordnung mißbilligtes Verhalten. D e r Grund für die Sanktionierung solchen Verhaltens liegt nicht in der Wiederherstellung der verletzten Güterzuordnung, sondern in der Abschreckung von rechtlich mißbilligten Verhaltensweisen. Dabei wird das Verbot der begangenen Handlung ganz in den Vordergrund gestellt; die Rückforderung des aus verbotenem Tun Erlangten erscheint als notwendige Konsequenz der Rechtswidrigkeit der Handlung. „Will die Rechtsordnung ihr eigenes Urteil nicht widerrufen oder zur leeren Deklamation werden lassen, so muß sie auch die Folgen der Verletzungshandlung mißbilligen; sie muß davon ausgehen, daß die rechtswidrig erlangten Vorteile ihrem derzeitigen Inhaber nicht gebühren, daß sie - untechnisch gesprochen - ohne rechtlichen Grund erlangt sind und eine ungerechtfertigte Bereicherung des Rechtsbrechers darstellen" 2 . „Die den einzelnen Privatrechtssubjekten zukommenden Freiheits-, Verhaltens- und Nutzungsrechte werden ... in ihrem Bestand sowohl individuell wie institutionell tangiert, wenn die durch unbefugte Eingriffe erlangten Vorteile behalten werden dürfen" 3 . Aber auch, wenn der Anknüpfung des Anspruchs aus Eingriffsbereicherung an den Zuweisungsgehalt bestimmter absoluter subjektiver Rechte und ihnen gleichgestellter Rechtspositionen folgt, ergibt sich daraus - wie ein Blick auf das einschlägige Schrifttum zeigt - keine eindeutige Abgrenzung des Anwendungsbereichs des Rechtsinstituts der Eingriffskondiktion. Eine „enge" Auffassung zur Reichweite der Eingriffskondiktion erkennt nur absolute subjektive Herrschaftsrechte wie das Eigentum an Sachen, die Immaterialgüterrechte und einige andere Rechtspositionen als Rechte mit Zuweisungsgehalt an. D e m Warenzeichenrecht wie auch dem Persönlichkeitsrecht mangelt es nach dieser Auffassung an einem bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt. Die unbefugte Nutzung solcher Rechte kann daher nicht zu einem Anspruch aus Eingriffskondiktion führen 4 . Eine „weitere" Auffassung will einen Anspruch auch bei Warenzeichenverletzungen, bei Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts und ebenfalls bei Verstößen gegen bestimmte Vorschriften des U W G gewähren. Die wesentliche Streitfrage innerhalb der Theorie vom Zuweisungsgehalt der Rechte besteht daher darin, welche Rechte und Rechtspositionen durch die Eingriffskondiktion vor unbeSymposium König, 60 f.; B G H 24.11.1981, B G H Z 82, 299 (306) (Kunststoffhohlprofil II); B G H 9.3.1989, B G H Z 107, 117 (120f.) (Forschungskosten). 2 Haines, Bereicherungsansprüche bei Warenzeichenverletzungen und unlauterem Wettbewerb, 49. 3 Weber, Gewinnherausgabe - Rechtsfigur zwischen Schadensersatz-, Geschäftsführungsund Bereicherungsrecht, ZSR 1992, 334 f. 4 Mestmäcker, Eingriffserwerb und Rechtsverletzung in der ungerechtfertigten Bereicherung, J Z 1958, 525ff.; Raiser, Der Stand der Lehre vom subjektiven Recht im Deutschen Zivilrecht, J Z 1961, 468 ff.

5 9

Einleitung

251

fugter Inanspruchnahme geschützt werden. Die Lösung dieser Frage kann ebenso wie die Lösung des Problems, ob es sich bei der Eingriffskondiktion um ein Institut des Rechtsgüterschutzes oder eine Sanktion für rechtswidriges Verhalten handelt - aus dem Wortlaut des § 812 B G B nicht entnommen werden. Sieht man sich aber die Begründungen der Theorien der Eingriffskondiktion an, so fällt auf, daß bei allen Lehrmeinungen ausschließlich juristische Kriterien zu Funktion, Bestimmung und Anwendbarkeitsabgrenzung des Rechtsinstituts der Eingriffskondiktion herangezogen werden. Diese Vorgehensweise ist unter methodischen Gesichtspunkten ungenügend, weil sie die spezifische Funktion der Eingriffskondiktion in einer auf Wettbewerb beruhenden marktwirtschaftlichen Ordnung und der dazugehörigen rechtlichen Rahmengebung nicht reflektiert. O b die Eingriffskondiktion als Sanktion gegen rechtswidrig erzielten Gewinn oder als Schutz exklusiv zugewiesener Güter zu dienen hat, ergibt sich ebensowenig aus dem Wortlaut des § 812 B G B wie die Antwort auf die Frage, welche Rechtsgüter unter den Schutz der Eingriffskondiktion fallen. Diese Fragen sind anhand einer sorgfältigen Analyse der in den Fällen der Eingriffskondiktion auf dem Spiel stehenden Interessen und unter Beachtung der Funktionen „benachbarter" Institute des außervertraglichen Schuldrechts und dem Deliktsrecht der §§ 823 ff. B G B , der unechten G o A des § 687 II B G B und des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses der §§ 985 ff. B G B zu klären. Die auf dem Spiel stehenden Interessen bei der Eingriffskondiktion sowie die darauf basierende Konkretisierung von Tatbestand und Rechtsfolgen sind nicht ausschließlich unter Beschränkung auf den herkömmlichen juristischen Auslegungskanon zu ermitteln. Bei aller sonstigen Unterschiedlichkeit der genannten Ansätze ist ihnen gemeinsam, daß die Eingriffskondiktion als Institut des bürgerlichen Vermögensrechts aufgefaßt wird. Dieses bildet den juristischen Rahmen für die sich auf den jeweiligen Güter- und Faktormärkten vollziehenden Transfers von Ressourcen, die Gegenstand der Wirtschaftswissenschaft sind. Wegen des engen Bezugs des bürgerlichen Vermögensrechts zu den Fragestellungen der Ö k o n o m i e kann sich bei der Ermittlung der rechtlich und systematisch „richtigen" Funktion der Eingriffskondiktion daher die sog. ökonomische Analyse des Rechts als aufschlußreich erweisen. Geht man zunächst als Hypothese vom Rechtsgüterschutz als der Aufgabe der Eingriffskondiktion aus, so stellt sich die Frage, warum die wettbewerblich orientierte Marktwirtschaft exklusiv zugewiesener Güter bedarf und wie diese Güter zugewiesen und verteilt werden. Eine Antwort auf diese Frage läßt sich nicht durch eine Interpretation des § 812 B G B oder anderer Vorschriften unter Anwendung der üblichen juristischen Auslegungskriterien finden, sondern nur dadurch, daß die Rolle solcher Exklusivrechte im marktwirtschaftlichen Güteraustausch offengelegt wird. Dabei wird deutlich werden, daß ein wettbewerblich orientierter Güteraustausch gar nicht möglich wäre, wenn die zum Tausch stehenden Güter nicht exklusiv zugewiesen wären. Zugleich ergibt sich ein - im Schrifttum kaum problematisiertes - Spannungsverhältnis zwischen exklusiv zugewiesenen Rechten an Gegenständen einerseits und der Wett-

252

Kapitel II: Ökonomische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

bewerbsfreiheit derjenigen, die sich am Markt betätigen andererseits. Dieses Spannungsverhältnis hat seine Wurzeln im wirtschaftlichen Sachverhalt. Es ist dementsprechend auch dort zu behandeln. Die ökonomische Analyse des Rechts ist nicht nur bei der Feststellung der Funktion der Eingriffskondiktion im Rahmen des bürgerlichen Vermögensrechts aufschlußreich, sondern auch bei der Konkretisierung von Tatbestand und Rechtsfolgen dieses Rechtsinstituts. Die ökonomische Rechtstheorie untersucht die Wirkungen von Rechtsnormen darauf hin, ob sie zu einer effizienten Nutzung knapper Ressourcen beitragen, oder ob sie zu einer Verschwendung nur begrenzt vorhandener und daher wertvoller Güter führen. Diese Theorie, die vor allem in den U S A entwickelt wurde und sich dort seit ca. 30 Jahren zumindest in Wissenschaft und Lehre fest etabliert hat, ist dabei, sich auch im methodischen Instrumentarium der deutschen Rechtswissenschaft einen anerkannten Platz zu erobern und die Erkenntnismittel der herkömmlichen Rechtsdogmatik zu ergänzen. Dennoch ist Ansatz und Gewicht dieser Methode der Analyse von Rechtsnormen in ihrem Verhältnis zum Erkenntnisprogramm der Rechtswissenschaft nicht unumstritten. So wird kritisiert, daß eine ausschließliche Ausrichtung auf das Effizienzziel bei der Abfassung und Auslegung von Rechtsnormen spezifische rechtswissenschaftliche Erkenntnisinteressen wie etwa Gerechtigkeit verfehlen könnte. Es wird auch befürchtet, daß die Autonomie der Rechtswissenschaft gegenüber anderen Wissenschaftsdisziplinen, hier insbesondere der Wirtschaftswissenschaft, verloren gehen könnte 5 . Der Versuch einer ökonomischen Analyse der Eingriffskondiktion als eines zentralen Instituts des bürgerlichen Vermögensrechts findet auf der Grundlage der Erkenntnisse statt, die insbesondere die Wirtschaftswissenschaft zur Rechtstheorie beigesteuert hat. Der vorliegenden Untersuchung geht es in erster Linie um eine Untersuchung der Eingriffskondiktion unter Heranziehung der von der ökonomischen Rechtstheorie entwickelten Kriterien. Dazu ist es erforderlich, die Grundlinien der ökonomischen Analyse des Rechts - sowie sie für diese Untersuchung relevant werden - nachzuzeichnen, um die für die Untersuchung der Eingriffskondiktion bedeutsamen Elemente der ökonomischen Theorie (etwa Markt, Tausch, Wettbewerb, Property Rights, Güterbegriff) in den Zusammenhang dieser Theorie als Sinnganzem nachvollziehbar einordnen zu können.

5 Siehe etwa Fezer, Aspekte einer Rechtskritik an der economic analysis of law und am property rights approach, J Z 1986, 817 ff.; Eder, Prozedurale Rationalität, Zeitschr. F. Rechtssoz. 7 ( 1 9 8 6 ) , I f f . Vgl. auch die Zusammenstellung der A r g u m e n t e gegen die ökonomische A n a l y s e des Rechts bei Kühler, Effizienz als Rechtsprinzip, FS f. Steindorff, 687 ff. (690).

§ 1 0 Marktliche Tauschvorgänge aus ökonomischer Sicht I. Das Effizienzkriterium

in der ökonomischen

Theorie

U m die Funktion des Rechtsinstituts der Eingriffskondiktion im Rahmen des bürgerlichen Vermögensrechts zutreffend erfassen zu können, ist auf die wirtschaftliche Bedeutung des Transfers knapper Ressourcen und die Aufgabe der Rechtsordnung bei diesen Übertragungen einzugehen. Von wesentlicher Bedeutung ist dabei das von der Wohlfahrtsökonomie für die Beurteilung alternativer gesellschaftlicher Zustände entwickelte Effizienzkriterium.

1. Formulierung und Aufgaben des

Effizienzkriteriums

Rationales Verhalten angesichts einer Welt knapper zur Verfügung stehender Ressourcen gebietet es, die knappen Ressourcen zur Erreichung des Ziels der Bedürfnisbefriedigung der Gesellschaftsmitglieder so einzusetzen, daß sie den Nutzen aller optimieren. Ein Ziel der Wohlfahrtsökonomik ist es, für die Bestimmung einer optimalen Ressourcenallokation Kriterien zu entwickeln. Dabei stellt sich das Problem des Verhältnisses zwischen individueller und gesellschaftlicher Nutzenfunktion. Im Hinblick auf das Entscheidungsverfahren über die Nutzung knapper Ressourcen ist darauf hinzuweisen, daß der Grundsatz des methodologischen Individualismus zu den Axiomen der ökonomischen Theorie gehört. Dieser Grundsatz fußt auf der Erkenntnis, daß es nicht möglich ist, Nutzen in absoluten Werteinheiten zu messen und interpersonell zu vergleichen. Zu Recht weist die ökonomische Theorie jedoch darauf hin, daß durch den Grundsatz des methodologischen Individualismus, der die Grundlage der R E M ' - H y p o t h e s e bildet, kollektive gesellschaftliche Wertmaßstäbe nicht ausgeschlossen würden 2 . D e r im Effizienzkriterium verankerte Gedanke der (zunächst individuellen) Nutzenoptimierung führt über Erkenntnis, daß die individuelle Nutzenpräferenz Teil eines gesamtgesellschaftlichen Kooperations1 R E M = Resourceful, Evaluating, Maximizing Man, siehe dazu Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 50. Vgl. dazu auch Posner, Economic Analysis of Law, 3 f.; Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 34 ff.; Kirchgässner, Führt der homo oeconomicus das Recht in die Irre?, J Z 1991, 104ff.; sehr kritisch zu diesem Konzept Fezer, Aspekte einer Rechtskritik an der economic analysis of law und am property rights approach, J Z 1986, 822. 2 Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 35.

254

Kapitel II: Ökonomische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

und Koordinationsprozesses ist, als dessen Ergebnis sich ein Sozialprodukt ergibt, dazu, daß auch der Gesellschaft eine Nutzen-(= Wohlfahrts-) Funktion zukommt 3 . Unter der Geltung des Grundsatzes des methodologischen Individualismus kann von einer gesellschaftlichen Wohlfahrtsfunktion aber nur insoweit gesprochen werden, als diese Funktion aus den individuellen Nutzenfunktionen der Gesellschaftsmitglieder abgeleitet ist. Dies bedeutet, daß es keine Instanz der Planung und Entscheidung geben kann, die in der Lage wäre, autonom die gesellschaftliche Nutzenfunktion festzulegen, weil keine solche Instanz über eine genügende Kenntnis der individuellen Nutzenvorstellungen verfügen würde. Ist demnach eine solche „objektive" Bestimmung des Effizienzziels wegen des individualistischen Ansatzes nicht möglich, so ist ein Verfahren der Entscheidung zu entwickeln, durch das sich im Prozeß der gesellschaftlichen Kooperation die individuellen Nutzenpräferenzen durchsetzen können. Da es eben um individuelle Nutzenpräferenzen und ihr Eingehen in eine gesellschaftliche Wohlfahrtsfunktion geht, liegt es nahe, Veränderungen des bestehenden Zustandes in der Gesellschaft nur dann zuzulassen, wenn die davon betroffenen Mitglieder dieser Entscheidung zustimmen können. Eine solche Zustimmung werden die Gesellschaftsmitglieder dann erteilen, wenn alle oder einige im neuen Zustand besser gestellt sind als im alten und kein Mitglied schlechter steht. Diese Einsicht wurde von dem italienischen Ökonomen Vilfredo Pareto als Entscheidungskriterium im Geflecht von individuellen und sozialen Nutzenpräferenzen formuliert. Das sog. Pareto-Kriterium lautet wie folgt: Wenn jedes Mitglied einer Gesellschaft den gesellschaftlichen Zustand Y dem Zustand X vorzieht oder zwischen den Zuständen indifferent ist, so ist der Zustand Y sozial vorzugswürdig. Entscheidungen, die diese Bedingungen erfüllen, nennt man Pareto-Verbesserungen oder Pareto-superiore-Entscheidungen. Sind alle Mitglieder einer Gesellschaft hinsichtlich der gesellschaftlichen Zustände X oder Y indifferent, so ist auch die Sozialwahl zwischen beiden Zuständen indifferent (Pareto-Indifferenz) 4 . Das Pareto-Kriterium führt für Entscheidungen im Rahmen der „Social Choice" zu einem Einstimmigkeitserfordernis. Es liegt auf der Hand, daß die Forderung nach Einstimmigkeit die Geeignetheit des ParetoKriteriums bei der Entscheidung praktischer Fragen stark einschränkt. Eine Veränderung eines gesellschaftlichen Zustands wäre danach nämlich nur möglich, wenn kein Gesellschaftsmitglied schlechter gestellt wäre als im alten gesellschaftlichen Zustand. Eine bestehende Allokation von Ressourcen ist ineffizient, wenn bei einer alternativen Ressourcenallokation die Bedürfnisse einiger Gesellschaftsmitglieder besser befriedigt würden als zuvor und der Nutzen keines anderen Gesellschaftsmitglieds verschlechtert wird. Da bereits eine Person den Übergang zu einem Zustand verhindern kann, der möglicherweise viele Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 84. Siehe Pareto, V., Manuel d'Economie politique (1909), 617ff.; dazu auch Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 83 ff.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 22 ff.; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 48 ff. 3 4

§ 10 Marktliche

Tauschvorgänge

aus ökonomischer

Sicht

255

andere Personen besserstellt und nur diese eine schlechter, ist klar, daß das Pareto-Kriterium als Methode zur Lösung praktischer Probleme nur sehr bedingt geeignet ist. Dennoch ist dieser theoretische Ansatz von großer Bedeutung, weil er einen Weg aufweist, die soziale Wohlfahrtsfunktion allein aus den individuellen Nutzenpräferenzen der einzelnen Gesellschaftsmitglieder abzuleiten. Bestimmenden Einfluß außenstehender Instanzen auf die Festlegung des Inhalts der sozialen Wohlfahrt ist in den dem Pareto-Kriterium zugrunde liegenden Entscheidungsverfahren ausgeschlossen. Dem Grundsatz des methodologischen Individualismus wird also Geltung verschafft. U m die Probleme zu überwinden, die mit einer strengen Einhaltung des Einstimmigkeitsprinzips verbunden sind, wurde das Pareto-Kriterium durch die englischen Wohlfahrtsökonomen Kaldor und Hicks modifiziert. Nach der These von Kaldor /Hicks ist der Ubergang in einen anderen wirtschaftlichen Zustand auch dann legitim, wenn neben bessergestellten Personen auch Verlierer der Änderung festzustellen sind. Der Ubergang in den neuen Zustand ist dann gerechtfertigt, wenn die Vorteile der Bessergestellten einen Umfang erreichen, der es ihnen erlaubt, die Verluste der negativ Betroffenen zu kompensieren 5 . Wichtig ist dabei, ob der im neuen ökonomischen Zustand erreichte Zuwachs ausreicht, die Verluste der Verlierer zu ersetzen. Hicks selbst weist darauf hin, daß die Frage, ob bei einer konkreten Veränderung tatsächlich eine Kompensation geleistet werden müsse, eine Frage der Verteilungsgerechtigkeit sei, die durch ein Werturteil (politisch) entschieden werden müsse. „Under private enterprise, any ordinary change in economic policy involves a change in the price-system, and any change in prices benefits those on one side of the market and damages those on the other. Thus, no simple economic reform can be a permitted reorganisation in our sense, because it always inflicts a loss of some sort upon some people. Nevertheless, this does not prevent us applying our criteria to the case of private enterprise, because we can always suppose that special measures taken through the public revenue to compensate those people who are damaged. A „permitted reorganisation" must just be taken from now on to mean a reorganisation which will allow of compensation being paid, and will yet show a net advantage ... I do not contend that there is any ground for saying that compensation should not always be given; whether or not compensation should be given in any particular case is a question of distribution, upon which there cannot be identity of interest, and so there cannot be any generally accepted principle"6. „There is no need for the economist to prove - as indeed he never could prove - that as a result of the adoption of a certain measure nobody in the community is going to suffer. In order to establish his case, it is quite sufficient for him to show that even if all those who suffer as a result are fully compensated for their loss, the rest of the community will still be better off than before" 7 . Ausführlich dazu Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 51 ff. Hicks, The Foundations of Welfare Economics, 49 The Economic Journal (1939), 696 ff., 706 und 711. 7 Kaldor, Welfare Propositions of Economics and Interpersonal Comparisons of Utility, 49 The Economic Journal (1939), 549 ff., 550. 5

6

256

Kapitel II: Ökonomische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

Trotz kritischer Anmerkungen zu den Thesen von Kaldor und Hicks im späteren Verlauf der wissenschaftlichen Diskussion 8 , führt ihr Ansatz zu einer sinnvollen Modifikation des Pareto-Kriteriums. Das Effizienzkonzept wiederum läßt sich in drei Teilbereiche aufspalten, die alle erfüllt sein müssen, um von einem pareto-optimalen wirtschaftlichen Zustand sprechen zu können. Es handelt sich dabei um - effiziente Produktion; - effiziente Produktionsstruktur; - und effizienten Konsum. Effiziente Produktion liegt vor, wenn es bei gleichem Ressourceneinsatz nicht mehr möglich ist, von irgendeinem in der Volkswirtschaft produzierten Gut eine größere Menge herzustellen, ohne die Produktion eines anderen Gutes entsprechend vermindern zu müssen. Bei der effizienten Produktionsstruktur geht es um die Art und Menge von Gütern, die in einer Volkswirtschaft produziert werden, um die Bedürfnisse der in ihr lebenden Menschen befriedigen zu können. Eine effiziente Produktionsstruktur setzt voraus, daß die Kosten, die die Mehrproduktion eines Gutes mit sich bringt, weil ein anderes Gut weniger produziert wird, auch den Mengen entsprechen, die die Gesellschaftsmitglieder vom weniger produzierten Gut aufgeben wollen, um eine größere Menge des anderen Produktes zu bekommen. Eine effiziente Produktionsstruktur liegt vor, wenn eine Änderung der Struktur nicht zu einer Verbesserung des Nutzens der Gesellschaftsmitglieder führt. Ein effizienter Konsum ist hingegen gegeben, wenn bei gleichbleibender Gütermenge und Art keine Tauschverträge unter den Konsumenten mehr möglich sind, die zu einer besseren Nutzung der vorhandenen Güter führen und damit eine im Vergleich zur gegebenen Güterverteilung gesteigerte Effizienz bewirken9. Zusammenfassend ist festzustellen, daß ein wirtschaftlicher Zustand als effizient zu bezeichnen ist, in dem keine Umverteilung knapper Ressourcen zugunsten eines oder einiger Gesellschaftsmitglieder stattfinden kann, ohne daß ein oder mehrere andere Gesellschaftsmitglieder einen Verlust erleiden. Das Effizienzkriterium beurteilt wirtschaftliche Zustände danach, ob in ihnen die knappen Ressourcen - in Bezug gesetzt zu den individuellen Nutzenpräferenzen - sich am Ort ihrer am höchsten bewerteten Nutzung befinden. Die sozialen Steuerungssysteme, die sich mit der Verteilung von Ressourcen befassen, sind wiederum danach zu bewerten, inwieweit sie dem Effizienzkriterium entsprechen.

8 9

Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Siehe Schäfer/Ott, a. a. O., 26.

Analyse des Zivilrechts,

30 ff.

§ 10 Marktliche

Tauschvorgänge

aus ökonomischer

2. Hindernisse bei der Erreichung des

257

Sicht

Effizienzziels

Die zur Erreichung des Effizienzziels erforderlichen Ressourcentransfers stoßen in der Realität nicht selten auf Hindernisse, die den an sich gebotenen, weil nutzenmaximierenden Transfer verhindern. Solche Hindernisse sind etwa Externalitäten, öffentliche Güter und Transaktionskosten. Auf diese Erscheinungen wird unten noch näher einzugehen sein 10 .

II. Steuerungssystem

bei der Güterverteilung:

Markt

Die Eingriffskondiktion gehört - genauso wie das tatbestandliche Gegenstück in § 812 11 B G B , die Leistungskondiktion - zu dem Teil des bürgerlichen Rechts, der den rechtlichen Rahmen für marktliche Güterbewegungen schafft.

1. Die Aufgabe des Marktes Die menschliche Gesellschaft läßt sich als ein Kooperationszusammenhang der in ihr lebenden Individuen begreifen, der es den einzelnen Gesellschaftsmitgliedern erlaubt, ihre Bedürfnisse innerhalb der Gesellschaft besser zu verwirklichen als außerhalb. D a die vorhandenen Bedürfnisse eines Individuums nur durch die Koordination und Abstimmung seines Verhaltens mit dem Verhalten anderer Gesellschaftsmitglieder verfolgt werden können, entsteht im gesellschaftlichen Koordinierungsprozeß der Bedarf nach angemessenen sozialen Entscheidungsverfahren, durch die das auf die eigenen Interessen bezogene nutzenmaximierende Verhalten der einzelnen Gesellschaftsmitglieder mit eben solchem Verhalten der anderen Individuen in Ubereinstimmung gebracht werden kann 1 1 . Das soziale Entscheidungsverfahren wird nicht einer einzigen sozialen Institution anvertraut; es lassen sich insgesamt vier institutionell unterschiedlich ausgestaltete Instrumente der sozialen Steuerung unterscheiden, nämlich: - der Markt; - die Bürokratie; - kollektive Interessenabstimmung (Verbände); - Politik 1 2 . Der Markt strebt eine effiziente Ressourcenverwendung dadurch an, daß er den Beteiligten ein Verfahren des Tausches zur Verfügung stellt, durch das ein Gut an den O r t seiner - in Geld ausgedrückt - höchsten bewerteten Nutzung 10 Siehe unten § 10 III 1. und 2. (externe Effekte und öffentliche Güter) sowie § 11 III 3. (Transaktionskosten). 11 Siehe dazu Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 113 m.w. N. 12 So Behrens, a.a.O., 113 mit Hinweis auf Dahl/Lindblom, Politics, Economics, and Weifare (1953).

258

Kapitel II: Ökonomische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

alloziert wird 13 . Das angestrebte Ziel der Allokationseffizienz ist nur erreichbar, wenn Nutzen und Kosten einer bestimmten Ressourcenverwendung der Person zugerechnet werden, die die Ressourcenverwendung tätigt. Externe Effekte sind daher möglichst zu vermeiden. Von externen Effekten wird in der Ökonomie dann gesprochen, wenn sich die Folgen der Tätigkeit eines Wirtschaftssubjekts nicht auf die Sphäre der ihm zugehörigen Güter beschränken, sondern sich auf die Güter- und Vermögenssphäre anderer Personen auswirken 14 . Die hier angesprochenen externen Effekte können aus der Sicht des betroffenen Dritten positiver oder negativer Natur sein. Negative Externalitäten liegen vor, wenn der Dritte in seiner Sphäre nachteilig beeinflußt wird; es handelt sich demgegenüber um positive externe Effekte, wenn der Dritte aus dem Handeln eines anderen einen Vorteil zieht, ohne diesem dafür zur Zahlung eines Entgelts verpflichtet zu sein. Nicht selten kann bei einer Handlung eines Wirtschaftssubjekts, die externe Effekte mit sich bringt, nicht mit Sicherheit festgestellt werden, bei wem sich die Externalitäten auswirken. Es kann sich dabei um eine unbestimmte Vielzahl von Personen handeln. Die wirtschaftswissenschaftliche Theorie spricht daher von sozialen Kosten (social cost). Die Verfolgung des Effizienzziels setzt voraus, daß die Wirtschaftssubjekte ihre Nutzenpräferenzen miteinander zu dem Zweck abgleichen, die höchstwertige Ressourcenverwendung herauszufinden. Dies setzt voraus, daß die Wirtschaftssubjekte ihre Nutzenvorstellungen zutreffend bewerten können. Eine zutreffende Bewertung der individuellen Nutzenvorstellung erfordert, daß das Wirtschaftssubjekt alle Kosten und den gesamten Nutzen der betreffenden Handlung in sein Kalkül einbezieht. Die Existenz externer Effekte verhindert, daß das Wirtschaftssubjekt Kosten und Nutzen von (potentiellen) Handlungen zutreffend erkennen kann. Externalitäten führen dazu, daß das Ziel der Allokationseffizienz verfehlt wird. Als Folge solcher Effekte werden bestimmte Güter in zu geringem Umfang, andere Güter in zu großem Umfang hergestellt, weil ihre wahren Kosten bzw. ihr wahrer Nutzen falsch eingeschätzt wird. Nach dem Grundsatz des methodologischen Individualismus kann nur das Individuum allein seine Nutzenpräferenzen hinsichtlich der Verwendung seiner Ressourcen entwickeln, bewerten und in eine Rangfolge bringen. Da ein intersubjektiver Nutzenvergleich ausgeschlossen ist, die Nutzenpräferenzen der autonom handelnden Wirtschaftssubjekte aber voneinander abweichen, stellt der Markt ein Verfahren zur Verfügung, durch das alle interessierten Wirtschaftssubjekte ihre Nutzenvorstellungen hinsichtlich einer bestimmten Ressourcenverwendung offenlegen können, und die in Frage stehenden Ressourcen der von den beteiligten Wirtschaftssubjekten am höchsten bewerteten Nutzung zugeführt werden können. 13 14

85 ff.

Siehe Bebrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 114. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 88; Behrens,

a. a. O.,

5 10 Marktliche

Tauschvorgänge

aus ökonomischer

Sicht

259

Diese Leistung erbringt der Markt dadurch, daß jeder Ressourcenverwendung ein Tauschvorgang vorausgeht, durch den die interessierten Wirtschaftssubjekte ihre Nutzenpräferenz in Bezug auf die in Frage stehende Ressourcenverwendung durch die Erklärung ihrer Zahlungsbereitschaft offenlegen, und sich als Ergebnis des Tauschprozesses diejenige Nutzungsalternative durchsetzt, für die ein Wirtschaftssubjekt die höchste Zahlungsbereitschaft bekundet hat15. Es ist also die Zahlungsbereitschaft der auf einem Markt präsenten Wirtschaftssubjekte, die über die konkrete Verwendung einer Ressource entscheidet und die - unter gewissen, noch näher zu erläuternden Bedingungen - die Ressource an den Ort ihrer, in einem Geldbetrag ausgedrückten nützlichsten Verwendung bringt. In dieser Weise sorgt der Austausch von Ressourcen im Tauschmechanismus des Marktes für die Herstellung von Allokationseffizienz. „Efficiency is, ..., determined by willingness to pay and the only way in which willingness to pay can be determined with certainty is by actually observing a voluntary transaction. Where resources are shifted persuant to a voluntary transaction, we can be reasonably confident, that the shift involves a net increase in efficiency. The transaction would not have occurred if both parties had not expected to be better off. This implies that the resources transferred are more valuable under new owner's hands" 1 6 .

Die Verknüpfung von Zahlungsbereitschaft und Allokationseffizenz muß jedoch im Hinblick auf die Funktion das Marktmechanismus noch näher konkretisiert werden: Es geht in Wirklichkeit nicht um Zahlungsbereitschaft im Wortsinne. Eine hinreichende Gewähr dafür, die nützlichste Verwendung einer Ressource zu ermitteln, setzt nicht nur die Offenbarung der Zahlungsbereitschaft der interessierten Wirtschaftssubjekte voraus, sondern erfordert, daß für die Nutzung einer Ressource auch tatsächlich der höchste gebotene Preis gezahlt wird. Dies ist wohl bei dem Ausdruck „Zahlungsbereitschaft" mitgedacht. Darüber hinaus ist anzumerken, daß die Beobachtung einer marktlichen Transaktion (actually observing a voluntary transaction) nur ein Indiz für eine Verbesserung der Allokationseffizienz darstellt. Denn das Zustandekommen der Transaktion beruht allein auf den subjektiven Nutzenpräferenzen der beteiligten Wirtschaftssubjekte. Ob sich die mit den Nutzenpräferenzen verbundenen Erwartungen, Vorstellungen und Hoffnungen der Erwerber der Nutzungsrechte hinsichtlich der ökonomischen Ergebnisse im späteren Verlauf der Ressourcenverwendung realisieren lassen, hängt davon ab, ob sie von zutreffenden Voraussetzungen ausgegangen sind. Irrten sich die Beteiligten darüber, so tritt keine Effizienzverbesserung ein, sondern es kommt zu einer Ressourcenverschwendung. Dieses Risiko hat der Inhaber der Ressource zu tragen, von dessen Nutzenpräferenzen die konkrete Ressourcenverwendung getragen war. 15 Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 114f.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 81 ff. und 456\ Posner, Economic Analysis of Law, 12 ff. 16 Posner, a . a . O . , 14f.

260

Kapitel II: Ökonomische Grundlagen der

Eingriffskondiktion

Legt man den methodologischen Individualismus zugrunde, so kann es keinen „objektiven" Weg geben, über die Nutzenpräferenzen zu entscheiden. Zu den Leistungen des sozialen Steuerungssystems Markt, dessen Grundelement der Preismechanismus ist, gehört die Annäherung an ein Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage auf den Güter- und Faktormärkten und eine effiziente Steuerung der Innovationsaktivitäten im H i n b l i c k auf die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß der Markt als Instrument der sozialen Steuerung durch das Mittel des freiwilligen Tausches von Ressourcen knappe G ü t e r an den O r t ihrer nützlichsten Verwendung leitet und damit dem Ziel der Allokationseffizienz dient. Ermittelt wird die am höchsten bewertete N u t z u n g durch die Zahlungsbereitschaft der an einem Einsatz einer Ressource interessierten Wirtschaftssubj ekte.

2. Die Funktionsbedingungen eines marktorientierten Güteraustausches D i e oben angesprochenen Wirkungen des marktlichen Güteraustausches ergeben sich jedoch nur, wenn bestimmte institutionelle und organisatorische Voraussetzungen gegeben sind bzw. bestimmte Hindernisse für das F u n k t i o nieren des Marktes beseitigt werden. Welches sind nun die Bedingungen, die erforderlich sind, um die F u n k t i o n des Marktes im H i n b l i c k auf seine vordringliche Aufgabe - die Schaffung von Allokationseffizienz, um der Verschwendung knapper Ressourcen entgegenzuwirken - sicherzustellen? F o l gende Funktionselemente des Marktes müssen als Minimalbedingungen zu seinem Funktionieren vorhanden sein: Wettbewerb, Geld und die Institutionalisierung von „Property R i g h t s " durch die Rechtsordnung.

a)

Wettbewerb

D u r c h den Markt sollen knappe Ressourcen an den O r t (beziehungsweise zu dem N u t z e r ) gelenkt werden, an dem sie der am höchsten bewerteten Verwendung zugeführt werden. Dies kann nur dann geschehen, wenn prinzipiell alle Wirtschaftssubjekte, die sich für eine Ressource interessieren, in der Lage sind, ihre Nutzenbewertung in den Tauschprozeß, der über die Verwendung der Ressourcen entscheidet, einfließen zu lassen. Die paretianische Wohlfahrtsö k o n o m i k geht davon aus, daß ein Effizienzoptimum im Modell der v o l l k o m menen K o n k u r r e n z erreicht wird. Bei der vollkommenen K o n k u r r e n z handelt es sich um eine M a r k t f o r m , bei der sich viele Anbieter und Nachfrager auf dem Markt betätigen (atomistische Konkurrenz), von denen jeder nur einen kleinen Marktanteil aufweist, das Verhalten der Marktteilnehmer wird nicht von Präferenzen geprägt, es bestehen keine Marktzutrittsschranken und die M a r k t teilnehmer handeln unter der Bedingung vollständiger Transparenz, insbeson-

§ 10 Marktliche

Tauschvorgänge

aus ökonomischer

Sicht

261

dere vollständiger Preisinformation 1 7 . Unter den modellhaften, in der Wirklichkeit kaum je vorkommenden Bedingungen der vollständigen Konkurrenz betätigen sich die Marktteilnehmer als reine Mengenanpasser, da sich ihnen der Preis als vom einzelnen Marktteilnehmer nicht beeinflußbares Datum darstellt. Unter den Bedingungen der vollständigen Konkurrenz stellt sich auf dem Markt ein totales Gleichgewicht ein, das als System von markträumenden Gleichgewichtspreisen und den ihnen jeweils entsprechenden Gleichgewichtsmengen definiert ist 18 .

b) Geld Weitere Voraussetzung eines funktionsfähigen Marktsystems ist das Vorhandensein von Geld als Tausch- und Wertaufbewahrungsmittel wie als Instrument der Wertmessung. Die Nutzenpräferenzen der Individuen, die am Markt mit den Präferenzen der anderen Individuen in Konkurrenz treten, müssen in Geld ausdrückbar sein, um am Markt die am höchsten bewertete Verwendung einer Ressource zu ermitteln 19 . Das Geld ist das Medium, durch das die Wirtschaftssubjekte ihre Nutzenpräferenzen in Bezug auf die Verwendung knapper Ressourcen ausdrücken und so unterschiedliche Nutzenarten miteinander vergleichbar machen sowie die am höchsten bewertete Nutzung ermitteln. D e r Wert ist in der Ö k o n o m i e als der Grad der Brauchbarkeit eines Gutes definiert, der nie absolut, sondern immer nur in Bezug auf andere Güter ausgedrückt werden kann. Güter sind in der Ökonomie nicht Sachen, Informationen, Dienstleistungen, sondern die Handlungs- und Verfügungsbefugnisse, die sich auf die genannten Gegenstände beziehen. Preise hingegen sind Mengenrelationen, die durch die Parteien von Verträgen über den Austausch von Gütern festgelegt wurden 2 0 . In einer wettbewerbsorientierten Marktwirtschaft indizieren die Preise die Knappheit von Gütern: In der (modellhaften) Situation der vollständigen Konkurrenz, in der sich die Marktteilnehmer als reine Mengenanpasser verhalten, da sie keinen Einfluß auf den Preis eines Gutes haben, führt eine Preiserhöhung zu einer geringeren Nachfrage eines Gutes, während eine Preisermäßigung in einer erhöhten Nachfrage resultiert. Allerdings können in Geld ausgedrückte Preise ihre Funktion als Knappheitsindikatoren nur dann erfüllen, wenn tendenziell alle Kosten, die eine Aktivität wie z . B . die Produktion und Vermarktung eines Gutes verursacht, in die Rechnung des Produzenten eingehen. Ist dies wegen externer Effekte nicht der Fall, so kommt es bei positiven externen Effekten zu einer im Verhältnis zu den Warenkosten zu umfangreichen Produktion eines Gutes, während negative Externalitäten zur 17 Siehe J. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, 6; Schumann, Grundzüge der mikroökonomischen Theorie, 240; Homann/Suchanek, Ökonomik, 259 ff. 18 Schumann, a.a.O., 21. 19 Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 115 f.; Homann/Suchanek, a.a.O., 316 ff. 20 Stützel, Wert und Preis, Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Sp. 4405.

262

Kapitel II: Ökonomische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

Herstellung einer zu geringen Menge eines Produkts führen. Festzuhalten ist vor allem die wichtige Funktion der Preise als Knappheitsindikatoren.

c) Institutionalisierung eines Systems von Nutzungs- und Verfügungsrechten

ausschließlichen

Die dritte Voraussetzung eines funktionsfähigen Marktes ist die Institutionalisierung eines Systems von ausschließlichen Nutzungs- und Verfügungsrechten 21 . Gäbe es ein solches System nicht, so wäre der Tauschvorgang, den der Markt einer Ressourcenverwendung vorschaltet, nicht möglich, da die Parteien nichts hätten, was sie tauschen könnten. Bei der Institutionalisierung der bereits erwähnten Nutzungs- und Verfügungsrechte, in der ökonomischen Theorie Property Rights genannt, handelt es sich um eine durch das Recht in einer für alle Wirtschaftssubjekte verbindlichen Weise geregelten Zuordnung einer Ressource zu einem Wirtschaftssubjekt. Diese ausschließliche Zuweisung der zur Verfügung stehenden knappen Ressourcen ist deshalb erforderlich, weil bei einem freien Zugang aller Gesellschaftsmitglieder zu knappen Ressourcen diese nicht in genügenden Umfang zur Verfügung gestellt und übermäßig genutzt würden. Die Nutzungshandlungen der Wirtschaftssubjekte in Bezug auf solche Ressourcen stellten sich bei Fehlen eines Systems von Property Rights zum Teil als externe Effekte dar, weil die Wirkungen dieser Handlungen nicht bei den Handelnden selbst, sondern bei den anderen Wirtschaftssubjekten einträten. Unten wird noch näher auf die Theorie der Property Rights und deren spezifischer Funktion einzugehen sein.

d) Vertragsfreiheit

und

Vertragsrecht

Ein funktionierender Markt setzt darüber hinaus die Gewährleistung von Privatautonomie für die handelnden Rechtssubjekte sowie die Existenz eines Vertragsrechts und angemessener Mechanismen zur Durchsetzung von Verträgen voraus22.

3. Das

Coase-Theorem

Die Bedeutung der Institutionalisierung der ausschließlichen Zuweisung von Ressourcen (genauer: Rechten) hat Coase in seinem berühmten Aufsatz zum Problem der sozialen Kosten dargelegt23. Zu einer Nutzenmaximierung bei der Verwendung knapper Güter kann es nur dann kommen, wenn die an der Dazu Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 116 ff. Siehe zum Aspekt der Vertragsfreiheit näher unten § 13 I 1 b). 23 Coase, The Problem of Social Cost, 3 J. of Law and Economics (1960), 1 ff., auch abgedruckt in: Breit/Hochman (Hrsg.), Microeconomics, 423 ff.; deutsche Ubersetzung bei Assmann/Kirchner/Schanze (Hrsg.), Ökonomische Analyse des Rechts, 146ff. 21

22

$ 10 Marktliche

Tauschvorgänge

aus ökonomischer

Sicht

263

Nutzung Interessierten gezwungen sind, ihre Präferenzen wahrheitsgemäß zu offenbaren und mit den Nutzenpräferenzen anderer Wirtschaftssubjekte abzuwägen24. Die Funktion des marktlichen Tausches vor einer Verwendung knapper Ressourcen besteht in der Internalisierung externer Effekte. Nur so ist sicherzustellen, daß die Wirtschaftssubjekte ihr Verhalten am Ziel der Nutzenmaximierung ausrichten. Ein Teil des Coase-Tbeorems, welches im Schrifttum als „Effizienz-These" 25 bezeichnet wird, weist nach, daß schon allein die Zuweisung von exklusiven Handlungs- und Verfügungsrechten und die damit bewirkte Institutionalisierung des Tauschprinzips zur Allokationseffizienz führt. Dahinter steht die Erkenntnis, daß externe Effekte zu einem unteroptimalen Gesamtnutzen der vorhandenen knappen Ressourcen führen und die Effizienz der Ressourcennutzung dadurch verbessert werden kann, daß die Externalitäten internalisiert werden. Die Internalisierung der externen Effekte erfolgt im Marktsystem eben in der Weise, daß sie über die Zurechnung der Vorteile und Kosten der Nutzung von Ressourcen zu den Wirtschaftssubjekten in den Preismechanismus einbezogen werden. Die Wirtschaftssubjekte tauschen Nutzungsrechte in der Weise, daß sich jeweils die am höchsten bewertete Nutzung eines Gutes durchsetzt. Die Funktionalität des marktlichen Tauschvorgangs für die Allokationseffizienz schließt daher ein Gemeineigentum an knappen Ressourcen aus, da deren Nutzung erhebliche externe Wirkungen aufweisen würde. Durch das von der Rechtsordnung institutionalisierte System von Property Rights werden die Individuen gezwungen, Nutzungsrechte an Ressourcen, die anderen zugewiesen sind und die sie für ihre Zwecke benötigen, von diesen zu erwerben. Die genannten Erwägungen sprechen dafür, alle knappen Ressourcen dem System der Property Rights zu unterwerfen. Wie später zu zeigen sein wird, gibt es bei der Internalisierung externer Effekte durch Eigentumsrechte jedoch gewisse Grenzen. Das ist auch für die Festlegung des Zuweisungsgehalts im Rahmen der Eingriffskondiktion von Bedeutung. Der zweite Aspekt des Coase-Tbeorems betrifft die Frage, inwieweit es für die Allokationseffizienz von Bedeutung ist, wie die Rechtspositionen (oder: die Ressourcen) verteilt sind. Hier lautet die These von Coase: „It is necessary to know whether the damaging business is liable or not for damage caused since without the establishment of this initial delimitation of rights, there can be no market transactions to transfer and recombine them. But the ultimate result (which maximizes the value of production) is independent of the legal position if the pricing-system is assumed to work without costs" 2 6 .

Dieser "Invarianz-These" 27 genannte Teil der Theorie von Coase zeigt, daß sich unter gewissen Annahmen eine optimale Ressourcenallokation unabhängig Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 118. Behrens, a.a.O., 118; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 61. 26 Coase, The „Problem of Social Cost", in: Breit/Hochman (Hrsg.), Microeconomics, 423 ff. (429). 27 Behrens, a.a.O., 120ff.; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 61. 24 25

264

Kapitel II: Ökonomische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

von der Verteilung der in Frage stehenden Property Rights dadurch einstellt, daß die Beteiligten durch Transaktion die Eigentumsrechte solange rekombinieren, bis eine effiziente Allokation erreicht ist. Danach wäre es für die Funktionsfähigkeit eines auf Tauschvorgänge angewiesenen Marktsystems ausreichend, wenn die Rechtsordnung die knappen Ressourcen einem Eigentumsregime unterwirft. Auf eine bestimmte Bündelung einzelner Nutzungsbefugnisse bzw. die Zuweisung an bestimmte Personen käme es danach nicht an, weil der Markt dafür Sorge tragen würde, daß die Ressourcen an den Ort ihrer wertvollsten Nutzung wandern würden, und zwar unabhängig davon, wer ursprünglich der Inhaber der Rechte an den Ressourcen war. Allerdings trifft dies nur unter Bedingungen zu, die in der wirklichen Welt nie vorliegen. Marktliche Transaktionen von Rechtsbündeln sind nicht kostenlos; sie verursachen sog. Transaktionskosten, die - je nach Konstellation - so hoch sein können, daß sie den Zuwachs an Nutzen, den zwei Parteien aus einer Transaktion ziehen, aufzehren können und dann dafür sorgen, daß die Transaktion - obwohl sie eigentlich eine Pareto-Verbesserung darstellt - nicht zustandekommt. Weiterhin setzt die Invarianz-These von Coase voraus, daß die Transaktionen unter den Bedingungen der vollkommenen Konkurrenz stattfinden. Kritisch ist anzumerken, daß das Coase-Theorem von der Annahme ausgeht, die allokativen Wirkungen einmal zugeordneter Handlungsrechte bei Abwesenheit von Transaktionskosten ergäben sich ohne Rücksicht auf Einkommenseffekte. Einkommenseffekte jedoch können die Allokation und damit die Erreichung von Effizienz verhindern. Die These, daß sich bei eindeutig zugeordneten Handlungs- und Verfügungsrechten und fehlenden Transaktionskosten durch marktliche Transaktionen Allokationseffizienz von selbst einstelle, gilt nur dann, wenn Einkommenseffekte, die für einen Teil der Beteiligten durch das veränderte Rechte-Arrangement eintreten, entweder durch Umverteilungsmaßnahmen neutralisiert werden oder beim einzelnen in so geringem Umfang auftreten, daß sie vernachlässigt werden können 28 . Bereits oben wurde auf den strikt modellhaften Charakter des Coase-Theorems hingewiesen. Die Bedingungen, unter denen danach eine optimale Ressourcenallokation durch Transaktionen zwischen den betroffenen Parteien unabhängig von der Primärallokation von exklusiven Handlungs- und Verfügungsrechten stattfindet, liegen in der Realität niemals vor. Dies gilt sowohl für die Voraussetzung der vollkommenen Konkurrenz und genauso für die Bedingung der Abwesenheit von Transaktionskosten. Die Benutzung des Marktes zu Vorbereitung, Zustandebringen und Durchführung von Transaktionen ist niemals kostenlos. Trotz seiner Modellhaftigkeit und der damit verbundenen Realitätsferne ist das Coase-Theorem von großer Bedeutung, weil es in eindrucksvoller analytischer Schärfe die Voraussetzungen deutlich macht, unter denen ein Markt und die auf ihm stattfindenden Transaktionen zu einem Allokationsoptimum füh28

Schäfer/Ott,

Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 86.

§ 10 Marktliche

Tauschvorgänge

aus ökonomischer

Sicht

265

ren können. An Modellannahmen wie vollständiger Konkurrenz und Fehlen von Transaktionskosten als Voraussetzungen der Funktionsfähigkeit von Märkten lassen sich - gewissermaßen als Gegenstück - diejenigen Bedingungen aufzeigen, die in der Realität das Funktionieren von Märkten beeinträchtigen. In diesem Zusammenhang ist dabei die Frage von Interesse, in welcher Weise das Recht und insbesondere die Eingriffskondiktion bestimmte Funktionsstörungen des Marktes zu verhindern oder das Ergebnis solcher Störungen zu beseitigen haben. Bei der Darstellung von Marktversagen ist zunächst auf die Existenz von Wettbewerbsbeschränkungen hinzuweisen, die durch Kartelle, Mißbrauch marktbeherrschender Stellungen sowie asymmetrischer Information der Marktteilnehmer entstehen können. Kennzeichnend für die Ausübung von Marktmacht - sei es durch Kartelle oder Monopolunternehmen - ist der Umstand, daß für solche Wirtschaftssubjekte der Preis nicht wie im atomistischen Wettbewerb ein von ihnen unveränderbares Datum darstellt, sondern daß sie in der Lage sind, den Preis für ihre Produkte langfristig über ihre Grenzkosten anzuheben. Die ökonomische Folge solchen Verhaltens liegt in einer Verzerrung der Preise, die wegen der Abhängigkeit der Nachfrage vom Preis zu falschen Mengen von Produkten führt. Da wegen zu hoher Preise eine (im Vergleich zur Lage bei vollständiger Konkurrenz) zu geringe Stückzahl des betroffenen Produkts hergestellt und abgesetzt wird, bleibt die Summe von Konsumenten- und Produzentenrenten hinter der unter Wettbewerbsbedingungen möglichen Summe dieser Komponenten zurück. Die Folge der Ineffizienz der Produktionsstruktur ist ein Wohlfahrtsverlust 2 9 . Das Problem der asymmetrischen Information ist hingegen anders gelagert. Häufig verursacht der Abschluß eines Vertrages für die Parteien hohe Informationskosten. Diese sind aber oft nicht für beide Parteien gleichermaßen hoch. Daher kommt es nicht selten vor, daß eine Partei wesentlich besser informiert ist als die Gegenpartei, aber keinen Anreiz hat, der anderen Seite die Informationen mitzuteilen, weil die Intransparenz für die informierte Partei vorteilhaft sein kann. Dabei kann es sich z.B. um Informationen handeln, die etwa zur Beurteilung eines in der Zukunft liegenden Risikos hinsichtlich der vertraglichen Leistungen erforderlich sind (Versicherungsverträge). Hier kann es zu unnötigen Transaktionen kommen oder sinnvolle, weil zu Pareto-Verbesserung führende, Transaktionen können unterbleiben. Die durch den Markt angestrebte Effizienz wird nicht erreicht. Zur Bekämpfung von Marktversagen aufgrund von Wettbewerbsbeschränkungen wurde das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen geschaffen. Wie sich zeigen wird, hat auch die Eingriffskondiktion eine Funktion bei der Bekämpfung bestimmter Ursachen für Marktversagen. Dazu gehören aber nicht Wettbewerbsbeschränkungen und auch nicht die Frage der asymmetrischen Information. Auf diese Formen des Marktversagens wird daher nicht näher eingegangen. 29

Schäfer/Ott,

Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 87.

266

Kapitel II: Ökonomische

III. Funktionsstörungen

Grundlagen

der

des marktlichen

Eingriffskondiktion

Tauschmechanismus

Daneben gibt es noch eine Anzahl weiterer Faktoren, deren Vorliegen zu einem Versagen der erwünschten Funktionsweise des Marktes führen kann. Die Rechtsordnung besitzt hinsichtlich des Schutzes des Marktes vor dem Versagen spezifische Aufgaben; das Auftreten der Faktoren, die für ein Marktversagen und demzufolge für Effizienzverluste ursächlich sind, soll möglichst verhindert oder doch minimiert werden. In diesem Zusammenhang ist zu untersuchen, ob nicht auch das Institut der Eingriffskondiktion eine besondere Funktion bei der Ausschaltung von Faktoren besitzt, die zur Störung marktlicher Tauschvorgänge führen, die wiederum eine Voraussetzung zur Herstellung von Allokationseffizienz bilden.

1. Öffentliche

Güter

Die Möglichkeit von Tauschvorgängen am Markt setzt eine Zuweisung der Berechtigung an knappen Ressourcen immer schon voraus. Fehlt es an einer solchen Zuteilung, gäbe es nichts, was im Wege des Tausches auf andere übertragen werden könnte. Diese spezifische Zuordnung wird von der Rechtsordnung dadurch geleistet, daß sie den Individuen exklusive Handlungs- und Verfügungsrechte an den knappen Ressourcen einräumt, die es den Rechtsinhabern gestatten, autonom über die Verwendung einer Ressource zu entscheiden. In der Ökonomie werden solche Güter private Güter genannt 30 . Um zu privaten Gütern werden zu können, müssen Ressourcen gewisse Eigenschaften aufweisen, nämlich Rivalität um den Konsum des Gutes und Ausschließbarkeit. Konsumrivalität liegt vor, wenn der Ge- oder Verbrauch eines Gutes durch eine Person den gleichzeitigen Ge- oder Verbrauch durch eine andere Person ausschließt. Ausschließbarkeit heißt, daß ein Gut so beschaffen ist, daß der Zugriff Nichtberechtigter unterbunden werden kann, und daß der Berechtigte in der Lage ist, anderen den Zugriff auf sein Gut nur nach Maßgabe ihrer Zahlungsbereitschaft zu eröffnen. Charakteristisch bei sog. öffentlichen Gütern ist die Nichtausschließbarkeit von Dritten 31 . Es fehlt an der Möglichkeit, Personen, die sich an der Beschaffung bzw. Nutzung der Ressource nicht durch Zahlungen beteiligen, von den Vorteilen, die die Nutzung mit sich bringt, fernzuhalten. Solche öffentlichen Güter sind etwa die äußere und innere Sicherheit, Schutz vor Hochwasser durch Dammbau etc. Die Nichtausschließbarkeit führt dazu, daß viele Nachfrager nach dem öffentlichen Gut ihre wahren Nutzenpräferenzen nicht offenSchumann, Grundzüge der mikroökonomischen Theorie, 40. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 87; Behrens, ökonomischen Grundlagen des Rechts, 87; Schumann, a.a.O., 40f. 30 31

Die

$ 10 Marktliche

Tauschvorgänge

aus ökonomischer

Sicht

26 7

legen und die Ressource nutzen, ohne den Preis dafür zu entrichten (Schwarzfahrer). Die Öffentlichkeit des Gutes führt dazu, daß es entweder nicht geschaffen wird, weil nicht genügend Nachfrager zur Zahlung bereit sind oder daß das Gut zu intensiv genutzt wird, ohne daß sich die Nutzer an den dadurch verursachten Kosten zu beteiligen bereit sind. Die private Produktion solcher Güter würde zur Fehlallokation von Ressourcen führen. In vielen Fällen (etwa: äußere und innere Sicherheit) stellt daher der Staat die öffentlichen Güter bereit und beteiligt über das Steuersystem alle Einwohner an der Finanzierung.

2. Externe

Effekte

Ahnliche allokatorische Wirkungen wie öffentliche Güter haben externe Effekte. Bei externen Effekten handelt es sich um Wirkungen von Handlungen, die nicht beim Handelnden selbst, sondern bei einer anderen Person eintreten und daher vom Handelnden nicht in die Kosten/Nutzenrechnung für seine Handlung einbezogen werden 32 . Es kann sich dabei um positive wie auch um negative Effekte handeln. Externalitäten führen zu Verzerrungen der Güterpreise, zu einer falschen Produktionsstruktur und damit letztendlich zu Wohlfahrtsverlusten. Wenn ein Wirtschaftssubjekt gewisse negative Wirkungen, die beim Gebrauch seiner Ressourcen entstehen, nicht in sein Kosten/Nutzenkalkül einbezieht, dann wird er die Ressource intensiver nutzen als es nach den wahren Kosten gerechtfertigt wäre. Besteht die Ressourcennutzung in der Produktion von Gütern, so wird von dem betreffenden Produkt eine zu große Stückzahl hergestellt, da die externen Effekte nicht in die Kostenrechnung des Produzenten für das Produkt eingehen und demgemäß auch nicht in dem Marktpreis für dieses Produkt enthalten sind. D a dann dieser Preis zu niedrig ausfällt, sorgt die im Verhältnis zu den Kosten des Produkts zu große Nachfrage dafür, daß die Stückzahlen tendenziell zu hoch werden. Für die Erreichung des Ziels der Allokationseffizienz ist es daher von erheblicher Bedeutung, externe Effekte so weitgehend wie möglich zu internalisieren 33 . Im Hinblick auf knappe Ressourcen bewirkt das Recht diese Internalisierung externer Effekte durch die Zuweisung von Handlungs- und Verfügungsrechten, Property Rights. Es ist erst diese Institutionalisierung von Eigentumsrechten, die einerseits die Kosten und den Nutzen von Ressourcen beim Rechtsinhaber internalisiert und andererseits den Austausch knapper Ressourcen, durch den eine Verbesserung der Allokationseffizienz zu erreichen ist, ermöglicht. Allerdings gelingt die Internalisierung externer Effekte durch Property Rights nicht 32 Schumann, Grundzüge der mikroökonomischen Theorie, 40; Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 85ff.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 88. 33 Behrens, a.a.O., 86f. Vgl. auch Demsetz, Toward a Theory of Property Rights, in: Furubotn/Pejovich (Hrsg.), The Economics of Property Rights, 34.

268

Kapitel II: Ökonomische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

immer; zum Teil liegt dies daran, daß das System der Ressourcenzuordnung über Property Rights lückenhaft ist und die Kosten gewisser Aktivitäten (z.B. aus politischen Gründen) nicht dem Handelnden auferlegt werden (z.B. Umweltverschmutzungen durch die Industrie). Daneben jedoch kommt es auch dann zu externen Effekten, wenn ein Wirtschaftssubjekt eine Ressource nutzt, an der das Property Right eines anderen besteht, ohne vorher dessen Zustimmung zur Nutzung einzuholen. Aus der Sicht des Inhabers des Property Rights handelt es sich um einen negativen externen Effekt, denn der Handelnde müßte - um die Ressource nutzen zu dürfen - die Befugnis dazu erst vom Inhaber gegen ein Entgelt erwerben. Das nichtbezahlte Entgelt bezeichnet den Wert des externen Effektes. Hier liegt der zentrale Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion gemäß § 812 I 1, 2. Alt. BGB. Aus dem eben Dargelegten ergibt sich, daß die Zuordnung von Handlungs- und Verfügungsrechten für die Funktionsfähigkeit des marktlichen Güteraustausches eine überaus wichtige Rolle spielt, ja geradezu konstitutiv für den Austausch von Gütern auf Märkten ist 34 . Es wird sich zeigen, daß zwischen der Zuordnung von Property Rights und der Funktion der Eingriffskondiktion, die nach richtiger Auffassung auf den Zuweisungsgehalt absoluter subjektiver Rechte zu stützen ist, ein enger Zusammenhang besteht. Property Rights und der Zuweisungsgehalt absoluter subjektiver Rechte sind zwar keine deckungsgleichen Konzepte, doch besteht zwischen beiden Begriffen eine funktionelle Beziehung. Daher soll zunächst auf die ökonomische Theorie der Property Rights eingegangen werden.

3. Weitere Ursachen für

Marktversagen

Der Vollständigkeit halber sei hier darauf hingewiesen, daß die allokatorischen Funktionen des Marktes nicht nur durch die Existenz öffentlicher Güter und externer Effekte verhindert oder beeinträchtigt werden können. Es gibt darüber hinaus noch eine ganze Reihe von Ursachen für ein Versagen des Marktes. Dazu gehören etwa Wettbewerbsbeschränkungen, asymmetrische Informationskosten, Transaktionskosten sowie wirtschaftliche Instabilitäten. 35

Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 118 ff. Siehe dazu Behrens, a.a.O., 130ff.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 87 ff. 34

35

§11 Das Konzept der Property Rights I. Die Bedeutung eines Systems von Property Rights als Funktionsbedingung marktlicher Tauschprozesse O b e n ist dargelegt worden, daß Märkte unter bestimmten Bedingungen zur Erreichung des Ziels der Allokationseffizienz führen. Durch eine Kette von Transaktionen werden knappe Güter an den O r t alloziert, an dem sie die von den beteiligten Wirtschaftssubjekten am höchsten bewertete Nutzung entfalten. Dazu ist es erforderlich herauszufinden, welches der am Markt befindlichen Wirtschaftssubjekte die höchste Nutzenpräferenz für ein Gut hat. Deshalb institutionalisiert der Markt vor jeder Ressourcennutzung einen Bietungsprozeß, bei dem alle an der Nutzung der Ressourcen Interessierten ihre Nutzenpräferenz in Form ihrer Zahlungsbereitschaft für die Verwendung der Ressource offenlegen. Dabei setzt sich diejenige Nutzenpräferenz mit der höchsten Zahlungsbereitschaft durch 1 . Die Funktionsfähigkeit des Marktes im Hinblick auf eine effiziente Allokation knapper Ressourcen setzt eine in spezifischer Weise abgesicherte und durchgesetzte Zuordnung von Ressourcen an die Wirtschaftssubjekte voraus. Die Institutionalisierung eines Systems von Handlungs- und Verfügungsrechten ermöglicht erst die Transaktionen, die zwischen nutzenmaximierenden, nach den eigenen Präferenzen handelnden Wirtschaftssubjekten vorgenommen werden und die unter bestimmten Voraussetzungen zu einer Pareto-Verbesserung und damit nicht nur zu einer Nutzenmaximierung der unmittelbar an der Transaktion Beteiligten, sondern zugleich zu einer Mehrung des gesamtgesellschaftlichen Wohlstands führen 2 .

1 Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 114; Hirsch, Law and Economics, 18; Burrows/Veljanowski, The Economic Approach to Law, 9; Posner, Economic Analysis of Law, 28; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 455f.; Richter, Ökonomische Theorie des Privateigentums: Thema und Variationen, Jb. f. Sozialwiss. 44 (1993), 31 Iff. (319). 2 Schäfer/Ott, a.a.O., 22ff.; Posner, Economic Analysis of Law, 32ff.; Behrens, a.a.O., 114; Richter, Ökonomische Theorie des Privateigentums, Jb. f. Sozialwiss. 44 (1993), 319; Alchian, Property Rights, in: Eatwell/Milgate/Newman (Eds.), The New Palgrave. A Dictionary of Economics, Vol. 3, 1031; Willgerodt, Eigentumsordnung, in: HdWW, Bd. 2, 176.

270

Kapitel II: Ökonomische

II. Entstehung

Grundlagen

und Entwicklung

der

Eingriffskondiktion

von Property Rights

1. Ausschließlichkeitsrechte und Allokationseffizienz Die spezifische Problemstellung, die die Entwicklung von Property Rights zum Zwecke der Transaktion knapper Ressourcen mit dem Ziel von Allokationseffizienz erforderlich gemacht hat, läßt sich am besten dadurch deutlich machen, daß man die ökonomischen Nutzungsbedingungen von Ressourcen betrachtet, die eben nicht im Wege über ein Property Right einem Rechtsinhaber exklusiv zugewiesen, sondern die in dem Sinne gemeinfrei sind, daß sie von allen Mitgliedern einer Gemeinschaft unter denselben Bedingungen und ohne die Möglichkeit zum Ausschluß der anderen Gesellschaftsmitglieder genutzt werden dürfen. Im ökonomischen Schrifttum werden die nachteiligen ökonomischen Folgen (= Effizienzverluste), die durch freie Güter entstehen, häufig an Beispielen aus der Land- oder Fischereiwirtschaft demonstriert 3 . Stellt man sich die Nutzung einer Weide durch Landwirte vor, die dort ihre Kühe weiden lassen, so führt die Voraussetzung der Nichtausschließbarkeit dazu, daß jeder Bauer beliebig viele Kühe auf die Wiese treiben darf. Die Gemeinfreiheit der Wiese führt zu verhängnisvollen wirtschaftlichen Folgen. In seinem bekannt gewordenen Aufsatz unter dem Titel „The Tragedy of the Commons" hat Hardin auf die übermäßige Nutzung des freien Gutes hingewiesen, die durch die Nichtausschließlichkeit verursacht wird 4 . Unter Effizienzkriterien wird die Wiese übermäßig genutzt werden, weil die Bauern tendenziell zu viele Kühe grasen lassen werden. Ist das Recht zur Nutzung der Wiese einem Bauern exklusiv zugewiesen, so liegt eine effiziente Nutzung dann vor, wenn der Ertrag im Verhältnis zu den Kosten optimiert wird: d. h. wenn die Nutzung der Wiese so ausgestaltet wird, daß die Differenz zwischen Ertrag und Gesamtkosten der Aktivität unter den gegebenen Umständen am größten ist. Besteht an der Wiese kein Ausschließungsrecht, sieht die Sache anders aus. Der einzelne Bauer wird so lange zusätzliche Kühe auf die Weide treiben, wie der Durchschnittsertrag höher ist als die Kosten, die der Bauer selbst zu tragen hat. Die Kosten jedoch, die dadurch anfallen, daß der Grasvorrat durch die zusätzliche Kuh vermindert wird und der Nutzen der Wiese insgesamt für alle 3 Demsetz, Toward a Theory of Property Rights, in: Furubotn/Pejovich (Hrsg.), The Economics of Property Rights, 35 f. (Indianer-Beispiel); Lehmann, Bürgerliches Recht und Handelsrecht - eine juristische und ökonomische Analyse, 36 ff. (Fischerei); ders., Eigentum, geistiges Eigentum, gewerbliche Schutzrechte, G R U R Int. 1983,356f.; Coase, The Problem of Social Cost, in: Breit/Hochman (Hrsg.), Microeconomics, 423 ff. (424 ff.) (Nutzungskonflikte zwischen Farmer und Eisenbahngesellschaft); Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 457f.; Posner, Economic Analysis of Law, 33ff.; Cooter/Ulen, Law and Economics, 88 ff. 4 Hardin, The Tragedy of the Commons, in: Ackerman (Hrsg.), Economic Foundations of Property Law, 2 ff. (4 ff.).

§11

Das Konzept

der Property

Rights

271

Bauern sinkt, bezieht der Bauer nicht in seine Rechnung ein, weil diese Kosten nicht bei ihm (allein), sondern bei allen Bauern anfallen, der Ertrag aus der Kuh allerdings bei ihm allein zu Buche steht. Genauso liegt es bei den Investitionen, die zur Erhaltung der Ressource erforderlich sind. Wenn hier ein Bauer Dünger auf seine Kosten erwirbt und die Wiese düngt, kommt die Verbesserung der Wiese nicht ihm allein, sondern allen Nutzern zugute. D a er 1 0 0 % des Düngers bezahlt, aber z . B . bei der gleichmäßigen Nutzung der Wiese durch 10 Bauern nur zu 1 0 % von der Verbesserung der Wiese profitiert, wird er es unterlassen, eine solche Investition vorzunehmen. Generalisierend läßt sich sagen, daß Güter, an denen keine Ausschließungsrechte bestehen und auf die alle Mitglieder einer gegebenen Gesellschaft freien Zugriff haben, übermäßig genutzt werden und daß zu wenig in solche Güter investiert wird, um die Substanz zu erhalten und die Ressource zu verbessern 5 . Geht man vom rational handelnden, nutzenmaximierenden Wirtschaftssubjekt aus, so wäre es vernünftig, wenn die Beteiligten durch Rechtsgeschäft vereinbaren würden, die Nutzung der Ressource auf ein gewisses Maß zurückzuschrauben und alle an notwendigen Erhaltungsinvestitionen zu beteiligen. Eine solche Aushandlung von Nutzungsbeschränkungen würde jedoch - vor allem in größeren Gesellschaften - auf solche Transaktionskosten treffen, daß die vertragliche Vereinbarung unterbliebe. Eine solche Vereinbarung müßte - da keine Ausschlußrechte bestehen - dem Einstimmigkeitserfordernis folgen, d.h., ein solcher Vertrag würde die ökonomischen Probleme des Gemeineigentums nur dann wirksam beseitigen, wenn sich alle Beteiligten entsprechend den vertraglichen Abmachungen verhalten. Das Erfordernis der Einstimmigkeit wiederum räumt den einzelnen Wirtschaftssubjekten die Möglichkeit ein, die Zustimmung zu dem wirtschaftlich sinnvollen Verhalten nur für die Einräumung besonderer Vorteile zu geben (hold-out-Verhalten) 6 . Darüber hinaus wäre es für ein Eigennutzen maximierendes Wirtschaftssubjekt vorteilhaft, wenn alle anderen sich an die Ubereinkunft hielten, es sich selbst aber darüber hinwegsetzen würde (Schwarzfahrer-Phänomen) 7 . Aus diesen Gründen ist die freiwillige Festlegung von Nutzungsbeschränkungen bei Gegenständen, die keinem Ausschließungsrecht unterliegen, nur schwer möglich. Die allokative Effizienz der Verwendung knapper Güter verlangt den Ausschluß des freien Zugriffs auf knappe Ressourcen durch alle Mitglieder einer Gesellschaft und die Zuweisung eines exklusiven Nutzungsrechts auf einen Rechtsinhaber. 5 Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 116 f.; Pejovich, Towards an Economic Theory of the Creation and Specification of Property Rights, in: Manne (Hrsg.); The Economics of Legal Relationships, 37ff. (39f.); Meyer, Entwicklung und Bedeutung des Property Rights-Ansatzes in der Nationalökonomie, in: Schüller (Hrsg.), Property Rights und ökonomische Theorie, 1 ff. (24 ff.); Posner, Economic Analysis of Law, 32 f. 6 Siehe dazu Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 475 ff.; Posner, a.a.O., 62f. 7 Schäfer/Ott, a.a.O., 477f.; Behrens, a.a.O., 117.

272

Kapitel II: Ökonomische Grundlagen der

2.

Eingriffskondiktion

Anreizwirkungen

D i e Institutionalisierung eines Systems von Property Rights, das z. B . Sachen (Eigentum und v o m Eigentum abgespaltene Rechte), Erfindungen (Patentrecht), künstlerische, literarische und wissenschaftliche Werke (Urheberrecht), Waren- und Dienstleistungsmarken (Markenrecht) etc. umfaßt, hat nicht nur Auswirkungen auf die Allokationseffizienz von knappen Gütern. Aus der Sicht der einzelnen Wirtschaftssubjekte weist das System der P r o perty Rights auch Anreiz- und Belohnungswirkungen auf 8 . D i e Zuweisung ausschließlicher Nutzungsbefugnisse an knappen G ü t e r n ermöglicht es dem einzelnen Wirtschaftssubjekt (und zwingt es), Kosten und Nutzen seiner Handlungen einander gegenüberzustellen sowie die Opportunitätskosten alternativer Handlungsmöglichkeiten bei seinen Entscheidungen zu berücksichtigen. Mit der Einräumung eines ausschließlichen Nutzungsrechts ist der Umstand verbunden, daß sich die positiven und negativen Folgen des Verhaltens eines Wirtschaftssubjekts in Bezug auf eine konkrete N u t z u n g der Ressource allein in seinem Vermögen niederschlagen und nicht anderen Wirtschaftssubjekten zugute k o m m e n bzw. zur Last fallen. Genau dies macht den Unterschied zu Ressourcen aus, die allen oder - was dasselbe ist - keinem gehören: Bei diesen werden die Folgen von N u t z u n g s entscheidungen nicht beim einzelnen N u t z e r wirksam, der die Entscheidung über die Verwendung trifft, sondern solche Entscheidungen wirken sich immer auf alle N u t z e r aus.

III.

Güter, Rechte, Property

Rights

O b e n wurde auf die ö k o n o m i s c h e n Folgen eingegangen, die sich für die Allokationseffizienz ergeben, wenn G ü t e r einem Wirtschaftssubjekt exklusiv zugewiesen sind oder wenn sie in Gemeineigentum stehen. Von zentraler B e deutung für die Theorie der Property Rights ist der Zusammenhang von G ü tern, Rechten und Property Rights.

1. Güter und Property Rights Als Güter bezeichnet die Ö k o n o m i e Mittel, die zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse geeignet sind 9 . Diese Mittel dienen dadurch der Erfüllung menschlicher Bedürfnisse, daß sie von den Menschen zum Zwecke der B e 8 Meyer, Entwicklung und Bedeutung des Property Rights-Ansatzes in der Nationalökonomie, in: Schüller (Hrsg.), Property Rights und ökonomische Theorie, 23; Lehmann, Theorie der Property Rights und Schutz des geistigen und gewerblichen Eigentums, in: Neumann (Hrsg.), Ansprüche, Eigentums- und Verfügungsrechte, Schriften des Vereins f. Socialpolitik, N.F. Bd. 140 (1984), 519ff. (523f.); Lehmann, Bürgerliches Recht und Handelsrecht, 44. 9 Vahlens Wirtschaftslexikon, Bd. 2, 870.

§ 11 Das Konzept der Property

Rights

273

dürfnisbefriedigung genutzt werden können. Als Gegenstände des Wirtschaftsverkehrs treten einerseits körperliche Sachen, die Arbeitskraft von Menschen sowie (körperlich nicht faßbare) Energieträger in Erscheinung; daneben aber werden auch Rechte an Gütern gehandelt, z.B. Patente als Rechte an Erfindungen, Urheberrechte als Rechte an geistigen Schöpfungen, Forderungen etc. In der Rechtswissenschaft werden solche Güter als Rechte behandelt. In der Ökonomie war seit langem anerkannt, daß Rechte und sog. Verhältnisse (z.B. der Kundenstamm - Good Will) von Unternehmen als knappe Ressourcen und damit als Güter anzusehen sind. Uber die Sachen hinaus wird der Kreis der wirtschaftlichen Güter damit um Rechte und Verhältnisse erweitert. Dies führt zu gewissen Unstimmigkeiten bei der Wertermittlung von Gegenständen. Wenn etwa Sachen und Rechte nebeneinander als werthaltige Wirtschaftsgüter bestehen, müssen sie dann in der Vermögensaufstellung eines Rechtsträgers auch separat erfaßt werden? Ist ein Grundstück etwa als Sache mit einem Wert zu erfassen und daneben noch das Eigentum daran? Diese Fragen hat der österreichische Nationalökomom Eugen von BöhmBawerk am Ende des letzten Jahrhunderts aus volkswirtschaftlicher Sicht untersucht. Er kommt dabei zu dem Schluß, daß die Eigenschaft von Gegenständen als wirtschaftliche Güter davon abhängt, daß - jedenfalls in der rechtlich organisierten Gesellschaft - die juristisch abgesicherte Verfügungsmacht eines Wirtschaftssubjekts an dem Gegenstand besteht. „... denn das wirtschaftliche Wesen des Vermögensrechts ist immer ein und dasselbe durch alle Stufen der Innigkeit und Unmittelbarkeit hindurch, mit welcher es Güter in unserem Vermögenskreis bettet: vom Eigentumsrechte angefangen über die schwächeren oder partielleren Rechte der Forderungen, Dienstbarkeiten usw. bis zu den mittelbarsten und im Gegenstand minder scharf abgegrenzten Rechten, wie Autorrechten, Monopolrechten, Rechten aus einem Hoffnungskauf, Rechten auf Rechte, wie z.B. Erbrechte auf Forderung oder auf Patentrechte es sind: und nach diesem gleichbleibenden Wesen sind die Rechte nie Güter für sich, sondern jederzeit bloße Bedingungen der subjektiven Gutsqualität ihrer Objekte; konkret gesprochen, die Form, welche die allgemeine Bedingung jeder Gutsqualität: Verfügungsmacht über das Ding' in der rechtlich organisierten Gesellschaft anzunehmen oder doch mit zu erfordern pflegt"10. Rechte (und ebenso Verhältnisse wie z. B. der Kundenstamm von Unternehmen) sind daher nicht als solche Güter; sie sind vielmehr unabdingbare Voraussetzung der Gütereigenschaft. Eugen v. Böhm-Bawerk sieht in den Rechten „gewissermaßen die juristischen Schatten, welche die Rechtsgüter in unser Vermögensbild werfen: Kein Recht ohne reales Rechtsobjekt"11. Darüber hinaus präzisiere v. Böhm-Bawerk die ökonomische Bedeutung des Güterbegriffs: Es sind die Nutzleistungen, die die Menschen zum Zweck der Bedürfnisbefriedigung erstreben. 10 v. Böhm-Bawerk, Güterlehre, 102. 11 v. Böhm-Bawerk,

Rechte und Verhältnisse vom Standpunkte der volkswirtschaftlichen a.a.O., 101.

274

Kapitel II: Ökonomische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

„ U m sie (die Bedeutung der Nutzleistungen, R . E . ) gebührend zu charakterisieren, müssen wir einen Schritt weitergehen und hinzufügen, daß die Menschen die Sachgüter überhaupt nur um der Nutzleistungen willen begehren, die sie von ihnen zu erlangen hoffen, und daß die Nutzleistungen nicht bloß gelegentlich eine wirtschaftliche Selbständigkeit neben den Gütern zu erlangen fähig sind, sondern daß im G e genteil sie - und nicht die Güter - prinzipiell die primären Einheiten, die eigentlichen Elemente unserer Wirtschaftsmittel bilden, von denen die Güter ihre eigene Bedeutung erst in zweiter Linie ableiten und erborgen" 1 2 .

Die Sachgüter sind zur Bedürfnisbefriedigung der Menschen insoweit von Bedeutung, als sie sich als Bündel von Nutzleistungen zusammenfassen lassen. Das Interesse der Wirtschaftssubjekte richtet sich teils auf das Gesamtbündel an (potentiellen) Nutzleistungen eines Gutes, teils aber nur auf einzelne Ausschnitte solcher Leistungen. Das Sachgut kann ein bebautes Grundstück sein, das umfassende Verfügungsrecht, das alle Nutzleistungen erfaßt, ist das Eigentum. Einzelne Nutzleistungen hingegen sind etwa Dienstbarkeiten dinglicher und persönlicher Art, Wegerechte, Pacht und Miete. Aus dieser Beobachtung zieht v. Böhm-Bawerk den Schluß, das die Rechte an Gütern im Wirtschaftsleben das Entscheidende sind: Sie beschreiben konkret die einem Wirtschaftssubjekt zustehenden Nutzleistungen eines Gutes. Deutlich wird dabei die entscheidende Rolle des Rechts. Von einer Verfügungsgewalt über Nutzleistungen eines Gutes läßt sich nur dann sprechen, wenn der Zugriff auf das Gut (z.B. Sache, Information, Erfindung) zur Erzielung der Nutzleistung rechtlich abgesichert ist; denn nur dann besteht eine hinreichende Gewißheit, daß dem Rechtsinhaber die im Gut zusammengefaßten Nutzleistungen auch tatsächlich zur Verfügung stehen. Diese Gedankengänge kehren wieder in der Entwicklung der Theorie der Property Rights durch amerikanische Nationalökonomen. Bei der Frage, was Property Rights eigentlich sind und in welchem Verhältnis das Konzept der Property Rights zum ökonomischen Güterbegriff steht, finden sich - wenn auch ohne ausdrückliche Bezugnahme - die Gedankengänge v. Böhm-Bawerks fast deckungsgleich wieder. So definieren Furubotn/Pejovich Property Rights als mit Sanktionsmechanismen versehene Verhaltensbeziehungen zwischen Menschen in Bezug auf Güter und deren Nutzung. „Property Rights are understood as the sanctioned behavioural relations among men that arise from the existence of goods and pertain to their use. These relations specify the norms of behaviour with respect to goods that each and every person must observe in his daily interactions with other persons, or bear the cost of non-observance" 1 3 .

Daraus wird deutlich, daß die Property Rights Theorie Property Rights nicht als Rechtsbeziehungen zwischen Mensch und Sache (oder einem anderen 12 v. Böhm-Bawerk, Rechte und Verhältnisse vom Standpunkte der volkswirtschaftlichen Güterlehre, 53 f. 13 Furubotn/Pejovich, Introduction, The new Property Rights Literature, in: dies., The Economics of Property Rights, 3.

§11

Das Konzept

der Property

Rights

275

Gegenstand außerhalb des Rechtssubjekts) ansieht, sondern als verbindlichen (sanctioned) Orientierungsrahmen für Handlungsmöglichkeiten in Bezug auf die Nutzung von Gütern. Die Handlungsmöglichkeiten, die ein Property Right eröffnet, sind dabei als Beziehung zwischen Personen aufzufassen 14 . Im Fall des Sacheigentums ist dies so zu verstehen, daß das Property Right „Eigentum" an einer Sache dem Eigentümer eine weitgehende, nur durch die Rechtsordnung begrenzte Verfügungsmacht über den Gegenstand einräumt. Das Eigentum setzt den Rechtsinhaber in die Lage, im Rahmen der Rechtsordnung autonom über die Verwendung der Sache zu entscheiden und die von ihm gewollte Ressourcenverwendung ohne Einwilligung anderer Personen durchzusetzen. Andererseits sind alle anderen Personen verpflichtet, Verwendungsentscheidungen des Rechtsinhabers in Bezug auf die Ressource zu dulden und sich eigener Entscheidungen hinsichtlich der Nutzung in der Sache zu enthalten 15 . Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß das Konzept der Property Rights nicht physische oder immaterielle Gegenstände (z.B. bewegliche oder unbewegliche Sachen, Erfindungen, literarische und künstlerische Werke) als wirtschaftliche Güter begreift, sondern Bündel von Nutzungsrechten an den Ressourcen als Güter im wirtschaftlichen Sinne versteht. Solche Handlungsrechte sind z . B . das Recht, eine Sache zu gebrauchen, sie zu veräußern, oder Früchte aus der Sache zu ziehen 1 6 . Ihre Aufgabe sieht die Theorie der Property Rights in der Erforschung folgender Problemstellungen: 1. Struktur der Property Rights (welche Handlungsrechte existierten zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer Gesellschaft?). In welchen Bündelungen sind die Handlungsrechte zusammengefaßt worden?). 2. Gestaltung der Property Rights im Hinblick auf die Erreichung von Allokationseffizienz (normative Fragestellung). 3. Entstehung und Veränderung von Handlungsrechtsbündeln. 4. Die Funktionen von Property Rights 1 7 . Property Rights werden - wie oben bereits dargelegt - als sozial akzeptierte Verhaltensweisen von Menschen aufgefaßt, die mit der Knappheit von Gütern zusammenhängen und sich auf die Nutzung dieser Güter beziehen. Wie sich 14 Siehe Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 122; Meyer, Entwicklung und Bedeutung des Property Rights-Ansatzes in der Nationalökonomie, in: Schüller (Hrsg.), Property Rights und ökonomische Theorie, 1 ff. (19). 15 Behrens, a.a.O., 123. 16 Meyer, Entwicklung und Bedeutung des Property Rights-Ansatzes in der Nationalökonomie, in: Schüller (Hrsg.), a. a. O., 23; Hesse, Zur Erklärung der Änderung von Handlungsrechten mit Hilfe ökonomischer Theorie, in: Schüller, (Hrsg.), a. a. O., 79 (Handlungsrechte); Lehmann, Bürgerliches Recht und Handelsrecht, 32; Furubotn/Pejovich, Introduction, in: Furuhotn/Pejovich, The Economics of Property Rights, 3; Gaefgen, Entwicklung und Stand der Theorie der Property Rights: Eine kritische Bestandsaufnahme, in: Neumann, a. a. O., 43 ff. (44); Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 78f. 17 Siehe dazu Schäfer/Ott, a.a.O., 79f.; Hesse, Zur Erklärung der Änderung von Handlungsrechten mit Hilfe ökonomischer Theorie, in: Schüller, (Hrsg.), a.a.O., 79ff. (82).

276

Kapitel II: Ökonomische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

später zeigen wird, spielt die Eingriffskondiktion eine wichtige Rolle bei der Sicherstellung des Funktionierens von Property Rights. Um diese Rolle zutreffend erfassen zu können, ist es wichtig, die Funktion und die Eigenschaften von Property Rights als sozial (d.h.: rechtlich) sanktionierte Handlungs-, Verfügungs- und Nutzungsrechte zu verstehen.

2. Die Internalisierung

externer Effekte durch Property Rights

Auf die wichtigste Funktion von Property Rights hat Demsetz hingewiesen: Handlungs-, Verfügungs- und Nutzungsrechte dienen dazu, externe Effekte zu internalisieren18. Die Institutionalisierung von Property Rights zwingt die Handelnden dazu, Ressourcen, deren Nutzung sie für ihre ökonomischen Zwecke bedürfen, im Tauschwege zu erwerben, bevor sie sie nutzen dürfen. Dadurch gehen die Kosten dieser Nutzung in die Wirtschaftlichkeitsrechnung, die das Wirtschaftssubjekt für seine Handlung aufstellt, ein. Damit wird wenn weitere Voraussetzungen vorliegen - die Möglichkeit einer effizienten Nutzung der Ressourcen geschaffen. Die Institutionalisierung von Property Rights in Bezug auf knappe Ressourcen geschieht in der Weise, daß einem Individuum die ausschließliche Befugnis eingeräumt wird, über die Nutzung einer Ressource zu entscheiden und alle anderen Individuen, die Nichtinhaber des Property Rights über die betreffende Ressource sind, eine solche Entscheidung nicht treffen dürfen. Stünde jedermann ein freier Zugriff auf knappe Ressourcen zu, käme es - wie oben bereits dargestellt - zu einer übermäßigen Nutzung der Ressourcen und zu unteroptimalen Investitionen für ihre Erhaltung. „A primary function of Property Rights is that of guiding incentives to achieve a greater internalisation of externalities. ... T h e thesis can be restated in a slightly different fashion: Property Rights develop to internalise externalities when the gains of internalisation become larger than the cost of internalisation" 1 9 .

Property Rights dienen demnach dazu, externe Effekte, die mit der Nutzung einer Ressource verbunden sind, bei demjenigen zu internalisieren, der für die Entscheidung über die Ressourcenverwendung zuständig sein soll. Will ein anderer die Ressource nutzen, so muß er das Recht dazu vom Inhaber erwerben und diesen für die Nutzung entschädigen. Auf diese Weise ermöglicht die Institutionalisierung von Property Rights als exklusiven Handlungs-, Verwertungs- und Nutzungsrechten die Durchführung marktlicher Tauschprozesse, 18 Demsetz, Toward a Theory of Property Rights, in: Furubotn/Pejovich (Hrsg.), The Economics of Property Rights, 31 ff. Siehe dazu auch Krüsselberg, Property Rights - Theorie und Wohlfahrtsökonomik, in: Schüller (Hrsg.), a.a.O., 45ff. (67f.); Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 119. 19 Demsetz, Toward a Theory of Property Rights, in: Furubotn/Pejovich (Hrsg.), a.a.O., 34.

§11

Das Konzept

der Property

Rights

277

die wiederum tendenziell effizienzfördernde Wirkungen aufweisen, weil sie eine Ressource an den Ort ihrer - anhand der von den Nutzungsinteressierten offenbarten Zahlungsbereitschaft ermittelten - höchsten Nutzung bringen. Hat demgegenüber jedermann freien Zugriff auf die Ressource, stellen sich solche Wirkungen nicht ein. Wegen der effizienzsteigernden Effekte des Systems von Property Rights ist es sinnvoll, möglichst alle knappen Ressourcen in das System von exklusiven Handlungs-, Verfügungs- und Nutzungsrechten zu integrieren. Allerdings bestehen bei der Internalisierung externer Effekte (auch der freie Zugriff aller auf eine Ressource läßt sich als Externalität auffassen) Grenzen: Als Nutzenmaximierer handelnde Ressourcenverwender werden die mit einer Internalisierung verbundenen Kosten nur dann zu tragen bereit sein, wenn die Gewinne, die mit einer solchen Internalisierung verbunden sind, die Kosten dafür übersteigen. Die Institutionalisierung eines Systems von Property Rights ist mit erheblichen Kosten verbunden. Die Begründung von Property Rights als Handlungs-, Verfügungs- und Nutzungsrechte an Ressourcen setzt die Beherrschbarkeit der Ressourcen voraus. Mit der Begründung von Property Rights verbunden ist immer die Exklusivität der Nutzung einer Ressource durch den Inhaber des Rechts. Die Durchsetzung dieser Exklusivität erfordert, daß der Gegenstand, auf den sich das Recht bezieht, abgrenzbar und beherrschbar ist. Fehlt es an dieser Eigenschaft - wie etwa bei öffentlichen Gütern - , so ist die Einräumung von Handlungs-, Verfügungs- und Nutzungsrechten nicht oder nur sehr schwer möglich. Kosten werden auch durch die Rechtsverteidigung verursacht. Eine wesentliche Funktion unserer rechtlichen Institutionen (Normen, Gerichtsorganisation, Rechtsanwälte etc.) besteht darin, miteinander in Widerspruch stehende Rechtspositionen, die gleichgeordneten Rechtssubjekten zustehen, kompatibel zu machen bzw. gegeneinander abzugrenzen. Solche Kosten entstehen nicht in einem ökonomischen System, welches keine Property Rights kennt. Dann allerdings wird die Verteilung der vorhandenen knappen Ressourcen nicht von der Entscheidung der Rechtsordnung, sondern von den faktischen Macht- und Einflußmöglichkeiten der am Wettlauf um die knappen Güter beteiligten Parteien determiniert. „The first issue which must be faced by any legal system is one we call the problem of .entitlement'. Whenever a state is presented with the conflicting interests of two or more people, or two or more groups of people, it must decide which side to favour. Absent such a decision, access to goods, services and life itself will be decided on the basis of ,might makes right' - whoever is stronger or shrewder will win. Hence the fundamental thing law does is to decide which of the conflicting parties will be entitled to prevail. ... Having made its initial choice, society must enforce that choice. Simply settling the entitlement does not avoid the problem of .might makes right'; a minimum state intervention is always necessary"20. 20 Calabresi/Melamed, Property Rules, Liability Rules and Inalienability: One View of the Cathedral, 85 Harv.L.R. (1972), 1089 = Ackerman, Economic Foundations of Property Law, 31 f.

278

Kapitel II: Ökonomische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

Das Problem der Kosten von Property Rights läßt sich gut am Beispiel des Patentrechts demonstrieren. Das Patentrecht begründet ein ausschließliches Handlungs-, Verfügungs- und Nutzungsrecht des Erfinders an seiner Erfindung. Die Erfindung ist ein immaterielles Gut; als Information fehlt ihr das Merkmal der Konsumrivalität: Die synchrone Nutzung der Information durch mehrere Nutzer - sogar an verschiedenen Orten - ist möglich, ohne daß sich die verschiedenen Nutzer gegenseitig in ihrer Nutzung der Ressource behindern. Die Erfindung weist daher Merkmale eines öffentlichen Gutes auf. U m die Begründung eines Property Rights (eben des Patentrechts) an der Ressource Erfindung zu ermöglichen, muß die Rechtsordnung erst die Voraussetzungen schaffen, um die Zuweisung des Property Rights an den Erfinder vornehmen und die Ausschließlichkeit durchsetzen zu können. Ein wesentliches Erfordernis dazu ist zum einen, daß der Umstand, daß es sich bei einer bestimmten Information um ein ausschließlich zugewiesenes Patentrecht handelt, allen Interessierten erkennbar gemacht wird. Die im Rahmen eines Wirtschaftssektors handelnden Personen müssen zumindest die Möglichkeit haben zu erkennen, daß die Nutzung einer bestimmten Information, der Erfindung, dem Erfinder allein zusteht und sie selbst die Information nicht ohne Zustimmung des Erfinders nutzen dürfen. Weiterhin muß der Umfang der geschützten Ressource publik gemacht werden; das Exklusivrecht des Erfinders endet an der sachlichen Grenze der Erfindung. Jenseits dieser Grenze herrscht die Handlungsfreiheit aller Rechtssubjekte. Schließlich müssen zur Verminderung der Transaktionskosten Angaben über den Erfinder bekannt gemacht werden, der für die Einräumung von Lizenzen zuständig ist. Diese Voraussetzungen werden dadurch geschaffen, daß die Erfindung in ein Register (Patentrolle) eingetragen wird 2 1 . Darüber hinaus steht Interessierten der Einblick in die vom Anmelder eingereichten Anträge und technischen Unterlagen, die beim Patentamt vorliegen, offen 2 2 . Bevor ein Patent vom Patentamt erteilt wird, muß in einem umfänglichen Verfahren geklärt werden, ob die Erfindung die für eine Patenterteilung notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt 23 . Die Institutionalisierung eines Property Rights für Erfindungen erfordert also die Tätigkeit einer speziellen Behörde, komplizierte Verfahren und die Publizität der Erfindung. Dies alles ist nicht kostenlos, sondern im Gegenteil außerordentlich kostspielig. Dennoch spricht viel dafür, daß letztlich bei Erfindungen die Gewinne aus der Internalisierung ihre Kosten übersteigen. Das Property Right Patent sichert dem Erfinder für einen begrenzten Zeitraum die Erträge aus der Nutzung seiner Erfindung. Darin liegt ein Anreiz für Erfinder, ihre Energie für die Entwicklung innovativer technischer Ideen einzusetzen, 21 22 23

§ 30 PatG. § 31 PatG. §§35ff. PatG.

§11

Das Konzept

der Property

Rights

279

dafür Kosten aufzuwenden und mit ihren Erfindungen zum gesamtgesellschaftlichen Wohlstand beizutragen24. Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Internalisierung von externen Effekten im Hinblick auf die Nutzung knapper Ressourcen erst deren marktlichen Tausch und eine effiziente Nutzung solcher Ressourcen ermöglicht. Daher ist anzustreben, möglichst alle knappen Güter im Rahmen der Institutionalisierung eines Systems von Property Rights exklusiv zuzuweisen. Allerdings ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, daß die Entscheidung darüber, welche Gegenstände Property Rights unterworfen werden sollen und wie die Reichweite der einzelnen absoluten Rechte im Detail abzugrenzen ist, sehr schwierig zu treffen ist. Eine einmal getroffene Entscheidung kann sich im Lichte neuer technisch-wissenschaftlicher, ökonomischer oder sozialer Entwicklungen als revisionsbedürftig erweisen. Beispielhaft sei in diesem Zusammenhang auf die Diskussion hingewiesen, die in den Vereinigten Staaten unter dem Schlagwort „Tragedy of the Anti-Commons" zur Reichweite des Patentrechts geführt wird. Damit wird Bezug genommen auf den Titel des Aufsatzes von Hardin25, in dem dieser die nachteiligen ökonomischen Folgen aufgezeigt hatte, die beim Fehlen von Ausschließlichkeitsrechten an knappen Gütern eintreten und die vor allem in einer übermäßigen Nutzung solcher Güter bestehen. Umgekehrt kann durch eine zu weitgehende Unterwerfung von Ressourcen unter Ausschließlichkeitsrechte eine unteroptimale Nutzung von Gütern verursacht werden, die wiederum zu gesellschaftlichen Wohlfahrtsverlusten führt. Das auslösende Moment für die erwähnte Diskussion war die Patentierungspraxis amerikanischer Hochschulen und Forschungsinstitute vor allem auf dem Gebiet der Biomedizin. Aufgrund des Bayh-Dole Act 1980 26 sind amerikanische Universitäten, die mit Bundesmitteln finanzierte Forschungsprogramme durchführen, verpflichtet, die Ergebnisse dieser Forschung patentrechtlich schützen zu lassen. Diese Praxis hat dazu geführt, daß innovative naturwissenschaftliche Information viel umfänglicher als zuvor Gegenstand patentrechtlichen Schutzes geworden ist. Da in den USA viele Institutionen naturwissenschaftliche Forschung betreiben, sind die Patente weit verstreut und in den Händen einer Vielzahl von Personen. Dieser Umstand erhöht die Transaktionskosten für Nutzungsinteressenten. Der Zugang zu wichtigen Informationen wird schwieriger und teurer. Dadurch entsteht die Gefahr, daß eine Weiterentwicklung des bereits vorhandenen Wissens in geringerem Umfang stattfindet 24 Bernhardt/Kraßer, Lehrbuch des Patentrechts, § 3 1 (S. 23); Benkard, Patentgesetz, Einl. Rz. 1; Lehmann, Theorie der Property Rights und Schutz des geistigen und gewerblichen Eigentums, in: Neumann (Hrsg.), a. a. O., 523 ff.; v. Weizsäcker, Rechte und Verhältnisse in der modernen Wirtschaftslehre, Kyklos 34 (1981), 345 ff. (358 ff.); Posner, Economic Analysis of Law, 38 ff.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 509 ff. 25 Hardin, The Tragedy of the Commons, 162 Science (1968), 1243, auch abgedruckt in Ackerman, Economic Foundation of Property Law, 2 ff. 2 6 3 5 U . S . C . 200-211,391-307.

280

Kapitel II: Ökonomische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

als dies bei offen zugänglichen Informationen möglich wäre 27 . Ähnliche Probleme werden auch für den Schutz von Geschäftsgeheimnissen, das Urheberrecht und den Schutz des Inhalts von Datenbanken gesehen 28 , wie er im europäischen Gemeinschaftsrecht geregelt ist29. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist noch nicht abzusehen, ob diese Diskussion zu Modifikationen des Schutzes von Informationen durch Ausschließlichkeitsrechte in der amerikanischen Rechtsordnung führen wird.

3. Die Senkung von

Transaktionskosten

Die Institutionalisierung von Property Rights dient neben der Beseitigung externer Effekte auch der Senkung von Transaktionskosten. Transaktionskosten sind die Kosten der Benutzung des Marktes zu Zwekken des Ressourcentransfers. Mit jeder marktlichen Transaktion sind für die Agierenden bestimmte Kosten verbunden, die sich z.B. aus Informationskosten, Verhandlungskosten, Vertragsabschluß- und Durchsetzungskosten konstituieren 30 . Solche Transaktionskosten können Transfers von Ressourcen ausschließen, auch wenn diese nach dem Verhältnis der Nutzenpräferenzen der Beteiligten zu einer Pareto-Verbesserung geführt hätten. Die Problematik der Transaktionskosten hängt damit zusammen, daß ein nutzenmaximierendes Individuum eine Maßnahme (z.B. eine bestimmte Markttransaktion) nur dann durchführen wird, wenn der Nutzen, den es aus der Maßnahme zieht, die Kosten übersteigt, die die Maßnahme mit sich bringt. Daher wird eine Transaktion nur dann vorgenommen werden, wenn der Nutzen den jeder der beiden Beteiligten daraus zieht, höher ist als die Transaktionskosten, die jeder von ihnen zu tragen hat. Daraus folgt die Notwendigkeit, Transaktionskosten möglichst gering zu halten 31 .

27

Heller/Eisenberg, C a n Patents Deter Innovation? The A n t i c o m m o n s in Biomedical Research, 280 Science 698; umfassender Dam, Intellectual Property and the Academic Enterprise, Keynote Address at the Conference on The C h a n g i n g U s e and Character of Intellectual Property, The National A c a d e m y of Sciences, Washington, D.C., Dec. 3—4, 1998; Reichman/ Franklin, Privately Legislated Intellectual Property Rights: Reconciling Freedom of Contract w i t h Public Good Uses of Information, 147 U . of Pa. L.R. (1999), 875 ff. 28 Dam, a . a . O . , 3 und 14ff. 29 Siehe dazu oben § 24 III. 30 Z u m Konzept der Transaktionskosten siehe Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 106 ff.; Wegehenkel, C o a s e - T h e o r e m und M a r k t s y s t e m , 4 ff.; Hesse, Zur Erklärung der Ä n d e r u n g von Handlungsrechten mit Hilfe ökonomischer Theorie, in: Schüller, (Hrsg.), Property Rights und ökonomische Theorie, 89 f.; Coase, The Problem of Social Cost, in: Breit/Hochman (Hrsg.), Microeconomics, 434 ff,;Furubotn/Pejovich, Introduction Chapter Four, in: Furuhotn/Pejovich (Hrsg.), The Economics of Property Rights, 45 ff.; Leipold, Ordnungspolitische Implikationen der Transaktionskostenökonomie, O r d o 35 (1985), 31 ff. 31 Behrens, a . a . O . , 107; Wegehenkel, a . a . O . , 13f.; Schumann, G r u n d z ü g e der m i k r o ö k o nomischen Theorie, 434 ff.; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 64.

§ 11 Das Konzept der Property

Rights

281

Das Coase-Theorem zeigt, daß unter den Bedingungen fehlender Transaktionskosten und vollkommener Konkurrenz Allokationseffizienz unabhängig davon eintritt, welcher von zwei Parteien bei kollidierenden Nutzenpräferenzen eine Ressource und die damit verbundenen Nutzungsmöglichkeiten exklusiv zugeordnet sind, weil sich in einem solchen Fall über eine Markttransaktion zwischen den beteiligten Parteien die wertvollste Nutzung durchsetzt (Invarianz-These des Coase-Theorems)2"2. Die Transaktion setzt jedoch ein erhebliches Maß an Informationen voraus, über die die Parteien verfügen müssen, um eine Markttransaktion vornehmen zu können. Dazu gehört vor allem die Information darüber, welcher von beiden Parteien die Entscheidung über eine bestimmte Nutzung zusteht 33 . Fehlt es an der Institutionalisierung eines Systems von Property Rights, steht der Zugriff auf die Ressourcen also allen offen, wäre es denkbar, daß angesichts der dadurch verursachten Wohlfahrtsverluste die Gesellschaftsmitglieder Verhandlungen untereinander mit dem Ziel aufnehmen, den freien Zugang zur Nutzung knapper Güter zu beschränken, um deren Verschwendung zu verhindern. Neben dem Umstand, daß einer solchen Beschränkung alle Gesellschaftsmitglieder zustimmen müßten, wären die Transaktionskosten enorm hoch; dies fällt vor allem bei größeren Gemeinschaften ins Gewicht. Diese Verhandlungskosten werden dadurch vermindert, daß durch die Rechtsordnung ein System von Property Rights eingerichtet und durch Mittel des staatlichen Zwangs durchgesetzt wird.

4. Property Rights als Voraussetzung für den Tausch von Ressourcen auf Märkten unter den Bedingungen des Wettbewerbs Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß ohne die Institutionalisierung eines Systems von Property Rights weder marktliche Tauschvorgänge noch Wettbewerb möglich wären. „Der Markt als verallgemeinertes System des Tausches setzt schließlich zu seiner Funktionsfähigkeit eine in spezifischer Weise organisierte Zuordnung der verfügbaren Ressourcen zu den Wirtschaftssubjekten voraus ... Es geht also um die Institutionalisierung des Tauschprinzips, das seinerseits die Internalisierung externer Effekte und damit auch die Orientierung des Verhaltens der Wirtschaftssubjekte am Prinzip der Nutzenmaximierung gewährleistet" 3 4 .

Das Tauschprinzip ist deshalb so eng mit dem System exklusiver Berechtigungen an Ressourcen verknüpft, weil es nichts zu tauschen gibt, wenn jedermann ohnehin die in einer Gesellschaft vorhandenen Ressourcen frei nutzen 32 Coase, The Problem of Social Cost, in: Breit / Hochman (Hrsg.), Microeconomics, 423 f.; Endres, Die Coase-Kontroverse, ZgesStW 133 (1977), 637ff.; Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 120. 33 Coase, The Problem of Social Cost, in: Breit/Hochman (Hrsg.), a.a.O., 437ff. 34 Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 117 f.

282

Kapitel II: Ökonomische Grundlagen der

Eingriffskondiktion

darf. In einem solchen System von Nutzungsberechtigungen von jedermann an allen Gütern bedarf es keiner Erlaubnis eines anderen zur N u t z u n g einer Ressource, die im Wege des Tausches einzuholen wäre. D e r Wettbewerb im K a m p f um die N u t z u n g knapper Ressourcen sorgt für eine (jedenfalls tendenziell) optimale Ressourcenallokation. Die am Markt tätigen Parteien legen im Tauschprozeß ihre Präferenzen hinsichtlich der N u t zung einer Ressource offen; die N u t z u n g der Ressource ist effizient, wenn die konkrete N u t z u n g im Tauschprozeß am höchsten (i.S. der höchsten Zahlungsbereitschaft) bewertet wurde. D a z u ist es erforderlich, daß sowohl der Anbieter wie auch der Nachfrager von Ressourcen sich möglichst ungehindert am Tauschprozeß beteiligen kann. Wenn - etwa durch Marktzutrittsschranken, Kartelle, marktbeherrschende Stellungen - bestimmte Marktteilnehmer an der Offenlegung ihrer wahren Nutzenpräferenzen gehindert werden, ist die Erreichung des Zieles der Allokationseffizienz nicht mehr gewährleistet. O h n e die Institutionalisierung eines Systems von Property Rights ist das Prinzip des Ressourcentauschs, welches für den Markt kennzeichnend ist, nicht möglich.

IV. Die Eigenschaften von Property Rights U m die oben dargestellten F u n k t i o n e n im Rahmen einer marktgestützten Koordination individueller Nutzenpräferenzen in Bezug auf knappe G ü t e r erfüllen zu können, müssen die Property Rights bestimmte Eigenschaften aufweisen, die im folgenden näher behandelt werden sollen. Wie sich zeigen wird, besitzen die Merkmale der Property Rights, wie sie in der ökonomischen T h e o r i e entwickelt worden sind, eine große Ähnlichkeit zu den Elementen des subjektiven Rechts in der juristischen D o g m a t i k . Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß die K o n z e p t e der Property Rights und des subjektiven Rechts nicht vollkommen deckungsgleich sind, weil sie für unterschiedliche Z w e c k e und in unterschiedlichen Zusammenhängen entwickelt worden sind. A u c h ist festzustellen, daß das K o n z e p t der Property Rights in der ökonomischen T h e o r i e nicht zu derselben begrifflichen Schärfe geführt worden ist wie das K o n z e p t des subjektiven Rechts in der Rechtswissenschaft. Knappe Ressourcen müssen einem System von Property Rights unterworfen werden, damit die N u t z u n g dieser Ressourcen effizient erfolgen kann, d.h., daß eine Ressource der am höchsten bewerteten N u t z u n g zugeführt und Verschwendung vermieden wird 3 5 . D a m i t dies geschehen kann, müssen die knappen Ressourcen den Wirtschaftssubjekten auf spezifische Weise zugeordnet 35 Behrens, a.a.O., 118ff.; Posner, Economic Analysis of Law, 32ff.; Meyer, Entwicklung und Bedeutung des Property Rights-Ansatzes in der Nationalökonomie, in: Schüller, Property Rights und ökonomische Theorie, 23 ff.; Demsetz, Toward a Theory of Property Rights, in: Furubotn/Pejovich (Hrsg.), The Economics of Property Rights, 31 ff.; Coleman, Efficiency, Auction and Exchange, in: Coleman, Markets, Morals and the Law, 67 ff. (83 ff.).

§11 Das Konzept der Property Rights

283

werden: Der Rechtsinhaber muß allein über die Verwendung der Ressource entscheiden können, so daß sich seine Nutzenpräferenz durchsetzt. Zugleich müssen alle anderen Rechtssubjekte die Entscheidung des Rechtsinhabers akzeptieren. Darüber hinaus versetzt die Zuweisung der Ressource den Rechtsinhaber in die Lage, heteronome Einflußnahmen Dritter auf die Entscheidung über die Ressourcenverwendung abzuwehren. Demzufolge haben Property Rights einen positiven Aspekt, nämlich die Entscheidungsautonomie des Rechtsinhabers über die Verwendung der Ressource, und eine negative Funktion, nämlich den Ausschluß aller anderen Personen von der Entscheidung über die Nutzung und auch von der Nutzung selbst, d. h. den Ausschluß heteronomer Entscheidungsbefugnisse über die Ressource. Aus der Funktion von Property Rights ergeben sich demzufolge auch die Eigenschaften, die Handlungs-, Verfügungs- und Nutzungsrechte aufweisen müssen.

1. Die Abstraktheit der Rechte Property Rights beziehen sich nicht auf konkrete Verwendungs- und Nutzungsformen an Gütern, sondern gewähren dem Rechtsinhaber alle möglichen Nutzungs- und Verwendungsarten 36 . Das Property Right ist also abstrakt von einer spezifischen Nutzungsart. Bezöge sich ein Property Right demgegenüber nur auf bestimmte Verwendungen, so wäre der Inhaber von vornherein in seiner Entscheidung über die Verwendung der Ressource nicht autonom 37 . Allerdings schließt die Forderung nach abstrakten (= nicht auf spezifische Nutzungen festgelegte) Property Rights nicht aus, daß die Rechtsordnung, in deren Rahmen Property Rights normativ institutionalisiert und mit geeigneten Schutzvorkehrungen versehen werden, bestimmte Arten von Nutzungen von einem umfassenden Property Right abspaltet und zum Gegenstand eines eigenen, enger gefaßten Property Right macht. Ein Beispiel dafür ist etwa das umfassende Eigentum an Sachen, von dem gewisse andere Rechte abgespalten werden, etwa das Pfandrecht gemäß §§ 1204ff. BGB, das dem Pfandgläubiger das Recht zum Besitz gibt; der Pfandgläubiger jedoch darf die Sache nicht umfassend wie der Eigentümer, sondern nur zum Zweck der Verwertung, verwenden, nämlich um seine Forderung zu befriedigen. Das Bestehen verschiedener Property Rights an einer Ressource erlaubt eine effizientere und umfassendere Nutzung des Gegenstandes.

2. Universalität Alle knappen Güter sollten dem Regime der Property Rights unterworfen werden, um durch die ausschließliche Zuweisung an ein Rechtssubjekt eine effiziente Nutzung der knappen Güter sicherzustellen. Dieses Ziel erfordert, 36 37

Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 123 und 129. Siehe Behrens, a.a.O., 123.

284

Kapitel II: Ökonomische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

wie gesagt - daß Property Rights nicht nur in Bezug auf einzelne Güter institutionalisiert werden, sondern das prinzipiell alle knappen Ressourcen in das System der Property Rights einbezogen werden 3 8 .

3.

Allgemeinheit

Die Berechtigungen, die sich aus Property Rights in Bezug auf die Nutzung knapper Ressourcen ergeben, die Bündel von Rechten, die Property Rights ausmachen, müssen für alle Rechtssubjekte gleichermaßen und unterschiedslos gelten; es gibt hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung von Property Rights und ihrer Begrenzungen keinen Anlaß zu einer Unterscheidung, die an persönliche Eigenschaften der Rechtssubjekte anknüpft 3 9 .

4.

Exklusivität

Die erwarteten ökonomischen Wirkungen erreichen Property Rights nur dann, wenn sie exklusive Nutzenzuweisungen an den jeweiligen Rechtsinhaber vorsehen, weil nur dann ein marktlicher Tausch knapper Ressourcen mit der Tendenz, sie am Ort ihrer am höchsten bewerteten Verwendung zu allozieren, stattfinden kann. Auch hier sehen die Rechtsordnungen entwickelter Gesellschaften eine große Differenziertheit von Property Rights vor, die in unterschiedlicher Weise dem Kriterium der Ausschließlichkeit entsprechen. Die Ökonomen unterscheiden nach der Spezifikation der Property Rights Rechte, die hochkonzentriert sind und ihren Inhabern die Berechtigung einräumen, alle anderen von der Nutzung einer Ressource auszuschließen. In dieser Theorie verliert eine Handlungs- und Verfügungsbefugnis nicht dadurch ihre Eigenschaft als Property Right, daß das Erfordernis der Ausschließlichkeit aufgeweicht wird. Vielmehr stellt sich die ökonomische Theorie im Hinblick auf die Ausschließlichkeit die Berechtigungen an knappen Ressourcen auf einem Kontinuum angeordnet vor: an einem Ende des Kontinuums befinden sich die hoch konzentrierten Rechte, die den umfangreichsten Komplex an Nutzleistungen einer Ressource dem Rechtsinhaber zuweisen (Eigentum), während am anderen Ende des Kontinuums das Allgemeineigentum steht (Gemeingebrauch), bei dem hinsichtlich der Ressourcenverwendung alle Mitglieder den gleichen Zugriff haben. Zwischen diesen beiden extremen Punkten befindet sich eine große Zahl von Abstufungen hinsichtlich der Exklusivität einer Zuweisung. Eine solche Abschwächung der Property Rights wird als Verwässerung (attenuation) bezeichnet 40 . 38 39 40

Posner, Economic Analysis of Law, 34; Behrens, a. a. O., 123 f. Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 124. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen A n a l y s e des Zivilrechts, 80; Meyer, E n t w i c k -

§11 Das Konzept der Property Rights

285

Übertragbarkeit Als letzte charakteristische Eigenschaft von Property Rights ist auf die U b e r tragbarkeit der Bündel von Nutzungsrechten, die durch ein Property Right zugewiesen werden, hinzuweisen. Wären diese R e c h t e nicht übertragbar, so wäre es nicht möglich, eine Ressource an den O r t ihrer am höchsten bewerteten N u t z u n g zu verlagern und damit einer effizienten Verwendung zuzuführen. D a h e r ist die Ubertragbarkeit einer Nutzungsbefugnis Voraussetzung für das Vorhandensein eines Property Rights 4 1 . D i e Übertragbarkeit von Rechten ist für die Funktionsfähigkeit der Märkte von grundlegender Bedeutung. Positivrechtlicher Ausdruck dieser Bedeutung ist § 137 B G B , wonach die Befugnis zur Verfügung über ein veräußerliches R e c h t durch Rechtsgeschäft weder ausgeschlossen noch beschränkt werden kann. D i e Vorschrift schützt den Rechtsverkehr davor, daß eigentlich verkehrsfähige Gegenstände durch privatautonome Vereinbarung dem Verkehr entzogen werden 4 2 . Allerdings besteht in der ökonomischen T h e o r i e keine Einigkeit darüber, ob die Ubertragbarkeit von Rechten wirklich ein konstituierendes Merkmal von Property Rights ist. Vielfach geht daher die Ö k o n o m i e davon aus, daß auch unveräußerliche Rechte (wie z . B . das Wahlrecht, das R e c h t auf Meinungsfreiheit etc.) als Property Rights anzusehen seien 43 . Zum Teil wird die Unveräußerlichkeit (inalienability rule) auch als ein Schutzinstrument angesehen, durch das eine bestimmte Verteilung von Berechtigungen gewährleistet werden soll. Wenn die Rechtsordnung einen Gegenstand als unveräußerlich qualifiziert, so kann dies aber auch mit sonstigen ethischen Grundsätzen und Gerechtigkeitsvorstellungen zu tun haben 4 4 . So dient das Veräußerungsverbot bestimmter seltener Tiere nach dem Washingtoner Artens c h u t z - Ü b e r e i n k o m m e n vom 3.3.1973 4 5 dem Schutz des Bestandes der seltelung und Bedeutung des Property Rights-Ansatzes in der Nationalökonomie, in: Schüller, Property Rights und ökonomische Theorie, 20. 41 Posner, Economic Analysis of Law, 34; Calabresi/Melamed, Property Rules, Liability Rules and Inalienability: One View of the Cathedral, in: Ackerman, Foundations of Property Law, 31 ff. (37ff.); Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 464f. 42 Siehe dazu Erman(-Brox), § 137, Rz. 1. 43 Siehe dazu Walz, Ökonomische und rechtssystematische Überlegungen zur Verkehrsfähigkeit von Gegenständen, in: Schäfer/Ott, Allokationseffizienz in der Rechtsordnung, 93 ff. (99); Calabresi/Melamed, Property Rules, Liability Rules and Inalienability, in: Ackerman, a.a.O., 39ff. 44 Siehe ausführlich zu diesem Problemkreis Walz, Ökonomische und rechtssystematische Überlegungen zur Verkehrsfähigkeit von Gegenständen, in: Schäfer/Ott, Allokationseffizienz in der Rechtsordnung, 103 ff., der eindrücklich darauf hinweist, daß nicht alle schutzwürdigen Belange des Menschen in seinen sozialen Bezügen und die Belange von Umwelt und Natur durch den Marktmechanismus gewahrt werden. Vgl. auch Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 469. 45 Übereinkommen vom 3.3.1973 über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (Washingtoner Artenschutzübereinkommen), Gesetz v. 22.5. 1975, BGBl. 1975 II 773; das Übereinkommen ist für die Bundesrepublik Deutschland am 20.6.1976 in Kraft getreten, siehe Bek. v. 3.6.1976, BGBl. 1976 II 1237.

286

Kapitel

II: Ökonomische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

nen Tiere und Pflanzen. Das Verbot des (nicht autorisierten) Handels mit Rauschgiften dient der Abwehr von Mißbrauch solcher Drogen und der Verhinderung der damit zusammenhängenden Gesundheitsbeeinträchtigungen.

V. Die Bedeutung der Primärallokation Coase hat in seiner bahnbrechenden Arbeit zum Problem der sozialen Kosten gezeigt, daß unter den Bedingungen - der fehlenden Transaktionskosten - der fehlenden Einkommenseffekte - und der vollkommenen Konkurrenz die Frage, welchem Beteiligten das Eigentum an einer Ressource bei miteinander in Konflikt stehenden Ressourcennutzungen zugewiesen ist, gleichgültig ist, weil unter den genannten Bedingungen - wenn nur eine klare Zuordnung an den Ressourcen besteht - die beteiligten Parteien über eine marktliche Transaktion für eine effiziente Ressourcenallokation sorgen, da sich die am höchsten bewertete Nutzenpräferenz am Markt durchsetzen wird. Unter den Modellbedingungen des Coase-Theorems kommt es also nicht darauf an, wem das Recht ursprünglich zugewiesen war; wichtig ist ausschließlich, daß das Recht zugewiesen und in angemessener Weise spezifiziert ist. In der Realität hingegen sind die Bedingungen des Modells niemals vollständig erfüllt. Jede Benutzung des Marktes verursacht Transaktionskosten; die Bestimmung der individuellen Nutzenpräferenzen erfolgt im Hinblick auf bestimmte Ressourcen selbstverständlich nicht ohne Berücksichtigung der Einkommenssituation des interessierten Wirtschaftssubjekts. Auch dürften die Voraussetzungen der vollkommenen Konkurrenz nur in seltenen Fällen (etwa: Börsen) vorliegen. In aller Regel sind Märkte durch Hindernisse für den Wettbewerb geprägt, wie etwa bei öffentlichen Gütern, bei Vorhandensein marktbeherrschender Stellungen, bei Fehlen vollständiger Transparenz und bei externen Effekten. Häufig führen auch faktische oder rechtliche Marktzutrittsbeschränkungen zu einem unteroptimalen Funktionieren des Marktes. Da die Modellbedingungen des Coase-Theorems in der Wirklichkeit nicht vorliegen, kommt es auf die originäre Zuordnung der Handlungs-, Verfügungsund Nutzungsrechte an. Daher ist es von großer Bedeutung, daß die Rechtsordnung die Primärallokation knapper Ressourcen regelt. Die im ökonomischen Schrifttum angeführten Beispiele für konfligierende Nutzungsrechte gehen von ganz konkreten Nutzungen einer Ressource aus 46 . Behrens hat mit Recht darauf hingewiesen, daß diese Auffassung nicht mit dem Erfordernis der Abstraktheit von Property Rights in Einklang zu bringen ist und im Ergebnis 46 Coase, The Problem of Social Cost, in: Breit/Hochman, Microeconomics, 424 ff. Eisenbahnlinien mit Funkenflug vs. Ackerbau; Wegehenkel (zit. nach Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, F N . 271, S. 56 f.): Motorradfahrer, der auf der Straße an einem Krankenhaus vorüberfährt und Lärm verursacht.

§11 Das Konzept

der Property

Rights

287

auch den Funktionen von Property Rights nicht gerecht wird. Es besteht nämlich ein fundamentaler Unterschied, ob es sich um die Frage der Zuordnung neuer Ressourcen, die bislang keinem Property Right unterlagen, handelt, oder ob es darum geht, die Zuordnung wirtschaftlicher Ergebnisse aus der Nutzung bereits durch Property Rights zugeordneter Ressourcen zu erfassen. Diese Nutzungsergebnisse bilden keine „neuen" Ressourcen i.S. von Gütern, die bislang keinem Régime exklusiver Zuordnung unterlagen, sondern ihre Zuordnung ergibt sich zwanglos aus der bereits vorrangig erfolgten Zuweisung der genutzten Ressourcen. „Bei diesen Nutzungsergebnissen handelt es sich nämlich genau genommen nicht um in diesem Sinne neue Wirtschaftsgüter, sondern um Güter, die implizit immer schon dem rechtlichen Regime unterworfen sind, welches für die Ressourcen gilt, aus denen diese Nutzungsergebnisse resultieren. Es ist gerade der ökonomische Sinn von Eigentumsrechten, daß Produkte, die aus einer bestimmten Mittelverwendung entstehen, dem Rechtsinhaber zugeordnet werden. Dies bedeutet, daß derjenige, der zu einer bestimmten Mittelverwendung berechtigt ist, auch berechtigt ist, die sich daraus ergebenden Folgen herbeizuführen, ohne dazu der vorherigen Zustimmung anderer zu bedürfen. Daraus folgt, daß mit einem Eigentumsrecht - rechtlich gesprochen: mit einem subjektiven Recht - dem Rechtsinhaber Handlungschancen zugewiesen werden, von denen sich jeweils diejenige durchsetzt, die sich im Wettbewerb behaupten kann. Wenn das Recht demgegenüber selbst eine bestimmte - und vom erläuterten Prinzip abweichende - Zurechnung von Nutzungsergebnissen (Handlungsfolgen) vornimmt, so handelt es sich demnach nicht um die Formulierung neuer Rechte, sondern um die Reallokation bestehender Befugnisse" 47 . Es ist ein Kennzeichen der Property Rights, daß ihren Inhabern umfassende Handlungsbefugnisse in Bezug auf knappe Ressourcen zugewiesen sind. Geraten - wie in den in der Literatur erwähnten Beispielen - einzelne Nutzungsrechte miteinander in Konflikt, so stellen sich diese konkreten Nutzungsrechte als integraler Bestandteil abstrakter, umfassender Nutzungszuweisungen an Ressourcen dar, die eben nicht ex lege einzelne Nutzungsarten und deren Zuweisung determinieren, sondern die Entscheidung der konkreten Verwendung in die Privatautonomie des Rechtsinhabers legen. Dies aber bedeutet, daß im Falle des Konflikts konkreter Nutzungen durch ein abstraktes Property Right immer schon festliegt, welche der Konfliktparteien zu einer bestimmten Nutzung der Ressource im Rahmen ihrer Zuweisung befugt ist. Damit ist aber auch die Richtung eines möglicherweise sinnvollen und von den Parteien anzustrebenden Ressourcentausches angegeben: derjenige, der durch die Nutzung seiner Ressource die legitime Nutzung eines Gutes des anderen stört, muß entweder die konkrete Nutzung beenden (und einen eventuell eingetretenen Schaden ersetzen) oder dem Rechtsinhaber sein Recht abhandeln. Festzuhalten ist demnach folgendes: es muß scharf zwischen der Begründung von Property Rights an neuen Ressourcen einerseits und der Zuweisung 47

Behrens,

Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 127f.

288

Kapitel II: Ökonomische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

von Ergebnissen aus der Verwendung von Gütern andererseits unterschieden werden, die bereits einem Regime von Property Rights unterliegen. Im letztgenannten Fall folgt die Zuweisung an den Nutzungsergebnissen schlicht der Zuweisung der Ressource selbst, aus der die Nutzungsergebnisse geschaffen w u r d e n . Im erstgenannten Fall geht es u m die Begründung von Property Rights an Gütern, die bisher noch nicht „eigentumsförmig" zugewiesen waren. Das System der Property Rights ist durch die Mobiliar- und Immobiliarrechte geprägt worden. Erst relativ spät traten die Immaterialgüterrechte hinzu, die werthaltige, immaterielle Güter w i e Werke der Kunst und technische Erfindungen dem U r h e b e r exklusiv zuweisen. Das System der Property Rights als eigentumsförmige, exklusive Zuweisungen von Handlungs-, Verfügungsund Nutzungsrechten an knappen Ressourcen bleibt im Zeitablauf nicht stabil, sondern ist Änderungen unterworfen, die durch die D y n a m i k der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Entwicklung hervorgerufen werden. So führt z.B. der technische Fortschritt zur Entwicklung neuer Ressourcen, die aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften nicht in das System der überkommenen Property Rights passen und daher zunächst nicht demjenigen exklusiv zugeordnet sind, der sie unter Kosten und M ü h e n hergestellt hat. Vielmehr stehen solche Güter zunächst dem Zugriff jedes Interessierten offen, es sei denn, der „Inhaber" der Ressource schützt sie dergestalt vor fremdem Zugriff, daß er sie als Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnis behandelt und sich damit faktisch den exklusiven Zugriff sichert. Eine solche Vorgehensweise schränkt den Umlauf möglicherweise wertvoller Ressourcen erheblich ein. Dadurch kann es zu einer verzerrten Ressourcenallokation und zu Effizienzbzw. Wohlfahrtsverlusten k o m m e n . Dann m u ß die Rechtsordnung, genauer gesagt der Gesetzgeber, dafür sorgen, daß die neuentstandenen Ressourcen einem System von Property Rights unterworfen werden. Eine solche Entscheidung w i r d der Gesetzgeber dann treffen, w e n n die Vorteile der Internalisierung externer Effekte, die durch den allgemeinen Zugriff auf eine Ressource verursacht werden, die Kosten der Internalisierung überwiegen. Die Frage der Primärallokation solcher neuer Ressourcen ist dann einfach: sie werden demjenigen zugewiesen, der die Ressource durch Kosten und M ü h e n erzeugt hat. Ist sie dem Rechtsinhaber einmal zugewiesen, so w i r d sich im marktlichen Tauschprozeß zeigen, an welcher Stelle des wirtschaftlichen Kreislaufs die Ressource ihre am höchsten bewertete Verwendung findet. Zum Beleg der These, daß die Rechts- und Wirtschaftsordnung flexibel auf die Entstehung neuer, knapper Ressourcen reagiert, sei nur für den Bereich des deutschen Immaterialgüterrechts auf in den letzten 15 Jahren neu entstandene Rechte hingewiesen, nämlich: - das Recht an neuen Pflanzensorten nach dem Sortenschutzgesetz vom 11.12.1985 48 ;

48

BGBl. 1985,1, 2170. Siehe dazu unten § 24 I.

§ 11 Das Konzept der Property Rights

289

- das Recht an Topographien von Halbleitern nach dem Halbleiterschutzgesetz vom 22.10.198749; - das Recht an Datenbanken nach der EU-Datenbankrichtlinie 50 . Die Einführung neuer Property Rights ist aber keineswegs nur auf den Bereich des Immaterialgüterrechts beschränkt; Beispiele lassen sich auch im Sachenrecht nachweisen, wenn die Entwicklung hier auch weniger stürmisch verläuft. Genannt sei an dieser Stelle nur die Einführung des Wohnungseigentums durch das Wohnungseigentumsgesetz v. 15.3.195151 sowie die Entwicklung des Rechts der dinglichen Anwartschaften 52 , die ganz wesentlich durch die Rechtsprechung bestimmt war.

49

BGBl. 1987,1, 2249. Siehe dazu unten § 24 II. Richtlinie 96/9/EG zum rechtlichen Schutz von Datenbanken, ABl. EG Nr. L 77, 20 vom 27.3.1996. Die Richtlinie ist mittlerweile in deutsches Recht umgesetzt worden. Das Recht des Herstellers von Datenbanken ist in §§ 86a ff. des U r h G geregelt. Zum Ganzen siehe Gaster, Zur anstehenden Umsetzung der EG-Datenbankrichtlinie I und II, CuR 1997, 669 ff. und 717 ff. Siehe dazu auch unten § 24 III. 51 Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht, BGBl. 1951 I 175. 52 Siehe dazu nur Medicus, BR, Rz. 456 ff. m . w . N . 50

§ 1 2 Die Fundierung von Property Rights in der Rechtsordnung In diesem Paragraphen ist zu klären, wie das wirtschaftswissenschaftliche Konzept der Property Rights in der Systematik der Rechtsordnung abgebildet wird. Bereits oben wurde deutlich gemacht, daß die Funktion des Marktes im Hinblick auf eine die Verschwendung knapper Ressourcen vermeidende Allokationseffizienz und die dazu notwendigen Tauschprozesse eine spezifische Zuweisung der knappen Ressourcen an die Gesellschaftsmitglieder erfordert, nämlich die exklusive Berechtigung, eine bestimmte Ressource allein nutzen zu dürfen und alle anderen von der Nutzung derselben Ressource auszuschließen. Eine wesentliche Aufgabe der Rechtsordnung in Bezug auf die Funktionsfähigkeit der marktlichen Tauschprozesse besteht nun darin, die erwähnten spezifischen Zuweisungen vorzunehmen und die rechtlichen Regelungen vorzusehen, die erforderlich sind, die Zuweisungen zu schützen und ihre Beachtung durchzusetzen.

I. Die Transposition des ökonomischen Begriffs der Property Rights in das juristische Regelsystem 1. Das ökonomische Konzept der Property Rights (veräußerliche und unveräußerliche Rechte) Es wäre unrichtig, den ökonomischen Begriff des Property Rights einfach als „Eigentumsrecht" in das juristische Regelsystem zu transponieren. Der juristische Begriff des Eigentums hat bei der Zuordnung von Mobiliar- und Immobiliargütern eine spezifische Bedeutung, die viel enger ist als das Konzept der Property Rights. Das ökonomische Konzept der Property Rights läßt sich vor allem deshalb nicht ohne Probleme und bruchlos in das juristische Regelsystem übertragen, weil das Konzept in der ökonomischen Theorie selbst unscharf bleibt. Der Begriff des Property Rights wird im wirtschaftswissenschaftlichen Schrifttum durchaus unterschiedlich abgegrenzt. Von einer sehr weiten Grenzziehung des ökonomischen Konzepts der Property Rights geht ein Teil des wirtschaftswissenschaftlichen Schrifttums aus. Nach dieser Auffassung erfüllen - in juristischer Terminologie - alle absoluten und relativen subjektiven Rechte und noch darüber hinausgehend sogenannte „Verhältnisse" den Begriff

§ 12 Fundierung

von Property Rights in der

Rechtsordnung

291

des Property Right. Unter „Verhältnissen" werden dabei werthaltige und am Markt gehandelte Positionen von Rechtsinhabern verstanden, deren Gegenstände zwar nicht in den Schutzbereich eines absoluten oder relativen subjektiven Rechts fallen, aber als soziale Beziehungen aufgrund einer gewissen Stabilität und Konstanz die Erwartung eines dauerhaften Erwerbes rechtfertigen. Dazu gehören etwa die Kundenbeziehungen eines Wirtschaftsunternehmens. Darüber hinausgehend werden aber auch weitere soziale Beziehungen mit dem Status des Property Right versehen, nämlich z.B. politische und religiöse Verbindungen, Staatsangehörigkeit, Familienbeziehungen. So grenzt etwa Richter als Beispiel eines weiten Verständnisses von Property Rights den Begriff wie folgt ab: „Es gibt grundsätzlich zwei Typen von Verfügungsrechten: Absolute und relative Verfügungsrechte. Absolute Verfügungsrechte sind Rechte an Sachen (...), immaterielle Rechte, (...), individuelle Freiheitsrechte (z.B. das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit). Relative Verfügungsrechte bilden sich u.a. ... aus Schuldverhältnissen (...), die entweder vertraglich oder von Gesetzes wegen zustande kommen. Zu den relativen Verfügungsrechten gehören aber auch .Rechte' die sich aus persönlichen Beziehungen ^Verhältnissen') ergeben wie aus ehelichen Beziehungen, Familienbeziehungen, Freundschaftsverhältnissen, sexuellen Beziehungen, Kunden- und Lieferantenbeziehungen, politischen Verbindungen, nationalen Zugehörigkeiten, religiösen Zugehörigkeiten usw"1. Den juristischen Leser mögen solche Definitionen zunächst irritieren, handelt es sich bei den aufgezählten Rechten zum Teil nicht um solche, die sich auf das Vermögen einer Person (Property!) beziehen und die auch nicht als Rechte im juristischen Sinne qualifiziert werden können. Hier können diejenigen Beziehungen außer Betracht bleiben, die - wie etwa Freundschaftsverhältnisse wesensgemäß keine rechtlich geordneten sind. Uber individuelle Freiheitsrechte wie das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit kann der Rechtsinhaber nicht verfügen; die Rechtsordnung gestattet es den Rechtssubjekten nicht, sich durch rechtsgeschäftliche Verfügung ihrer Freiheit und ihres Persönlichkeitsrechts mit translativer Wirkung zu begeben. Aus dieser Sicht ist die Bezeichnung individueller Rechte als „Verfügungsrechte" daher unzutreffend. Soweit zur Frage des Inhalts von Property Rights in der ökonomischen Analyse des Rechts von juristischer Seite Stellung genommen wird, tendiert diese eher dazu, als juristische Entsprechung der Property Rights die absoluten subjektiven Rechte an Gegenständen (Herrschaftsrechte) sowie Positionen anzusehen, die solchen Herrschaftsrechten nahestehen. „In dieser Charakterisierung eigentumsförmiger Ausschließlichkeitsrechte läßt sich unschwer der juristische Begriff des subjektiven Rechts wiedererkennen, zu dem dann der korrespondierende Begriff des Rechtssubjektes als des Trägers subjektiver Rechte 1 Richter, Ökonomische Theorie des Privateigentums: Thema und Variationen, Jb. f. Sozialwiss. 44(1993), 311 ff. (317).

292

Kapitel II: Ökonomische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

logisch zwingend hinzutritt. Die ökonomische Rechtstheorie weist also diesen beiden Kategorien implizit eine zentrale Bedeutung für eine marktbezogene Privatrechtsordnung zu, und sie trifft sich darin mit einer rechtswissenschaftlichen Funktionsbestimmung, wie sie mit besonderer Klarheit etwa von Raiser und Coing formuliert worden ist: ..." 2 . Noch deutlicher weist Lehmann auf den Zusammenhang von Property Rights, die ausschließliche Nutzungsbefugnisse begründen, und absoluten subjektiven Rechten hin. „Property Rights sind absolut geschützte Rechtspositionen hinsichtlich materieller und immaterieller vermögenswerter Güter, die den Regeln des Schuld- und Sachenrechts des BGB bzw. des Immaterialgüterrechts unterstehen. Es handelt sich jeweils um eine absolute rechtliche Position, die von jedermann zu respektieren ist"3. Die Gleichstellung von Property Rights auf ökonomischer und absoluten subjektiven Rechten auf juristischer Seite wird von Lehmann dann doch wieder ein wenig relativiert, indem er auch alle Ansprüche als Property Rights anerkennen möchte, die zwar nur zwischen den Parteien des Schuldverhältnisses gelten, deren „Existenz" aber von allen „anzuerkennen" sei, wenn auch die Erfüllung eines solchen Anspruchs nur von dem Vertragsgläubiger verlangt werden könne. Daher könnten auch „durch komplexe vertragliche Absprachen" abgesicherte schuldrechtliche Positionen, wie etwa die des Pächters, als Property Rights qualifiziert werden 4 . Diese Erweiterung des Konzepts der Property Rights ist nicht ohne Widersprüchlichkeit. Wenn die Definition der Property Rights von der Ausschließlichkeit einer Position zugunsten ihres Inhabers ausgeht, so ist nur schwer zu verstehen, warum Rechtspositionen, die nur inter partes Berechtigungen und Verpflichtungen erzeugen, als Property Rights anzusehen sind. In Wirklichkeit hängt die Qualifikation der Sachnutzung durch einen Pächter nicht davon ab - wie Lehmann suggeriert - , daß sie auf einem komplexen Vertragsverhältnis beruht. Vielmehr kann man z.B. im Fall der Pacht die Rechtsposition des Pächters deshalb als Property Right ansehen, weil sie bei wirksamen Pachtvertrag auf berechtigtem Besitz beruht. Der berechtigte Besitz versetzt den Pächter in die Lage, die Benutzung der gepachteten Sache, die allein ihm zusteht, durch Dritte oder durch den Eigentümer abzuwehren. Die Rechtsposition des Pächters weist daher das Element der Ausschließlichkeit auf. Dieses Element wiederum findet seine Grundlage in der sachenrechtlichen Ausgestaltung des Besitzes in Verbindung mit der 2 Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 124. Die Arbeiten von Coing und Raiser, auf die Behrens Bezug nimmt, befassen sich mit dem absoluten subjektiven Recht (Herrschaftsrecht). 3 Lehmann, Theorie der Property Rights und Schutz des geistigen und gewerblichen Eigentums - Wettbewerbsbeschränkungen zur Förderung des Wettbewerbs, in: Neumann (Hrsg.), Ansprüche, Eigentums- und Verfügungsrechte, Schriften des Vereins für Socialpolitik, N.F. Bd. 140 (1984), 519 ff. (520). 4 Lehmann, Theorie der Property Rights und der Schutz des geistigen und gewerblichen Eigentums, in: Neumann, a.a.O., 520, FN. 8.

5 12 Fundierung

von Property Rights in der

Rechtsordnung

293

Wirksamkeit des Pachtvertrages. Die Komplexität schuldrechtlicher Vereinbarungen bildet keine geeignete Grundlage zur Begründung von Property Rights. Für die Reichweite der Eingriffskondiktion kommt es auf den Zuweisungsgehalt des unbefugt in Anspruch genommenen Rechts an. Die ökonomische Theorie der Property Rights versucht zu erklären, warum und in welchem Umfang Ausschließlichkeitsrechte in einer Welt von knappen Gütern erforderlich sind, um das Ziel der Allokationseffizienz zu erreichen. Dabei wird von einem Teil der ökonomischen Analyse des Rechts ein Begriff des Property Right zugrundegelegt, der sich nicht mit dem Konzept des absoluten subjektiven Rechts und des bereicherungsrechtlichen Begriffs des Zuweisungsgehalts von Rechtspositionen deckt 5 . Da die unterschiedlichen K o n zepte aber auch jeweils voneinander abweichende Funktionen haben, braucht hier nicht entschieden zu werden, ob die engere oder die weitere Auffassung vom Begriff der Property Rights die richtige ist. Hier geht es darum zu zeigen, warum überhaupt ausschließliche Berechtigungen an knappen Gegenständen entstehen und nur sie geschützt werden müssen, um wirtschaftlich wünschenswerte Folgen wie etwa die der Allokationseffizienz herbeizuführen.

2. Der Schutz von Property

Rights

Die ökonomische Analyse des Rechts hat sich nicht mit der Begründung der Notwendigkeit von ausschließlichen abstrakten und handelbaren Berechtigungen an knappen Gütern zufrieden gegeben. Vielmehr integriert die ökonomische Theorie diejenigen rechtlichen Regeln, die dazu bestimmt sind, durch Property Rights gewährleistete Nutzenzuweisungen zugunsten des Rechtsinhabers zu schützen. Dabei hat sich im ökonomischen Schrifttum die Aufteilung der Normen, die diesen Schutz sicherstellen sollen, in Property Rules (Eigentumsregeln), Liability Rules (Haftungsregeln) und Inalienability Rules (Veräußerungsverbote) durchgesetzt 6 . Die ökonomische Theorie abstrahiert häufig von dem eigentlichen Kern der Property Rights, nämlich der Zuordnung der autonomen Entscheidung des Rechtsinhabers über die Verwendung einer knappen Ressource. Der Inhalt eines solchen Rechts liegt in dem Spektrum der potentiellen Nutzungen, über die der Inhaber zu entscheiden hat, z. B. ob er mit seinem Auto fährt, es in der Garage stehen läßt, es verkauft oder 5 Siehe zur Abgrenzung der Güter, die durch Property Rights geschützt werden sollen, etwa Cooter/Ulen, Law and Economics, 124 ff.; Posner, Economic Analysis of Law, 35 ff.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 463 f.; Hirsch, Law and Economics, 11 ff.; Richter, Ökonomische Theorie des Privateigentums, Jb. f. Sozialwiss. 44 (1993), 316 ff.; Harris, Private and Non-Private Property: What is the Difference, 111 L.Qu.R. (1995), 421 ff. 6 Calabresi/Melamed, Property Rules, Liability Rules and Inalienability: One View of the Cathedral, in: Ackerman (Hrsg.), Foundations of Property Law, 31 ff.; Coleman, Rethinking the Theory of Legal Rights, in: Coleman, Markets, Morals and the Law, 28 ff.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 454 f.

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Kapitel II: Ökonomische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

vermietet. Das, was die ökonomische Theorie als Inhalt von Property Rights angibt, (Property, Liability und Inalienability rules) sind in Wirklichkeit Schutzinstrumente für den Fall, daß ein Unbefugter den Gegenstand nutzt oder die Nutzung durch den Berechtigten mittels unerlaubter Handlung verhindert, in dem er z.B. den Gegenstand der Berechtigung zerstört. Zwar setzt die Anwendung der genannten Regeln eine klare Inhaltsbestimmung der Rechte, die sie schützen sollen, voraus. Dennoch ist diese Inhaltsbestimmung der Property Rights nicht identisch mit den Regeln zum Schutz der Rechte. a) Property

Rules

Ein Recht wird durch eine Property Rule geschützt, wenn sich der Rechtsinhaber gegen eine Beeinträchtigung seines Rechts mit einem Anspruch auf Unterlassung gegen den Rechtsverletzer wehren kann 7 . Eine Property Rule ist als Ausdruck der Ausschließungsfunktion eines Property Right aufzufassen. Die Entscheidung über eine spezifische Nutzung einer Ressource, die im Anwendungsbereich des Rechtsbündels angesiedelt ist, welches Gegenstand des Property Right ist, steht autonom dem Rechtsinhaber zu. Er allein ist rechtlich dazu kompetent, über das Ob und Wie der Nutzung einer Ressource zu bestimmen. Damit wird die Anmaßung einer heteronomen Entscheidungsbefugnis ausgeschlossen. Es ist gerade die Funktion von Property Rights, den vom Rechtsinhaber nicht autorisierten, freien Zugriff Dritter auf knappe Ressourcen zu verhindern. Damit wird jeder, der eine knappe Ressource für seine Zwecke nutzen möchte gezwungen, die Kosten der Ressourcenbereitstellung in seine wirtschaftliche Kalkulation aufzunehmen. Ist ein Handlungs-, Nutzungs- und Verfügungsrecht durch eine Property Rule geschützt, so kann ein rechtmäßiger Transfer des Property Rights nur unter Zustimmung des Rechtsinhabers stattfinden. Dies bedeutet, daß die Beteiligten, nämlich der Rechtsinhaber und der am Erwerb Interessierte, in Vertragsverhandlungen einzutreten haben, dort ihre Nutzenpräferenzen koordinieren und einen entsprechenden Vertrag abschließen. Entscheidend ist, daß bei einer Property Rule ein rechtmäßiger Transfer nur unter Teilung eines ex ante zwischen den Parteien festgelegten Entgelts erfolgen kann. b)

Haftungsregeln

Nach dem von Calabresi/Melamed entworfenen System stellen Haftungsregeln einen schwächeren Schutz von Property Rights dar als Eigentumsregeln: Ist ein Recht nur durch eine Haftungsregel geschützt, so bedeutet dies, daß der Eingreifer das Recht beeinträchtigen darf, aber verpflichtet ist, den Rechts7 Calabresi/Melamed, Property Rules, Liability Rules and Inalienability: One View of the Cathedral, in: Ackerman (Hrsg.), Foundations of Property Law, 31 ff. (37ff.); Coleman, Rethinking the Theory of Legal Rights, in: Coleman, Markets, Morals and the Law, 28 ff.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 454 f.

§ 12 Fundierung

von Property Rights in der

Rechtsordnung

295

inhaber durch die Zahlung eines von einer externen Institution (Gericht) nach objektiven Maßstäben festgesetzten Entgelts zu entschädigen8. Im Unterschied zum Transfer bei dem Schutz des Property Right durch eine Eigentumsregel, der eine ex ante-Vereinbarung zwischen den Beteiligten über den Preis für die Rechtsübertragung voraussetzt, handelt es sich bei der Entschädigung nach einer Haftungsregel um einen objektiven und ex post ermittelten Wert. „Whenever society chooses an initial entitlement it must also determine whether to protect the entitlement by property rules, by liability rules, or by rules of inalienability. In our framework, much of what is generally called private property can be viewed as an entitlement which is protected by a property rule. No one can take the entitlement to private property from the holder unless the holder sells it willingly and at a price at which he subjectively values the property. Yet a nuisance with sufficient public utility to avoid injunction has, in effect, the right to take property with compensation. In such a circumstance the entitlement to the property is protected only by what we call a liability rule: an external, objective standard of value is used to facilitate the transfer of the entitlement from the holder to the nuisance"9. Eine Haftungsregel legitimiert nach dieser Auffassung einen Dritten, der nicht Rechtsinhaber ist, zur Nutzung der fremden Ressource, vorausgesetzt, er leistet dem Rechtsinhaber den nach objektiven Maßstäben (und nicht gemäß den subjektiven Nutzenpräferenzen der Beteiligten) ermittelten Wertersatz für seine Einbuße. Es handelt sich also um einen (aus der Sicht des Rechtsinhabers) erzwungenen Ressourcentransfer mit der Pflicht zur Wiedergutmachung, wobei der Eingreifer „rechtmäßig" handelt. In ihrem Beispielsfall nehmen Calabresi/ Melamed denn auch auf eine Eigentumsstörung (nuisance) Bezug, die aus Gründen des öffentlichen Wohls (public utility) vorgenommen wird und die daher nicht rechtswidrig ist. In Betracht kommt hier im Bereich des bürgerlichen Vermögensrechts beispielsweise der Schadensersatzanspruch bei einer durch Notstand gerechtfertigten schädigenden Einwirkung auf eine fremde Sache nach § 904 Satz 2 BGB. Eine Haftungsregel in dem beschriebenen Sinne liegt auch bei § 906 II 2 B G B vor, wonach der Eigentümer, der eine wesentliche Einwirkung durch Immissionen, die von einem anderen Grundstück ausgehen, zu dulden hat, vom Eigentümer des anderen Grundstücks ein angemessenes Entgelt als Ausgleich verlangen kann. In beiden Fällen handelt der Eingreifer rechtmäßig, muß aber dem Rechtsinhaber (hier: Sacheigentümer) für die Schäden, die durch das rechtmäßige Handeln verursacht werden, einen Ausgleich leisten. Entgegen der Behauptung von Calabresi/Melamed kann eine so konzipierte Haftungsregel nicht dazu geeignet sein, ein Property Right, das im Kern die 8 Calabresi/Melamed, Property Rules, Liability Rules and Inalienability: One View of the Cathedral, in: Ackerman, Foundations of Property Law, 37 ff;. Coleman, Rethinking the Theory of Legal Rights, in: Coleman, Markets, Morals and the Law, 28 ff.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 454 f. 9 Calabresi/Melamed, Property Rules, Liability Rules, and Inalienability: One View of the Cathedral, in: Ackerman (Hrsg.), Economic Foundations of Property Law, 31 ff. (36).

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Kapitel II: Ökonomische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

Nutzung einer Ressource dem Rechtsinhaber exklusiv vorbehält, zu schützen. Denn nach ihrer Konzeption ist der Eingriff legitimiert, wenn ex post lediglich der Wert des in Anspruch genommenen Gutes ersetzt wird. Der Eingreifer hat das Recht, den Transfer des Gutes zu erzwingen 1 0 . Für den Juristen ist es jedoch wenig überraschend, daß ein subjektives Recht, oder ökonomisch: Property Right auch dann durch Haftungsregeln (Liability Rules) geschützt ist, wenn der Eingreifer nach dem Inhalt des Rechts dem Rechtsinhaber gerade keinen Transfer durch rechtmäßiges Handeln aufzwingen darf. Vielmehr bleibt es bei der Rechtswidrigkeit des Handelns. So verhält es sich etwa bei der Schadensersatzpflicht wegen Verletzung der in § 823 I B G B aufgeführten Rechtsgüter und absoluten subjektiven Rechte. Verletzt jemand das Eigentum eines anderen, indem er eine diesem gehörende Sache zerstört, so wird diese Handlung in Abwesenheit von Rechtfertigungsgründen nicht dadurch zu einer rechtmäßigen, daß der Verletzer im nachhinein den Schaden ersetzt. Das Eigentum wird - dies zeigt sich an § 1004 B G B und § 823 I B G B sowohl durch eine Property Rule wie auch durch eine Liability Rule geschützt. Dabei führt die Kombination von Property und Liability Rule aber nicht dazu, daß einerseits die Property Rule für einen rechtmäßigen Ressourcentransfer eine ex-ante-Vereinbarung der Parteien erzwingt, während andererseits die Liability Rule dem unbefugten Nutzer die Freiheit gibt, einseitig den Transfer herbeizuführen und dann den Rechtsinhaber zu entschädigen. Vielmehr stehen dem Rechtsinhaber bei einer Kombination von Property und Liability Rules zum Schutz eines Property Right zwei unterschiedliche Ansprüche zu: einerseits führt die Property Rule dazu, daß ein rechtmäßiger Transfer der Ressource nur auf der Grundlage einer ex ante vorgenommenen Vereinbarung zwischen Rechtsinhaber und Nutzungsinteressiertem stattfinden kann; wenn aber andererseits der Nutzungsinteressierte den Transfer herbeiführt, ohne die ex-anteVereinbarung zu treffen, so ist sein Verhalten auch dann rechtswidrig, wenn er Schadensersatz zahlt. Denn sein Verhalten verstößt gegen die Property Rule. Ein unbefugter Ressourcentransfer kann z . B . durch prohibitiv hohe Transaktionskosten verursacht werden. Festzustellen bleibt jedenfalls, daß Property Rights in der Regel durch eine Kombination von Property und Liability Rules geschützt werden; diese Kombination soll sicherstellen, daß tendenziell keine (oder doch möglichst wenige) Transaktionen stattfinden, bei denen sich die Parteien nicht ex ante über den Preis des Ressourcentransfers geeinigt haben 11 .

c) Inalienability Rules Schließlich hat die ökonomische Theorie noch eine dritte Kategorie von N o r m e n herausgearbeitet, die Property Rights vor dem unbefugten Zugriff 10 Auf diesen Umstand macht insbesondere Coleman, Rethinking the Theory of Legal Rights, in: Coleman, Markets, Morals and the Law, 38, aufmerksam. 11 Siehe dazu näher Coleman, Rethinking the Theory of Legal Rights, in: Coleman, a. a. O., 40 ff.

§ 12 Fundierung

von Property Rights in der

Rechtsordnung

297

Dritter schützen sollen, nämlich die Inalienability Rules 1 2 . Bei diesen Regeln handelt es sich um Veräußerungsverbote. Die Motive, die hinter dem Schutz von Property Rights durch Veräußerungsverbote stehen, sind unterschiedlicher Natur. Solche Verfügungsbeschränkungen finden sich an vielen Stellen des Zivilrechts. So ist etwa der Handel mit menschlichen Organen verboten. Das gleiche gilt für Geschäfte mit Rauschgift. Dabei steht der Zweck im Vordergrund, bestimmte Menschen vor den Folgen solcher Geschäfte zu schützen. Gäbe man den Markt für menschliche Organe frei, so müßte befürchtet werden, daß Menschen, die sich z . B . in materiellen Notlagen befinden, zu Verkäufen ihrer eigenen Organe gezwungen sein könnten. Anders sieht hingegen die rechtliche Zulässigkeit der (freiwilligen) Organspende aus. Die ökonomische Theorie spricht bei solchen Schutzzwecken, mit denen Veräußerungsverbote gerechtfertigt werden, von Paternalismen 1 3 . Darüber hinaus können aber auch Effizienzgründe zu der Einführung von Veräußerungsverboten führen: dies kann dann der Fall sein, wenn der Transfer eines Property Right sehr umfangreiche externe Effekte verursachen würde und sich wegen zu hoher Transaktionskosten über den Markt keine effiziente Nutzung einstellen würde. Dann kann ein Veräußerungsverbot die effizienteste Lösung sein 14 .

3. Die Einordnung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion in das System des Schutzes von Property Rights Die ökonomische Analyse des Rechts, soweit sie sich mit dem Schutz von Property Rights gegen den unbefugten Zugriff Dritter befaßt, geht ausschließlich von Ansprüchen auf Unterlassung der unbefugten Nutzung, Schadensersatzansprüchen und Veräußerungsverboten aus. D e r Fall, daß der Rechtsinhaber den Wert der vom Rechtsverletzer ohne Rechtsgrund erlangten Nutzung geltend machen kann, wird in dem oben behandelnden System von Property Rights und den dazu gehörigen Schutznormen nicht berücksichtigt. Die Ansprüche, die sich aus den Property Rights ergeben, befassen sich ausschließlich mit der Lage des verletzten Property Rights im Vermögen des Rechtsinhabers: ihm werden rechtliche Instrumente an die Hand gegeben, zukünftige Verletzungen seines Property Rights abzuwehren bzw. Schäden an der Ressource und sich daraus ergebende negative Folgen in seinem Vermögen bei schuldhaftem Handeln des Rechtsverletzers als 12 Calabresi/Melamed, Property Rules, Liability Rules and Inalienability: One View of the Cathedral, in: Ackerman (Hrsg.), Economic Foundations of Property Law, 39ff.; Walz, Ökonomische und rechtssystematische Überlegungen zur Verkehrsfähigkeit von Gegenständen, in: Schäfer/Ott, Allokationseffizienz in der Rechtsordnung, 99; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 464 ff. 13 Calabresi/Melamed, Property Rules, Liability Rules, and Inalienability: One View of the Cathedral, in: Ackerman (Hrsg.), a.a.O., 41. 14 Calahresi/Melamed, Property Rules, Liability Rules, and Inalienability: One View of the Cathedral, in: Ackerman (Hrsg.), a. a. O., 40.

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Kapitel II: Ökonomische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

Schadensersatzanspruch geltend zu machen. Diese Ansprüche lassen positive Wirkungen unbefugter Ressourcennutzungen im Vermögen des Rechtsverletzers außer Betracht. Der Anspruch auf Herausgabe der durch Eingriff erlangten Bereicherung paßt nicht in das Schema von Eigentumsregeln, Haftungsregeln und Veräußerungsverboten. Im weiteren Verlauf dieses Kapitels wird deutlich werden, daß ein Anspruch aus Eingriffskondiktion unter ökonomischen Aspekten genauso unverzichtbar für den Schutz von Property Rights ist wie die anderen rechtlichen Sicherungen von Handlungs-, Verfügungs- und Nutzungsrechten. Sie bilden eine Ergänzung der Property Rule. Die Property Rule schließt einen vom Nichtinhaber der Ressource ohne oder gegen den Willen des Rechtsinhabers erzwungenen Transfer von Property Rights aus. Allerdings gibt es Fallkonstellationen, in denen entgegen der Property Rule ein solcher erzwungener Transfer von Handlungs-, Verfügungs- und Nutzungsrechten stattfindet. U m hier einen effektiven Schutz des verletzten Property Rights zu gewährleisten, genügt es nicht, dem Rechtsinhaber einen Anspruch auf (in die Zukunft gerichtete) Unterlassung und Ausgleich des erlittenen Schadens zu gewähren. Die Funktionsfähigkeit des marktlichen Tauschmechanismus setzt voraus, daß sich niemand über die durch Property Rights an Ressourcen begründeten Ausschließlichkeitsrechte des jeweiligen Rechtsinhabers hinwegsetzt und eine Ressource wissentlich oder unwissentlich so behandelt, als sei sie ein öffentliches Gut. Wenn die einmal eingetretene Güterverteilung ernst genommen wird und eine Reallokation von Ressourcen zur Verbesserung der Pareto-Effizienz nur möglich ist, wenn die am höchsten bewertete Nutzenpräferenz am Markt ermittelt wird, indem die Interessierten ihre Zahlungsbereitschaft für die Ressource offenlegen, so kann es eine Rechts- und Wirtschaftsordnung nicht hinnehmen, daß ein Rechtsverletzer - sei es aus unverschuldeter Unkenntnis, sei es schuldhaft - eine fremde Ressource nutzt, ohne dem Inhaber ein Entgelt dafür zu bezahlen. Dieser Aspekt des Schutzes von Property Rights wird durch Liability Rules nicht abgedeckt. Liability Rules werden in der ökonomischen Theorie des Rechts als Schadensersatzansprüche aufgefaßt. Nun führt nicht jede unbefugte Inanspruchnahme einer Ressource, an der ein Property Right eines anderen besteht, zu einer Schädigung des Rechtsinhabers. Dies läßt sich besonders an der Verletzung von Immaterialgüterrechten verdeutlichen. Die unbefugte Nutzung eines Patentes durch den Rechtsverletzer beeinträchtigt die Rechtstellung des Patentinhabers nicht: das Recht bleibt diesem in vollem Umfang zugeordnet und ist in seinem O b j e k t , nämlich der Erfindung, auch nicht beeinträchtigt. Der Patentinhaber erleidet auch keinen Schaden, wenn er selbst die Erfindung nicht nutzen kann oder will.

§ 12 Fundierung von Property Rights in der Rechtsordnung

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II. Property Rights und die Funktion von Verträgen und Vertragsrecht (Vertragsordnung) Ein wesentliches Element der Property Rights ist die ausschließliche Zuweisung der mit einer bestimmten Rechtsposition verbundenen Nutzenfunktionen von Ressourcen. Ausschließlichkeit bedeutet, daß der Rechtsinhaber autonom die Entscheidung über Art und Weise der Ressourcennutzung trifft. Zugleich haben sich alle anderen, die nicht Rechtsinhaber in Bezug auf die in Frage stehende Ressource sind, der Entscheidung über die N u t z u n g dieses Guts zu enthalten. D e r Inhaber eines Property Rights ist also befugt, die Ressource, die den Gegenstand der Berechtigung (Entitlement) bildet, in jeglicher Hinsicht, soweit es von den spezifischen Rechtsregeln zugelassen ist zu nutzen, ohne des Einverständnisses anderer Rechtssubjekte zu bedürfen, das etwa gegen Entgelt v o m Rechtsinhaber einzuholen wäre. D i e Ausschließlichkeit von Property Rights bedeutet auch, daß der Rechtsinhaber ohne Rücksicht darauf handeln darf, wie sich die N u t z u n g des ihm zustehenden Rechts auf die Vermögenspositionen der anderen Rechtssubjekte auswirkt.

1. Die Bedeutung des Vertrages für den Transfer von Property Rights D i e Marktwirtschaft verhindert eine Verschwendung knapper Ressourcen dadurch, daß jeder Ressourcenverwendung ein Tauschvorgang vorangestellt wird: Wer eine Ressource, an der er kein Property Right besitzt, nutzen m ö c h te, m u ß die Erlaubnis zu dieser N u t z u n g v o m Rechtsinhaber - in der Regel gegen Entgelt - erwerben 1 5 . D i e H ö h e des Entgelts wird regelmäßig - soweit keine Preisregulierungen und kein Marktversagen vorliegen - zwischen den Beteiligten frei vereinbart. Im Prinzip legt auf dem Markt jeder Interessierte sein Interesse an der N u t z u n g offen; er tut dies durch die Erklärung seiner Zahlungsbereitschaft 1 6 . F ü r die Erreichung einer optimalen Ressourcenallokation ist es allerdings mit der bloßen Erklärung der Zahlungsbereitschaft nicht getan; bliebe die Bewertung der jeweiligen Nutzenpräferenz im Unverbindlichen, so könnte nicht sichergestellt werden, daß derjenige, der das höchste G e b o t für die N u t z u n g einer Ressource abgibt, auch tatsächlich die H ö h e des G e b o t s in seine Wirtschaftlichkeitsrechnung eingestellt hat. Dies kann nur dadurch gewährleistet werden, daß derjenige, der den höchsten Preis bietet, auch tatsächlich entsprechend seiner erklärten Zahlungsbereitschaft das festgelegte Entgelt an den Inhaber des Property Right zahlen muß. H i e r nun rücken die Institutionen des Vertrages und des Vertragsrechts in den Mittelpunkt der Betrachtung. Ist die N u t 15 16

Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 114 f. Posner, Economic Analysis of Law, 14.

300

Kapitel II: Ökonomische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

zung einer ausschließlich zugewiesenen Ressource durch einen Nichtinhaber nur unter Zustimmung des Rechtsinhabers zulässig, so ist es das Instrument des Vertrages, mit dem die Beteiligten die Zustimmung des Rechtsinhabers zur Nutzung, die für sie zu erbringende Gegenleistung des an der Nutzung interessierten Dritten und die sonstigen Bedingungen des Ressourcenaustausches geregelt werden. Damit wird auch deutlich, daß der Kontraktmechanismus, über den technisch die Reallokation ausschließlich zugewiesener Property Rights vorgenommen wird, elementare Voraussetzung für das Funktionieren eines wettbewerblichen Gütermarktes ist, bei dem der Austausch von Gütern allein aufgrund der individuellen Nutzenpräferenzen der am Markt tätigen Personen erfolgt. D a die Reallokation in einem Marktmodell nicht von einer höheren Instanz, von einem Kollektivorgan oder einer Planbehörde angeordnet wird, ist der einzige Weg, um eine Reallokation herbeizuführen, der A b schluß eines mit verbindlicher Kraft wirkenden Vertrages. Dieser Austauschprozeß, der den Kern der marktwirtschaftlichen Ressourcenallokation darstellt, hat zwei spezifische juristische Voraussetzungen, ohne die er nicht funktionsfähig wäre: zum einen eine rechtlich fixierte, möglichst konzentrierte Zuweisung der Nutzung von Ressourcen an die Rechtssubjekte (Property Right) und zum anderen den Vertrag als Mittel zur Reallokation von Ressourcen im Rahmen einer vorgegebenen Anfangsverteilung von Property Rights. U n t e r der genannten Bedingung, daß ein Ressourcentransfer am Markt nur aufgrund der Koordination individueller Nutzenpräferenzen und mit (freiwilliger) Zustimmung des Rechtsinhabers stattfindet, gäbe es auch dann Verträge, wenn die Rechtsordnung darauf verzichten würde, Voraussetzungen und Rechtsfolgen von Verträgen gesetzlich zu regeln. Darauf wird noch zurückzukommen sein. Die Rechtssubjekte finden eine gewisse Ressourcenverteilung in der Gesellschaft vor; im Rahmen einer dynamischen Wirtschaftsentwicklung verändern sich die Nutzenpräferenzen der in einer Gesellschaft lebenden Individuen beständig. Aus dieser ständigen Veränderung sind die ökonomischen Konsequenzen zu ziehen: um die Verschwendung knapper Ressourcen zu verhindern, müssen diese an den gesellschaftlichen O r t geleitet werden, an dem sie ihre am höchsten bewertete Nutzung finden. Dies kann aber nur geschehen, wenn die Wirtschaftssubjekte ständig auf den Güter- und Faktormärkten ihre Nutzenpräferenzen im Wettbewerb um die Nutzung knapper Güter vergleichen und miteinander koordinieren können. Dabei ist der Vertrag ein unverzichtbares Instrument.

2. Die Feststellung der Zahlungsbereitschaft als bei der Ressourcennutzung

Knappheitsindikator

D e m Vertragsschluß logisch vorgeschaltet ist die Offenlegung der Zahlungsbereitschaft derjenigen, die an der Nutzung einer (für sie fremden) Ressource

5 12 Fundierung

von Property Rights in der

Rechtsordnung

301

interessiert sind 17 . Unter den Angeboten für die Nutzung einer Ressource wird der rationale Nutzenmaximierer das höchste Gebot annehmen. Der Vertrag über die Ressourcenverwendung wird mit diesem Preis abgeschlossen. Der Preis stellt - ebenso wie der Wert von Gütern - eine in Geld ausgedrückte Mengenrelation von verschiedenartigen Gütern dar. Der Wert eines Gutes wird immer in Relation zum Wert eines anderen Gutes ausgedrückt 18 . Preise werden ökonomisch als Mengenrelationen in Verträgen definiert, die zwischen selbständigen Wirtschaftssubjekten zum Zwecke des Güteraustauschs vereinbart werden 1 9 . Unterschieden werden dabei Anschaffungspreise, die das Verhältnis der Menge hergegebener Güter zur Menge erlangter Güter reflektieren und Abgabepreise, welche wiederum die Menge erlangter Güter im Verhältnis zur Menge abgegebener Güter widerspiegeln 20 . Preise für Güter sind Indikatoren für das Ausmaß an Knappheit der betreffenden Ressourcen und zwar im Verhältnis zu anderen knappen Gütern. Bei Nutzungsentscheidungen zwingen sie dazu, die unterschiedlichen Knappheitsrelationen bei der Einteilüng der begrenzten Mittel, die einem Wirtschaftssubjekt zur Verfügung stehen, zu berücksichtigen. Die Preisbildung erfolgt unter den modellhaften Bedingungen der vollkommenen Konkurrenz ohne Einwirkungsmöglichkeit einzelner Mitbewerber im atomistischen Wettbewerb. Die Anbieter von Gütern müssen die Preise als Datum hinnehmen; im Falle einer Preisänderung reagieren sie als reine Mengenanpasser. Im Modell vollkommener Konkurrenz entspricht der Preis den Grenzkosten des Gutes 2 1 . D e r Hersteller des Gutes wird die Produktion so weit ausdehnen, wie der Preis, den er mit einem zusätzlich produzierten Stück des Gutes am Markt erzielen kann, noch über den Grenzkosten liegt, die die Produktion des weiteren Stücks verursacht. Steigt der Preis, wird bei sonst gleichbleibenden Bedingungen der Hersteller seine Produktion steigern, bis der Preis den Grenzkosten entspricht. Sinkt hingegen der Preis, so wird der Hersteller - ceteris paribus - die Produktion reduzieren, bis der (reduzierte) Preis wieder den Grenzkosten seines (nunmehr in geringerer Stückzahl hergestellten) Produkts entspricht. Von der richtigen Preisfindung im Wettbewerb hängt die effiziente Produktionsstruktur einer Wirtschaft ab: ist der Preis zu niedrig, wird von einem Gut im Hinblick auf seine Knappheit zuviel (auf Kosten anderer Produkte) produziert; umgekehrt verhält es sich bei einem zu hohen Preis: er führt zu einer in Anbetracht der Nachfrage zu geringen Produktion. Die Knappheit eines Gutes wird durch einen Preis nur dann zutreffend indiziert, wenn die Preisbildung nicht durch Marktversagen (etwa Kartellbildung, Mono17 Auch der Inhaber eines Property Right unterliegt dem marktlichen Tauschprozeß, der einer Ressourcennutzung vorangeht: er muß genauso wie alle anderen seine Nutzenpräferenz offenlegen. Dies geschieht im Preis für die Ressourcennutzung. 18 Stützet, Wert und Preis, Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Sp. 4405. 19 Stützet, a.a.O., Sp. 4405. 20 Stützet, a. a. O., Sp. 4405. 21 Grenzkosten sind diejenigen Kosten, die für einen Produzenten zusätzlich entstehen, der seine Produktion um jeweils ein weiteres Stück ausdehnt, siehe Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 71.

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Kapitel II: Ökonomische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

pole, Mißbrauch von Marktmacht, öffentliche Güter) oder sonstige Ursachen verzerrt wird 22 . Neben dem Marktversagen liegt eine sonstige Ursache für fehlerhafte Preisbildung vor, wenn z . B . einige Produzenten eines Gutes nicht gezwungen sind, den Preis für alle Einsatzstoffe (Faktorpreise), die sie für die Produktion ihres Gutes benötigen, in ihre Kostenrechnung, die die Grundlage der Preisbildung ist, einzubeziehen. Dies ist etwa der Fall, wenn sie in der Lage sind, einige der Einsatzgüter, die anderen Wirtschaftssubjekten gehören zu nutzen, ohne dafür ein Entgelt bezahlen zu müssen. Eine solche Konstellation kann beispielsweise bei Patenten eintreten, wenn jemand eine Erfindung macht und diese nutzt, ohne daß er weiß, daß ein anderer bereits ein Patent auf die Erfindung besitzt. D a das Patentrecht seinem Inhaber die alleinige Nutzung der Erfindung vorbehält, darf ein anderer die Erfindung nur mit (in der Regel entgeltlich erteilter) Zustimmung des Inhabers nutzen. K o m m t es aber dennoch zu einer unbefugten Nutzung, so würde diese Ressourcenverwendung sich aus der Sicht des Rechtsverletzers wie ein (positiver) externer Effekt auswirken: die Kosten der Ressourcenverwendung gehen nicht in die Kalkulation des (unbefugten) Nutzers ein. Handelt es sich bei ihm um einen Produzenten, so werden seine Produkte im Hinblick auf die Knappheit der verwandten Einsatzstoffe tendenziell zu billig sein, da er die Kosten für die Patentnutzung in seiner Preisgestaltung nicht berücksichtigt. Zusammenfassend ist festzustellen, daß eine unverzerrte Festsetzung der Preise am Markt eine Voraussetzung für eine optimale Allokation von Ressourcen darstellt.

3. Die Reduktion von Transaktionskosten von Property Rights

bei dem Transfer

Bereits oben wurde darauf hingewiesen, daß bei einer Koordination individueller Nutzenpräferenzen hinsichtlich knapper Ressourcen im Wege marktwirtschaftlicher Tauschprozesse das Instrument des Vertrages zwischen Rechtsinhabern und Nutzungsinteressenten, die nicht über die erforderlichen Property Rights verfügen, auch dann erforderlich sein würde, wenn von der Rechtsordnung kein Vertragsrecht zur Verfügung gestellt würde. In der ökonomischen Analyse des Rechts wird darauf hingewiesen, daß Transaktionen, bei denen Leistung und Gegenleistung simultan ausgetauscht werden, auch dann möglich blieben, wenn (hypothetisch) kein staatlich gesetztes Vertragsrecht für die Erfüllung der wechselseitig eingegangenen Verpflichtungen sorgen würde 23 . Al-

22 Siehe zur Problematik des Marktversagens und zu seinen Ursachen etwa Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 130ff.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 86 ff. 23 Posner, Economic Analysis of Law, 90.

5 12 Fundierung

von Property Rights in der

Rechtsordnung

303

lerdings würde das Fehlen eines Vertragsrechts, das dazu dient, die Erfüllung der eingegangenen Verpflichtungen zu erzwingen, dazu führen, daß die vorhandenen Ressourcen nicht optimal genutzt würden. Bei Fehlen eines Vertragsrechts würden zu viele Ressourcen in solche wirtschaftlichen Aktivitäten fließen, die auf kurzfristige Transaktionen angelegt sind und zu wenige in Aktivitäten, die langfristigen, zeitlich versetzten Ressourcenaustausch erforderten 24 . Dennoch würde es auch in einer Welt ohne Vertragsrecht und rechtlichen Mechanismen zur Durchsetzung von abgeschlossenen Transfervereinbarungen zu Transaktionen kommen, bei denen die Leistungen nicht synchron erbracht würden. Allerdings spielte bei solchen Transaktionen das Vertrauen in die Leistungswilligkeit des Tauschpartners eine große Rolle. Das Risiko, zunächst die eigene Leistung zu erbringen und dadurch einen Verlust zu erleiden, ohne daß die Gegenleistung erfüllt wird, müßte mit entsprechenden „Risikozuschlägen" zum Preis der Ressource entgolten werden25. Diese Zuschläge würden sich insgesamt im Preisniveau für alle Güter bemerkbar machen. Die Inanspruchnahme des Marktes für Tauschvorgänge ist für diejenigen, die dort Transaktionen vornehmen, nicht kostenlos. Alle Ressourcentransfers, die am Markt durchgeführt werden, verursachen sog. Transaktionskosten. Wie das Coase-Theorem - welches von einem modellhaften Zustand einer Welt ohne Transaktionskosten ausgeht - zeigt, können sich Transaktionskosten insofern als Hindernisse für eine optimale Ressourcenallokation erweisen, als sie in die individuellen Nutzenkalkulationen der Tauschinteressierten (die die jeweiligen Transaktionskosten zu tragen haben) eingehen. Stellen sich die Transaktionskosten als so hoch dar, daß der Vorteil der Transaktion nach der Nutzenpräferenz einer Partei aufgehoben wird, so unterbleibt die Transaktion, die eigentlich zu einer Pareto-Verbesserung geführt hätte. Die nutzenmaximierenden Individuen werden Transaktionen nur dann durchführen, wenn der Nutzen ihre Kosten übersteigt. Unter Effizienzgesichtspunkten ist es daher wünschenswert, daß Transaktionskosten so gering wie möglich gehalten werden, um effizienzsteigernde Transaktionen in möglichst großem Umfang zu ermöglichen26.

a)

Transaktionskosten

Entsprechend dem Ablauf von Transaktionen lassen sich die Transaktionskosten in mehrere Gruppen unterteilen. 1. Informationskosten 27 : Diese Art der Transaktionskosten bezeichnet den Aufwand, der zur Ermittlung und Findung der zu einer Transaktion am Markt Posner, Economic Analysis of Law, 90; Hirsch, Law and Economics, 134. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 324; Köhler, Vertragsrecht und „Property-Rights"-Theorie, Z H R 144 (1980), 589ff. (592); Cooter/Ulen, Law and Economics, 228 f. 26 Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 107. 27 Wegehenkel, Coase-Theorem und Marktsystem, 15; Behrens, a.a.O., 107f.; Köhler, Vertragsrecht und „Property-Rights"-Theorie, Z H R 144 (1980), 591; Gaefgen, Entwicklung und 24 25

304

Kapitel II: Ökonomische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

erforderlichen Informationen getrieben werden muß. Wer eine spezifische Ressource erwerben oder veräußern will, muß herausfinden, mit welchen potentiellen Partnern er in einen Austauschprozeß eintreten will. Dabei werden sich häufig Entscheidungsalternativen ergeben, die sich aus der Sicht des Transaktionsinteressierten als unterschiedlich attraktiv darstellen können. Die Erarbeitung der Entscheidungsalternativen ist mit (Opportunitäts- und realen) Kosten verbunden. Der Umstand, daß die Gewinnung von Informationen zur Entscheidung über Transaktionen kostenträchtig ist, führt dazu, daß nutzenmaximierende Akteure nie eine vollständige Information über alle mit der Entscheidung und ihrer möglichen Folgen verbundenen Aspekte anstreben. Die Akteure werden nur insoweit Kosten für die Reduktion von Unsicherheit in Bezug auf eine Transaktion eingehen, als sie dadurch noch einen Nutzen erwarten können, der zumindest den Kosten für diese Information entspricht. 2. Findungs- und Abschlußkosten 2 8 : Soweit vertragliche Transaktionen von Ressourcen in Frage stehen, so treten neben die Informationskosten auch Findungs- und Abschlußkosten. Wenn der Akteur seine Verhaltensalternativen hinsichtlich der in Frage stehenden Aktivitäten untersucht und sich für eine bestimmte Handlungsalternative entschieden hat (die eine Transaktion erforderlich macht), so muß er zunächst den geeigneten Transaktionspartner finden. Handelt es sich bei der Transaktion um den Erwerb eines Property Right, so muß der Transaktionspartner Inhaber des gewünschten Rechts (bzw. der diesbezüglichen Ressource) sein. Hat er einen oder mehrere potentielle Transaktionspartner gefunden, so muß er mit ihnen Kontakt aufnehmen und über Leistung, Gegenleistung und sonstige Bedingungen der ins Auge gefaßten Transaktion verhandeln. Schließlich bedarf es - bei mehreren alternativen Transaktionspartnern - der Entscheidung, mit welcher Partei die Transaktion durchgeführt werden soll. 3. Kosten der Vertragsdurchführung und -kontrolle 2 9 : Schließlich entstehen auch noch Transaktionskosten hinsichtlich der Durchführung des Vertrages und seiner Kontrolle. Dazu gehören die Kosten, die der Austausch der vereinbarten Leistungen selbst verursacht, wie auch der Aufwand, der erforderlich ist, um die korrekte Leistungserbringung zu überwachen. In diese Kategorie Stand der Theorie der Property Rights: Eine kritische Bestandsaufnahme, in: Neumann, Ansprüche, Eigentums- und Verfügungsrechte, Schriften des Vereins für Socialpolitik, N. F. Bd. 140 (1984), 52. 28 Wegehenkel, Coase-Theorem und Marktsystem, 15 (Kosten der Vorbereitung des Vertragsschlusses); Schüller, Property Rights, Theorie der Firma und wettbewerbliches Marktsystem, in: Schüller (Hrsg.), Property Rights und ökonomische Theorie, 145 ff. (158 f.); Gaefgen, Entwicklung und Stand der Theorie der Property Rights: Eine kritische Bestandsaufnahme, in: Neumann, a.a.O., 52; Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 108f. (Entscheidungskosten). 29 Schüller, Property Rights, Theorie der Firma und wettbewerbliches Marktsystem, in: Schüller (Hrsg.), a.a.O., 159; Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 109; Köhler, Vertragsrecht und „Property-Rights"-Theorie, ZHR 144 (1980), 591.

§12

Fundierung

von Property Rights in der Rechtsordnung

305

gehören aber ebenso die Kosten, die durch die Inanspruchnahme des staatlichen Zwangsapparates entstehen, mit dessen Hilfe die Leistungserbringung bzw. die Schadensersatzzahlung bei mangelhafter Leistung erzwungen werden kann. Für das Postulat der Minimierung von Transaktionskosten spielt das Recht in mehrfacher Hinsicht eine überaus wichtige Rolle. Zum einen stellt es die verbindlichen Rahmenbedingungen für die unterschiedlichen Steuerungsmechanismen zur Verfügung, die in einer Gesellschaft zur Koordinierung individueller Entscheidungen angeboten werden (neben dem Markt etwa Bürokratie, Verbandsmechanismus, politischer Prozeß). Diese Rahmenbedingungen sind so anzulegen, daß die individuellen Nutzenpräferenzen, die den durch diese Steuerungsmechanismen koordinierten Handlungen zugrunde liegen, möglichst nicht durch unnötig hohe Transaktionskosten verzerrt werden. Genauso müssen die Koordinationsvorgänge innerhalb des jeweiligen Steuermechanismus, z . B . Verträge im Rahmen marktlicher Entscheidungskoordination, möglichst transaktionskostenminimierend angelegt sein. Denn sonst entsteht auch hier die Gefahr, daß allokationsfördernde Transaktionen wegen der Transaktionskosten unterbleiben.

b) Vertragsrecht und

Transaktionskosten

In dem oben skizzierten Rahmen kommt dem dispositiven Vertragsrecht eine wichtige Funktion bei der Minimierung von Transaktionskosten zu, die mit an Märkten vorgenommenen Transfers von Property Rights in Zusammenhang stehen. A m deutlichsten wird die transaktionskostenmindernde Wirkung des Vertragsrechts, wenn man zunächst vom Leitbild des sog. vollständigen Vertrages 30 ausgeht. Die ökonomische Analyse des Rechts spricht von einem (nur als theoretisches Konstrukt vorkommenden) vollständigen Vertrag dann, wenn die Parteien einer Vereinbarung alle mit einem Leistungsaustausch verbundenen Risiken erkannt, hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts bewertet und bezüglich der Risikotragung sämtlich unter sich zugeordnet haben. U m einen vollständigen Vertrag zustande zu bringen, müßten die Parteien sich über alle auch nur denkbaren Risiken (Schlecht- und Nichterfüllung, Verzug, Wegfall der Geschäftsgrundlage, Unmöglichkeit der Leistung, Mangelfolgeschäden, Schäden durch die Nutzung der Sache usw.) einigen und auch die Rechtsfolgen festlegen (Rücktritt, Neuverhandlung, Anpassung, Schadensersatz), die bei Eintritt eines Risikos Platz greifen sollen. Die Zuordnung der Risikotragung nehmen die Parteien nach dem Kriterium vor, welche Partei zu kostengünstigeren Bedingungen (im Vergleich zur anderen Partei) zur Risikoverminderung oder Risikoversicherung in der Lage ist. Von einer solchen Risikoverteilung profitieren beide Teile: da sich die Risiken, die jede Partei zu 3 0 Siehe dazu Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 325 ff.; Posner, Economic Analysis of Law, 92ff.; Cooter/Ulen, Law and Economics, 229ff.

306

Kapitel II: Ökonomische Grundlagen der Eingriffskondiktion

tragen hat, im Preis ihrer Leistung widerspiegeln, sorgt das genannte Prinzip dafür, daß die Risikotragungskosten möglichst gering gehalten werden. Die Aushandlung vollständiger Verträge ist aus Gründen zu hoher Transaktionskosten unmöglich. Das dispositive Vertragsrecht bietet den Vertragsparteien jedoch Konfliktlösungen an, die - in den meisten Fällen - dem Kriterium der Transaktionskostenminimierung entsprechen, indem sie sich darum bemühen, die Risikoverteilung von nicht vorhergesehenen und daher im Vertrag nicht geregelten Gefahren so vorzunehmen, daß die Partei das Risiko trägt, die seine Realisierung mit dem geringsten Aufwand verhindern bzw. am billigsten versichern kann. Die Rechtsordnung stellt den Vertragsschließenden schließlich mit dem Zivilprozeß- und Zwangsvollstreckungsrecht Mittel des staatlichen Zwanges zur Verfügung. Dadurch können Vertragsverletzungen geltend gemacht, geklärt und ihre Rechtsfolgen durchgesetzt werden. Das Vertragsrecht wirkt in dem beschriebenen Sinne transaktionskostenmindernd.

4. Zusammenfassung: Das Recht als konstitutives des marktlichen Tauschprozesses

Element

Damit wird klar, daß unter den normativ-ökonomischen Gesichtspunkten von Allokationsoptimum und Transaktionskostenminimierung bei Austauschvorgängen durch den Steuerungsmechanismus eines wettbewerblich orientierten Marktes dem Recht eine überaus wichtige Bedeutung zukommt. Seine oben angesprochenen Funktionen kann der Steuerungsmechanismus Markt nur erbringen, wenn drei Bedingungen erfüllt sind: - Ein System juristisch abgesicherter Ausschließlichkeitsrechte über knappe Güter (Property Rights) muß für alle Rechtssubjekte klar erkennbar festlegen, wem die Handlungs-, Verfügungs- und Nutzungsbefugnis an einer bestimmten Ressource zusteht; - eine Reallokation von Ressourcen, an denen Property Rights begründet sind, muß jederzeit im Rahmen von privatautonom abgeschlossenen und durch das dispositive Vertragsrecht ergänzte Verträgen möglich sein; - schließlich hat die Rechtsordnung Regeln vorzusehen, die es ermöglichen, Konflikte im Hinblick auf Umfang und Zuordnung der Property Rights wie über die abgeschlossenen Verträge nach allgemeinen Regeln zu entscheiden und die getroffenen Entscheidungen auch durchzusetzen. D e r Markt als gesellschaftlicher Steuerungsmechanismus für die Koordination individueller Handlungen kann nur dann konstituiert werden und seine positiven Wirkungen im Hinblick auf das Ziel der Allokationseffizienz entfalten, wenn diese drei Voraussetzungen vorliegen. Dabei fällt auf, daß alle drei Voraussetzungen eng mit dem Recht zusammenhängen, daß sie eigentlich erst durch das Recht verwirklicht werden. Nachdem die Bedeutung umrissen worden ist, die einem rechtlich institutionalisierten System von Property

§ 12 Fundierung von Property Rights in der Rechtsordnung

307

Rights (Ausschließlichkeitsrechten) und der Vertragsfreiheit nebst Vertragsrecht zukommen, wird im folgenden die spezifische Funktion der Eingriffskondiktion im Rahmen der Güterzuordnung und Reallokation herausgearbeitet werden.

§ 1 3 Die Funktion der Eingriffskondiktion für Transfers von Property Rights auf wettbewerblich orientierten Märkten Die bisherigen Ansätze zur Funktionalisierung der Eingriffskondiktion erklären die spezifische Aufgabe, die diesem Rechtsinstitut im Rahmen des bürgerlichen Vermögensrechts neben Ansprüchen aus Delikt, unechter Geschäftsführung ohne Auftrag, Eigentümer-Besitzer-Verhältnis und dem Vertragsrecht zukommt, ohne dabei die ökonomischen Funktionen des Rechtsinstituts zu berücksichtigen. Die Vermögensverschiebungslehre in ihrer reinen Form als Rechtsverschiebungstheorie will einen Anspruch aus Eingriffskondiktion nur dann gewähren, wenn ein dem Bereicherungsgläubiger zustehendes Recht an einen Gegenstand rechtsgrundlos und - ohne geleistet worden zu sein - vom Bereicherungsschuldner erworben wurde 1 . Nach dieser Auffassung kommt ein Anspruch aus Eingriffskondiktion nur bei solchen Fallkonstellationen in Betracht, in denen ein vorher schon bestehendes Recht den Inhaber gewechselt hat. Damit wird der gesamte Sektor der Bereicherung aus unbefugter Nutzung von Rechten und unerlaubtem Gebrauch von Sachen aus dem Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion ausgeschlossen. Die Beschränkung der Eingriffskondiktion auf den juristisch-gegenständlichen Transfer von Gütern ist sachlich nicht gerechtfertigt. Ebenso wenig überzeugend sind die Versuche im Rahmen der Vermögensverschiebungslehre, über eine Erweiterung des Vermögensbegriffs bzw. einen Ersatz des Vermögensverschiebungserfordernisses durch ein Kausalitätsmoment den Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion auszudehnen 2 . Die Rechtswidrigkeitstheorien stellen - kombiniert jeweils mit anderen Kriterien - den Aspekt der Rechtsverletzung, d. h. der Unrechtmäßigkeit des Handelns, in den Mittelpunkt des Tatbestandes der Eingriffskondiktion. Der Zugriff auf das Vermögen des Rechtsverletzers wird damit gerechtfertigt, daß seine Bereicherung auf einer rechtswidrigen Handlung beruht. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit den verschiedenen Rechtswidrigkeitstheorien findet sich in Kapitel I dieser Untersuchung 3 . Die dort genannten 1 Leonhard, Besonderes Schuldrecht des BGB, 454; Hillmer, Der Vermögensbegriff bei der Bereicherung, 23 ff. Siehe auch oben § 3 VII. 2 Siehe dazu oben § 3 VI. 3 Siehe oben §§ 4 und 5.

§ 13 Eingriffskondiktion

und Transfers von Property

Rights

309

Gründe für die Untauglichkeit der Rechtswidrigkeit des Handelns als Grundlage der Eingriffskondiktion sollen hier nicht wiederholt werden. Es sei nur noch einmal darauf hingewiesen, daß die Unrechtmäßigkeit des Handelns nicht mit der Rechtsgrundlosigkeit i.S.v. § 812 I 1 B G B gleichgesetzt werden darf. Das Urteil der Rechtswidrigkeit richtet sich auf das Verbotensein einer Handlung. Aus dem Verbotensein einer Handlung kann nicht der Schluß gezogen werden, daß das wirtschaftliche Ergebnis der verbotenen Handlung dem Bereicherungsgläubiger zusteht. Von der Theorie vom Zuweisungsgehalt der Rechte, die dieser Untersuchung zugrunde liegt, wird der Rechtsgüter schütz als Zweck der Eingriffskondiktion angegeben4. Andere Stimmen unter den Vertretern der Zuweisungsgehaltslehre weisen darauf hin, daß sich die Eingriffskondiktion gegen die Usurpation fremden Rechts durch unbefugte Personen richte 5 . Diese Funktionalisierung steht dem Ziel des Rechtsgüterschutzes nahe, setzt aber einen etwas anderen Akzent. Der Rechtsgüterschutz ist - jedenfalls nach der Lehre vom Zuweisungsgehalt subjektiver Rechte - der Zweck der Eingriffskondiktion. Andererseits kann nicht bestritten werden, daß auch der Zweck des § 823 I B G B im Schutz der dort genannten Rechtsgüter, des Eigentums und der „sonstigen Rechte" liegt. Beide Rechtsinstitute verfolgten dann denselben Zweck und unterschieden sich lediglich in den Rechtsfolgen: bei § 812 I 1, 2. Alt. B G B ist dies die Herausgabe des durch die unbefugte Nutzung Erlangten, bei § 823 I B G B der Ersatz des durch eine schuldhafte Verletzung der genannten Rechte und Rechtsgüter verursachten Schadens. Der Hinweis auf die Usurpation fremder Rechtspositionen, die durch die Eingriffskondiktion sanktioniert werden soll, legt m.E. einen Gedanken nahe, der im Recht der Eingriffskondiktion nichts zu suchen hat: nämlich den Gedanken der Verhaltenssteuerung durch Abschrekkung. Die Anwendung der Eingriffskondiktion ist nicht an ein Verschuldenserfordernis geknüpft; der Herausgabeanspruch nach § 812 I 1, 2. Alt. B G B greift also auch dann Platz, wenn der Rechtsverletzer nichts davon wußte, daß er mit seiner Handlung ein fremdes Recht verletzt und diesen Umstand auch nicht kennen mußte. Dann aber kann mit dem Anspruch aus Eingriffskondiktion keine Verhaltenssteuerung im Einzelfall bezweckt sein: der Bereicherungsschuldner haftet unabhängig davon, ob er in der Lage war, die Unbefugtheit der Inanspruchnahme des fremden Rechts zu erkennen. Die Anknüpfung an eine „Usurpation" fremden Rechts deutet also in eine Richtung, die nicht mit der Ausgestaltung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion nach § 8 1 2 1 1 , 2 . Alt. B G B in Ubereinstimmung steht.

4 v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel I, 353; Loewenheim, Bereicherungsrecht, 57; Erman(-Westermann), § 8 1 2 , Rz. 66; Fikentscber, SchR, Rz. 1118; Emmerich, SchR BT, 259; Schlechtriem, SchR BT, Rz. 661. 5 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 236 f.; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 72.

310

Kapitel II: Ökonomische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

Hinsichtlich der Aufgabe des Rechtsgüterschutzes wird sich zeigen, daß die Funktion der Eingriffskondiktion - schon wegen der Anknüpfung an den Zuweisungsgehalt von Rechten - dem Güterschutz nahesteht; allerdings läßt sich der Zweck des Anspruchs im Anschluß an die wirtschaftlichen Funktionen des Gütertransfers noch konkreter fassen. Wie im folgenden deutlich wird, kommt der Eingriffskondiktion im Rahmen des bürgerlichen Vermögensrechts eine spezifische Funktion zu, die sich wiederum auf die Art und Weise bezieht, in der Rechte mit Ausschließlichkeitscharakter in einer wettbewerbsorientierten Marktwirtschaft zum Zwecke von Effizienzverbesserungen übertragen werden.

I. Der Eingriff in fremde Property Rights als Versagen der Vertragsordnung 1. Der „ Normalf all" der Nutzung fremder Ressourcen: Erwerb von Gütern bzw. Nutzungsberechtigungen durch Vertrag am Markt a) Der Begriff der Vertragsordnung Bereits oben wurde auf die Funktionsbedingungen des Marktes ausführlich eingegangen. Der Verschwendung von Ressourcen wird durch den Steuerungsmechanismus Markt dadurch entgegengewirkt, daß vor jeder Ressourcennutzung ein Tauschvorgang stattfindet, der es jedem interessierten Nachfrager einer Nutzung gestattet, sich um die Verwendung des Gutes zu bewerben 6 . Alle interessierten Ressourceninhaber und alle interessierten Nutzer, die nicht Ressourceninhaber sind, legen am Markt ihre individuellen Nutzenpräferenzen über die Bekanntgabe des Preises offen, für den sie die Nutzung zu veräußern bzw. den sie für die Nutzung zu zahlen bereit sind. Am Markt wird sich dabei die jeweils niedrigste (Anbieter) bzw. höchste Nutzenpräferenz (Nachfrager), jeweils mit Geld bewertet, durchsetzen. Die Funktionsfähigkeit des Steuerungssystems Markt setzt u. a. die eindeutige Zuweisung von Ressourcen an Rechtssubjekte sowie eine Vertragsordnung voraus, die es den Parteien am Markt gestattet, die bestehende Ressourcenallokation gemäß ihren individuellen Nutzenpräferenzen zu modifizieren und dadurch zu einer Verbesserung der Pareto-Effizienz beizutragen. Der Begriff der Vertragsordnung, wie er in dieser Untersuchung verwandt wird, umfaßt die grundlegenden Strukturmerkmale des Vertrages (Privatautonomie, Abschluß und Inhaltsfreiheit), das dispositive und das zwingende Recht der Verträge sowie die zur Durchsetzung abgeschlossener Verträge erforderlichen staatlichen bzw. privaten Zwangsinstrumente (Erkenntnis- und Zwangsvollstreckungsverfahren, Schiedsgerichtsbarkeit). 6

Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 114.

§ 13 Eingriffskondiktion

und Transfers von Property

Rights

311

b) Privatautonomie und Vertragsfreiheit Unter Privatautonomie versteht die Rechtswissenschaft die durch die Rechtsordnung begründete und geschützte Fähigkeit des Individuums, seine Rechtsverhältnisse entsprechend seinem Willen zu gestalten. Die Privatautonomie ist - so gesehen - ein Teil des Prinzips der Selbstbestimmung. Das Recht auf Selbstbestimmung kommt dem Menschen aufgrund seiner Menschenwürde zu. Die Selbstbestimmung der Person wird als ein zu verwirklichender Wert vom Grundgesetz vorausgesetzt und ihre Realisierung und ihr Schutz wird durch die Grundrechte angestrebt. „Privatautonomie nennt man das Prinzip der Selbstgestaltung der Rechtsverhältnisse durch den einzelnen nach seinem Willen. Die Privatautonomie ist ein Teil des allgemeinen Prinzips der Selbstbestimmung des Menschen"7. Positiv-rechtlich ist der Grundsatz der Selbstbestimmung des Menschen in Art. 2 I des Grundgesetzes als Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit niedergelegt. Der Grundsatz der Selbstbestimmung (im Gegensatz zur Fremdbestimmung) und das aus ihr folgende Prinzip der allgemeinen Handlungsfreiheit ist daher rechtlich geschützte Freiheitsgewährung 8 . Die allgemeine Handlungsfreiheit wiederum läßt sich in zwei große Bereiche unterteilen: Einerseits kann die Handlungsfreiheit durch faktisches Tun oder Unterlassen des Rechtssubjekts ausgeübt werden. Der Eigentümer einer Sache entscheidet beispielsweise im Rahmen der ihm zustehenden Befugnisse über die konkrete Verwendung seiner Sache und verfährt mit ihr dementsprechend. Als Beispiel sei auf einen Grundstückseigentümer hingewiesen, der beschließt, seinen Grund als Bauland zu benutzen und ein Haus darauf zu errichten. Vielfach jedoch reicht das tatsächliche Tun oder Unterlassen nicht aus, um den vom Träger der Handlungsfreiheit gewünschten rechtlichen Erfolg herbeizuführen. Dann bedarf es zur Verwirklichung der Handlungsfreiheit der Vornahme von Rechtsgeschäften. Dieser Bereich der Handlungsfreiheit betrifft die Errichtung, Veränderung und Beendigung von Rechtsverhältnissen und wird mit dem Begriff der Privatautonomie bezeichnet. Das technische Mittel, durch das sich die Privatautonomie bei der Gestaltung von Rechtsverhältnissen verwirklicht, ist das Rechtsgeschäft. Das Rechtsgeschäft erzeugt die vom Rechtssubjekt beabsichtigten Rechtswirkungen. Die aufgrund des Rechtsgeschäftes eintretenden Wirkungen finden ihren Geltungsgrund im Willen des Rechtssubjekts. Die Rechtsordnung setzt die durch das Rechtsgeschäft bewirkten Rechtsfolgen deshalb durch, weil sie gewollt sind und daher dem Grundsatz der Selbstbestimmung entsprechen. Einer weiteren Legitimation bedarf die Geltung des Rechtsgeschäfts nicht. Die Motive zum 1. Entwurf kennzeichnen das Rechtsgeschäft, für das keine Legaldefinition im B G B enthalten ist, folgendermaßen: 7 8

Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. II, Das Rechtsgeschäft, 1. Medicus, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 71.

312

Kapitel II: Ökonomische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

„Rechtsgeschäft im Sinne des Entwurfs ist eine Privatwillenserklärung, gerichtet auf die Hervorbringung eines rechtlichen Erfolges, der nach der Rechtsordnung deswegen eintritt, weil er gewollt ist. Das Wesen des Rechtsgeschäftes wird darin gefunden, daß ein auf die Hervorbringung rechtlicher Wirkungen gerichteter Wille sich betätigt und daß der Spruch der Rechtsordnung in Anerkennung dieses Willens die gewollte rechtliche Gestaltung in der Rechtswelt verwirklicht"9. Das Rechtsgeschäft konstituiert sich aus Willenserklärungen. Rechtsgeschäft und Willenserklärung fallen zusammen, wo es sich um die autonome Regelung des Rechtsverhältnisses durch nur eine Person handelt, d.h., wo das Rechtsgeschäft aus einer Willenserklärung gebildet wird 10 . Als Beispiel eines Rechtsgeschäfts, das aus einer einseitigen empfangsbedürftigen Willenserklärung besteht, sei auf die Kündigung hingewiesen. Häufig bedarf es zur Regelung eines Rechtsverhältnisses jedoch der Mitwirkung mehrerer Personen; dies ist dann der Fall, wenn das zu regelnde Rechtsverhältnis rechtlich geschützte Interessen anderer Rechtssubjekte berührt. Die Befugnis des Rechtssubjekts zur privatautonomen Regelung seiner Verhältnisse endet nämlich dort, wo die rechtliche Sphäre der anderen Rechtssubjekte beginnt. Da insofern zwischen den Rechtssubjekten kein Unterschied besteht, kommt allen Menschen die gleiche Kompetenz zu, ihre Angelegenheiten eigenund nicht fremdbestimmt zu regeln. Es ist die Aufgabe des Rechts, die den in der Gesellschaft lebenden Rechtssubjekten zustehenden Rechtssphären gegeneinander abzugrenzen und der Freiheit jedes einzelnen zum Handeln Rahmen und Gestalt zu geben. In Kants Worten ist das Recht „... also der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit zusammen vereinigt werden kann"11. Die Begrenzung der Handlungsfreiheit des einen Rechtssubjekts findet ihren Grund darin, daß ihre Ausübung mit der Handlungsfreiheit eines anderen Rechtssubjekts unvereinbar ist, weil z.B. die Rechtsordnung diesem Rechtssubjekt in Bezug auf ein Gut eine exklusive Handlungsbefugnis eingeräumt hat. Diese Schranke der Handlungsfreiheit kommt in Art. 2 I G G zum Ausdruck, wonach das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit nur soweit reicht, wie nicht Rechte anderer verletzt werden. Die Rechtsordnung weist bestimmte Güter den Rechtssubjekten zur ausschließlichen Verwendung zu. Eine solche Zuweisung bedeutet zweierlei: Zum einen ist der Rechtsinhaber befugt, den Gegenstand seiner Berechtigung, sei es eine Sache oder ein Immaterialgüterrecht - zu nutzen, zu besitzen (bei Sachen), zu verwerten oder zu veräußern. Zum anderen sind alle anderen Rechtssubjekte außer dem Rechtsinhaber von jeder Handlung, Nutzung oder Verfügung in Bezug auf das zugewiesene Rechtsobjekt ausgeschlossen. 9 10 11

Mugdan I, Motive, 421. Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. II, Das Rechtsgeschäft, 26. Kant, Metaphysik der Sitten, Rechtslehre, Bd. VII, 337.

5 13 Eingriffskondiktion

und Transfers von Property

Rights

313

Wenn also jemand, der nicht Rechtsinhaber ist, eine für ihn fremde Ressource nutzen will, so bedarf es zum Erwerb der Nutzungsbefugnis entweder der Zustimmung des Rechtsinhabers oder eines gesetzlichen Erwerbsgrundes, der die Nutzung der Ressource durch den Nichtinhaber ausnahmsweise legitimiert. Der Transfer ausschließlich zugewiesener Ressourcen kann in einem Rechtssystem, das im Bereich des bürgerlichen Vermögensrechts auf dem Prinzip der Selbstbestimmung des Individuums gegründet ist, im Grundsatz nur durch die Zustimmung des Rechtsinhabers legitimiert werden. Ein vom Staat durchgängig organisiertes und geplantes, auf Verwaltungsentscheidungen beruhendes System der Güterverteilung wäre mit dem Prinzip der Privatautonomie nicht in Übereinstimmung zu bringen. Daher sieht das bürgerliche Recht an vielen Stellen Normen vor, die zwar einen rechtlichen Rahmen für diesen Transfer von Nutzungsbefugnissen an knappen Ressourcen bereitstellen; die Entscheidung über die Vornahme eines Transfers und die detaillierte rechtliche Ausgestaltung der Bedingungen, unter denen ein solcher Transfer stattfinden soll (Leistung, Gegenleistung, Haftungsfragen etc.), bleibt aber den interessierten Parteien allein nach ihren subjektiven Nutzenpräferenzen vorbehalten. Die Rechtsordnung sieht hinsichtlich des Umfangs der Übertragung der Nutzungsbefugnis ein höchst differenziertes System von Alternativen vor. Je nach den Bedürfnissen der Beteiligten werden Nutzungsbefugnisse in unterschiedlichem Umfang übertragen. Die weitestgehende Übertragung solcher Befugnisse liegt bei Sachen in dem Übergang des Eigentums, bei Immaterialgüterrechten bei der Übertragung des jeweiligen Immaterialgüterrechts. Geht es nur um eine zeitlich begrenzte Nutzung von beweglichen oder unbeweglichen Sachen, so ist dafür nicht die Übertragung des Eigentums an den Nutzungsinteressierten erforderlich: Es reicht aus, wenn der Nutzungsinteressierte mit dem Berechtigten einen Miet-, Pacht- oder Leasingvertrag schließt, je nach seinen Bedürfnissen, und daß der Eigentümer ihm den Besitz an der Sache überträgt (§§ 535 ff., 581 ff. BGB). Sachen können aber auch zur Sicherung von Forderungen, etwa aus Darlehensverträgen, genutzt werden, indem Rechte daran begründet werden, die dem Berechtigten die Verwertung der Sache erlauben, falls die Forderung durch den Schuldner nicht erfüllt wird. Gemäß § 1204 BGB kann durch Rechtsgeschäft ein Pfandrecht an einer beweglichen Sache zum Zweck der Sicherung einer Forderung begründet werden, welches es dem Gläubiger ermöglicht, sich aus der Sache wegen der Forderung zu befriedigen. Als Verwertungsrecht an Grundstücken kommen Hypothek (§ 1113 ff. BGB) und Grundschuld (§§ 1191 ff. BGB) in Betracht. Auch bei den Immaterialgüterrechten ist dem Rechtsinhaber die Nutzung und Verfügung über einen Gegenstand exklusiv zugewiesen. Beispielhaft seien hier nur das Urheber- und Patentrecht erwähnt. § 9 PatG behält allein dem Patentinhaber das Recht vor, die patentierte Erfindung zu benutzen 12 . Die Vorschrift verbietet es Dritten, ohne Zustimmung des Patentinhabers z.B. ein 12

Siehe a u s f ü h r l i c h u n t e n § 21 1 2 .

314

Kapitel II: Ökonomische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen. Wenn ein Dritter das Patent für eigene Zwecke verwenden will, so muß er entweder das Recht aus dem Patent insgesamt gemäß § 15 I P a t G erwerben oder sich vom Patentinhaber nach § 15 II PatG eine (ausschließliche oder nicht ausschließliche) Lizenz für einen bestimmten, von ihm gewünschten Ausschnitt aus dem umfassenden Nutzungsrecht des Patentinhabers an der Erfindung erteilen lassen 13 . Ahnlich liegt es beim Urheberrecht. § 1 5 U r h G räumt dem Urheber das ausschließliche Recht ein, sein Werk in körperlicher oder unkörperlicher F o r m zu verwerten 1 4 . Nach § 29 Satz 2 U r h G kann das Urheberrecht selbst zwar nicht als ganzes übertragen werden. Jedoch kann der Urheber nach § 31 U r h G einem Dritten das Recht einräumen, das Urheberrecht im Hinblick auf alle oder einzelne der vorbehaltenen Nutzungsarten zu nutzen. Auch beim Urheberrecht kann eine ausschließliche oder nicht ausschließliche Lizenz erteilt werden. Zusammenfassend ist festzustellen, daß in der Regel der Inhaber eines ausschließlichen Handlungs-, Verfügungs- und Nutzungsrechts der Ausübung seines Rechts durch Dritte zustimmen muß. Ohne das Einverständnis des Rechtsinhabers in die Nutzung seines ihm ausschließlich zugewiesenen Rechts handelt der (unbefugte) Nutzer zumeist rechtswidrig. Abschluß und Gestaltung der Verträge unterliegen dem Grundsatz der Vertragsfreiheit. Die Vertragsfreiheit bildet eine Unterkategorie der Privatautonomie. Letztere umfaßt den gesamten Bereich der autonomen Gestaltung der Rechtsverhältnisse durch Rechtsgeschäft, während sich erstere auf die kooperative Gestaltung von Rechtsverhältnissen durch selbständig handelnde Individuen im Wege des Abschlusses von Verträgen bezieht 1 5 . Die Vertragsfreiheit ist verfassungsrechtlich in Art. 2 I G G als Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit verankert, die im Rahmen der freien Entfaltung der Persönlichkeit verbürgt ist. Der Vertrag dient der Interessenkoordination selbständig handelnder Rechtssubjekte, die jeweils auf der Grundlage der (rechtlich, nicht unbedingt tatsächlich) gleichen Freiheit handeln. Dies bedeutet, daß eine Interessenkoordination durch Vertragsschluß nur dann erfolgen kann, wenn beide am Vertrag beteiligten Seiten nach ihren individuellen und jeweils autonom gefaßten Nutzenpräferenzen ex ante (d.h. aus ihrer Sicht vor Vertragsabschluß) eine Verbesserung ihrer jeweiligen Lage, einen Vorteil erwarten können. Aus den individuellen Nutzenpräferenzen der Vertragsparteien muß sich ein sog. kooperativer Überschuß 1 6 ergeben, den die Parteien unter sich aufteilen und dadurch ihre Lage im Vergleich zur Situation ohne Vertragsschluß verbessern. Beispiel: A ist Eigentümer eines Autos, dessen Haben und Nutzen er mit D M 4.000 ansetzt. B würde Siehe dazu im einzelnen Bernhardt/Kraßer, Lehrbuch des Patentrechts, 685 ff. Siehe unten § 20 II. 15 Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. II, Das Rechtsgeschäft, 6 ff.; Fikentscher, SchR, Rz. 83. 16 Cooter/Ulen, Law and Economics, 92-94; Eidenmüller, Ökonomische Effizienzkonzepte in der Rechtsanwendung, in: Jb. junger ZivRW 1992, 11 ff. (13). 13 14

$ 13 Eingriffskondiktion

und Transfers von Property

Rights

315

dem A das Auto gern abkaufen. E r bewertet das Haben und Nutzen des Kfz mit D M 6.000. Die Parteien werden sich bei den Vertragsverhandlungen auf einen Preis zwischen D M 4.000 und D M 6.000 einigen, vorzugsweise auf D M 5.000. Beim Preis von D M 5.000 hätten sich A und B den kooperativen Überschuß von D M 2.000 geteilt. Die Vertragsfreiheit läßt sich wiederum in verschiedene Teilaspekte aufspalten. A m gebräuchlichsten ist die Unterscheidung von Vertragsabschlußfreiheit und Vertragsinhaltsfreiheit 17 . Die Vertragsabschlußfreiheit gewährleistet die freie Entscheidung eines Rechtssubjektes darüber, ob es überhaupt mit einem anderen einen Vertrag abschließen möchte und mit welchem Partner es dies tun will. Die Vertragsabschlußfreiheit ist nicht grenzenlos. Verfassungsrechtlich gesehen ist die Vertragsfreiheit insgesamt als Ausprägung der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 I G G durch die Sittenordnung, die Rechte anderer und die verfassungsmäßige Ordnung beschränkt 1 8 . Als Beschränkungen der Vertragsabschlußfreiheit im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung treten insbesondere solche N o r m e n in Erscheinung, durch die bestimmten Rechtssubjekten ein Abschlußzwang auferlegt wird. Dieser Abschlußzwang kann sich unmittelbar aus einer Rechtsnorm ergeben; mittelbar kann eine Schadensersatznorm zu einem Abschlußzwang führen. Ein mittelbarer Abschlußzwang ist vom Reichsgericht insbesondere auf der Grundlage von § 826 B G B für Fälle entwickelt worden, in denen die Ablehnung des Vertragsschlusses wegen sittenwidriger Schädigung zu einem Schadensersatzanspruch geführt hätte 19 . Der heute wohl wichtigste Fall des mittelbaren Abschlußzwanges ist § 22 G W B . Danach darf ein marktbeherrschendes Unternehmen andere Unternehmen in einem Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, nicht unbillig behindern und nicht ohne sachlich gerechtfertigten Grund gegenüber gleichartigen Unternehmen unterschiedlich behandeln. Ein unmittelbarer Abschlußzwang ist häufig für Unternehmen gesetzlich vorgesehen, die wichtige Versorgungsleistungen erbringen und über eine Monopolstellung verfügen oder sonst marktbeherrschend sind, so daß es für ihre Vertragspartner unmöglich oder jedenfalls außerordentlich schwierig wäre, mit anderen Anbietern solcher Versorgungsleistungen zu kontrahieren 2 0 . Die Inhaltsfreiheit bedeutet die Fähigkeit der Parteien, den Inhalt des Vertrages allein nach ihren Wünschen und Bedürfnissen zu gestalten. Zum einen 17 Siehe etwa Larenz/Wolf Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 34 III; SchlechtVor § 145, Rz. riem, SchR AT, Rz. 34ff.; Larenz, SchR I, § 4 I und II; Erman(-Hefermehl), 16ff.; Jauernig(-Jauernig), Vor § 145, Anm. 4. 18 Siehe dazu Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rz. 439; Dreier(-Dreier), Grundgesetzkommentar I, Art. 2 I, Rz. 36 ff.; Fikentscher, SchR, Rz. 578. 19 R G 8.4.1922, R G Z 115, 254 (258); R G 24.3.1931, R G Z 132, 273 (276); R G 13.9.1935, R G Z 148, 326 (334). Vgl. auch Palandt(-Heinrichs), Einf. v. § 145, Rz. 9; Fikentscher, SchR, Rz. 79. 2 0 Als Beispiele seien nur § 6 Energiewirtschaftsgesetz (Abschlußzwang für Unternehmen der Energieversorgung), § 2 2 Personenbeförderungsgesetz, § 2 1 II Luftverkehrsgesetz genannt.

316

Kapitel II: Ökonomische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

bezieht sich die Inhaltsfreiheit auf die freie Wahl der Vertragstypen. Im Schuldrecht herrscht - anders als im Sachen-, Familien- und Erbrecht, wo Typenzwang besteht - Typenfreiheit 2 1 . Die Parteien sind bei der privatautonomen Regelung ihrer Angelegenheiten nicht an einen gesetzlich geregelten Vertragstyp gebunden, sondern können ihre kontraktlichen Abreden im Rahmen der zwingenden gesetzlichen Bestimmungen mit jedem von ihnen gewollten Inhalt füllen. Wie auch die Abschlußfreiheit gilt die Inhaltsfreiheit nicht ohne Beschränkungen. Die Notwendigkeit solcher Grenzen inhaltlicher Gestaltungsfreiheit ergibt sich aus der Erwägung, daß eine prinzipiell gleich starke Verhandlungsposition beider Vertragspartner, die die privatautonome Regelung eigener Angelegenheiten im Sinne einer Richtigkeitsgewähr 2 2 überhaupt erst legitimiert, in der Realität nicht immer gegeben ist. Zum Teil liegt die Ursache der mangelnden Funktionsfähigkeit des Marktes (Marktversagen) in der Existenz von Machtungleichgewichten 2 3 . Bei Abweichungen vom Modell der vollkommenen Konkurrenz, bei der die Anbieter von Gütern keinerlei Einfluß auf den Preis haben und daher auf Preisänderungen als reine Mengenanpasser reagieren, kann es dazu kommen, daß durch Einflußmöglichkeiten einer Marktseite das Ziel der Effizienz verfehlt wird, weil die individuellen Nutzenpräferenzen nicht unverzerrt in die kontraktlichen Transaktionen eingehen. Die Funktionsfähigkeit der Märkte, die durch Eingriffe von an den jeweiligen Märkten agierenden Privaten gefährdet werden kann, zu sichern ist in erster Linie Aufgabe des Wettbewerbsrechts, genauer: des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Dieses soll die Vermachtung von Märkten zugunsten weniger Marktteilnehmer verhindern. Darüber hinaus gibt es aber auch Ungleichgewichtslagen, die etwa durch Informationsasymmetrien entstehen 2 4 . Solche Informationsasymmetrien führen etwa im Versicherungs- und Bankenbereich dazu, daß das Verhalten von Versicherungen und Banken gegenüber ihren Kunden Gegenstand behördlicher Regulierung ist. Diese Regulierung bezweckt den Schutz der Kunden solcher Unternehmen vor Übervorteilung. Teil der Regulierung ist die K o n trolle der Versicherungsbedingungen, die die Versicherungsunternehmen als allgemeine Geschäftsbedingungen in ihren Verträgen mit den Kunden verwenden. Ein weiteres Beispiel für die Beschränkung der vertraglichen Inhaltsfreiheit ist das Gesetz über allgemeine Geschäftsbedingungen. Siehe nur Jauernig(-Vollkommer), § 305, Anm. III; Erman(-Battes), Einl. § 305, Rz. 14. Siehe dazu Schmidt-Rimpler, Grundfragen einer Erneuerung des Vertragsrechts, AcP 147 (1941), 130ff., der im Akt des Sichvertragens der Kontrahierenden eine Gewähr für die Richtigkeit des im Vertrag Festgelegten sieht. Vgl. auch Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. II, Das Rechtsgeschäft, 1 Off.; Kaiser, Vertragsfreiheit heute, in: Raiser, Die Aufgabe des Zivilrechts, 38 ff. (49 ff.); Mestmäcker, Uber die normative Kraft privatrechtlicher Verträge, in: Mestmäcker, Recht und ökonomisches Gesetz, 397ff.; Gernhuber, Bürgerliches Recht, 9. 23 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 87; Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 131; Mestmäcker, Das Verhältnis des Rechts der Wettbewerbsbeschränkungen zum Privatrecht, AcP 168 (1968), 235ff. 24 Schäfer/Ott, a.a.O., 88. 21

22

§ 13 Eingriffskondiktion

und Transfers von Property

Rights

317

Auch in der ökonomischen Theorie spielen Privatautonomie und Vertragsfreiheit als konstituierende Prinzipien der einer auf dem Wettbewerb beruhenden Wirtschaftsordnung eine überragende Rolle 25 , die mit der juristischen Sicht durchaus kompatibel ist. Für die ökonomische Theorie bildet die Vertragsfreiheit eine grundlegende Voraussetzung dafür, daß sich die subjektiven Nutzenpräferenzen, die über den Wert von Ressourcen entscheiden, am Markt überhaupt artikulieren können. Hinter der subjektiven Wertlehre der modernen Wohlfahrtsökonomik steht die Erkenntnis, daß der Nutzen von Gütern nur subjektiv gemessen werden kann und es nicht möglich ist, Maßstäbe für eine objektive Bewertung von Ressourcen wissenschaftlich zu begründen (Prinzip des methodologischen Individualismus) 2 6 . Daraus folgt, daß die Allokation von Ressourcen entsprechend den subjektiven Nutzenpräferenzen der beteiligten Individuen zu erfolgen hat. Diese Nutzenpräferenzen manifestieren sich in den Verträgen, die die Rechtssubjekte abschließen. Die Freiheit der Individuen zum Abschluß von Verträgen ist unter ökonomischen Gesichtspunkten jedoch nicht unbegrenzt. Wenn die Privatautonomie auch eine grundlegende Voraussetzung für die Existenz von Wettbewerb darstellt, so kann die Vertragsfreiheit auch dazu benutzt werden, eben diese Konkurrenz zu beschränken und damit die effiziente Ressourcenallokation, die durch die Wettbewerbsordnung ermöglicht werden soll, zu verhindern. Die Vertragsfreiheit stößt dort an ihre Grenzen, w o sie dazu verwendet wird, wirtschaftliche Machtpositionen zu begründen oder auszudehnen 2 7 . Die Rechtsordnung, die dem wirtschaftlichen Wettbewerb den Rahmen gibt, kann sich jedoch nicht nur darauf beschränken, ein System von Property Rights zu institutionalisieren und Vertragsfreiheit zu gewähren. Sie muß auch ein Vertragsrecht und Mechanismen zur Durchsetzung rechtsgeschäftlich gegebener Leistungsversprechen zur Verfügung stellen. Das dispositive Vertragsrecht entlastet die Parteien in Bezug auf die im Vertrag selbst vorzunehmenden Risikozuweisungen; tritt während der Abwicklung des Vertrages ein von den Parteien unvorhergesehenes Risiko auf, so kann auf die Regelungen des dispositiven Vertragsrechts zurückgegriffen werden. Dieses senkt damit in erheblicher Weise die Transaktionskosten für die Vertragsschließenden. 28 Ein Mechanismus zur Durchsetzung von Verträgen ist erforderlich, weil sonst Güter, die nicht sofort ausgetauscht werden können, zu wenig getauscht würden und in 25 Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, 275 ff.; Hoppmann, Walter Euckens Ordnungsökonomik - heute, in: Ordo 46 (1995), 41 ff. (45). 26 Siehe dazu grundlegend Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 34 ff.; vgl. auch Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 2 f.; Gaefgen, Entwicklung und Stand der Theorie der Property Rights: Eine kritische Bestandsaufnahme, in: Neumann (Hrsg.), Ansprüche, Eigentums- und Verfügungsrechte, Schriften des Vereins für Socialpolitik, N.F. Bd. 140 (1984), 43 ff. (54 ff.). 27 Mestmäcker, Das Verhältnis des Rechts der Wettbewerbsbeschränkungen zum Privatrecht, in: Mestmäcker, Recht und ökonomisches Gesetz, 369; Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, 276 f. 28 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrecht, 345 f.

318

Kapitel II: Ökonomische Grundlagen der

Eingriffskondiktion

Bezug auf solche G ü t e r eine effiziente Ressourcenallokation nicht in ausreichendem M a ß e stattfinden würde. 2 9 D i e Parteien von Verträgen, die nicht sofort vollzogen werden, könnten nämlich nicht sicher sein, ob die jeweils andere Seite im Zeitablauf den Vertrag erfüllt. Diese Ungewißheit steigert wiederum die Transaktionskosten bzw. senkt die Zahl der Transaktionen. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß zum E r w e r b von Ressourcen bzw. von Rechten an Ressourcen durch Rechtssubjekte, die an einer wie auch immer gearteten N u t z u n g der Ressourcen interessiert sind, die Zustimmung des Rechtsinhabers erforderlich ist. D e r Rechtsinhaber läßt im Regelfall eine Verwendung der Ressource durch einen Dritten nur gegen die Zahlung eines Entgelts zu. D i e Übertragung der Nutzungsberechtigung erfolgt in einem gegenseitigen Vertrag zwischen Rechtsinhaber und Nutzungsinteressiertem.

2. Der „pathologische " Fall: Die Nutzung fremder Ressourcen ohne die Zustimmung des Inhabers des Property Right W i e oben bereits näher dargelegt, wird die ausschließliche Handlungs-, Verfügungs- und Nutzungsbefugnis an einer Ressource, die ein Property Right gewährleistet, durch ein differenziertes System rechtlicher Regeln geschützt. D i e P r o p e r t y - R i g h t s - T h e o r i e teilt die Regeln zum Schutz exklusiver H a n d lungs-, Verfügungs- und Nutzungsrechte ein in Property Rules, Liability Rules und Inalienability Rules. Dahinter verbergen sich - in juristischer Terminologie - Ansprüche auf Unterlassung von Rechtsverletzungen und Ansprüche auf Schadensersatz bei rechtswidriger und im Fall von b l o ß e m Schutz einer Position durch Liability Rules erlaubter Inanspruchnahme fremder Vermögensgüter. Diese Regeln schützen eine bestimmte, auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsnormen ordnungsgemäß zustande gekommene Ausgangsverteilung davor, ohne Einverständnis des Rechtsinhabers in der Weise verändert zu werden, daß sich ein Rechtssubjekt, das nicht Rechtsinhaber ist und das deshalb auch nicht befugt ist, Entscheidungen über die Verwendung der betreffenden R e s source zu treffen, diese dennoch nutzt. Will eine Person, die nicht Rechtsinhaber ist, eine fremde Ressource nutzen, so muß sie diese wegen der exklusiven Zuweisung der Handlungs-, Verfügungs- und Nutzungsrechte, einen Vertrag mit dem Rechtsinhaber schließen und diesem seine Zustimmung zur R e s sourcenverwendung durch die Zahlung eines zwischen den Parteien der H ö h e nach vereinbarten Preises entgelten. D a ß es trotz der Existenz der Vertragsordnung und trotz des differenzierten und breit gefächerten Systems von Schutznormen dennoch dazu k o m m e n kann, daß Dritte fremde Ressourcen ohne Zustimmung nutzen, liegt darin begründet, daß die Rechtsordnung nicht in der Lage ist, die exklusiv zugewiesenen Berechtigungen wie z . B . das Sacheigentum oder Immaterialgüterrechte 29

Posner, Economic Analysis of Law, 90 f.; Cooter/Ulen,Law

and Economics, 228 f.

§ 13 Eingriffskondiktion

und Transfers von Property Rights

319

so zu schützen, daß ein Zugriff Dritter vollkommen ausgeschlossen ist. Dies läßt sich in besonders einleuchtender Weise am Beispiel der unbefugten N u t zung fremder Immaterialgüterrechte zeigen. D i e Schutzobjekte der I m m a terialgüterrechte (etwa: Patent- und Gebrauchsmusterrecht, Markenrecht, U r heber- und Geschmacksmusterrecht) lassen sich als (wirtschaftlich wertvolle) Informationen charakterisieren. Informationen weisen in ökonomischer Hinsicht Merkmale öffentlicher G ü ter auf. I m Gegensatz zu privaten G ü t e r n ist es kennzeichnend für öffentliche Güter, daß bei ihnen Konsumrivalität und Ausschlußcharakter fehlen 3 0 . Eine Information, etwa eine patentierte Erfindung, kann von zwei (möglicherweise räumlich weit voneinander entfernten) Personen synchron genutzt werden. Eine solche synchrone Anwendung der Erfindung ist möglich, ohne daß die N u t z u n g der einen Person die andere Person von der N u t z u n g der Erfindung ausschlösse. A u c h verliert die Erfindung nicht dadurch an Nützlichkeit und Wert, daß sie von mehreren Personen angewandt wird. Das Ausschlußprinzip ist bei Informationen schwieriger abzugrenzen und durchzusetzen als bei Sachen: D a diese zu einer gegebenen Zeit nur an einem O r t sein können und ihre Verwendung von ihrem Besitzer gesteuert werden kann, ist es leichter möglich, den Zugriff Dritter auf eine Sache abzuwehren. Informationen hingegen sind ubiquitär: A b einem gewissen Verbreitungsgrad kann die Verwendung einer Idee, z . B . einer Erfindung, durch ihren U r h e b e r unbeherrschbar werden. Es kann dann sehr schwierig und vor allem kostenaufwendig sein, die unbefugte N u t z u n g einer solchen Erfindung zu ermitteln und zu verhindern. Es ist damit festzustellen, daß der Inanspruchnahme des K o n t r a k t m e c h a nismus dann, wenn ein Rechtssubjekt eine fremde Ressource nutzen möchte, ein Element der Freiwilligkeit innewohnt. D a r ü b e r hinaus setzt ein Vertragsschluß voraus, daß der an der N u t z u n g der Ressource Interessierte über die Rechtslage informiert ist. Ein Transfer von N u t z u n g e n ist faktisch auch ohne das vertraglich erklärte Einverständnis des Rechtsinhabers möglich. E i n Interessierter kann eine fremde Sache, eine patentierte Erfindung, eine fremde Marke etc. nutzen, ohne daß der Rechtsinhaber damit einverstanden ist. Häufig wird der Rechtsinhaber zunächst von der unbefugten N u t z u n g seines Rechts bzw. seiner Ressource nichts wissen. N i c h t selten weiß auch der unbefugt N u t z e n d e nicht, daß er durch seine Handlung ein fremdes R e c h t in Anspruch nimmt. Das Unternehmen, das ein P h o t o eines prominenten Schauspielers und Fernsehmoderators in seiner Werbung verwendet 3 1 , das Einzelhandelsunternehmen, welches Parfüm verkauft, das unbefugt mit dem Warenzeichen einer französischen M o d e - und Parfümfirma versehen wurde 3 2 , der Hersteller, der 30 Zum Begriff der öffentlichen Güter siehe Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 87 ff.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 87 f.; Schumann, Grundzüge der mikroökonomischen Theorie, 40 f.; Cooter/Ulen, Law and Economics, 108 ff. 31 BGH 8.5.1956, BGHZ 20, 345 (Paul Dahlke). 32 BGH 18.12.1987, BGHZ 100, 244 (Chanel No. 5).

320

Kapitel II: Ökonomische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

schuldlos ein fremdes Gebrauchsmuster nutzt 3 3 , alle diese Bereicherungsschuldner in Fällen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Eingriffskondiktion wußten zur Zeit der Ressourcennutzung nicht, daß sie überhaupt ein fremdes Recht nutzten oder aber sie wußten nicht, daß die Verwendung des fremden Rechts unbefugt erfolgte. Neben der Information über die Existenz eines fremden Rechts setzt das Funktionieren des Kontraktmechanismus auch voraus, daß der Nutzungsinteressierte auch tatsächlich eine Einigung mit dem Rechtsinhaber sucht, bevor er die fremde Ressource nutzt. Selbst wenn er umfassend über den Bestand eines Ausschließlichkeitsrechts am fremden Gut informiert ist, kann ein Dritter die Ressource - zumeist ohne Kenntnis des Rechtsinhabers - nutzen und z . B . darauf hoffen, daß der Rechtsinhaber von der Nutzung keine Kenntnis erlangt. Die hier sog. „Freiwilligkeit" des kontraktlichen Ressourcentransfers bedeutet eine rein faktische Freiwilligkeit. Rechtlich ist jemand nur dann zur Nutzung einer Ressource befugt, wenn er die Berechtigung dazu in rechtlich verbindlicher Weise durch Vertrag vom Rechtsinhaber erworben hat. Im Unterschied zum Schadensersatzanspruch nach § 823 I und II B G B setzt der Anspruch aus Eingriffskondiktion gem. § 8 1 2 1 1 , 2 . Alt. B G B kein Verschulden des Rechtsverletzers voraus. Dieser Unterschied spielt in der Rechtspraxis eine ganz erhebliche Rolle. D e r Kläger steht hier häufig (aber nicht immer) vor der Wahl zwischen einem Bereicherungs- und einem Schadensersatzanspruch. Bei letzterem muß er Verschulden und Schaden dartun und im Bestreitensfalle auch beweisen. Verschulden und Schaden sind demgegenüber nicht Tatbestandsvoraussetzungen des Bereicherungsanspruchs, so daß die Prozeßführung für den Kläger insoweit einfacher ist 34 . Ein weiterer Filter zur Haftungsbegrenzung neben der Beschränkung der Herausgabepflicht des redlichen Bereicherungsschuldners auf die noch vorhandene Bereicherung nach § 8 1 8 III B G B - wie etwa das Verschulden - ist nicht angemessen, weil dem Schuldner eine noch vorhandene Bereicherung nicht zusteht. Ihr fehlt nämlich der Rechtsgrund, der allein ein dauerhaftes Behaltendürfen des Erlangten legitimieren kann. Dieser Unterschied vermag die tatbestandliche Differenzierung zwischen Deliktsrecht und Eingriffskondiktion bezüglich des Verschuldenserfordernisses nicht befriedigend zu erklären. Auch hier liefert die ökonomische Analyse des Rechts einen überzeugenden Erklärungsansatz. Die Funktion des Deliktsrechts besteht darin, das Verhalten der in einer Gesellschaft handelnden Rechtssubjekte (außerhalb von rechtsgeschäftlichen Beziehungen) so zu steuern, daß die durch dieses Verhalten verursachten unvorsätzlichen Schädigungen anderer Rechtssubjekte und die Kosten, die Schädiger und Beschädigte zur Verhinderung des Schadenseintritts aufwenden, in ein optimales VerB G H 30.11.1976, B G H Z 68, 90 (Kunststoffhohlprofil I). Siehe etwa Schulz, System der Rechte auf den Eingriffserwerb, AcP 105 (1909), 440 ff.; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 84; Esser, SchR II B T (4. Aufl. 1971), § 104 II lb) (S. 370); MüKo(-Lieb), § 812, Rz. 290; Büsching, Der Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion im Wettbewerbsrecht, O f f . 33

34

§ 13 Eingriffskondiktion

und Transfers von Property

Rights

321

hältnis gebracht werden. Schäden sollen nicht um jeden Preis vermieden werden, sondern eine schädigende Handlung führt nur dann zur Schadensersatzverpflichtung, wenn die Kosten der Schadensverhinderung die Kosten des Schadens (multipliziert mit der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts) niedriger sind als die H ö h e des Schadens 35 . Bei der Eingriffskondiktion geht es nicht um die Steuerung menschlichen Verhaltens im Einzelfall, sondern um die Aufrechterhaltung einer bestimmten Verteilung von Gütern, die wegen der daran bestehenden Ausschließlichkeitsrechte nur unter Zustimmung des Rechtsinhabers von Dritten, die nicht Rechtsinhaber sind, in Anspruch genommen werden dürfen. Die Funktion der Eingriffskondiktion liegt in der Korrektur von Gütertransfers, die ohne oder gegen den Willen des Rechtsinhabers, eben durch Eingriff des Bereicherungsschuldners oder eines Dritten erfolgt sind 36 . Wie bereits oben ausführlich dargestellt, setzt eine Ressourcenverwendung in einer wettbewerblich orientierten Marktwirtschaft einen Tauschprozeß voraus, bei dem sich über die Offenbarung der Zahlungsbereitschaft der an der Ressourcenverwendung interessierten Rechtssubjekte die ökonomisch am höchsten bewertete Verwendung durchsetzt. Dieses Verfahren stellt sicher, daß knappe Güter nicht verschwendet werden, indem alle an der Nutzung Interessierten gezwungen werden, die Kosten der Nutzung in ihre Wirtschaftsrechnung einzustellen und gegebenenfalls in der F o r m eines Entgelts für die Ressourcenverwendung auch zu bezahlen. Diese Funktion kann die marktliche Güterverteilung aber nur dann erfüllen, wenn die Nutzungsinteressierten ihre individuellen Nutzenpräferenzen als Bereitschaft zur Zahlung eines Entgelts gegenüber dem Berechtigten auch tatsächlich offenlegen. Geschieht dies nicht, kann der wettbewerblich orientierte Markt seine Aufgabe, Ressourcenverschwendung zu verhindern, nicht mehr erfüllen. Das System ist dann nicht in der Lage zu gewährleisten, daß eine bestimmte Nutzung einer Ressource - die für den Rechtsverletzer entgeltfrei erfolgte - zu einer Pareto-Verbesserung führt. Die Funktionsfähigkeit des marktwirtschaftlichen Tauschsystems beruht auf der Einhaltung des Kontraktmechanismus durch die Nutzer von Ressourcen, die anderen exklusiv zugeordnet sind. Die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit dieses sozialen Steuerungsmechanismus kann nicht davon abhängig gemacht werden, ob die unbefugte Nutzung einer fremden Ressource schuldhaft oder schuldlos erfolgt. Selbst wenn die Transaktionskosten zur Ermittlung des Transaktionspartners so hoch sind, daß sie den Transfer verhindern, darf der Nutzungsinteressierte dennoch nicht ohne Einverständnis des Rechtsinhabers auf die fremde Ressource zugreifen. D e r Widerspruch zum Verschuldenserfordernis beim Deliktsrecht ist nur ein scheinbarer: Es würde zur Verschwendung führen, wenn der Schadensvermeidungsaufwand soweit getrieben würde, daß seine Kosten der H ö h e nach 35 Dazu nur Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 101 ff.; Kötz, Deliktsrecht, Rz. 39 ff. 36 Ausführlich zur Funktionsabgrenzung zwischen Deliktsrecht und Eingriffskondiktion Fikentscher, SchR, Rz. 1040 ff.

322

Kapitel II: Ökonomische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

den Wert des Schadensrisikos übersteigen. Eine Verschwendung würde aber auch dann eintreten, wenn die exklusive Zuweisung von Ressourcennutzungen durch Property Rights nicht durchgesetzt würde: Der einer Ressourcenverwendung vorausgehende Tauschprozeß wird ausgeschaltet, der allein die Gewähr dafür bietet, daß eine Ressource an den O r t ihrer am höchsten bewerteten Nutzung transferiert wird. Der „pathologische" Fall des Ressourcentransfers liegt also dann vor, wenn jemand, der nicht Rechtsinhaber ist, eine Ressource nutzt, ohne mit dem Rechtsinhaber einen Vertrag abgeschlossen zu haben, der diese Nutzung legitimiert.

II. Die wirtschaftlichen Folgen des Eingriffs (= der unbefugten Nutzung) in fremde Rechte (Property Rights) Im folgenden sollen die Konsequenzen untersucht werden, die sich in ökonomischer Hinsicht durch die unbefugte Inanspruchnahme fremder Property Rights ergeben. D e r unbefugte Zugriff auf fremde Ressourcen - sei er schuldlos oder fahrlässig unbewußt oder vorsätzlich - wirkt wie eine entschädigungslose (Privat-) Enteignung des Berechtigten durch einen Nichtberechtigten 3 7 . Will man die Folgen solcher Eingriffe in Property Rights analysieren, so stellt sich zunächst die Frage nach den Kriterien einer solchen Analyse. Die exklusive Zuteilung knapper Güter durch die Rechtsordnung erfolgt nicht zweckfrei oder weil etwa diese Art der Rechtsinhaberschaft naturgegeben ist. Wie oben bereits ausführlich dargelegt, ist die Institutionalisierung eines Systems von Property Rights eine zwingende Voraussetzung für das Funktionieren einer wettbewerbsorientierten Marktwirtschaft. Daraus ergibt sich das Kriterium für die Analyse des bereichernden Eingriffs in fremde Property Rights: nämlich die Auswirkung der unbefugten Inanspruchnahme fremder Rechte auf das Funktionieren des Marktmechanismus.

1. Eingriffsbedingter Ressourcentransfer als externer Effekt Das Versagen des Kontraktmechanismus beim Transfer exklusiv zugewiesener Handlungs-, Verfügungs- und Nutzungsrechte an knappen Ressourcen führt dazu, daß der unbefugte Nutzer eine Ressource verwendet, ohne dafür an den Rechtsinhaber ein vertraglich festgelegtes Entgelt gezahlt zu haben. Die Eingriffshandlung des Nichtberechtigten stellt sich hier als externer Effekt 3 8 dar. 37 Posner, Economic Analysis of Law, 80, spricht insoweit von „forced transfers". Vgl. auch Coleman, Rethinking the Theory of Legal Rights, in: Coleman, Markets, Morals and the Law, 28ff. (41 ff.). 38 Siehe zum Begriff der externen Effekte oben § 10.

5 13 Eingriffskondiktion

und Transfers von Property Rights

323

Die Kosten der Nutzung, die im vertraglich vereinbarten Entgelt ausgedrückt werden, werden beim Nutzer nicht internalisiert, d. h., sie gehen nicht in seine Wirtschaftlichkeitsrechnung ein.

2. Verzerrung

der

Marktpreise

Die unbefugte Nutzung der fremden Ressource ( z . B . einer patentierten Erfindung) führt darüber hinaus zu einer Verzerrung der Marktpreise für die Produkte des rechtlosen Nutzers. Die unentgeltliche Nutzung der Fremdressource versetzt den Nutzer in die Lage, seine Produkte günstiger zu produzieren und auf dem Markt zu veräußern als diejenigen Konkurrenten, die für die Ressourcen, die sie zur Herstellung ihrer Güter benötigen, den Marktpreis bezahlen. Der unbefugte Nutzer kann sein Produkt günstiger herstellen, da er für die Nutzung der Ressource, die er als Einsatzstoff verwendet, nichts bezahlt. E r kann seine Produkte dadurch günstiger anbieten. Die am Markt ermittelten Preise haben u.a. die Funktion, als Knappheitsindikatoren für am Markt getauschte Güter zu dienen. Erlangt der unbefugte Nutzer die Fremdressource unbefugt und ohne Entgelt, zeigt der Marktpreis der Produkte des Nutzers - ceteris paribus - eine falsche Knappheitsrelation an.

3. Verfehlung der

Produktionseffizienz

Durch die Nichterfassung der Kosten, die die Nutzung der Fremdressource verursacht, wird eine effiziente Nutzung der Ressource verhindert. D a die Nutzung für den unbefugten Nutzer kostenlos ist, wird das Gut zu intensiv genutzt. Es werden mehr neue Produkte durch die Verwendung der „kostenlosen" Ressource hergestellt als es nach der Knappheitsindikation bei korrekt festgestelltem Preis für den Erwerb der Nutzungsberechtigung der Fall wäre.

4. Verfehlung der

Allokationseffizienz

Im Marktmechanismus ist jeder Ressourcenverwendung ein Tauschprozeß vorgeschaltet. Im wettbewerbsorientierten Marktprozeß wird derjenige die Nutzungsbefugnis erwerben, der den höchsten Preis dafür bietet. Bei dem „erzwungenen Transfer" im Fall des Versagens der Vertragsordnung erklärt der Eingreifer seine Zahlungsbereitschaft nicht, sondern nimmt sich die Ressource „zum Nulltarif". Durch eine solche Vorgehensweise wird die Funktion des Marktes, knappe Ressourcen an den O r t ihrer wertvollsten Nutzung zu leiten, ausgehebelt. D a es an einer Erklärung der Zahlungsbereitschaft des Bereicherungsschuldners fehlt, die - um die wertvollste Nutzung zu ermitteln - in Konkurrenz zur erklärten Zahlungsbereitschaft Dritter am Markt treten

324

Kapitel II: Ökonomische Grundlagen der

Eingriffskondiktion

müßte - , ist nicht sichergestellt, daß gerade der Bereicherungsschuldner die Ressource ihrer am höchsten bewerteten N u t z u n g zuführt. Dies gilt insbesondere, wenn man berücksichtigt, daß der Rechtsinhaber oder Dritte ihre Nutzenpräferenzen hinsichtlich der Ressourcennutzung nicht in den „Tauschprozeß" einbringen konnten. Bei dem erzwungenen Transfer, wie er bei dem Versagen des K o n t r a k t mechanismus vorliegt, ist keinerlei G e w ä h r dafür gegeben, daß der Transfer zu einer Pareto-Verbesserung führt; denn der unbefugte N u t z e r geht davon aus, daß die Verwendung für ihn kostenlos ist.

5. Verzerrung des Wettbewerbs D i e aufgrund des Versagens der Vertragsordnung erfolgenden erzwungenen Ressourcentransfers weisen nicht nur negative Folgen für die allokatorischen Funktionen des Marktes auf, sondern stellen auch die Wirkung des Wettbewerbs auf den Gütermärkten in Frage. Versagt der Kontraktmechanismus, so verschafft sich der Bereicherungsschuldner einen Wettbewerbsvorteil im Verhältnis zu seinen Mitbewerbern. Dieser Vorteil ist nicht gerechtfertigt, weil die Konkurrenten, die sich rechtstreu verhalten, darauf angewiesen sind, die Ressourcen, die zur Herstellung der von ihnen produzierten G ü t e r erforderlich sind, am Markt entgeltlich zu erwerben. D e r Mitbewerber, der fremde Ressourcen unbefugt und ohne Entgelt in seiner Produktion nutzt, kann G ü t e r günstiger herstellen und auch am Markt billiger anbieten als seine Konkurrenten. Das Funktionieren des Wettbewerbs setzt voraus, daß alle Konkurrenten unter den gleichen rechtlichen Rahmenbedingungen handeln. D a m i t ist es unvereinbar, wenn es einem K o n kurrenten möglich wäre, unter Mißachtung von Property Rights und Vertragsordnung fremde Ressourcen kostenlos zu nutzen und daraus Vorteile zu ziehen. U n t e r diesem Aspekt ist die Aufrechterhaltung des Kontraktmechanismus unabhängig davon erforderlich, ob der „erzwungene Ressourcentransfer" durch den Bereicherungsschuldner in gutem Glauben an seine Handlungsberechtigung erfolgte oder ob er wußte, daß er unbefugt fremde Ressourcen in A n spruch nimmt. Es ist kein G r u n d ersichtlich, dem unbefugten N u t z e r den Vorteil zu belassen, den er sich unter U m g e h u n g des Kontraktmechanismus durch die N u t z u n g fremder Ressourcen verschafft hat.

III.

Die Funktion der Eingriffskondiktion der Vertragsordnung

bei Versagen

Mit dem Begriff des „Versagens der Vertragsordnung (oder: des K o n t r a k t mechanismus)" wird hier die Situation charakterisiert, daß ein Rechtssubjekt eine einem anderen Rechtssubjekt exklusiv zugewiesene Ressource nutzt, ohne

$ 13 Eingriffskondiktion

und Transfers von Property

Rights

325

daß der Rechtsinhaber dem Nutzer in einem gegenseitigen Vertrag die Erlaubnis im Austausch gegen ein Entgelt erteilt hat. Im folgenden soll die Funktion der Eingriffskondiktion bei dem Versagen des Kontraktmechanismus geklärt werden.

1. Restitution der

Ausgangsverteilung

Jeder Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 I B G B geht von einer ursprünglich bestehenden Güterverteilung aus, die sich entweder aufgrund einer Leistung oder auf sonstige Weise verändert hat. Durch die Veränderung erlangt der Bereicherungsschuldner einen Vermögensvorteil. Da es an einem Rechtsgrund für die Veränderung der Ausgangsverteilung fehlt, darf der Bereicherungsschuldner das Erlangte nicht behalten, sondern muß es an den Bereicherungsgläubiger herausgeben. Dabei umfaßt der Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion Rechte und Rechtspositionen, die einen Vermögenswert besitzen und zwischen Rechtssubjekten handelbar sind. Der Anspruch auf Herausgabe des rechtsgrundlos Erlangten nach §§ 812 I 1, 2. Alt. B G B , 818 I, II B G B kann unterschiedlichen Inhalt haben: Der Anspruch kann sich auf die Herausgabe eines gegenständlich erlangten Rechtsobjektes oder auf Wertersatz richten.

a) Voraussetzungen

der gegenständlichen

Restitution

Der primäre Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 I 1 B G B richtet sich auf das erlangte Etwas 3 9 . N u r wenn dessen Herausgabe wegen seiner Beschaffenheit oder aus einem anderen Grund unmöglich ist, hat der Bereicherungsschuldner gemäß § 818 II B G B den Wert des Erlangten zu restituieren 40 . D e r Begriff des „Erlangten" ist unter Rückbezug auf den Zweck der Eingriffskondiktion zu konkretisieren, der in der Aufrechterhaltung der durch den Zuweisungsgehalt erfaßten Handlungs-, Verfügungs- und Nutzungsrechte des Rechtsinhabers an knappen Gütern liegt. Die gegenständliche Wiederherstellung der Ausgangsverteilung ist bei dem Anspruch aus Eingriffskondiktion dann möglich und daher auch nach § 8 1 2 1 1, 2. Alt. B G B die gebotene Rechtsfolge, wenn es sich bei dem Erlangten nach § 8 1 2 1 1 B G B um eine Sache handelt, die der Bereicherungsschuldner oder ein Dritter, der sie an den Bereicherungsschuldner weitergegeben hat, vom Bereicherungsgläubiger durch Eingriff erlangt hat. In diesem Fall ist der Bereicherungsgläubiger Eigentümer geblieben, während der Bereicherungsschuldner Besitz an der Sache erlangt hat. D a zwischen Eigentümer und Besitzer kein Rechtsverhältnis besteht, welches den Besitz des Bereicherungsschuldners le39 40

Siehe dazu näher unten Kapitel V I I § 30 II. Siehe unten § 3 1 I.

326

Kapitel II: Ökonomische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

gitimiert, hat er die Sache dem Eigentümer herauszugeben. Dabei ist zu beachten, daß dem Eigentümer neben dem Anspruch aus § 812 I 1 , 2 . Alt. B G B aus Eingriffskondiktion auch der Anspruch des Eigentümers gegen den nichtberechtigten Besitzer nach § 985 B G B zusteht, da - bei Fehlen einer Besitzberechtigung gemäß § 986 I B G B - eine Vindikationslage vorliegt. Soweit es um den Anspruch auf Herausgabe der durch Eingriff erlangten Sache geht, besteht zwischen §§ 8 1 2 1 1 , 2 . Alt. B G B und 985 B G B Anspruchskonkurrenz; beide Ansprüche können vom Eigentümer nebeneinander geltend gemacht werden 4 1 . Sie schließen sich nicht gegenseitig aus. Dies gilt allerdings nur hinsichtlich des Hauptanspruchs auf Herausgabe der Sache; anderes gilt, wenn es um die Sachnutzung und die Verwendungen des Besitzers auf die Sache und deren Herausgabe geht 42 . Hier sehen Bereicherungsrecht und Eigentümer-Besitzer-Verhältnis voneinander abweichende Regelungen vor, so daß die Frage der Anspruchskonkurrenz insoweit in einem anderen Licht erscheint. Darauf wird unten noch näher einzugehen sein.

b) Die Restitution der und das Versagen der

Ausgangsverteilung Vertragsordnung

O b e n ist auf den engen Zusammenhang von Eingriffskondiktion und Vertragsordnung hingewiesen worden. Dieser besteht darin, daß eine bestimmte Allokation exklusiver Handlungs-, Verfügungs- und Nutzungsrechte an G ü tern nicht ohne das Einverständnis des Rechtsinhabers verändert werden darf. Das Einverständnis zur Nutzung der Ressource erteilt der Rechtsinhaber im Austausch gegen ein Entgelt. Leistung und Gegenleistung werden in einem gegenseitigen Vertrag aufeinander bezogen (Synallagma). Diese Verknüpfung von Gütererwerb oder -nutzung und Entgelt wird mißachtet, wenn ein Rechtssubjekt die Ressource verwendet, ohne dazu befugt zu sein. Besteht der Eingriff des Bereicherungsschuldners in der Wegnahme einer Sache, so bestimmt § 8 1 2 1 1 , 2 . Alt. B G B , daß er die Sache herauszugeben hat 43 . D a der Erwerb der Ressource regelmäßig nur durch Rechtsgeschäft mit dem Inhaber erfolgen kann, welches bei Versagen der Vertragsordnung eben nicht stattgefunden hat, versetzt die Herausgabe der Sache die Parteien hinsichtlich des Besitzes wieder in die Lage vor dem Transfer. Damit wird die ursprüngliche Verteilung von Property Rights (hier: Besitz) wiederhergestellt. Aber nicht nur die von der Rechtsordnung sanktionierte ursprüngliche Verteilung von Gütern ist wiederhergestellt, sondern auch die Vertragsfreiheit des Bereicherungsgläubigers und Eigentümers ist restituiert. Das Eigentum weist ihm nach § 903 B G B die alleiSiehe dazu etwa Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 691. Die Anspruchskonkurrenz zwischen Eingriffskondiktion und § 985 B G B , soweit es um Herausgabe von Sachen geht, ist heute unbestritten, siehe Reuter/Martinek, a.a.O., 691; Köhl, Das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis im Anspruchssystem des B G B , 280 f.; Kurz, Der Besitz als möglicher Gegenstand der Eingriffskondiktion, 66. 43 Andere Herausgabeansprüche, etwa nach §§ 823 1,249 B G B bleiben hier außer Betracht. 41

42

§ 13 Eingriffskondiktion

und Transfers von Property Rights

327

nige Befugnis darüber zu, über die Verwendung der Sache zu entscheiden. Diese Befugnis umfaßt auch die Einräumung des Besitzes an einen anderen. Im Rahmen der Vertragsabschlußfreiheit steht es dem Eigentümer frei, mit dem Dritten ein entsprechendes Rechtsgeschäft abzuschließen oder dieses zu unterlassen. Das eigenmächtige Nehmen der Sache durch den Bereicherungsschuldner entzieht dem Rechtsinhaber die Freiheit, über die Verwendung der Sache autonom zu entscheiden. Diese Freiheit wird durch die Herausgabe nach den Regeln des Bereicherungsrechts wiederhergestellt.

2. Die Simulation eines vertraglichen Tauschvorgangs zwischen den Parteien eines Anspruchs aus Eingriffskondiktion In den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschiedenen Fällen der Eingriffskondiktion spielt die Herausgabe von Sachen - soweit ersichtlich - praktisch keine Rolle. In der Entscheidungspraxis stehen Fälle im Vordergrund, bei denen es um die unbefugte Nutzung von Sachen und Rechten ging und eine gegenständliche Herausgabe des Erlangten deshalb nicht in Betracht kam. Der Anspruch richtet sich daher in diesen Fällen immer auf die Zahlung von Wertersatz nach § 818 II BGB.

a) Unmöglichkeit

der gegenständlichen

Herausgabe

In den Fällen der Eingriffskondiktion kommt Wertersatz nach § 818 II BGB vor allem deshalb in Betracht, weil die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten unmöglich ist. Was bei der Eingriffskondiktion als das „erlangte Etwas" gemäß § 812 I 1 BGB zu gelten hat, ist im einzelnen umstritten und wird unten noch näher behandelt werden 44 . Unabhängig davon ist bereits hier darauf hinzuweisen, daß die Unmöglichkeit der Herausgabe des Erlangten in Fällen der Eingriffskondiktion auf tatsächlichen und rechtlichen Gründen beruhen kann. Aus tatsächlichen Gründen scheidet eine gegenständliche Herausgabe bei den sog. Nutzungs- und Gebrauchsfällen aus. Der praktische Anwendungsschwerpunkt der Eingriffskondiktion liegt heute im Bereich der Verletzung von Immaterialgüterrechten. Dabei kommt der Eingriffskondiktion die Funktion zu, Vorteile aus der unbefugten Nutzung eines fremden Ausschließlichkeitsrechts dem Bereicherungsschuldner zu entziehen und zum Bereicherungsgläubiger zu verlagern. Bei den genannten Arten von Ausschließlichkeitsrechten liegt es auf der Hand, daß eine gegenständliche Herausgabe des „erlangten Etwas" nicht in Betracht kommt, weil der Bereicherungsgläubiger lediglich nicht-gegenständliche Vorteile erlangt. Die Unmöglichkeit der gegenständ44

Siehe dazu § 30 II.

328

Kapitel II: Ökonomische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

liehen Restitution, wie sie sich als primärer Anspruch aus § 8 1 2 1 1 B G B ergibt, kann aber auch auf rechtlichen Gründen beruhen. Als Beispiel sei hier auf § 951 1 B G B hingewiesen. § 951 1 2 B G B enthält eine Rechtsgrundverweisung auf §§ 812ff. B G B für die Fälle des Eigentumsverlustes nach §§ 946ff. B G B aufgrund von Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung. Entsteht nach §§ 946 ff. B G B durch Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung vorher getrennter Sachen eine neue Sache, so verlieren die Eigentümer der zuvor getrennten Sachen ihr Eigentum. Das Alleineigentum geht auf den Eigentümer der Hauptsache über. Gemäß § 951 I B G B kann im Rahmen des Bereicherungsanspruchs lediglich Wertersatz, nicht aber die Wiederherstellung des früheren Zustands verlangt werden. Durch die Trennung der neu entstandenen Sachen würde es in vielen Fällen zu einem gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrtsverlust kommen, da der kumulierte Wert der einzelnen Bestandteile nach einer Trennung häufiger geringer sein würde als der Wert der vorher entstandenen neuen Sache 4 5 . § 951 I 2 B G B schließt daher die Wiederherstellung des früheren Zustandes aus. D e m zufolge ist die Restitution durch gegenständliche Herausgabe des Erlangten in den Fällen des § 951 I B G B aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen.

b) Der Anspruch aus Eingriffskondiktion in der Form des Wertersatzes als Rekonstruktion des vertraglichen Tauschvorgangs O b e n wurde ausführlich dargelegt, daß die Funktionsfähigkeit einer wettbewerblichen Marktwirtschaft u.a. auf der Institutionalisierung eines Systems von Ausschließlichkeitsrechten (Property Rights) an knappen Gütern und auf dem Kontraktmechanismus für die Verwendung der knappen Ressourcen durch Nichtinhaber beruht. Wenn der Nichtinhaber eines Property Rights an einer knappen Ressource diese für seine eigenen Zwecke nutzt, so stellt sich dies aus der Sicht des Rechtsinhabers als erzwungener Transfer bzw. „Privatenteignung" dar. D e r Nichtinhaber der Ressource führt seinem Vermögen ihre N u t zung zu, ohne darüber mit dem Rechtsinhaber durch einen gegenseitigen Vertrag eine Entgeltregelung getroffen zu haben. Im Fall des Versagens des Kontraktmechanismus verwendet der Interessierte die fremde Ressource, ohne vor dem Transfer seine Zahlungsbereitschaft gegenüber dem Ressourceninhaber und den anderen Nutzungsinteressierten offenzulegen. Im Unterschied zur Herausgabe von Sachen, die der Bereicherungsschuldner in seinem Besitz hat, kann die Nutzung, der Gebrauch oder die Verwendung von Sachen oder Rechten nicht in natura herausgegeben werden. Die Nutzung von Gegenständen, die im Rahmen eines ausschließlichen, übertragbaren Rechts einem Rechtssubjekt zugewiesen ist, stellt einen Vermögenswert dar. Jeder Nichtinhaber einer Nutzungsberechtigung muß vor der Verwendung der Ressource das Einverständnis des Rechtsinhabers in der Regel 45

Baur/Stürner,

Sachenrecht, § 53 I.

§ 13 Eingriffskondiktion

und Transfers von Property

Rights

329

gegen Entgelt in der Weise erwerben, daß zwischen der Befugnis zur Ressourcennutzung und dem dafür zu entrichtenden Entgelt eine synallagmatische Beziehung hergestellt wird. U m einen Vermögenswerten Vorteil und damit um ein „erlangtes Etwas" i. S. von § 8 1 2 1 1 , 2 . Alt. B G B handelt es sich bei der unbefugten Nutzung von Gütern, an denen ausschließliche Zuweisungen bestehen, deshalb, weil die Nutzung solcher Güter rechtlich nur unter Zustimmung des Rechtsinhabers zulässig ist und dieser die Zustimmung in der Regel 4 6 nur im Austausch mit einem Entgelt erteilt. Da der durch Nutzung, Gebrauch, Verwendung oder Verbrauch erlangte Vermögensvorteil aufgrund seiner Beschaffenheit als nicht-gegenständliche Vermögensmehrung nicht in natura herausgegeben werden kann, kommt in solchen Fällen der Eingriffskondiktion nur die Herausgabe des Wertes gemäß § 818 II B G B in Betracht. Dies bedeutet, daß der Bereicherungsschuldner dem Bereicherungsgläubiger einen Geldbetrag zu zahlen hat, der den Wert des durch die Nutzung der fremden Ressource Erlangten entspricht. U b e r die Frage, wie der Begriff des Wertes in § 818 II B G B zu fassen und wie seine H ö h e zu bestimmen ist, wird im juristischen Schrifttum heftig gestritten. Dabei stehen sich zwei grundsätzliche Ansichten gegenüber, von denen die eine das Konzept des Wertes in § 818 II B G B als objektive Größe, als Marktwert des Gutes bestimmt (objektiver Wertbegriff), während die andere Auffassung den Wert des Vermögensvorteils nach den subjektiven Verhältnissen des Bereicherungsschuldners bemessen will 47 . Auf die Frage, wie der Begriff des Wertes in § 818 II B G B zu bestimmen ist, wird unten in Kapitel V I I (Inhalt des Anspruchs aus Eingriffskondiktion) noch näher eingegangen. Wichtig ist an dieser Stelle der Hinweis, daß sich aus der Unmöglichkeit der gegenständlichen Herausgabe des „erlangten Etwas" in den Gebrauchs- und Nutzungsfällen bei Sachen und Rechten in ökonomischer und auch rechtlicher Hinsicht spezifische Probleme ergeben, die aus dem Umstand des Versagens des Vertragsmechanismus resultieren. Die Preisbildung im Güteraustausch auf wettbewerblich orientierten Märkten beruht fundamental darauf, daß die Rechtssubjekte ihre Präferenzen im Hinblick auf die Nutzung einer bestimmten Ressource am Markt offenlegen. Diese Offenlegung geschieht durch die Erklärung der Zahlungsbereitschaft, d.h. der Geldsumme, die der Interessierte für den Erwerb der Nutzungsbefugnis zu zahlen bereit ist. Der Rechtsinhaber wird demjenigen „Bieter" die Befugnis zur Nutzung seiner Ressource anbieten, der die höchste Zahlungsbereitschaft signalisiert. U m die Nutzungsbefugnis an der Ressource übertra4 6 Legt der Rechtsinhaber keinen Wert darauf, der Nutzung seiner Ressourcen durch andere zuzustimmen, so kann dies damit zusammenhängen, daß er dem Nutzer die Vorteile der Güterverwendung ohne Entgelt zukommen lassen will (schenkweise) oder ihm die Nutzung gleichgültig ist. Dann allerdings wird er auch nicht auf die Herausgabe der Vorteile im Wege der ungerechtfertigten Bereicherung klagen. 4 7 Siehe dazu ausführlich unten Kap. V I I , § 31 I 1 m . w . N .

330

Kapitel II: Ökonomische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

gen zu bekommen, muß die Zahlungsbereitschaft des erfolgreichen Bieters nicht nur die Zahlungsbereitschaft aller seiner Konkurrenten übertreffen, sondern auch den Geldbetrag der Nutzenpräferenz des Inhabers des Property Right selbst. Grundlegende Prämisse des Verfahrens ist es, daß die Nutzeninteressierten einen Anreiz haben, die Bewertung ihrer Präferenz an der Nutzung der Ressource wahrheitsgemäß offenzulegen. Ein solcher Anreiz besteht nur dann, wenn ein Nutzungsberechtigter a) sich die Nutzung einer fremden Ressource nicht ohne Kontrakt mit dem Berechtigten aneignen kann; b) die wahre Höhe seines in Geld ausgedrückten Interesses an der Nutzung der Ressource nicht deshalb verbergen kann, weil er mangels Wettbewerb nicht damit rechnen muß, in seiner Zahlungsbereitschaft überboten zu werden. In den Fällen der Eingriffskondiktion liegt die eben unter a) beschriebene Konstellation vor. Der Kontraktmechanismus hat insoweit versagt, als sich der Bereicherungsschuldner ohne Abschluß eines Vertrages mit dem Rechtsinhaber bereits die Nutzung verschafft und dadurch einen Vermögensvorteil erlangt hat. Da der Bereicherungsschuldner die Nutzung schon in gegenständlich nicht restituierbarer Weise konsumiert hat, fehlt der Anreiz, seine Nutzenpräferenz (nachträglich) wahrheitsgemäß offenzulegen. Der Gedanke, daß die Eingriffskondiktion das Ergebnis einer vertraglichen Transaktion in den Gebrauchs-, Verbrauchs- und Nutzungsfällen zu rekonstruieren hat, trifft hier auf ein ernst zu nehmendes Problem: Wie soll das Verhältnis zwischen dem Erlangten und dem dafür an den Rechtsinhaber zu zahlenden Gegenwert (Entgelt) festgestellt werden? Uberläßt man den Prozeß der Festlegung des Wertes des Erlangten den Parteien, so werden diese keine Einigung erzielen: Der Bereicherungsgläubiger wird den Wert, den er der ihm vorbehaltenen Nutzung beimißt, tendenziell höher ansetzen als er dies in einer „Vertragsverhandlungssituation" vor der Ressourcennutzung täte. Da der Transfer der Nutzung bereits stattgefunden hat, muß er nicht befürchten, daß die Transaktion an zu hohen Entgeltforderungen scheitert. Umgekehrt wird sich der Bereicherungsschuldner darauf berufen, daß die erlangte Nutzung ihm nur einen geringen oder vielleicht gar keinen Vorteil gebracht habe: Bei Unkenntnis des entgegenstehenden Rechts des Bereicherungsgläubigers soll er sich nach einer im Schrifttum verbreiteten Auffassung darauf berufen dürfen, daß er bei Kenntnis der Umstände ganz auf eine Nutzung der Ressource verzichtet und sich gegebenenfalls durch eine andere Maßnahme beholfen hätte 48 . 48 Siehe etwa Gursky, Ersparnisgedanke und Reserveursache im Bereicherungsrecht, JR 1972, 279 ff. (283 f.); Esser, SchR II BT (4. Aufl. 1971), § 105 I 2.; MüKo(-Lieb), § 818, Rz. 21 a; Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung, X 36 ff.; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 135 f.; Larenz/Canaris, SchRII/2, § 7312 f. a. E. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hingegen hat die Berücksichtigung des Einwands, der Bereicherungsschuldner hätte bei Kenntnis der Sachlage die Inanspruchnahme des fremden Rechts ganz unterlassen oder sich die Nutzungsbefugnis billiger besorgt, abgelehnt, siehe RG 20.12.1910, RGZ 97, 310 (312) (Gleisanlagen), BGH 8.5.1956, BGHZ 20, 345 (355) (Paul Dahlke).

5 13 Eingriffskondiktion

und Transfers von Property Rights

331

M i t solchen Argumentationen soll deutlich gemacht werden, daß eine Zahlungsbereitschaft des unbefugten Nutzers entweder überhaupt nicht bestanden hat bzw. gering war und deshalb eine Bereicherung im Vermögen des Kondiktionsschuldners als nicht vorhanden oder gering anzusehen ist. D e r Rechtsanwender steht bei Versagen der Vertragsordnung und U n m ö g lichkeit der gegenständlichen Herausgabe des Erlangten vor dem Dilemma, daß eine Simulation des Preisbildungsmechanismus, so wie er bei einem frei ausgehandelten K o n t r a k t zur Geltung k o m m t , dann nicht mehr möglich ist, wenn der Transfer der Ressource bereits stattgefunden hat. D e n n dann besteht kein Anlaß für Rechtsinhaber und N u t z e r der Ressource, ihre wahren N u t z e n präferenzen zu offenbaren. Dieser Sachlage sieht sich der Rechtsanwender gegenüber, der im R a h m e n des § 818 II B G B über den „Wert" des Erlangten zu entscheiden hat. Zur Uberwindung des aufgezeigten Dilemmas haben Wissenschaft und Rechtsprechung gewisse Strategien entwickelt, die eine Wertfeststellung ohne R ü c k griff auf die subjektiven Nutzenpräferenzen der Beteiligten hinsichtlich der N u t z u n g der Ressource ermöglichen sollen. Z u m Teil wird eine Lösung ganz offen unter Verzicht auf jegliche Anlehnung an die subjektive Nützlichkeit des Erlangten und dessen Auswirkungen im Vermögen des Bereicherten gesucht, indem auf den Marktpreis oder den „gemeinen W e r t " des erlangten Gegenstandes abgehoben wird. Klar ist dabei, daß es sich bei einer so ermittelten G r ö ß e nicht um einen Wert handelt, der zwischen den Transaktionsparteien unter Zugrundelegung ihrer subjektiven Nutzenpräferenzen bestimmt worden wäre (denn diese sind unbekannt), sondern daß es sich um eine G r ö ß e handelt, die andere, mit der in Frage stehenden Transaktion in keinem Zusammenhang stehende Parteien in bereits abgeschlossenen Verträgen dem G u t beigemessen haben. Eine andere Auffassung will eine Ermittlung des Wertes des Erlangten von den Auswirkungen abhängig machen, die es gerade im Vermögen des Bereicherungsschuldners gehabt hat (subjektive T h e o r i e des Wertbegriffs). Wenn auch die Bezeichnung „subjektive T h e o r i e " den Eindruck hervorruft, es gehe um die Feststellung des Wertes einer Ressource auf der Grundlage der subjektiven Nutzenpräferenz einer Person, so liegt es in Wahrheit ganz anders. A u c h mit der subjektiven Theorie der Wertbestimmung i. S. von § 818 II B G B geht es nicht um die Wertbestimmung aufgrund einer (wie auch immer festgestellten) subjektiven Nutzenpräferenz eines Beteiligten; vielmehr wird auch der Wert nach der subjektiven T h e o r i e durch eine dritte Instanz - nämlich im P r o z e ß falle durch das Gericht - fixiert. Es handelt sich also in Wahrheit nicht um eine subjektive Bestimmung des Wertes in dem Sinne, daß sie durch die betroffenen Rechtssubjekte im Wege der Koordination ihrer individuellen N u t z e n p r ä ferenzen erfolgt, sondern sie wird von einem außenstehenden Dritten, dem Richter vorgenommen. D i e in der juristischen D o g m a t i k benutzten Begriffe „objektiv" und „subjektiv" bedeuten in diesem Zusammenhang nur, daß sich der Richter entweder von Marktpreisen für das Erlangte leiten läßt oder daß er

332

Kapitel II: Ökonomische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

Einflüsse auf die Vermögenslage gerade des betroffenen Bereicherungsschuldners berücksichtigt. Welche dieser Auffassungen letztlich vorzugswürdig ist, soll unten im Kapitel über den Inhalt des Anspruchs aus Eingriffskondiktion geklärt werden. An dieser Stelle ist nur darauf hinzuweisen, daß bei bereits erfolgtem Ressourcentransfer eine Preisvereinbarung zwischen den Parteien ex post nicht mehr möglich ist, weil der Anreiz zur Offenlegung der wahren Nutzenpräferenzen fehlt. Die Unmöglichkeit der Koordination der Nutzenpräferenzen beider Beteiligter resultiert - wie oben schon erwähnt - daraus, daß der Ressourcentransfer bereits - wenn auch ohne Vertrag - stattgefunden hat. Bei einem solchen Versagen der Vertragsordnung kommt der Eingriffskondiktion die Funktion zu, die ökonomisch vorteilhaften Wirkungen des Eingriffs (= der unbefugten Nutzung der fremden Ressource), die sich daraus ergeben, daß der Bereicherungsschuldner mit dem Rechtsinhaber keinen Vertrag über die Ressourcenverwendung mit Entgeltvereinbarung geschlossen hat, zu beseitigen, indem eine Lage hergestellt wird, die der Lage von Rechtsinhaber und Empfänger des Erlangten bei einem vertraglichen Transfer der usurpierten Ressource möglichst ähnlich ist. Darüber hinaus sorgen § 1004 BGB (ggfs. analog) und die entsprechenden Normen der Gesetze zu den Immaterialgüterrechten (z.B. § 97 I 1 UrhG; § 139 I PatG 1981; § 24 Abs. 1 GebrMG; § 9 I 1 Halbleiterschutzgesetz; § 15 II MarkenG) durch die Gewährung eines Unterlassungsanspruchs dafür, daß für die Zukunft eine unbefugte Nutzung exklusiv zugewiesener Rechte durch den Rechtsverletzer unterbunden wird. Im Rahmen des Anspruchs aus Eingriffskondiktion muß ein Tausch auf vertraglicher Grundlage zwischen den Parteien simuliert werden, indem eine Gegenleistung für die Nutzung des fremden Rechts ermittelt wird, die derjenigen möglichst nahe kommt, auf die sich die Parteien ex ante geeinigt hätten. Der Wert der erlangten Nutzung besteht in dem Entgelt, daß die Parteien vereinbart hätten, wenn sie einen Vertrag über die Verwendung der Ressource durch den Bereicherungsschuldner abgeschlossen hätten. Die Heranziehung eines simulierten Vertrages zur Preisbildung bei erzwungenen Ressourcentransfers wird auch in der ökonomischen Analyse des Rechts befürwortet. „This approach (= die Simulation einer Markttransaktion, R.E.) attempts to reconstruct the likely terms of a market transaction in circumstances where instead a forced exchange took place - to mimic or simulate the market, in other words. A coerced exchange, with the legal system later trying to guess whether the exchange increased efficiency, is a less efficient method of allocating resources than a market transaction where market transactions are feasible ,.." 49 . Da die Wiederherstellung der ursprünglichen Güterverteilung bei der unbefugten Nutzung von Sachen und Rechten nicht möglich ist, bleibt letztlich nur der Versuch, sich aus nachträglicher Sicht der Lage anzunähern, die die Betei-

49

Posner, Economic Analysis of Law, 15.

$ 13 Eingriffskondiktion

und Transfers von Property Rights

333

ligten durch privatautonomes Zusammenwirken geschaffen hätten, wenn sie die Umstände des Falles gekannt hätten. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, daß wegen des bereits angesprochenen Fehlens eines Anreizes zur wahrheitsgemäßen Offenlegung der Nutzenpräferenzen der Beteiligten post festum eben nur eine Annäherung an die Bedingungen einer marktlichen Transaktion möglich ist.

3. Die quasi-kontraktliche Wirkung der Eingriffskondiktion in ökonomischer Sicht (die Eingriffskondiktion und das ökonomische Modell des vollständigen Vertrages) Die vorangehende Analyse hat gezeigt, daß die Funktion der Eingriffskondiktion darin besteht, bei einem Versagen des Kontraktmechanismus als Auffangordnung hinter der Vertragsordnung den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn sich die betroffenen Parteien vertraglich über die U m stände des Ressourcentransfers, insbesondere über das vom Nutzer zu zahlende Entgelt, geeinigt hätten. Es handelt sich dabei nicht um einen (nachträglich) abgeschlossenen Vertrag zwischen den Parteien zur Sanktionierung des bereits durch den Eingriff bewirkten Ressourcentransfers. Das Postulat, im Rahmen der Eingriffskondiktion möglichst das Ergebnis herzustellen, welches bestehen würde, wenn die Parteien sich vertraglich über den Ressourcentransfer geeinigt hätten, ist durch die zentrale Bedeutung eines von der Rechtsordnung institutionalisierten Systems von exklusiven Handlungs-, Verfügungs- und Nutzungsrechten und eines Vertragsrechts, mittels dessen eine Reallokation solcher Rechte ermöglicht wird, geboten. Der Markt kann sein Ziel der Allokationseffizienz nicht erreichen, wenn die Individuen bei der Koordination ihrer Nutzenpräferenzen die Exklusivität von Property Rights nicht beachten. Die These, die Eingriffskondiktion diene als „Auffangordnung", die bei einem Versagen des Kontraktmechanismus zum Einsatz gelange, begründet das schon eben genannte Postulat, als Rechtsfolge der Eingriffskondiktion den Wert der ohne Einwilligung des Rechtsinhabers erlangten Ressource anzunehmen, den die Parteien vertraglich vereinbart hätten, wenn sie sich ex ante auf einen Ressourcenaustausch geeinigt hätten. Im Ergebnis führt ein solches Verständnis der Eingriffskondiktion dazu, daß der Empfänger des Gutes hinsichtlich des von ihm zu bezahlenden Entgeltes behandelt wird, als habe er mit dem Berechtigten einen Vertrag abgeschlossen. In der Literatur wird der Verzicht auf einen Schaden beim Kondizienten wie auch die Anknüpfung an „quasi-vertragliche" Kategorien zum Teil hart kritisiert. Die Kritik setzt dabei auf verschiedenen Ebenen an: Die systematische Ebene betrifft das Argument, daß der Verzicht auf das Tatbestandsmerkmal „auf dessen Kosten" (verstanden als Schaden) in § 81211 BGB und der quasi-vertragliche Anspruch auf die angemessene Lizenzgebühr bei unverschuldeter Nutzung fremder Immaterialgüterrechte die Grenzen von

334

Kapitel II: Ökonomische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

Vertrags-, Delikts- und Bereicherungsrecht weitgehend verschwimmen ließe 50 . Darüber hinaus führe die Anknüpfung an den Zuweisungsgehalt der Rechte, die als „Umschreibung des Gesetzes oder Auslegung contra legem in Gesetzgebungsfunktion" zu qualifizieren sei, die gesetzlich ursprünglich vorgesehene Risikoverteilung in „anmaßender, unzulässiger und makroökonomisch unvernünftiger Weise" zu einer Gewährung von Monopolrenten an den Rechtsinhaber, während zugleich diese Verkehrung des Gesetzes den Unternehmenden pönalisiere 51 . Diese Kritik soll hier aufgegriffen werden, soweit sie unterstellt, der Eingreifer werde einer Vertragshaftung ohne Vertrag unterworfen. Im Ergebnis kann diese Kritik nicht durchgreifen. Die Anknüpfung der Rechtsfolgen der Eingriffskondiktion in den Gebrauchsund Nutzungsfällen, in denen eine gegenständliche Herausgabe des Erlangten wegen dessen Beschaffenheit unmöglich ist, an die Kategorien des Kontraktes ist nicht ohne Probleme und zwar nicht nur in juristischer, sondern auch in ökonomischer Hinsicht. Dies wird deutlich, wenn man die quasi-kontraktliche Rechtsfolge der Eingriffskondiktion im Fall des Versagens der Vertragsordnung 5 2 mit der modellhaften Vorstellung der Ökonomie vom vollständigen Vertrag kontrastiert. Die ökonomische Lehre sieht die Legitimation eines Vertrages, d. h. insbesondere die Reichweite der Privatautonomie und die Bindungswirkung des Rechtsgeschäfts für die Parteien in dem Umstand, daß der Vertrag - ex ante aus der Sicht der an ihm Beteiligten - dem Nutzen beider Parteien dient, denn darin liegt seine wirtschaftliche Funktion. Danach führt jeder Vertrag, der diese Bedingung erfüllt (vorausgesetzt, er hat keine nachteiligen Auswirkungen auf Dritte), zu einer Pareto-Verbesserung 53 . Dies gilt nur dann nicht, wenn eine Partei von vornherein - etwa aus Altruismus - darauf verzichtet, ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen zu verfolgen, sondern mit dem Vertragsschluß, z.B. im Schenkungswege, nur die Belange der anderen Partei fördern will. Ein vollständiger Vertrag setzt voraus, daß sich die Parteien rational (=zur Förderung ihrer eigenen Interessen handelnd) verhalten, über alle im Zusammenhang mit der Vertragsschluß bedeutsamen Informationen verfügen, alle relevanten, potentiell konfliktträchtigen Aspekte der Transaktion im Vertrag regeln und der Vertragsschluß nicht durch Täuschung, Drohung oder krasses Machtgefälle beeinflußt wird 5 4 . Entspricht ein Vertrag nicht diesen Bedingungen, so kann er aus ökonomischer Sicht nicht (jedenfalls nicht unverändert) Knieper, Moderne Bereicherungslehren, BB 1991, 1578ff. (1580). Knieper, a.a.O., 1580. 52 Der Bereicherungsschuldner nutzt eine fremde, exklusiv dem Bereicherungsgläubiger zugewiesene Ressource ohne mit dem Rechtsinhaber einen die Nutzung legitimierenden Vertrag abzuschließen, sei es, daß er das entgegenstehende Recht nicht kannte, sei es, daß er sich bewußt über die Ausschließlichkeit des fremden Rechts hinwegsetzt. 53 Cooter/Ulen, Law and Economics, 228ff.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 322 ff. 54 Schäfer/Ott, a.a.O., 342. 50 51

§ 13 Eingriffskondiktion

und Transfers von Property

Rights

335

gültig sein, sondern bedarf der Korrektur durch die Rechtsordnung. N u r scheinbar kollidiert diese strikt an ökonomischer Rationalität orientierte Auffassung vom Vertrag mit der Privatautonomie, in der die Rechtswissenschaft die Grundlage für die Verbindlichkeit von Verträgen zwischen Rechtssubjekten sieht: Der Vertrag gilt, weil die Parteien es wollen. Die Rechtsordnung sieht Instrumente für die Korrektur bzw. die Aufhebung von Verträgen vor, die nicht den Bedingungen des vollständigen Vertrages entsprechen. So schützt etwa § 105 BGB jemanden, der nicht in der Lage ist, seine Nutzenpräferenzen zu bestimmen, davor, vertraglichen Bindungen unterworfen zu werden. Ebenso verhindert das AGBG, daß sich aus der wirtschaftlichen Überlegenheit eines Vertragsteils Ubervorteilungen des anderen Teils durch die Vereinbarung von entsprechenden allgemeinen Geschäftsbedingungen ergeben 55 . Für den beiderseitigen Vorteil kommt es bei dem ökonomischen Sachverhalt des vollständigen Vertrages auf die Sicht ex ante an: Erweist sich die Erwartung einer Partei hinsichtlich der Förderung ihrer Nutzenpräferenzen nach Vertragsschluß als unzutreffend, so läßt sich allein daraus keine Korrektur des Vertragsinhalts durch das Recht legitimieren 56 . Stellt man, wie es in dieser Untersuchung geschieht, für die Bestimmung des Wertes des Erlangten nach § 818 II BGB darauf ab, welches Entgelt der Bereicherungsschuldner an den Bereicherungsgläubiger hätte zahlen müssen, wenn er sich mit ihm über die Nutzung der Ressource vertraglich geeinigt hätte, so ergibt sich die Frage, ob die Bezugnahme auf hypothetische vertragliche Entgeltvereinbarungen nach dem Modell des vollständigen Vertrages zu rechtfertigen ist. Eine solche Annahme setzt nämlich voraus, daß ein Vertragsschluß zwischen den Parteien in ökonomischer Sicht überhaupt möglich gewesen wäre. Ein Vertragsschluß zwischen den Parteien der Eingriffskondiktion wäre vor dem Eingriff dann nicht möglich gewesen, wenn aus der exante-Beurteilung der Parteien nach ihren individuellen Nutzenpräferenzen der Nutzen für den Bereicherungsschuldner geringer als der Nutzen des Kondizienten (ausgedrückt in der Zahlungsbereitschaft beider Parteien für die Nutzung der Ressource) ist. Dann käme es nicht zu einem Vertragsschluß. Ein Vertragsschluß wäre z.B. dann nicht sinnvoll, wenn ein Patentinhaber den Wert einer Überlassung bestimmter Befugnisse aus dem Patent bei 100 DM ansetzt, während der potentielle Lizenzvertragspartner seine Nutzenpräferenz hinsichtlich der Befugnisse aus dem Patent lediglich mit 90 D M taxiert. Die Koordination individueller Nutzenpräferenzen durch Vertrag setzt voraus, daß sich die potentiellen Vertragspartner über ihre jeweiligen Nutzenpräferenzen im klaren sind. Dies bedeutet wiederum, daß sie sowohl die Kosten für die Verwendung einer Ressource wie auch den daraus zu ziehenden Nutzen in ihre Wirtschaftlichkeitsrechnung einbeziehen. Die Kosten der Nutzung einer fremden Ressource können die Akteure aber nur dann berücksichtigen, wenn sie erkennen, daß an der zu nutzenden Ressource ein fremdes Ausschließlichkeitsrecht besteht. 55 56

Siehe dazu Schäfer/Ott, Lehrbuch der ö k o n o m i s c h e n Analyse des Zivilrechts, 343. Schäfer/Ott, a . a . O . , 342.

336

Kapitel II: Ökonomische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

Kennt ein Akteur den Umstand, daß eine von ihm genutzte Ressource fremd ist, nicht oder täuscht er sich darüber, daß der Rechtsinhaber der Nutzung durch ihn zugestimmt hat, so ordnet er im Rahmen seiner Wirtschaftsrechnung seiner Nutzungshandlung keine Kosten zu.

4. Funktionale a) Eingriffskondiktion

Grenzen der

Eingriffskondiktion

und Eingriff in exklusive

Rechte

Die Eingriffskondiktion beseitigt die im Vermögen des Bereicherungsschuldners durch einen Eingriff in ein Recht des Kondizienten mit Zuweisungsgehalt eingetreten Folgen des Eingriffs. Den Eingriff selbst kann sie nicht verhindern. Eingriffe, d.h. unbefugte Inanspruchnahme fremder Rechte zu unterbinden, ist die Aufgabe der Unterlassungsansprüche. Diese sind zwar für die jeweiligen Rechte getrennt geregelt (§ 1004 B G B für Sachen und analog für andere absolute subjektive Rechte; § 139 PatentG für Patente; § 24 I GebrMG für Gebrauchsmuster; § 971 UrhG für das Urheberrecht; § 14 a I GeschmMG für Geschmacksmuster). Der Unterlassungsanspruch dient nicht dem Ausgleich eines dem Rechtsinhaber möglicherweise entstandenen Schadens, sondern seine Aufgabe ist die Abwehr von drohenden zukünftigen Störungen des Rechts durch Dritte. Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs ist es nicht, daß bereits in der Vergangenheit eine Beeinträchtigung des Rechts stattgefunden hat; vorangehende Beeinträchtigungen können lediglich indizielle Wirkung bei der Darlegung der drohenden Gefahr oder Störung des Rechts haben. Die Folgen des Eingriffs werden durch die Eingriffskondiktion in unterschiedlicher Weise, nämlich entsprechend dem jeweils „erlangten Etwas" beseitigt. Ist das Erlangte z. B. eine Sache und kann in natura an den Berechtigten herausgegeben werden, so hat der Bereicherungsschuldner die erlangte Sache an den Kondizienten zu übergeben. Ist dies wegen der Beschaffenheit der Sache - wie in den praktisch bedeutsamen Anwendungsbereichen der Eingriffskondiktion in den Gebrauchs- und Nutzungsfällen, insbesondere im Immaterialgüterrecht - nicht möglich, so hat der Bereicherungsschuldner nach § 818 II B G B den Wert des Erlangten zu erstatten. Die dritte Möglichkeit der Herausgabe der Eingriffsbereicherung enthält § 816 I 1 B G B : Hier hat der nichtberechtigte, aber wirksam verfügende Bereicherungsschuldner das „aus der Verfügung Erlangte" herauszugeben, welches nach h.M. der erzielte Kaufpreis ist.

b) Eingeschränkter

Kreis geschützter

Positionen

In den Fällen der Eingriffskondiktion kollidieren zwei gegensätzliche Positionen: einerseits exklusiv zugewiesene Güter, von einigen als Verwertungs-

5 13 Eingriffskondiktion

und Transfers von Property

Rights

337

monopole 57 bezeichnet, deren Inhaber ein rechtlich anerkanntes Interesse daran haben, daß ihr exklusives Recht nicht nur gegen die Schädigung durch Dritte geschützt ist, sondern auch dagegen, daß sich - selbst schuldlos Handelnde dadurch bereichern, daß sie den Gegenstand des exklusiven Rechts ohne Einwilligung des Rechtsinhabers in Anspruch nehmen. Auf der anderen Seite steht die Handlungsfreiheit, insbesondere die Freiheit des Handelns im wirtschaftlichen Wettbewerb des schuldlos Eingreifenden. Die wirtschaftliche Handlungsfreiheit des Gewerbetreibenden ist grundsätzlich nicht weniger schutzwürdig als das Interesse des Inhabers exklusiv zugewiesener Rechte an einem umfassenden Schutz ihrer Nutzungs- und Vermögensberechtigung 58 . Allerdings, so ist dem hinzuzufügen, hat die Rechtsordnung die Handlungsfreiheit in Bezug auf Ressourcen eingeschränkt, die einem anderen zur ausschließlichen Verwendung zugewiesen sind. Es liegt gerade in der Natur solcher Ausschließlichkeitsrechte, daß nur der Rechtsinhaber befugt ist, in dem sachlichen Anwendungsbereich seines Rechts zu handeln (und die Vermögensvorteile dieses Handelns zu behalten wie auch den Verlust, der ggfs. eintritt, zu tragen). Dennoch berücksichtigt das Recht selbst bei Verletzung solcher absoluter Rechte das Interesse des schuldlos handelnden Rechtsverletzers am Behaltendürfen von bestimmten Ergebnissen seines Handelns, die er unter unbefugter Inanspruchnahme fremden Rechts erzielt hat. Als Beispiel dafür sei nur auf den Fruchterwerb des gutgläubigen Eigenbesitzers gem. §§ 955, 956 BGB und die privilegierte Stellung des gutgläubigen nichtberechtigten Besitzers nach § 993 1,2. Halbsatz BGB hingewiesen, der die Nutzungen behalten darf, die er als nichtberechtigter Besitzer aus der Sache gezogen hat. Die Rechtsordnung sieht also hinsichtlich des Verhältnisses von Inhabern bereichungsrechtlich geschützter Rechtspositionen zu unbefugten Nutzern dieser Positionen differenzierte Regelungen vor. Die Eingriffskondiktion beseitigt nur die Folgen unbefugter Eingriffe in Rechte, die über einen Zuweisungsgehalt verfügen. Nicht alle werthaltigen Positionen, die vom Wirtschaftsleben zum Gegenstand des Rechtsverkehrs gemacht werden, weisen einen bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt auf. Bei der Bestimmung des Kreises der Rechte mit Zuweisungsgehalt ist die Kompatibilität des kondiktionsrechtlichen Schutzes exklusiver Positionen mit dem Grundprinzip der Handlungsfreiheit, das für eine wettbewerblich orientierte Marktwirtschaft von fundamentaler Bedeutung ist, zu wahren 59 . Dies bedeutet insbesondere: Im Wege über den Tatbestand der Eingriffskondiktion des § 812 I 1, 2. Alt. BGB dürfen nicht durch Zuerkennung eines bereicherungsrechtlichen Zuweisungsgehaltes auf breiter Front neue exklusive Rechtspositionen geschaffen werden, die im Extremfall die Märkte bzw. die an ihnen im Wettbewerb von den Konkurrenten erworbenen Stellungen selbst 57

Esser/Weyers, SchR II BT, § 50 I 1 d). Mestmäcker, Eingriffserwerb u n d Rechtsverletzung in der ungerechtfertigten Bereicher u n g J Z 1958, 521 (522). 59 Siehe dazu näher unten § 16 VIII. 58

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Kapitel II: Ökonomische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

zum Gegenstand exklusiver Zuweisungen machen und damit gegen Veränderungen durch die Dynamik des Wettbewerbsgeschehens immunisieren. U m solche Entwicklungen zu verhindern, ist es erforderlich, einen klar abgegrenzten Bereich von Positionen mit Zuweisungsgehalt zu entwickeln, die den Schutz der Eingriffskondiktion genießen. Zugleich muß die Grenzziehung so erfolgen, daß die Handlungsfreiheit der Nichtrechtsinhaber nicht über Gebühr eingeengt wird. Der Preis für eine solche Uberbetonung der Eingriffskondiktion wäre eine Behinderung der wirtschaftlichen Entwicklung. Verursacht würde diese Behinderung dadurch, daß das Maß an wirtschaftlicher Aktivität in Bereichen - wie z. B. den Immaterialgüterrechten - auf einen unteroptimalen Stand herabgesteuert wird, weil die wirtschaftlich Aktiven ihre Betätigung eher in Wirtschaftssektoren lenken werden, in denen sie nicht dem Risiko ausgesetzt sind, nachträglich ihre Wirtschaftlichkeitsrechnung ändern zu müssen, weil sie das exklusive Recht eines anderen übersehen und es unwissentlich genutzt haben und nunmehr die dadurch erlangten Vorteile nach § 812 B G B herauszugeben haben. Verhalten sich die wirtschaftlichen Akteure in dieser Weise, so wird die Produktionsstruktur ineffizient, weil durch die Konzentration auf bestimmte wirtschaftliche Bereiche und die Außerachtlassung anderer Sektoren von einigen Produkten zu viel, von anderen zu wenig hergestellt wird.

c) Kein Schutz der Vertragsfreiheit bzw. der Willensfreiheit des Rechtsinhabers Die Rechtsfolge der Eingriffskondiktion in den Nutzungs- und Gebrauchsfällen besteht in der Herausgabe des Wertes des Erlangten. Dieser Wert soll dem Entgelt möglichst nahekommen, das die Parteien in einem Vertrag vereinbart hätten, wenn sie vor dem Ressourcentransfer in Vertragsverhandlungen getreten wären und einen Vertrag auch abgeschlossen hätten. Im Ergebnis führt diese Vorgehensweise dazu, daß die Parteien in den Fällen, in denen nicht eine Sache herausgegeben werden kann, so gestellt werden, als hätten sie einen Vertrag abgeschlossen. Da die Vorteile, die ein Rechtsverletzer aus der unbefugten Inanspruchnahme eines fremden Rechts zieht, nicht in natura herausgegeben werden können, muß der Bereicherungsschuldner nach § 818 II B G B ihren Wert ersetzen. Die Privatautonomie als Freiheit der Rechtssubjekte, darüber zu entscheiden, ob, mit wem und zu welchen Konditionen sie in vertragliche Beziehung treten wollen, wird dadurch nicht geschützt. Ist die Herausgabe des Erlangten gegenständlich möglich, so stellt der Anspruch aus Eingriffskondiktion die Lage wieder her, die hinsichtlich der Verteilung der Ressource vor einem Vertragsschluß bestehen würde, d.h. die Ausgangsverteilung der Ressourcen vor dem Transfer wird wieder hergestellt. Im Fall der Nutzung von Sachen und Rechten ist die gegenständliche Herausgabe nicht möglich; hier wird ein Entgelt ausgemittelt, welches der Gegenleistung in einem hypothetischen Vertrag entsprechen soll. Im Ergebnis wird

§ 13 Eingriffskondiktion

und Transfers von Property

Rights

339

hier der Abschluß eines Vertrages durch die Parteien simuliert. Der wirkliche Wille von Rechtsinhaber und Eingreifer (= die Frage, ob sie wirklich zu einem Vertragsschluß bereit gewesen wären) bleibt dabei außer Betracht. Lediglich bei der gegenständlichen Rückgabe des Erlangten nach § § 8 1 2 1 1 , 2. Alt., 818 I B G B wird die Willensfreiheit des Rechtsinhabers geschützt: er kann nach Rückgabe seines Gegenstandes damit nach Belieben im Rahmen des ihm zustehenden Rechts verfahren. U m Mißverständnissen vorzubeugen muß betont werden, daß es sich bei der Wertherausgabe nach § 818 II B G B im Rahmen der Eingriffskondiktion lediglich um die Simulation des Ergebnisses eines vorgestellten Vertrages handelt; die Eingriffskondiktion führt weder zu einem Vertragsschluß noch setzt sie einen solchen voraus. Ein Vertrag kann nur durch Willenserklärung der Parteien zustande kommen.

d) Kein Ausgleich für Schäden Es ist ein Verdienst der Theorie vom Zuweisungsgehalt der Rechte, die Eingriffskondiktion vom Tatbestandselement des Schadens beim Kondizienten befreit zu haben. Das Schadenserfordernis spielte in der Vermögensverschiebungslehre eine wichtige Rolle, um den Umstand einer Vermögensverschiebung „auf Kosten" des Kondizienten i.S.v. § 812 1 1 , 2 . Alt. B G B zu belegen 60 . Bei der Eingriffskondiktion geht es um die Rückführung von Vermögensvorteilen, die der Bereicherungsschuldner ohne Rechtsgrund auf Kosten des K o n dizienten erlangt hat, in dessen Vermögen. Die Legitimation der Herausgabe der erwähnten Vorteile liegt darin, daß sie dem Kondizienten aufgrund der durch das absolute subjektive Recht oder einer gleichwertigen Rechtsposition ausgedrückten Wertung der Rechtsordnung gebühren. Worauf diese Zuordnung beruht und welche Grenzen sie aufweist, wird noch näher zu behandeln sein. Klar ist jedoch, daß es der Eingriffskondiktion nicht um den Ausgleich von Vermögens Verlusten geht, die durch rechtswidriges und ggf. schuldhaftes Verhalten anderer verursacht worden sind.

e) Beschränkung auf die Herausgabe von Vorteilen, die durch Eingriff erlangt wurden Eine weitere Beschränkung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion liegt in ihrer tatbestandlichen Fassung, die gerade auf einen Eingriff in eine bereicherungsrechtlich geschützte Position abstellt. Die Eingriffskondiktion nach § 812 I 1, 2. Alt. B G B führt lediglich dann zur Herausgabe von Vermögensvorteilen durch den Schuldner, wenn deren Erwerb gerade auf einem Eingriff i. S. der unbefugten Inanspruchnahme von Gütern und Rechten durch den Bereicherungsschuldner beruht. Davon zu unterscheiden sind Heraus60

Siehe oben § 3 VI 2.

340

Kapitel II: Ökonomische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

gabeansprüche, bei denen die Erlangung des Herauszugebenden auf der Leistung des Kondizienten, d.h. einer zweckgerichteten und gewollten Vermögensvermehrung des Bereicherungsschuldners durch den Kondizienten zurückgeht. Diese Differenzierung ist bereits in der gesetzlichen Fassung des Bereicherungsrechts in § 812 I 1 B G B angelegt, das zwischen Bereicherung durch Leistung und Bereicherung in sonstiger Weise unterscheidet. Das Erlangen von Vermögensvorteilen durch Eingriff setzt voraus, daß sich der Bereicherungsschuldner die Vorteile durch ein vom Willen des Kondizienten nicht gedecktes Eindringen in dessen Rechtssphäre verschafft, indem er Güter nutzt, die exklusiv dem Kondizienten zugewiesen sind. Diese Differenzierung führt dazu, daß bestimmte geldwerte Positionen, die an Güter- oder Faktormärkten gehandelt werden, mit der Eingriffskondiktion nicht erfaßt werden können, weil die in ihnen verkörperten Werte nicht durch Eingriff in das Vermögen eines anderen transferiert werden können. Als Beispiel sei hier nur auf die Arbeitskraft eines Menschen oder auf Dienstleistungen hingewiesen. Die Arbeitskraft des Menschen und von Personen erbrachte Dienstleistungen sind geldwerte Güter, die an Märkten gehandelt werden. Durch ihre Eigenart ist es jedoch kaum möglich, daß sich ein Dritter den Wert der Arbeitskraft oder der Dienstleistung durch Eingriff in die geschützten Positionen der Dienstleister zueignet. Denn der Erwerb durch Eingriff setzt voraus, daß der Rechtsverletzer ein Gut ohne oder gegen den Willen des Rechtsinhabers in sein Vermögen verbringt. Die Arbeitskraft und die Erbringung von Dienstleistungen sind so eng mit der Person des Dienstleisters verbunden, daß diese Güter nicht durch Eingriff transferiert werden können. Die Dienstleistung des Frisörs beispielsweise ist das Haareschneiden. In diese Dienstleistung als solche kann von einem Dritten nicht in der Weise eingegriffen werden, daß dieser dadurch bereichert ist. Vielmehr erbringt ein Dienstleister wie z.B. ein Frisör, eine Leistung im Sinne von § 8 1 2 1 1 , 1 . Alt. BGB, indem er bewußt und gewollt das Vermögen desjenigen mehrt, der die Dienstleistung in Anspruch nimmt. Das Behaltendürfen der durch eine solche Leistung erlangten Vorteile wird durch den der Leistung zugrunde liegenden Vertrag legitimiert. Sollte dieser Vertrag nicht oder nicht mehr wirksam sein, so ist eine Rückabwicklung der erbrachten Leistungen im Wege der Leistungskondiktion nach § 812 I 1, 1. Alt. B G B vorzunehmen. Von einem Eingriff im Bereich der Erbringung von Dienstleistungen kann allenfalls dort gesprochen werden, wo die Erbringung der Dienstleistung mit der Nutzung von körperlichen Gegenständen verknüpft ist, die dem Dienstleister gehören. Beispielhaft sei in diesem Zusammenhang auf die bekanntgewordene und im Schrifttum intensiv diskutierte Flugreise-Entscheidung des B G H hingewiesen61. Darin ging es um einen Minderjährigen, der einen Inlandsflug unternommen hatte, sich auf dem Ankunftsflughafen in die Auslandsabfertigung einschlich, ein Flugzeug der Klägerin, einer Luftverkehrsgesellschaft be61

B G H 7.1.1971, B G H Z 55, 128.

§ 13 Eingriffskondiktion

und Transfers von Property

Rights

341

stieg und mit dieser nach N e w York flog, ohne einen Flugschein dafür zu besitzen. In N e w York kam heraus, daß der Minderjährige unbefugt mitgeflogen war. Die Fluggesellschaft transportierte den Jugendlichen in die Bundesrepublik Deutschland zurück. In der Literatur ist darum gestritten worden, ob es sich hier um einen Fall der Leistungskondiktion oder der Eingriffsbereicherung handelte. Die Umstände des Falles sprechen hier eher für einen Eingriff durch den Beklagten, dessen Folgen im Wege der Eingriffskondiktion auszugleichen sind. Eine Leistung der Gesellschaft setzt nämlich voraus, daß sie mit dem Transport des Minderjährigen bewußt und gewollt eine Zuwendung in dessen Vermögen erbrachte. Eine solche Vermögenszuwendung will die Fluggesellschaft jedoch nur an solche Passagiere erbringen, die über einen gültigen Flugschein verfügen. An Passagiere, die sich ohne Flugschein an Bord des Flugzeugs begeben, soll keine Vermögenszuwendung erbracht werden. Der B G H hat diese Frage in seiner Entscheidung nicht explizit behandelt, scheint aber - nach den Formulierungen des Urteils - eher von einer Leistung als von einem Eingriff auszugehen 62 . Ein Eingriff in ein Recht der Fluggesellschaft ist in einem solchen Fall deshalb möglich, weil die Erbringung der Dienstleistung hier eng mit der Nutzung einer der Fluggesellschaft gehörigen Sache, nämlich des Flugzeugs, verbunden ist. Wer sich unbefugt in ein Flugzeug einschleicht und so die Transportleistung in Anspruch nimmt, ohne dazu befugt zu sein, greift in ein der Fluggesellschaft zustehendes, exklusives Nutzungsrecht (§ 903 B G B ) am Flugzeug ein. Das Recht, die Sache für den Zweck des Lufttransports zu nutzen, müssen Interessierte entgeltlich von der Fluggesellschaft erwerben. Sofern im Schrifttum vereinzelt der „Gebrauch fremder Sachen und Dienstleistungen" 6 3 als Gegenstand der Eingriffskondiktion angesehen werden, so ist dies zumindest ungenau und häufig unzutreffend. Dienstleistungen - soweit sie nicht auf der Nutzung von Sachen oder Rechten beruhen sind kein Recht mit einem bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt. Besteht eine Dienstleistung allein auf einer menschlichen Tätigkeit (und nicht auf der Inanspruchnahme von Gütern), so handelt es sich nicht um eine Rechtsposition mit Zuweisungsgehalt, in die ein Dritter eingreifen konnte. Aus wirtschaftlicher Sicht mag es gewisse Aspekte geben, die jedenfalls im Bereich der gewerblichen Tätigkeit für eine Gleichbehandlung von unbefugt genutzten Gütern und rechtsgrundlos in Anspruch genommenen Dienstleistungen sprechen. Dennoch ist zwischen beiden Arten von wirtschaftlich knappen Ressourcen zu unterscheiden: Dienstleistungen, die erbracht werden, ohne daß dabei durch den Empfänger Ressourcen des Erbringers genutzt werden, sind Leistungen i.S. von § 812 1 1 , 1 . Alt. B G B . Eingriffe in sie sind wegen der Eigenart solcher Dienstleistungen als Handlungen des Dienstleisters ausgeschlossen. Daher scheiden solche Dienstleistungen aus dem Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion aus. 62 63

B G H 7.1.1971, B G H Z 55, 128 (130, 132, 135) (Flugreisefall). So Joerges, Bereicherungsrecht als Wirtschaftsrecht, 67.

342

Kapitel II: Ökonomische

Grundlagen

IV. Eingriffskondiktion und

der

Eingriffskondiktion

Verteilungsgerechtigkeit

Das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung wurde von der älteren Kondiktionen-Dogmatik, die ihre Spuren allerdings in der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung hinterlassen hat 64 in die besondere Nähe zu einer das Recht beherrschenden und korrigierenden allgemeinen Billigkeit gestellt 65 . In dieser Hinsicht könnte dem Bereicherungsrecht die Funktion zugewiesen sein, z . B . die Äquivalenzverhältnisse von Austauschverträgen auf ihre „Gerechtigkeit" zu untersuchen, d.h. zu fragen, ob ein Vertrag eine „iusta causa" für eine Güterbewegung bildet. Geht man noch einen Schritt weiter, so könnte das Bereicherungsrecht als Prüfstein dafür dienen, ob die rechtliche Güterzuordnung sich in Ubereinstimmung mit den allgemeinen Grundsätzen der Gerechtigkeit befindet. Eine solche Aufgabenzuweisung würde aus der Eingriffskondiktion ein Instrument zur Förderung der Verteilungsgerechtigkeit 66 nach Maßstäben machen, die weder aus dem Gesetz noch überhaupt rechtlich begründbar wären, sondern auf politisch-ethische Grundsätze Rekurs nehmen müßten. Indes ist festzustellen, daß weder eine Überprüfung der Äquivalenz von Austauschgeschäften noch eine Uberprüfung des Gerechtigkeitsgehalts der Güterverteilung insgesamt Aufgabe der Eingriffskondiktion sein kann. Dies gilt zum einen für die Funktion der Eingriffskondiktion in Bezug auf die sog. iustitia commutativa, der ausgleichenden Gerechtigkeit 67 . Aber auch ein Rückbezug auf die Grundsätze der verteilenden Gerechtigkeit, der iustitia distributiva 68 , kann der Eingriffskondiktion nicht eine das positive Recht kontrollierende und korrigierende, auf Billigkeitsregeln verpflichtete Güterverteilungsfunktion verschaffen. Der Ausgangspunkt der ausgleichenden Gerechtigkeit ist die Gleichordnung der Rechtssubjekte. So lassen sich auf dem Gebiet des Vertragsrechts der Grundsatz pacta sunt servanda sowie das Prinzip der Äquivalenz der ausgetauschten Leistungen auf die iustitia commutativa stützen 69 . Es wäre allerdings ein grobes 64

B G H 21.12.1961, B G H Z 36,232 (234 f.); B G H 7.1.1971, B G H Z 55,128 (134) (Flugreise-

fall). 65 Siehe etwa Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, 844; vergleiche zu den Bezügen von Billigkeit und dem Recht der ungerechtfertigten Bereicherung auch Reuter/ Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 22ff.; MüKof-Zie^J, § 812, Rz. 19f.; Staudinger(Lorenz), § 818, Rz. 1. 66 Zu Begriff und Diskussionsstand der Verteilungsgerechtigkeit siehe Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 91 ff.; Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, 291 ff.; sehr kritisch v. Hayek, Recht, Gesetzgebung und Freiheit, Bd. 2: Die Illusion der sozialen Gerechtigkeit, 93 ff. 67 Siehe dazu Going, Rechtsphilosophie, 211 ff.; Kaufmann/Hassemer(-Kaufmann), Einführung in Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, 285. 68 Going, a.a. O., 213ff.; Kaufmann/Hassemer(-Kaufmann), a.a.O., 285. Die Unterscheidung zwischen der ausgleichenden und der verteilenden Gerechtigkeit geht bereits auf Artistoteles, Nikomachische Ethik, V. Buch, zurück. 69 Coing, a. a. O., 211.

§ 13 Eingriffskondiktion

und Transfers von Property

Rights

343

Mißverständnis, einen die Anwendung der Kondiktion legitimierenden Eingriff, der auf Kosten der benachteiligten Vertragspartei erfolgt, bereits darin zu sehen, daß eine Äquivalenz der gegenseitigen Leistungen nach objektiven Maßstäben in einem konkreten Vertrag nicht gegeben ist. In einer Rechtsordnung, in der die Vertragsfreiheit zu den fundamentalen Strukturmerkmalen gehört, ist es - innerhalb gewisser, vom Recht gezogener Grenzen, die z.B. durch Macht- oder Informationsungleichgewichte entstehende Defizite des Vertrages verhindern sollen - allein Sache der Parteien, ihre individuellen Nutzenpräferenzen im Hinblick auf den Gegenstand des Tausches zu koordinieren. Ob das von den Parteien gefundene Verhältnis der ausgetauschten Werte nach welchem Maßstab auch immer der Äquivalenz entspricht, ist vom Recht nicht nachzuprüfen. Es ist daher mißverständlich, wenn Going anmerkt, auf „... der Forderung nach gleichwertigen Leistungen beruht die innere Berechtigung eines Instituts, das schon verhältnismäßig früh mit dem Naturrecht in Verbindung gebracht worden ist; es handelt sich um die sogen, .ungerechtfertigte Bereicherung'" 7 0 .

Wenn es bei den Kondiktionen wirklich darum ginge, die Äquivalenz der Leistungen in Austauschverträgen sicherzustellen, so müßte ihre Aufgabe darin liegen, Maßstäbe für diese Äquivalenz zu entwickeln und die „wirksamen" Verträge darauf hin zu untersuchen, ob die Leistungen, zu denen sich die Parteien verpflichtet haben, auch gleichwertig sind. Dies kann in einer Rechtsordnung, in der die Privatautonomie der Rechtssubjekte ein grundlegendes Strukturmerkmal ist, nicht Aufgabe des Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung sein. Der Anspruch auf Eingriffskondiktion läßt sich aber insoweit mit dem Gedanken der ausgleichenden Gerechtigkeit in Verbindung bringen, als die iustitia commutativa neben der Vertragsgerechtigkeit von den Rechtssubjekten auch den Respekt vor der Person und den Gütern der anderen verlangt71. Niemand darf ein Gut, das aufgrund der Zuordnungsregeln der Rechtsordnung einem anderen zugewiesen ist, ohne die Zustimmung des Inhabers an sich bringen oder nutzen. Vorteile, die der Eingreifer durch Verstoß gegen dieses Verbot erlangt, hat er an den Berechtigten nach den Regeln über die Eingriffskondiktion herauszugeben. Verursacht er einen Schaden an den Rechten des Inhabers, so hat er diesen nach den Normen über unerlaubte Handlungen wieder gutzumachen, wobei hier der Äquivalenzgrundsatz gilt. Ebensowenig, wie die Eingriffskondiktion dazu dienen kann, die Äquivalenzverhältnisse in Austauschverträgen zwischen gleichgeordneten Rechtssubjekten nachträglich einer Kontrolle zu unterziehen, ist dieses Rechtsinstitut geeignet, Korrekturen am System der rechtlichen Güterverteilung unter Bezug auf die verteilende Gerechtigkeit vorzunehmen. 70 71

Coing, Rechtsphilosophie, 212. Coing, a. a. O., 212.

344

Kapitel II: Ökonomische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

Zusammenfassend ist festzuhalten, daß es sich bei den Ansprüchen aus Eingriffskondiktion nach §§ 812 I 1, 2. Alt. und 816 I, II BGB nicht um einen Billigkeitsausgleich handelt. Es geht nicht um eine Uberprüfung von Güterzuordnungen auf der Grundlage rechtsethischer Prinzipien. Vielmehr ist die Eingriffskondiktion - ebenso wie Leistungskondiktion und die sonstigen Nichtleistungskondiktionen - als technisches Mittel zur Korrektur rechtsgrundloser Güterbewegungen zu qualifizieren. Dabei geht die Eingriffskondiktion von einer vorgegebenen, von der Rechtsordnung fixierten Güterverteilung aus. Die Frage, ob diese Güterverteilung mit materiellen Gerechtigkeitskriterien vereinbar ist, ist nicht Gegenstand des Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung. Eine Veränderung dieser Güterzuordnung, die Bestand haben soll, unterliegt bestimmten rechtlichen Anforderungen. Ein Erfordernis besteht darin, daß zwischen den Parteien des Güteraustausches ein wirksamer Vertrag zustande gekommen ist. Aus Gründen der Rechtssicherheit läßt die Rechtsordnung die dinglichen Wirkungen einer Zuordnungsänderung auf fehlerhafter Grundlage häufig auch dann eintreten, wenn der diese Zuordnungsänderung rechtfertigende Schuldvertrag unwirksam ist (Abstraktionsprinzip). Ebenso kann aufgrund des sachenrechtlichen Gutglaubensschutzes (§§ 932 ff., 892 BGB) die Verfügung eines Nichtberechtigten über eine Sache gegenüber dem Berechtigten wirksam sein. Schließlich kann sich ein Bedürfnis nach Korrektur eines Gütertransfers auch dadurch ergeben, daß ein Nichtberechtigter sich Vorteile auf Kosten eines Rechtsinhabers verschafft, indem er dessen Recht unbefugt nutzt und damit etwas erlangt, was dem Rechtsinhaber gebührt. In allen diesen Fällen ist es die Funktion des Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung, die neu eingetretene Güterverteilung zu korrigieren, indem die alte Verteilung wieder hergestellt wird. Im Hinblick auf die hier erwähnten Funktionen des Kondiktionenrechts weist Esser mit Recht darauf hin, daß das Bereicherungsrecht im Verhältnis zu anderen Rechtsnormen des BGB kein Recht höherer Dignität darstelle 72 . Im Ergebnis ist festzustellen, daß das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung nicht ein Instrument rechtsethischer Kontrolle des „einfachen" Rechts der Güterbewegung darstellt, auch wenn die höchstrichterliche Rechtsprechung auch noch in jüngeren Judikaten gelegentlich darauf hinweist, daß Bereicherungsansprüche „in besonderem Maße" unter den Grundsätzen von Treu und Glauben stünden 73 , sondern es korrigiert Fehler bei der Güterbewegung. Solche Fehler entstehen entweder dadurch, daß der mit einer Zuwendung verfolgte Zweck nicht erreicht wird (Leistungskondiktion) oder aber durch ein Versagen des Kontraktmechanismus bei der Übertragung exklusiv zugewiesener Güter, indem der Eingreifer ohne Zustimmung des Inhabers ein fremdes Recht nutzt.

72 73

Esser, SchR II BT (4. Aufl. 1971), § 100 I 2. BGH 21 12.1961, BGHZ 36, 232 (235).

§ 1 4 Zusammenfassung: Ökonomische Grundlagen der Eingriffskondiktion Bei der Ermittlung der sachlich und systematisch richtigen Funktion der Eingriffskondiktion hat sich die ökonomische Analyse des Rechts als aufschlußreich erwiesen. Ausgangspunkt bildet die Beobachtung, daß der Zwang zum sparsamen Umgang mit Ressourcen in der menschlichen Gesellschaft durch die Knappheit von Gütern verursacht wird, die zur Bedürfnisbefriedigung zur Verfügung stehen (Knappheitsaxiom). Eine optimale Allokation solcher Ressourcen ist erforderlich, um eine individuelle und gesamtgesellschaftliche Nutzenmaximierung zu erreichen. Die Kriterien für die Beurteilung alternativer ökonomischer Zustände im Hinblick auf eine optimale Verteilung von Ressourcen ergeben sich daraus, ob Nutzenalternativen vorhanden sind, die mindestens ein Mitglied der Gesellschaft besser stellen würden, ohne ein anderes Mitglied in eine schlechtere Position zu bringen. Dieser gesellschaftliche Zustand wird als Pareto-superior bzw. Pareto-optimal bezeichnet. Wird - in der modellhaften Vorstellung der Wohlfahrtsökonomie - der Ubergang zu einem effizienteren Zustand dadurch verhindert, daß nur wenige Gesellschaftsmitglieder, die durch den Wechsel in den neuen Zustand Nachteile erleiden, dagegen votieren, so wird eine Effizienzverbesserung unterbunden. Daher haben Kaldor/Hicks das Einstimmigkeitserfordernis der paretianischen Wohlfahrtsökonomie dadurch ersetzt, daß sie den Übergang zu einem alternativen Zustand der Güterverteilung dann zulassen, wenn zwar einige dadurch Nachteile erleiden, aber eine größere Gruppe sich besser steht als zuvor. Ein solcher Übergang soll allerdings nur dann statthaft sein, wenn die Effizienzgewinne durch den neuen Verteilungszustand so ausfallen, daß diejenigen, deren Lage verbessert wird, die Gesellschaftsmitglieder entschädigen könnten, die schlechter gestellt sind. Die zur Bedürfnisbefriedigung der Gesellschaftsmitglieder erforderliche Koordination ihrer individuellen Nutzenpräferenzen findet auf Märkten statt. Jeder Verwendung einer knappen Ressource wird dabei ein Tauschvorgang vorgeschaltet. Alle auf dem Markt präsenten Interessenten drücken über die Zahlungsbereitschaft aus, welchen ökonomischen Wert die Nutzung der in Frage stehenden Ressource für sie hat. Die Nutzungsbefugnis wird - rationales Verhalten der Beteiligten unterstellt - demjenigen übertragen, der die höchste Zahlungsbereitschaft erklärt. Damit wird eine knappe Ressource an den Ort ihrer (relativ zu den Nutzenpräferenzen aller anderen Gesellschaftsmitglieder) höchsten Nutzung geleitet.

346

Kapitel II: Ökonomische

Grundlagen

der

Eingriffskondiktion

Der Austausch von Gütern auf Märkten setzt die Institutionalisierung eines Systems von ausschließlichen Handlungs-, Verfügungs- und Nutzungsrechten voraus, die in der ökonomischen Theorie Property Rights genannt werden. Property Rights weisen folgende Eigenschaften auf: - Universalität; - Allgemeinheit; - Exklusivität; - Veräußerlichkeit (außer: bei unveräußerlichen Rechten). Die Veräußerlichkeit (transferability) dient dazu, eine optimalere wirtschaftliche Nutzung der knappen Güter zu ermöglichen. Eigentums- und Verfügungsrechte werden von der Rechtsordnung einem Rechtsinhaber originär zugewiesen. Damit ist aber noch nicht gesagt, daß die optimale wirtschaftliche Nutzung auch von dem originären Rechtsinhaber vorgenommen wird. Möglicherweise kann ein anderes Rechtssubjekt das Gut in einer wirtschaftlich effizienteren, d. h. nutzenmaximierenden Weise verwenden. Dieses Rechtssubjekt wird daher versuchen, das Eigentums- und Handlungsrecht vom Rechtsinhaber zu erwerben bzw. ein Recht zur Nutzung zu erlangen. Der Nutzungswert des Eigentumsund Verfügungsrechts drückt sich in der Bereitschaft der interessierten Kreise aus, einen Preis dafür zu bezahlen. Derjenige, der die höchste Zahlungsbereitschaft für ein Gut signalisiert, führt es seiner wirtschaftlich wertvollsten Nutzung zu. Property Rights lassen sich als transferierbare, absolute Exklusivrechte beschreiben. Negativ gewendet stellen diese Rechte Nutzungs- und Verwertungsmonopole für ihren Inhaber dar, deren Verhältnis zur Freiheit des Wettbewerbs zu problematisieren ist. Die gegenständlich beschränkten Nutzungs- und Verwertungsmonopole sind - ihrer Qualität als Exklusivrechte entsprechend als Konsum- bzw. Handlungsrestriktionen für Nichtinhaber der betreffenden Rechte (bzw. Gegenstände) aufzufassen. Diese Restriktionen sind zwingende Funktionsbedingungen des Wettbewerbs auf einer dahinter liegenden Ebene. U m Wettbewerb auf der Produktionsebene zu ermöglichen, ist es notwendig, den Produzenten über ausschließliche Verfügungsrechte den wirtschaftlichen Ertrag ihrer Investitionen und ihrer Arbeit zu sichern. Der patentrechtliche Schutz von Erfindungen ermöglicht erst den Wettbewerb auf der Ebene der Innovation, der aus gesamtwirtschaftlichen Gründen erwünscht ist, weil die Erweiterung und Vermehrung des technischen Wissens für die Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft von grundlegender Bedeutung ist. Dieser Erklärungsansatz zeigt einen Weg zur Uberwindung der Antinomie von Nutzungsund Verwertungsmonopolen und den wettbewerbsrechtlichen Bemühungen um die Sicherung und Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Wettbewerbs auf. Dem Preis der Nutzungs- und Verfügungsrechte kommt eine Indikatorfunktion für deren Knappheit zu. In einem Markt, der von vollkommener Konkurrenz gekennzeichnet ist, besitzt der Preis für die Marktteilnehmer (Anbieter und Nachfrager) die Qualität eines Datums, welches von ihnen nicht beeinflußt werden kann. Anders verhält es sich, wenn der Wettbewerb nicht oder nur eingeschränkt besteht (Fälle des Marktversagens).

§ 14

Zusammenfassung

347

Coase hat nachgewiesen, daß die originäre Zuordnung von Property Rights unter den Bedingungen der vollkommenen Information und des Fehlens von Transaktionskosten im Hinblick auf das Effizienzziel unerheblich ist, weil sich über marktliche Transaktionen eine optimale Allokation der vorhandenen Property Rights einstellen wird (unter der Annahme eines eigennützig-rationalen Handelns der Marktteilnehmer). Die Bedingungen, von denen das CoaseTheorem ausgeht, sind in der Realität allerdings nie gegeben. Hohe Transaktionskosten können dazu führen, daß eine Reallokation in Richtung auf eine effizientere Nutzung eines Property Right unterbleibt. Hinzu kommt, daß das Coase-Theorem Einkommenswirkungen außer Betracht läßt, die mit der primären Allokation von Property Rights verbunden sind. Unter den Bedingungen der wirklichen Welt sollte sich die politische Körperschaft, die die originäre Zuteilung von Property Rights vornimmt, darum bemühen, diese Rechte möglichst von vornherein bei denjenigen potentiellen Rechtsinhabern zu allozieren, die davon den wirtschaftlich am höchsten bewerteten Gebrauch machen werden. Eine weitere Aufgabe des Rechts besteht darin, Regeln für die Reallokation von Property Rights zur Verfügung zu stellen. Dabei ist ein solches Arrangement juristischer Normierungen zu entwickeln, das die Transaktionskosten möglichst gering hält. Die Rechtsordnung stellt im Rahmen des Zivilrechts für diesen Zweck die Vertragsordnung zur Verfügung. Grundlegende Voraussetzung für eine Reallokation von Ressourcen, an denen Property Rights bestehen, ist, daß ein solcher Transfer ausschließlich unter der Zustimmung des Rechtsinhabers möglich ist. Diese Zustimmung wird ein wirtschaftlich rational handelnder Rechtsinhaber dann erteilen, wenn er die angebotene Gegenleistung höher bewertet als einen anderweitig zu erzielenden Preis oder den Ertrag, den er aus einer eigenen Nutzung des Gutes ziehen würde. Die Zustimmung erteilt der Rechtsinhaber, indem er einen Vertrag mit dem Erwerber des Rechts abschließt. Die Reallokation von Property Rights setzt demnach den Abschluß von Kontrakten voraus. Das einwandfreie Funktionieren eines solches Systems, dessen Ziel es ist, Güter ihrer jeweils wertvollsten wirtschaftlichen Nutzung zuzuführen und der Verschwendung von knappen Ressourcen entgegenzuwirken, ist nur bei Vorliegen gewisser Voraussetzungen gewährleistet. Neben einer entsprechenden Spezifikation der zu übertragenden Property Rights und der Abwesenheit von Umständen, die zu Marktversagen führen gehört dazu auch ein durch die Rechtsordnung ausgeübter Zwang, daß sich alle Marktteilnehmer an den Kontraktmechanismus bei der Reallokation von Property Rights halten. Die Rechtsordnung muß Vorkehrungen gegen die Erscheinung sog. „Trittbrettfahrer" (free rider) treffen. Der „erzwungene" Transfer von Property Rights unter Umgehung des Kontraktmechanismus muß vor allem aus zwei Gründen unterbunden werden: 1. Falls usurpierte Inanspruchnahmen von Property Rights in größerem Umfang ohne praktisch wirksame rechtliche Sanktionen stattfinden könnten,

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Kapitel II: Ökonomische Grundlagen der

Eingriffskondiktion

hätte dies Auswirkungen auf das System der Marktpreise. In den Marktpreis für Produkte gehen die Preise für alle Faktoren ein, die zur Herstellung eines Gutes ge- und verbraucht werden. D e r Preis eines Produkts ist im H i n b l i c k auf alternative Mittelverwendung Indikator der Knappheit eines Gutes. „ E r z w u n gene" Transfers von Ressourcen führen zu externen Effekten. D i e N u t z u n g der fremden Ressource geht nicht in die Kostenrechnung des unberechtigten N u t zers ein. D e r Preis für das solchermaßen hergestellte Produkt ist also tendenziell zu niedrig. Verzerrte Preise führen im Ergebnis zur Verschwendung von Ressourcen, da sie falsche Signale an Produzenten und Konsumenten geben. 2. D e r zu niedrige Preis führt nicht nur zu einer falschen Dimensionierung der Güterproduktion (wegen der Unkenntnis der wirklichen Kosten), sondern auch zu einer Verzerrung des Wettbewerbs. Ein wesentlicher Wettbewerbsparameter ist der Preis, mit dem konkurrierende Anbieter ihre Produkte dem Interessenten anbieten. Derjenige Anbieter, der - im Unterschied zu seinen Konkurrenten - ein Teil seiner Herstellungskosten externalisieren kann, indem er fremde Ressourcen entschädigungslos usurpiert, erlangt Wettbewerbsvorteile im Verhältnis zu seinen Konkurrenten, damit er mit geringerem Aufwand arbeitet. D i e Rechtsordnung ist daher gezwungen, die ungenehmigte Inanspruchnahme fremder Property Rights zu sanktionieren. Eine angemessene Sanktion muß (ohne Rücksicht auf ein Verschulden des Verletzers) darauf abzielen, die Wirkungen des Kontraktmechanismus wiederherzustellen. Als Ergebnis der vorangegangenen Überlegungen läßt sich im H i n b l i c k auf die F u n k t i o n des Rechtsinstituts der Eingriffskondiktion folgender Schluß ziehen: D i e allgemeine Eingriffskondiktion dient der Aufrechterhaltung des Kontraktmechanismus bei der Reallokation von Ressourcen. Eine solche Reallokation ist grundsätzlich nur mit Zustimmung des Berechtigten möglich. F ü r die Durchführung des Transfers stellt die Rechtsordnung den interessierten Parteien das Vertragsrecht zur Verfügung. Eignet sich eine Partei fremde P r o perty Rights zu, ohne den Konsens des Rechtsinhabers über einen Vertragsschluß herbeizuführen, so k o m m t der allgemeinen Eingriffskondiktion die F u n k t i o n zu, die Verletzung des Vertragsmechanismus zu sanktionieren. D i e F u n k t i o n dieses Rechtsinstituts läßt sich also dahingehend bestimmen, daß die Eingriffskondiktion als Auffangordnung hinter der Vertragsordnung diejenigen Wirkungen herbeiführen soll, die eigentlich die Vertragsordnung hätte gewährleisten sollen. Bei einem Versagen des Kontraktmechanismus soll die Eingriffskondiktion als „ Q u a s i - K o n t r a k t " nachträglich diejenigen Wirkungen herbeiführen, die ansonsten die Parteien durch Abschluß eines Vertrages bewirkt hätten. I m H i n b l i c k auf die anderen, oben erwähnten Erklärungsansätze der E i n griffskondiktion bietet diese Funktionsbestimmung, die auf der ö k o n o m i s c h e n Analyse der Aufgabe der Eingriffskondiktion im R a h m e n marktlicher Ressourcenallokation beruht, Vorteile: Sie macht deutlich, daß die Eingriffskondiktion keine auf die Bereicherung des Rechtsverletzers gerichtete Gefährdungshaftung für rechtswidriges Ver-

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Zusammenfassung

349

halten darstellt (Bereicherung als Quasi-Delikt, Rechtswidrigkeitstheorie). Ebenso w i r d deutlich, daß es nicht A u f g a b e der Eingriffskondiktion ist, ein unberechtigtes H a b e n des Rechtsverletzers zu beseitigen (Quasi-Negatoria). Im Hinblick auf den „erzwungenen Transfer" von Property Rights gewährleistet der Ansatz des Zuweisungsgehalts die zutreffende dogmatische Verschlüsselung der mit der Eingriffskondiktion verbundenen Sachfragen und damit den besten Zugang zu diesem Rechtsinstitut. Damit ist die in der heutigen Rechtspraxis ganz im Vordergrund stehende Funktion der Eingriffskondiktion in exakterer Weise umrissen, als dies durch die Bezeichnung des Rechtsgüterschutzes geschieht. In der J u d i k a t u r sind k a u m Entscheidungen nachweisbar, bei denen es u m die Herausgabe von Sachen geht, die dem Kondizienten gehören; in diesen Fällen besteht ohnehin A n s p r u c h s k o n k u r r e n z zu § 985 BGB: Durch die Wegnahme einer Sache (= Eingriff) erwirbt der Kondiktionsschuldner kein Eigentum oder anderes Besitzrecht. Die J u d i k a t u r zeichnet ein ganz anderes Bild von der Realität der Eingriffskondiktion: ganz im Vordergrund steht die unbefugte N u t z u n g von Immaterialgüterrechten und von bestimmten Persönlichkeitsrechten. Hier und nicht im Bereich von Sachen - einmal abgesehen von einigen Fällen des § 951 B G B und solchen Konstellationen, in denen der Bereicherungsgläubiger nicht Besitzer der genutzten Sache ist - liegt der praktische A n w e n d u n g s s c h w e r p u n k t der Eingriffskondiktion. Bei der N u t z u n g von Immaterialgüterrechten und sonstigen geschützten Rechten k o m m t eine gegenständliche Herausgabe des Erlangten nicht in Betracht. Erlangt ist die N u t z u n g selbst. Diese geht mit der Vornahme der N u t zungshandlung in das Vermögen des Eingreifers ein und verbleibt auch dort. Ein Wegfall der Bereicherung ( § 8 1 8 III B G B ) k o m m t insoweit nicht in Betracht. Herauszugeben ist der Wert der N u t z u n g gemäß § 818 II BGB. M i t der Funktionszuweisung als „Auffangordnung" für den Kontraktmechanismus bei unbefugter Inanspruchnahme fremder Rechte ist der A n w e n dungsbereich der Eingriffskondiktion noch nicht präjudiziert. Der enge Zusammenhang von vertraglichen Tauschvorgängen und Eingriffskondiktion läßt nicht den Schluß zu, daß immer dann, w e n n die Parteien bei ordnungsgemäßem Vorgehen einen Vertrag abgeschlossen hätten, ein Anwendungsfall der Eingriffskondiktion vorläge. Vielmehr hängt die Reichweite des Rechtsinstituts der Eingriffskondiktion davon ab, ob der Eingriff ein Gut betrifft, das von der Rechtsordnung mit einem bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt ausgestattet ist. Wie im folgenden Kapitel gezeigt wird, ist der Kreis der durch die Eingriffskondiktion geschützten Güter dementsprechend zu konturieren; eine D e k kungsgleichheit von Zuweisungsgehalt von Rechten als A n k n ü p f u n g des bereicherungsrechtlichen Schutzes einerseits und dem Kreis von werthaltigen Gütern, die durch Vertrag weiter übertragen werden, besteht nicht. Dies liegt daran, daß die Vertragsfreiheit es Parteien u n b e n o m m e n läßt, Güter, an denen

350

Kapitel II: Ökonomische Grundlagen der

Eingriffskondiktion

keine ausschließlichen R e c h t e bestehen, z . B . Ideen, Pläne, Geschäftsgeheimnisse, zum Gegenstand von Verträgen zu machen. Wenn allerdings beispielsweise ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis seinen Charakter als Geheimnis verliert, weil die Information offenkundig wird, so ist niemand daran gehindert, die betreffende Information ohne Zustimmung des „Inhabers" oder Schöpfers für seine Zwecke zu nutzen. Die Notwendigkeit zum Vertragsschluß bei solchen Positionen beruht auf der faktischen Ausschließlichkeit des G e h e i m nisses, das nur seinem Träger bekannt ist.

Kapitel III

Der Zuweisungsgehalt kondiktionsgeschützter Rechte und Rechtspositionen Legt man - wie es in dieser Untersuchung geschieht - dem Tatbestand der Eingriffskondiktion das Konzept vom Zuweisungsgehalt der Rechte als Fundament zugrunde, so stellt sich die Aufgabe, dieses Konzept, seine Funktion, seinen Inhalt und seine Elemente sowie seine Grenzen zu bestimmen. Rechtsprechung und Schrifttum untersuchen zwar vielerlei Rechte und Rechtspositionen daraufhin, ob ihnen ein bereicherungsrechtlicher Zuweisungsgehalt innewohne 1 . Zumeist wird dabei jedoch darauf verzichtet, zunächst das Konzept des Zuweisungsgehalts, seinen Inhalt und seine Grenzen unter Beachtung seiner Funktion im Tatbestand der Eingriffskondiktion und der auf dem Spiel stehenden Interessen auf einer theoretischen Ebene zu erarbeiten und das Ergebnis einer solchen Bemühung dann in einem zweiten Schritt als Maßstab an einzelne Positionen und Rechte anzulegen, um die Frage zu klären, ob sie einen Zuweisungsgehalt besitzen oder nicht und welche Grenzen der Zuweisungsgehalt eines Rechts aufweist. Der Verzicht auf dieses methodische Vorgehen und das Vertrauen auf eine „induktive" Bestimmung der Frage des Zuweisungsgehalts und seines Inhalts führt dazu, daß sich innerhalb der Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte eine gewisse Beliebigkeit hinsichtlich der Kriterien und starke Unterschiede bei der Festlegung des Kreises der Rechte mit Zuweisungsgehalt ergeben haben. Dieser Umstand führt nicht nur zu U n sicherheiten bei der Rechtsanwendung; er ist auch als Argument dafür herangezogen worden, die Eignung des Konzepts des Zuweisungsgehalts für den Zweck der Tatbestandskonkretisierung der Eingriffskondiktion nach § 8 1 2 1 1 , 2. Alt. B G B insgesamt zu leugnen 2 . U m der Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion eine sichere Grundlage zu geben, ist eine Bestimmung von Inhalt und Kriterien des 1 Siehe z.B. B G H 30.11.1976, B G H Z 68, 90ff. (Kunststoffhohlprofil I); B G H 9.3.1989, B G H Z 107, 117 ff. (Forschungskosten); v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel I, 352ff.; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 79ff.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 263 ff.; Schlechtriem, Güterschutz durch Eingriffskondiktionen, Symposium König, 63 ff.; MüKo(-Z,z'e/?J, § 812, Rz. 211 ff.; Soergel(-Miihl), § 812, Rz. 136 ff. 2 So Haines, Bereicherungsansprüche bei Warenzeichenverletzungen und unlauterem Wettbewerb, 85 mit weiteren umfangreichen Nachweisen.

352

Kapitel III: Zuweisungsgehalt

kondiktionsgeschützter

Rechte

Konzepts des Zuweisungsgehalts erforderlich. Eine solche Bestimmung kann nur dann Uberzeugungskraft entfalten, wenn sie die Funktion des Konzepts im Rahmen des Tatbestandes der Eingriffskondiktion sowie die Interessen derjenigen berücksichtigt, die an dem durch die N o r m zu regelnden Konflikt beteiligt sind.

§ 1 5 Das Konzept des Zuweisungsgehalts der Rechte in der wissenschaftlichen Diskussion Um zu einer methodisch abgesicherten Bestimmung des Zuweisungsgehaltskonzepts zu gelangen, sollen im folgenden die Entwicklung des Begriffs und die Versuche dargestellt werden, die bisher zu seiner Konkretisierung unternommen worden sind.

I. Die Entwicklung

des

Zuweisungsgedankens

Die Zuweisung von materiellen und immateriellen Gegenständen an Rechtssubjekten zu ihrer ausschließlichen Innehabung, Nutzung und Veräußerung geschieht dadurch, daß die Rechtsordnung daran subjektive Rechte zugunsten der Rechtsinhaber begründet. Es ist das Verdienst von Ph. Heck, als erster auf den Zusammenhang des Tatbestandsmerkmals „auf Kosten" des Kondizienten in § 812 1 1 , 2 . Alt. BGB und dem Zuweisungsgehalt subjektiver Rechte hingewiesen zu haben. Ihm standen die Probleme deutlich vor Augen, die die Lehre von der Vermögensverschiebung mit der Nutzung von Sachen und Immaterialgüterrechten hatte. In diesen Fällen kommt es nicht zu einer gegenständlichen Verschiebung von Vermögensbestandteilen aus dem Vermögen des Kondizienten in das Vermögen des Bereicherungsschuldners. Aus diesem Grund war die Vermögensverschiebungslehre in Fällen, in denen der Bereicherungsausgleich über die Eingriffskondiktion auch ohne gegenständliche Vermögensverschiebung gewährt werden sollte, gezwungen, durch dogmatische Kunstgriffe das Fehlen dieses Erfordernisses zu verschleiern. Dies geschah etwa dadurch, daß die Vermögensverschiebung durch ein Kausalitätserfordernis ersetzt wurde, nachdem die Be- und Entreicherung auf ein und denselben Vorgang beruhen mußte. Formal wurde nach der traditionellen Lehre jedoch am Erfordernis des Schadens beim Kondizienten festgehalten. An diesem Punkt setzt die Neubegründung des Bereicherungstatbestandes durch Heck ein. Eine „Verminderung des Vermögens" sei zur Begründung des Anspruchs aus Nichtleistungskondiktionen nicht erforderlich; es genüge, daß „Erwerbsmöglichkeiten der fraglichen Beschaffenheit allgemein dem Gläubiger zugewiesen sind, auch wenn es nicht feststeht, daß er im Einzelfalle den Erwerb gemacht haben würde" 3 . Den Verzicht auf das Schadenserfordernis 3

Heck, Schuldrecht, 421.

354

Kapitel III: Zuweisungsgehalt

kondiktionsgeschützter

Rechte

stützt Heck auf die Entstehungsgeschichte des Gesetzes, in deren Verlauf die 2. Kommission dem Wortlaut des 1. Entwurfs „aus dem Vermögen eines anderen" in „auf dessen Kosten" geändert hatte. Dies sei aber in der erklärten Absicht geschehen, den Anwendungsbereich der Kondiktion zu erweitern. Insoweit sollte der Herausgabeanspruch auf einen Erwerb, den der Kondizient nicht gemacht haben würde, nicht ausgeschlossen sein. Nach der Auffassung Hecks weist ein subjektives Recht dem Berechtigten immer denjenigen Erwerb zu, der durch Ausübung und Veräußerung erzielt werde 4 . Die Zuweisung sei explizit geregelt für den Fall des vorsätzlichen Eingriffs in fremdes Recht in § 687 II BGB; dasselbe gelte für die Fälle des „Vernichtungserwerbs" nach § 816 BGB. Gemeint ist damit der Erwerb des Nichtberechtigten unter Verlust des Rechts des Berechtigten. Beim Ausübungserwerb (= Erwerb durch Nutzungen) schlössen Sonderregelungen wie z.B. §§ 987ff. BGB die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion zum großen Teil aus. Um Sonderregelungen handele es sich auch bei den Immaterialgütergesetzen. Soweit hier die frühere Rechtsprechung einen Anspruch aus Eingriffskondiktionen völlig ausschloß wie etwa beim Patent- und Gebrauchsmusterrecht, befand Heck diese Restriktion für zu weitgehend. Der Begriff der Zuweisung, der durch Heck - soweit ersichtlich - zum ersten Mal in die bereicherungsrechtliche Diskussion eingeführt wurde, wird von ihm nicht weiter konkretisiert. Möglicherweise meinte er, eine solche Konkretisierung erübrige sich, weil der Zuweisungsgehalt sich gewissermaßen von selbst aus dem subjektiven Recht erschließe. Der Gedanke der Zuweisung des subjektiven Rechts wird von Wilburg in seiner Arbeit „Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung" aufgenommen. Dort setzt er sich insbesondere mit dem Ansatz von Schulz zur Begründung des Herausgabeanspruchs auf den Eingriffserwerb auseinander, der diesen Anspruch auf die Rechtswidrigkeit des Handelns des Rechtsverletzers stützen wollte. Diesen Ansatz lehnt Wilburg ab, weil dadurch nur die Tatbestände der ungerechtfertigten Bereicherung erfaßt werden könnten, bei denen der Erwerb durch den Bereicherten selbst herbeigeführt worden sei, nicht aber Tatbestände, in denen dieser Erwerb durch Dritte, den Gläubiger oder einen Naturvorgang verursacht worden sei5. Wilburg sieht die Funktion des Anspruchs nicht - wie Schulz - darin, Vorteile, die durch rechtswidriges Handeln erlangt wurden, gewissermaßen als strafende Reaktion wieder zu entziehen, sondern der Kern des Anspruchs liege im verkürzten Recht des Kondizienten selbst. „Nicht die außerhalb des Rechtes liegende Idee einer Vorteilsentziehung als strafende Reaktion gegen unrechtes Handeln, sondern der rein sachliche Zweck des verkürzten Rechts, bestimmte Güter und deren Nutzen dem Berechtigten zuzuweisen, scheint das Geheimnis der Ungerechtfertigtheit fremden Erwerbs zu enthalten"6. 4 5 6

Heck, Schuldrecht, 421. Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 27. Wilburg, a. a. O., 27.

5 15 Der Zuweisungsgehalt in der wissenschaftlichen

Diskussion

355

D e n Gedanken der Zuweisung - von ihm als Rechtsfortwirkung 7 bezeichnet - entwickelt Wilburg am Modell des Eigentums. D e r wirtschaftliche Z w e c k des Eigentums gehe über die bloße Sachherrschaft hinaus, die durch die actio negatoria abgesichert wird. Dieser wirtschaftliche Z w e c k des Eigentums verschaffe sich auch dann Geltung, wenn die Sache untergegangen oder mit einer anderen Sache untrennbar verbunden worden sei. Wegen der Rechtsverletzung entstehe dann ein Schadensersatzanspruch; auf G r u n d des Zuweisungsgehaltes des Eigentums erwachse dem Verletzten aber auch der Bereicherungsanspruch 8 . I m Bereicherungsanspruch setzt sich aus dieser Sicht der Eigentumszweck gegenüber demjenigen fort, der rechtsgrundlos einen Vorteil aus der Sache gezogen hat 9 . Wilburg spricht aus diesem G r u n d von der Rechtsfortwirkung 1 0 . In der Nachfolge Wilburgs - was die dogmatische Trennung von Leistungsund Eingriffskondiktionen angeht - macht v. Caemmerer das K o n z e p t des Zuweisungsgehalts zur Grundlage der „Bereicherung aus fremden G u t " 1 1 , der Eingriffskondiktion: „Richtiger sieht man die Unrechtmäßigkeit der Bereicherung also mit Wilburg darin, daß die Verwendung der Sache im Widerspruch zum Zuweisungsgehalt des Eigentums steht. Es ist das Wesen des absoluten Rechts, daß es dem Inhaber ein Gut zuweist. Auf die güterzuordnende Funktion des Eigentums und sonstiger absoluter Rechte stützt sich das Urteil über die Unrechtmäßigkeit der Bereicherung" 12 . Das K o n z e p t des Zuweisungsgehalts subjektiver Rechte hat dann zunächst im Schrifttum zunehmend Anhänger gefunden und sich schließlich dort auch durchgesetzt. D i e Rechtsprechung hat lange zwischen der ü b e r k o m m e n e n Vermögensverschiebungstheorie und der Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte geschwankt. O h n e sich explizit zu einer bestimmten dogmatischen Lehrmeinung zu bekennen, hat sie zunächst den finalen Leistungsbegriff und die Trennung von Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen akzeptiert 1 3 . Im Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion hat sie die Schranken der früheren Rechtsprechung aufgehoben, indem sie die Anwendung der Eingriffskondiktion zunächst auf das Patent- und Gebrauchsmusterrecht 1 4 und später auch auf das Warenzeichenrecht 1 5 ausdehnte. A u c h hier vermied die Rechtsprechung in den ersten Entscheidungen eine ausdrückliche Bezugnahme auf den Zuweisungsgehalt der Rechte. Dies geschah wohl, um sich eine gewisse Flexibilität bei der Neudefinition des Anwendungsbereichs von § 8 1 2 1 1 , 2 . Alt. B G B zu erhalten. 7 8 9 10 11 12 13 14 15

Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 28. Wilburg, a.a.O., 35. Wilburg, a.a.O., 35. Wilburg, a.a.O., 122. v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel I, 352 ff. v. Caemmerer, a.a.O., 352. Siehe BGH 31.10.1963, BGHZ 40, 272 ff. (Elektrogeräte). BGH 30.11.1976, BGHZ 68, 90 ff. (Kunststoffhohlprofil I). BGH 18.12.1986, BGHZ 99, 244ff. (Chanel No.5).

356

Kapitel III: Zuweisungsgehalt

kondiktionsgeschützter

Rechte

Im Vergleich zu den Immaterialgüterrechten setzte sich der A n s p r u c h aus Eingriffskondiktionen relativ frühzeitig bei der Verletzung von Persönlichkeitsrechten in der kommerziellen Werbung durch. Die Leitentscheidung dazu, der b e r ü h m t gewordene „Paul Dahlke-Fall" ist aber nicht nur von Interesse, weil die höchstrichterliche Rechtsprechung die A n w e n d u n g der Eingriffskondiktion bei der unbefugten Inanspruchnahme des Rechts am eigenen Bild akzeptiert, sondern auch wegen der Begründung dieser Entscheidung. Diese läßt nämlich eine erste - w e n n auch verdeckte - Bezugnahme auf die Z u weisungsgehaltstheorie erkennen. Mit großer Ausführlichkeit geht die Entscheidung auf die Voraussetzungen der Grundsätze der dreifachen Schadensberechnung ein u n d f ü h r t dazu aus: „Für die Möglichkeit einer Schadensberechnung nach der angemessenen Vergütung, die im Falle eines Vertragsabschlusses zu den üblichen Bedingungen zu zahlen gewesen wäre, spricht bei Verletzungen von Ausschließlichkeitsrechten ein praktisches Bedürfnis und die Billigkeitserwägung, daß niemand durch den unerlaubten Eingriff in solche Rechte besser gestellt werden soll, als er im Fall einer ordnungsgemäß erteilten Erlaubnis durch den Rechtsinhaber gestanden hätte" 16 . D a das Verschulden einer der beklagten Parteien zweifelhaft war, begründet das Gericht den Anspruch auf Zahlung einer üblichen Vergütung mit dem Anspruch aus Eingriffskondiktion nach § 812 I 1, 2. Alt. BGB. Dabei verweist der B G H - ebenso wie bei der dreifachen Schadensberechnung - darauf, daß f ü r die G e w ä h r u n g des Bereicherungsanspruchs entscheidend sei, „... daß dem Kläger die Honorierung seiner Einwilligung in die tatsächlich durchgeführte Veröffentlichung, die er auf Grund seines Rechtes am eigenen Bild hätte verlangen können, vorenthalten worden ist"17. D e r Bereicherungsanspruch solle nicht eine Vermögensminderung beim Verletzten, sondern eine grundlose M e h r u n g des Vermögens des Verletzers ausgleichen. Darin liegt eine deutliche A b k e h r von der bis dahin herrschenden Vermögensverschiebungstheorie, die einen Schaden des Kondizienten zur Voraussetzung der Eingriffskondiktion machte 1 8 . Zugleich werden sowohl Schadensersatz- wie auch Bereicherungsanspruch damit begründet, daß dem Verletzten allein die Befugnis darüber zustehe, ob er sein F o t o f ü r Werbezwecke zur Verfügung stellen wolle u n d daß er f ü r die Erteilung der Erlaubnis ein Entgelt verlangen könne, welches ihm durch das eigenmächtige Vorgehen des Beklagten entgangen sei. Einen ausdrücklichen Bezug zur Zuweisungsgehaltstheorie vermeidet der B G H allerdings.

16

B G H 8.5.1956, B G H Z 20, 345 (353) (Paul Dahlke). B G H 8.5.1956, B G H Z 20, 345 (355) (Paul Dahlke); ebenso B G H 26.6.1981, B G H Z 81, 75 ff. (Carrera) hinsichtlich der unbefugten Nutzung eines Namens für Werbezwecke. 18 Siehe dazu oben § 3 VI. 2. 17

§

Der Zuweisungsgebalt

in der wissenschaftlichen

Diskussion

357

D e u t l i c h e r w i r d die H i n w e n d u n g z u r Z u w e i s u n g s g e h a l t s t h e o r i e bereits in d e r E n t s c h e i d u n g K u n s t s t o f f h o h l p r o f i l I, in d e r der B G H d e r E i n g r i f f s b e r e i c h e r u n g s h a f t u n g des P a t e n t v e r l e t z e r s z u m D u r c h b r u c h verhalf 1 9 . I n d e r E n t s c h e i d u n g f ü h r t das G e r i c h t u . a . aus: „Das Patent- und Gebrauchsmusterrecht weist die gewerbliche Nutzung allein dem Schutzrechtsinhaber z u " 2 0 . U n m i ß v e r s t ä n d l i c h ü b e r n i m m t die h ö c h s t r i c h t e r l i c h e R e c h t s p r e c h u n g d e n A n s a t z des Z u w e i s u n g s g e h a l t s als K e r n des A n s p r u c h s aus E i n g r i f f s k o n d i k t i o n e n in d e r E n t s c h e i d u n g K u n s t s t o f f h o h l p r o f i l I I 2 1 , w o es u . a . h e i ß t : „Rechtlicher Anknüpfungspunkt für die Bereicherungshaftung bei Schutzrechtsverletzungen ist - wie bei allen Eingriffskondiktionen - die von der Rechtsordnung mißbilligte Verletzung einer solchen Rechtsposition, die nach dem Willen der Rechtsordnung einem Berechtigten zu dessen ausschließlicher Verfügung zugewiesen ist. D e r Zuweisungsgehalt der Rechtsposition ersetzt demnach bei der Eingriffskondiktion das bei der Leistungskondiktion bestehende Erfordernis, daß das Erlangte aus einer Leistung des Bereicherungsgläubigers stammen müsse. N a c h dem Grundsatz der Güterzuweisung soll der Verletzer herausgeben, was er durch rechtswidrigen Einbruch in eine fremde, geschützte Rechtssphäre erzielt hat" 2 2 . B e s t ä t i g t w i r d die A n e r k e n n u n g z u w e i s u n g s g e h a l t s g e s c h ü t z t e r R e c h t s p o s i t i o n e n in d e m F o r s c h u n g s k o s t e n - U r t e i l 2 3 des B G H , w o es w i e folgt h e i ß t : „Eine Bereicherungshaftung ,in sonstiger Weise' setzt nur ein, wenn der erlangte Vermögensvorteil dem Zuweisungsgehalt des verletzten Rechtsguts widerspricht" 2 4 . S e i t d e m w i r d in d e r R e c h t s p r e c h u n g des B G H u n d der u n t e r e n G e r i c h t e z u r B e g r ü n d u n g des A n s p r u c h s aus E i n g r i f f s k o n d i k t i o n n a c h § 8 1 2 I 1, 2. A l t . B G B o f f e n auf die L e h r e v o m Z u w e i s u n g s g e h a l t der s u b j e k t i v e n R e c h t e u n d schützenswerten Rechtspositionen Bezug genommen25.

B G H 30.11.1976, B G H Z 68, 90ff. B G H 30.11.1976, B G H Z 68, 99. 21 B G H 24.11.1981, B G H Z 82, 299ff. 22 B G H 24.11.1984, B G H Z 82, 306. 23 B G H 9.3.1989, B G H Z 107, 117ff. 24 B G H 9.3.1989, B G H Z 107, 120. 25 Siehe z.B. B G H 30.1.1987, B G H Z 99, 385ff. (Auflassungsvormerkung); B G H 18.12. 1986, B G H Z 99, 244 ff. (Chanel No.5), unbefugte Nutzung eines fremden Warenzeichens; B G H 23.2.1995, B G H Z 129, 66ff. (Berliner Mauer-Bilder), Eingriff in das urheberrechtlich geschützte Verbreitungsrecht; O L G Hamburg 30.4.1993, AfP 1994,161 f. (Segelyacht), Fotografie als Eigentumseingriff; O L G München 6.6.1997, BB 1997, 1971 f. (Blauer Engel), kein Zuweisungsgehalt des sogenannten postmortalen Persönlichkeitsrechts; B G H 14.4.1992, NJW 1992, 2084 f. (Fernsehmoderator), Eingriff in das Recht am eigenen Bild; B G H 14.10.1986, NJW-RR 1987, 231 f. (Nena I), Eingriff in das Recht am eigenen Bild; B G H 31.10.1986, N J W 1987, 771 f. (Lebenslanges Wohnrecht), kein Zuweisungsgehalt eines vertraglichen Anspruchs auf Nutzungsüberlassung. 19

20

358

Kapitel III: Zuweisungsgehalt

II. Die Bestimmung

kondiktionsgeschützter

Rechte

des Kreises der zuweisungsgebaltsfähigen Positionen im Uberblick

Eine wesentliche Funktion des Zuweisungsgehalts subjektiver Rechte und vergleichbarer Rechtspositionen ist die Bestimmung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktionen nach § 812 11, 2. Alt. BGB. Oben wurde bereits darauf hingewiesen, daß erhebliche Unterschiede zwischen den Vertretern der Zuweisungsgehaltstheorie hinsichtlich der Festlegung des Kreises derjenigen Rechtspositionen bestehen, die Zuweisungsgehalt aufweisen. An diesen Umstand knüpft ein Haupteinwand der Gegner der Zuweisungsgehaltstheorie an: u.a. wegen der Uneinheitlichkeit des Ergebnisses bei der Festlegung der Positionen mit Zuweisungsgehalt lehnen sie diesen Ansatz zur Bestimmung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion insgesamt ab26. Im folgenden sollen die Divergenzen, die sich bei den unterschiedlichen Varianten der Zuweisungsgehaltslehre in Bezug auf die Bestimmung des Kreises der Rechtspositionen mit Zuweisungsgehalt ergeben, exemplarisch aufgezeigt werden.

1. Enge Grenzziehung

bei der Festlegung des der Eingriffskondiktion

Anwendungsbereichs

Eine Richtung der Zuweisungsgehaltslehre verficht eine enge Abgrenzung des Kreises der durch die Eingriffskondiktion geschützten Rechtspositionen. Diese Auffassung stellt die absoluten subjektiven Rechte, die sogenannten Herrschaftsrechte, in den Mittelpunkt der Bestimmung des bereicherungsrechtlichen Zuweisungsgehalts. An erster Stelle unter diesen Vertretern ist v. Caemmerer, einer der Begründer der Zuweisungsgehaltslehre, zu nennen. In seiner Herausarbeitung der Tatbestände der ungerechtfertigten Bereicherung faßt er die Anwendungsfälle der Eingriffskondiktion unter der Bezeichnung „Bereicherung" aus fremden Gut zusammen27. Den Grund der Eingriffskondiktion sieht er in der Verwendung von Sachen und Gegenständen im Widerspruch zum Zuweisungsgehalt des verletzten Rechts 28 . Gewissermaßen als Modell der absoluten subjektiven Rechte, die Zuweisungsgehalt aufweisen, stellt v. Caemmerer das Eigentum an Sachen dar. Darüber hinaus erkennt er aber auch den gesetzlich institutionalisierten Immaterialgüterrechten einen 26 Siehe etwa Haines, Bereicherungsansprüche bei Warenzeichenverletzungen und unlauterem Wettbewerb, 84 ff.; Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung, 103 ff.; Knieper, Das Recht der Kondiktionen: Vergebliche Versuche, Bereicherung zu rechtfertigen, Krit. J 1980, 117ff., (120ff.); ders., Moderne Bereicherungslehren, BB 1991, 1578ff. (1981). 27 v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel I, 352. 28 v. Caemmerer, a. a. O., 353.

§ 15 Der Zuweisungsgehalt

in der wissenschaftlichen

Diskussion

359

bereicherungsrelevanten Zuweisungsgehalt zu 29 ; der Schutz der Eingriffskondiktion bestehe auch hinsichtlich der Forderungszuständigkeit30. Demgegenüber lehnt er Ansprüche aus Eingriffsbereicherung wegen der Verletzung deliktisch geschützter Positionen, die nicht zu einem absoluten subjektiven Recht verdichtet sind, ab31. Insbesondere wird der Zuweisungsgehalt bei der Verletzung von Vorschriften des UWG 3 2 verneint. Eine nähere Erklärung, warum nur absoluten subjektiven Rechten ein bereicherungsrechtlich relevanter Zuweisungsgehalt innewohne, liefert v. Caemmerer nicht. Die Anwendung der Eingriffskondiktion bei der Verletzung dieser Rechte scheint keiner näheren Begründung zu bedürfen, sondern ergibt sich evident aus der Funktion solcher Rechte: „Das eigentliche Problem in der hier erörterten Fallgruppe (d.i. die Eingriffskondiktion, R.E.) der ungerechtfertigten Bereicherung ist, welche Rechte in solcher Weise zu schützen sind. Das ist ein Problem der Interessenabwägung. Man hat zu prüfen, ob die Rechtsordnung den Inhaber einer Rechtsposition ein Monopol ab dem betreffenden materiellen oder immateriellen Gut sichern wollte"33. Aus dem Verwertungsmonopol, das dem Berechtigten an dem Gegenstand der Berechtigung durch die Rechtsordnung eingeräumt wird, ergibt sich für v. Caemmerer zwingend, daß die vom Inhaber der Position nicht konsentierte Nutzung (im weitesten Sinne) durch einen Dritten mittels eines Anspruchs aus Eingriffskondiktion auszugleichen ist. Sieht man zutreffenderweise den Sinn solcher Rechte in der Einräumung exklusiver, gegenüber Dritten abgesicherter Nutzungsbefugnisse für den Rechtsinhaber, so erscheint eine Sanktionierung der unbefugten Nutzung durch einen Rechtsverletzer - auch ohne Verschulden des Eingreifers - zwingend. Allerdings wird nicht deutlich, warum die Rechtsordnung Rechte dieser Art für bestimmte Gegenstände begründet, während sie andere Gegenstände gerade nicht durch exklusive Berechtigung dem Zugriff beliebiger Dritter entzieht. Die (im Kern ökonomischen) Gründe für die Institutionalisierung exklusiver Handlungs-, Verfügungs- und Nutzungsberechtigungen bilden die Grundlage einer angemessenen Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion im Rahmen der Zuweisungsgehaltslehre. Auf diesen Aspekt geht v. Caemmerer indes nicht näher ein. Er wendet sich zwar dezidiert gegen die Auffassung, daß der Rechtsschutz über das Deliktsrecht und den Unterlassungsanspruch zu der Annahme eines subjektiven Rechts führen könne. „Schließlich erscheint es nach wie vor nicht empfehlenswert, den Kreis der subjektiven Privatrechte soweit auszudehnen, daß man von einem Recht, nicht betrogen oder erpreßt oder sittenwidrig geschädigt zu werden, oder von Rechten auf lauteres Verv. Caemmerer, v. Caemmerer, 31 v. Caemmerer, 32 v. Caemmerer, 33 v. Caemmerer, merer, Gesammelte 29 30

Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel I, 354. a. a. O., 355. a.a.O., 396ff. a.a.O., 397. Grundprobleme des Bereicherungsrechts, in: Leser (Hrsg.), E. v. CaemSchriften, 382.

360

Kapitel III: Zuweisungsgehalt

kondiktionsgeschützter

Rechte

halten der Konkurrenten im Wettbewerb sprechen müßte. Es ist durchaus sinnvoll anzunehmen, daß Güter und Interessen durch Schadensersatzansprüche und Abwehrklage gegen rechtswidriges Verhalten geschützt sind, ohne daß man deshalb von subjektiven Rechten sprechen müßte. Nicht schon die Tatsache allein, daß Rechtsschutz gewährt wird, der von der Initiative des Betroffenen abhängt, sollte Anlaß geben, ein subjektives Recht anzunehmen. Der Kern des subjektiven Rechts liegt in der Zuweisung von Gütern, in der Zuweisung eines dem Einzelnen zugehörigen Interessenbereichs. Hier hat das subjektive Recht seinen Schwerpunkt. Der Rechtsschutz gegen Eingriffe Dritter hat demgegenüber dienende Funktion"34. E. v. Caemmerer unterläßt es aber, über diese Andeutungen hinaus ein rechtsdogmatisch oder ökonomisch unterfüttertes Konzept für die Abgrenzung des Kreises von Rechten zu entwickeln, die durch die Eingriffskondiktion geschützt werden. Zu einer ähnlich engen Bestimmung des Kreises von zuweisungsgehaltsfähigen subjektiven Rechten gelangen Mestmäcker35 und Raiser36, und dies mit weitergehender Begründung als v. Caemmerer. Auch Mestmäcker beschränkt den Zuweisungsgehalt auf absolute subjektive Rechte; so bestehe kein Zweifel daran, daß das Eigentum, das Patent- und das Urheberrecht bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt aufwiesen, weil sie ihren Inhabern die ausschließliche gewerbliche Nutzung der betreffenden Gegenstände auch insoweit vorbehielten, als die Inhaber diese Rechte gegen Entgelt anderen zur Nutzung insgesamt oder in Teilaspekten überlassen könnten37. Dies gilt nach Mestmäckers Auffassung hingegen nicht für das Warenzeichenrecht, den Kennzeichnungsschutz nach §§ 24, 25 WZG (Ausstattung), die Firma und den Namen38. Das Warenzeichen habe nicht die Funktion, andere Gewerbetreibende von dem Marktsegment auszuschließen, auf dem sich der Warenzeicheninhaber betätige. Seine Aufgabe sei es, den redlichen Geschäftsbetrieb vor den Gefahren zu schützen, die sich aus dem unzulässigen Gebrauch des Warenzeichens durch Konkurrenten und der dadurch hervorgerufenen Herkunftstäuschung in Bezug auf die ausgezeichneten Waren ergeben39. Dogmatisch konsequent sei das Warenzeichen vom Gesetz nicht als selbständiges Genußgut, sondern als ein mit der Kraft des absoluten Rechts ausgestatteter Kennzeichnungsschutz ausgestaltet worden. So sei die Übertragung des Warenzeichens nach § 81 WZG nur in Verbindung mit der Übertragung des Unternehmens möglich40. 34 v. Caemmerer, Wandlungen des Deliktsrechts, 100 Jahre deutsches Rechtsleben, FS zum 100jährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, 1860/1960, 49 ff. (55). 35 Mestmäcker, Eingriffserwerb und Rechtsverletzung in der ungerechtfertigten Bereicherung, J Z 1958, 521 (523 ff.). 36 Raiser, Der Stand der Lehre vom subjektiven Recht im Deutschen Zivilrecht, J Z 1961, 465 (466 ff.). 37 Mestmäcker, Eingriffserwerb und Rechtsverletzung in der ungerechtfertigten Bereicherung, J Z 1958, 524. 38 Mestmäcker, a. a. O., 525. 39 Mestmäcker, a. a. O., 525. 40 Mestmäcker, a. a. O., 525.

§ 15 Der Zuweisungsgehalt

in der wissenschaftlichen

Diskussion

361

Eines Zuweisungsgehalts entbehre auch das Recht am eigenen Bild als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Aus der in § 22 K U G vorgesehenen Möglichkeit, auch gegen Entgelt in die Verletzung des Rechts am eigenen Bild einzuwilligen, folge noch kein bereicherungsrechtlich relevanter Zuweisungsgehalt. Persönlichkeitsrechte seien keine Immaterialgüterrechte und dienten auch dann nicht Zwecken der Güterzuordnung, wenn sie - wie das Recht am eigenen Bild - vermögensrechtliche Bezüge aufwiesen 41 . Ebensowenig erkennt Mestmäcker - wenn auch mit anderer Begründung einen Zuweisungsgehalt des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb an. Diesem Recht, das als „sonstiges Recht" nach § 823 I B G B geschützt ist, soweit es sich um bestimmte Eingriffe in den Bestand des Unternehmens handelt, kommt nach der Meinung Mestmäckers deshalb kein Zuweisungsgehalt zu, weil dem Unternehmen durch die Rechtsordnung keine festen Erwerbschancen zugewiesen seien. Diese Chancen, die am Markt zu realisieren sind, ständen allen Konkurrenten gleichermaßen offen; über ihre Realisierung entscheide der Wettbewerbsprozeß. „Eine Rechtsordnung, die ihren Subjekten die Freiheit gewerblicher Betätigung gewährt, kann ihnen nicht gleichzeitig einen Tätigkeitsbereich mit festen Chancen und Erwerbserwartungen durch ein absolutes Recht zuweisen"42. Zusammenfassend bleibt festzustellen, daß Mestmäcker den Kreis der eingriffskondiktionsgeschützten Rechtspositionen sehr eng zieht, indem er einen bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt nur den absoluten subjektiven (Herrschafts-)Rechten zuerkennt, die ihren Inhabern eine dem Sacheigentum vergleichbare Handlungs- und Verfügungsbefugnis über die jeweiligen Bezugsgegenstände der Berechtigung gewährt. Schärfer als die anderen Stimmen in der Literatur, die sich mit der Reichweite der Eingriffskondiktion befassen, hebt Mestmäcker das Spannungsverhältnis zwischen absolut zugewiesenen Handlungs- und Verfügungsrechten, die alle Nichtinhaber von der Innehabung, der Verfügung und der Nutzung in Bezug auf den Gegenstand des Rechts ausschließen, und der Handlungsfreiheit der Konkurrenten hervor, deren Schutz zum Funktionieren des wirtschaftlichen Wettbewerbs unerläßlich ist. Der Wettbewerb bedarf, um seine Koordinierungs- und Allokationsfunktionen erfüllen zu können, einer möglichst weitgehenden Freiheit der Marktteilnehmer, im Wettbewerb zu handeln. Anbieter müssen - ohne von der Rechtsordnung oder unlauterem Handeln ihrer Mitbewerber daran gehindert zu werden - ihre Produkte auf den jeweiligen Märkten den Nachfragern anbieten können, auch wenn die Waren identisch sind (Problem der Nachahmung). U m die Nachfrager zu einem Vertragsschluß mit ihnen zu bewegen, müssen sie auf sämtliche Wettbewerbsparameter zurückgreifen können (Preis, Qualität, Werbung, Kundendienst, etc.). Hinter der 41 Mestmäcker, Eingriffserwerb und Rechtsverletzung in der ungerechtfertigten Bereicherung, J Z 1958, 525. 42 Mestmäcker, a. a. O., 526.

362

Kapitel III: Zuweisungsgehalt

kondiktionsgeschützter

Rechte

zurückhaltenden Bestimmung des Kreises der Rechte mit Zuweisungsgehalt steht die (berechtigte) Befürchtung, daß eine übermäßige Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion zu einer nicht gerechtfertigten Hintansetzung der Interessen des Rechtsverletzers an der Freiheit seiner gewerblichen Tätigkeit führen könnte. „Das Interesse des Eingreifers an freier gewerblicher Betätigung ist von prinzipiell gleichem Rang wie das des Rechtsinhabers" 4 3 .

Ob damit der Interessenkonflikt zwischen dem Inhaber ausschließlicher Handlungs-, Verfügungs- und Nutzungsrechte und dem Nichtinhaber, der aber an der Nutzung der Rechte interessiert ist, zutreffend erfaßt ist, wird noch weiter unten Gegenstand der Erörterung sein. Beachtliche Unterstützung hat Mestmäckers eher restriktive Bestimmung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion durch Raiser** erfahren. Kaiser befaßt sich in erster Linie mit der allgemeinen Frage von Funktion, Grenzen und Weiterentwicklung absoluter subjektiver Rechte, der sogenannten Herrschaftsrechte, in der Privatrechtsordnung. Darunter versteht er absolute subjektive Rechte, deren gemeinsames Merkmal darin bestehe, „... daß sie eine herrschaftliche Beziehung einer Person zu einem außerhalb ihrer gegebenen, werthaften Objekt, einem sogenannten Rechtsgut ,.." 4 5 .

herstellten. Die Zuweisung privaten Habens und Nutzens sei mehr als ein rechtsdogmatischer Kunstgriff; Aufgabe solcher Positionen sei die Absicherung der Selbstbehauptung und Autonomie des Individuums gegenüber einer unbegrenzten Inanspruchnahme durch Staat und Gesellschaft 46 . Die wesentliche Aufgabe der Rechtsordnung besteht nun für Raiser darin, eine angemessene Balance zwischen der Zuteilung von Gütern zum exklusiven Haben und Nutzen einerseits und den Funktionsbedingungen einer auf dem Grundsatz der Handlungsfreiheit beruhenden Wettbewerbsordnung zu finden, die die Bedürfnisse derjenigen reflektiert, die ihre Kräfte entfalten wollen, um ihre Chance auf wirtschaftlichem Gewinn zu suchen. Dieser Interessenkonflikt schließt eine unbegrenzte Unterwerfung neu entstehender, wertvoller (weil knapper) Gegenstände (vor allem immaterieller Natur) unter Ausschließlichkeitsrechte aus. In diesem Rahmen erkennt Raiser das Urheber- und Patentrecht als Herrschaftsrechte an, die auch durch die Eingriffskondiktion geschützt sind. Wie schon Mestmäcker weist er auf das Spannungsverhältnis zwischen absolut gegen Dritteingriffe geschützten Herrschaftsrechten und dem freien Wettbewerb hin. 43 Mestmäcker, Eingriffserwerb und Rechtsverletzung in der ungerechtfertigten Bereicherung, JZ 1958, 522. 44 Raiser, Der Stand der Lehre vom subjektiven Recht im Deutschen Zivilrecht, JZ 1961, 465 ff. 45 Raiser, a. a. O., 467. 46 Raiser, a. a. O., 467.

^ IS Der Zuweisungsgebalt

in der wissenschaftlichen

Diskussion

363

„Indessen m u ß hier an die rechtspolitischen Gefahren der Monopolisierung solcher G ü t e r erinnert werden. Sie sind besonders groß im wirtschaftlichen Bereich. G e schichtlich alte Beispiele solcher Monopolisierung aus einer Zeit, der der Begriff des Immaterialgutes noch fern lag, sind die privatrechtlich aufgefaßten Regalien, Privilegien, Konzessionen und sonstigen M o n o p o l r e c h t e , durch die dem Berechtigten ein bestimmter Tätigkeitsbereich zwar nicht zum H a b e n , aber zur ausschließlichen Betätigung und N u t z u n g zugewiesen wurde. . . . " 4 7 .

Die Gewährung eines Herrschaftsrechts setzt voraus, daß ein Tätigkeitsbereich, der räumlich, sachlich oder nach anderen Merkmalen (außerhalb der Person des Rechtsinhabers) abgegrenzt ist, dem Rechtsinhaber zu ausschließlichem Nutzen und Haben zugeordnet wird 48 . Die Koordination der Bedürfnisse der Rechtsgenossen nach dem Prinzip des Wettbewerbs schließt es nach Raisers Auffassung zwingend aus, einem Marktteilnehmer einen Sektor des Marktes als festen Tätigkeitsbereich zuzuweisen. Weil dies so sei, weise das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb keinen Zuweisungsgehalt auf. Verneint wird auch der Zuweisungsgehalt von Warenzeichenrecht und sonstigen rechtlich geschützten Unternehmenskennzeichen. Es handele sich dabei nicht um echte Herrschaftsrechte, die dem Rechtsinhaber einerseits einen Tätigkeitsbereich exklusiv zuwiesen und andererseits alle anderen von diesem vorbehaltenen Bereich ausschlössen; der Inhalt des Warenzeichenrechts, des Firmenrechts und des Rechts am gewerblichen Namen umfaßten nicht das positive Nutzen und Haben eines Gutes, sondern richteten sich nur auf den Ausschluß Dritter von der Nutzung dieser Rechtspositionen (negative Herrschaftsrechte) 49 . Kritisch äußert sich Raiser auch zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht 50 . Ihm mangele es am Zuweisungsgehalt, weil es bei ihm um die Achtung der Ehre, des Rufes und der Privatssphäre von Personen gehe und nicht um die Zuweisung außerhalb der Person existierender Gegenstände zum ausschließlichen Haben und Nutzen 5 1 . Abschließend sei angemerkt, daß Raiser seine Zurückhaltung gegenüber der „allzu freigiebigen Verwendung der Denkform des subjektiven Rechts" 5 2 nicht nur aus dem Spannungsverhältnis von rechtlich abgesicherter Monopolstellung und Freiheit des Wettbewerbs herleitet, sondern einen wesentlich darüber hinausgehenden Gesichtspunkt in seine Kritik einfließen läßt. Dieser richtet sich darauf, daß bei der Diskussion darüber, welchen Positionen der Rang von ausschließlichen subjektiven Rechten einzuräumen sei, es immer nur um die Abgrenzung der Befugnisse des Rechtsinhabers gehe, nicht aber um seine

47

Raiser, Der Stand der Lehre vom subjektiven Recht im Deutschen Zivilrecht, J Z 1961,

468. 48 49 50 51 52

Raiser, Raiser, Raiser, Raiser, Raiser,

a.a.O., 469. a.a.O.,468. a.a.O., 470. a.a.O., 471. a.a.O., 472.

364

Kapitel III: Zuweisungsgebalt

kondiktionsgeschützter

Rechte

Pflichten 53 . Dieser Aspekt sei aber auch beim subjektiven Recht mitzubedenken. Wenn dies unterbleibe, verfehle man die Konsequenzen und notwendigen Beschränkungen, die sich für das Konzept des subjektiven Rechts aus der Gesellschaftsgebundenheit jedes Individuums ergäben.

2. Weiter Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion der Zuweisungsgehaltslehre

im

Rahmen

Auf der anderen Seite des Spektrums stehen diejenigen Autoren, die - auf der Grundlage der Theorie vom Zuweisungsgehalt der'Rechte - den Kreis der Rechte mit Zuweisungsgehalt und damit den Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion sehr weit ziehen. Die vorangehenden Bemerkungen zur engen Abgrenzung des Kreises der Rechte mit Zuweisungsgehalt haben bereits gezeigt, daß die bereicherungsrechtlich relevante Zuweisungsgehaltsqualität der klassischen absolut geschützten Herrschaftsrechte des Sachenrechts (Eigentum und davon abgeleitete Rechte) sowie - jedenfalls heute - der Immaterialgüterrechte (Urheber-, Patent-, Geschmacksmuster-, Gebrauchsmusterrecht etc.) außer Streit steht. Ausgeprägte Meinungsunterschiede bestehen hinsichtlich des eingriffsbereicherungsrechtlichen Schutzes von Positionen, die durch UWG-Normen geschützt sind, des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sowie des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Im Unterschied zu den unter I. genannten Auffassungen bejaht eine Gruppe von Autoren den Schutz solcher Positionen durch die Eingriffsbereicherung. Beispielhaft für eine sehr weite Festlegung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion kann auf Wilburg, einen der Begründer der Lehre vom Zuweisungsgehalt, verwiesen werden. Er hielt, seiner Zeit erheblich voraus, die Eingriffskondiktion nicht nur bei Verletzungen der Immaterialgüterrechte für anwendbar, sondern auch bei der Verletzung bestimmter Güter der Persönlichkeit. Dazu zählt er Arbeitskraft, Name, Firma und das Recht am eigenen Bild 54 . Aber Wilburg dehnt die Grenzen des Bereicherungsanspruchs weit über die genannten Rechtspositionen hinaus aus: die Eingriffskondiktion sei nicht nur bei der Verletzung von subjektiven Rechten gegeben, die ihren Inhabern den exklusiven Genuß des betreffenden Rechtsobjekts einräumen, sondern auch bei der Verletzung anderer Rechtssätze, die das Vermögen des Kondizienten schützten. Der Unterschied bei der Grundlage der Eingriffskondiktion bestehe darin, daß bei der Verletzung subjektiver Rechte ein Bereicherungsanspruch entstehen kann, ohne daß der Rechtsverletzer rechtswidrig handele. Bei den „vermögensschützenden" Rechtssätzen setze der Bereicherungsanspruch - anders als bei dem Eingriff in 53 54

Raiser, a . a . O . , J Z 1961, 473. Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 43.

§ 15 Der Zuweisungsgehalt

in der wissenschaftlichen

Diskussion

365

absolute subjektive Rechte - die Rechtswidrigkeit des Handelns des Eingreifers voraus 55 . Als wichtigstes Beispiel für vermögensschützende Rechtssätze nennt Wilburg die Normen des Wettbewerbsrechts, wie sie im UWG niedergelegt sind. So sei die Eingriffskondiktion bei der Verletzung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen oder irreführender Werbung ebenso gegeben wie bei sklavischer Nachahmung 56 . Allerdings zieht Wilburg dem Anspruch aus Eingriffsbereicherung im Bereich des UWG eine Grenze: allein aus der Inanspruchnahme von kommerziell verwertbaren, mit Mühe und Kosten errungener Arbeitsergebnisse durch Konkurrenten könne kein Anspruch aus Eingriffskondiktion hergeleitet werden, wenn auch die Tendenz der damaligen Rechtswissenschaft dahinging, solche Nachahmung insgesamt für sittenwidrig und damit verboten zu halten 57 . „Dies strebt der Schaffung neuer ausschließlicher Rechte zu, darf aber nicht dazu führen, daß über die gesetzlich festgelegten Voraussetzungen des Immaterialgüterrechts jeder Einfall, jede gelungene Maßnahme zum Privileg werde" 58 .

Allerdings tritt bei der Ausdehnung der Eingriffskondiktion auf die UWGNormen ein gewisser Widerspruch auf, der von Wilburg nicht aufgelöst wird. Grundlage des Anspruchs aus Eingriffskondiktion ist die Fortwirkung des verletzten Rechts. Wenn auch das Recht bzw. das geschützte Rechtsobjekt untergegangen oder an einen anderen übergegangen ist, so wirke das verlorengegangene Recht in der Bereicherungsklage fort 59 . Die Rechtswirkung spiegele nichts anderes wider als den sachlichen Zweck des Rechts: nämlich die Zuweisung bestimmter Güter und deren Nutzen an den Berechtigten. Soll sich ein Anspruch aus Eingriffskondiktion nun - wie von Wilburg postuliert - nicht nur aus subjektiven Rechten ergeben, sondern auch aus anderen Rechtssätzen, die das Vermögen schützen, so müßten diese Rechtssätze dem Begünstigten bestimmte Güter und deren Nutzen zuweisen, auf Grund derer eine Rechtsfortwirkung im Fall der Verletzung der Norm überhaupt erst denkbar wird. Genau diesen Nachweis bleibt Wilburg - etwa in bezug auf die Normen des UWG - schuldig, indem er nicht deutlich macht, welches Gut und welcher Nutzen dem Begünstigten einer UWG-Norm zum ausschließlichen Gebrauch zugewiesen ist. Aber auch in der zeitgenössischen Literatur zum Bereicherungsrecht wird nicht selten eine weitere Abgrenzung des Kreises der zuweisungsgehaltsfähigen Rechte vertreten. Nur beispielhaft sei auf Lorenz verwiesen, der den Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion auf „individualschützende" Normen des Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 44. Wilburg, a.a.O., 44f. 57 Siehe RG 11.7.1925, RGZ 111, 254 (Käthe-Kruse-Puppen). Die Kritik dieser Entscheidung durch die Literatur führte nach kurzer Zeit bereits zur Korrektur, siehe RG 31.1.1928, RGZ 120, 94 (96 f.) (Huthaken). 58 Wilburg, a.a.O., 45. 59 Wilburg, a. a. O., 28. 55 56

366

Kapitel III: Zuweisungsgehalt

kondiktionsgeschützter

Rechte

U W G ausdehnt60. Dazu zählt er Rechtspositionen, die aus § 1 U W G entwikkelt worden sind, wie etwa gezielter Kundenfang, sklavische Nachahmung, herabsetzende Werbung61. Darüber hinaus billigt er auch die Anwendung der Eingriffskondiktion bei Verletzung bestimmter Teilaspekte des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb 62 . Die von Wilburg verwandte Methodik der Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion wird von Canaris aufgegriffen und akzentuiert. Nach Canaris wird der Kreis der zuweisungsgehaltsfähigen Güter durch den Umfang des Deliktsschutzes bestimmt. Das Recht der unerlaubten Handlungen enthalte in §§ 823 I, 823 II, 826 B G B ein ausdifferenziertes Regelungsprogramm zu der Frage, ob und inwieweit ein Gut einer bestimmten Person zugewiesen sei63. Diese Grundlage ermöglicht einen sehr weit gefaßten Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion. Zugleich wird ein fast völliger Gleichlauf der Eingriffskondiktion mit dem Deliktsrecht erreicht. Im Bereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts seien zumindest das Recht am eigenen Bild und der Name gegenüber der unbefugten Verwendung zu Werbezwecken eingriffsbereicherungsrechtlich geschützt 64 . Positionen, die durch die Normen des U W G geschaffen werden, können nach dieser Auffassung ebenfalls Grundlage des Anspruchs aus Eingriffskondiktion sein. Dies gelte für die Fälle der verbotenen Nachahmung, des Geheimnisverrats, der Vorlagenfreibeuterei etc. Nicht anwendbar sei die Eingriffskondiktion hingegen, wenn es lediglich um die Verletzung von Wettbewerbschancen gehe65. Ebenfalls anwendbar sei die Eingriffskondiktion, wenn jemand gegen Schutzgesetze nach § 823 II B G B oder die Standards der guten Sitten nach § 826 B G B verstoße und sich dadurch bereichere66. Dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, dem Canaris sehr reserviert gegenüber steht, sei nicht durch die Eingriffskondiktion geschützt 67 , ihm komme nicht einmal Deliktsschutz zu68.

3. Mittlere

Position

Zwischen den oben dargestellten extremen Positionen bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion auf der Grundlage der Lehre vom Zuweisungsgehalt von Rechten werden in der Literatur eine Vielzahl von Positionen vertreten, die hinsichtlich der Zuweisungsgehaltsfähigkeit ein60 61 62 63 64 65 66 67 68

Staudinger(-Lorenz), Vorbem. zu §§ 812 ff., Rz. 71. Staudinger(-Lorenz), Vorbem. zu §§ 812ff., Rz. 71. Staudinger(-Lorenz), Vorbem. zu §§ 812 ff., Rz. 72. Larenz/Canaris, SchR II/2, § 69 I le). Larenz/Canaris, SchR II/2, § 69 I 2c). Larenz/Canaris, SchR 11/2, § 69 I 2f). Larenz/Canaris, SchR II/2, § 69 I 2g). Larenz/Canaris, SchR II/2, § 69 I 2e). Larenz/Canaris, SchR II/2, § 81 IV.

§ Ii

Der Zuweisungsgehalt

in der wissenschaftlichen

Diskussion

367

zelner Positionen voneinander abweichen, sich aber - was die Reichweite der Eingriffskondiktion angeht - in dem Rahmen halten, der durch die erwähnten extremen Positionen abgesteckt wird. Es erscheint daher gerechtfertigt, diese Auffassungen als mittlere Positionen zu charakterisieren. Es wäre allerdings ein Mißverständnis anzunehmen, es handele sich dabei um eine einheitliche Auffassung. Wenn auch die hier dargestellten Meinungen alle auf der Grundlage der Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte stehen, grenzen sie den Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion dennoch nicht einheitlich ab, sondern unterscheiden sich im Detail. Gemeinsam ist der hier genannten mittleren Position der Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte, daß das Sacheigentum, vom Eigentum abgeleitete absolute subjektive Rechte und die Immaterialgüterrechte in den Kreis der durch die Eingriffskondiktion geschützten Rechte aufgenommen werden 69 . Darüber hinaus zeichnen sich Gemeinsamkeiten der mittleren Position insoweit ab, als der eingriffsbereicherungsrechtliche Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf einige im Hinblick auf die Personen verselbständigte Teilaspekte beschränkt wird. Dabei besteht im einzelnen über die Reichweite des Schutzes der Eingriffskondiktion im Bereich des Persönlichkeitsrechts Streit. Während einige nicht über das Recht am eigenen Bild und am eigenen Namen hinausgehen wollen 70 , sehen andere angesichts der fast grenzenlosen Inanspruchnahme persönlichkeitsrechtlicher Positionen durch die mächtigen Organisationen der modernen Mediengesellschaft die Notwendigkeit eines wesentlich weiteren Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion zum Schutze der Persönlichkeit 7 1 . Deutlich zurückhaltend bis ablehnend ist die Stellungnahme der mittleren Position gegenüber der Zuerkennung eines bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalts beim Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sowie bei Rechtspositionen nach Normen des U W G . Soweit hier die Eingriffskondiktion überhaupt zugelassen wird, soll sie auf solche Positionen beschränkt sein, die von Rechtsprechung und Rechtswissenschaft zu exklusiv zugeordneten Ausschließlichkeitsrechten fortentwickelt worden seien 72 . Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat sich - nach einer Phase der dogmatischen Unsicherheit nach der Aufgabe der Vermögensverschiebungslehre 69 Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 79 ff.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 248 f. und 270 ff.; Esser/Weyers, SchR II BT, § 50 I lb).; Erman(Westermann), § 812, Rz. 67ff.; RGRK(-Heimann-Trosien), Vor § 812, Rz. 30ff.; Emmerich, SchR BT, 260 ff.; Hüffer, Die Eingriffskondiktion, JuS 1981, 264 f.; M ü K o ( - L i e b ) § 812, Rz. 211 ff.; Loewenheim, Bereicherungsrecht, 69 ff.; Schlechtriem, Güterschutz durch Eingriffskondiktionen, Symposium König, 63 ff. 70 Siehe z.B. Erman(-Westermann), § 8 1 2 , Rz. 69; v. Caemmerer, Der privatrechtliche Persönlichkeitsschutz nach deutschem Recht, FS v. Hippel, 27 ff. (39 f.). 71 Siehe etwa Schlechtriem, Bereicherung aus fremdem Persönlichkeitsrecht, FS Hefermehl, 449 ff. 72 Fikentscher, SchR, Rz. 1118; Emmerich, SchR BT, 260; MüKo (-Lieh), § 812, Rz. 204 ff.; Loewenheim, Bereicherungsrecht, 69; Erman(-Westermann), § 812, Rz. 65.

368

Kapitel III: Zuweisungsgehalt kondiktionsgeschützter

Rechte

zunächst stillschweigend und dann auch explizit der Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte angeschlossen. Dabei hat es der B G H vermieden, in abstrakter, über den zu entscheidenden Einzelfall hinausgehender Weise den Kreis der Rechtspositionen zu bestimmen, denen ein bereicherungsrechtlich relevanter Zuweisungsgehalt innewohnt. So hat die Rechtsprechung zum Beispiel entschieden, daß die gewerbliche N u t z u n g von Fotografien urheberrechtlich nicht geschützter Wohnhäuser, die von einer öffentlichen Straße aus fotografiert werden können, nicht zum Zuweisungsgehalt des Eigentums am Haus gehört 7 3 . Entgegen der Rechtsprechung des R G und der eigenen früheren R e c h t sprechung hatte der B G H seit Mitte der siebziger Jahre anerkannt, daß I m materialgüterrechte Zuweisungsgehalt besitzen und gegen unbefugte N u t z u n g durch die Eingriffskondiktion geschützt sind 7 4 . O f f e n gelassen hat der B G H in zwei Judikaten die Frage, ob Rechtspositionen des U W G mit bereicherungsrechtlich relevantem Zuweisungsgehalt ausgestattet sind 7 5 . Anerkannt wird der Zuweisungsgehalt auch bei Verletzungen bestimmter Aspekte des allgemeinen Persönlichkeitsrechts 7 6 . Dagegen lehnt der B G H die Zuweisungsgehaltsfähigkeit des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb 7 7 genauso ab wie die von mit K o s t e n und M ü h e n erarbeiteter, aber nicht immaterialgüterrechtlich abgesicherter Information 7 8 . I m Ergebnis läßt sich sagen, daß die Linie, die die höchstrichterliche R e c h t sprechung in der Frage des Zuweisungsgehalts von Rechtspositionen einnimmt, im wesentlichen der Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion entspricht, wie sie von der hier sogenannten mittleren Position vorgen o m m e n wird.

III.

Die Konkretisierung des Zuweisungsgehalts bisherige Ansätze

-

I m vorhergehenden Abschnitt dieser Untersuchung wird deutlich, wie stark die Meinungen im R a h m e n der Bestimmung des Kreises der zuweisungsgehaltsfähigen Positionen, die auf der Grundlage der Zuweisungsgehaltstheorie stehen, auseinanderfallen. D e r G r u n d für diese auffälligen Divergenzen liegt darin, daß der Begriff des Zuweisungsgehalts weder eine Legaldefinition erfahren hat, noch in sich selbst so festgelegt ist, daß er zwingend nur eine einheit73 So B G H 9.3.1989, NJW 1989,2251 (Friesenhaus); LG Freiburg 17.1.1985, G R U R 1985, 544 (Fachwerkhaus); anders jedoch B G H 20.9.1974, G R U R 1975, 500 (Tegeler Schloß). 74 B G H 30.11.1976, B G H Z 68, 90ff. (Kunststoffhohlprofil I). 75 B G H 17.5.1960, G R U R 1960, 554 (557) (Handstrickverfahren); B G H 23.5.1991, ZUM 1992, 90 (Kastanienmuster). 76 Siehe dazu näher unten § 25 III 2b). 77 B G H 14.2.1978, B G H Z 71, 86 (Fahrradgepäckträger II). 78 B G H 9.3.1989, B G H Z 107, 117 (Forschungskosten).

§15 Der Zuweisungsgehalt in der wissenschaftlichen

Diskussion

369

liehe Bestimmung der Positionen, die mit Zuweisungsgehalt ausgestattet sind, erlaubt. D i e Unterschiede in der Abgrenzung erklären sich demgemäß dadurch, daß die voneinander abweichenden Ergebnisse im R a h m e n dieser Lehre auf divergenten Kriterien des Zuweisungsgehalts rechtlich geschützter Positionen beruhen. Bevor im R a h m e n dieser Untersuchung ein eigener Ansatz zur inhaltlichen Bestimmung des Zuweisungsgehalts eingriffsbereicherungsrechtlich relevanter Positionen entwickelt wird, scheint es sinnvoll, die bisherigen Versuche einer inhaltlichen Festlegung des Zuweisungsgehalts nachzuzeichnen. I m Schrifttum wird nicht selten auf nähere Präzisierungen des Konzepts des Zuweisungsgehalts auf einer allgemeinen E b e n e verzichtet; man begnügt sich mit einer Aufzählung von Rechtspositionen, denen entweder Zuweisungsgehalt zugesprochen wird, oder denen kein Zuweisungsgehalt zukommen soll 7 9 . A u c h die höchstrichterliche Rechtsprechung hält sich mit grundsätzlichen Aussagen zu N a t u r und U m f a n g des Zuweisungsgehalts von Rechtspositionen zurück 8 0 . D e n n o c h fehlt es nicht an Versuchen, den Begriff des Zuweisungsgehalts einer theoretisch fundierten Klärung zuzuführen. D i e wichtigsten dieser A b grenzungsbemühungen sollen im folgenden dargestellt werden.

1. Die Anknüpfung

an das absolute subjektive

Recht

D i e Zuweisungsgehaltslehre wurde entwickelt, um dogmatische Defizite und Unzulänglichkeiten der bis dahin das Bereicherungsrecht beherrschenden Vermögensverschiebungslehre zu überwinden. D i e Herausbildung des zweckgerichteten Leistungsbegriffs ermöglicht eine interessengerechte (d.h. risikogerechte) Bestimmung der Parteien des Leistungsverhältnisses, während die Zuweisungsgehaltslehre im Bereich der Eingriffskondiktion zur Integration der unbefugten Inanspruchnahme immaterieller Rechtspositionen und zur Loslösung v o m systemfremden Schadenserfordernis führte. D e r Preis dieses dogmatischen Fortschritts war die Erkenntnis, daß die Leistungskondiktion einerseits und die Eingriffskondiktion und die anderen Nichtleistungskondiktionen andererseits, die technisch in § 812 I 1 B G B zusammengefaßt sind, von ihrer F u n k t i o n und den Tatbestandsvoraussetzungen her gesehen, verschiedene Ansprüche sind. Diese Erkenntnis ist die Grundlage der sogenannten Trennungslehre. Insbesondere die Begründer der Zuweisungsgehaltslehre haben auf die Funktion der Eingriffskondiktion als Instrument des Rechtsgüterschutzes und insofern auf ihre Verwandtschaft mit dem Deliktsrecht aufmerksam gemacht. Es überrascht daher wenig, daß gerade diejenigen, die den Gedanken der Zuwei79 Siehe z. B. Staudinger(-Lorenz) § 812, Rz. 23 ff.; v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel I, 353 ff. 80 Vgl. etwa BGH 24.11.1981, BGHZ 82,299ff. (Kunststoffhohlprofil II); BGH 9.3.1989, BGHZ 107, 117ff. (Forschungskosten).

370

Kapitel III: Zuweisungsgehalt kondiktionsgeschiitzter

Rechte

sung für das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung fruchtbar gemacht haben, in den absoluten subjektiven Rechten, den sogenannten Herrschaftsrechten, die Grundlage des Anspruchs aus Eingriffskondiktionen gesehen haben. Heck gebührt das Verdienst, als erster auf den Zusammenhang von Eingriffskondiktion und subjektivem Recht hingewiesen zu haben. Er entwickelte das Konzept der Zuweisung bei der Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals „auf Kosten" (des Bereicherungsgläubigers) in § 81211 BGB. Hier lehnt Heck dezidiert die zu seiner Zeit wohl vorherrschende Auffassung ab, daß ein Erwerb nur dann auf Kosten des Bereicherungsgläubigers gehe, wenn sein Vermögen durch die Handlung des Eingreifers im Sinne eines Schadens oder einer Schenkung vermindert sei. Er sieht das Tatbestandsmerkmal „auf Kosten" bereits dann als erfüllt an, wenn der Bereicherungsschuldner von Erwerbsmöglichkeiten Gebrauch gemacht hat, die dem Bereicherungsgläubiger zugewiesen sind. Dies gelte unabhängig davon, ob der Kondizient selbst einen entsprechenden Vermögensvorteil aus der Erwerbschance gezogen hätte. Damit stand Heck vor dem Problem, festlegen zu müssen, welche „Erwerbsmöglichkeiten" die „fragliche Beschaffenheit" 81 aufweisen, welche verletzten Erwerbschancen einen Anspruch aus Eingriffskondiktionen auslösen. Wenn dieser Aspekt auch nicht thematisiert wird, scheint Heck doch klar gewesen zu sein, daß nicht jede unbefugt in Anspruch genommene Erwerbschance, die sich auf dem Markt bietet, geeignet sein kann, die Grundlage eines Anspruchs aus Eingriffskondiktion zu bilden. Dies ergibt sich daraus, daß er die für einen solchen Anspruch in Betracht kommenden Erwerbsmöglichkeiten auf solche beschränkt, die sich aus der Veräußerung und Nutzung von absoluten subjektiven Rechten herleiten. „In der Anerkennung eines subjektiven Rechts liegt m. E. immer die Zuweisung desjenigen Erwerbs, der durch Veräußerung und Ausübung erzielt wird. Die Zuweisung ist für den Fall des wissentlichen Eingriffs positiv ausgesprochen in § 687 Absatz 2, ferner für die Fälle eines Vernichtungserwerbs in § 816. Die Probleme des Ausübungserwerbs haben größtenteils Sonderregelungen erfahren, ,.." 8 2 .

Uber das Eigentum hinaus sieht Heck eine Zuweisung auch beim Urheberrecht und den anderen gewerblichen Schutzrechten. Beim Patent- und Gebrauchsmusterrecht wird eine Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion bezweifelt, weil es sich dabei möglicherweise um Sonderregelungen handele, die die Güterschutzinstrumente des allgemeinen Zivilrechts ausschließe. Wenn auch dem Ansatz von Heck kein tiefergehendes theoretisches Konzept zugrunde liegt, so wird aus den kurzen, fast kursorischen Hinweisen bereits deutlich, daß nicht jede sich ergebende Erwerbschance, in die ein Dritter unbefugt eingreift, zu einer Eingriffskondiktion führen kann. Nur das wirtschaftliche Ergebnis, daß sich aus Veräußerung und Ausübung absoluter sub81 82

Heck, Schuldrecht, 421. Heck, a.a.O., 421.

§ 15 Der Zuweisungsgehalt in der wissenschaftlichen

Diskussion

371

jektiver Rechte ergibt, ist dem Inhaber exklusiv, d.h. unter Ausschluß aller anderen Rechtssubjekte zugewiesen. A u c h Wilburg, der die neue theoretische Grundlage für die Eingriffskondiktion herausgearbeitet hat, geht vom Eigentum als dem Modell des absoluten subjektiven Rechts aus, wenn er „die Wurzel des Bereicherungsanspruchs in den R e c h t e n des Verkürzten" 8 3 sieht. D i e Ungerechtfertigtheit des Erwerbs und die darauf gründende Entziehung der erworbenen Vorteile, findet ihre Grundlage in dem rein sachlichen Z w e c k des verkürzten Rechts, nicht aber in „strafender Reaktion gegen unrechtes H a n d e l n " 8 4 . D i e in der Institution des Eigentums liegende Zugehörigkeit der Sache zu einer Person und die Dienstbarmachung der Sache für die Interessen des Eigentümers findet ihren Ausdruck in der dinglichen Herrschaft über die Sache, die das Eigentumsrecht seinem Inhaber verleiht. Rechtlich abgesichert wird die dingliche Herrschaft über die Sache durch den Eigentumsanspruch, der sich als rei vindicatio gegen den Besitzer und als actio negatoria gegen den Störer richtet. Wilburg erkennt, daß sich der „wirtschaftliche Z w e c k " des Eigentums nicht in der A b w e h r von Eingriffen in die dingliche Macht des Eigentümers erschöpft. D i e im Eigentumsrecht liegende Zuordnung einer Sache an eine Person betrifft nicht nur die dingliche Herrschaft, sondern gewährt dem Rechtsinhaber auch eine umfassende Befugnis zur wirtschaftlichen N u t z u n g der Sache, sei es durch Verkauf, Gebrauch, Veräußerung oder Belastung. D e r wirtschaftliche Z w e c k des Eigentums endet nicht mit dem Untergang oder dem - etwa durch Verarbeitung, Verbindung oder Vermischung nach §§ 9 4 6 f f . B G B - eintretenden Verlust der Selbständigkeit der Sache, o b w o h l dadurch die dingliche Herrschaftsmacht des Eigentümers über die Sache ihre Basis, nämlich die Existenz der Sache verloren hat. Dieser Z w e c k verschafft sich dann auf andere Weise Geltung als durch die rei vindicatio oder die actio negatoria, nämlich einerseits in F o r m eines Schadensersatzanspruchs und andererseits in der Gestalt des Anspruchs aus Eingriffskondiktion 8 5 . „Hat jemand meine Sache verbraucht und eigene dadurch erspart, so geht die unvoreingenommene Begründung der Ersatzklage dahin, daß die verwendete Sache mir gehört hat und infolge dessen der Nutzen allein mir zugewiesen ist. Die Verwendung für einen Anderen widerspricht dem Eigentumszweck, und fordert aus dessen Kraft die Auseinandersetzung. Aus dem Eigentum entsteht die Bereicherungsklage" 86 . D e r Gedanke der Zuweisung - so erkennt Wilburg zutreffend - ist nicht auf das Eigentum beschränkt; die Zuweisung geschützter Handlungs- und N u t zungsbefugnisse ist auch eine Eigenschaft anderer Rechte. So macht Wilburg Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 27. Wilburg, a.a.O., 27. 85 Wilburg, a. a. O., 28: „Er (der Rechtsgedanke des Eigentums, R.E.) erzeugt... auf Grund seines Zuweisungsgehaits einen Bereicherungsanspruch gegen den, dem der Nutzen der Sache zugefallen ist". 86 Wilburg, a.a.O., 28. 83 84

372

Kapitel III: Zuweisungsgehalt

kondiktionsgeschützter

Rechte

die Idee des Zuweisungsgehalts auch für die Begründung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion bei der Verletzung anderer dinglicher Rechte (Aneignungsrechte, Nießbrauch, Pfandrecht, Dienstbarkeiten), vor allem aber für die Verletzung von Immaterialgüterrechten fruchtbar. Zuweisungsgehalt kommt seiner Ansicht nach auch persönlichkeitsrechtlichen Berechtigungen wie Name, Firma und dem Recht am eigenen Bild zu. Nach Auffassung Wilburgs kommt ein bereicherungsrechtlicher Zuweisungsgehalt nicht nur den absoluten subjektiven Rechten und ihnen verwandter Rechtspositionen zu, sondern allen Rechtsnormen, die das Vermögen schützen. Unter diesen Normen sind die des U W G von größter Bedeutung. Ihre Verletzung - etwa durch die Verwertung eines rechtswidrig erlangten Geschäftsgeheimnisses eines Konkurrenten - löste den Anspruch aus Eingriffskondiktion aus. Keinen bereicherungsrechtlichen Zuweisungsgehalt weisen hingegen der Besitz und die relativen subjektiven Rechte auf. Der Besitz trage als Verbot der Eigenmacht polizeilichen Charakter 87 . Bei den relativen subjektiven Rechten übernehme der Anspruch auf das stellvertretende Commodum nach §281 I B G B die Funktion des Bereicherungsausgleichs88. In dem Bereicherungsanspruch zeige sich die Rechtsfortwirkung des untergegangenen Eigentums, „dessen Zweck in schuldrechtlicher Gestalt fortlebt" 89 . Die Vorstellung Wilburgs von der Rechtsfortwirkung des Eigentums im Bereicherungsanspruch setzt den Verlust der dinglichen Herrschaftsmacht durch den Untergang der Sache selbst oder ihrer Selbständigkeit voraus. Dies wird durch den Begriff der Rechts/oriwirkung verdeutlicht. In vielen Fällen der unbefugten Nutzung von fremdem Recht bleibt die Rechtsposition als solche vom Eingriff vollkommen unberührt. Wenn jemand die Erfindung eines anderen, der darauf ein Patent besitzt, nutzt, so läßt sich der Anspruch auf die angemessene Lizenzgebühr nur schwer als Rechtsfortwirkungsanspruch bezeichnen. Das Patentrecht des Rechtsinhabers wird durch die unbefugte Nutzung nicht beseitigt: Die unbefugte Nutzung, z.B. die Herstellung und das Inverkehrbringen eines Erzeugnisses, welches Gegenstand des Patents ist, stellt eine Verletzung des Patentrechts nach § 9 Patentgesetz dar, berührt das Recht aber nicht in seiner Existenz. Auch nach der unbefugten Nutzung des Rechts steht dem Inhaber das Recht in vollem Umfang zu; er kann es selbst nutzen, es in toto auf einen anderen übertragen oder einzelne Nutzungen anderen überlassen. Die Verletzung des Rechts durch den unbefugten Nutzer läßt die Existenz des Patentrechts und die Rechtsinhaberschaft daran unberührt. Der Grund für die Gewährung der Eingriffskondiktion läßt sich kaum auf eine Fortwirkung des Patentrechts stützen, denn das Patentrecht besteht noch. In Wirklichkeit handelt es sich bei dem Zuweisungsgehalt absolut geschützter Rechtspositionen um spezifische Eigenschaften von absoluten subjektiven 87 88 89

Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 37. Wilburg, a . a . O . , 46f. Wilburg, a . a . O . , 29.

5 Ii

Der Zuweisungsgehalt

in der wissenschaftlichen

Diskussion

373

Rechten. Diese Folgerung hatte v. Caemmerer gezogen, der die von Wilburg gegründete Lehre fortentwickelt und perfektioniert hat. Im Begriff des Zuweisungsgehalts absoluter subjektiver Rechte spiegeln sich die Handlungs-, Verfügungs- und Nutzungsbefugnis im Hinblick auf das Rechtsobjekt wider, die dem Rechtsinhaber exklusiv, d.h. unter Ausschluß aller anderen Personen, zum alleinigen Genuß zugeordnet sind. „Es ist das Wesen des absoluten Rechts, daß es dem Inhaber ein Gut zuweist. Auf die güterzuordnende Funktion des Eigentums und sonstiger absoluter Rechte stützt sich das Urteil über die Unrechtmäßigkeit der Bereicherung. Dem Eigentümer der Sache gebührt das uti, frui, abuti, ihm (bzw. den Inhabern beschränkter dinglicher Rechte ...) steht es zu, die Sache zu gebrauchen und zu nutzen, sie zu verbrauchen und sie zu Gelde zu machen, sie zu verwerten. Wenn jemand also eine fremde Sache gebraucht oder nutzt, wenn er sie verbraucht (...), wenn er sie verarbeitet oder in sein Haus einbaut, so daß sie als selbständige Sache untergeht... , wenn er sie unter dem Schutz des Rechtsscheins wirksam veräußert und damit für sich verwertet (...), dann hat er etwas erlangt, was nach dem Zuweisungsgehalt des Eigentums dem Eigentümer gebührt. Unrechtmäßig ist die Bereicherung deshalb, weil sie der in dem Eigentum liegenden Güterzuweisung widerspricht"90. Der Begriff des Zuweisungsgehalts beschreibt damit bestimmte Eigenschaften des absoluten subjektiven Rechts; diese Eigenschaften betreffen nicht nur die Zuordnung von Rechtsobjekten zur Person des Rechtsinhabers, sondern die wirtschaftliche Dimension der exklusiven Handlungsbefugnisse des Berechtigten. Der Begriff des Zuweisungsgehalts drückt aus, daß die wirtschaftliche Ertragskraft exklusiv (durch Herrschaftsrechte) zugewiesener Rechtsobjekte, die darin liegt, die Befugnis zur Nutzung oder Verwertung der vom Recht erfaßten Gegenstände gegen Entgelt auf Dritte zu übertragen, ebenso dem Rechtsinhaber zugeordnet ist wie das Recht auf die Ziehung des wirtschaftlichen Ertrages, indem er den Gegenstand selbst nutzt. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob ein von einem Dritten durch unbefugte Nutzung erzielter Gewinn an den Berechtigten herauszugeben ist. Diese Frage ist zu verneinen91. Ob eine Rechtsposition einen bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt aufweist, hängt für v. Caemmerer von einer Interessenabwägung ab. Dazu müsse geprüft werden, ob die Rechtsordnung dem Inhaber einer solchen Position ein Exklusivrecht an einer Sache oder einem Immaterialgut habe einräumen wollen 92 . Eine Position weist nur dann einen Zuweisungsgehalt auf, wenn es sich um ein Recht handelt, daß die genannten Eigenschaften besitzt. Dieser Abgrenzung folgend erkennt v. Caemmerer dem Sacheigentum, den beschränkten dinglichen Rechten, den Immaterialgütern einschließlich des 90 v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel I, 353; ähnlich auch v. Caemmerer, Grundprobleme des Bereicherungsrechts, in: Leser (Hrsg.), E. v. CaemmererGesammelte Schriften I, 378. 91 Siehe dazu unten Kapitel VII § 31 II. 92 v. Caemmerer, a.a.O., in: Leser (Hrsg.), a.a.O., 382.

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Kapitel III: 7.uweisungsgehalt

kondiktionsgeschützter

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Warenzeichenrechts sowie der Forderungszuständigkeit (§ 816 II B G B ) einen Zuweisungsgehalt zu93. Wie schon oben heraus gearbeitet, knüpfen auch Mestmäcker und Raiser für die Bestimmung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion an die Verletzung absoluter subjektiver Rechte an. Aus Gründen des Schutzes der allgemeinen Handlungsfreiheit auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Betätigung halten sie den Kreis der Rechtspositionen, die mit Zuweisungsgehalt ausgestattet sind, enger, als dies z. B. v. Caemmerer tut. Die genannten Autoren lehnen etwa ein Zuweisungsgehalt des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ab, weil einem Unternehmen in einer wettbewerblich strukturierten Marktwirtschaft keine festen Marktpositionen und Erwerbschancen als exklusive Berechtigungen gegenüber ihren Konkurrenten zugewiesen sein können. Dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht mangelt es nach dieser Auffassung an einem bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt, weil es nicht seine Funktion sei, von seinem Inhaber zu Erwerbszwecken eingesetzt zu werden. Der Zuweisungsgehalt beim Warenzeichen wird abgelehnt, weil er seinem Rechtsinhaber keine exklusive Position in Bezug auf ein Rechtsgut zuweist, sondern lediglich die Befugnis, anderen zu untersagen, ihre Waren mit seinem Warenzeichen auszuzeichnen94. Bei aller Verschiedenheit des Ergebnisses, die die hier behandelten Auffassungen bei der Bestimmung des Zuweisungsgehalts erkennen lassen, ist ihnen doch ein wesentlicher Punkt gemeinsam: Der Anspruch aus Eingriffskondiktion stützt sich auf das absolute subjektive Recht, das von einem Nichtberechtigten ohne Zustimmung des Rechtsinhabers in Anspruch genommen worden ist. Der Zuweisungsgehalt erscheint insoweit als eine begriffliche Zusammenfassung spezifischer Eigenschaften absoluter subjektiver Rechte. Diese spezifischen Eigenschaften liegen darin, daß Dritte, die nicht Rechtsinhaber sind, den Gegenstand der Berechtigung nur mit der Erlaubnis des Rechtsinhabers für ihre eigenen Zwecke nutzen dürfen. Diese Erlaubnis wird in der Regel nur gegen Zahlung eines Entgelts erteilt. Wenn der Bereicherungsschuldner diesen Kontraktmechanismus umgeht, indem er das Rechtsobjekt ohne Erlaubnis des Rechtsinhabers und demgemäß auch ohne Zahlung eines Entgelts nutzt, so nimmt er Handlungen vor, die dem Rechtsinhaber exklusiv vorbehalten sind und greift demgemäß in den Zuweisungsgehalt des Rechts ein. Die Nutzung als tatsächlicher Vorgang steht auf Grund des absoluten subjektiven Rechts dem Rechtsinhaber zu. Das Konzept des Zuweisungsgehalts stellt die Verbindung zwischen der Befugnis zur faktischen Nutzung einerseits und der rechtsgeschäftlichen Einräumung von Nutzungsbefugnissen an andere gegen Entgelt her. 93 v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel 1,354 f.; ders., Grundprobleme des Bereicherungsrechts, in: Leser (Hrsg.), E. v. Caemmerer - Gesammelte Schriften I, 382. 94 Mestmäcker, Eingriffserwerb und Rechtsverletzung in der ungerechtfertigten Bereicherung, J Z 1958, 525; Raiser, Der Stand der Lehre vom subjektiven Recht im Deutschen Zivilrecht , J Z 1961,468.

§ 15 Der Zuweisungsgehalt

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375

2. Der Zuweisungsgehalt auf Grund einer Verbietungsmöglichkeit: Der Gleichlauf zwischen Unterlassungsanspruch und Eingriffskondiktion (Rechtsgutstheorie) Eine insbesondere von Kleinheyer vertretene Auffassung lehnt den Bezug auf die absoluten subjektiven Rechte als Grundlage des Zuweisungsgehalts ab und setzt die unbefugte Verwendung fremder Rechtsgüter an die Stelle des absoluten subjektiven Rechts. Der Zuweisungsgehalt als zusammenfassender Begriff von Eigenschaften subjektiver Rechte wird als Grundlage der Eingriffskondiktion abgelehnt, weil dieses Konzept keine sichere und nachvollziehbare Abgrenzung des Kreises eingriffskondiktionsgeschützter Rechte erlaube. Vielmehr sei dieser Ansatz so unbestimmt, daß sich mit ihm jedes vom jeweiligen Rechtsanwender gewünschte Ergebnis begründen lasse. Der Grund für diese Unbestimmtheit des Zuweisungsgehalts liege darin, daß das absolute subjektive Recht keine Aussagen über die Zuweisung des Verwendungserfolges treffe. Der Zuweisungsgehalt erschöpfe sich darin, dem Rechtsinhaber bestimmte Befugnisse in Bezug auf das Objekt des absoluten subjektiven Rechts zuzuordnen. Eine Ertragszuweisung sei damit nicht verbunden. Daher gehe der Ansatz von einer unzutreffenden Prämisse aus, die darauf abstelle, daß dem Bereicherten ein Verwendungserfolg zugeflossen sei, der auf Grund des Zuweisungsgehalts des in Anspruch genommenen Rechts dem Kondizienten zustehe. Aber auch wenn man - wie die im vorigen Abschnitt behandelte Richtung der Zuweisungsgehaltstheorie dies vorschlägt - den Zuweisungsgehalt mit den vom absoluten subjektiven Recht verliehenen Befugnissen verknüpfe, führe dies nicht zu einer klaren und folgerichtigen Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion. Denn das Gesetz lege zumeist nicht umfassend die mit einem absoluten subjektiven Recht verbundenen Befugnisse fest. Dies zeige sich auch an dem Umstand, daß die Bestimmung des Zuweisungsgehalts bei den einzelnen Verfechtern dieser Lehre zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen führe. „Auch wenn man nicht auf eine unmittelbare Ertragszuweisung abstellt, sondern auf die Zuweisung der Befugnis, derartige vermögensmäßige Erträge zu erzielen, ist man darauf angewiesen, zunächst festzustellen, welche Befugnis das in Frage kommende Recht seinem Inhaber jeweils verleiht. Da das Gesetz selbst hierüber in den seltensten Fällen Auskunft gibt, muß man zuerst im Wege freier Rechtsfindung eine vermeintliche Lücke füllen, und auf wie schwankendem Boden man sich damit begibt, zeigen die recht unterschiedlichen Ergebnisse, die diese Denkoperation bei den verschiedenen Autoren zeitigt. Vor allem aber verlagert sich die ,Beweislast', wenn man den Bereicherten im Genuß des erlangten Vorteils beläßt, wenn dieser geschickter Weise seinen Gewinn aus der Verletzung eines Rechts ohne vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt gezogen hat, obwohl doch § 812 nach seinem Wortlaut die Herausgabe jedes Gewinns anordnet, der ,auf Kosten' eines anderen erzielt wurde, wenn für diese Bereicherung ein rechtlicher Grund nicht gegeben ist" 95 . 95

Kleinheyer, Rechtsgutsverwendung und Bereicherungsausgleich, JZ 1970, 473.

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Kapitel III: Zuweisungsgehalt

kondiktionsgeschützter

Rechte

Zugewiesen ist nach dieser Auffassung der Ertrag aus der ökonomischen Nutzung der geschützten Rechtsposition. Allerdings - und hier liegt ein wesentlicher Unterschied zu der dogmatischen Begründung des Zuweisungsgehalts aus absoluten subjektiven Rechten - beruhe der Bereicherungsanspruch nicht auf der Zuweisung; vielmehr werde die Zuweisung erst durch § 812 BGB geschaffen. Von entscheidender Bedeutung für Inhalt und Reichweite der Eingriffskondiktion ist die Interpretation der Worte „auf Kosten" in § 812 I 1 BGB. Historisch sei die Gewährung der Eingriffskondiktion von dem Erfordernis eines Schadens beim Kondizienten abhängig gemacht worden. Die Ursache für diese Tatbestandsfassung habe in der mangelnden Vorstellung der Gesetzesverfasser des BGB gelegen, daß eine Bereicherung durch die Nutzung fremder Rechtsgüter auch ohne einen Vermögensverlust des Kondizienten erzielt werden könne. Berücksichtige man dies, so seien die Worte „auf Kosten" im § 812 I 1 BGB so zu interpretieren, daß eine Bereicherung dann auf einen rechtlichen Grund gestützt werden müsse, wenn sie unter Nutzung fremder Rechtsgüter herbeigeführt worden sei. „Die Worte ,auf Kosten' in § 812 BGB können zwanglos dahin verstanden werden, daß eine Bereicherung immer dann eines rechtfertigenden Grundes bedarf, wenn sie unter Benutzung und Verwendung von fremden Rechtsgütern erzielt worden ist"96. Damit stellt sich die Frage, welches die eingriffsbereicherungsrechtlich geschützten Rechtsgüter sind und nach welchen Kriterien festzulegen ist, ob und inwieweit eine Rechtsposition Rechtsgutsqualität aufweist. Unter dem Begriff des „Rechtsguts" will Kleinheyer alle Güter, die einer Person durch die Rechtsordnung vorbehalten sind, verstehen97. Eine exklusive Verwendungsbefugnis erkennt die Rechtsordnung in der Regel einem Rechtssubjekt dann zu, wenn sie dem Rechtssubjekt die alleinige Entscheidung über die Nutzung des Gegenstandes gewährt und wenn sich das Rechtssubjekt im Wege des Unterlassungsanspruchs gegen Eingriffe in diese Befugnis wehren kann. „Vom Rechtsgut einer Person kann man also sprechen, wenn und soweit die Rechtsordnung dieser Person gestattet, über die Verwendung dieses Guts zu bestimmen und sich gegen Zugriffe auf dieses Gut zur Wehr zu setzen, in der Regel also, wenn und soweit ein Unterlassungsanspruch zugebilligt wird"98. Für den Anspruch aus Eingriffskondiktionen soll es dabei nicht darauf ankommen, ob es sich bei dem Rechtsgut um ein Vermögensrecht oder ein Persönlichkeitsrecht handelt. Allein entscheidend sei, daß das Recht - etwa das Recht am eigenen Bild - zur Gewinnerzielung in erlaubter Weise eingesetzt werden könne und daß eine solche Verwendung des Rechts gegen Eingriffe Dritter umfassend geschützt sei99. 96 97 98 99

Kleinheyer, Kleinheyer, Kleinheyer, Kleinheyer,

a. a. O., 474; so auch Reeh, Grundprobleme des Bereicherungsrechts, 37. a.a.O.,475. a. a. O., 475; Reeh, a. a. O., 46. Rechtsgutsverwendung und Bereicherungsausgleich, JZ 1970, 474.

$ 15 Der Zuweisungsgehalt

in der wissenschaftlichen

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Im Unterschied zur Lehre, die den Zuweisungsgehalt an das absolute subjektive Recht knüpfe, ermögliche die „Rechtsgüterlehre" die Integration des Persönlichkeitsrechts in den Kreis der Rechte, die durch die Eingriffskondiktion geschützt werden. Andererseits führe die Anknüpfung der Rechtsgutsqualität an den Unterlassungsanspruch dazu, daß die Nutzung fremden Guts dann keine Eingriffskondiktion auslösen kann, wenn das Verhalten des Eingreifers nicht durch die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs unterbunden werden könne 100 . So sei ein Bereicherungsanspruch ausgeschlossen, wenn etwa jemand einen Deich auf seine Kosten errichte, von dem ebenfalls andere Anwohner profitierten. Es handele sich hier um einen Vorteil, der lediglich die zwangsläufige Folge des Deichbaus sei und der durch den Unterlassungsanspruch nicht verhindert werden könne, weil dieser sich nur gegen Eigentumsstörungen richte 101 . Auf der Grundlage der Rechtsgutstheorie gelangen Kleinheyer und Reeb zu einem im Vergleich zur Zuweisungsgehaltstheorie, wie sie etwa von Mestmäcker und v. Caemmerer gefaßt wird, wesentlich erweiterten Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion. Uber den Bereich der sogenannten Herrschaftsrechte hinaus sei der Anspruch aus Eingriffskondiktion auch bei unbefugter Inanspruchnahme des Warenzeichenrechts und bei Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gegeben. Bei einer Verletzung von Schutznormen nach § 823 II B G B komme die Anwendung der Eingriffskondiktion ebenfalls in Betracht, wenn das Schutzgesetz Unterlassungsschutz gegen Eingriffe gewähre, aus dem sich Rechtsgutscharakter ergebe 102 . Auch der Verstoß gegen Normen des U W G sei durch die Eingriffskondiktion zu erfassen. Jeder Wettbewerbsvorteil, den sich ein Mitbewerber unter Verletzung der Normen des U W G verschaffe, sei „auf Kosten" seiner Konkurrenten erlangt, die in der ihnen durch das U W G gewährten Chancengleichheit des Wettbewerbs beeinträchtigt seien 103 . Schließlich besitze auch das Recht am eigenen Bild und das Namensrecht die Eigenschaften eines Rechtsgutes, so daß auch die unbefugte Inanspruchnahme dieser Rechte den Anspruch aus Eingriffskondiktion auslöse 104 . Darüber hinausgehend will Reeb den Schutz der Eingriffskondiktion auch auf die unbefugte Inanspruchnahme relativer Berechtigungen ausdehnen. Eine unterschiedliche Behandlung absoluter und relativer Berechtigungen sei im Rahmen der Eingriffskondiktion nicht zu rechtfertigen: Es komme allein darauf an, ob der Kondizient dem Eingreifer die Nutzung seines Guts verbieten konnte oder nicht. Es sei nicht erheblich, ob der Unterlassungsanspruch gegenüber einer bestimmten Person oder gegen alle Personen bestehe 105 . 100 101 102 103 104 105

Kleinheyer, Rechtsgutsverwendung und Bereicherungsausgleich, J Z 1970, 475. Kleinheyer, a.a.O., 475; Reeb, Grundprobleme des Bereicherungsrechts, 42. Kleinheyer, a.a.O., 476. Reeb, a. a. O., 42; Kleinheyer, a. a. O., 476. Kleinheyer, a.a.O., 476. Reeb, a.a.O., 41 f.

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Kapitel III: Zuweisungsgehalt

kondiktionsgeschützter

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Die Bestimmung des Zuweisungsgehalts von Rechtsgütern unter Verwendung des Kriteriums der Abwehrmöglichkeit durch einen Unterlassungsanspruch ist abzulehnen. Dieser Ansatz führt zu einem unvertretbar weiten Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion und bildet daher ebenso wie die bereits oben behandelten Anknüpfungen der Eingriffskondiktion an die Rechtswidrigkeit des Handelns des Rechtsverletzers zu einer zu weit gehenden Einschränkung der Handlungsfreiheit von Rechtssubjekten im wirtschaftlichen Wettbewerb. Kleinheyer kritisiert die herkömmliche Bestimmung des Zuweisungsgehalts durch die Anknüpfung an das absolute subjektive Recht. Da dem Gesetz nur in den seltensten Fällen zu entnehmen sei, welche Befugnisse ein Recht seinem Inhaber im einzelnen zuweise, stelle diese Art der Bestimmung des Zuweisungsgehalts einen Akt freier Rechtsfindung dar, über den jedes gewünschte Ergebnis erreicht werden könne 106 . Diese Prämisse ist evident unrichtig. Das Gesetz mag nicht jede mit einem Exklusivrecht verbundene Einzelbefugnis in allen ihren Ausflüssen regeln. Für die meisten bereicherungsrechtlich relevanten Rechte enthält das Gesetz jedoch weitgehende und hinreichend klare Festlegungen von Befugnissen, die mit einem absoluten subjektiven Recht zugunsten seines Inhabers verbunden sind. Dafür sei nur pars pro toto auf einige wenige Beispiele hingewiesen: Das vielleicht am meisten ins Auge springende Exempel für eine gesetzliche Regelung der Befugnisse des Rechtsinhabers ist das Eigentum. § 903 B G B gibt dabei den Grundton an: Der Eigentümer kann mit der ihm gehörenden Sache nach Belieben verfahren und andere von der Einwirkung auf die Sache ausschließen. Die solchermaßen umfassend gewährten Befugnisse des Eigentümers finden ihre Grenze am Gesetz und an den Rechten Dritter. § 905 B G B fixiert den räumlichen Bereich des Eigentumsrechts an Grundstücken: Es erstreckt sich auf den Raum oberhalb und unterhalb der Grundstücksfläche. Der Eigentümer kann Einwirkungen in diese Bereiche indes nicht verbieten, wenn er am Ausschluß des Eingriffs kein Interesse hat. § 906 legt fest, unter welchen Voraussetzungen der Eigentümer eines Grundstücks die Zuführung unwägbarer Stoffe von anderen Grundstücken zu dulden hat, bzw. verbieten kann. §§ 953 ff. B G B regeln den Erwerb von Erzeugnissen und anderen Bestandteilen von Sachen. Als Regelung der Eigentümerbefugnisse sind auch die §§ 986 ff. B G B anzusehen, die das Rechtsverhältnis zwischen Eigentümer und nichtberechtigtem Besitzer betreffen. Im Rahmen dieses Verhältnisses darf der gutgläubige und unverklagte nichtberechtigte Besitzer die von ihm aus der Sache gezogenen Nutzungen behalten, es sei denn, er hat den Besitz gemäß § 988 B G B unentgeltlich erlangt. Daneben findet sich noch eine große Anzahl weiterer Normen im B G B , die die Rechtsstellung des Eigentümers und der Inhaber sonstiger absoluter subjektiver Rechte festlegen. Auch außerhalb des B G B - etwa im Bereich der Immaterialgüterrechte sind die Befugnisse, die dem Rechtsinhaber in Bezug auf das Rechtsobjekt 106

Kleinheyer,

Rechtsgutsverwendung und Bereicherungsausgleich, J Z 1970, 473.

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zustehen, gesetzlich detailliert festgelegt. § 9 P a t G stattet das Patent mit der Befugnis aus, daß allein der Patentinhaber berechtigt ist, die Erfindung zu benutzen. J e d e m Dritten ist es verboten, die in Nr. 1 - 3 des § 9 P a t G aufgezählten Nutzungshandlungen mit der Erfindung ohne Zustimmung des Patentinhabers auszuführen. Als letztes Beispiel soll auf das Urheberrecht hingewiesen werden. G e m ä ß § 11 Urhebergesetz schützt das Urheberrecht den Rechtsinhaber nicht nur in seinen persönlichen Beziehungen zum Werk, sondern auch hinsichtlich der wirtschaftlichen N u t z u n g seines Werkes. D a h e r weist das Urhebergesetz dem Rechtsinhaber in umfassender Weise die Verwertungsrechte an seiner Schöpfung zu. Diese Verwertungsrechte gewähren dem U r h e b e r nach § 15 I U r h G das ausschließliche R e c h t , das Werk in körperlicher F o r m zu verwerten. In §§ 16 ff. gestaltet das Urhebergesetz die wichtigsten dieser exklusiven Verwertungsrechte näher aus. Es kann also keinesfalls die Rede davon sein - wie Kleinheyer meint 1 0 7 - , daß die Lehre v o m Zuweisungsgehalt absoluter subjektiver Rechte bereits an der Schwierigkeit scheitern müßte, daß das Gesetz die exklusiven Handlungs- und Vermögensbefugnisse der Rechtsinhaber nicht genügend konkret ausgestaltet. Vielmehr ist festzustellen, daß eine Vielzahl absoluter subjektiver Rechte gesetzlich ausführlich geregelt ist, und zwar auch hinsichtlich der Befugnisse des Rechtsinhabers bezüglich des Rechtsobjekts, das den Gegenstand des subjektiven Rechts bildet. A u c h eine weitere A n n a h m e Kleinheyers ist unzutreffend: daß nämlich der Bereicherungsanspruch nicht auf der Ertragszuweisung beruhe, sondern diese erst schaffe 1 0 8 . W ä r e dies so, bedürfte es zur Festlegung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion nicht des Rückgriffs auf absolute subjektive Rechte oder Rechtsgüter, die kondiktionsgeschützt sind, sondern die Reichweite dieser Kondiktionsart müßte sich aus § 812 I 1, 2. Alt. B G B selbst begründen lassen. D i e für diese Frage entscheidenden Tatbestandsmerkmale sind „auf K o s t e n " und „ohne rechtlichen G r u n d " in § 812 I 1 B G B . Bei diesen Tatbestandsmerkmalen handelt es sich u m generalklauselartig vage formulierte, unbestimmte Rechtsbegriffe, die zum Z w e c k e der Rechtsanwendung der Ausfüllung bedürfen. Eine sach- und interessengerechte Konkretisierung der Tatbestandsvoraussetzungen der Eingriffskondiktion kann aber nur unter Rückgriff auf die F u n k t i o n dieses Rechtsinstituts erfolgen. Diese F u n k t i o n wie immer sie festgelegt werden mag - kann aber nur bestimmt werden, wenn die Rechtspositionen, die vom Bereicherungsschuldner „auf K o s t e n " des K o n dizienten „ohne rechtlichen G r u n d " in Anspruch genommen werden, in den Blick genommen werden. N u r wenn diese Rechtspositionen bestimmte, noch näher zu erläuternde Eigenschaften aufweisen, ist der Tatbestand des § 812 1 1 , 2. Alt. B G B erfüllt. Insofern ist festzustellen, daß der Anspruch aus Eingriffskondiktion (sei er nun auf den Ertrag des Rechts oder auf den Wert der N u t 107

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Kleinheyer,

Rechtsgutsverwendung und Bereicherungsausgleich, J Z 1970, 473.

Kleinheyer, a. a. O., 473.

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Kapitel III: Zuweisungsgehalt

kondiktionsgeschützter

Rechte

zung gerichtet) auf der Eigenart der geschützten Rechtsposition beruht, die dem Rechtsinhaber die ökonomischen Folgen des Handelns in Bezug auf das Rechtsobjekt zuordnet; keinesfalls aber wird die Zuweisung von Erträgen erst vom Bereicherungsanspruch geschaffen. Der schwerwiegendste Einwand gegen den Gleichlauf von Unterlassungsanspruch und Rechtsgutsqualität von Rechtspositionen liegt darin, daß das Kriterium des Unterlassungsanspruchs ungeeignet ist, den Anspruch aus Eingriffskondiktion zu legitimieren. Die Anbindung des Einspruchs aus Eingriffsbereicherung an das Vorliegen eines Unterlassungsanspruchs führt nämlich im Ergebnis zu einem viel zu weiten Anwendungsbereich des Bereicherungsanspruch. Kleinbeyer109 und Reeb110 definieren den Begriff des Rechtsguts, in das eingegriffen worden sein muß, um das Merkmal „auf Kosten" zu erfüllen, als die von der Rechtsordnung einer Person! gewährte Befugnis, über die Verwendung des Gutes zu bestimmen und die Verwendung des Gutes durch andere abzuwehren, „... in der Regel also, wenn und insoweit ein Unterlassungsanspruch zugebilligt wird" 111 . Die Anknüpfung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion an den Unterlassungsanspruch wäre für eine zutreffende Abgrenzung des Bereicherungsanspruchs geeignet, wenn ein Unterlassungsanspruch dann und nur dann gegeben wäre, wenn es um die Abwehr von Eingriffen in Rechtspositionen ginge, bei denen Handlungs-, Verfügungs- und Nutzungsbefugnisse ausschließlich dem Rechtsinhaber durch die Rechtsordnung zugeordnet werden. Die Rechtsordnung sieht für solche exklusiven, absolut zugewiesenen Positionen in der Tat Unterlassungsansprüche vor (z.B. § 1004 BGB; § 97 I 1 UrhG; § 139 I PatG; § 24 I GebrMG). Jedoch geht die Gewährung von Unterlassungsansprüchen weit über die Abwehr von Eingriffen gerade in solche Rechtspositionen hinaus. Einen Unterlassungsanspruch räumt die Rechtsordnung auch bei der Verletzung von Verhaltenspflichten ein, die nicht dem Schutz exklusiv zugewiesener Rechtspositionen, sondern der Absicherung von Chancengleichheit bei der Ausnutzung von Erwerbsmöglichkeiten im wirtschaftlichen Wettbewerb dienen. So sieht § 13 I U W G einen Unterlassungsanspruch bei der Verletzung bestimmter Normen des U W G (§§ 4, 6, 6c, 12) vor. Einen Unterlassungsanspruch gewährt auch § 3 U W G gegen denjenigen, der sich im geschäftlichen Verkehr irreführender Werbung bedient. Die genannten Normen des U W G weisen aber dem Inhaber des Unterlassungsanspruchs keine Rechtsposition zur exklusiven Nutzung unter Ausschluß Dritter zu. Eine solche Position könnte nur in der ausschließlichen Zuordnung einer bestimmten Marktposition bestehen. Es ist aber mit dem Grundprinzip der auf dem Wettbewerb beruhenden Marktwirtschaft völlig unvereinbar, einem Wettbewerber eine im Wettbewerb einmal errungene oder sonst erworbene Stellung im Markt endgültig unter Ausschluß seiner Konkurrenten zuzuweisen. Das Funktionsprinzip des Wett109 110 111

Kleinheyer, Rechtsgutsverwendung und Bereicherungsausgleich, JZ 1970, 475. Reeb, Grundprobleme des Bereicherungsrechts, 40. Kleinheyer, a.a.O., 475.

§ 15 Der 2.uweisungsgehalt

in der wissenschaftlichen

Diskussion

381

bewerbs erfordert es gerade, daß Marktbeziehungen, die im Konkurrenzkampf von einem Wettbewerber gegen seine Konkurrenten errungen wurden, nicht bei der Befriedigung späterer oder neuer Nachfrage gegen die Konkurrenten immunisiert werden. Die Normen des U W G intendieren auch nicht eine solche Immunisierung am Markt erworbener Stellungen; sie bezwecken vielmehr die Herstellung einer gewissen Chancengleichheit aller Wettbewerber im Konkurrenzkampf, indem allen Konkurrenten die Beachtung gewisser ethischer Standards bei ihren Wettbewerbshandlungen auferlegt wird112. Verletzt ein Mitbewerber diese Verhaltensnormen, so ist die Chancengleichheit der wettbewerblichen Betätigung aller Konkurrenten am Markt beeinträchtigt; da aber jeder Konkurrent nur die Chance zur Gewinnerzielung am Markt hat, nicht aber eine absolute, als Ausschließlichkeitsrecht zugewiesene, feste Erwerbserwartung, kann auch die Verletzung einer UWG-Verhaltensnorm nicht die Inanspruchnahme eines fremden Rechtsguts i.S.v. Kleinhey er sein, da die genannten Unterlassungsansprüche des U W G eben keine Positionen schützen, die durch exklusive Handlungs-, Nutzungs- und Verfügungsbefugnisse des Anspruchsinhabers gekennzeichnet sind. Wenn Kleinheyer demgegenüber erklärt: „Andererseits lassen sich Wettbewerbsverstöße ohne prinzipielle Schwierigkeiten nach § 812 BGB beurteilen, da jeder Wettbewerbsvorteil, den sich einer der Wettbewerber unberechtigt verschafft, ,auf Kosten' der Mitbewerber geht, die in der ihnen durch das Gesetz gewährten Chancengleichheit verletzt werden"113, so irrt er über das tragende Grundprinzip des wirtschaftlichen Wettbewerbs, welches eine feste, mit Drittschutz ausgestattete Zuweisung einer einmal errungenen Marktposition durch die Rechtsordnung nicht zuläßt. Die Verletzung einer UWG-Norm mit der Rechtsfolge des Unterlassungsanspruchs bedeutet, daß die Chancengleichheit aller Mitbewerber beeinträchtigt wird; auf Kosten eines seiner Mitbewerber oder aller Mitbewerber hat der Rechtsverletzer jedoch nichts erlangt, da die Marktbeziehungen, seien sie durch die Verhaltensnormverletzung beeinflußt oder nicht, nicht einem bestimmten Konkurrenten exklusiv zugewiesen sind. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, daß sich die Gewährung eines Unterlassungsanspruchs als Kriterium zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion nicht eignet. Der Unterlassungsanspruch schützt nicht nur Rechtsgüter, bei denen der Rechtsinhaber befugt ist, „... über die Verwendung dieses Gutes zu bestimmen und sich gegen Zugriffe auf dieses Gut zur Wehr zu setzen ..." 114 ,

112 Diese Funktion des U W G schließt weitere Aufgaben, etwa die Funktion des Verbraucherschutzes, nicht aus. Siehe zu den Aufgaben des U W G etwa Emmerich, Das Recht des unlauteren Wettbewerbs, 15 ff.; Baumbach / Hefermehl, Einleitung U W G , Rz. 44 ff. 113 Kleinheyer, Rechtsgutsverwendung und Bereicherungsausgleich, J Z 1970, 476. 114 Kleinheyer, a. a. O., J Z 1970,475.

382

Kapitel III: Zuweisungsgebalt

kondiktionsgeschützter

Rechte

sondern schützt auch - vermögensrechtliche oder immaterielle - Interessen, die nicht allein dem Inhaber zur Nutzung zugewiesen sind. Dieses Kriterium für die Bestimmung des Zuweisungsgehalts ist daher abzulehnen.

3. Bestimmung des Zuweisungsgehalts nach dem Umfang des Deliktsschutzes Zu einer von Ansatz und dogmatischer Grundlegung her ähnlichen Abgrenzung des Anspruchs aus der Eingriffsbereicherung wie die Anknüpfung an den Unterlassungsanspruch gelangt der Gleichlauf des Deliktsschutzes nach § 823 I und § 823 II B G B mit dem eingriffsbereicherungsrechtlichen Güterschutz gemäß § 812 11,2. Alt. BGB. Beide Ansätze ähneln sich jedenfalls insoweit, als sie zu einer wesentlich weiteren Anwendungsbreite der Eingriffskondiktion führen als die Bestimmung des Zuweisungsgehalts auf der Grundlage der absoluten subjektiven Rechte. Canaris orientiert sich für die Festlegung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion nicht an dem Umstand, ob für die in Anspruch genommene Rechtsposition ein Unterlassungsanspruch bestand; er greift vielmehr zur Bestimmung dieses Anwendungsbereichs auf die Normen des Deliktsrechts zurück. Canaris sieht die Funktion der Eingriffskondiktion im Güterschutz und folgt grundsätzlich der Theorie vom Zuweisungsgehalt der Rechte. Aus der Anknüpfung des Bereicherungsanspruchs an die Zuweisung von Gütern ergebe sich naturgemäß die Frage, welchen Positionen ein Zuweisungsgehalt eigen sei. Die bisher dazu entwickelten Vorstellungen seien zu Recht auf Kritik gestoßen, weil sie weitgehend unabhängig von gesetzlichen Vorgaben, zum Teil sogar einzelfallbezogen vorgegangen seien115. Die so aufgetretenen Defizite seien jedoch vermeidbar, wenn der Inhalt der Zuweisung gemäß dem gesetzlich normierten Umfang des Deliktsschutzes bestimmt werde. Das Deliktsrecht enthalte ein detailliertes Regelungsprogramm zu der Frage, wem und in welchem Umfang die Güter zugewiesen seien. Ohne weiteres anerkannt sei dies für die in § 823 I BGB genannten Rechtsgüter; Gütereigenschaft wiesen aber auch solche Positionen auf, die durch ein Schutzgesetz gemäß § 823 II B G B oder durch § 826 B G B gegen eine Verletzung durch sittenwidriges Verhalten geschützt seien116. Durch die genannten Normen würden bestimmte Güter (Handlungsmöglichkeiten und Vermögenschancen) dem Rechtsinhaber unter dem Ausschluß Dritter zugewiesen117. Der Zuweisungsgehalt auf Grund des Deliktsschutzes reiche allerdings nur soweit, wie der Tatbestand der jeweiligen 115 116 117

Larenz/Canaris, SchR II/2, § 69 I lc). Larenz/Canaris, SchR II/2, § 69 I lc). Larenz/Canaris, SchR 11/2, § 69 I lc).

§ Ii

Der Zuweisungsgebalt

in der wissenschaftlichen

Diskussion

383

Deliktsnorm gehe. Trotz der Nähe zum Deliktsrecht qualifiziert Canaris den Anspruch aus Eingriffskondiktion nicht als deliktsähnlich, sondern zieht eine Parallele zum Aufopferungsanspruch: Denn wie die Aufopferung komme die Eingriffskondiktion auch bei rechtmäßigen Eingriffen zum Einsatz und richte sich nicht - wie das Deliktsrecht - gegen den Handelnden, sondern gegen den vom Eingriff Begünstigten118. Ein Anspruch aus Eingriffsbereicherung ist jedoch auch bei der Anknüpfung an das Deliktsrecht nur dann gegeben, wenn das in Anspruch genommene Gut gegen Entgelt hätte erworben werden können. Denn es gehe beim Anspruch aus Eingriffskondiktion nicht um die Wiedergutmachung von Schäden, sondern um die Entziehung von Vorteilen, deren Erlangung der Inhaber des in Anspruch genommenen Gutes nur gegen Entgelt hätte gestatten müssen119. Auf diese Weise gelangt Canaris zu einem Anwendungsbereich des Anspruchs aus Eingriffskondiktion, der dem weiten Anwendungsbereich nahe kommt, den die verschiedenen Spielarten der Rechtswidrigkeitstheorie120 der Eingriffskondiktion einräumen. Neben den absoluten subjektiven Rechten, bei denen die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion unbestritten ist, will Canaris auch bestimmte Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (wie das Recht am eigenen Bild und das Namensrecht) schützen. Soweit relative subjektive Rechte und Besitz den Schutz des Deliktsrechts genössen, seien sie auch taugliche Grundlagen der Eingriffskondiktion. Im Prinzip wird auch der Bereicherungsschutz für eine Verletzung von UWG-Normen bejaht. Allerdings macht Canaris dafür eine wichtige (und richtige) Einschränkung: Wo die Entgeltsfähigkeit von Positionen nach U W G fehle, komme ein Anspruch aus Eingriffskondiktion nicht in Betracht. Zur Feststellung der Entgeltsfähigkeit sei bei UWG-Positionen die Wertung des § 1 GWB (Kartellverbot) zu berücksichtigen. Da das geltende Recht Verträge über Wettbewerbsbeschränkungen mißbillige, könne ein Wettbewerber die von ihm errungene Marktposition als solche nicht veräußern. Diese Wertung schließe daher vor allem die Tatbestände des Behinderungswettbewerbs aus dem Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion aus. Demgegenüber bestünden keine Bedenken, bei Fällen des Ausbeutungswettbewerbs, der sklavischen Nachahmung, des Geheimnisverrats und der Vorlagenfreibeuterei sowie des Abwerbens von Arbeitskräften die Eingriffskondiktion anzuwenden121. Ähnlich sei im Rahmen des Anwendungsbereichs von §§ 823 II und 826 B G B zu entscheiden. So hafte eine Zeitung, die eine Nachricht entgegen § 201 StGB durch Abhören von Telefongesprächen erlangt habe, genauso aus Eingriffskondiktion, wie der Anwalt oder Steuerberater, der entgegen § 203 StGB ein Geheimnis für eigene Zwecke nutze, das ihm von einem Mandanten anvertraut Larenz/Canaris, SchR \V2, § 69 I lc). Larenz/Canaris, SchR II/2, § 691 lc). Als Beispiel für ein Recht ohne Entgeltsfähigkeit (aber mit Zuweisungsgehalt) nennt Canaris das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. 120 Siehe oben Kapitel I §§ 4 und 5. 121 Larenz/Canaris, SchR \V2, § 69 I 2f). 118 119

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Kapitel III: Zuweisungsgehalt

kondiktionsgeschützter

Rechte

worden sei122. Auch die Verleitung zum Vertragsbruch sei eingriffsbereicherungsrechtlich sanktioniert123. Canaris betont, daß die von ihm vorgeschlagene Bestimmung des Zuweisungsgehalts von kondiktionsgeschützten Positionen keine Rückkehr zur Rechtswidrigkeitstheorie bedeute124. Dogmatisch ergebe sich dies bereits daraus, daß nicht auf die Rechtswidrigkeit, sondern auf den objektiven Deliktstatbestand abgestellt werde. Trotz dieses Hinweises ist festzustellen, daß die von Canaris verfochtene Theorie des Gleichlaufs der Anwendungsbereiche von Deliktsrecht und Eingriffskondiktion der Rechtswidrigkeitstheorie sehr nahe steht. Bei näherem Hinsehen entpuppt sich diese Abgrenzung als eine in Verkleidung der Zuweisungsgehaltstheorie auftretende Variante der Rechtswidrigkeitslehre. Weil dies so ist, treffen auf diese Theorie die Einwände zu, die bereits oben in Bezug auf die Rechtswidrigkeitslehren erhoben wurden125. Insbesondere ist hier darauf hinzuweisen, daß es nicht zutreffend ist, aus dem Umstand, daß ein Verhalten rechtswidrig ist, weil es den Interessenbereich eines anderen verletzt hat, zu schließen, daß Erträge eines solchen Verhaltens auch dann im Wege der Eingriffskondiktion abgeschöpft werden sollen, wenn der Rechtsverletzer schuldlos handelt. Aus der Tatsache, daß das Deliktsrecht ein wirtschaftlich wertvolles Interesse einer Person schützt, folgt nicht, daß der Gegenstand dieses Interesses der Person auf eine Weise zugeordnet ist, daß die Ergebnisse einer Nutzung des Gegenstandes durch einen Dritten dem Interessierten gebühren. Als Beispiel sei hier auf den Schutz des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses nach § 17 U W G hingewiesen. Nach dieser Vorschrift werden bestimmte Verhaltensweisen bestraft, durch die sich ein Unbefugter ein Betriebsgeheimnis beschafft und dieses nutzt. Bei einem Betriebsgeheimnis handelt es sich um Informationen, die nur einem bestimmten Personenkreis bekannt sind. Der Schutz der Information, die den Gegenstand des Betriebsgeheimnisses bildet, ist in mehrfacher Hinsicht begrenzt: - sie ist nur insoweit geschützt, als sie geheim ist; - weiterhin tritt die Strafbarkeit nur dann ein, wenn bestimmte Methoden angewandt wurden, mit denen sich der Rechtsbrecher die geheime Information beschafft. Daraus ergibt sich, daß dem Inhaber eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses nicht die Information zum ausschließlichen Haben und Nutzen unter Ausschluß von Dritten zugewiesen ist. Die Information ist vielmehr nur insoweit geschützt, als sie geheim ist, von bestimmten Personen weitergegeben (§ 17 I U W G ) bzw. auf bestimmte Art erlangt (§ 17 II Nr. 1 U W G ) bzw. verwertet (§17 11 Nr. 2 U W G ) wurde. Das Gesetz mißbilligt also bestimmte 122 123 124 125

Larenz/Canaris, SchR II/2, § 69 I 2g). Larenz/Canaris, SchR II/2, § 69 I 2g). Larenz/Canaris, SchR II/2, § 69 I lc). Siehe oben Kapitel I § 4 III.

§ Ii Der Zuweisungsgehalt

in der wissenschaftlichen

Diskussion

385

Verhaltensweisen bei der Beschaffung von Informationen, die im Wettbewerb von Bedeutung (und wertvoll) sind. Auch wenn eine Information in einer Weise erlangt wurde, die gegen § 17 U W G verstößt, so kann dies doch keinen Anspruch aus Eingriffskondiktion begründen, weil der Information kein Zuweisungsgehalt innewohnt. Jedermann kann sie sich beschaffen und sie nutzen, wenn er es nur auf eine Weise tut, die nicht gegen § 17 U W G verstößt. Trotz der Beschränkung des eingriffsbereicherungsrechtlichen Schutzes wettbewerblich errungener Positionen durch die Wertung des § 1 GWB, wonach wettbewerbsbeschränkende Abreden verboten sind, führt die Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion durch die A n k n ü p f u n g an die Reichweite des Deliktsschutzes zu einem im Verhältnis zur Handlungsfreiheit des unverschuldet handelnden Rechtverletzers zu weiten Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion. Diese Auffassung ist daher abzulehnen.

4. Die Eingriffskondiktion als Funktion der Realisierung rechtlicher Zweckprogramme: Wirtschaftliches Bereicherungsrecht In einer breit angelegten Untersuchung, die die wirtschaftsrechtlichen Bezüge des Leistungs- und Eingriffsbereicherungsrechts mit einbezieht, kommt Joerges zu dem Ergebnis, daß weder Rechtswidrigkeitslehren noch die Zuweisungsgehaltstheorie in der Lage seien, die Anforderungen zu bewältigen, die auf G r u n d einer sich stark verändernden Produktions- und Distributionssphäre für das Bereicherungsrecht entstanden sind. Dabei macht er auf die N o t w e n digkeit zur Entwicklung materieller Kriterien f ü r die Bereicherungstatbestände aufmerksam, um dem durch die sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen hervorgerufenen Funktionswandel des Bereicherungsrechts gerecht zu werden 126 . Solche Kriterien wären entbehrlich, wenn es im Bereicherungsrecht lediglich u m den technischen Vollzug von vorgelagerten Entscheidungen, etwa der Rechtsgeschäftslehre oder des Vertragsrechts, ginge. Die Grenzen, an die privatautonomes Handeln des Einzelnen in der immer komplizierter werdenden Produktions- und Distributionssphäre stößt, seien auch im Bereicherungsrecht zu beachten. So sei es bei der Leistungskondiktion nicht mehr angemessen, die Risikoverteilung mit der Auswahl des Vertragspartners zu verknüpfen, wenn Leistungen immer stärker auf hintereinandergeschalteten Verträgen beruhten, die zwar im funktionellen Verbund stünden, die aber nicht mehr von einem der Beteiligten allein beherrscht würden. „Indessen nötigt offenbar gerade die zum Normalfall gewordene Situation bei der arbeitsteiligen Erbringung von Leistungen zur Ausbildung materialer Entscheidungskriterien. ... Das Leistungsbereicherungsrecht läßt sich deshalb nicht mehr als bloße Rückabwicklungstechnik verstehen, sondern muß die Verteilung der Risiken des 126

Joerges, Bereicherungsrecht als Wirtschaftsrecht, 40 ff.

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Kapitel III: Zuweisungsgebalt

kondiktionsgescbützter

Rechte

Leistungsaustauschs übernehmen. Aber es kann dabei nicht bei einem Ausgleich der individuellen Interessen stehen bleiben. Weder sind die in den Fällen der arbeitsteiligen Leistungserbringung verfolgten Interessen einfach kongruent, noch die Chancen zur Interessendurchsetzung gleichmäßig verteilt. ... Es handelt sich vielmehr um ein allgemeines Folgeproblem der ,Dissoziierung von Haben und Können', also der Verlagerung von Marktmacht auf Organisationen ,.." 127 . Die Erforderlichkeit materialer Kriterien für Voraussetzung und Rechtsfolgen der Kondiktion sieht Joerges aber nicht nur bei der Leistungskondiktion, sondern mit gleicher Dringlichkeit auch bei der Eingriffsbereicherung. Für den im Zusammenhang dieser Untersuchung interessierenden Bereich der Eingriffskondiktion konstatiert Joerges, daß der Rückbezug auf das ,„subjektiv-dingliche" Recht und die Bewertung dieser privaten Rechte durch den Markt in der „Eigentumsmarktgesellschaft", für die C.F. v. Savigny sein Bereicherungsrecht konzipiert habe, adäquat gewesen sei; dies gelte aber unter den veränderten Funktionsbedingungen, denen subjektive Rechte und damit auch die Eingriffskondiktion in der mixed economy unterworfen seien, nicht mehr. Die mixed economy sei dadurch gekennzeichnet, daß sie in ordnungspolitischer Hinsicht für die wettbewerblichen Implikationen, die absolute subjektive Rechte mit sich bringen, sensibilisiert sei. Die Gewährung absoluter subjektiver Rechte - wie z.B. der Immaterialgüterrechte - führe im gewerblichen Bereich zur Herausbildung von Marktmacht, die aus Gründen des Schutzes des Wettbewerbs als Institution ebenso wie des Schutzes der anderen Marktteilnehmer der Kontrolle zur Verhinderung von Mißbrauch bedürfe. Dadurch würden die subjektiven Rechte aus dem ausschließlich privaten Bereich der Zuteilung von Handlungs- und Verfügungsrechten herausgehoben. Die Zuordnung solcher Berechtigungen bedürfe der ordnungspolitischen Legitimation. Daraus zieht Joerges folgerichtig den Schluß, daß dann auch der Anspruch aus Eingriffskondiktion, wenn er, wie dies durch die Zuweisungsgehaltslehre geschieht, auf das absolute subjektive Recht gegründet wird, seine Funktion als rein privater Rechtsschutz verliere, sondern wirtschaftsrechtliche Relevanz gewinne. Dies gelte nicht nur für die Anwendung der Eingriffskondiktion und der sogenannten dreifachen Schadensberechnungsmethode im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes, sondern auch dort, wo es um die Abschöpfung von Vorteilen gehe, die durch die Nutzung fremder Sachen oder Dienstleistungen erlangt worden seien. Für Joerges führt diese Entwicklung zu tiefgreifenden Konsequenzen für die Legitimität der Anspruchsgewährung im Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion. Insbesondere die Abschöpfung von Vorteilen aus unbefugter Nutzung fremder Sachen und Dienstleistungen zeige deutlich, daß für die Begründung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion nicht mehr auf die spezifische Qualität des absoluten subjektiven Rechts verwiesen werden könne; die Anspruchsgewährung müsse vielmehr auf materiale Kriterien gestützt werden, welche wiederum aus den jeweiligen Zwecken der geschützten Positionen zu entwickeln seien. 127

Joerges, Bereicherungsrecht als Wirtschaftsrecht, 40 f.

§ 15 Der Zuweisungsgehalt in der wissenschaftlichen Diskussion

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D e r sich in der Erweiterung des Schutzbereichs zeigende Funktionswandel des Eingriffsbereicherungsrechts führe zu bedenklichen Ergebnissen. Solange sich der Anspruch aus Eingriffskondiktion allein auf die Rückforderung von Gegenständen richtete, die zuvor schon im Vermögen des Kondizienten vorhanden waren (Vermögensverschiebungstheorie), sei die Anspruchsgewährung unproblematisch gewesen. Bedenken hat Joerges aber dort, w o es - wie bei dem Bereicherungsausgleich im gewerblichen Rechtsschutz und bei der unbefugten Inanspruchnahme fremder Sachen und Dienstleistungen - um die Verteilung neu produzierter Vermögenswerte geht. H i e r übernehme die Eingriffskondiktion die Aufgabe, die wirtschaftlichen Interessen der Inhaber von „Verwertungsmonopolen", die gewerbliche Anbieter sind, abzusichern und die Interessensphären von Konkurrenten im Wettbewerb gegeneinander abzugrenzen. „Die subjektiven Rechte des gewerblichen Rechtsschutzes können nicht einfach als ,Recht, das in sich selbst keinen Ausgleich hat', vorgestellt werden, weil in der mixed economy die Marktmacht, die solche Rechtspositionen gewährt, kontrolliert und ihre wirtschaftspolitischen Funktionen reguliert werden müssen. ... Die Angemessenheit der erweiterten Liquidationstechniken, wie sie von der Rechtsprechung praktiziert und von der Lehre im Ergebnis weitgehend gebilligt werden, ist aber fragwürdig, wenn, wie im Fall der Inanspruchnahme fremder Sachen und Dienstleistungen, die Realisierung von Verwertungsinteressen und, im Fall des Eingriffs in Immaterialgüterrechte und den Wettbewerbspositionen, die Umverteilung neu produzierter Werte zur Debatte stehen. Eingriffskondiktion und dreifache Schadensberechnung übernehmen hier offenbar eine die Interessen gewerblicher Anbieter sichernde und die Interessensphäre von Konkurrenten abgrenzende Funktion" 1 2 8 . Joerges will die wirtschaftspolitischen Funktionen der Eingriffskondiktion aber nicht nur bei der Abgrenzung ihres Anwendungsbereichs berücksichtigen, sondern weist auch auf ökonomische Probleme bei der Rechtsfolge dieser Kondiktionsart hin. D e r Bezug auf Marktpreise zur Bestimmung des Wertes der N u t z u n g eines fremden Rechts oder einer fremden Rechtsposition sei nur dann angängig, wenn sich die Preise - wie im Zustand der vollkommenen K o n k u r r e n z - ohne Beeinflussung durch eine Marktseite im P r o z e ß von Angebot und Nachfrage bildeten. In den meisten Wirtschaftsbereichen seien die Voraussetzungen einer unbeeinflußten Preisbildung jedoch nicht gegeben; die Anbieter verhielten sich eben nicht als reine Mengenanpasser, für die der Preis ein durch das eigene Verhalten unbeeinflußbares D a t u m sei, sondern sie seien in den gegebenen Marktstrukturen in der Lage, den Preis zum Gegenstand „unternehmerischer Politiken" zu machen 1 2 9 . D a m i t sei aber die Legitimation des Marktpreises entfallen, als Grundlage für eine angemessene Vergütung im R a h m e n von § § 8 1 2 1 1 , 2 . Alt., 818 II B G B herangezogen zu werden. A u f die Frage, ob und inwieweit der Bezug auf Marktpreise zur Ermittlung des Wertes

128 129

Joerges, Bereicherungsrecht als Wirtschaftsrecht, 42. Joerges, a.a.O., 43.

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Kapitel III: Zuweisungsgehalt

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einer Nutzung fremder Rechte nach § 818 II B G B zulässig ist, wird unten in Kapitel IV noch näher einzugehen sein. Seine brillante Analyse führt Joerges zu dem Ergebnis, daß weder Rechtswidrigkeits- noch Zuweisungsgehaltstheorie in der Lage seien, Anwendungsbereich und Inhalt der Eingriffskondiktion adäquat zu bestimmen. Immerhin geht auch er von der grundsätzlichen Unterschiedlichkeit von Leistungs- und Eingriffskondiktion aus: Die in beiden Bereichen auftretenden Sachprobleme seien so divergent, daß ihre Integration in eine einheitliche und aussagekräftige Theorie kaum aussichtsreich erscheine130. Soweit es bei der Eingriffskondiktion um die Sicherung des Ertrages aus der unbefugten Nutzung fremder Sachen und Dienstleistungen geht, weist Joerges zu Recht auf die quasi-vertragliche Funktion der Eingriffsbereicherung hin: Der darin liegende Verzicht auf den privatautonom gefaßten Willen als Voraussetzung von Entgeltspflichten sei gerade in Fallkonstellationen entwickelt worden, die durch die Anonymität des sozialen Kontakts gekennzeichnet seien und auch keinen Freiraum für individuelle Gestaltung gelassen hätten131. Die bereicherungsrechtliche Wertvergütung führe zu Grundfragen der ökonomischen Ertragszurechnung. Die Zurechnung von Erträgen über den (ermittelten) Preis setze das Funktionieren des Marktmechanismus voraus, eine Voraussetzung, die in weiten Bereichen zweifelhaft sei. Hier fehlten noch weitergehende Untersuchungen der Zusammenhänge von Ökonomie und Recht. Allerdings seien Rechtsprechung und Lehre nicht ein für allemal auf den dogmatischen status quo bis zu dem Zeitpunkt festgelegt, an dem solche Untersuchungen vorlägen. Anhaltspunkte für eine sinnvolle dogmatische Ausgestaltung ließen sich aus der Rechtsprechung herleiten: Der Verweis auf die produktive Funktion subjektiver Rechte reiche zur Begründung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion bei der unbefugten Inanspruchnahme nicht aus, weil mangelnde Differenzierung nach der Art der in Anspruch genommenen Leistungen (privat, gewerblich, öffentlich) wirtschafts- und sozialpolitische Folgen außer Betracht ließe. Die notwendige Berücksichtigung solcher Folgewirkungen setze aber voraus, daß der bereicherungsrechtliche Schutz nicht als bloßes technisches Hilfsmittel für die Realisierung von durch absolute subjektive Rechte gesicherte Erwerbsansprüche aufgefaßt, sondern als Mittel zur Verwirklichung eines mit dem jeweiligen subjektiven Recht verbundenen Zweckprogramms verstanden werde. Im Vergleich zur Zuweisungsgehaltstheorie, wie sie von Wilburg und v. Caemmerer entwickelt wurde, bringe dieser Ansatz eine erhebliche Verschärfung der Begründungslast für die Anspruchsgewährung mit sich: Es müsse diejenige public policy dargelegt werden, die einen besonderen Schutz der in Frage stehenden Positionen erfordere. Dabei müßten im Rahmen der Regelungsfunktionen der Positionen eben auch die Handlungsfreiheiten Dritter angemes-

130 131

Joerges, Joerges,

Bereicherungsrecht als Wirtschaftsrecht, 62. a.a.O., 67.

$ Ii Der Zuweisungsgehalt

in der wissenschaftlichen

Diskussion

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sen berücksichtigt werden. Die Zwecke der Zuordnung exklusiver Positionen und ihres Schutzes bilden auch das Kriterium für den bereicherungsrechtlichen Schutz in den Bereichen, die über die unbefugte N u t z u n g von fremden Sachen und Dienstleistungen hinausgehen. Angesprochen ist damit der Sektor der Immaterialgüterrechte und der Positionen, die sich aus den Regeln des U W G ergeben 1 3 2 . A u c h hier vermißt Joerges eine Offenlegung der ökonomischen Determinanten, die für die Anerkennung der dreifachen Schadensberechnungsmethode und der Eingriffskondiktion bestimmend sind. Eine A u s d e h n u n g des bereicherungsrechtlichen Güterschutzes auf diese Positionen sei deshalb zu rechtfertigen gewesen, weil die Immaterialgüterrechte und die Rechtspositionen nach dem U W G ebenso w i e die sonstigen absoluten subjektiven Rechte als die exklusive Zuweisung von Erwerbsberechtigungen hätten gedeutet w e r den können. Bei einer solchen Vorgehensweise seien indes fundamentale ökonomische Fragestellungen aus dem Blickfeld geraten: nämlich das Spannungsverhältnis von wirtschaftlicher Betätigungsfreiheit, genauer: Wettbewerbsfreiheit einerseits und der Zuordnung ausschließlicher Handlungs-, N u t z u n g s - und Verfügungsrechte andererseits. Der gewerbliche Rechtsschutz stehe vor der bis heute nicht bewältigten Aufgabe, sich ordnungspolitisch und wettbewerbstheoretisch in das Wettbewerbsrecht einzupassen. „Die wirtschaftliche Problematik der Traditionen des gewerblichen Rechtsschutzes ist indessen seit Erlaß des GWB zunehmend offenbar geworden. Es zeigten sich nun ,Antinomien' zwischen dem Prinzip der Wettbewerbsfreiheit einerseits und der durch die gewerblichen Schutzrechte gewährten Monopolmacht andererseits. Das Recht des gewerblichen Rechtsschutzes stand insgesamt vor der - bis heute nicht bewältigten Aufgabe, sich Wettbewerbs- und wirtschaftspolitisch mit den Anforderungen des Kartellrechts auseinanderzusetzen" I33 . Wegen der im Gefolge der Kunststoffhohlprofil I-Entscheidung 1 3 4 einsetzenden Integration der Immaterialgüterrechte in den Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion und der immer weiter ausgreifenden A n w e n d u n g der dreifachen Schadensberechnungsmethode ist diese Frage auch für die Eingriffskondiktion von grundlegender Bedeutung. In der bereicherungsrechtlichen Literatur ist das Echo auf diese Problematik erstaunlich gering geblieben. Mestmäcker135, der als erster auf das Problem des Verhältnisses von Wettbewerbsfreiheit und ausschließlicher Zuweisung im gewerblichen Rechtsschutz hingewiesen hatte, versucht, über eine restriktive Bestimmung des Kreises der Rechtspositionen mit Zuweisungsgehalt das aufgezeigte Spannungsverhältnis zugunsten der Wettbewerbsfreiheit auf einen möglichst kleinen Bereich zu reduzieren. Joerges vermißt dabei eine wettbewerbstheoretische A n a l y s e zur 132 Joerges, Bereicherungsrecht als Wirtschaftsrecht, 69. Der Verfasser faßt die in Frage stehenden Positionen unter der Bezeichnung dreifache Schadensberechnung zusammen. 133 Joerges, a. a. O., 70. 134 B G H 30.11.1976, B G H Z 68, 90. 135 Mestmäcker, Eingriffserwerb und Rechtsverletzung in der ungerechtfertigten Bereicherung, J Z 1958, 521 ff.

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Kapitel III: Zuweisungsgehalt

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Begründung des bereicherungsrechtlichen Schutzes gerade der Positionen, denen Mestmäcker einen Zuweisungsgehalt zuerkennt 1 3 6 . Darüber hinausgehende Ansätze zur Berücksichtigung wirtschaftsrechtlicher Kriterien bei der Gewährung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion vermag Joerges nicht zu erkennen. A m Beispiel des Patentrechts, des Warenzeichenrechts und der N o r m e n des U W G versucht Joerges zu zeigen, ob und inwieweit die Zwecksetzung des jeweils verletzten Rechts im Rahmen der Wettbewerbsordnung eine Ertragszuweisung erfordert. Im Ergebnis gibt Joerges die Lehre vom Zuweisungsgehalt subjektiver Rechte und ihnen gleichstehender Positionen auf, weil die damit verbundenen, im w e sentlichen auf rein begrifflich-dogmatischer Grundlage operierenden A r g u mentationen nicht geeignet seien, eine tragfähige Legitimation für die Gewährung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion zu liefern. Dieser Ansatz zeigt sich seiner Auffassung nach nicht in der Lage, die wirtschaftsrechtlichen Implikationen, die sich aus dem Verhältnis von Wettbewerbsfreiheit und Exklusivrechten ergeben, bei der Festlegung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion angemessen zu berücksichtigen. Als Ersatz für den abgelehnten Zuweisungsgehalt stellt Joerges nun keine eigene, in sich geschlossene Konzeption für die Bewältigung der im Hinblick auf Anwendungsbereiche, Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen der Eingriffskondiktion zu lösenden Fragen zur Verfügung. Er greift vielmehr für das Problem der Gewährung und auch des Inhalts des Anspruchs aus Eingriffskondiktion unmittelbar auf die Regelungsprogramme zurück, die den geschützten Positionen zugrunde liegen. „Dem entspricht es, wenn in die derart zur konturenlosen Generalklausel erweiterte Zuweisungstheorie die praktischen Ergebnisse der Rechtsprechung überwiegend zustimmend eingepaßt werden, obwohl diese auf einander z. B. ausschließenden Grundlagen beruhen. Die Gründe dieser Kapitulation der Theorie gegenüber der Praxis dürften darin liegen, daß die heutigen Sachprobleme der Eingriffskondiktion sich mit der Zuweisungslehre nicht strukturieren lassen. Deshalb wird hier, . . . , die Abschöpfung von Werten durch die Eingriffskondiktion als Realisierung von Zweckprogrammen verstanden, die für die betroffenen Problembereiche auszuweisen sind" 137 . Den unmittelbaren Zugriff auf die den geschützten Positionen zugrunde liegenden Regelungsprogramme verbindet Joerges mit der Ablehnung sowohl der Rechtswidrigkeitstheorie als auch der Zuweisungsgehaltstheorie. „Dieser Ansatz impliziert die Absage an den Versuch, die Bereicherung in sonstiger Weise aus der Widerrechtlichkeit des Eingriffs zu begründen (...) oder sie als quasinegatorische Beseitigung eines rechtswidrigen Zustands zu interpretieren (...). Solche Vorschläge sind ebenso wie die h. L. deshalb inadäquat, weil sie eine in private Rechtszonen eingeteilte Vermögensrechtsordnung voraussetzen, in der vorweg bestimmt ist, bei wem produzierte Werte anfallen müssen" 138 . 136 137 138

Joerges, Bereicherungsrecht als Wirtschaftsrecht, 70. Alternativkommentar('-/oerges / ), § 812, R z . 50. Alternativkommentarf-/oerges / ), § 812, Rz. 51.

§ 15 Der Zuweisungsgehalt

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Diskussion

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Auf dieser theoretischen Grundlage gelangt Joerges zu einer Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion, die grosso modo derjenigen der entspricht. klassischen Zuweisungsgehaltstheorie (v. Caemmerer/Mestmäcker) Allerdings ergeben sich im Detail einige interessante Abweichungen, auf die hier kurz hingewiesen werden soll. Im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes möchte Joerges entsprechend seines funktionsorientierten Ansatzes die Eingriffskondiktion beim Warenzeichen nur insoweit zulassen, als nachgewiesen werden könne, daß das Warenzeichen „einem wettbewerbspolitisch legitimierbaren Innovationswettbewerb"139 diene. Eher ablehnend verhält er sich gegenüber dem bereicherungsrechtlichen Schutz von Firmen- und Namensrechten. Dieser führe zu einer Absicherung von Besitzständen, die dem Wettbewerbsprinzip und den Interessen der Verbraucher widerspreche140. Ähnlich zurückhaltend wird die Anwendung der Eingriffskondiktion bei Verletzungen von UWG-Normen beurteilt. Grundsätzlich sei dieses Gesetz Wettbewerbs- und verbraucherpolitisch zu interpretieren. Eine Ausdehnung der Eingriffskondiktion etwa auf die Fallgruppe der sklavischen Nachahmung nach § 1 U W G - wie dies hinsichtlich der dreifachen Schadensberechnung durch die Wandsteckdose Ii-Entscheidung 141 geschehen sei - sei nicht hinnehmbar, weil darin eine wettbewerbspolitisch nicht begründbare Einschränkung des Preiswettbewerbs liege142. Lasse sich eine solche Einschränkung hingegen wettbewerbspolitisch begründen - wie dies etwa in der Modeneuheiten-Entscheidung143 der Fall gewesen sei müsse der Anspruch aus Eingriffskondiktion gewährt werden144. Anwendung finden soll die Eingriffskondiktion bei der gewerblichen Inanspruchnahme professionalisierter Arbeitsleistungen145 und generell bei gewerblich erbrachten Dienstleistungen146. Bei der unbefugten Inanspruchnahme fremden Eigentums möchte Joerges die Eingriffskondiktion nur dann zulassen, wenn es sich bei der unbefugten Inanspruchnahme um eine gewerbliche Nutzung handelt147. Die Analyse Joerges' nimmt einen Argumentationsstrang wieder auf, den zuerst Mestmäcker ins Bewußtsein gehoben hatte: nämlich den Zusammenhang von exklusiver Zuweisung von Handlungs-, Nutzungs- und Verfügungsrechten einerseits (und die damit verbundene Stabilisierung und Monopolisierung von Erwerbschancen) und der Handlungsfreiheit im Wettbewerb andererseits. Dieser Zusammenhang ist von wesentlicher Bedeutung dafür, daß der Markt seine allokatorischen Leistungen im Hinblick auf eine effiziente Güternutzung erAlternativkommentar (-Joerges), Alternativkommentar(-/oerges), 141 B G H 8.10.1971, B G H Z 57, 116 142 Alternativkommentar (-Joerges), 143 B G H 19.1.1973, B G H Z 60, 168 144 Alternativkommentar(-/oergesJ, 145 Alternativkommentar(-/oergesJ, schaftsrecht, 67 f. 146 Alternativkommentar(-/oerges), 147 Alternativkommentar(-/oergesJ, 139

140

§ 812, Rz. 67. § 812, Rz. 68. (Wandsteckdose II). § 812, Rz. 70. (Modeneuheit). § 812, Rz. 70. § 812, Rz. 58; Joerges, § 812, Rz. 58. § 812, Rz. 60.

Bereicherungsrecht als Wirt-

392

Kapitel III:

Zuweisungsgebalt

kondiktionsgeschützter

Rechte

bringen kann. Dieser Kontext ist ansonsten in der Diskussion um Reichweite und Inhalt der Eingriffskondiktion sowohl im Rahmen der Rechtswidrigkeitslehre wie auch in der Zuweisungsgehaltstheorie weitgehend verloren gegangen. Die in den genannten Lehren entwickelten Abgrenzungskriterien für den Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion werden fast ausschließlich unter Verwendung begrifflich-dogmatischer Methoden begründet; die ökonomischen Fragestellungen bleiben zumeist vollkommen ausgeblendet. So zutreffend und überzeugend die Einbeziehung ökonomischer - insbesondere wettbewerbstheoretischer - Aspekte durch Joerges auf den ersten Blick sein mag, so erweckt sein Vorgehen bei näherem Hinsehen Bedenken, die auch die von ihm erreichten Ergebnisse in einem zweifelhaften Licht erscheinen lassen. Begrüßenswert ist der Hinweis darauf, daß die Wirkungsweise absoluter subjektiver Rechte, etwa im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes, die Freiheit des Wettbewerbs beschränkt. Bei der im Gesetz offenen (und durch den Gesetzgeber bewußt offen gelassenen Frage), wie weit die Grenzen für die Anwendung der Eingriffskondiktion zu ziehen seien, verlangt dieser Zusammenhang auch Beachtung bei der Gewährung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion. Bereits Mestmäcker hat auf die prinzipielle rechtliche Gleichheit des Ranges der Interessen des Eingreifers an der freien gewerblichen Betätigung und den Belangen des Inhabers eines Ausschlußrechtes am Erhalt der wirtschaftlichen Ergebnisse der Nutzung seines Rechts aufmerksam gemacht148. Diesen Ansatz nimmt Joerges auf und entwickelt ihn weiter 149 . Nach seiner Auffassung sprengt die Beachtung der wirtschaftsrechtlichen Implikationen einer Zulassung der Eingriffskondiktion die dogmatischen Möglichkeiten, die die Zuweisungsgehaltstheorie biete. Für die Abgrenzung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion müsse daher auf die Realisierung von Regelungsprogrammen derjenigen Normen abgestellt werden, die durch den Eingreifer verletzt worden seien150. Die Auffassung von Joerges läßt jedoch in mehrfacher Hinsicht Schwächen erkennen. Der Bezug auf die „Realisierung von Zweckprogrammen" von Normen stellt rechtsdogmatisch gesehen einen Schritt zurück hinter die Zuweisungsgehaltstheorie dar. Wird bereits der Zuweisungsgehaltstheorie eine gewisse Offenheit der Wertung vorgeworfen, welche Rechtsposition einen bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt aufweist, so impliziert der Rückgriff auf die Realisierung von Zweckprogrammen eine vollständige Aufgabe des Anspruchs auf eine dogmatisch-begriffliche Einfassung der Eingriffskondiktion. Die klassische Zuweisungsgehaltstheorie knüpft an die absoluten subjektiven Rechte an; der Lehre von der Realisierung von Zweckprogrammen mangelt es an einer solchen festen Grundlage. Joerges faßt hier neben Anwendungsfällen der Eingriffskondiktion auch Fallgruppen des faktischen Ver148 Mestmäcker, Eingriffserwerb und Rechtsverletzung in der ungerechtfertigten Bereicherung, J Z 1958, 522. 149 Joerges, Bereicherungsrecht als Wirtschaftsrecht, 69 ff. 150 Alternativkommentarf-yoergesj, § 812, Rz. 50 und Vor §§ 812 ff., Rz. 32.

§ 15 Der Zuweisungsgehalt

in der wissenschaftlichen

Diskussion

393

träges und der dreifachen Schadensberechnung zusammen. Ein juristisch faßbarer einheitlicher Leitgedanke fehlt indes; aber auch die Ökonomie liefert keine verläßliche Grundlage zur Erkenntnis der normativen Regelungsprogramme: Joerges selbst beklagt die Defizite der ökonomischen Vorarbeiten für eine wirtschaftsrechtliche Reorientierung der Eingriffskondiktion 151 . Daß er trotz dieser Probleme das inhaltsarme Konzept der Realisierung von Regelungsprogrammen als Kriterium der Anspruchsgewährung bei der Eingriffskondiktion vorschlägt, macht seinen Ansatz nicht überzeugender. Die Verbindung subjektiver Rechte und ihnen gleichstehender Rechtspositionen mit einer - ökonomisch fundierten - public policy öffnet der Willkür des Rechtsanwenders Tür und Tor. Wenn nicht die in der Zuordnung durch das subjektive Recht liegende Erwerbsberechtigung den Anspruch aus Eingriffskondiktion rechtfertigt, sondern erst ein normatives Zweckprogramm, welches seinen Gehalt aus einer „public policy" ableitet152, deren Erkenntnis und Legitimation nicht mehr dargelegt wird und die daher geeignet ist, je nach Bedarf beliebig mit Werten aufgeladen zu werden, die dem Rechtsanwender wichtig erscheinen, kann von einer nachvollziehbaren Abgrenzung der Reichweite der Eingriffskondiktion keine Rede mehr sein. Weiterhin ist die Behauptung unzutreffend, daß Vorarbeiten für eine wirtschaftliche Reorientierung der Eingriffskondiktion fehlten. Die grundlegende ökonomische Fragestellung der Eingriffskondiktion betrifft die Funktion und den Inhalt exklusiver Berechtigungen bei den Tauschprozessen im Rahmen wettbewerblich orientierter Marktwirtschaften und das Verhältnis dieser Ausschließlichkeitsrechte zur Handlungsfreiheit im Wettbewerb. Die Analyse anhand der im Rahmen der neo-klassischen Institutionenökonomik entwickelten Lehre von den Property Rights erweist sich dabei - wie in Kapitel II gezeigt als aufschlußreich: Ohne exklusive Handlungs-, Nutzungs- und Verfügungsrechte können die Gütermärkte ihrer Aufgabe, knappe Güter an den Ort ihrer wertvollsten Nutzung zu leiten, nicht gerecht werden. Zur Frage der ökonomischen Bedeutung von knappen Gütern und ihres Wertes gibt es seit langem ökonomische Untersuchungen 153 . Richtig ist lediglich, daß eine ökonomische Analyse des Rechts der Eingriffsbereicherung selbst bisher noch nicht vorlag. Hinzu kommt, daß im Rahmen von Joerges' theoretischem Ansatz die Bedeutung von Ausschließlichkeitsrechten für das Funktionieren des Wettbewerbs weitgehend außer Betracht bleibt: Lediglich die - fraglos in bestimmten Konstellationen gegebenen - wettbewerbsbehindernden Effekte werden betont 154 . Dies wird dem Verhältnis von Ausschließ151 joerges> Bereicherungsrecht als Wirtschaftsrecht, 68. 152 Joerges, a . a . O . , 68f. 153 So z . B . v. Böhm-Bawerk, Rechte und Verhältnisse vom Standpunkte der volkswirtschaftlichen Güterlehre (1881); v. Weizsäcker, Rechte und Verhältnisse in der modernen Wirtschaftslehre, Kyklos 34 (1981), 345 ff.; die Arbeiten in: Furubotn/Pejovich (Hrsg.), The Economics of Property Rights (1974); Manne, The Economics of Legal Relationships, Readings and the Theory of Property Rights (1975). 154 Joerges, a. a. O., 68 f.

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Kapitel III: Zuweisungsgehalt

kondiktionsgeschützter

Rechte

lichkeitsrechten und Wettbewerbsfreiheit nicht gerecht. Ausweis des meist nicht aufgearbeiteten Verhältnisses von Ausschließlichkeitsrechten und Handlungsfreiheit im Wettbewerb ist die Gleichsetzung der Ausschließlichkeitsrechte mit dem ökonomischen Tatbestand des Monopols 155 . Es wird insinuiert, es handle sich bei den Ausschließlichkeitsrechten um „Verwertungsmonopole" 156 . Diese Gleichsetzung von Ausschließlichkeitsrechten (die sich auf einzelne Gegenstände beziehen) und Monopolen, die die Struktur von Güteroder Faktormärkten betreffen, ist unzutreffend. Gegen die von Joerges entwickelte Auffassung spricht auch, daß die ökonomischen Konzepte und Voraussetzungen, die er in die Entscheidung über die Gewährung eines Anspruchs aus Eingriffskondiktion einbeziehen möchte, durchaus - wie unten gezeigt werden wird - auch in die Zuweisungsgehaltstheorie integriert werden können. Es bedarf daher nicht der Aufgabe der Zuweisungsgehaltstheorie unter Einführung eines so unbestimmten und offenen Topos wie der „Realisierung von Zweckprogrammen", um den Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion in angemessener Weise abgrenzen zu können. Nicht zu billigen ist auch die Auffassung/oerges 5 in Bezug auf die Angemessenheit der vom Rechtsverletzer an den Kondizienten zu zahlenden Lizenzgebühr (§§ 812 I 1, 2. Alt., 818 II BGB). Eine einfache Übernahme am Markt gebräuchlicher Preisstrukturen sei nicht ohne weiteres möglich, weil die Preise auf den realen Märkten nicht mehr von einzelnen Marktteilnehmern unbeeinflußbar durch Angebot und Nachfrage zustande kämen, sondern weithin Gegenstand „unternehmerischer Politiken" seien. Die Verhinderung und Behebung von Dysfunktionen, die sich durch Beschränkungen des Wettbewerbs auf den Güter- und Faktormärkten ergeben, ist Sache des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Es würde zu einer völligen Überlastung des Bereicherungsrechts führen, wenn es die Aufgabe übernehmen müßte, bei einem Versagen des Preismechanismus durch Wettbewerbsbeschränkungen den „gerechten", „angemessenen", „marktüblichen" etc. Preis zu ermitteln, der sich am Markt in Abwesenheit der Wettbewerbsbeschränkung gebildet hätte. Für eine solche Aufgabe ist das Recht der Eingriffskondiktion ebensowenig konzipiert wie die Zivilgerichte, die die Vorschriften der §§ 812ff. BGB im wesentlichen anwenden, dazu geeignet sind, eine solche Aufgabe zu erfüllen, da der Zivilprozeß nicht mit dem zur Bekämpfung von Wettbewerbsbeschränkungen erforderlichen Instrumentarium ausgerüstet ist. Das GWB überläßt die Bekämpfung von Wettbewerbsbeschränkungen aller Art nicht allein der Geltendmachung privatrechtlicher Ansprüche durch Konkurrenten, sondern überträgt die Verhinderung und Beseitigung von Kartellen, Monopolen und marktbeherrschenden Stellungen aus guten Gründen einer spezialisierten Behörde.

155 156

Joerges, Bereicherungsrecht als Wirtschaftsrecht, 72 f. Esser/Weyers, SchR II BT, § 50 I ld).

5 Ii

Der Zuweisungsgehalt

in der wissenschaftlichen

Diskussion

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Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß das Kriterium der „Realisierung von Zweckprogrammen" für die Bestimmung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion ungeeignet ist.

Der Zuweisungsgehalt als marktfähige einer Position

Verwertungsmöglichkeit

Unter den Vertretern der Zuweisungsgehaltstheorie besteht weitgehende Einigkeit darüber, daß jedenfalls den absoluten subjektiven Rechten wie z . B . dem Eigentum und den Immaterialgüterrechten, z . B . dem Patent- und Urheberrecht, Zuweisungsgehalt zukommt 1 5 7 . Die ältere Zuweisungsgehaltslehre wollte den Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion im wesentlichen auf die absoluten subjektiven Rechte bzw. einen Teil dieser Rechte beschränken 158 . Die neuere Literatur zur Eingriffskondiktion, die auf dem Boden der Zuweisungsgehaltslehre steht, ist sich darüber einig, daß auch Rechtspositionen außerhalb der klassischen Herrschaftsrechte durch die Eingriffskondiktion geschützt werden sollten. Daher kann der Begriff des Zuweisungsgehalts nicht mit dem des absoluten subjektiven Rechts gleichgesetzt werden; beide K o n zepte sind nicht deckungsgleich. Wenn der Zuweisungsgehalt nicht die Verbindung zwischen Handlungsbefugnis und Vermögensberechtigung bei absoluten subjektiven Rechten beschreibt, stellt sich das Problem, im Rahmen des Zuweisungsgehaltskonzepts ein Kriterium außerhalb des absoluten subjektiven Rechts zu finden, welches die Abgrenzung von Positionen, die Zuweisungsgehalt aufweisen und damit kondiktionsgeschützt sind, und Positionen, denen diese Eigenschaft fehlt, leistet. Die überwiegende Ansicht im Schrifttum zur Zuweisungsgehaltslehre meint, dieses Kriterium in der anerkannten marktfähigen Verwertungsmöglichkeit der in Frage stehenden Position gefunden zu haben 159 . Diese Aussage wird von der Literatur in sprachlich unterschiedlicher Form ausgedrückt; inhaltliche Differenzen sind damit nicht verbunden. So wird z.T. auf die unbefugte Inanspruchnahme eines fremden Vermögenswerten Rechtsguts, z.T. auf einen Eingriff in ein „Verwertungsmonopol" abgestellt. Schließlich wird der Zuweisungsgehalt auch dadurch definiert, daß der Bereicherungsschuldner sich der Nutzungsund Verwertungsmöglichkeiten des Kondizienten bedient hat, wodurch diesem die Möglichkeit genommen wurde, entgeltlich darüber zu verfügen 160 . Vergleiche dazu Abschnitt II dieses Paragraphen. Siehe etwa Mestmäcker, Eingriffserwerb und Rechtsverletzung in der ungerechtfertigten Bereicherung, J Z 1958, 523 ff.; v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel I, 353ff.; Kaiser, Der Stand der Lehre vom subjektiven Recht im Deutschen Zivilrecht, J Z 1961, 467 ff. 159 So Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 256; Hüffer, Die Eingriffskondiktion J u S 1981,205. 160 M ü K o f - Z i e H § 812, Rz. 208. 157

158

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Kapitel III: Zuweisungsgehalt kondiktionsgeschützter

Rechte

Gewisse Unterschiede bei diesem Ansatz der Ausfüllung des K o n z e p t s des Zuweisungsgehalts ergeben sich aber dennoch: dies gilt vor allem für die wichtige Frage, wer darüber entscheidet, ob eine einer Person zugeordnete Position mit einer marktfähigen Verwertungsmöglichkeit ausgestattet ist. Einerseits wird darauf hingewiesen, daß für Positionen, die - wie etwa bestimmte Persönlichkeitsrechte, die den Schutz der Eingriffskondiktion genießen - rechtlich nicht ausreichend konkret konzipiert sind, die G r e n z e n des Zuweisungsgehalts v o m Markt festgelegt würden 1 6 1 . Wenn sich dort eine Nachfrage nach einem G u t zeige, so ergebe sich daraus der Vermögenswert des Gutes und die „abstrakte Verwertungsmöglichkeit" des Kondizienten, deren Verletzung den B e reicherungsschuldner zur Leistung von Wertersatz verpflichte 1 6 2 . D i e Entstehung von Gütern, die bereicherungsrechtlich geschützt seien, werde nicht allein durch die Wertung der Rechtsordnung determiniert, sondern könne auch das Ergebnis faktischer Entwicklungen sein. „Gefahren für die Wettbewerbsordnung (...) entgeht man, wenn man die Zuweisungslehre von vornherein als Appell zur offenen Wertung der rechtlichen Zuweisungsfunktion von Gütern auffaßt, die durch die Rechtsordnung anerkannt oder gesellschaftlich entstanden sind und als wertvoll empfunden werden" 163 . Demgegenüber warnen andere vor einer „hypertrophen Verselbständigung" des Abgrenzungskriteriums der marktfähigen Verwertungsmöglichkeit: Es würde den Rahmen des Bereicherungsrechts sprengen, wenn die Eingriffskondiktion über die Verknüpfung mit der marktfähigen Verwertungsmöglichkeit einen eigenen normativen Gestaltungsspielraum gewönne 1 6 4 . Das Bereicherungsrecht habe eine dienende Funktion: Sein Ziel sei der Vollzug anderweitig in der R e c h t s o r d nung getroffener Entscheidungen. Diese Wertungen und Entscheidungen seien nicht im Bereicherungsrecht selbst enthalten, sondern müßten in den jeweils in Frage stehenden Regelungsmaterien der Rechtsordnung aufgespürt werden 1 6 5 . Folgende Vorteile des Kriteriums der marktfähigen Verwertungsmöglichkeit werden im Schrifttum hervorgehoben: 1. D i e Kommerzialisierbarkeit einer Position lege die G r e n z e der bereicherungsrechtlich geschützten Vermögenszuweisung fest 1 6 6 . Das Kriterium ermögliche eine interessengerechte und relativ klare Abgrenzung von Positionen, die einzelnen zur ausschließlichen N u t z u n g und Verwertung zugewiesen seien und Positionen, die gemeinfrei seien. 2. Es werde klargestellt, daß bloße Abwehrrechte nicht zur Begründung der Eingriffskondiktion ausreichten. 161 MüKo(-Lieb), §812, Rz. 219; Schlechtriem, Bereicherung aus fremdem Persönlichkeksrecht, FS Hefermehl, 445 ff. (449 f.). 162 UüY^o(-Lieb), § 812, Rz. 219. 163 Erman(-'Westermann), § 812, Rz. 66. 164 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 261; Knieper, Moderne Bereicherungslehren, BB 1991, 1578 ff. (1580). 165 Reuter/Martinek, a.a.O., 262. 166 Reuter/Martinek, a.a.O., 258.

$ IS Der Zuweisungsgehalt

in der wissenschaftlichen

Diskussion

397

3. Das Kriterium zeige die Notwendigkeit auf, bei der Begründung von Rechtspositionen, die zur Zuerkennung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion führen, im Unterschied zum Deliktsrecht Zurückhaltung zu üben. 4. Ü b e r das Kriterium der marktfähigen Verwertungsmöglichkeit könne schließlich im Wettbewerbsrecht die Grenze zwischen wettbewerbsrechtlichen Positionen, die lediglich Ausfluß der Chancengleichheit für alle Wettbewerber seien, und Positionen festgelegt werden, die wegen ihrer „Eigentumsähnlichkeit" kondiktionsbewehrt sein müßten 1 6 7 . Erst wenn eine Position durch den Berechtigten verkauft oder vermietet werden könne, sei die Schwelle zum Anspruch aus Eingriffskondiktion überschritten. Bis zu dieser Schwelle könne ein Profit, den unerlaubter Wettbewerb einem Konkurrenten eingebracht hat, nicht von den Mitbewerbern durch die Eingriffskondiktion abgeschöpft werden. 5. Schließlich leiste das Kriterium der marktfähigen Verwertungsmöglichkeit auch einen Beitrag zur richtigen Erfassung des erlangten Etwas i. S. v. § 812 11 B G B . Die Bezugnahme auf das angemessene Entgelt mache deutlich, daß die in Anspruch genommene Position einen Wert aufweise und wie hoch dieser Wert zu veranschlagen sei 168 . Zugleich liegt in dieser Bezugnahme eine Absage an die von Teilen des Schrifttums zum Bereicherungsrecht verfochtene bereicherungsrechtliche G e winnherausgabe 1 6 9 . Das Kriterium der marktgängigen Verwertungsmöglichkeit, das zur K o n kretisierung des Konzepts des Zuweisungsgehalt herangezogen wird, erlaubt die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion über den Kreis der gesetzlich fixierten absoluten subjektiven Rechte hinaus. Es überrascht daher wenig, daß der Rahmen der zuweisungsgehaltsfähigen Positionen von den Verfechtern des Kriteriums der marktfähigen Verwertungsmöglichkeit weiter gezogen wird als von den Stimmen des Schrifttums, die sich auf das absolute subjektive Recht stützen 1 7 0 . Neben dem unstrittigen Kondiktionsschutz von Eigentum und Immaterialgüterrechten soll die Eingriffskondiktion auch bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts 1 7 1 Anwendung finden. Meinungsunterschiede gibt es bei der Anerkennung der marktfähigen Verwertungschancen bei anderen Positionen. So lehnt ein Teil des Schrifttums das Vorliegen marktfähiger Verwertungschancen beim Recht auf den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb generell ab, während ein anderer Teil der Literatur in differenzierenReuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 259. Reuter/Martinek, a. a. O., 260. 169 Reuter/Martinek, a. a. O., 260. 170 Reuter/Martinek, a. a. O., 275 ff.; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 81 ff.; Staudinger(-Lorenz), Vorbem. zu §§ 812, Rz. 72. 171 Reuter/Martinek, a. a. O., 266 ff.; Schlechtriem, Bereicherung aus fremdem Persönlichkeitsrecht, FS Hefermehl, 445 ff.; MüKo(-Lieb), § 8 1 2 , Rz. 219; Koppensteiner/Kramer, a.a.O., 82. 167 168

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Kapitel III: Zuweisungsgehalt kondiktionsgeschützter

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der Betrachtung den Anspruch aus Eingriffskondiktion bei einem Eingriff in bestimmte Fallgruppen dieses Rechts zuerkennen will 1 7 2 . In diesem Zusammenhang wird vorgeschlagen, denjenigen Fallgruppen des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb Kondiktionsschutz zu gewähren, die - wie der Schutz berühmter Marken - Ähnlichkeit mit dem Schutz von Immaterialgüterrechten aufwiesen 1 7 3 . Mit ähnlicher Begründung läßt diese Variante der Zuweisungsgehaltslehre auch die Anwendung der Eingriffskondiktion bei der Verletzung bestimmter Positionen des U W G zu. Es sei zu differenzieren zwischen Positionen, die sich zu einem geldwerten Vermögensbestandteil verfestigt hätten, und solchen Stellungen, die lediglich die Chancengleichheit aller Wettbewerber schützten. N u r die erstgenannten Positionen wiesen einen Zuweisungsgehalt auf, denn nur bei ihnen hätte der Inhaber der Position die Inanspruchnahme durch den K o n diktionschuldner gegen Entgelt gestatten können. „Das Abgrenzungskriterium der anerkannten marktfähigen Verwertungsmöglichkeit muß auch hier die Schwelle markieren, von der an die UWG-Vorschriften, die grundsätzlich keine Ausschließlichkeitsrechte gewähren, Rechtspositionen schaffen, die für den Berechtigten gegenüber Dritten einen den Immaterialgüterrechten ähnlichen Schutz genießen müssen. Wird ein Wettbewerbsverstoß in einer Weise beeinträchtigt, die er hätte gegen Entgelt gestatten können, so hat die Rechtsordnung seine Wirtschaftsposition zum verwertungsfähigen Vermögensbestandteil verfestigt, die den Schutz der Eingriffskondiktion genießt" 174 . Dies soll der Fall sein bei Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, die durch § 17 U W G geschützt sind, ebenso bei den Modellen, Verfahren und Vorlagen, deren Schutz nach § 18 U W G gewährleistet ist. Demgegenüber schützen nach dieser Auffassung die §§ 3 - 1 2 U W G keine Positionen, die einem Immaterialgüterrecht ähnelten und deshalb nicht mit Zuweisungsgehalt ausgestattet seien. Dies treffe regelmäßig auch bei den Positionen zu, die Rechtsprechung und Schrifttum aus § 1 U W G entwickelt hätten: „Beim gezielten Kundenfang, dem Ausspannen von Arbeitskräften, der sklavischen Nachahmung, der herabsetzenden Werbung weist die Unmöglichkeit einer marktfähigen Verwertung über die geschützte Position auf deren mangelnde Ähnlichkeit zum subjektiven Herrschaftsrecht mit Zuweisungsfunktion hin" 1 7 5 . L o r e n z hingegen will die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion bei der Verletzung von Vorschriften des U W G dann zulassen, wenn die verletzte N o r m individualschützenden Charakter besitzt und auf einer den subjektiven R e c h t e n angenäherten Schutzposition beruht. In diesem R a h m e n sieht er die Anwendung der Eingriffskondiktion auch bei Positionen nach § 1 U W G wie 172 Ablehnend: MüKo(-Lieh), § 812, Rz. 217; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 270; bejahend: Staudinger(-Lorenz), Vorbem. zu §§ 812ff., Rz. 72. 173 Siehe Kleinheyer, Rechtsgutsverwendung und Bereicherungsausgleich, JZ 1970, 476. 174 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 280. 175 Reuter/Martinek, a.a.O., 281.

§ lß Der Zuweisungsgehalt in der wissenschaftlichen

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z . B . dem gezielten Kundenfang, dem Ausspannen fremder Arbeitskraft, herabsetzender Werbung und der sklavischen Nachahmung 1 7 6 . D i e Anknüpfung an die anerkannte marktfähige Verwertungsmöglichkeit einer Position bildet einen durchaus vielversprechenden Ansatz zur K o n k r e t i sierung des Konzepts des Zuweisungsgehalts und hat sich in dem Teil des modernen Schrifttums, das auf der Grundlage des Zuweisungsgehaltsgedankens steht, auch weitgehend durchgesetzt. In Teilen der Literatur wird darauf verwiesen, daß diese Abgrenzung bereicherungsrechtlich geschützter Positionen mittlerweile auch von der Rechtsprechung rezipiert worden sei 1 7 7 . Wenn auch Entscheidungen nachweisbar sind, deren tragende Gründe durchaus Anklänge an das Kriterium der anerkannten marktfähigen Verwertungsmöglichkeit erkennen lassen, so wird doch auch deutlich, daß die Rechtsprechung sich inzwischen zur Lehre vom Zuweisungsgehalt bekennt, es aber vermeidet, sich ausdrücklich einer bestimmten Lehrmeinung zur Ausfüllung des Konzepts des Zuweisungsgehalts anzuschließen. So ist in der Forschungskosten-Entscheidung des B G H , die - für die Verhältnisse der höchstrichterlichen Rechtsprechung - in ausführlicher Weise zum K o n z e p t des Zuweisungsgehalts Stellung nimmt, davon die Rede, daß eine Eingriffskondiktion nur statthaft sei, wenn „... der Schuldner sich eine geschützte Rechtsposition des Gläubigers zu eigen macht, deren Nutzen ihm ohne die Gestattung des Rechtsinhabers in rechtmäßiger Weise nicht zukäme. Im Immaterialgüterrecht wird ein Bereicherungsausgleich gewährt, wenn in den Zuweisungsgehalt eines Rechtsguts eingegriffen wird, dessen wirtschaftliche Verwertung dem Gläubiger vorbehalten ist. Rechtlicher Anknüpfungspunkt der Bereicherungshaftung ,in sonstiger Weise' ist dabei die Verletzung einer solchen Rechtsposition, die nach dem Willen der Rechtsordnung dem Berechtigten zu dessen ausschließlicher Verfügung und Verwertung zugewiesen ist" 1 7 8 . H i e r nimmt das Gericht sowohl auf die Ausschließlichkeit der N u t z u n g s und Verfügungsbefugnis des Rechtsinhabers Bezug, was auf die subjektiven Herrschaftsrechte hindeutet, als auch auf die wirtschaftliche Verwertung, die dem Gläubiger vorbehalten ist. Das Gericht integriert beide Ansätze zur K o n kretisierung des Zuweisungsgehalts der in Frage stehenden Position. Es ist daher unrichtig, die höchstrichterliche Rechtsprechung für die anerkannte marktfähige Verwertungschance als alleiniges Abgrenzungskriterium bei der Feststellung der Zuweisungsgehaltsfähigkeit einer Rechtsposition in Anspruch zu nehmen. Das Kriterium der anerkannten marktfähigen Verwertungsmöglichkeit ist im Schrifttum nicht ohne Kritik geblieben. So wird gegen das Kriterium eingewendet, daß es in Wirklichkeit dabei nicht um eine Konkretisierung des Zuweisungsgehalts gehe, sondern um eine Beschränkung der Ersatzfähigkeit 1 7 9 . 176 177 178 179

Staudinger(-Lorenz), Vorbem. zu §§ 812ff., Rz. 71. Reuter / Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 256. BGH 9.3.1989, BGHZ 107,117ff. (120). Larenz/Canaris, SchR II/2, § 69 I ld).

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Kapitel III: Zuweisungsgehalt kondiktionsgeschützter

Rechte

Darüber hinaus müsse der maßgebliche Gesichtspunkt des Zuweisungsgehalts in einer rechtlichen Wertung liegen; der Markt als reines Faktum sei von vornherein zur Bestimmung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion ungeeignet180. Dies zeige sich am Beispiel der Prostitution: zwar sei dafür ein Markt fraglos vorhanden, dennoch bestehe hier keine Grundlage für eine Eingriffskondiktion. Andererseits stehe es einem Rechtsgutsinhaber frei, die Nutzung eines Gutes auch dann nur gegen Entgelt zu gestatten, wenn (bisher) dafür kein Markt bestehe. Dann sei mangels eines Marktpreises ein angemessenes Entgelt als Wertersatz zu bezahlen 181 . Dieser Kritik kann zum Teil nicht gefolgt werden. Es ist die Funktion des Konzepts des Zuweisungsgehalts, die Positionen, die den Schutz der Eingriffskondiktion genießen sollen, weil der Bereicherungsgläubiger etwas „auf Kosten" und „ohne Rechtsgrund" vom Kondizienten erlangt hat, von denjenigen Positionen, denen ein solcher Schutz nicht gewährt wird, weil sie nur die gleiche Handlungsfreiheit aller Bewerber am Markt schützen bzw. Güter betreffen, deren Nutzung und Verwertung nicht einem Rechtsinhaber unter Ausschluß aller anderen zugewiesen ist, abzugrenzen. Die Inhaltsbestimmung des Zuweisungsgehalts impliziert also auch immer die Abgrenzung dieser beiden Bereiche. Der Einwand von Canaris, daß es sich nicht um eine Inhaltsbestimmung, sondern um eine Einschränkung der Ersatzfähigkeit handele, geht also an der Sache vorbei. Ernster zu nehmen ist dagegen der zweite Einwand: daß es für die Bestimmung der Reichweite der Eingriffskondiktion auf die rechtliche Wertung und nicht (allein) auf den faktischen Austausch eines Gutes auf einem Markt ankomme. Dem ist im Grundsatz zuzustimmen, wird von den Verfechtern des Kriteriums der marktfähigen Verwertungsmöglichkeit aber - soweit ersichtlich - überhaupt nicht bestritten. Bedenken erweckt vielmehr ein anderer Punkt: es geht nicht darum, ob der Markt als Faktum zur Abgrenzung der Reichweite der Eingriffskondiktion geeignet ist. Zu klären ist vielmehr, ob Positionen, die zwar nicht - wie absolute subjektive Rechte - in umfassender Weise rechtlich gegen den Zugriff Dritter abgesichert sind, aber doch faktisch ausschließlich ihrem Inhaber vorbehalten sind, einen Zuweisungsgehalt aufweisen. Als Beispiel sei hier auf das Know-How hingewiesen; darunter sind Kenntnisse und Erfahrungen technischer, kaufmännischer, administrativer, finanzieller oder anderer Art zu verstehen, die bei dem Betrieb eines Wirtschaftsunternehmens oder der Ausübung eines Berufes angewandt werden182. Es handelt sich dabei um Informationen, die nicht durch ein Immaterialgüterrecht geschützt sind. Sie können geheim sein; die Geheimniseigenschaft ist allerdings nicht Voraussetzung dafür, bestimmte Informationen als Know-How zu qualifizieren183. 180 181 182 183

Larenz/Canaris, SchR U/2, § 69 I ld). Larenz/Canaris, SchR II/2, § 69 I ld). Siehe Stumpf, Der Know-How-Vertrag, 27 m.w. H. Stumpf, a. a. O., 27.

§ 15 Der Zuweisungsgehalt

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Diskussion

401

Wenn jemand über geheimes K n o w - H o w verfügt, welches bei keiner anderen Person vorhanden ist, so ist er in der Lage, die geheime Information zu nutzen, zu veräußern oder in jeder sonstigen von ihm gewünschten Weise zu verwenden. Allerdings beruht die Alleinstellung des Wissensinhabers allein darauf, daß die Information keiner weiteren Person bekannt ist. Die Information als solche - so wertvoll sie auch sein mag - ist rechtlich nicht allein dem Wissensinhaber vorbehalten. Dies wäre nur dann der Fall, wenn er sich sein Wissen hätte als Erfindung patentieren lassen oder es gebrauchsmusterrechtlich hätte schützen lassen. Wenn ein anderer diese Information erlangt, sei es rechtmäßig (z. B. entdeckt er ein bestimmtes technisches Verfahren selbst) oder auch rechtswidrig erwirbt (etwa durch Bestechung eines Angestellten des Wissensinhabers), so fragt sich, ob der Wissensinhaber gegen den unbefugten Nutzer einen Anspruch aus Eingriffskondiktion erwirbt. Die Beantwortung dieser Frage hängt davon ab, ob dem K n o w - H o w ein Zuweisungsgehalt innewohnt. Legt man das Kriterium der anerkannten marktfähigen Verwertungsmöglichkeit an, wird man den Zuweisungsgehalt des K n o w - H o w bejahen müssen. Der Inhaber des K n o w - H o w kann die Nutzung des Wissens einem anderen durch Lizenzvertrag gegen Entgelt gestatten 184 . Die Position ist von der Rechtsordnung jedenfalls insoweit anerkannt, als die Schaffung, Nutzung und Nutzungsüberlassung von K n o w - H o w nicht verboten ist. Dennoch bleiben trotz der Marktfähigkeit des K n o w - H o w Bedenken hinsichtlich seines Zuweisungsgehalts bestehen: Bringt sich ein Konkurrent des Wissensinhabers durch unerlaubte Handlung in den Besitz der Information, so verletzt er möglicherweise § 1 7 U W G und setzt sich strafrechtlichen Sanktionen und/oder einem Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch aus. Diese Ansprüche sind eine Sanktion gegen das mißbilligte Verhalten, durch das sich der Rechtsverletzer in Besitz der Informationen gesetzt hat; diese rechtliche Wertung impliziert aber keine juristisch fixierte alleinige Nutzungs- und Verwertungsbefugnis des Wissensinhabers an den Informationen. Die Alleinstellung des Wissensinhabers beruht lediglich auf einem Faktum: nämlich auf dem Umstand, daß die Information geheim ist. Trotz der Marktfähigkeit ist daher die Anwendung der Eingriffskondiktion bei der Verletzung von K n o w - H o w abzulehnen, weil das K n o w - H o w seinem Inhaber nicht von der Rechtsordnung zur alleinigen Nutzung und Verwertung zugewiesen ist, und damit nicht über den zur Anwendung der Eingriffskondiktion erforderlichen Zuweisungsgehalt verfügt. Hinzu kommt, daß auch das Kriterium der anerkannten marktfähigen Verwertungsmöglichkeit einer Position zur Ausfüllung des Zuweisungsgehaltskonzeptes nicht zu einer unzweideutigen, zweifelsfreien und einheitlichen Abgrenzung der Reichweite in der Eingriffskondiktion führt. Dies zeigt bereits ein Vergleich der Ergebnisse, zu denen die Stimmen im Schrifttum hinsichtlich der Reichweite der Eingriffskondiktion gelangen, die den Zuweisungsgehalt 184

Stumpf, Der Know-How-Vertrag, 41 ff.

402

Kapitel

III:

Zuweisungsgehalt

kondiktionsgeschützter

Rechte

von Positionen anhand des Kriteriums der marktfähigen Verwertungsmöglichkeit konkretisieren wollen. Die dabei auftretenden Divergenzen liegen insbesondere auf dem Gebiet der Positionen, die durch Normen des UWG begründet werden185. Andererseits ist der Auffassung, die die marktfähige Verwertungschance bei der Ausfüllung des Zuweisungsgehaltsbegriffs in den Mittelpunkt stellt, zuzugestehen, daß das Fehlen einer Verwertungsmöglichkeit das Vorliegen eines Zuweisungsgehalts ausschließen kann. So fehlt es etwa öffentlichen Gütern, die nicht knapp sind, an einer marktfähigen Verwertungsmöglichkeit, da sie allen Wirtschaftssubjekten zugänglich sind. Im Ergebnis ist daher festzustellen, daß das Kriterium der marktfähigen Verwertungsmöglichkeit zwar eine notwendige, nicht aber eine hinreichende Voraussetzung für den bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt statuiert: die Nutzung eines Gutes muß auch durch andere Personen als den Inhaber möglich sein. Ob dem Gut aber ein Zuweisungsgehalt innewohnt, hängt nicht nur davon ab, daß der Inhaber faktisch andere von der Nutzung ausschließen kann, sondern wesentlich auch davon, ob er rechtlich eine ausschließliche Position an dem fraglichen Gut besitzt.

185

Siehe dazu ausführlich unten § 27 II.

§ 1 6 Funktion und Inhalt des Zuweisungsgehaltsbegriffs Die Übersicht über die Versuche des Schrifttums und der Rechtsprechung, den für die Abgrenzung der Reichweite der Eingriffskondiktion zentralen Begriff des Zuweisungsgehalts mit Inhalt zu füllen und dogmatisch handhabbar zu machen, hat zweierlei gezeigt: 1. Im Rahmen des Konzepts des Zuweisungsgehalts sind unterschiedliche Kriterien entwickelt worden, um Positionen mit Zuweisungsgehalt von Stellungen ohne einen solchen abzugrenzen. 2. Die Verwendung dieser Kriterien führt dazu, daß im Rahmen der Zuweisungsgehaltstheorie unterschiedliche Ergebnisse hinsichtlich der Reichweite der Eingriffskondiktion erzielt werden. Auch weisen die divergenten Kriterien im Hinblick auf die Funktion des Begriffs des Zuweisungsgehalts Defizite auf, die oben bereits näher behandelt wurden. Festzuhalten ist, daß es sich letztlich bei der Konkretisierung des Konzepts des Zuweisungsgehalts um eine Wertungsfrage handelt, die nur unter Rückbezug auf die Funktion der Eingriffskondiktion im Rahmen des bürgerlichen Vermögensrechts entschieden werden kann. Betrachtet man die Versuche einer Konkretisierung des Zuweisungsgehalts und ihre Defizite, so bleibt festzustellen, daß es eine vordringliche Aufgabe der Dogmatik des Bereicherungsrechts ist, dafür sachlich angemessene Kriterien zu entwickeln. Dieser Aufgabe gelten die folgenden Ausführungen.

I. Die Funktion der Eingriffskondiktion im bürgerlichen Vermögensrecht Ausgangspunkt aller Überlegungen zu Inhalt und Grenzen des Begriffs des Zuweisungsgehalts muß die Funktion der Eingriffskondiktion im System des bürgerlichen Vermögensrechts sein. Wie in Kapitel II ausführlich begründet, dient die Eingriffskondiktion in den praktisch wichtigen Fällen der unbefugten Nutzung fremder Sachen und Rechte als Auffangordnung bei einem Versagen des Kontraktmechanismus. Es ist die Aufgabe des Marktes in einer wettbewerblich orientierten Marktwirtschaft, durch Tauschvorgänge knappe und damit wertvolle Güter an den O r t ihrer am höchsten bewerteten Nutzung zu transferieren. Die dabei zwischen den Parteien ausgehandelten Preise indizieren sowohl den Grad an Knappheit wie auch den Wert der Nutzung des Guts im Vergleich zu anderen Gütern.

404

Kapitel III: Zuweisungsgehalt

kondiktionsgeschützter

Rechte

Ein Vertrag, der ein Gut einer - in Geld bewerteten - höherwertigen Nutzung zuführt, stellt eine Pareto-Verbesserung dar. Ihre Funktion, Menschen mit Gütern zu versorgen, die sie für ihre Bedarfsdeckung benötigen und die Verschwendung knapper Güter zu verhindern, können Märkte nur erfüllen, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind 1 . Zu diesen Voraussetzungen gehören u.a. die Institutionalisierung eines Systems von Property Rights ebenso wie die Einführung eines Vertragsrechts, welches effiziente Regelungen für Interessenkonflikte bereit hält, die die Parteien eines einzelnen Vertrages wegen der hohen Transaktionskosten nicht regeln konnten. Eine Wirtschaftsordnung, in der alle Bürger freien Zugriff auf die vorhandenen Güter haben, führt zu ineffizienten Ergebnissen. Einerseits verursacht eine solche Wirtschaftsform eine übermäßige Nutzung der vorhandenen Ressourcen. Andererseits verhindert sie eine genügende Reproduktion verbrauchter Güter, weil deren Produzenten nicht damit rechnen können, ihre Produktionsaufwendungen zu amortisieren, wenn jedermann darauf freien Zugriff nehmen kann. Die Nutzungsbefugnis Dritter stellt sich gegenüber demjenigen, auf dessen Kosten ein Gut zur Verfügung gestellt wird, als externer Effekt dar: Die mit der Nutzung der spezifischen Ressource verbundenen Kosten werden dem Nutzer nicht zugerechnet. Er muß diese Kosten also in seiner Wirtschaftlichkeitsrechnung nicht berücksichtigen. Der Austausch von Gütern steigert nur dann die soziale Wohlfahrt, wenn er von den betroffenen Personen positiv bewertet worden ist. Eine solche Nutzenbewertung läßt sich jedoch von jedem der beteiligten Individuen nur dann auf sicherer Grundlage treffen, wenn jedes Rechtssubjekt Kosten und Nutzen sämtlicher Folgen seiner Handlungen in seine Entscheidung einbezieht 2 . Güter, die gemeinfrei sind, weisen aus der Perspektive des Marktmechanismus den Nachteil auf, daß sie nicht in den marktlichen Tauschprozeß einbezogen werden. Die effiziente Nutzung eines Gutes, die sich in der Zahlungsbereitschaft für den Erwerb der Nutzungsbefugnis widerspiegelt, setzt daher zwingend eine Beschränkung des kostenfreien Zugriffs auf knappe Güter voraus. Durch die Zuordnung von Ressourcen an einzelne Inhaber unter Ausschluß des freien Zugriffs aller anderen Nutzungsinteressierten werden die Rechtssubjekte veranlaßt, Ressourcen gegen andere Ressourcen einzutauschen und auf diese Weise den Nutzen der ausgetauschten Güter untereinander und im Wettbewerb aller anderen Rechtssubjekte gegeneinander abzuwägen 3 . Das durch die Institutionalisierung von Ausschließlichkeitsrechten gewährleistete Tauschprinzip führt zu Effizienzverbesserung, indem externe Effekte internalisiert werden. „Durch die Institutionalisierung von Ausschließlichkeitsrechten werden die Wirtschaftssubjekte also gezwungen, Nutzungsrechte, die sie ausüben möchten, im Aus1 Dazu ausführlich Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 115 ££.; vgl. auch Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 80 ff. und 453 ff. 2 Behrens, a. a. O., 86. 3 Behrens, a.a.O., 118.

§16 Funktion und Inhalt des

Zuweisungsgehaltsbegriffs

405

tausch gegen andere Güter zu erwerben. Privateigentum schafft somit die Voraussetzung dafür, daß externe Effekte in den Preismechanismus eingehen können und von den Wirtschaftssubjekten als Kosten bzw. Nutzen in ihre individuellen Kalkulationen einbezogen werden" 4 . Aus dieser Sicht ergibt sich die Notwendigkeit, soweit wie möglich alle knappen Ressourcen dem System von Ausschließlichkeitsrechten zu unterwerfen. Allerdings gilt dies nicht ohne Einschränkung: D i e Institutionalisierung und die Durchsetzung eines Systems von Ausschließlichkeitsrechten verursacht Kosten in erheblichem Umfang. D i e Unterwerfung von Gütern oder Ausschließlichkeitsrechten ist im H i n b l i c k auf das Effizienzziel nur dann und insoweit gerechtfertigt, als die Gewinne aus der Internalisierung von Externalitäten sich als größer erweisen als die Kosten dieser Internalisierung 5 . Eine der wichtigsten und vordringlichsten Aufgaben der Rechtsordnung im Bereich der Organisation marktlicher Tauschvorgänge ist es, die Transaktionskosten, die mit der Institutionalisierung und dem Tausch von Ausschließlichkeitsrechten verbunden sind, möglichst gering zu halten. Zu solchen K o sten gehören z.B. Aufwendungen, die Personen tätigen müssen, die am E r w e r b eines bestimmten Rechts interessiert sind, um herauszufinden, wem dieses Recht gehört. D i e Rechtsordnung enthält eine ganze Reihe von Vorschriften, die diese Kosten minimieren sollen. D a z u gehören etwa die Vorschriften über den gutgläubigen E r w e r b von Sachen in §§ 932 ff., 892 B G B , in denen der Besitz bzw. die Buchposition als Rechtscheingrundlagen für den guten Glauben an das Eigentum der jeweiligen Sache dienen. E b e n s o wichtig sind rechtliche Maßnahmen zur Senkung von Informationskosten auf dem Gebiet der Immaterialgüterrechte, dem Bereich, dem für die Anwendung der Eingriffskondiktion in der Praxis die größte Bedeutung z u k o m m t . B e i m Patent- und Gebrauchsmusterrecht, sowie beim Markenrecht muß der Nutzungsinteressierte feststellen, ob eine bestimmte Information Gegenstand eines Ausschließlichkeitsrechts ist und wem dieses R e c h t zusteht. Verfügt der Nutzungsinteressierte nicht über diese Informationen, so ist ein Tausch von Nutzungsrechten nicht möglich. D i e Rechtsordnung minimiert die Kosten für die Gewinnung solcher Informationen, die für den Tausch von Nutzungsberechtigungen erforderlich sind, indem sie Publikationserfordernisse für das jeweilige R e c h t vorschreibt. Das Patentamt führt ein Register, die Patentrolle, in die alle Patentanmeldungen eingetragen werden. Bei der Patentrolle befinden sich auch die A k t e n der Patentanmeldung, wie z . B . die Offenlegungsschrift (§ 32 II P a t G ) und die Patentschrift (§ 32 I I I P a t G ) , die näheren Aufschluß über die patentierte Erfindung geben. N a c h § 31 P a t G gewährt das Patentamt jedermann A k t e n einsicht. A u c h Gebrauchsmuster sind beim Patentamt anzumelden und werden in die dort geführte Gebrauchsmusterrolle eingetragen (§ 8 G e b r M G ) ; ebenso verBehrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 119. Demsetz, Toward a Theory of Property Rights, in: Furubotn/Pejovich Economics of Property Rights, 31 ff. (34). 4

5

(Hrsg.), The

406

Kapitel III: Zuweisungsgehalt

kondiktionsgeschützter

Rechte

hält es sich bei Geschmacksmustern (§10 GeschmMG) und Marken (§ 4 Nr. 1 MarkenG). Das Ausschließlichkeitsrecht der Rechtsinhaber ist zeitlich begrenzt; damit wird dem Interesse der Allgemeinheit Rechnung getragen, daß eine Erfindung, an der ein Patent besteht, zur Förderung des technischen Fortschritts von jedermann frei benutzt werden kann. In diesen Regelungen spiegelt sich auch der Charakter von Informationen als tendenziell öffentliche Güter: Sie sind hinsichtlich der Nutzung nicht - wie Sachen - exklusiv (d. h., sie können an verschiedenen Orten simultan genutzt werden, ohne daß die Nutzungen sich gegenseitig ausschließen) und ihr Wert wird nicht dadurch gesteigert oder gemindert, daß sie ubiquitär verwendet werden. Andererseits gewährt die Zwanzig-Jahresfrist des § 16 PatG dem Rechtsinhaber eine genügend lange Zeit, die Aufwendungen, die er für die Erfindung gemacht hat, durch die Nutzung des ausschließlichen Rechts zu amortisieren. In den Fällen, in denen es - mit oder ohne Verschulden des Handelnden - zu einer Inanspruchnahme von fremden Ausschließlichkeitsrechten kommt, fällt der Eingriffskondiktion die Aufgabe zu, als Auffangordnung bei dem Versagen des Kontraktmechanismus im Hinblick auf die durch den Eingriff verbesserte Vermögenslage beim Rechtsverletzer die Lage herzustellen, die bestehen würde, wenn eine Transaktion überhaupt nicht stattgefunden hätte (etwa durch Rückgabe einer erlangten Sache) oder im Falle der Nutzung, des Gebrauchs oder des Verbrauchs von Rechten oder Sachen - wenn eine Rückgabe in natura nicht möglich ist - die Lage zu schaffen, die bestehen würde, wenn sich die Parteien vertraglich über den erfolgten Transfer geeinigt hätten. Im Hinblick auf den Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion könnte diese Funktionszuweisung an das Rechtsinstitut zu dem Schluß verleiten, daß die Eingriffsbereicherung immer dann anwendbar ist, wenn Parteien einen Vertrag abschließen müssen, um den Transfer von wertvollen Vermögenspositionen zustande zu bringen. Damit wäre jedoch die Reichweite der Eingriffskondiktion nicht zutreffend beschrieben. Im Rahmen der von der Rechtsordnung gewährten Privatautonomie transferieren die Rechtssubjekte nicht nur Nutzungsbefugnisse an Ausschließlichkeitsrechten, sondern sie sind in der Lage, jede Position - auch eine solche, die eben nicht Gegenstand von Ausschließlichkeitsrechten ist - zum Gegenstand vertraglicher Transaktionen zu machen. Der Gegenstand solcher Transaktionen muß nun aber nicht notwendigerweise der einen Vertragspartei im Wege einer ausschließlichen Berechtigung zugewiesen sein. Es kann sich vielmehr um einen Gegenstand handeln, über den eine Partei faktisch verfügt und auf den anderen Personen eben wegen dieser Faktizität - und nicht wegen eines daran bestehenden Ausschließlichkeitsrechts - der freie Zugriff verwehrt ist. Als Beispiel für eine solche faktische Position sei auf das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis nach § 17 UWG verwiesen. Das Gesetz schützt entsprechende Informationen gegen bestimmte Arten von Eingriffen, weil und soweit es sich um geheime Informationen handelt. Die Informationen selbst sind dem Berechtigten nicht mittels eines Ausschließlichkeitsrechts unter Ausschluß aller anderen Personen zugewiesen: Verlieren

5 16 Funktion und Inhalt des

Zuweisungsgehaltsbegriffs

407

sie ihre Eigenschaft als Geheimnis, so ist ihre N u t z u n g gemeinfrei. Sie können von jedermann ohne Zahlung eines Entgelts und ohne Zustimmung ihres „ E n t deckers" verwendet werden. Demzufolge liegt in einer „faktischen" Innehabung kein bereicherungsrechtlich relevanter Zuweisungsgehalt. Aus dem Umstand, daß ein Nutzungsinteressierter mit dem Inhaber der Informationen einen Vertrag abschließen muß, um die Informationen für eigene Zwecke verwenden zu können, ist nicht der Schluß zu ziehen, daß bei einer unbefugten N u t z u n g ein Anspruch aus Eingriffskondiktion gegeben ist. Das K o n z e p t des Zuweisungsgehalts rechtlich geschützter Positionen hat nun die Aufgabe, unter Berücksichtigung der oben umrissenen F u n k t i o n der Eingriffskondiktion als Auffangordnung bei einem Versagen des K o n t r a k t mechanismus die Abgrenzung zwischen bereicherungsrechtlich geschützten Rechtspositionen und der Vermögenssphäre des Kondizienten zu leisten, die nicht durch die Eingriffskondiktion geschützt wird. Diese Abgrenzung ist deshalb notwendig, weil die Eingriffskondiktion in einer Rechtsordnung, die den R a h m e n eines wettbewerblich orientierten marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystems bildet, nicht jeglichen Eingriff in jede Vermögensposition einer Person sanktionieren und die dadurch erzielten Gewinne ganz oder teilweise abschöpfen kann. Eine so weitgehende Bereicherungshaftung würde - wie noch näher darzulegen sein wird - das in einer Wettbewerbswirtschaft erforderliche Aktivitätsniveau durch das ständige Risiko, ohne Verschulden in die vielfältig geschützte Vermögenssphäre eines anderen einzugreifen und den dadurch erzielten G e w i n n ganz oder teilweise herausgeben zu müssen, gefährden.

II. Die Funktion des Konzepts des Zuweisungsgehalts: der Bezug zum absoluten subjektiven Recht B e v o r mit der Analyse des Zuweisungsgehalts-Konzepts und der E n t w i c k lung seiner Elemente begonnen werden kann, ist die Funktion dieses Konzepts im R a h m e n des Tatbestands der Eingriffskondiktion zu klären, da der Inhalt des Konzepts des Zuweisungsgehalts nicht ohne R ü c k b e z u g auf seine Aufgabe bestimmt werden kann.

1.

Legitimationsfunktion

Wer durch Leistung oder in sonstiger Weise von einem anderen etwas ohne Rechtsgrund erlangt hat, ist ihm gemäß § 812 I 1 B G B zur Herausgabe verpflichtet. Demzufolge wirkt sich die Anwendung der Eingriffskondiktion dergestalt aus, daß ein einmal gegebener Status quo im Vermögen des Bereicherungsschuldners verändert wird, indem durch die gegenständliche Herausgabe des „erlangten E t w a s " ein früher im Vermögen des Kondizienten bestehender

408

Kapitel III: Zuweisungsgehalt

kondiktionsgeschiitzter

Rechte

Zustand restituiert wird oder - falls eine gegenständliche Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht in Betracht kommt - die Lage hergestellt wird, die bestehen würde, wenn die beteiligten Parteien einen (hypothetischen) Vertrag über die Transaktion abgeschlossen hätten. Die Veränderung des einmal eingetretenen vermögensmäßigen Status quo zu Lasten der durch den Transfer begünstigten Partei im Wege der Rückgabe einer Sache oder Herausgabe eines auf der Grundlage eines hypothetischen Vertrages ermittelten Entgelts bedarf der Rechtfertigung. Die gesuchte Rechtfertigung läßt sich nicht ohne weiteres dem Tatbestand des § 812 I 1, 2. Alt. BGB selbst entnehmen. Die Vorschrift enthält mit ihren Tatbestandsmerkmalen „auf dessen Kosten" und „ohne Rechtsgrund" unbestimmte Rechtsbegriffe, die außerordentlich vage und damit ausfüllungsbedürftig sind. Der Tatbestand der Eingriffskondiktion bedarf der begrenzenden Konkretisierung, weil der bloße Wortlaut der Vorschrift auch Fallkonstellationen erfaßt, die nach überwiegender Auffassung nicht als Fall der ungerechtfertigten Bereicherung anzusehen sind. Leicht einsehbar ist die Legitimation der Anspruchsgewährung, wenn es sich um einen Eingriff in den Bestand an Sachen im Vermögen des Kondizienten handelt, also bei Wegnahme einer Sache durch den Bereicherungsschuldner oder in den Fällen des Eigentumsverlusts durch Verarbeitung, Vermischung und Verbindung (§951 I BGB). Hier verläßt ein tangibler Gegenstand das Vermögen des Kondizienten und wird dem Vermögen des Kondiktionsschuldners hinzugefügt, ohne daß ein vertraglicher oder gesetzlicher Erwerbsgrund das Behaltendürfen des Gegenstandes durch den Letzteren begründet. Auch wenn die Rechtsordnung in den Fällen der §§ 946ff. BGB einen Rechtsübergang zugunsten des Eingreifers anordnet, so geschieht dies aus Gründen der eindeutigen sachenrechtlichen Zuordnung neu entstandener Sachen; § 951 I BGB zeigt, daß damit eine Zuweisung des wirtschaftlichen Wertes der verwendeten Sachen an den Eingreifer nicht verbunden ist. In den Fällen des Entzuges von Sachen, bei denen die Eingriffskondiktion häufig in Konkurrenz zu dem Herausgabeanspruch des Eigentümers nach § 985 BGB tritt, ist klar, daß der Zuweisungsgehalt des Eigentums die Rückgabe der Sache selbst oder - falls dies aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich ist - Ersatz ihres Wertes (§ 818 II BGB) verlangt. Weniger offensichtlich ist die Legitimation der Anspruchsgewährung in den Fällen, in denen es nicht um die Herausgabe von Sachen, sondern um die Benutzung, den Gebrauch, den Verbrauch und die sonstige Verwertung von Sachen und Rechten geht. Hier liegt der Schwerpunkt der praktischen Anwendung der Eingriffskondiktion. Es geht dabei in aller Regel um Vermögensvorteile, die auf das Verhalten des (möglicherweise in Unkenntnis einer entgegenstehenden Rechtsposition handelnden) Bereicherungsschuldners zurückgehen. Dabei reicht der Umstand, daß eine Bereicherung durch einen Eingriff in den - allgemein gesagt - Bereich rechtlich geschützter Vermögensinteressen des Entreicherten verursacht worden ist, zur Legitimation der Rückabwicklung nicht aus.

§ 16 Funktion und Inhalt des

Zuweisungsgehaltsbegriffs

409

Dies liegt darin begründet, daß in einer wettbewerblich orientierten M a r k t wirtschaft bestimmte vorteilhafte und damit Vermögenswerte Positionen nicht durch die Zuordnung eines absoluten subjektiven Rechts (, die eine Ä n d e r u n g der ursprünglichen Zuweisung nur unter Einwilligung des Inhabers der geschützten Position ermöglichen würde), sondern im Wettkampf mit anderen Konkurrenten im R a h m e n des Wettbewerbs verteilt werden, wobei jeder Konkurrent, der sich am Wettbewerb beteiligt, im Rahmen seiner Handlungsfreiheit die gleiche Chance w i e seine Mitbewerber hat, im Wettbewerb zu obsiegen. Dabei hat kein Konkurrent einen rechtlich abgesicherten Anspruch auf die Wahrung seiner einmal errungenen Position 6 . Selbst w e n n ein Verhalten im Wettbewerb, das zu einer Umverteilung solcher Positionen - etwa zur Verstärkung der Marktposition eines Wettbewerbers zu Lasten der Marktposition eines anderen Konkurrenten - von der Rechtsordnung als rechtswidrig qualifiziert w i r d (Beispiel: Die Verbesserung der Marktstellung eines Konkurrenten durch unlautere Werbung auf Kosten der Marktposition seines Wettbewerbers), kann die Tatsache, daß die Umverteilung durch rechtswidrigen Eingriff erfolgt, nicht zu einem Anspruch aus Eingriffskondiktion führen. Wenn auch das Verhalten des Mitbewerbers widerrechtlich war, so kann sich derjenige, zu dessen Lasten sich die Verschiebung der Marktpositionen auswirkt, nicht darauf berufen, daß die Verbesserung der Position seines Konkurrenten eigentlich ihm zustünde. Hier liegt nun das H a u p t p r o b l e m der Eingriffskondiktion: U m eine A n s p r u c h s g e w ä h r u n g zu legitimieren, reicht es nicht aus darzutun, daß der potentielle Bereicherungsschuldner Vermögenswerte Vorteile durch rechtswidriges Handeln erworben hat. Die Abschöpfung dieser Vorteile - w i e immer sie zu bestimmen sein mögen - und ihre Übertragung in das Vermögen des Kondizienten im Wege der Eingriffskondiktion nach § 8 1 2 1 1 , 2 . Alt. B G B ist nur dann gerechtfertigt, w e n n nach den relevanten rechtlichen Wertungen, insbesondere denen der Güterzuordnung, gezeigt w e r d e n kann, daß der Vermögensvorteil dem Kondizienten eher gebührt als dem Bereicherungsschuldner. Die Legitimation der Anspruchsgewährung hat demnach zwei Elemente: Die Wertung der Rechtsordnung m u ß dahin gehen, daß ein Vermögensvorteil vom Erwerber nicht behalten werden darf und daß dieser Vermögensvorteil dem Kondizienten gebührt. O b und unter welchen Voraussetzungen und in innerhalb welcher Grenzen von einer Partei erworbene Vermögensvorteile einer anderen Partei gebühren, ist eine der Kernfragen der Eingriffskondiktion und m u ß für die jeweilige Position nach den Prinzipien entschieden werden, die im Rahmen der Zuweisungsgehaltslehre zu entwickeln sind. Daß dabei sehr schnell die Grenzen des Wortlauts des § 812 I 1, 2. Alt. B G B erreicht sind und die wesentlichen Weichenstellungen zur Frage, ob eine Position mit bereicherungsrechtlich relevantem Zuweisungsgehalt ausgestattet ist oder nicht, an ganz anderer systema6

Vgl. dazu Baumbach/Hefermehl,

Allg., Rz. 17 und 21.

410

Kapitel III: Zuweisungsgehalt

kondiktionsgescbützter

Rechte

tischer Stelle vorgenommen werden als in § 812 BGB, zeigt etwa das Problem des Zuweisungsgehalts von Normen des UWG. Die Erringung, Verteidigung und Veränderung von Marktpositionen erfolgt in der Marktwirtschaft, bei der die Konkurrenten der Anbieterseite um den Vertragsschluß mit den Nachfragern wetteifern, durch die Handlungsparameter des Wettbewerbs und nicht im Wege der Zuteilung solcher Positionen durch die Rechtsordnung an einzelne Marktteilnehmer zum ausschließlichen Haben und Nutzen. Solche Ausschließlichkeitsstellungen (ökonomisch: Property Rights) sind in gewissem Umfang zwar Funktionsvoraussetzung des Wettbewerbs. Voraussetzungen und Wirkungsweise solcher Property Rights sind in Kapitel II dieser Untersuchung näher erläutert worden. Der Wettbewerb kann seine Funktion, als Entdeckungsverfahren zu dienen und die Verschwendung knapper Ressourcen durch eine Allokation an den Ort ihrer wirtschaftlich wertvollsten Nutzung zu verhindern, nicht mehr erfüllen, wenn der Austausch- und Koordinierungsmechanismus des Marktes selbst zum Gegenstand ausschließlicher Berechtigungen gemacht wird. Die Inhaber solcher rechtlich absolut geschützter Marktpositionen könnten den Zutritt neuer Wettbewerber zum Markt verhindern, die ihre Produkte möglicherweise preisgünstiger und mit besserer Qualität liefern können. In einem solchen System wäre die Aufgabe des Wettbewerbs, die Produktund Faktorpreise tendenziell auf Grenzkostenniveau zu drücken, nicht mehr zu erfüllen. Daher kann in einem System des Wettbewerbs eine Marktposition nicht einem bestimmten Konkurrenten mit Ausschlußwirkung gegenüber allen anderen Wettbewerbern zugewiesen sein. Dies schließt nicht aus, daß die Verletzung einer das Wettbewerbsverhalten der Konkurrenten regulierenden Norm schadensersatzrechtlich sanktioniert ist. Daran wird deutlich, daß der Eingriff in (rechtlich geschützte) fremde Vermögensinteressen und die Rechtswidrigkeit dieses Eingriffs zur Legitimation der Veränderung des eingetretenen Status quo im Wege der Eingriffskondiktion nicht ausreicht. Im Verlauf der Dogmengeschichte des modernen Bereicherungsrechts ist versucht worden, die notwendige Legitimation der Restitution und die damit verbundene Konkretisierung des Tatbestandes der Eingriffskondiktion durch voneinander abweichende Kriterien zu begründen. Diese Kriterien sind die unmittelbare Vermögensverschiebung, die Rechtswidrigkeit des Eingriffs und der Zuweisungsgehalt ausschließlich zugewiesener Rechtspositionen. Die Kriterien sind oben bereits näher behandelt worden. In dem hier interessierenden Zusammenhang sei nur darauf hingewiesen, daß die beiden erstgenannten Kriterien für die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion abgelöst wurden, weil sie den Legitimationsanforderungen für die Anspruchsgewährung der Eingriffskondiktion nicht genügt haben. Die Vermögensverschiebungslehre scheiterte daran, daß sie im Prinzip nur dann zu einer Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion gelangen konnte, wenn es sich bei dem Erlangten um einen Gegenstand handelte, der sich vorher schon einmal als solcher im Vermögen des Kondizienten befunden haben mußte. Die

§16

Funktion

und Inhalt des

Zuweisungsgebaltsbegriffs

411

Vermögensverschiebungslehre genügte in einer Wirtschaftsform, in der der Transfer beweglicher und unbeweglicher Sachen im Vordergrund der ökonomischen Aktivitäten stand. Sie kam in Schwierigkeiten bei der Nutzung von Sachen und ausschließlichen Rechten, die zu Vermögensvorteilen beim Bereicherungsschuldner führte, welche sich als solche aber niemals im Vermögen des Kondizienten befunden haben. Die dogmatischen Kunstgriffe dieser Auffassung, mit denen ein erweiterter Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion begründet werden sollte, haben sich nicht als überzeugend erwiesen. Verengte die Vermögensverschiebungslehre den Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion über Gebühr, so führt die Rechtswidrigkeitslehre zu einer überdehnten Reichweite dieses Anspruchs. Die Rechtswidrigkeitslehre stellt auf die Unrechtmäßigkeit des Erwerbes eines Vermögensvorteils durch den Bereicherungsschuldner ab; mit diesem Kriterium läßt sich in gewissen Fällen (aber nicht immer) begründen, daß der Erwerb dem Rechtsverletzer nicht zusteht. Nicht begründen läßt sich mit diesem Ansatz jedoch, daß das Erlangte dem Kondizienten eher gebührt als dem Rechtsverletzer. Das Rechtswidrigkeitsurteil besagt lediglich, daß ein bestimmtes Verhalten gegen eine Rechtsnorm verstößt. O b der durch einen solchen Verstoß erlangte Vermögensvorteil dem Rechtsverletzer oder einem anderen gebührt, läßt sich der Verhaltensnorm auch dann nicht entnehmen, wenn es sich um eine individualschützende N o r m handelt. Denn aus dem Umstand, daß eine N o r m individualschützend ist, läßt sich nicht der Schluß ziehen, daß ein Ertrag, den ein anderer mittels einer Verletzung der N o r m gezogen hat, dem durch die N o r m geschützten Rechtssubjekt zustehen soll. Es ist allein die Zuweisungsgehaltstheorie, die mit ihrem Bezug auf das absolute subjektive Recht zu erklären vermag, warum dem Bereicherungsschuldner das Erlangte abgenommen und dem Kondizienten gegeben werden soll. Damit wird die Zuweisungsgehaltslehre der Aufgabe, den Transfer von Vermögensdaten vom Bereicherungsschuldner zum Kondizienten zu legitimieren, gerecht.

2.

Begrenzungsfunktion

D e m Konzept des Zuweisungsgehalts kommt nicht nur die Aufgabe einer Legitimation der Wegnahme von Vermögensvorteilen beim Bereicherungsschuldner und deren Transfer zum Kondizienten zu; vielmehr hat das Kriterium auch die Funktion einer sachgemäßen Abgrenzung der Reichweite des Rechtsinstituts der Eingriffskondiktion zu erfüllen. Dabei ist eine Abwägung zu treffen zwischen Positionen, die den Rechtssubjekten unter Ausschluß Dritter exklusiv zugeordnet sind und der Handlungsfreiheit Dritter, die von ihr im wirtschaftlichen Wettbewerb Gebrauch machen und dadurch Erträge erzielen. Grundsätzlich dürfen Rechtssubjekte Erträge, die sie durch Ausübung ihrer Handlungsfreiheit erzielen, behalten, ohne einem Dritten dafür eine Kompen-

412

Kapitel III: Zuweisungsgehalt

kondiktionsgeschützter

Rechte

sation zahlen zu müssen. Die Handlungsfreiheit der Person endet an den Rechten der anderen Personen (Art. 2 II G G ) . Im Spannungsverhältnis zwischen Handlungsfreiheit und Rechten Dritter ist zu entscheiden, wie weit der Schutzbereich der Eingriffskondiktion reicht. Eine Uberdehnung ihres Anwendungsbereiches birgt die Gefahr, das zur wirtschaftlichen Entwicklung notwendige Aktivitätsniveau zu verfehlen. Bei der Eingriffskondiktion fehlt der Filter des Verschuldens, der bei den unerlaubten Handlungen (§§ 823 ff. B G B ) und der unechten Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 687 II B G B ) als Begrenzung der Haftung wirkt. Die Gefahr der Verfehlung des wirtschaftlich erforderlichen und wünschenswerten Aktivitätsniveaus ergibt sich deshalb, weil ein Handelnder nicht mehr ohne erhebliche Transaktionskosten sicher sein kann, daß er die Früchte seines eigenen Handelns und seiner eigenen Anstrengungen auch behalten darf. Für das Funktionieren der Güter- und Faktormärkte ist es von entscheidender Bedeutung, daß das allgemeine Aktivitätsniveau zu einem intensiven Wettbewerb führt, an dem sich möglichst viele voneinander unabhängige wirtschaftliche Einheiten beteiligen. Wenn die (potentiellen) Konkurrenten durch einen in seiner Reichweite überdehnten Eingriffsbereicherungsanspruch von den Märkten ferngehalten würden, könnten diese ihre Funktion nicht mehr erfüllen. Dies hätte zur Folge, daß die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt sinken würde. Eine solche Uberdehnung der Reichweite der Eingriffskondiktion wäre etwa dann gegeben, wenn man - wie dies die Rechtswidrigkeitslehren intendieren damit einen allgemeinen Vermögensschutz anstrebt. „Das Grundproblem jeder Deliktsordnung besteht in dem Spannungsverhältnis zwischen Güterschutz und Handlungsfreiheit. So wünschenswert es aus der Sicht des Geschädigten nämlich ist, daß der Schädiger ihm den erlittenen Schaden zu ersetzen hat, so massiv kann dadurch dessen persönlicher und wirtschaftlicher Entscheidungsspielraum eingeschränkt werden. Die darin liegende Gefahr ist um so gravierender, als schon die bloße Möglichkeit der Verstrickung in einer Haftung den Bürger an sich angesichts der Unsicherheiten, die mit der Abschätzung dieses Risikos verbunden sind, auch von solchen Aktivitäten abhalten kann, die rechtmäßig oder gar sozial erwünscht sind" 7 . Das Spannungsverhältnis zwischen Güterschutz und Handlungsfreiheit besteht wegen des fehlenden Verschuldensfilters in noch schärferer Weise als beim Deliktsrecht bei der Eingriffskondiktion. Im Deliktsrecht wird die Haftung sogar durch zwei restringierende und damit die Handlungsfreiheit schützende Kriterien beschränkt: nämlich durch die Bildung möglichst fest konturierter Haftungstatbestände und durch die Voraussetzung des Verschuldens 8 . D a bei der Eingriffskondiktion der Haftungsfilter des Verschuldens entfällt, kann der Konflikt zwischen Handlungsfreiheit und Rechtsgüterschutz hier nur durch eine sorgfältige, die Interessen aller Beteiligten berücksichtigende, 7 8

Larenz/Canaris, SchR II/2, § 75 I 1. Larenz!Canaris, SchR II/2, § 75 I 1.

5 16 Funktion

und Inhalt des

Zuweisungsgehaltsbegriffs

413

auf einem einheitlichen Prinzip beruhende Bildung von Tatbeständen (= Benennung von Rechtsgütern), bei deren Vorliegen die Eingriffskondiktion anwendbar ist, gelöst werden. Dieses einheitliche Prinzip bildet der Zuweisungsgehalt rechtlich absolut geschützter Rechtspositionen. Zu vermeiden ist eine hypertrophe Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion sowohl durch die rechtsschöpferische Erzeugung neuer, gesetzlich nicht fixierter Exklusivrechte im Rahmen des § 812 1 1 , 2. Alt. B G B als auch durch die Verwendung von zur sachgemäßen Abgrenzung ungeeigneter Kriterien, wie der Rechtswidrigkeit des Handelns des Eingreifers. N u r die Rechtsordnung kann die Abgrenzung der rechtlichen Sphären der in einer Gesellschaft zusammenlebenden Menschen leisten; im Naturzustand etwa wäre die Inanspruchnahme der Herrschaft über eine Sache unter die Willkür eines Menschen immer nur vorläufig 9 . Als äußere Gegenstände, die der Willkür eines Einzelnen unterworfen sein können, unterscheidet Kant körperliche Sachen, das persönliche Recht und das dinglich-persönliche Recht, wobei unter persönlichem Recht der „Besitz der Willkür eines anderen als Vermögen, sie, durch die meine, nach Freiheitsgesetzen zu einer gewissen Tat zu bestimmen" 1 0 , zu verstehen ist. Das subjektive Recht wird auf diese Weise zur rechtlichen Ausprägung der Autonomie des Individuums, es ist Ausdruck und Absicherung seiner Freiheit. C.F. v. Savigny hat diese Grundgedanken aufgegriffen und sie für sein System des Privatrechts fruchtbar gemacht: „Betrachten wir den Rechtszustand, so wie er uns im wirklichen Leben von allen Seiten umgiebt und durchdringt, so erscheint uns darin zunächst die der einzelnen Person zustehende Macht: ein Gebiet, worin ihr Wille herrscht, und mit unserer Einstimmung herrscht. Diese Macht nennen wir ein Recht dieser Person, gleichbedeutend mit Befugnis: Manche nennen es das Recht im subjektiven Sinn" 11 . Für v. Savigny steht der Begriff des subjektiven Rechts jedoch nicht im Mittelpunkt der Privatrechtsdogmatik. Die Grundlage seines Systems des Privatrechts bildet vielmehr das Konzept des Rechtsverhältnisses. Das subjektive Recht stelle „nur eine besondere, durch Abstraction ausgeschiedene Seite" 1 2 des Rechtsverhältnisses dar. Man darf vermuten, daß v. Savigny die Denkfigur des Rechtsverhältnisses angesichts der reziproken Natur der zu treffenden Entscheidung, nämlich die Abgrenzung der Freiheitssphären rechtlich gleicher Individuen, adäquater erschien als die des subjektiven Rechts, welches von seinem Ansatz her nur die Herrschaftssphäre des Einzelnen in Bezug nimmt. Die Beziehung von Rechtsverhältnis und subjektivem Recht definiert v. Savigny folgendermaßen:

9 10 11 12

Kant, Metaphysik der Sitten, Rechtslehre, 365 f. Kant, a.a.O., 382. v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, I, 7. v. Savigny, a. a. O., 7.

414

Kapitel III: Zuweisungsgehalt

kondiktionsgescbützter

Rechte

„Von dem nunmehr gewonnenen Standpunkt aus erscheint uns jedes einzelne Rechtsverhältnis als eine Beziehung von Person zu Person, durch eine Rechtsregel bestimmt. Diese Bestimmung durch eine Rechtsregel besteht aber darin, daß dem individuellen Willen ein Gebiet angewiesen ist, in welchem er unabhängig von jedem fremden Willen zu herrschen hat"13. Erst Windscheid weist in seinem Pandekten-Lehrbuch dem Konzept des subjektiven Rechts die zentrale Stellung im System des Zivilrechts zu14. Die zentrale Stellung des subjektiven Rechts geht auf die von Windscheid herbeigeführte Trennung von materiellem Anspruch und prozessualem Klagerecht zurück, die im römisch-rechtlichen Aktionensystem noch vereinigt gewesen waren. Hinsichtlich des Inhalts des subjektiven Rechts ergibt sich aber zwischen Windscheid und v. Savigny kein Unterschied. Auch für Windscheid ist das subjektive Recht „eine von der Rechtsordnung verliehene Willensmacht oder Willensherrschaft" 15 . Die sog. Willenstheorie16 faßt demgemäß das subjektive Recht als einen Handlungsfreiraum des Individuums in Bezug auf einen bestimmten Gegenstand auf, in dessen Rahmen der Berechtigte aufgrund autonomer Entscheidung agieren kann. Demgegenüber betrachtet die von Rudolph v. Jhering begründete Interessentheorie das subjektive Recht aus der Perspektive seines Zwecks. Ein subjektives Recht werde seinem Inhaber nicht deshalb eingeräumt, daß sein Wille eine „Arena" finde, in der er sich gewissermaßen frei austoben könne 17 . Das Verhältnis von Recht und Wille sei geradezu umgekehrt wie von der Willenstheorie angenommen: Das Recht sei nicht des Willens wegen da, sondern die Willensfreiheit werde von Rechts wegen eingeräumt18. R. v. Jhering verdeutlicht seine Zwecklehre an einer Metapher: Der Steuermann eines Schiffes habe die Macht, es dorthin zu führen, wohin er wolle; in den Hafen oder auf die Klippen. Dem Steuermann sei die Macht über das Schiff nicht um ihrer selbst willen eingeräumt, sondern deshalb, daß er das Schiff sicher in den Hafen steuere. Genauso verhalte es sich mit der Willensfreiheit im Recht. Soweit nicht gesetzliche Beschränkungen eingriffen, beherrsche der freie Wille das subjektive Recht. Entscheidend sei aber der Sinn dieser Willensmacht: Ihre Einräumung habe den Zweck, dem Rechtsinhaber zur Befriedigung seiner Bedürfnisse, Interessen und Neigungen zu dienen19. Welches diese Bedürfnisse seien, könne am besten das jeweilige Individuum selbst entscheiden. Da die Willenstheorie den Zweck der Rechts gewährung aus dem Begriff des subjektiven v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, I, 333. Windscheid(-Kipp), Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. 1, 155 ff. 15 Windscheid(-Ktpp), a.a.O., Bd. 1, 156. 16 Neben den hier genannten Autoren siehe auch Puchta, Pandekten, § 29, S. 43, 44; § 22, S. 34, 35; Sintenis, Das practische gemeine Zivilrecht, Bd. 1, § 11, 83 ff.; Arndts, Lehrbuch der Pandekten, § 2 1 , S. 22. 17 v. Jhering, Geist des römischen Rechts, 330. 18 v. Jhering, a.a.O., 331. 19 v. Jhering, a. a. O., 331. 13

14

§ 16 Funktion und Inhalt des

Zuweisungsgehaltsbegriffs

415

Rechts hinausdefiniert, lehnt v. Jhering diese Lehre dezidiert ab20. Für ihn wird der Begriff des subjektiven Rechts durch zwei Elemente konstituiert: Das substantielle Element richtet sich auf den Zweck solcher Rechte: Sie wollen ihrem Inhaber einen Nutzen, Vorteil oder Gewinn gewährleisten21. Damit sei keineswegs nur der ökonomische Nutzen von Gegenständen in den Begriff einbezogen; auch Güter immaterieller Art - erwähnt werden Persönlichkeit, Freiheit, Ehre, Familienverbindung - würden in das Konzept integriert22. Das formale Element, das hinzutreten muß, um eine Position als subjektives Recht qualifizieren zu können, ist der Schutz der Interessen des Berechtigten durch die Einräumung eines Klagerechts für den Rechtsinhaber. Von Jhering weist ausdrücklich auf den instrumentellen Charakter der formellen Komponente hin23. Demgemäß formuliert v. Jhering seine Definition des subjektiven Rechts wie folgt: „Der Begriff des Rechts beruht auf der rechtlichen Sicherheit des Genusses, Rechte sind rechtlich geschützte Interessen"24. Beide Theorien schließen sich nicht gegenseitig aus: Sie betonen lediglich verschiedene Aspekte des subjektiven Rechts. Es erstaunt daher wenig, daß beide Auffassungen im Schrifttum zusammengefaßt wurden. „Das subjektive Recht ist begrifflich eine Rechtsmacht, die dem einzelnen durch die Rechtsordnung verliehen ist, seinem Zwecke nach ein Mittel zur Befriedigung menschlicher Interessen"25. Diese Auffassung hat sich im Schrifttum weitgehend durchgesetzt26. Demgegenüber sind Versuche, das subjektive Recht auf der Grundlage der Imperativentheorie zu erklären, als gescheitert anzusehen. Die Imperativentheorie sieht die in einer Rechtsordnung enthaltenen Rechtssätze als Befehle an, die den Willen der Rechtsgemeinschaft zum Ausdruck bringen. Der Wille der Rechtsgemeinschaft ist auf ein bestimmtes Verhalten der Rechtsunterworfenen, ein Tun oder Unterlassen, gerichtet27. Ein subjektives Recht bedeutet bei einem solchen Rechtsverständnis, daß eine Rechtspflicht Dritter den Berechtigten begünstigt und der Begünstigte Ansprüche zur Durchsetzung der Rechtspflicht gegen die Dritten hat. Der Anspruch entsteht jedoch nur bei Verletzung der Rechtspflicht, nicht aber vorher28. v. Jhering, Geist des römischen Rechts, 330, 339. v. Jhering, a. a. O., 339. 22 v. Jhering, a. a. O., 340. 23 v. Jhering, a. a. O., 339. 24 v. Jhering, a. a. O., 339; siehe dazu auch Wagner, Rudolph v. Jherings Theorie des subjektiven Rechts und der berechtigenden Reflexwirkungen, AcP 193 (1993), 319ff. 25 Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, 1. Hlbbd., 428 f. 26 Siehe etwa v. Tuhr, Allgemeiner Teil I, 58 f.; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, § 14 II.; Raiser, Der Stand der Lehre vom subjektiven Recht im Deutschen Zivilrecht, J Z 1961, 465 m.w.N.; Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, § 10 II. 27 Siehe dazu Engisch, Einführung in das juristische Denken, 21 ff. 28 Thon, Rechtsnorm und subjektives Recht. 20 21

416

Kapitel III: Zuweisungsgehalt

kondiktionsgeschützter

Rechte

Es ist offensichtlich, daß diese Lehre mit dem geltenden Recht unvereinbar ist. Auch die von Bucher entwickelte Auffassung vom subjektiven Recht als Normsetzungsbefugnis 29 , die auf der Imperativentheorie aufbaut, konnte sich wegen Inkompatibilitäten mit dem geltenden Recht ebenfalls nicht durchsetzen. Allerdings ist festzustellen, daß die genannten, auf Rechtsmacht oder Interessenschutz abstellenden Definitionen des subjektiven Rechts nicht geeignet sind, den Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion abzugrenzen. Der Grund dafür liegt in dem Bemühen der Definitionen, alle Arten der subjektiven Rechte einzubeziehen und rechtliche Positionen, welche lediglich begünstigende Reflexwirkungen aufweisen, aus dem Kreis der subjektiven Rechte auszuschließen. Die ökonomische Analyse hat gezeigt, daß die Zuordnung von Property Rights an Rechtssubjekte weder der Einräumung von Willens- oder Rechtsmacht noch ganz allgemein dem Schutz rechtlicher Interessen dient. Nach § 8 1 2 1 1 , 2 . Alt. BGB hat der Bereicherungsschuldner das herauszugeben, was er durch Eingriff (d.h.: in sonstiger Weise) rechtsgrundlos auf Kosten des Kondizienten erlangt hat. Die Funktion der Eingriffskondiktion liegt darin, aus der Sicht des Rechtsinhabers unbeabsichtigte Transfers von Rechten bzw. von Nutzungen an Rechten rückgängig zu machen. Insoweit kommt der Eingriffskondiktion die Funktion einer Auffangordnung zu, die bei dem Versagen des Kontraktmechanismus wirksam wird, den die Rechtsordnung den Rechtssubjekten gerade zu dem Zweck zur Verfügung stellt, ihre privatautonom geplanten Güterbewegungen durchzuführen, ökonomisch gesprochen: die ParetoEffizienz durch eine Reallokation von Ressourcen auf der Grundlage der individuellen Nutzenpräferenzen der Interessierten zu verbessern. Es geht beim Eingriff in den Zuweisungsgehalt von Rechten nach § 81211,2. Alt. BGB also um die Inanspruchnahme von Positionen, die durch die Rechtsordnung einer anderen Person allein zugeordnet sind und deren Ausübung vom Berechtigtem einem anderen durch vertragliche Vereinbarung überlassen werden kann. Die Eingriffskondiktion ist daher nur anwendbar, wenn es um die unbefugte Inanspruchnahme von subjektiven Rechten geht, die einen bestimmten Inhalt aufweisen. Die oben behandelten Definitionen des subjektiven Rechts beziehen sich aber nicht auf den Inhalt der in Bezug genommenen Rechtspositionen: Die an die Willensmacht des Berechtigten anknüpfende Definition konzentriert sich ausschließlich auf das Tatbestandselement des subjektiven Rechts, das im sachlichen Anwendungsbereich des Rechts die Setzung von Rechtsfolgen durch den Berechtigten legitimiert. Ähnlich verhält es sich bei der Interessentheorie: Sie stellt auf den Zweck ab, aus dem einem Individuum ein subjektives Recht eingeräumt wird. Aussagen zu den jeweiligen Inhalten der subjektiven Rechte und deren Grenzen enthalten die genannten theoretischen Ansätze nicht. Daß die Rechtsordnung jemandem ein subjektives Recht zuord29

Bucher, Das subjektive Recht als Normsetzungsbefugnis.

§ 16 Funktion

und Inhalt des

417

Zuweisungsgebaltsbegriffs

net, heißt, daß dieser Person etwas rechtlich zusteht, gehört oder gebührt. Was dieses „Etwas" ist, das ihm durch das subjektive Recht zugeordnet wird, hängt vom Gegenstandsbereich des Rechts ab. Der Inhalt der Zuweisung eines subjektiven Rechts wird als Zuweisungsgehalt bezeichnet 30 . Der Begriff des Zuweisungsgehalts setzt sich aus zwei Elementen zusammen: Zum einen bezieht er sich auf den Gegenstand eines Rechts, das Rechtsobjekt. Beim Eigentum ist das Rechtsobjekt eine Sache, beim Urheberrecht das Werk, beim Patentrecht die Erfindung, beim Markenrecht die Marke. Zum anderen bezeichnet der Begriff des Zuweisungsgehalts die Befugnisse, die der Rechtsinhaber in Bezug auf das Rechtsobjekt ausüben darf. Der Eigentümer kann gemäß § 903 BGB nach Belieben mit der Sache verfahren und andere von der Einwirkung auf sie ausschließen, sobald er damit nicht gesetzliche Grenzen oder Rechte Dritter überschreitet. Nach § 15 UrhG steht dem Urheber - in den vom Gesetz gezogenen Schranken - das ausschließliche Recht zu, sein Werk in körperlicher Form zu verwerten. Einen ganz anderen Zuweisungsgehalt weist demgegenüber etwa die Forderung auf; sie räumt ihrem Inhaber nicht das Recht ein, auf einen außerhalb seiner Person liegenden Gegenstand einzuwirken, sondern begründet das Recht des Gläubigers, vom Schuldner eine bestimmte Handlung, eine Leistung zu verlangen (§ 241 BGB).

3. Die Struktur

des Zuweisungsgehalts

des subjektiven

Rechts

Die zuvor behandelten theoretischen Ansätze zur Erfassung des subjektiven Rechts - insbesondere Willens- und Interessentheorie - sind nicht in der Lage, den Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion mit hinreichender Bestimmtheit festzulegen. Die genannten Auffassungen versuchen, das subjektive Recht in allen seinen Ausprägungen begrifflich zu erfassen. Demgegenüber ist zu berücksichtigen, daß die Eingriffskondiktion als Institut des bürgerlichen Vermögensrechts nur bei unbefugter Inanspruchnahme von Vermögenswerten Rechtspositionen Anwendung findet. Das Konzept des Zuweisungsgehalts ist dementsprechend enger zu fassen. Bei der Bestimmung der rechtlichen Struktur des subjektiven Rechts ist - da der Anspruch aus Eingriffskondiktion ein vermögensrechtlicher Anspruch ist - die Funktion des Rechtsinstituts der Eingriffskondiktion im Vermögensrecht zu beachten. Die Aufgaben dieses Rechtsinstituts innerhalb des rechtlichen Rahmens einer wettbewerblich orientierten Marktwirtschaft wurden bereits oben analysiert. Die juristische Strukturierung des Konzepts des subjektiven Rechts im Hinblick auf sein Zuweisungsgehalt muß beim Zweck dieses Rechts ansetzen: Diejenigen Normen, die subjektive Rechte begründen und solchermaßen begründete Rechte schützen, grenzen zugunsten des Rechtsinhabers 30

Siehe etwa Larenz/Wolf,

Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, § 14 II 3a).

418

Kapitel III: Zuweisungsgeha.lt kondiktionsgeschützter

Rechte

Bereiche aus, in denen der Berechtigte seinen Willen bzw. sein Interesse gegen alle anderen durchsetzen kann, die nicht Rechtsinhaber sind, weil das subjektive Recht die Wirksamkeit des Willens anderer Rechtssubjekte bezüglich des ausgegrenzten Bereichs ausschließt. Die Versuche zur Generalisierung der divergenten, durch subjektive Rechte ausgegrenzten Freiheitsbereiche und ihres Inhalts über eine Verknüpfung mit dem Rechtssubjekt, dessen Willensmacht bzw. dessen geschütztes rechtliches Interesse - je nach dogmatischem Blickwinkel - sind zur Erfassung des bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalts nicht fruchtbar zu machen: Sie machen das Substrat des subjektiven Rechts, die Willensmacht oder das Interesse zum Kern ihrer Betrachtung. Damit werden für die Struktur des subjektiven Rechts - und des bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalts - wesentliche Elemente verfehlt: nämlich die Normbezogenheit des subjektiven Rechts und die Wirkung der Ausgrenzung eines Freiheitsbereiches auf die anderen Rechtssubjekte. Jürgen Schmidt31 hat unter Rückgriff auf Vorarbeiten von HohfelcP2 versucht, auf normlogischer Ebene die Kriterien zu entwickeln, die für die Eigenart der Struktur des subjektiven Rechts in der Welt der Normen kennzeichnend sind. Dieser Ansatz ist für die Bestimmung des Kreises der Rechte, die einen bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt aufweisen, von besonderer Bedeutung. Obwohl es sich um einen methodisch gesehen rein normlogisch-dogmatischen Ansatz zur Begründung von Inhalt und Funktionsweise des subjektiven Rechts handelt, weisen die grundlegenden Elemente, aus denen J. Schmidt sein Konzept des subjektiven Rechts konstruiert, engere Verbindungen zu den dargelegten ökonomischen Funktionen der subjektiven Vermögens-(Rechte) auf, als dies die Willens- oder Interessentheorie tun.

a) Freiheitsermächtigung des subjektiven Rechts

und Generalverbot

ah

Grundelemente

Die Theorie der Aktions- und Vermögensberechtigung geht von der Wirkung des subjektiven Rechts aus, Freiheitsräume für den einzelnen auszugrenzen. Die Normen, die das subjektive Recht konstituieren, schützen den Begünstigten bei der Ausübung der mit der Freiheitseinräumung verbundenen Befugnisse. Unausgesprochen steht hinter der Ausgrenzung von Freiheitsbereichen eine Ordnung, in der alle Rechtssubjekte die gleiche Freiheit des Handelns besitzen. Nur unter dieser Annahme ist eine „Ausgrenzung" von Freiheitsräumen überhaupt möglich. Diese Ausgrenzung erfolgt - und dies ist ein Axiom der Privilege/Right Theorie J. Schmidts - durch Rechtsnormen. Subjektives Recht und die Freiheit zu handeln bestehen ausschließlich im Rahmen eines vorgegebenen rechtlichen Normensystems. Diese Ausgrenzungen von Hand31

J. Schmidt, Aktionsberechtigung und Vermögensberechtigung.

5 16 Funktion

und Inhalt des

Zuweisungsgehaltsbegriffs

419

lungsspielräumen des Einzelnen unter Ausschluß aller anderen Rechtssubjekte aus dem Bereich der allgemeinen Handlungsfreiheit werden unter dem Begriff der Berechtigung zusammengefaßt 3 3 . Der Gehalt der Berechtigung bezieht seine Kontur aus der normativen Ordnung, deren Bestandteil sie ist: Die Berechtigung konstituiert sich aus den Rechtsnormen, die auf den Gegenstand der Berechtigung bezogen sind. Als Teil der sozialen Sphäre, der Rechtswirklichkeit, wird die Berechtigung - etwa Eigentum oder Urheberrecht durch eine gewisse Zuverlässigkeit der Normrealisierung und der Normrespektierung determiniert. Die wesentliche Frage in Bezug für das subjektive Recht lautet: Wie muß ein rechtlicher Normenkomplex beschaffen sein, um eine Berechtigung zu konstituieren? Eine Berechtigung liegt dann vor, wenn a) jemand in Bezug auf den Gegenstand der Berechtigung („Sozialsachverhalt") bestimmte Tatbestände setzen darf und b) alle anderen Rechtsgenossen dieselben Tatbestände hinsichtlich des Gegenstandes der Berechtigung nicht verwirklichen dürfen 34 . Die Berechtigung, oder auch: das subjektive Recht besteht demnach aus zwei Komponenten: Der Freiheitsermächtigung für den Rechtsinhaber und dem Generalverbot für alle anderen Rechtsgenossen. Auf der Grundlage rechtstheoretischer Überlegungen werden in normlogischer Hinsicht das Handelndürfen des Berechtigten (Privilege), mit einer N o r m des negativen Sollens (Right) korreliert, die sich gegen alle richtet, die den Sachverhalt, der Gegenstand der Berechtigung ist, nicht setzen dürfen 35 . Die N o r m des Privilege ordnet demgegenüber die Handlungsfreiheit dem Rechtsinhaber zu: Er darf im Gegenstandsbereich der Berechtigung alle Tatbestände setzen, die vom Inhalt seiner Berechtigung gedeckt sind 36 . Insoweit läßt sich die Privilege-Norm als eine N o r m rechtlichen Dürfens (im Gegensatz zur Right-Norm als Regel des negativen Sollens) auffassen. Als Right-Normen, also Normen des negativen Sollens, werden nicht nur die negatorischen und quasi-negatorischen Unterlassungsansprüche identifiziert, sondern auch Delikts- und Bereicherungsansprüche. Diese Ansprüche lassen sich als Rechtsfolgen der Right-Norm als inhaltsstiftendes Element der Berechtigung auffassen, zu deren Normenkomplex die Right-Norm ebenso wie die Privilege-Norm gehört. Sind dadurch die normlogischen Elemente der Berechtigung und damit des subjektiven Rechts angedeutet, so ist damit noch nichts über den Inhalt der Berechtigung ausgesagt. Gerade die materielle Struktur des subjektiven Rechts ist aber für die Legitimierung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion von entscheidender Bedeutung. 32 Hohfeld, Some Fundamental Legal Conceptions as applied in Judicial Reasoning, 23 Yale L.J. (1913-14), 16 ff. 33 ]. Schmidt, Aktionsberechtigung und Vermögensberechtigung, 17. 34 J. Schmidt, a.a.O., 17. 35 ]. Schmidt, a. a. O., 43. 36 J. Schmidt, a.a.O., 33.

420

Kapitel III: Zuweisungsgehalt

b) Der Inhalt der

kondiktionsgeschützter

Rechte

Berechtigung

Die Bestimmung der Berechtigung durch die Elemente von Privilege und Right (d. h.: Ermächtigung zur Setzung von Sachverhalten für den Berechtigten und Generalverbot zur Setzung derselben Tatbestände durch alle Nichtberechtigten) bezieht sich lediglich auf ihre formale Struktur: Die genannten Elemente erlauben keine Aussage darüber, welche Tatbestände bezüglich welcher Sachverhalte der Berechtigte setzen und die Nichtberechtigten nicht setzen dürfen. Diese Frage wiederum betrifft den Inhalt der Berechtigung. Damit ist auf dieser Stufe der Analyse nicht der konkrete Inhalt einer bestimmten Berechtigung, z.B. des Eigentums oder des Patentrechts gemeint, sondern der durch allgemeine Kriterien erfaßte, generalisierte Inhalt aller Berechtigungen, die durch die hier zugrundegelegte Struktur gekennzeichnet sind. Unter dem Gesichtspunkt des (generalisierten) Inhalts von Berechtigungen lassen sich zwei Komponenten unterscheiden, die den Inhalt einer Berechtigung ausmachen, nämlich die Aktionsberechtigung und die Vermögensberechtigung. In formaler Hinsicht müssen diese beiden Teilberechtigungen wiederum diejenigen Anforderungen erfüllen, die für die Berechtigung insgesamt gelten, nämlich Ermächtigung (Privilege) und Generalverbot (Right).

aa)

Aktionsberechtigung

Die Aktionsberechtigung betrifft die Handlungen, die der Rechtsinhaber in Bezug auf den durch die Berechtigung umfaßten Sachverhalt vornehmen darf. Es handelt sich dabei - wie bei der Berechtigung allgemein - um eine Norm des Dürfens. Die Ermächtigungsnorm (Privilege) lautet: Der Rechtsinhaber darf die von der Berechtigung erfaßten Handlungen vornehmen. Das Handeln selbst und seine Folgen sind rechtmäßig. Alle Nichtberechtigten sind auf Grund der Norm des negativen Sollens, der Right-Norm davon ausgeschlossen, die durch die Berechtigung umfaßten Handlungen zu verwirklichen. Hinsichtlich ihres Bezugsgegenstandes lassen sich reale und personale Aktionsberechtigungen unterscheiden. Gegenstand realer Aktionsberechtigungen sind Objekte der äußeren Welt, während personale/soziale Aktionsberechtigungen solche sein sollen, in denen „der Mensch eine Rolle spielt" 37 . Die Abgrenzung entspricht damit nicht der Definition der Dinglichkeit im üblichen Sinne; auch an immateriellen Gütern können in diesem Sinne reale Aktionsberechtigungen bestehen. Dem Berechtigten stehen im Hinblick auf Belange an seiner Person personale/soziale Aktionsberechtigungen zu: Zumeist handelt es sich dabei um die zivilrechtliche Umsetzung verfassungsrechtlicher Wertungen (etwa: allgemeines Persönlichkeitsrecht und besondere Persönlichkeitsrechte). In der Aktionsberechtigung konstituiert sich zugleich das Rechtssubjekt. Im Bereich der personalen Aktionsberechtigung dürfen Nichtinhaber des Rechts dem 37

J. Schmidt, Aktionsberechtigung und Vermögensberechtigung, 56.

§ 16 Funktion

und Inhalt des

Zuweisungsgehaltsbegriffs

421

Rechtssubjekt zugeordnete Tatbestände nicht setzen; sie dürfen kraft der Norm des subjektiven Sollens nicht als Subjekt der einem anderen zugeordneten Aktionsberechtigung handeln. bb)

Vermögensberechtigung

Die zweite Art der in der Berechtigung enthaltenen Teilzuweisungen ist die Vermögensberechtigung. Auch die Vermögensberechtigung weist die formalen Eigenschaften der Berechtigung auf: Ermächtigung und Generalverbot. Der Inhalt der Vermögensberechtigung liegt in dem Recht ihres Inhabers, den Wert eines Sachverhalts beanspruchen zu dürfen. Jeder andere, der nicht Rechtsinhaber ist, kann den in einem Sachverhalt liegenden Vermögenswert nicht verlangen; ihm gebührt der Wert nicht. Aus der Norm des negativen Sollens der Vermögensberechtigung ist die Forderung abzuleiten, daß der Nichtberechtigte, dem der Vermögenswert eines Sachverhalts entgegen der Vermögensberechtigung zugeflossen ist, diesen an den Berechtigten herauszugeben hat. Denn dieser ist kraft der Vermögensberechtigung das einzige Rechtssubjekt, dem dieser Vermögenswert rechtlich zukommt. Für das Verhältnis von Aktionsberechtigung einerseits und Vermögensberechtigung andererseits wird darauf hingewiesen, daß es sich um völlig voneinander verschiedene Ordnungsstrukturen handele, weil es um jeweils unterschiedliche Möglichkeiten gehe, über Sachverhalte des sozialen Lebens Aussagen zu machen 38 . Diese Bestimmung des Verhältnisses von Aktionsund Vermögensberechtigung suggeriert - jedenfalls in normativer Hinsicht eine völlige Beziehungslosigkeit beider Kategorien von Berechtigungen. Dies ist schon deshalb nicht richtig, weil sich beide Arten von Berechtigungen intensiv beeinflussen und Bestandteile eines einheitlichen Rechts bilden. So hängt der Wert eines Sachverhalts, der von einer Vermögensberechtigung erfaßt wird, davon ab, wie die Aktionsberechtigung des Rechtsinhabers an dem Sachverhalt ausgestaltet ist. Auf diese Fragen wird unten noch näher einzugehen sein. Grundlegende Unterschiede macht J. Schmidt bei den Funktionen von Aktions- und Vermögensberechtigung aus: Die Aktionsberechtigung verteile innerhalb einer Gesellschaft das Recht, in Bezug auf einen bestimmten Sachverhalt handeln oder nicht handeln zu dürfen. Die Aktionsberechtigung bilde in diesem Sinne die Grundlage für die Innehabung von Handlungsfreiräumen, die von allen anderen, die nicht Inhaber eines solchen Freiraums sind, zu respektieren seien. In diesem Sinne stellten sich die Aktionsberechtigungen als eine Ordnung des Habens dar. Ganz anders hingegen sei der Sinn der Vermögensberechtigung zu fassen. Der Ordnung des Habens müsse eine Ordnung zur Seite gestellt werden, durch die Aktionsberechtigungen auf andere Rechtssubjekte übertragen werden kön38

J. Schmidt,

Aktionsberechtigung und Vermögensberechtigung, 68.

422

Kapitel III: Zuweisungsgehalt kondiktionsgeschützter

Rechte

nen, um die Interessen derjenigen Rechtssubjekte befriedigen zu können, die eine Aktionsberechtigung an einem bestimmten Sachverhalt zwar nicht haben, aber erwerben wollten. Die Befriedigung dieses Interesses setzt die Tauschbarkeit von Aktionsberechtigungen voraus: „Können die Interessen an den Sachverhalten befriedigt werden, weil die Sachverhalte unter den Berechtigten austauschbar sind, weil ein steter Fluß der Berechtigungen bezüglich aller Sachverhalte, die der Rechtssetzung kraft Privatautonomie unterliegen, möglich ist, so wird es sinnvoll, das Nicht-Haben aber Haben-Wollen: die Interessen der Rechtspersonen, rechtlich zu ordnen. Eine rechtliche Ordnung kann dabei davon ausgehen, daß die Gesamtheit der realistischen Interessen nicht größer sein kann als die Gesamtheit der Sachverhalte" 39 . Das Interesse der nicht-habenden Rechtspersonen an den Sachverhalten wird durch Vermögensberechtigungen geordnet. Dabei hat - laut ]. Schmidt - die Privilege-Norm folgenden Inhalt: „Das quantifizierte Interesse: - der Wert eines Sachverhalts - wird dem Umfange nach durch die Höhe des Interesses, dem Inhalte nach durch den Sachverhalt umschrieben. Demgemäß enthält die privilege-Norm der Vermögensberechtigung eine Aussage darüber, daß dem Berechtigten an dem Sachverhalt, der in dem Tatbestand der Norm umschrieben ist, einen Wert (...) in der Höhe des Interesses des an dem Sachverhalt Interessierten - und zwar: jeweils Interessierten - zukommt. Dieser Wert ist ihm als privilege zugewiesen,,gebührt' ihm (...)" 4 0 . D i e zur Privilege-Norm komplementäre N o r m des negativen Sollens sagt demgegenüber aus, daß allen Rechtspersonen, die nicht vermögensberechtigt sind, der Sachverhaltswert nicht gebührt. Alle Interessierten - einschließlich des Aktionsberechtigten - bewerten den Sachverhalt; jedoch setzt sich letztlich nur seine Bewertung durch. D i e Vermögensberechtigung führt dazu, daß dem Berechtigten alle Werte zugewiesen werden, die eine Tatbestandssetzung im Sachverhaltsbereich der Berechtigung zuordnen. Handelt der Berechtigte selbst, so realisiert er den Wert des Sachverhalts dadurch, daß er für sein Handeln keine anderen Vermögenspositionen aufgeben muß. Handelt demgegenüber ein Nichtberechtigter im Bereich der mit der Vermögensberechtigung verbundenen Aktionsberechtigung, so steht der Wert dieser Tatbestandssetzung, der sich im Vermögen des Nichtberechtigten befindet, dem Berechtigten zu: er kann diesen Wert vom Nichtberechtigten herausverlangen. „Die Vermögensberechtigung bewirkt demzufolge, daß dem Berechtigten durch jede Tatbestandssetzung im Sachverhaltsbereich der Berechtigung Werte zugewiesen werden: setzt er selbst den Tatbestand, realisiert er in seinem Handeln den Wert: obwohl er handelt, wird die Summe der ihm soweit zustehenden Vermögensberechtigungen nicht geringer; er kann sein Interesse befriedigen, ohne sonstige Werte aufzuopfern. 39 40

J. Schmidt, Aktionsberechtigung und Vermögensberechtigung, 62. ]. Schmidt, a.a.O., 64.

5 16 Funktion

und Inhalt des

Zuweisungsgehaltsbegriffs

423

Handelt ein anderer, realisiert ein anderer in seinem Vermögen den Wert, so kann der Berechtigte diesen Wert beanspruchen: ihm wächst ein Anteil am Vermögen des anderen zu, der hinnehmen muß, daß sein Interesse am Handeln nur Wertung ist und daß der Wert dem Berechtigten zusteht"41. Bei der Durchführung seiner Lehre von Aktions- und Vermögensberechtigung kommt /. Schmidt zu dem Ergebnis, daß der Begriff der Vermögensberechtigung seiner Privilege-Right-Theorie identisch ist mit dem Konzept des Zuweisungsgehalts der subjektiven Rechte42. Der Eingriff in den Zuweisungsgehalt eines subjektiven Rechts sei die Inanspruchnahme des dem Berechtigten zugewiesenen Wertes, ohne daß es darauf ankomme, daß der Handelnde, der einen Tatbestand einer Norm des negativen Sollens der Vermögensberechtigung verwirklicht, rechtmäßig oder rechtswidrig handelt. Ein Eingriff in den Zuweisungsgehalt des subjektiven Rechts sei daher bereits in dem „Grenzfall" gegeben, in dem der Hausmeister seine eigenen Kohlen irrtümlich in einen fremden Ofen füllt und daher eine Wohnung damit geheizt wird, deren Inhaber die Kohlen nicht gehörten. Dazu ist anzumerken, daß es sich dabei nicht um einen Fall der Eingriffskondiktion, sondern der Aufwendungskondiktion handelt. Die Eingriffskondiktion macht die Folgen von Eingriffen anderer in den Zuweisungsgehalt eines Rechts des Kondizienten rückgängig. Sie betrifft also die Grenzziehung zwischen den durch das subjektive Recht zugewiesenen Vermögensinteressen des Rechtsinhabers und dem Bereich der Handlungsfreiheit desjenigen, der den Kreis der Rechte des Kondizienten durch sein Handeln berührt. J. Schmidt gelangt über die Gleichsetzung von Vermögensberechtigung und Zuweisungsgehalt subjektiver Rechte zu einer weitgehenden Kongruenz von Deliktsrecht und Eingriffskondiktion: Beide Ansprüche verfolgten mit dem Schutz der Vermögensberechtigung dasselbe Ziel. Auch der Inhalt der Vermögensberechtigung sei bei Schadensersatz- und Bereicherungsanspruch identisch. Die Privilege-Norm der Vermögensberechtigung, deren Verletzung bei beiden Ansprüchen in Frage stehe, besagt, daß der Berechtigte sein Interesse am Sachverhalt der zur Vermögensberechtigung gehörenden Aktionsberechtigung realisieren darf, ohne ein Vermögensopfer dafür erbringen zu müssen. Umgekehrt bestimmt die Right-Norm der Vermögensberechtigung, daß dem Berechtigten der von einem Nichtberechtigten in Anspruch genommene Wert (Bereicherung oder Schadensersatz) gebührt, wenn der Nichtberechtigte sein Interesse am Sachverhalt ohne Vermögensopfer an den Berechtigten befriedigt 43 . Dem ist hinzuzufügen, daß die Inanspruchnahme einer in einem subjektiven Recht verkörperten Aktionsberechtigung durch einen Nichtberechtigten (abgesehen von einigen im Gesetz vorgesehenen Ausnahmen) nur dann rechtlich 41 42 43

]. Schmidt, ]. Schmidt, ]. Schmidt,

Aktionsberechtigung und Vermögensberechtigung, 64 f. a.a.O., 104. a.a.O., 105.

424

Kapitel III: Zuweisungsgehalt

kondiktionsgeschützter

Rechte

zulässig ist, wenn der Rechtsinhaber dieser Inanspruchnahme zugestimmt hat. Die Höhe des Vermögensopfers, das den Berechtigten dafür entschädigt, daß nicht er, sondern der „Nichtberechtigte" diesen Gegenstand des subjektiven Rechts nutzt, wird privatautonom zwischen den Parteien festgelegt. Zurecht weist J. Schmidt darauf hin, daß dieser Kontraktmechanismus in den Fällen der Eingriffsbereicherung und des Schadensersatzes versagt. Für die Fälle des Eingriffs in eine fremde Vermögensberechtigung sei daher eine andere Rechnungsmodalität zu finden als bei privatautonomer Festlegung der Höhe des Vermögensopfers. Dabei kämen zwei Berechnungsarten in Betracht: 1) Zum einen könne man das Interesse des Eingreifers daran, die Vermögensberechtigung am Sachverhalt ohne Vermögensopfer verwirklichen zu können, zugrunde legen. Um den Wert dieses Interesses festzulegen, ist eine Bestimmung dessen erforderlich, was es den Nichtberechtigten gekostet hätte, Inhaber der Aktionsberechtigung zu werden. Um den Wert seines Interesses zu bestimmen, muß daher ermittelt werden, wie sich die Vermögenslage des Eingreifers verändert hätte, wenn er sich - wie es bei Einhaltung des Kontraktmechanismus der Fall gewesen wäre - durch ein der Höhe nach vertraglich bestimmtes Vermögensopfer vom Inhaber die Erlaubnis zur Realisierung der Vermögensberechtigung verschafft hätte. Der Wert dieses Vermögensopfers gebühre auf Grund der Norm des negativen Sollens (Right) dem Rechtsinhaber. Da er ihn noch nicht an den Rechtsinhaber erbracht hat, hat er diesen Wert dem Rechtsinhaber herauszugeben. Der Eingreifer ist darum bereichert. 2) Andererseits könne das Interesse des Berechtigten daran, den Sachverhalt an der Vermögensberechtigung zu realisieren, zur Grundlage der Wertberechnung gemacht werden. Dieser Berechnungsmaßstab setzt voraus, daß ermittelt wird, wie die Vermögenslage sich darstellte, wenn der Eingriff nicht stattgefunden hätte. Die Differenz zwischen der tatsächlich nach dem Eingriff eingetretenen Vermögenslage und der hypothetischen Vermögenslage ohne Eingriff ist der Schaden des Berechtigten. Der Unterschied zwischen der Eingriffskondiktion nach § 812 BGB und den deliktischen Ansprüchen gemäß §§ 823 ff. BGB liegt aus dieser Sicht lediglich in der unterschiedlichen Wertberechnung. Beide Anspruchsarten schützen Vermögensberechtigungen. In den Regelungen des BGB spiegelten sich diese unterschiedlichen Berechnungsweisen bei der Verletzung der Vermögensberechtigung wider: Verletze ein Nichtberechtigter die Right-Norm einer Vermögensberechtigung, ohne daß ihm der Vorwurf des Verschuldens hinsichtlich der Tatbestandsverwirklichung gemacht werden könne, so sei der Wert der Vermögensberechtigung aus der Sicht des Eingreifers zu berechnen; zu ermitteln und auszugleichen sei dessen Bereicherung. Verwirkliche der Eingreifer hingegen den Tatbestand der Right-Norm der Vermögensberechtigung bewußt oder in schuldhafter Weise unbewußt, so komme die Berechnungsart über die Ermittlung des Wertes der Vermögensberechtigung in Betracht: Der Wert ist hier aus der Sicht des Berechtigten, nach dessen Schaden zu ermitteln (§§ 823 ff. BGB), der dann vom Handelnden auszugleichen ist. Der allgemeine

§16 Funktion

und Inhalt des

Zuweisungsgehaltsbegriffs

425

Tatbestand der Right-Norm der Vermögensberechtigung (d. h.: der Verbote für alle Nichtberechtigten hinsichtlich der Realisierung des Wertes der Vermögensberechtigung ohne Zustimmung des Berechtigten) sei für die Eingriffskondiktion und den Deliktsanspruch immer gleich. Daraus folgert /. Schmidt: „...: Jeder Tatbestand einer unerlaubten Handlung ist im allgemeinen Tatbestand dem Tatbestand einer Bereicherung durch Eingriff gleich (das ermöglicht die Präzisierung des vagen Tatbestandes der Eingriffskondiktion auf Grund der Tatbestände der §§ 823 ff.); jeder Tatbestand einer Bereicherung durch Eingriff ist bei Hinzutreten des Tatbestandsmerkmals .Verschulden' Tatbestand einer unerlaubten Handlung" 44 . In der Privilege-Right-Theorie liegt ein interessanter Ansatz zur Erfassung der Funktionen des subjektiven Rechts. Insbesondere ist es möglich, mittels der Elemente von Aktions- und Vermögensberechtigung die Zwecke zu erfassen, die die ökonomische Theorie im Rahmen der Lehre von den Property Rights behandelt. Bei dieser Lehre dienen Eigentums- und Verfügungsrechte (Property Rights) vor allem dazu, externe Effekte zu internalisieren. Das kann nur dadurch gelingen, daß ein freier Zugriff von jedermann auf den vorhandenen Güterbestand ausgeschlossen und die Befugnis, über Nutzung und Verwendung der knappen Güter zu entscheiden, dem Rechtsinhaber übertragen wird. Das juristische Gegenstück zu den Property Rights bilden die subjektiven Vermögensrechte. Die Privilege-Right-Theorie deckt nun die rechtlich notwendige Struktur der dem subjektiven Recht eigenen Berechtigung auf, die erforderlich ist, die Zwecke des subjektiven Rechts zu erreichen. Dies ermöglicht eine Bestimmung des Zuweisungsgehalts subjektiver Rechte als Tatbestandselement der Eingriffskondiktion nach § 812 I 1, 2. Alt. BGB, die eine hinreichend klare Abgrenzung der Tatbestände, in denen die Eingriffskondiktion Anwendung findet, von den Sachverhalten zu leisten vermag, in denen dieses Rechtsinstitut nicht anwendbar ist. In dieser Hinsicht erweist sich die Privilege-Right-Theorie mit ihrer klaren normativen Strukturierung des subjektiven Rechts als hilfreich. Dennoch ist darauf hinzuweisen, daß den Folgerungen, die /. Schmidt im Hinblick auf die Durchführung der Theorie im geltenden Recht zieht, nicht ausnahmslos zugestimmt werden kann. Zum einen ist die Gleichsetzung von Zuweisungsgehalt und Vermögensberechtigung mit dem geltenden Recht nicht in Ubereinstimmung zu bringen. Die Eingriffskondiktion schützt nicht nur die Vermögensberechtigung, sondern auch die Aktionsberechtigung. Die Aktionsberechtigung gibt dem Berechtigten die Befugnis, im Sachverhalt der Berechtigung Handlungen zu setzen. Diese Befugnis ist normativ geprägt; sie endet nicht etwa dann, wenn einem Eigentümer die Sache, auf die sich seine Aktionsberechtigung bezieht, weggenommen wird. Allerdings setzt die Ausübung dieser Befugnis voraus, daß der aktionsberechtigte Eigentümer Zugriff auf die Sache hat, sonst nutzt ihm seine Aktionsberechtigung wenig. 44

]. Schmidt,

Aktionsberechtigung und Vermögensberechtigung, 110.

426

Kapitel III: Zuweisungsgehalt kondiktionsgeschützter

Rechte

Greift jemand in die Aktionsberechtigung des Eigentümers ein, indem er diesem die Sache wegnimmt, so steht dem Eigentümer ein Anspruch nach § 812 I 1, 2. Alt. B G B aus Eingriffskondiktion auf Rückgabe der Sache zu. Dieser Anspruch konkurriert mit weiteren Herausgabeansprüchen: aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis mit § 985 B G B und aus dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung mit § 823 I B G B sowie - wenn es sich um verbotene Eigenmacht handelte - mit § 861 B G B . Die Konkurrenz mit den anderen Herausgabeansprüchen ändert aber nichts daran, daß der Eigentümer den Besitz auch kondizieren kann. Damit wird seine Vermögensberechtigung geschützt, weil die Sache einen Wert hat; zugleich aber stellt der Eigentümer eine Lage her, die es überhaupt erst ermöglicht, seine Aktionsberechtigung ausüben zu können. Auch die von /. Schmidt behauptete weitgehende Parallelität von Eingriffskondiktion und Deliktsrecht unterliegt erheblichen Bedenken. Nur subjektive Rechte, die dem Rechtsinhaber eine Berechtigung i.S.d. Privilege-Right-Theorie gewähren, die also eine Ermächtigung zugunsten des Rechtsinhabers und ein Generalverbot zu Lasten aller anderen Rechtsgenossen enthalten, weisen Zuweisungsgehalt i.S.d. Eingriffskondiktion auf. Daraus folgt zugleich, daß sich der Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion auf den Schutz solcher Berechtigungen beschränkt. Auf andere Rechtspositionen, die diese Eigenschaften nicht aufweisen, ist die Eingriffskondiktion mangels Zuweisungsgehalt nicht anwendbar. Demgegenüber geht der deliktsrechtliche Interessenschutz viel weiter. Der Deliktsanspruch erfaßt auch Interessen, die zwar in gewissem Umfang rechtlich geschützt sind, sich aber nicht zu einer Berechtigung i. S.d. Privilege-Right-Theorie verfestigt haben. Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung können also auch zum Schutz von Rechtsnormen dienen, die kein subjektives Recht konstituieren und die damit auch nicht die Struktur von Privilege und Right aufweisen. Als Beispiel sei auf §§ 1 , 3 , 1 7 , 1 8 U W G hingewiesen. Eine Verletzung dieser Normen führt zu einem Schadensersatzanspruch, ohne daß hinter den Normen ein subjektives Recht mit einer ausschließlichen Berechtigung steht. Wer im geschäftlichen Verkehr irreführende Werbung betreibt, handelt gemäß § 3 U W G rechtswidrig und macht sich schadensersatzpflichtig. Dennoch bildet kein absolutes subjektives Recht die Grundlage des § 3 U W G : ein solches Recht könnte nur darin bestehen, daß dem „Rechtsinhaber" ein Teil des Marktes, auf dem er tätig ist, fest zugewiesen wäre. Eine solche feste Zuweisung von Marktanteilen wäre mit einer wettbewerblich organisierten Marktwirtschaft unvereinbar. Über Marktanteile, deren Verteilung und Veränderung entscheidet in einer solchen Ordnung allein der Wettbewerb und nicht der Tausch von absoluten subjektiven Rechten. Der Kampf um den Erfolg im Wettbewerb vollzieht sich in den modernen Rechtsordnungen - anders als im Naturzustand Hobbesscher Prägung - nicht regellos: Vielmehr sieht die Rechtsordnung einen Rahmen von Regeln vor, die die Wettbewerber zu lauterem und fairem Verhalten im Wettbewerb verpflichten sollen. Durch diese Regeln werden bestimmte Handlungsweisen der Wett-

§16

Funktion

und Inhalt des

Zuweisungsgehaltsbegriffs

427

bewerber, die als unlauter angesehen werden, verboten. Wendet ein Wettbewerber trotz des Verbotes durch das U W G im geschäftlichen Verkehr solche Handlungsweisen an, so kann er sich dadurch vielfach einen Wettbewerbsvorteil vor seinen Mitbewerbern verschaffen, indem er Geschäftsabschlüsse mit Kunden tätigt, die bei rechtmäßigem Verhalten des Wettbewerbers mit seinen Konkurrenten kontrahiert hätten. Ein auf diese Weise entgangener Gewinn der Mitbewerber wird nach § 3 U W G in Verbindung mit § 252 B G B ersetzt. Bei dem hier als Beispiel herangezogenen N o r m e n des U W G handelt es sich nicht um Bestandsnormen, die ein subjektives Recht konstituieren und seine Integrität bewahren sollen, sondern um „Kampfregeln" oder „Spielregelnormen", über die das Verhalten der Konkurrenten im Wettbewerb gesteuert werden soll. Schließlich verdeckt eine so strikte kategoriale Trennung von Aktionsberechtigung auf der einen Seite und Vermögensberechtigung auf der anderen Seite - wie sie v o n / . Schmidt angenommen wird - den Umstand, daß sich beide Arten der Berechtigung gegenseitig stark beeinflussen. Es mag zwar sein, daß sich auf normlogischer Ebene keine Berührungspunkte ergeben, doch in ökonomischer Hinsicht liegt es auf der Hand, daß der Wert einer Vermögensberechtigung ganz erheblich davon abhängt, welchen Umfang die der Vermögensberechtigung korrelierte Aktionsberechtigung aufweist 45 . Im Schrifttum werden gegen die Privilege-Right-Theorie weitergehende Bedenken erhoben, die sich gegen ihre grundsätzliche Tauglichkeit richten, Sinn und Gehalt des subjektiven Rechts zutreffend zu erfassen. So wird darauf hingewiesen, daß die Definition der Berechtigung ein für jeden Nichtberechtigten geltendes Verbot voraussetze, im zugewiesenen Tatbestandsbereich des Rechts zu handeln bzw. daraus Werte zu ziehen. Die Schutzrichtung gegenüber jedermann entspreche dem absoluten subjektiven Herrschaftsrecht. Demgegenüber sei die Theorie nicht in der Lage, auf der Grundlage dieser einschränkenden Definition andere Arten von subjektiven Rechten wie z . B . relative subjektive Rechte und Gestaltungsrechte zu erfassen 46 . Sie sei daher als allgemeine Theorie des subjektiven Rechts nicht geeignet. Im Rahmen der Privilege-Right-Theorie wird jedoch auch angestrebt, Forderungen und Gestaltungsrechte durch die Theorie erfaßbar zu machen, indem bei solchen Positionen eine Ausschließlichkeitsermächtigung des Rechtsinhabers, die auf der ihm durch das Recht zugewiesenen Kompetenz beruht, angenommen wird 4 7 . Dadurch wird versucht, eine einheitliche Struktur relativer und absoluter subjektiver Rechte nachzuweisen. Der Nachteil solcher Vereinheitlichungstendenzen liegt darin, daß die hergebrachten und auch ge4 5 Je umfassender und je zeitlich dauerhafter eine Vermögensberechtigung an einer Ressource ausgestaltet ist, die auf einen anderen übertragen wird, desto höher wird der Wert der Vermögensberechtigung sein. 46 Larenz, Zur Struktur „subjektiver Rechte", FS Sontis, 129ff. (138ff.); Habersack, Die Mitgliedschaft - subjektives und „sonstiges" Recht, 23. 47 Siehe Börner, Dynamische Relativität, 34 ff., 46 ff., 52 ff.

428

Kapitel III: Zuweisungsgebalt

kondiktionsgeschützter

Rechte

setzlich fixierten oder zumindest vorausgesetzten Differenzierungen der verschiedenen Arten subjektiver Rechte, die auf eine möglichst klare Abgrenzung angewiesen sind, verwischt werden. Dies könnte z.B. dazu benutzt werden, den immer wieder einmal diskutierten deliktsrechtlichen Schutz von Forderungen 48 rechtsdogmatisch zu unterfüttern. Allerdings braucht im Rahmen dieser Untersuchung der Frage, inwieweit die von J. Schmidt im deutschen Sprachraum eingeführte Privilege-Right-Theorie in der Lage ist, den Gesamtbereich der subjektiven Rechte angemessen zu erfassen, nicht nachgegangen zu werden. Hier geht es lediglich um eine ökonomisch unterlegte und zugleich rechtsdogmatisch fundierte Bestimmung des Konzepts des Zuweisungsgehalts subjektiver Rechte als Tatbestandselement der Eingriffskondiktion nach § 812 11, 2. Alt. BGB. Dabei ist insbesondere auf eine überzeugende Abgrenzung des Bereicherungsanspruchs Wert zu legen: Der idealtypische Eingreifer ist gutgläubig im Rahmen seiner ihm zustehenden wirtschaftlichen Handlungsfreiheit tätig geworden und hat sich dadurch - wenn auch auf Kosten des Kondizienten Vermögensvorteile verschafft. Es bedarf daher einer stichhaltigen Legitimation, um die Wegnahme dieser Vorteile beim Eingreifer und ihren Transfer zum Berechtigten zu rechtfertigen. Diese Rechtfertigung ergibt sich aus der Verteilung knapper Güter über die juristische Institution des absoluten subjektiven Rechts. Die ökonomischen Grundlagen der Begründung von „Eigentumsrechten" an knappen Gütern wurde oben bereits ausführlich dargelegt und soll in den Einzelheiten hier nicht noch einmal wiederholt werden. Nur auf den Grundansatz soll noch einmal hingewiesen werden: Die effiziente Verwendung knapper Güter, d. h. die Vermeidung von Verschwendung als Ziel allen Wirtschaftens, setzt den Ausschluß des freien Zugriffs aller Mitglieder einer Gemeinschaft auf die knappen Ressourcen voraus. Effiziente Ressourcenallokation bedingt ebenso wie die Funktionsfähigkeit von Gütermärkten die Existenz von Ausschließlichkeitsrechten, durch die knappe Güter der alleinigen Verwendungsdisposition ihrer Inhaber unterstellt werden und gleichzeitig der Zugriff aller anderen Rechtsgenossen auf den Rechtsgegenstand ohne die Zustimmung des Rechtsinhabers ausgeschlossen wird. Die effiziente Allokation knapper Ressourcen bewirkt, daß die Güter durch Tauschvorgänge am Markt an den Ort ihrer jeweils am höchsten bewerteten Nutzung geleitet werden. Die Erfüllung dieser ökonomischen Grundfunktionen des Marktes setzt auf der rechtlichen Seite die Institutionalisierung eines Systems von Ausschließlichkeitsrechten voraus. Ausschließlichkeitsrechte können die ihnen zugedach48 Siehe dazu etwa Becker, Der Schutz von Forderungen durch das Deliktsrecht?, AcP 196 (1996), 439 ff.; Canaris, Der Schutz obligatorischer Forderungen nach § 823 Abs. 1 BGB, in: FS für Steffen, 85 ff.; Medicus, Die Forderung als „sonstiges Recht" nach § 823 Abs. 1 BGB? in: FS für Steffen, 333 ff.; Mincke, Forderungsrechte als „sonstige Rechte" i. S. des § 823 Abs. 1 BGB, in: JZ 1969, 862 ff.; Kraßer, Der Schutz vertraglicher Rechte gegen Eingriffe Dritter, 119 ff.

§ 16 Funktion und Inhalt des

Zuweisungsgehaltsbegriffs

429

ten ökonomischen Funktionen indes nur dann erfüllen, wenn ihr Ausschließlichkeitselement durch das R e c h t hinreichend vor Eingriffen durch N i c h t inhaber geschützt wird und dieser Schutz auch mit entsprechenden staatlichen Durchsetzungsmechanismen versehen wird. D i e ö k o n o m i s c h e Theorie der Property Rights geht davon aus, daß die Ausschließlichkeitsrechte an knappen Gütern, die eine Marktwirtschaft als Grundelemente voraussetzt, durch Rechtsnormen konstituiert werden. Dabei liegt es auf der Hand, daß die ö k o n o m i s c h als Property Rights oder Ausschließlichkeitsrechte bezeichneten Positionen sich auf juristischer E b e n e als absolute subjektive Rechte wiederfinden. D i e Legitimation und Abgrenzung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion ergibt sich aus dem Inhalt der absoluten subjektiven Rechte. Im Vergleich mit alternativen rechtsdogmatischen Ansätzen ermöglicht die Privilege-RightTheorie mit ihrer Differenzierung von Aktions- und Vermögensberechtigung eine klare Erfassung des Inhalts absoluter subjektiver Rechte. D i e dabei in den Rechtsnormen vorgefundene Struktur der subjektiven R e c h t e bzw. der durch sie gewährleisteten Berechtigung wird durch zwei Arten von N o r m e n charakterisiert; zum einen räumt das subjektive R e c h t (bzw. die Berechtigung) dem Rechtsinhaber eine Freiheitsermächtigung ein: E r darf in dem durch die N o r m , die das subjektive R e c h t konstituiert, festgelegten Gegenstandsbereich Tatbestände setzen, ohne dazu die Erlaubnis anderer zu benötigen oder diese dafür entschädigen zu müssen. Es handelt sich dabei um eine N o r m des Dürfens; die Ausübung der Berechtigung steht im Belieben ihres Inhabers. Das zweite, die Berechtigung konstituierender Elemente des subjektiven Rechts ist das Verbot an alle anderen Rechtspersonen, die gleichen Tatbestände im Gegenstandsbereich der Berechtigung zu setzen, die der Rechtsinhaber verwirklichen darf. Diese zweipolige Struktur, nämlich Freiheitsermächtigung (Privilege) und G e neralverbot ( R i g h t - N o r m des negativen Sollens) ist für alle absoluten subjektiven R e c h t e kennzeichnend. Ein Zuweisungsgehalt als Grundlage für einen Anspruch aus Eingriffskondiktion k o m m t nur subjektiven Rechten zu, deren Berechtigung die Struktur von Ermächtigungsnorm und Generalverbot (Privilege-Right-Struktur) aufweist. Vorrangig zielt die Eingriffskondiktion darauf ab, die Folgen von Eingriffen in die Vermögensberechtigung eines Rechtsinhabers rückgängig zu machen. Ein solcher Eingriff liegt dann vor, wenn ein Nichtberechtigter im Schutzbereich des subjektiven Rechts den Wert der Vermögensberechtigung realisiert und seinem Vermögen einverleibt 49 . D e r Zuweisungsgehalt eines subjektiven Rechts deckt also genau den Gegenstandsbereich der Vermögensberechtigung ab, den das Recht seinem Inhaber gewährt. D e r Begriff des bereicherungsrechtlichen Zuweisungsgehalts geht aber über die Vermögensberechtigung hinaus und um49 Ein Eingriff liegt hingegen nicht etwa vor, wenn der Berechtigte mögensgegenstände zum Nutzen anderer in dem Glauben verwendet, die ihm zugute, wie z . B . der Hausmeister, der irrtümlich eigene Kohlen in fremden Wohnung verbrennt. Beim Ausgleich handelt es sich nicht um diktion, sondern um eine Aufwendungskondiktion.

selbst eigene VerVerwendung käme der Heizung einer eine Eingriffskon-

430

Kapitel III: Zuweisungsgehalt kondiktionsgeschützter

Rechte

faßt auch die Aktionsberechtigung, soweit es sich um absolute subjektive Rechte an Sachen, z . B . Eigentum handelt. Führt ein Eingriff zum Besitzverlust des Eigentümers, so kann er seine Aktionsberechtigung an der Sache nicht mehr ausüben. § 812 I 1, 2. Alt. B G B gibt ihm einen Herausgabeanspruch gegen den unberechtigten Besitzer. D a es sich bei Eingriffen in den Besitz des Eigentümers zumeist um verbotene Eigenmacht i.S.v. § 858 I B G B handelt, wird der Anspruch aus Eingriffskondiktion nicht durch § 993 I B G B ausgeschlossen. D i e Struktur von A k t i o n s - und Vermögensberechtigung mit der exklusiven Zuweisung von Befugnissen an den Rechtsinhaber mit dem generellen A u s schluß aller anderen Rechtspersonen zeigt deutlich, daß nur die absoluten subjektiven Rechte einen bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt aufweisen. Allerdings ist bereits an dieser Stelle darauf hinzuweisen, daß auch Rechtspositionen, die nicht in jeder Hinsicht die Elemente absoluter subjektiver Rechte, insbesondere der sog. Herrschaftsrechte enthalten, diesen aber ähnlich sind, mit Zuweisungsgehalt ausgestattet sind und damit in den Schutzbereich der Eingriffskondiktion fallen.

III.

Subjektive

Rechte des Privatrechts

im

Überblick

D i e Eingriffskondiktion ist von ihrer F u n k t i o n her nur auf einen Teilbereich der subjektiven Rechte anwendbar. Bevor untersucht wird, u m welche Rechte und Rechtspositionen es sich handelt und welche G r e n z e n ihr Zuweisungsgehalt aufweist, sollen kurz die nach ihrem Zuweisungsgehalt unterschiedlichen Arten der subjektiven R e c h t e dargestellt werden, die in der Rechtslehre herausgearbeitet worden sind.

1. Absolute

Herrschaftsrechte

D i e der Gruppe der absoluten Herrschaftsrechte zugeordneten subjektiven Rechte zeichnen sich dadurch aus, daß dem Rechtsinhaber ein Bereich freien Handelns in Bezug auf ein bestimmtes R e c h t s o b j e k t eingeräumt ist. E r darf alle v o m Zuweisungsgehalt des Rechts gedeckten Handlungen, die das Rechtso b j e k t betreffen, ausführen, ohne dafür der Zustimmung einer anderen Person zu bedürfen. Zugleich ist für die Herrschaftsrechte kennzeichnend, daß alle anderen Rechtssubjekte keine Handlungsbefugnisse bezüglich des Rechtsobjektes haben und sich jeder Handlung, die in den Zuweisungsgehalt des Rechts fällt, zu enthalten haben 5 0 . N a c h der Art der geschützten Interessen lassen sich dingliche Rechte und Immaterialgüterrechte unterscheiden. Gewis50 Siehe etwa Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, § 15 I; Dörner, Dynamische Relativität, 34 ff.;/. Schmidt, Aktionsberechtigung und Vermögensberechtigung, 53 ff.; Einen Uberblick über den Diskussionsstand zur Frage des subjektiven Rechts gibt Larenz, Zur Struktur „subjektiver Rechte", FS Sontis, 129ff.

§16

Funktion

und Inhalt des

Zuweisungsgehaltsbegriffs

431

sermaßen das Modell des dinglichen Herrschaftsrechts bildet das Eigentum. Darunter versteht die Rechtsordnung die dauernde, ausschließliche und umfassende Herrschaft einer Person über einen körperlichen Gegenstand (§ 90 B G B ) . D e m Eigentümer räumt die Rechtsordnung einen Handlungsspielraum, bezogen auf eine Sache ein, in dessen Rahmen er nach Belieben mit ihr verfahren darf (§ 903 B G B ) . Mit dieser Wendung drückt das Gesetz aus, daß dem Eigentümer nicht nur einzelne Befugnisse zur Einwirkung auf die Sache zukommen, sondern der sachliche Umfang seiner Herrschaft über das Rechtsobjekt umfassend ist. Gleichzeitig kann der Eigentümer alle anderen Rechtssubjekte kraft seiner Sachherrschaft von der Einwirkung auf seine Sache ausschließen 51 . Dennoch ist die Sachherrschaft des Eigentümers nicht unbeschränkt: darauf weist schon der Wortlaut des § 903 B G B hin, wonach die Befugnisse des Eigentümers ihre Grenzen im Gesetz und in den Rechten Dritter finden. Die Ausübung des Eigentums unterliegt darüber hinaus auch verfassungsrechtlichen Beschränkungen. Insbesondere ist hier auf die Sozialbindung des Eigentums nach Art. 1 4 1 2 G G hinzuweisen. Im Unterschied zum Eigentum gewähren die dinglichen Nutzungsrechte ihrem Inhaber sachlich oder zeitlich beschränkte Einwirkungsbefugnisse an einer Sache. So verschafft der Nießbrauch nach § 1030 I B G B seinem Inhaber ein umfassendes Nutzungsrecht (aber nicht das Recht, über die Sache zu verfügen); im Unterschied zum Eigentum ist das Nutzungsrecht beim Nießbrauch beschränkt. Die Dienstbarkeiten gewähren ihrem Inhaber ein sachlich (und zeitlich) beschränktes Nutzungsrecht an einer Sache 52 . Dabei unterscheidet das Gesetz die Grunddienstbarkeit (§§ 1018-1029 B G B ) und die beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten (§§ 1090-1093 B G B ) . Zu den beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten gehören auch die Reallasten (§§ 1105-1112 B G B ) . Beide Arten von Berechtigungen unterscheiden sich insoweit, als die Grunddienstbarkeiten immer dem Eigentümer eines bestimmten Grundstücks zustehen, während die beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten an eine bestimmte Person gebunden sind. Die Dienstbarkeiten beschränken die durch sie gewährte Einwirkungsbefugnis auf die Sache auf einen Ausschnitt der dem Eigentümer zustehenden Befugnisse. Ist eine Dienstbarkeit wirksam entstanden, werden durch die Einwirkungsbefugnisse des Inhabers die Befugnisse des Eigentümers beschränkt. Zu den beschränkten dinglichen Rechten gehören auch die Verwertungsrechte Pfandrecht, Hypothek und Grundschuld 5 3 . Sie dienen vor allem der Sicherung von RückZahlungsansprüchen aus Darlehensverträgen. Hypothek und Pfandrecht räumen ihrem Inhaber das Recht ein, sich aus einem Grund51 Siehe dazu etwa Baur/Stürner, Sachenrecht, § 2 4 I 1; Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 368; Wieling, Sachenrecht, § 8 II 1; Larenz/Wolf Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, § 1 5 1 lb). 52 Baur/Stürner, Sachenrecht, § 3 II 2a); Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 966 ff. 53 Baur/Stürner, Sachenrecht, § 3 II 2b); Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 686ff.; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, § 15 I lb).

432

Kapitel III: Zuweisungsgehalt

kondiktionsgescbützter

Rechte

stück bzw. auch einer beweglichen Sache wegen einer Forderung zu befriedigen. Die Grundschuld ist in dem Sinne abstrakt, als sie für ihre Wirksamkeit und ihren Fortbestand keine Forderung voraussetzt. Demgegenüber handelt es sich bei der Hypothek um ein akzessorisches Sicherungsrecht, dessen Schicksal vom Bestand der gesicherten Forderung abhängt. Die Verwertungsrechte gewähren ihrem Inhaber das Recht, die Sache veräußern zu lassen und den Erlös aus der Veräußerung zu behalten, soweit er ihm aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zusteht. Den dinglichen Rechten strukturell ähnlich sind die sog. dinglichen Anwartschaften54. Von einem Anwartschaftsrecht wird gesprochen, wenn eine rechtlich gesicherte Erwerbsaussicht einen solchen Grad an Gewißheit erlangt hat, daß die Position des Berechtigten im Rechtsverkehr wie das subjektive (Voll-) Recht selbst übertragen, verwertet oder sonst genutzt wird. Es handelt sich bei den sog. Anwartschaftsrechten nicht um gesetzlich geregelte subjektive Rechte. Begriff und Voraussetzungen des Anwartschaftsrechts sind von der Wissenschaft entwickelt worden. Als dingliches Anwartschaftsrecht ist z.B. die Stellung des Käufers unter Eigentumsvorbehalt und des Käufers beim Grundstückskauf nach Auflassung anerkannt. Beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt steht die Übereignung der verkauften Sache an den Käufer unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung. Bei der Ubereignung eines Grundstücks entsteht ein Anwartschaftsrecht dann, wenn die Auflassung nach § 925 BGB formgerecht erklärt ist, die Eintragungsbewilligung durch den Verkäufer erteilt und der Eintragungsantrag durch den Käufer gestellt ist, die Eintragung aber vom Grundbuchamt noch nicht vorgenommen wurde. Die Auflassung ist gemäß § 873 II BGB unwiderruflich; der Veräußerer kann damit die Eintragung durch den Erwerber nicht mehr verhindern. Das so entstandene Anwartschaftsrecht ist sowohl übertragbar als auch pfändbar. 2.

Immaterialgüterrechte

7m den Herrschaftsrechten gehören auch die Immaterialgüterrechte, die ihrem Inhaber ein zwar exklusives, aber zeitlich beschränktes Recht zur Nutzung und Verwertung von unkörperlichen Gegenständen wie z.B. Erfindungen und geistigen Werken gewähren. Wie die Sachenrechte sind die Immaterialgüterrechte ausschließlich; sie berechtigten den Rechtsinhaber nicht nur zur Nutzung und Verwertung des Gutes, sondern schließen auch alle anderen von der Nutzung der Rechtsobjekte aus. Im Unterschied zum Sachenrecht handelt es sich bei den Rechtsobjekten der Immaterialgüterrechte um unkörperliche Gegenstände. Zu den Immaterialgüterrechten zählen das Urheberrecht, das Patentrecht, das Ge54 Medicus, BR, Rz. 456ff.; Baur/Stürner, Raiser, Dingliche Anwartschaften (1961).

Sachenrecht, § 3 II 3; Gernhuber,

BR, 107ff.;

§ 16 Funktion

und Inhalt des

Zuweisungsgebaltsbegriffs

433

schmacksmusterrecht, das Gebrauchsmusterrecht und das Markenrecht sowie einige weitere Rechte 5 5 . Es ist kennzeichnend für die absoluten Herrschaftsrechte, daß sie dem Berechtigten einen Herrschaftsbereich zur Einwirkung auf das Rechtsobjekt zuordnen und zugleich alle anderen Rechtssubjekte von Nutzung, Verwertung und Verfügung über den jeweiligen Gegenstand ausschließen. Die Exklusivität der Berechtigung setzt einen umfassenden rechtlichen Schutz dieser absoluten subjektiven Rechte voraus. Diese wird durch Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche, durch Schadensersatz und durch Ansprüche aus Eingriffskondiktion gewährleistet. Die Herrschaftsrechte sind Vermögensrechte, wobei das Urheberrecht aber neben der immaterialgüterrechtlichen auch eine starke persönlichkeitsrechtliche Komponente aufweist, die ihre rechtliche Fundierung im sog. Urheberpersönlichkeitsrecht findet 56 . Als Vermögensrechte sind die aufgeführten Positionen veräußerlich; dem Rechtsinhaber steht die Verfügungsbefugnis über die Rechtsobjekte zu. Die Herrschaftsrechte gehören zum Vermögen des Rechtsinhabers, das seinen Gläubigern als Haftungsgrundlage für seine Verbindlichkeiten zur Verfügung steht. In der Regel sind die Vermögensrechte auch vererblich. Allerdings gibt es hinsichtlich von Veräußerlichkeit und Vererblichkeit der Herrschaftsrechte gewisse Ausnahmen. So sind Nießbrauch und beschränkte persönliche Dienstbarkeiten nicht veräußerlich (§§ 1059, 1092 B G B ) und nicht vererblich (§§ 1061, 1090 II B G B ) . Wegen seiner persönlichkeitsrechtlichen Komponente ist das Urheberrecht selbst nicht Gegenstand des Rechtsverkehrs; es kann nicht auf andere transferiert werden (§ 29 Satz 2 U r h G ) . Der Urheberrechtsinhaber kann jedoch anderen die Nutzung seiner Befugnisse am Werk durch Lizenzvertrag gestatten. Wenn auch das Urheberrecht gem. § 29 S. 2 U r h G nicht veräußerlich ist, so kann es doch nach § 28 I U r h G vererbt werden.

3.

Persönlichkeitsrechte

Die Persönlichkeitsrechte schützen das Interesse des Individuums an der Anerkennung und Achtung der menschlichen Würde, dem Schutz der Ehre und des guten Rufes, an einem Bereich, in dem sich die Person ohne Beobachtung und Kontrolle durch andere selbstbestimmt verwirklichen kann sowie allgemein gesprochen - an der Verwirklichung und an dem Schutz der Individualität der Person 5 7 . In rechtssystematischer und dogmatischer Hinsicht zu 55 Troller, Immaterialgüterrecht I, 55 ff.; ders., Kurzlehrbuch des Immaterialgüterrechts, 11 ff.; Hubmann/Gotting, Gewerblicher Rechtsschutz, 49 ff.; Chrocziel, Einführung in den gewerblichen Rechtsschutz und das Urheberrecht, 9 ff. 56 Dazu Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 114 ff.; Rehbinder, Urheberrecht, 173 ff.; Scbricker(-Dietz), Vor §§ 12 ff., Rz. 1 ff. 57 Siehe etwa Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, § 15 I la).

434

Kapitel III: Zuweisungsgehalt kondiktionsgescbiitzter

Rechte

unterscheiden sind das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die sog. besonderen Persönlichkeitsrechte. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, dessen Anerkennung im Zivilrecht lange Zeit von Rechtsprechung und Lehre abgelehnt wurde und das sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg durchsetzen konnte, ist nicht positiv-rechtlich fixiert. Es schützt die menschliche Persönlichkeit in allen ihren vielfältigen Facetten gegen die Beeinträchtigung durch Dritte. D u r c h den Fortschritt in der technischen und gesellschaftlichen Entwicklung ergeben sich neue Gefährdungen und Zugriffsmöglichkeiten auf die geschützten Belange der Persönlichkeit. H i n z u k o m m t , daß die Ausübung des Persönlichkeitsrechts fast unvermeidbar mit dem R e c h t auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit sowie weiteren R e c h ten anderer Personen in Konflikt gerät. O b eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als rechtswidrig zu qualifizieren ist, muß im Einzelfall durch die Abwägung der miteinander in Konflikt geratenen G ü t e r und Interessen ermittelt werden. Anders als bei den absoluten Herrschaftsrechten des Eigentums und der Immaterialgüterrechte indiziert eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts noch nicht die Rechtswidrigkeit der beeinträchtigenden Handlung. Wegen der mit der N a t u r des geschützten Interesses zusammenhängenden Unbestimmtheit des Tatbestandes wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch als Rahmenrecht bezeichnet. F ü r einzelne Aspekte der Persönlichkeit haben sich besondere Persönlichkeitsrechte aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, welches insoweit als Quellrecht diente, entwickelt. D i e besonderen Persönlichkeitsrechte sind als eigenständige absolute subjektive R e c h t e ausgestaltet, bei denen ein fest k o n turierter Tatbestand den Bereich des geschützten Interesses fixiert. I m Unterschied zum Mutterrecht des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bilden die besonderen Persönlichkeitsrechte „sonstige R e c h t e " i.S. des § 823 I B G B , bei denen die Verwirklichung des Tatbestandes die Rechtswidrigkeit der Verletzungshandlung indiziert. Als besondere Persönlichkeitsrechte sind z . B . das R e c h t am eigenen Bild und das Namensrecht allgemein anerkannt 5 8 . M a n che zählen auch das R e c h t am gesprochenen W o r t zu den besonderen Persönlichkeitsrechten 5 9 . Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ähnelt strukturell den in § 823 I B G B aufgeführten Lebensgütern Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit. Das „Rechtsobjekt" des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist identisch mit dem Subjekt des Rechts. Es ist deshalb nicht richtig, das allgemeine Persönlichkeitsrecht zu den absoluten Herrschaftsrechten zu zählen 6 0 , die sich am Modell des Eigentums mit der Willensherrschaft des Rechtssubjekts über eine Sache orientieren. Das Persönlichkeitsrecht ist in seinem K e r n unauflöslich mit der Person verbunden; es schützt grundlegende Interessen, die die Konstituierung der 58

59 60

Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte, 21.

Helle, a. a. O., 21.

Dies tut Larenz/Wolf,

Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, § 15 I la).

§ 16 Funktion und Inhalt des

Zuweisungsgehaltsbegriffs

435

Persönlichkeit als soziales Wesen erst ermöglichen. D a h e r ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht weder als Ganzes noch in seinen einzelnen Bestandteilen veräußerlich. In weiten Bereichen kann es daher auch nicht als Vermögensrecht angesehen werden. Insbesondere beim R e c h t am eigenen Bild und auch beim Namensrecht zeigen sich allerdings seit geraumer Zeit Kommerzialisierungstendenzen, die zwar von einer idealistisch geprägten Literatur zunächst entschieden abgelehnt wurden. Letztlich konnten aber Rechtsprechung und L e h re ihre Augen nicht vor der ökonomischen Realität verschließen, in der die Vermarktung von Abbildungen Prominenter und die N u t z u n g ihrer N a m e n für Z w e c k e der kommerziellen Werbung an der Tagesordnung sind. Diese Entwicklung hat dazu geführt, daß bei unbefugter N u t z u n g der Popularität prominenter Personen durch die Verwendung ihrer Bilder in der Werbung in gewissem U m f a n g ein Anspruch aus Eingriffskondiktion gewährt wird 6 1 . Inwieweit dies gerechtfertigt ist, m u ß unten näher geklärt werden.

4. Familienrechte als subjektive Rechte Zu den subjektiven Rechten zählen auch die persönlichen Familienrechte 6 2 . D a z u gehört das R e c h t der elterlichen Sorge (§§ 1626ff. B G B ) sowie das R e c h t des Vormunds (§§ 1793 ff. B G B ) . Umstritten ist, o b es sich bei dem R e c h t auf die A c h t u n g der ehelichen Lebensgemeinschaft um ein absolutes subjektives R e c h t handelt 6 3 . Unabhängig davon gewährt die Rechtsprechung einen deliktsrechtlichen Schutz des räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe. D e r A n spruch richtet sich gegen das Eindringen eines Dritten in die Sphäre der ehelichen W o h n u n g unter Zustimmung eines Ehepartners und gegen die dadurch verursachte Störung des ehelichen Zusammenlebens 6 4 . Bei den genannten persönlichen Familienrechten handelt es sich nicht um Herrschaftsrechte. Diese Rechte sind Teil des Rechtsverhältnisses zwischen Eltern und Kindern und zwischen Ehegatten untereinander. D i e rechtlichen Beziehungen in der Familie gründen sich nicht auf den Gedanken der H e r r schaft über Rechtsobj ekte: Ehegatten und Kinder sind nicht O b j ekte der Willensmacht eines Familienmitgliedes. D a r ü b e r hinaus handelt es sich bei diesen Rechten nicht um Vermögensrechte. Sie sind nicht Gegenstand des Rechtsverkehrs und werden auch nicht vererbt. D a h e r ist festzustellen, daß die genannten subjektiven Familienrechte keinen bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt besitzen. 61 Siehe BGH 8.5.1956, BGHZ 20,335 ff. (Paul Dahlke); BGH 14.4.1992, NJW1992,2084, BGHZ (Fernsehmoderator). 62 Dazu Larenz/Wolf Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, § 15 II. 63 Dafür: Larenz/Canaris, SchR II/2, § 22 I a) a. E.; Soergel(-Lange), § 1353, Rz. 41; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 17; MüKof-WdC&eJ, § 1353, Rz. 40; dagegen: BGH 19.12.1989, NJW 1990,706; Larenz/Wolf Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 15 II 2 a). 64 BGH 26.6.1952, BGHZ 6, 360; BGH 16.12.1960, BGHZ 34, 80.

436

Kapitel

III: Zuweisungsgehalt

5.

kondiktionsgeschützter

Rechte

Forderungen

Eine Forderung begründet das Recht des Gläubigers gegenüber dem Schuldner, von ihm eine Leistung zu verlangen, die auch in einem Unterlassen bestehen kann (§ 241 B G B ) . Im Unterschied zu den absoluten Herrschaftsrechten sind Forderungen relative Rechte: Der Anspruch auf Leistung des Gläubigers richtet sich nicht gegen jedermann, sondern nur gegen den Schuldner. Da die Forderung dem Gläubiger keine Herrschaftsmacht über die Person des Schuldners und auch nicht über den zu leistenden Gegenstand gewährt, sind Forderungen nicht als Herrschaftsrechte zu qualifizieren. Der Schuldner ist Rechtssubjekt; durch die Forderung wird er nicht zum Rechtsobjekt des Gläubigers. Die Forderung begründet die Verpflichtung des Schuldners zur Leistung. Diese Pflicht ist ein rechtliches Sollen, dessen Realisierung in den freien Willen des Schuldners gestellt wird. Er soll die Leistungspflicht freiwillig erfüllen. Tut er dies nicht, wird er nicht Objekt der Willkür des Gläubigers. Dieser darf ihn nicht - etwa mit Gewalt - zur Erfüllung der Forderung zwingen. Kommt der Schuldner seiner Pflicht zur Erfüllung der Forderung nicht nach, ist der Gläubiger auf das durch den Staat bereitgestellte Instrumentarium zur Durchsetzung seines Anspruchs verwiesen. Inwieweit Forderungen einen bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt haben, ist unten näher zu erörtern 65 .

6.

Gestaltungsrechte

Ein Gestaltungsrecht räumt seinem Inhaber die Befugnis ein, durch einseitigen Rechtsakt ein Rechtsverhältnis zu einer anderen Person zu begründen, zu konkretisieren, zu modifizieren oder aufzuheben 6 6 . Es handelt sich dabei um ein subjektives Recht, weil dem Rechtsinhaber eine Rechtsmacht zusteht, kraft derer er einseitig, d.h. ohne die Zustimmung anderer Personen, Rechtsfolgen herbeiführen kann. Die Gestaltungsrechte weisen vielfältige Formen auf. Häufig tritt das G e staltungsrecht als unselbständiges Recht innerhalb bereits bestehender Rechtsverhältnisse auf, so etwa beim Anfechtungsrecht nach §§ 119, 123 B G B , als Wahlrecht beim Wahlschuldverhältnis (§ 262 B G B ) , als Rücktrittsrecht, als Kündigungsrecht, als Bestimmung der Leistung durch einen Vertragspartner oder einen Dritten; zur einseitigen Begründung eines Schuldverhältnisses berechtigt die Option. Zu den selbständigen Gestaltungsrechten, die zur Begründung eines Rechtsverhältnisses führen, gehören die dinglichen Aneignungsrechte. Sie sind Gestaltungsrechte, die ihrem Inhaber eine Berechtigung auf den Erwerb des Eigentums oder eines sonstigen dinglichen Rechts gewähren. Für diese Art von Siehe unten § 28. Siehe etwa Medicus, Allgemeiner Teil des B G B , § 12 I; Larenz/Wolf., des bürgerlichen Rechts, § 15 V 1. 65 66

Allgemeiner Teil

$ 16 Funktion und Inhalt des

Zuweisungsgehaltsbegriffs

437

Gestaltungsrechten sei beispielhaft etwa auf das Recht des Finders nach § 973 B G B zum Eigentumserwerb nach Ablauf der Wartefrist hingewiesen. Außerhalb des B G B sind das Aneignungsrecht des Jagdberechtigten, des Fischereiberechtigten und des Bergberechtigten Beispielsfälle dieser Art von subjektiven Rechten. Gestaltungsrechte bilden in der Regel keine selbständigen Vermögensrechte. Sie sind an das Rechtssubjekt oder das Rechtsverhältnis gebunden, auf das sie sich beziehen und gehen mit diesem Rechtsverhältnis bei einem Wechsel des Rechtssubjektes über. Optionsrechte können selbständig übertragbar sein. Von ihrer Struktur her den absoluten Herrschaftsrechten ähnlich sind die dinglichen Erwerbsrechte. D e r Jagdberechtigte, der Wild erlegt, der Fischereiberechtigte, der Fische fängt und der Bergberechtigte, der Mineralien aus dem Berg gewinnt, erwerben Eigentum an der Ausbeute ihrer Aktivitäten. D e r Grund dafür, daß sie nicht bereits vorher Eigentümer der betreffenden Sachen geworden sind, liegt darin, daß in freier Wildbahn lebende Tiere und das Mineral im Berg nicht beherrschbar sind. Es fehlt also eine wesentliche Voraussetzung der Begründung eines absoluten Herrschaftsrechts an einer Sache. Erst mit der Erlangung des Wildes, dem Fangen der Fische und der Gewinnung der Mineralien kann die Ausbeute zum Rechtsobjekt des Eigentums werden. Wegen der N ä h e zu den absoluten Herrschaftsrechten ist hinsichtlich der genannten Berechtigungen zu prüfen, ob sie durch die Eingriffsbereicherung erfaßt werden. Die vorangehende Darstellung der Arten des subjektiven Rechts zeigt die enorme Vielfalt und Differenziertheit, in der dieses Rechtsinstitut im Zivilrecht Verwendung findet. Die auf die Willensmacht und das geschützte rechtliche Interesse abstellenden Definitionen stellen einige Strukturmerkmale des subjektiven Rechts in den Vordergrund, machen aber keine Aussagen über den Inhalt der im jeweiligen Recht enthaltenen Befugnisse des Rechtsinhabers. Es läßt sich daher nur soviel sagen, daß dem Inhaber eines subjektiven Rechts in Bezug auf den Gegenstand dieses Rechts etwas rechtlich zukommt oder gebührt. D e r Inhalt der Zuweisung wird als Zuweisungsgehalt des subjektiven Rechts bezeichnet.

IV. Ausschließlichkeitsrechte als Mittel zur externer Effekte

Verhinderung

Jedes subjektive R e c h t besitzt einen Zuweisungsgehalt, der sich aus dem Gesetz oder den dem R e c h t zugrunde liegenden rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen ergibt. D i e Gleichsetzung des Begriffs Zuweisungsgehalt mit Inhalt des subjektiven Rechts zeigt sich etwa bei Larenz/Canaris, w o es unter der Uberschrift: „ D e r Zuweisungsgehalt des subjektiven R e c h t s " heißt: ,,a) Daß jemand ein subjektives Recht hat, bedeutet sinngemäß, daß ihm etwas rechtens zukommt oder gehört. Dies ist freilich keine Definition, sondern erst ein Rahmenbegriff. Der Inhalt der Zuweisung kann sehr unterschiedlicher Art sein" 67 . 67

Siehe Larenz/Wolf,

Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 14 II 3 a, Rz. 20.

438

Kapitel III: Zuweisungsgebalt

kondiktionsgeschützter

Rechte

Hier wird der Begriff des Zuweisungsgehalts so verstanden, daß er den Inhalt der subjektiven Rechte, und zwar aller solcher Rechte umfaßt. Die bereicherungsrechtliche Doktrin verwendet den Begriff des Zuweisungsgehalts in einer anderen, engeren Bedeutung. Wilburg entwickelte die Lehre von der Rechtsfortwirkung, die die Grundlage des Anspruchs aus Eingriffskondiktion bildet, aus dem sachenrechtlichen Eigentum: der Bereicherungsanspruch sei eine organische Fortsetzung der verloren gegangenen Vindikation. E. v. Caemmerer griff diesen Ansatz auf und schuf den Typus der Bereicherung aus fremdem Gut. Dieser Bereicherungsanspruch, der als Teil des Güterschutzrechts verstanden wird, hat die Funktion, den Zuweisungsgehalt des durch den Bereicherungsschuldner unbefugt in Anspruch genommenen Rechts durchzusetzen. Von Anfang an bestand kein Zweifel daran, daß nicht alle subjektiven Rechte den Schutz der Eingriffskondiktion erhalten würden. Schon Wilburg schloß Forderungen, die lediglich relative subjektive Rechte darstellen, vom Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion aus. Auch v. Caemmerer, der als erster den Zuweisungsgehalt von Rechten explizit zur Grundlage des Anspruchs aus Eingriffskondiktion machte, spricht ausdrücklich nur absolute Herrschaftsrechte, wie das Eigentum und die Immaterialgüterrechte als Gegenstände der Eingriffskondiktion an. Da alle subjektiven Rechte, nicht nur die absoluten Herrschaftsrechte, mit einem Zuweisungsgehalt ausgestattet sind, kann die Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion nicht dadurch vorgenommen werden, daß zwischen Rechten mit Zuweisungsgehalt und Rechten ohne Zuweisungsgehalt differenziert wird. Auf diese Weise geht aber ein Teil der Lehre beim Problem der Bestimmung der Reichweite der Eingriffskondiktion vor. „Das Kernproblem der Zuweisungstheorie besteht in der Beantwortung der Frage nach der Abgrenzung der Rechte mit Zuweisungsgehalt und insbesondere nach der Reichweite der Zuweisung" 6 8 .

Die Gewährung eines subjektiven Rechts ohne Zuweisungsgehalt, d. h., ohne Bezugsgegenstand für die Wirkungsmöglichkeiten der Willensmacht des Rechtsinhabers, wäre sinnlos. Da aber - wie bereits ausgeführt - nicht alle subjektiven Rechte in den Schutzbereich der Eingriffskondiktion fallen, kann der Zuweisungsgehalt des subjektiven Rechts nicht das zutreffende Abgrenzungskriterium sein. Um die Reichweite der Eingriffskondiktion korrekt abgrenzen zu können, ist an dieser Stelle noch einmal auf die Funktion dieses Rechtsinstituts im Rahmen des bürgerlichen Vermögensrechts zurückzukommen. Das bürgerliche Vermögensrecht bildet den Rahmen für die vielfältigen Austauschprozesse von knappen Ressourcen, die in einer arbeitsteilig organisierten Gesellschaft erforderlich sind, um die Gesellschaftsmitglieder mit den Gütern zu versorgen, die für sie notwendig und wünschenswert sind. Soweit Güter 68

Koppensteiner/Kramer,

Ungerechtfertigte Bereicherung, 76.

§ 16 Funktion

und Inhalt des

Zuweisungsgehaltsbegriffs

439

knapp sind, d.h., nicht in genügendem Maße zur Deckung der gegebenen Nachfrage vorhanden sind, bedarf es der Zuweisung exklusiver Handlungs-, Verfügungs- und Nutzungsrechte, die den freien Zugriff von jedermann auf die knappen Ressourcen ausschließt, um eine effiziente Allokation solcher Ressourcen zu ermöglichen. D e m Streben nach einem Allokationsoptimum dient das Ziel, die knappen Güter so zuzuordnen, daß sie zu Zwecken der Produktion neuer Güter und allgemeiner - zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse im Hinblick auf die Optimierung des gesellschaftlichen Wohlstandes möglichst nutzstiftend eingesetzt werden. Anders gesagt: die Verschwendung knapper Ressourcen, die dadurch entsteht, daß sie in einer weniger nutzbringenden Weise verwendet werden als es in einer alternativen Verwendungsform möglich wäre, soll vermieden werden. Eine effiziente Allokation knapper Ressourcen setzt voraus, daß die ökonomischen Folgen von Handlungen - hier: des Einsatzes von Ressourcen - demjenigen zugerechnet werden, der die Handlung vornimmt. Externe Effekte das Wirksamwerden von Handlungsfolgen bei anderen Personen oder der Allgemeinheit - , seien es Effekte positiver oder negativer Art, müssen daher möglichst ausgeschaltet werden, um eine Verzerrung der am Markt erreichten Koordination subjektiver Nutzenpräferenzen zu verhindern. Die Maß- und Vergleichseinheit für die divergierenden individuellen Nutzenpräferenzen der Nutzungsinteressierten ist das Geld, genauer: die Zahlungsbereitschaft, die ein Nutzungsinteressierter hinsichtlich einer Mittelverwendung am Markt signalisiert 69 . Die Unterwerfung knapper Güter unter ausschließliche Rechte ist wirtschaftlich gesehen nichts anderes als die Internalisierung externer Effekte. Das Ausschließlichkeitsrecht an einem Gut zwingt jeden, der das Gut nutzen möchte und nicht Inhaber des Rechts ist, die Befugnisse zur Nutzung des Gutes im Austausch gegen andere Ressourcen vom Rechtsinhaber zu erwerben. Wird ein knappes Gut entweder nicht vom Anwendungsbereich eines Ausschließlichkeitsrechts erfaßt oder gelingt es einem Nutzer, trotz Bestehens eines solchen Rechts den Gegenstand des Rechts zu nutzen, ohne die Befugnis vom Rechtsinhaber erworben zu haben, so bringt diese Handlung sogenannte externe Effekte mit sich. Die Konsequenz solcher externen Effekte liegt darin, daß falsche Güterpreise entstehen. D a z . B . der Produzent eines Gutes eine bestimmte Kostenkomponente nicht zu tragen braucht, wird er tendenziell zu viele Gütereinheiten der betreffenden Ressource herstellen, weil er die wahren Kosten seiner Aktivität nicht kennt. Die falschen Güterpreise resultieren also in falschen Gütermengen und in einer falschen Güterstruktur. Die Folge externer Effekte sind Wohlfahrtsverluste, weil die Externalitäten eine optimale Ressourcenallokation verhindern. 69

Posner, Economic Analysis of Law, 11.

440

Kapitel III: Zuweisungsgehalt

kondiktionsgeschützter

Rechte

Positive und negative externe Effekte führen zu einer Verzerrung des Preisgefüges und stellen daher die F u n k t i o n des marktlichen Tauschmechanismus in Frage, Güter an den O r t ihrer am höchsten bewerteten N u t z u n g zu leiten. U m eine unverzerrte Artikulation von individuellen Nutzenpräferenzen zu ermöglichen, muß ein rechtliches Arrangement eingerichtet werden, das externe E f fekte soweit wie möglich in den Preismechanismus eingehen läßt. „Um nun diese Probleme über den Markt lösen zu können, muß offenbar auf ein handelndes Individuum der Zwang ausgeübt werden, sich mit dem betroffenen anderen Individuum in Verbindung zu setzen, dessen Bewertung der externen Effekte zur Kenntnis zu nehmen und dann abzuwägen, ob es das andere Individuum für die Hervorbringung dieser Handlungsfolge entschädigen oder die Handlung unterlassen will. Die externe Handlungsfolge muß mit anderen Worten derart dem Tauschprozeß unterworfen werden, daß derjenige obsiegt, der den höheren Preis zu zahlen bereit ist" 70 . Eine Einbeziehung von Handlungsfolgen in den marktlichen Tauschprozeß läßt sich jedoch nur dann erreichen, wenn die Handlungsobjekte den Wirtschaftssubjekten exklusiv zugeordnet werden, anders gesagt: D e r freie Zugriff auf die knappen G ü t e r m u ß durch die Institutionalisierung eines Systems von Ausschließlichkeitsrechten verhindert werden. H i e r liegt nun die Kernfunktion des von der Rechtsordnung institutionalisierten Systems der Ausschließlichkeitsrechte: Ihre Aufgabe ist es, externe E f fekte zu internalisieren und somit die Folgen, die mit der Benutzung eines Gutes verbunden sind, in die K o s t e n - N u t z e n r e c h n u n g des Handelnden einzubeziehen. Diese Zweckrichtung der eigentumsförmigen Zuordnung von Gegenständen legt es nahe, möglichst alle knappen Gegenstände dem System von Ausschließlichkeitsrechten zu unterwerfen. In der modernen Rechtswirklichkeit sind praktisch alle Gegenstände, soweit sie das Knappheitskriterium erfüllen, von Ausschließlichkeitsrechten erfaßt. D i e wissenschaftlich-technische und wirtschaftliche Entwicklung bringt es mit sich, daß neue Arten von Gütern entwickelt werden, die zum Zeitpunkt ihrer „ E n t d e c k u n g " nicht durch eine eigentumsförmige Zuordnung erfaßt sind, weil sie den Tatbestand der präexistierenden Ausschließlichkeitsrechte nicht erfüllen. A u f diesen Umstand machte Raiser aufmerksam: „Indessen vollzieht sich die interessanteste und bis heute noch nicht abgeschlossene Entwicklung der hier betrachteten Herrschaftsrechte nicht an dieser Grenze, sondern an der Frage, welche Rechtsgüter einer Person zum ausschließlichen Haben und Nutzen zugewiesen werden können und sollen. Die im Bereich der europäischen Kultur längst vollzogene Ausdehnung des Kreises dieser Güter auf praktisch alle Gegenstände der räumlich-körperlichen Außenwelt, soweit sie irgendeinen Knappheitswert haben, also auf Grundstücke und Fahrnis schlechthin, ist im Bereich des sowjetischen Rechts wieder im weiten Umfang rückgängig gemacht worden, ... . Aber die europäische Rechtsentwicklung ist auch nicht bei körperlichen Gegenstän70

Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 118.

5 16 Funktion und Inhalt des

Zuweisungsgehaltsbegriffs

441

den, also den Sachen im Sinne von § 90 B G B , stehen geblieben, sondern hat andere, nicht sinnlich wahrnehmbare Güter einbezogen. Den wichtigsten Schritt in dieser Richtung hat für das deutsche Recht schon vor der Jahrhundertwende Kohler getan, als er den Begriff des Immaterialgüterrechts als eines Herrschaftsrechts an einem geistigen Gut, nämlich dem literarischen oder künstlerischen Werk oder der technischen Erfindung ausbildete" 71 . D i e Entwicklung ist nicht bei den Immaterialgüterrechten stehen geblieben, die Köhler vor Augen hatte, als er dem K o n z e p t der Immaterialgüterrechte zum D u r c h b r u c h verhalf. D i e D y n a m i k des technischen Fortschritts hat in neuerer Zeit Gegenstände hervorgebracht, die einen Knappheitswert aufweisen, aber dennoch nicht unter den Tatbestand eines der bereits vorhandenen Ausschließlichkeitsrechte zu subsumieren waren. Als Beispiel sei hier auf den Schutz von Halbleitertopographien im Halbleiterschutzgesetz vom 22.10.1987 7 2 , von Pflanzenzüchtungen im Sortenschutzgesetz vom 11.12.1985 7 3 und von Datenbanken nach der EU-Datenbankschutzrichtlinie 7 4 hingewiesen. Diese Vorschriften begründen neue Ausschließlichkeitsrechte für knappe Güter, die bis dahin noch keinem Ausschließlichkeitsrecht unterlagen. Soweit nicht der sogenannte ergänzende wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz eingriff, stand der freie Zugriff auf Halbleitertopographien, Pflanzenzüchtungen und D a t e n banken jedermann offen. Scharf zu unterscheiden ist einerseits die Schaffung neuer Ausschließlichkeitsrechte für neu entwickelte knappe Güter, die bisher dem System von Property Rights noch nicht unterlagen und andererseits die Zuordnung der Ergebnisse einer N u t z u n g von Rechtsobjekten, die bereits einem Ausschließlichkeitsrecht unterliegen. D i e Nutzungsergebnisse sind dem Rechtsinhaber rechtlich zugeordnet - soweit nicht Ausnahmeregeln z . B . aus Gründen des Gutglaubensschutzes (Beispiel: § 955 B G B ) etwas anderes vorsehen - , weil es der Z w e c k von ausschließlichen Berechtigungen ist, daß die Resultate, die sich aus einer bestimmten Ressourcennutzung ergeben, dem Rechtsinhaber zugeordnet werden. D e r Inhaber eines Ausschließlichkeitsrechts darf die Folgen, die sich aus der N u t z u n g seines Rechts ergeben herbeiführen, ohne daß andere Rechtssubjekte dieser Ressourcenverwendung zustimmen müssen. Dies gilt auch dann, wenn durch die Nutzungshandlung und ihre Folgen andere Rechtssubjekte im H i n b l i c k auf die N u t z u n g ihrer eigenen Ressourcen beeinträchtigt werden 7 5 . Wenn ein Rechtssubjekt ein G u t für eigene Z w e c k e verwenden möchte, an dem er keine Nutzungsbefugnis besitzt, so hat er diese Befugnis v o m Rechtsinhaber zu erwerben. Gelingt der E r w e r b nicht, so hat der N u t zungsinteressierte auf die Verwendung des Gutes zu verzichten. Raiser, Der Stand der Lehre vom subjektiven Recht im Deutschen Zivilrecht, JZ 1961,467. BGBl. 19871,2294. 73 BGBl. 1985 1,2170. 74 Richtlinie 96/9/EG v. 11.3.1996, ABl. EG Nr. L 77, S. 20. Die Richtlinie ist mittlerweile (mit Wirkung vom 1.1.1998) durch §§ 87 a ff. UrhG in deutsches Recht umgesetzt. 75 Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 127f. 71

72

442

Kapitel III: Zuweisungsgebalt kondiktionsgeschützter

V. Der Schutz der Ausschließlichkeit

Rechte

von Rechten

Die Funktion der Internalisierung externer Effekte können die Ausschließlichkeitsrechte aber nur dann erfüllen, wenn die Rechtsordnung, in deren Rahmen die Property Rights geschaffen wurden, einen effektiven Schutz dieser Rechte gegen den unbefugten Zugriff Dritter, die nicht Rechtsinhaber sind, gewährleistet. Die Rechtsordnung schafft diesen Schutz durch die Bereitstellung von Schutznormen und eines institutionellen Rahmens für deren Durchsetzung. Gegen die zukünftige Beeinträchtigung werden Property Rights durch Unterlassungsansprüche geschützt. Verletzt ein anderer das Ausschließlichkeitsrecht des Rechtsinhabers und entsteht diesem dadurch ein Schaden, so kann er diesen vom Rechtsverletzer unter bestimmten Voraussetzungen (Rechtswidrigkeit und Schuldhaftigkeit der Verletzungshandlung) ersetzt verlangen. Welchen Platz nimmt nun die Eingriffskondiktion unter den N o r m e n zum Schutz der Ausschließlichkeitsrechte ein? Die als Ausschließlichkeitsrechte organisierten Zuordnungen von Gegenständen und ihrer Nutzungen zu Personen haben zum Ziel, externe Effekte zu internalisieren. Sie können aber den Rechtsinhaber nicht davor bewahren, daß Dritte entgegen der Zuordnung durch das Ausschließlichkeitsrecht auf dessen Gegenstand zugreifen und dadurch positive oder negative externe Effekte schaffen. Fehlten nun Unterlassungs-, Schadensersatz- und Eingriffsbereicherungsansprüche, so wäre die Internalisierung von Externalitäten durch die Ausschließlichkeitsrechte wirkungslos, weil diese lediglich symbolischen Charakter trügen. Die Ausschließlichkeit der Rechte muß geschützt werden. Die spezifische Funktion der Eingriffskondiktion im Rahmen des Schutzes von Ausschließlichkeitsrechten läßt sich instruktiv in Abgrenzung und durch Vergleich zum Deliktsrecht darstellen. Die sogenannten primären Schadenskosten erfassen alle Schäden der Opfer einer Schadenshandlung, wobei die H ö h e dieser Kosten die vernichteten N u t z werte widerspiegeln. Ökonomisch werden Schäden als Antigüter (bads) angesehen, die einen Nutzenentgang verursachen. Demgegenüber stiften Güter (goods) Nutzen. Güter als Bündel von Nutzungsrechten werden von den Wirtschaftssubjekten nicht um jeden Preis angestrebt. Ein Wirtschaftssubjekt wird ein Gut nur dann erwerben, wenn sein Nutzwert nach seiner individuellen Nutzenpräferenz die Opportunitätskosten (den Ertrag der zweitbesten Nutzenalternative) übersteigt. Dementsprechend sollen Schäden als Antigüter nicht um jeden Preis vermieden werden, sondern nur insoweit wie der Aufwand, der zur Schadensvermeidung erforderlich ist, niedriger ist als der Nutzenverlust, der durch den Schadenseintritt im Verhältnis zu seiner Wahrscheinlichkeit verursacht wird. Schäden auf Seiten des Rechtsinhabers und Vorteile zugunsten des Rechtsverletzers, die durch Eingriff in ein Ausschließlichkeitsrecht verursacht werden, lassen sich als negative und positive externe Effekte kennzeichnen. Die Aufgabe von Schadensersatz- und Eingriffsbereicherungs-

5 16 Funktion

und Inhalt des

Zuweisungsgehaltsbegriffs

443

recht ist es, diese externen Effekte zu internalisieren. Die Nutzung eines Gegenstandes, der dem Ausschließlichkeitsrecht eines anderen unterliegt, stellt aus der Sicht des Rechtsverletzers einen positiven externen Effekt dar, wenn er dem Rechtsinhaber für die Nutzung des Gegenstandes kein Entgelt bezahlen muß. Dieser positive externe Effekt widerspricht dem Zweck des Ausschließlichkeitsrechts, welches externe Effekte, die durch den freien Zugriff Dritter auf den dem Rechtsinhaber zugeordneten Gegenstand entstehen, gerade verhindern soll. Die Internalisierung der durch die Nutzung verursachten Effekte erfolgt im Falle der Beachtung des Ausschließlichkeitsrechts durch den Kontraktmechanismus. Ein an der Nutzung eines Gegenstandes, an dem ein Ausschließlichkeitsrecht eines anderen besteht, Interessierter muß sich mit dem Rechtsinhaber über Entgelt und Bedingungen für die Nutzung einigen. Eine Einigung ist dann möglich, wenn die Zahlungsbereitschaft des Nutzungsinteressierten das Interesse des Rechtsinhabers an der Eigennutzung, ausgedrückt in Geld, übersteigt. Der Kontraktmechanismus erlaubt es dem Rechtsinhaber, Effekte aus der Nutzung seines Rechts zu internalisieren, indem er für die Nutzung des Rechts durch einen Nicht-Rechtsinhaber ein Entgelt verlangt, daß der Höhe nach mindestens dem Wert einer alternativen Eigen- oder Fremdnutzung entspricht. Wenn nun der Kontraktmechanismus, der die Internalisierung potentieller externer Effekte gewährleistet, versagt, weil ein Rechtsverletzer schuldhaft oder nicht schuldhaft unbefugt (d. h., ohne durch Vertrag fixierte Zustimmung des Berechtigten) das Recht des Inhabers benutzt, so entstünde beim Rechtsverletzer ein positiver externer Effekt, wenn die Rechtsordnung es bei dieser Lage beließe. Mit der Verursachung eines positiven externen Effektes beim Rechtsverletzer ist übrigens keineswegs die Entstehung eines gewissermaßen „spiegelbildlichen" negativen externen Effektes beim Verletzten verbunden. Dies hängt mit der spezifischen Konzeption des Schadensersatzes im Falle des entgangenen Gewinns nach § 252 BGB zusammen. Zwar umfaßt der Schadensbegriff auch den entgangenen Gewinn. Als einen solchen definiert das Gesetz den Gewinn, „welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte". Damit wird die Ersatzfähigkeit in vielen Fällen ausgeschlossen. So hat der junge, unbekannte Komponist, dessen Stück von einem renommierten Musikverlag ohne seine Erlaubnis veröffentlicht wird, keinen Schaden erlitten, wenn er nicht in der Lage gewesen wäre, sein Stück anderweitig gegen Entgelt veröffentlichen zu lassen. Bei ihm ist kein negativer externer Effekt eingetreten. Dennoch hat sich bei dem Musikverlag, der das Stück veröffentlicht hat, ein positiver externer Effekt ergeben: Die Veröffentlichung des Musikstücks erfolgt ohne vertraglich vereinbartes Entgelt mit dem Urheber. U m die Einbeziehung von Kosten und Nutzen des Einsatzes knapper Ressourcen in die Wirtschaftlichkeitsrechung der wirtschaftlichen Akteure und die Funktionsfähigkeit des marktlichen Tauschmechanismus zu gewährleisten, müssen positive externe

444

Kapitel III: Zuweisungsgehalt kondiktionsgescbützter

Rechte

Effekte, die durch die unbefugte (d.h. durch den Rechtsinhaber nicht k o n sentierte) N u t z u n g der unter ein Ausschließlichkeitsrecht fallenden Güter beim Rechtsinhaber internalisiert werden. Das technische Mittel dazu ist die E i n griffskondiktion. Diese führt den positiven externen Effekt des Bereicherungsschuldners in das Vermögen des Kondizienten über. Dabei versucht sie in den Fällen des Gebrauchs und Verbrauchs von Sachen und Rechten, in denen es nicht u m die Rückgabe von körperlichen Gegenständen geht, über die Erstattung des Wertes der N u t z u n g durch den Rechtsverletzer an den Rechtsinhaber den Zustand herzustellen, der entstanden wäre, wenn sich die Parteien zur Durchführung des Nutzentransfers des K o n t r a k t mechanismus bedient hätten. D i e F u n k t i o n der Eingriffskondiktion läßt sich damit ö k o n o m i s c h als die Internalisierung positiver externer Effekte beschreiben, die dadurch entstehen, daß ein Rechtsverletzer einen Gegenstand, an dem ein Ausschließlichkeitsrecht besteht, welches die Folgen der Verwendung beim Rechtsinhaber internalisiert, unbefugt nutzt.

VI. Umfang und Grenzen der Begründung von Ausschließlichkeitsrechten aus ökonomischem Blickwinkel D i e Reichweite der Eingriffskondiktion hängt - ö k o n o m i s c h betrachtet davon ab, welche Güter einem Ausschließlichkeitsrecht unterworfen werden, um die ö k o n o m i s c h e n Folgen der Ressourcenverwendung beim Inhaber des Rechts zu internalisieren. D e n n die Legitimation der Anspruchsgewährung beruht darauf, daß durch die unbefugte N u t z u n g einer Ressource, die dem Rechtsinhaber ausschließlich zugeordnet ist, dem Rechtsverletzer ein Vermögensvorteil ( = positiver externer Effekt) entsteht, der nach dem Z w e c k des Ausschließlichkeitsrechts gerade beim Rechtsinhaber internalisiert werden soll. Will ein Nichtberechtigter die Ressource nutzen, so zwingt ihn die ausschließliche Zuordnung dazu, seine in der Zahlungsbereitschaft ausgedrückte Nutzenpräferenz mit den Präferenzen des Rechtsinhabers und denen anderer Nutzungsinteressierter zu vergleichen und damit K o s t e n und N u t z e n der Mittelverwendung in seine Wirtschaftlichkeitsrechung einzubeziehen. Z u r Frage der Reichweite der Unterwerfung von Ressourcen unter Ausschließlichkeitsrechte ist zu sagen, daß prinzipiell alle knappen G ü t e r zum Gegenstand von Ausschließlichkeitsrechten zu machen sind, weil nur so gewährleistet werden kann, daß ihre K o s t e n - N u t z e n - R e l a t i o n e n in den marktlichen Tauschprozeß anhand der individuellen Nutzenpräferenzen der an einer Verwendung des Gutes Interessierten einbezogen werden und dafür sorgen, daß die R e s source an den O r t ihrer am höchsten bewerteten Verwendung wandert. Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß für die Institutionalisierung von Ausschließlichkeitsrechten gewisse G r e n z e n bestehen, die im folgenden kurz behandelt werden sollen.

§16

Funktion und Inhalt des

Zuweisungsgehaltsbegriffs

445

Diese Grenzen, die sich insbesondere auf die Handlungsfreiheit im Wettbewerb beziehen, sind auch für die Reichweite der Eingriffskondiktion von Bedeutung. Denn der Bestand an Ausschließlichkeitsrechten ist nicht ein für allemal festgelegt und stabil; wie die oben genannten Beispiele zeigen, befindet sich dieser Bereich in einer stetigen Entwicklung, die von einer gewissen Dynamik geprägt ist und die dazu führt, daß neue Arten von Ausschließlichkeitsrechten geschaffen werden. Die Schaffung von Ausschließlichkeitsrechten ist nicht der alleinigen Entscheidung des Gesetzgebers vorbehalten; in begrenztem Umfang hat die Rechtsprechung unter Heranziehung von Normen des UWG, insbesondere § 1 UWG, Ausschließlichkeitsrechte begründet, etwa für die Schöpfer von Modeneuheiten76. Hier stellt sich die Frage, inwieweit eine solche Schaffung von Ausschließlichkeitsrechten legitim ist und ob solche Rechte den Schutz der Eingriffskondiktion genießen. Um die Reichweite der Eingriffskondiktion zutreffend beurteilen zu können, ist es wichtig, sich der Grenzen der Institutionalisierung von Ausschließlichkeitsrechten aus ökonomischer Sicht zu vergewissern. Diese Grenzen lassen sich in endogene und exogene Grenzen einteilen.

1. Endogene

Grenzen

Eine „innere" Grenze findet die Unterwerfung von knappen Ressourcen unter ein System von Ausschließlichkeitsrechten in dem Umstand, daß die Institutionalisierung solcher Rechte nicht ohne Kosten möglich ist. Neue Ausschließlichkeitsrechte entstehen dann, wenn die Kosten der Internalisierung geringer sind als die Gewinne, die sich aus der Internalisierung externer Effekte ergeben. Demsetz hat diese Erkenntnis wohl als erster formuliert: „New technics, new ways of doing the same things, and new things - all evoke harmful and beneficial effects to which society has not been accustomed. It is my thesis in this section that the emergence of new property rights takes place in response to the desires of the interacting persons for adjustment to new benefit-cost possibilities. T h e thesis can be restated in a slightly different fashion: property rights develop to internalize externalities when the gains of internalization become larger than the cost of internalization" 7 7 .

Die Zuweisung einer knappen Ressource in Form eines Ausschließlichkeitsrechts ist nur dann sinnvoll, wenn der Inhaber des Rechts die Internalisierung von Nutzungshandlungen auch zu realisieren vermag. Anderenfalls treten genau jene Externalitäten auf, die durch das Ausschließlichkeitsrecht verhindert (= beim Berechtigten internalisiert) werden sollen. Dies setzt die BeherrschbarB G H 19.1.1973, B G H Z 60, 168 ff. (Modeneuheiten). Demsetz, Toward a Theory of Property Rights, in: Furubotn/Pejovich, of Property Rights, 31 ff. (34). 76 77

The Economics

446

Kapitel III: Zuweisungsgehalt kondiktionsgeschützter

Rechte

keit der Ressource durch den Rechtsinhaber und ihre Erkennbarkeit durch Dritte voraus. Sachen sind für den Eigentümer dadurch beherrschbar, daß ihm der Besitz die Möglichkeit gibt, mit ihnen nach seinem Belieben zu verfahren. Zugleich dient der Besitz als Zeichen für das Eigentum: Bei gutgläubigem E r w e r b von Nicht-Berechtigten darf sich der E r w e r b e r auf den Besitz des N i c h t - B e r e c h t i g ten als Rechtsscheingrundlage für die Verfügungsbefugnis des N i c h t - B e r e c h tigten verlassen. Mit Beherrschbarkeit und Erkennbarkeit der Immaterialgüterrechte sieht es demgegenüber anders aus. Ihre Gegenstände sind immaterieller Natur. Eine Beherrschung durch den Rechtsinhaber, die auf der faktischen Innehabung einer Position, wie etwa beim Besitz von Sachen beruht, k o m m t bei diesen unkörperlichen Gegenständen nicht in Betracht. D i e Beherrschung des unkörperlichen Gegenstandes eines Immaterialgüterrechts, also etwa der Erfindung beim Patentrecht, des Werkes beim Urheberrecht, der M a r k e im Markenrecht etc. wird erst und ausschließlich durch rechtliche Vorkehrungen gewährleistet: nämlich durch die Bereitstellung von Ansprüchen, die dem Rechtsinhaber die Sanktionierung von Eingriffen Dritter in sein R e c h t ermöglichen. Es handelt sich dabei um Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche ebenso wie um Schadensersatz- und Bereicherungsansprüche. Auch die Erkennbarkeit des Umstandes, daß ein bestimmter Gegenstand einem Ausschließlichkeitsrecht unterworfen ist, kann sich bei Rechtsobjekten immaterieller Natur nicht aus tatsächlichen Beherrschungsbeziehungen - wie etwa dem Besitz bei Sachen - ergeben. D i e Exklusivität bei der Beherrschung körperlicher Gegenstände gründet sich auch darauf, daß eine Sache in einem bestimmten Zeitpunkt nur an einem O r t sein kann und auch nur an diesem O r t genutzt werden kann. Bei Gegenständen immaterieller N a t u r verhält es sich anders. Sie stellen Informationen dar. Informationen weisen aber partiell die Eigenschaften öffentlicher G ü t e r auf. Im Unterschied zu privaten Gütern sind öffentliche G ü t e r durch das Fehlen von Konsumrivalität und die mangelnde Ausschließbarkeit von nicht-zahlenden N u t z e r n gekennzeichnet 7 8 . D i e fehlende Konsumrivalität bedeutet, daß ein G u t von vielen N u t z e r n und an verschiedenen O r t e n gleichzeitig verwendet werden kann, ohne daß Menge und Nützlichkeit des Gutes in nennenswertem U m f a n g abnehmen. Informationen können - im Zeitalter globaler Informations- und Kommunikationstechnologien - ubiquitär genutzt werden. D e r Wert einer Information nimmt nicht dadurch ab, daß sie von mehreren Personen an verschiedenen O r t e n gleichzeitig verwendet wird. Allerdings werden bestimmte Informationen durch das Patentrecht, U r h e berrecht etc. einem Régime von Ausschließlichkeitsrechten unterworfen, das den freien Zugriff von nicht-zahlungsbereiten Nutzungsinteressierten durch rechtliche Sanktionen verhindert. Die Erkennbarkeit des Bestehens eines Ausschließlichkeitsrechts an einer bestimmten unkörperlichen Ressource wird im 78

Schumann, Grundzüge der mikroökonomischen Theorie, 40 f.

§ 16 Funktion

und Inhalt des

Zuweisungsgehaltsbegriffs

447

Rahmen des Immaterialgüterrechts durch die Erfassung der Güter in öffentlich zugänglichen Registern gewährleistet 79 . Eine Ausnahme gilt lediglich für das Urheberrecht. Hier ergibt sich der Umstand, daß an einer geistigen Schöpfung ein Urheberrecht besteht und wem es zusteht in der Regel bereits aus dem Werkstück selbst (Beispiele: Autor und Verlag bei Büchern). Die Erkennbarkeit von Ausschließlichkeitsrechten und klare, übersichtliche Informationen über ihren Inhalt und ihre Grenzen dienen nicht nur dazu, daß die Nicht-Inhaber von Rechten bestehende Ausschließlichkeitsrechte im Rahmen ihres wirtschaftlichen Handelns respektieren können, sondern senken auch die Transaktionskosten beim Austausch solcher Rechte. Hier liegt auch ein Grund dafür, daß eine Schöpfung neuer Ausschließlichkeitsrechte im Wege vertraglicher Vereinbarungen oder richterlicher Entscheidung durch den numerus clausus der Rechte im Sachenrecht und im Immaterialgüterrecht beschränkt ist 80 . J e besser ein Recht für den Rechtsverkehr erkennbar ist, desto leichter können die zur Erreichung der Pareto-Effizienz erforderlichen Transaktionen vonstatten gehen. Die Frage, wann eine Ressource so beschaffen ist, daß die Gewinne aus der Internalisierung ihrer Nutzenvorteile die Kosten der Internalisierung übersteigen, ist äußerst komplex. Ihre Beantwortung hängt nicht nur von der faktischen Natur der betreffenden Ressource ab, sondern in starkem Maße auch von ihrem rechtlichen Umfeld. Dies zeigt gerade das Beispiel der Immaterialgüterrechte in außerordentlich instruktiver Weise. Die Ausschließlichkeit der Ressourcennutzung wird bei ihnen - anders als bei Sachen - überhaupt erst durch das Recht konstituiert. Erst durch die rechtlichen Sanktionen gegen den freien Zugriff auf die Ressource wird Konsumrivalität und Ausschließbarkeit (gewissermaßen künstlich) geschaffen. Fehlten diese rechtlichen Schutzmechanismen, handelte es sich bei den durch die Immaterialgüterrechte geschützten Rechtsobjekten um öffentliche Güter. Das bürgerliche Vermögensrecht legt im B G B und in den Nebengesetzen einen Kernbestand von Ausschließlichkeitsrechten fest. Insoweit wird die Frage nach dem Umfang der Institutionalisierung eines Systems von Ausschließlichkeitsrechten für knappe Ressourcen dort beantwortet. Allerdings darf nicht übersehen werden, daß der Kreis der knappen Güter, die Ausschließlichkeitsrechten unterworfen werden, nicht für alle Zeit abschließend fixiert ist. Der wissenschaftlich-technische Fortschritt führt zur Entstehung neuer Güter, die von den bestehenden Ausschließlichkeitsrechten nicht oder nicht angemessen erfaßt werden. Die Dynamik dieser Entwicklung veranlaßt den Gesetzgeber gelegentlich, Ausschließlichkeitsrechte für neue Güter zu begründen, wie er es im Fall von Pflanzenzüchtungen 81 , Halbleiter-

79 § 30 PatG, § 8 Gebr MG, § 4 HalbleiterschutzG, § 28 SortenschutzG, §§ 7,8 GeschmMG, § 4 Nr. 1 MarkenG. 80 Zum numerus clausus im Sachenrecht siehe Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, 3; Wilhelm, Sachenrecht, 146; für das Immaterialgüterrecht Troller, Immaterialgüterrecht I, 59. 81 BGBl. 1985 12170.

448

Kapitel III: Zuweisungsgehalt kondiktionsgeschützter

Rechte

topographien 8 2 sowie des Inhalts von Datenbanken 8 3 getan hat. D a r ü b e r hinaus gibt es aber auch Tendenzen in der Rechtsprechung, für bestimmte G ü t e r auf der Grundlage partiellen Schutzes, etwa durch das U W G , Ausschließlichkeitsrechte im Wege richterlicher Rechtsfortbildung zu schaffen. H i e r ist fraglich, inwieweit solche Erweiterungen des gesetzlich fixierten Kanons von Ausschließlichkeitsrechten legitimiert sind und zu einer Ausdehnung des A n wendungsbereichs der Eingriffskondiktion führen können.

2. Exogene Grenzen: Die Funktionsfähigkeit

des

Wettbewerbs

D i e Funktionsfähigkeit des marktlichen Tauschmechanismus setzt eine möglichst umfassende Unterwerfung knapper G ü t e r unter ein System von Ausschließlichkeitsrechten voraus. Stellt die Rechtsordnung ein solches System nicht zur Verfügung, so ist die unverzerrte Artikulation individueller N u t z e n präferenzen, deren Koordination zu einer effizienten Güterallokation im Sinne des Pareto-Kriteriums führt, nicht mehr gewährleistet. Das Postulat der B e gründung von Ausschließlichkeitsrechten mit dem Ziel der Internalisierung externer Effekte gilt indes nicht einschränkungslos. E i n e exogene G r e n z e der Institutionalisierung solcher Rechte bildet der auf dem Wettbewerb der Marktteilnehmer beruhende marktliche Tauschmechanismus selbst. D e r Zugang zu dem Tauschmechanismus des Marktes und seine Ergebnisse dürfen nicht zum Gegenstand eigentumsförmiger Zuweisung durch Ausschließlichkeitsrechte gemacht werden. Das Ziel des Handelns von Wirtschaftssubjekten im Wettbewerb besteht darin, mit Marktteilnehmern der Marktgegenseite, die auf dem betreffenden Markt ihren Bedarf decken wollen, zu einem Vertragsschluß über den Bezug von Gütern zu k o m m e n . Uberzeugt ein U n t e r n e h m e n einen Konsumenten davon, daß sein A n g e b o t das beste ist und schließt der K o n s u m e n t deshalb einen Vertrag mit ihm, so bedeutet das für die Konkurrenten des Unternehmens, daß sie in Bezug auf den konkreten A b n e h mer nicht mit ihrem A n g e b o t zum Zuge k o m m e n . U n t e r Wettbewerbsbedingungen setzt sich auf der Angebotsseite das niedrigste, auf der Nachfrageseite das höchste G e b o t unter einer Vielzahl von G e b o t e n durch. D e r Vertragsschluß zwischen dem obsiegenden Wettbewerber und dem Konsumenten stellt für die Konkurrenten einen negativen externen Effekt dar, während der Umstand, daß nicht die Wettbewerber, sondern er zum Vertragsschluß k o m m t , für den obsiegenden Konkurrenten einen (aus der Sicht der Mitbewerber) positiven externen Effekt ausmacht. D i e Wirkungen der wettbewerblichen Handlungsfreiheit sind im Mechanismus des marktlichen Tausches selbst angelegt. D e r M a r k t als (hypothetischer) O r t , an dem sich - im Falle atomistischer K o n k u r r e n z - eine Vielzahl von Marktteilnehmern der 82 83

BGBl. 198712294. §§ 87 a ff. UrhG.

§16 Funktion und Inhalt des

Zuweisungsgehaltsbegriffs

449

Angebots- und Nachfrageseite trifft und durch den über eine Bewertung der individuellen Nutzenpräferenzen knappe Ressourcen an den O r t ihrer wertvollsten N u t z u n g gebracht werden, würde seine F u n k t i o n verlieren, wenn den Teilnehmern am marktlichen Tauschprozeß von vornherein ausschließliche Rechte in Bezug auf den Zugang zum Markt und das Ergebnis der konkreten Transaktionen eingeräumt würden. U b e r die Verteilung knapper G ü t e r entschiede dann nicht die über eine Offenlegung der Zahlungsbereitschaft erfolgende Koordination individueller Nutzenpräferenzen, sondern die Willkür desjenigen, der über ein Ausschließlichkeitsrecht die Zuteilung knapper G ü t e r beherrschte. Eine solche Markt-Beherrschung eines oder einiger Marktteilnehmer liegt dann vor, wenn ein Anbieter von G ü t e r n in der Lage ist, „... sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und schließlich den Verbrauchern gegenüber in einem nennenswerten Umfang unabhängig zu verhalten" 84 . Es ist kennzeichnend für die Position eines monopolistischen bzw. eines marktbeherrschenden Unternehmens, daß es dem Preismechanismus nicht wie ein im Wettbewerb stehendes U n t e r n e h m e n machtlos ausgesetzt ist, den Preis dementsprechend nicht beeinflussen kann und auf Änderungen des Preises als ein reiner Mengenanpasser reagieren muß, sondern den Preis durch „unternehmerische Politiken" 8 5 zu beeinflussen vermag. Wenn der Zugang zu den Gütermärkten und eine einmal erreichte Marktposition eines Unternehmens durch Ausschließlichkeitsrechte geschützt würden, könnten diejenigen Marktteilnehmer, die im „unverzerrten" Wettbewerbsprozeß in Konkurrenz zum Inhaber des Ausschließlichkeitsrechts treten würden, ihre Nutzenpräferenzen wegen des Ausschlusses nicht mehr in den Tauschprozeß einbringen. In einem solchen System könnten individuelle Nutzenpräferenzen nicht mehr autonom artikuliert werden. Eine solche „Ver-Rechtlichung" der M ä r k t e und der auf ihnen erzielten Ergebnisse durch die Zuordnung von Ausschließlichkeitsrechten an den einmal erreichten Marktpositionen würde den marktlichen Tauschmechanismus seiner Fähigkeit berauben, knappe R e s sourcen an den O r t ihrer am höchsten bewerteten N u t z u n g zu bringen. Richtig ist zwar, daß wegen der Forderung nach der Internalisierung externer Effekte knappe G ü t e r möglichst umfassend einem System von Ausschließlichkeitsrechten zu unterwerfen sind. Dies gilt jedoch nicht für die Ergebnisse des Marktprozesses und den Zugang zu den Märkten. D i e Funktionsfähigkeit des marktlichen Tauschprozesses beruht nämlich darauf, daß die individuellen Nutzenpräferenzen in Wettbewerb zueinander treten und so die am höchsten bewertete Ressourcenverwendung ermittelt wird. Eine freie Artikulation der 84 So die gängige Definition des Konzepts der marktbeherrschenden Stellung nach Art. 86 E W G V (Art. 82 EGV), siehe E u G H , Rs. 27/76 United Brands, Slg. 1978,207 ff. (286); Rs. 85/ 76 Hoffmann/La Roche/Vitamine, Slg. 1979, 461 ff. (520); Rs. 322/81, MB/Michelin, Slg. 1983, 3461 ff. (3503, 3505); vgl. auch Grabitz/Hilf(-Koch), Kommentar zur Europäischen Union II, Art. 86, Rz. 13 ff. 85 Joerges, Bereicherungsrecht als Wirtschaftsrecht, 43.

450

Kapitel III: Zuweisungsgehalt kondiktionsgeschützter

Rechte

individuellen Nutzenpräferenzen ist nicht mehr möglich, wenn das Ergebnis des Tauschprozesses bereits von Anfang an feststeht, genauer gesagt: wenn die Bedingungen, unter denen ein Ressourcentransfer stattfindet, bereits dadurch fixiert sind, daß einer der Tauschpartner unabhängig von der von ihm artikulierten individuellen Nutzenpräferenz Partei des Transfers wird, weil ihm etwa über ein Ausschließlichkeitsrecht ein bestimmter Marktanteil zugewiesen ist, und ihm ein anderer Marktteilnehmer diesen Anteil nicht dadurch streitig machen kann, daß er der Marktgegenseite ein günstigeres A n g e b o t unterbreitet. Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Unterwerfung knapper Ressourcen unter ein System ausschließlicher Rechte grundsätzlich erforderlich ist, um über den Preis- und Verteilungsmechanismus des Marktes zu einer effizienten Ressourcenallokation zu gelangen. Dieses Postulat gilt jedoch nicht einschränkungslos: Bei der Frage, welche Ressourcen für eine eigentumsförmige Zuordnung in Betracht k o m m e n , ist einerseits zu beachten, daß aus ökonomischer Sicht die Institutionalisierung eines neuen Ausschließlichkeitsrechts nur dann als „lohnend" erscheint, wenn die zu erwartenden Internalisierungsgewinne der Rechtsinhaber die K o s t e n der Internalisierung übersteigen. D e r Kreis der Ausschließlichkeitsrechte ist nicht statisch ein für allemal festgelegt. D e r wissenschaftlich-technische F o r t schritt schafft neue Ressourcen, die die Institutionalisierung von Ausschließlichkeitsrechten notwendig machen. E b e n s o wichtig ist die exogene G r e n z e der Institutionalisierung von Ausschließlichkeitsrechten. D e r Zugang zum M a r k t und der marktliche Tauschmechanismus dürfen nicht selbst zum Gegenstand von Ausschließlichkeitsrechten werden, die es ihren Inhabern erlauben, den Wettbewerb dadurch auszuschalten, daß sie ihre Mitbewerber von dem Tätigwerden auf dem jeweiligen Markt abhalten können.

VII.

Interessen

D i e inhaltliche Festlegung des Zuweisungsgehaltskonzepts setzt voraus, daß zunächst die auf dem Spiel stehenden Interessen ermittelt werden. In den Vordergrund treten dabei naturgemäß die Interessen der beiden am Bereicherungsanspruch beteiligten Parteien.

1. Interessen des

Kondizienten

D e r Kondizient legt sein Interesse an einem umfassenden Schutz seiner (in der Regel) mit M ü h e und Aufwand errungenen Position in die Waagschale. E r ist an einem möglichst umfassenden bereicherungsrechtlichen Schutz aller ihm gehörigen Vermögenswerten Positionen interessiert. D i e Rechtsordnung ent-

§ 16 Funktion und Inhalt des

Zuweisungsgebaltsbegriffs

451

hält ein differenziertes Anspruchssystem zum Schutz vermögensrechtlicher Interessen von Rechtssubjekten. D e r deliktische Schadensersatzanspruch gewährt dem Berechtigten Schutz vor schädigenden Eingriffen in seine Vermögensinteressen. Voraussetzung der deliktischen Haftung für Schäden nach §§ 823 ff. B G B ist ein schuldhaftes Verhalten des Rechtsverletzers. H a t der Rechtsverletzer fremde Sachen oder Rechte für eigene Z w e c k e genutzt, o b w o h l er wußte, daß er dazu nicht befugt ist, so kann der Rechtsinhaber den vom Rechtsverletzer erwirtschafteten Gewinn nach §§ 687 II, 681 S. 2, 667 B G B heraus verlangen. D a r ü b e r hinaus kann der Berechtigte zukünftige Beeinträchtigungen seines Eigentums bzw. anderer Rechte im Wege des Unterlassungsanspruchs nach § 1004 B G B (bzw. § 1004 B G B analog) abwehren. Von diesen Ansprüchen ist der Anspruch aus Eingriffskondiktion zu unterscheiden. W ä h rend jene eine Schädigung oder sonstige Beeinträchtigung (gegenwärtig oder zukünftig) voraussetzen, also eine - im Vergleich der Vermögenssituation vor und nach dem schädigenden Ereignis - Verschlechterung der Vermögenslage des Berechtigten, erfordert der Anspruch aus Eingriffskondiktion weder Verschulden des Rechtsverletzers noch eine Verschlechterung der Vermögenslage des Berechtigten. Es k o m m t lediglich darauf an, daß der Rechtsverletzer etwas auf K o s t e n des Berechtigten ohne Rechtsgrund erlangt hat. Dabei hat der Berechtigte ein Interesse daran, daß er möglichst weitgehend durch die E i n griffskondiktion davor geschützt wird, das Dritte ihm gehörige vermögenwerte Positionen nutzen.

2. Interessen des

Rechtsverletzers

D e n Belangen des Rechtsinhabers an einem umfassenden Schutz seiner Vermögenspositionen ist das Interesse des Rechtsverletzers am Behaltendürfen des von ihm (auch) durch den Eingriff erlangten Vermögensvorteils. I h m stellt sich das Erlangte als Ergebnis eigener Betätigung dar. E r befand sich bei der Vornahme der rechtsverletzenden Tätigkeit in Unkenntnis darüber, daß er ein fremdes R e c h t in Anspruch nahm. „Dem Interesse des Rechtsinhabers am vollkommenen Rechtsschutz steht das des Verletzers gegenüber. Dieser hat zwar das Recht eines Dritten verletzt, kannte aber jenes Recht nicht und brauchte es nicht zu kennen. Der von ihm erzielte Gewinn ist das Ergebnis der eigenen Tätigkeit, im Gebiete des gewerblichen Rechtsschutzes das Ergebnis der eigenen Leistung. Das Interesse des Eingreifers an freier gewerblicher Betätigung ist von prinzipiell gleichem Rang wie das des Rechtsinhabers" 86 . D e r Hinweis auf die prinzipielle Gleichwertigkeit von (wirtschaftlicher) Handlungsfreiheit und exklusiv zugeordneten Rechtspositionen erstaunt zunächst. D i e Handlungsfreiheit des Einzelnen ist nicht grenzenlos: D i e Betäti86 Mestmäcker, Eingriffserwerb und Rechtsverletzung in der ungerechtfertigten Bereicherung, JZ 1958, 522.

452

Kapitel III: Zuweisungsgehalt

kondiktionsgescbützter

Rechte

gung dieser Freiheit durch ein Rechtssubjekt in einer Gesellschaft trifft ständig auf Beschränkungen, die sich daraus ergeben, daß andere Rechtssubjekte die ihnen jeweils zustehende Handlungsfreiheit ausüben (die ebenfalls gleichrangig ist) oder die Ausübung auf entgegenstehende Rechte Dritter stößt, die diesen die Herrschaftsmacht über einen Gegenstand unter Ausschluß aller anderen Rechtssubjekte gewährt. Dieser grundlegende Interessenkonflikt wird in Art. 2 I GG angesprochen, wonach jedem das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit zusteht, soweit nicht die Ausübung dieses Rechts Rechte Dritter beeinträchtigt 87 . Die prinzipielle Gleichrangigkeit von wirtschaftlicher Handlungsfreiheit und exklusiven Berechtigungen an knappen Gütern, wie sie von Mestmäcker angesprochen wird, besteht auf der Ebene des Gesetzgebers, der bei der Ausgestaltung des Vermögensrechts eine Abwägung zwischen Handlungsfreiheit und Exklusivrechten zu treffen hat. Diese Abwägung betrifft nicht nur die Frage, an welchen Gütern Exklusivrechte begründet werden (also alle Nicht-Inhaber des jeweiligen Rechts von der Nutzung der Gegenstände ausgeschlossen werden, was eine Beschränkung ihrer Handlungsfreiheit bedeutet) und in welchen Bereichen die Handlungsfreiheit vorherrschen soll, sondern spielt auch bei der „Feinjustierung" des Schutzes vorbehaltener Rechtspositionen eine Rolle. So zeigt sich etwa im Deliktsrecht, daß die Schädigung eines fremden absoluten Rechts - etwa des Eigentums an einer Sache - nach § 823 I BGB nur dann eine Schadensersatzpflicht auslöst, wenn sich die Schädigung nicht nur auf ein rechtswidriges, sondern auch auf ein schuldhaftes Verhalten des Rechtsverletzers zurückführen läßt. Im Haftungsfilter des Verschuldens liegt ein bedeutsamer Schutz der Handlungsfreiheit gegenüber dem Interesse des Inhabers der in § 823 I BGB genannten Rechtspositionen an einem möglichst umfassenden Schutz ihrer Berechtigung 88 . Es geht also bei der Abgrenzung von Handlungsfreiheit und Rechtsgüterschutz nicht allein um die Frage, welche Güter exklusiv zugewiesen werden, sondern auch darum, wie der Schutz der Ausschließlichkeitsstellung eines Rechtsinhabers gewährleistet werden kann, ohne die Handlungsfreiheit der anderen Rechtssubjekte übermäßig zu beeinträchtigen. Der Schutz der Handlungsfreiheit ist vor allem im wirtschaftlichen Bereich von außerordentlicher Bedeutung, weil das Funktionieren des Wettbewerbs auf den Güter- und Faktormärkten u.a. davon abhängt, daß eine genügende Zahl von Wirtschaftssubjekten auf den Märkten als Nachfrager und Anbieter auftritt. Wenn aber die wirtschaftliche Betätigung von vornherein mit dem Risiko belastet wird, Erträge herausgeben zu müssen, die der Handelnde zwar durch eigene Betätigung, aber unter (ggf. nichtwissentlicher) Nutzung einer exklusiven Berechtigung eines anderen erwirtschaftet hat, so besteht die Gefahr, daß das wünschenswerte wirtschaftliche Aktivitätsniveau so stark abSiehe dazu Grundgesetzkommentar (-Dreier), Bd. I (1996), Art. 2 I, Rz. 37ff. Siehe etwa larenz/Canaris, SchR II/2, 352; Esser/Weyers, SchR II BT, 520f.; Erman(Schiemann), § 823, Rz. 1. 87 88

§ 16 Funktion und Inhalt des

Zuweisungsgehaltsbegriffs

453

sinkt, daß Märkte ihr Effizienzziel nicht mehr oder nur unzureichend zu erfüllen vermögen. Dies gilt insbesondere für Wirtschaftssektoren, in denen das Risiko der unbeabsichtigten N u t z u n g fremder R e c h t e besonders groß ist, weil die Existenz des Rechts für Dritte nur schwer erkennbar ist, d. h., in denen hohe Transaktionskosten den E r w e r b der Nutzungsbefugnis durch den Handelnden erschweren. D e n Aspekt der grundsätzlichen Äquivalenz von Handlungsfreiheit und Schutz absolut zugeordneter Rechtspositionen hat auch der Rechtsanwender zu beachten, der im R a h m e n des insoweit offenen Tatbestandes des § 812 1 1 , 2 . Alt. B G B zu klären hat, welche Positionen bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt aufweisen, und damit durch die Eingriffskondiktion geschützt werden.

3.

Ordnungsinteressen

D e r Hinweis auf das Spannungsverhältnis von Handlungsfreiheit des potentiellen Bereicherungsschuldners und dem Schutz des Kondizienten als Inhaber eines Ausschließlichkeitsrechts deutet bereits an, daß es bei der Anspruchsgewährung der Eingriffskondiktion nicht allein um die Bewertung der individuellen Interessen der unmittelbar beteiligten Parteien gehen kann, sondern daß die Eingriffskondiktion in einem engen Zusammenhang mit grundlegenden Prinzipien der marktwirtschaftlichen O r d n u n g und ihres rechtlichen R a h mens steht; dieser enge Zusammenhang m u ß bei der Frage, welche Rechtspositionen durch die Eingriffskondiktion geschützt sind (und wie weit dieser Schutz reicht) berücksichtigt werden.

VIII.

Das Spannungsverhältnis von Ausschließlichkeitsrecht und Wettbewerbsfreiheit

I m H i n b l i c k auf den Anwendungsbereich und die F u n k t i o n der Eingriffskondiktion ist zu fragen, welches Pendant das ö k o n o m i s c h e K o n z e p t der Property Rights in der Rechtsordnung gefunden hat. Legt man die oben genannten Strukturmerkmale der Property Rights zugrunde, so fällt es nicht schwer, das komplementäre Institut im System der juristischen Begrifflichkeit auszumachen: es ist das K o n z e p t des (absoluten) subjektiven Rechts. Wie sich zeigen wird, ist die Institution des absoluten subjektiven Rechts perfekt geeignet, der Eingriffskondiktion F o r m , Inhalt und G r e n z e zu geben. Dabei wird die dogmatische „ B r ü c k e " zwischen dem Anspruch aus Eingriffskondiktion und den absoluten subjektiven R e c h t e n sowie ihnen äquivalenter Rechtsstellungen durch das K o n z e p t des Zuweisungsgehalts gebildet. Diese „ B r ü c k e " ist deshalb erforderlich, weil - anders als etwa § 823 I B G B - die N o r m des § 812 1 1 , 2 . Alt. B G B nicht unmittelbar auf absolute subjektive

454

Kapitel III: Zuweisungsgehalt

kondiktionsgeschützter

Rechte

Rechte als Schutzgegenstände des Anspruchs verweist. D e r Tatbestand des § 812 I 1, 2. Alt. B G B mit den Tatbestandsmerkmalen „auf sonstige Weise", „auf dessen Kosten" und „ohne Rechtsgrund" läßt die Kontur des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion offen. Die Reichweite des Anspruchs ist durch Auslegung, d.h. durch eine Konkretisierung der genannten generalklauselartig weiten, unbestimmten Rechtsbegriffe zu ermitteln. Dazu bedarf es der Rückbesinnung auf die Funktion von subjektivem Recht und Eingriffskondiktion im Rahmen des bürgerlichen Vermögensrechts. N u r wenn die Auslegung des § 812 1 1 , 2 . Alt. B G B darauf Rücksicht nimmt, aus welchen Gründen die Rechtsordnung den Rechtssubjekten ausschließliche Rechte zuordnet, in welchem Umfang sie dies tut und in welcher Weise diese Zuweisung vor unbefugten Eingriffen Dritter geschützt werden muß, kann dem Rechtsinstitut der Eingriffskondiktion in sachlich angemessener Weise F o r m und Inhalt gegeben werden. U b e r den Begriff des Zuweisungsgehalts, der für die Bestimmung der Reichweite der Eingriffskondiktion und ihren Anspruchsinhalt von grundlegender Bedeutung ist, herrscht im Schrifttum erhebliche Unklarheit und Unsicherheit. Zwar verknüpfen die Lehre und auch die Rechtsprechung den Begriff des Zuweisungsgehalts mit dem Konzept des (absoluten) subjektiven Rechts. D o c h bleibt offen, in welchem Verhältnis beide Begriffe - Zuweisungsgehalt und absolutes subjektives Recht - zueinander stehen. Die Vertreter der Zuweisungsgehaltslehre gehen dieser Frage kaum nach. Gelegentlich wird darauf verwiesen, daß der Satz vom Zuweisungsgehalt absoluter Rechte im Grunde pleonastisch sei, da Recht (wohl im Sinne von subjektivem Recht) gleichbedeutend mit Zuweisung sei. „Zuweisungsgehalt bedeutet zunächst schlicht, daß die Substanz eines Rechtsguts sowie die Nutzung und Verwertung einer Rechtsposition dem Rechtsinhaber zusteht. Das Problem ist, für welche Rechtspositionen, aus welchen Erwägungen und mit welcher Begründung dies der Fall ist bzw. sein soll. Kaum je stellt sich die Frage, ob ein Recht einen Zuweisungsgehalt hat. Sie ist im Grunde tautologisch: Recht ist Zuweisung. Das Problem, an dessen Lösung die herrschende Zuweisungstheorie arbeitet, ist das der Bestimmung, inwieweit die jeweilige Zuweisung reicht und ob sie einen bereicherungsrechtlich fortwirkenden Güterschutz abdeckt, verlangt oder verbietet" 89 . Richtig ist daran, daß Zuweisungsgehalt und subjektives Recht in einem sehr engen Zusammenhang stehen. D e r Zuweisungsgehalt eines subjektiven Rechts beschreibt die Befugnisse, die einem Rechtssubjekt an einem Gegenstand hinsichtlich seiner Substanz (bei körperlichen Sachen), seiner Nutzung und sonstigen Verwertung zukommen. Allerdings lösen solche allgemeinen Definitionen nicht die Probleme, die sich hinsichtlich der Bestimmung der Reichweite und des Anspruchsinhalts der Eingriffskondiktion stellen. Wenn die Frage nach dem Zuweisungsgehalt eines Rechts deshalb tautologisch ist, weil Recht 89

Reuter/Martinek,

Ungerechtfertigte Bereicherung, 248.

§16

Funktion

und Inhalt des

Zuweisungsgebaltsbegriffs

455

Zuweisung bedeutet, so wäre daraus zu folgern, daß jede Art von subjektivem Recht ein Zuweisungsgehalt besäße und eine unbefugte Inanspruchnahme der Position daher einen Anspruch aus Eingriffskondiktion auslöste. Ein soweit ausgedehnter Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion nach § 812 1,2. Alt. B G B w i r d - b e i aller Vielfalt des Meinungsbildes zu dieser Frage - v o n keiner Auffassung in Schrifttum und Rechtsprechung vertreten. Bei allen Meinungsverschiedenheiten ist den Vertretern der Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte zwar gemeinsam, daß sie die Grundlage des Anspruchs aus Eingriffskondiktion im subjektiven Recht und ihm gleichstehender Rechtspositionen sehen, jedoch keinesfalls alle subjektiven Rechte in den Genuß des Schutzes der Eingriffskondiktion kommen. So besteht weitgehend Einigkeit darüber, daß z . B . relative subjektive Rechte (Forderungen), subjektive Familienrechte und bestimmte Gestaltungsrechte nicht vom Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion erfaßt werden. Die Ermittlung der Reichweite des Anspruchs aus Eingriffskondiktion setzt daher zweierlei voraus: 1. Zunächst ist zu klären, welche Arten von subjektiven Rechten und diesen gleichwertige Rechtspositionen durch die Eingriffskondiktion geschützt werden. Dazu ist es erforderlich, aus der Gesamtzahl der Rechtspositionen, die als subjektive Rechte zu qualifizieren sind, diejenigen zu isolieren, welche einen bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt aufweisen und bei deren unbefugter Inanspruchnahme das Erlangte durch den Eingreifer an den Rechtsinhaber herauszugeben ist. Dabei wird sich zeigen, daß bei der Gruppe absoluter subjektiver Rechte, die im Schrifttum als Herrschaftsrechte bezeichnet werden, die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion unbestritten ist. Streitig ist im Rahmen der Zuweisungsgehaltstheorie die Anwendung der Eingriffskondiktion bei der Verletzung sog. Rahmenrechte, wie etwa des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ebenso wie bei Positionen, die durch Normen des U W G geschützt werden, die aber nicht - wie etwa die Immaterialgüterrechte - im Gesetz ausdrücklich als absolut geschützte subjektive Rechte ausgewiesen sind. Möglicherweise sind nicht alle subjektiven Rechte und Rechtspositionen, die durch die Eingriffskondiktion geschützt werden, explizit als solche rechtlich normiert. So besteht beispielsweise Streit darüber, ob und inwieweit sich aus dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb Rechtspositionen ableiten lassen, die einen eingriffsbereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt aufweisen und deren unbefugte Inanspruchnahme daher die Eingriffskondiktion auslöst. U m dies entscheiden zu können, bedarf es klarer Kriterien dafür, welche subjektiven Rechte und ihnen vergleichbare Rechtspositionen Zuweisungsgehalt besitzen und damit den Schutz der Eingriffskondiktion genießen und bei welchen Positionen dies nicht der Fall ist. 2. Eine von diesem Problem zu trennende Frage ist die nach Umfang und Grenzen des Zuweisungsgehalts jedes einzelnen der subjektiven Rechte und Rechtspositionen, die zum Kreis der kondiktionsgeschützten Rechte gehören. Hier ist zu prüfen, ob sich hinsichtlich von Inhalt und Grenzen des Zu-

456

Kapitel III: Zuweisungsgehalt

kondiktionsgeschützter

Rechte

weisungsgehalts etwa aus der ö k o n o m i s c h e n F u n k t i o n dieser Rechte gewisse einheitliche Prinzipien gewinnen lassen.

1. Zuweisungsgehalt

und subjektives

Recht

Das subjektive R e c h t zählt zu den grundlegenden Institutionen einer freiheitlichen, auf der sittlichen W ü r d e der Person beruhenden Rechtsordnung, die dem Individuum die Mittel zur autonomen und selbstbestimmten Regelung seiner Angelegenheiten zur Verfügung stellt. Wie immer der Begriff des subjektiven Rechts im einzelnen abzugrenzen ist, so ist doch klar, daß das jeweilige subjektive R e c h t dem Rechtsinhaber etwas zuweist, welches ihm „rechtens z u k o m m t oder gebührt" 9 0 . D i e ö k o n o m i s c h e n Gründe, die die Rechtsordnung dazu veranlassen, knappe Güter einem Rechtssubjekt zum ausschließlichen Haben, Nutzen und Veräußern zuzuweisen, wurden oben bereits näher dargelegt. Durch die Zuweisung von Property Rights an die Rechtssubjekte werden externe Effekte internalisiert, die eine effiziente Ressourcenallokation verhindern würden. In der Rechtsordnung ist es die Aufgabe der subjektiven Rechte, Gegenstände den Rechtssubjekten zuzuordnen. Ist es - wie oben dargelegt - die F u n k t i o n der Eingriffskondiktion, das Auftreten externer Effekte rückgängig zu machen, die trotz der Internalisierung dadurch auftreten, daß Dritte, die nicht Rechtsinhaber sind, das O b j e k t des Rechts nutzen, ohne dazu v o m Rechtsinhaber ermächtigt zu sein, so ergibt sich die Notwendigkeit, diese anhand ö k o n o m i s c h e r Überlegungen entwickelte Funktionalisierung der Eingriffskondiktion in das System des bestehenden bürgerlichen Vermögensrechts zu transponieren. D e n ö k o n o m i s c h e n Überlegungen, daß die Eingriffskondiktion als Ersatzordnung bei Versagen des Kontraktmechanismus fungiert, entspricht es, wenn die juristische D o g m a t i k die Gewährung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion davon abhängig macht, daß der Bereicherungsschuldner etwas erlangt hat, das nach der rechtlichen Güterzuordnung dem Kondizienten gebührt und das H a b e n des Schuldners im Gegensatz zum Zuweisungsgehalt des dem Kondizienten zustehenden Rechts steht. Bei der Bestimmung der Reichweite der Eingriffskondiktion sind neben den Interessen des Rechtsinhabers an einem möglichst umfassenden Schutz seiner Berechtigung am zugewiesenen O b j e k t auch die Belange des Rechtsverletzers zu berücksichtigen, der nach § 812 1 1 , 2 . Alt. B G B die Herausgabe des rechtsgrundlos Erlangten auch dann schuldet, wenn der Eingriff in den Zuweisungsgehalt des fremden Rechts schuldlos erfolgt ist, weil er z . B . den Bestand des fremden Rechts nicht kannte. U n t e r Berücksichtigung der ökonomischen Überlegungen zu Aufgabe und Schutz der Property Rights ist zu untersuchen, 90 Larenz, Allgemeiner Teil, § 13 I, 213; ders., Zur Struktur „subjektiver Rechte", FS Sontis, 129ff. (147f.).

§ 16 Funktion

und Inhalt des

Zuweisungsgehaltsbegriffs

457

welche Positionen im Kreis der vielfältigen subjektiven Rechte eingriffsbereicherungsrechtlich geschützt sind und wieweit der Zuweisungsgehalt der einzelnen Rechtsposition reicht. Methodisch ist dazu zunächst der Begriff des subjektiven Rechts zu entfalten, um in diesem Rahmen die Gruppe der Rechte und Positionen zu definieren, die in den Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion fallen. Im Zusammenhang mit dem ökonomischen Konzept der Property Rights sind die Kriterien offenzulegen, die der Abgrenzung der Reichweite der Eingriffskondiktion zugrunde gelegt werden. Dabei spielt der Begriff des Zuweisungsgehalts eine wichtige Rolle; sein Verhältnis zum Konzept des subjektiven Rechts einerseits wie auch zum Tatbestand der Eingriffskondiktion andererseits ist zu klären. Die Existenz von Property Rights, auf deren Grundlage die hier angestellten Überlegungen zu Funktion und Reichweite der Eingriffskondiktion stehen, bildet nur eine Voraussetzung dafür, daß durch marktliche Tauschvorgänge eine im Vergleich zu einer gegebenen Ausgangsverteilung effizientere Allokation knapper Ressourcen erreicht wird. Sie erzielt diese Wirkung dadurch, daß sie den freien Zugriff von jedermann auf knappe Ressourcen unterbindet und das Eigentumsrecht an knappen Gütern einem Rechtsinhaber exklusiv zuweist. Die juristische Komplementär-Institution zu den Property Rights der ökonomischen Theorie bilden die absoluten subjektiven Rechte. Zu klären ist demnach, unter welchen Voraussetzungen ein subjektives Recht einen bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt aufweist. Es liegt nahe, zunächst mit dem allgemeinen Begriff des subjektiven Rechts in der Dogmatik des Privatrechts zu beginnen, um zu klären, ob die Reichweite der Eingriffskondiktion mittels dieses Konzepts bestimmt und begrenzt werden kann. Das Konzept des subjektiven Rechts ist im Laufe einer langen geschichtlichen Entwicklung entstanden. Das klassisch-römische Recht kannte wohl einzelne subjektive Rechte wie etwa das Eigentum, nicht aber eine abstrahierende Zusammenfassung solcher Rechte zu einem einheitlichen Begriff91. Erst die Glossatoren machten das subjektive Recht zu einem technischen Mittel der Dogmatik, indem sie in ihm die Causa des Klagerechts, der Actio sahen. Im 16. Jahrhundert - mit zunehmender Loslösung von den klassischen Vorgaben bekam das subjektive Recht eine stärkere Stellung im Rahmen des Privatrechts. Coing weist darauf hin, daß etwa zur Zeit der Kommentatoren (Post-Glossatoren) Donellus das subjektive Recht zur Grundlage seines Systems des Privatrechts gemacht habe. Völlig neue Impulse bekam das Konzept des subjektiven Rechts durch die Philosophie der Aufklärung. War das subjektive Recht bei den Glossatoren und Post-Glossatoren ein technisches Konzept in einem umfassenden System, das begrifflich-exegetisch auf die überlieferten Quellen gestützt wurde, so tritt der Gedanke der Freiheit der Person in das Zentrum der 91 Coing, Zur Geschichte des Begriffs „subjektives Recht" in: Das subjektive Recht und der Rechtsschutz der Persönlichkeit, 11.

Coing/Lawson/Grönfors,

458

Kapitel III: Zuweisungsgehalt

kondiktionsgeschiitzter

Rechte

Bemühungen zur Legitimation des subjektiven Rechts durch die Philosophie der Aufklärung. Beispielhaft sei auf die Begründung der Freiheit und des Rechts durch Kant hingewiesen: Moral und Sittlichkeit haben ihre Grundlage im freien Willen des vernunftbegabten Menschen. „Die Autonomie des Willens ist das alleinige Prinzip aller moralischen Gesetze und der ihnen gemäßen Pflichten; die Heteronomie der Willkür gründet dagegen nicht allein gar keine Verbindlichkeit, sondern ist vielmehr dem Prinzip desselben und der Sittlichkeit des Willens entgegen"92. Liegt die Quelle des sittlichen Handelns in der Autonomie des Individuums, so stellt sich das Problem, wie die auf freier Entscheidung des Einzelnen beruhende Handlung mit der Freiheit aller anderen Gesellschaftsmitglieder vereinbar gemacht werden kann. Dies ist die Aufgabe des Rechts. „Das Recht ist also der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit zusammen vereinigt werden kann" 93 . Der marktliche Tauschmechanismus selbst darf nicht zum Gegenstand von Ausschließlichkeitsrechten gemacht werden. Der freie Zugang zu den Gütermärkten und die Offenheit des Marktergebnisses sind fundamentale Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit des marktlichen Tauschmechanismus im Hinblick auf eine effiziente Ressourcenallokation. Soweit die Legislative gesetzlich begründete und im Gesetz umschriebene Ausschließlichkeitsrechte geschaffen hat, bilden diese die Grundlage für einen Anspruch aus Eingriffskondiktion nach § 812 1 1 , 2 . Alt. BGB, wenn der Bereicherungsschuldner durch unbefugte Inanspruchnahme eines Gegenstandes, der einem fremden Ausschließlichkeitsrecht unterliegt, etwas erlangt hat. Das verletzte Ausschließlichkeitsrecht weist die Nutzung nämlich allein dem Rechtsinhaber zu und schließt alle anderen von dem Gebrauch des Gegenstandes aus. Daher gebührt das Erlangte dem Kondizienten als Rechtsinhaber, nicht aber dem Rechtsverletzer. In Rechtsprechung und Schrifttum umstritten ist hingegen, ob und in welchem Umfang auch solche Rechtspositionen ausschließliche Berechtigungen gewähren und damit dem Schutz der Eingriffskondiktion unterliegen, die nicht ausdrücklich durch gesetzliche Vorschrift als Exklusivrechte ausgewiesen sind, sondern durch die Rechtsprechung unter Bezugnahme auf andere Rechtsvorschriften, etwa § 1 U W G , mit absoluten Schutzwirkungen versehen worden sind. Hier ist zu klären, inwieweit es sich bei den dabei betroffenen Positionen um Ausschließlichkeitsrechte oder bloß um den Schutz von Freiheitsinteressen handelt, die jedem Gewerbetreibenden gleichermaßen zustehen und deshalb keine Ausschließlichkeit zu begründen vermögen. Es stellt sich auch die Frage, ob und inwieweit Entscheidungen über die Institutionalisierung von Aus92 93

Kant, Kritik der praktischen Vernunft, Kant/Werke VI, 144. Kant, M e t a p h y s i k der Sitten, Rechtslehre, Kant/Werke VII, 337.

§ 16 Funktion und Inhalt des

Zuweisungsgehaltsbegriffs

459

schließlichkeitsrechten wegen ihrer ökonomischen Komplexität dem Gesetzgeber allein vorbehalten sind oder ob solche Entscheidungen auch durch die Gerichte getroffen werden dürfen. Diese Fragen werden im R a h m e n des A b schnitts über die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion bei Verletzung von Positionen nach dem U W G behandelt 9 4 .

2. Wettbewerbsfreiheit und Ausschließlichkeitsrecht - Konflikt und Harmonie Erst relativ spät ist im juristischen Schrifttum auf das Spannungsverhältnis zwischen dem Grundsatz der Wettbewerbsfreiheit und der Existenz von A u s schließlichkeitsrechten hingewiesen worden. Bemerkenswerterweise waren die Immaterialgüterrechte und nicht das sachenrechtliche Eigentum Auslöser entsprechender Äußerungen. D i e Ursache dafür liegt vermutlich in dem U m s t a n d begründet, daß wegen der wachsenden technischen Reproduktionsmöglichkeiten bei körperlichen Gegenständen und der vielfältigen Substitutionsbeziehungen zwischen verschiedenen Arten von Sachen eine Verbindung zwischen (Sach-)Eigentum und der Monopolisierung von Märkten sich nicht als P r o b l e m des rechtlichen Rahmens einer Wettbewerbswirtschaft aufdrängte. Das Eigentum an einzelnen Sachen führte als solches praktisch nie zu marktbeherrschenden Positionen der Eigentümer. Augenfälliger ist das Spannungsverhältnis zwischen Ausschließlichkeitsrechten und Wettbewerbsfreiheit bei exklusiven Berechtigungen an unkörperlichen Gegenständen. Deshalb erstaunt es wenig, daß der Zusammenhang zwischen freiem Wettbewerb und der Institutionalisierung eines Systems von Ausschließlichkeitsrechten erst relativ spät und nicht sehr intensiv in der Rechtswissenschaft behandelt wird. D i e G r ü n d e dafür sollen aufgezeigt werden, weil diese Aspekte für die Festlegung der Reichweite der Eingriffskondiktion insbesondere im Recht des unlauteren Wettbewerbs eine erhebliche Rolle spielen, deren Bedeutung im bereicherungsrechtlichen Schrifttum - etwa der Rechtswidrigkeitslehre, die den Anspruch aus Eingriffskondiktion bei Verletzungen von U W G - N o r m e n weitgehend zuläßt — überhaupt nicht angemessen reflektiert wird. Das Verhältnis des freien wettbewerblichen Handelns und der G e w ä h rung von Ausschließlichkeitsrechten ist nicht das Ergebnis einmaliger und abschließender gesetzgeberischer Tätigkeit, sondern hat sich in einem langen, durchaus wechselvollen historischen P r o z e ß entwickelt. D i e erste Grundlage der Wettbewerbsfreiheit für ganz Deutschland bildete die Allgemeine Gewerbeordnung v o m 21.06.1869, durch deren § 4 der Zunftzwang beseitigt wurde und deren §§ 1 - 3 dem Gewerbetreibenden eine weitgehende Gewerbefreiheit gewährten. D i e Rechtsprechung des Reichsgerichts faßte diese Bestimmungen so auf, daß im Wettbewerb alles erlaubt sei, was nicht durch Sondernormen 94

Siehe unten Kapitel V I § 27.

460

Kapitel III: Zuweisungsgehalt

kondiktionsgeschiitzter

Rechte

verboten war. Das Gericht erkannte z.B. die Regeln des Gesetzes über den Markenschutz vom 30.11.187495'96 und die Normen des BGB über die arglistige Täuschung als Normen an, die die Wettbewerbsfreiheit zulässigerweise beschränkten. Schon kurz nach dem Inkrafttreten der Reichsgewerbeordnung von 1869 begann die Verabschiedung der reichseinheitlichen Gesetze zum gewerblichen Rechtsschutz und damit die Institutionalisierung eines Systems von Ausschließlichkeitsrechten, die eine Beschränkung des soweit verstandenen Grundsatzes der Wettbewerbsfreiheit mit sich brachten. Die Entwicklung begann mit dem Schutz künstlerischer und literarischer Werke durch das am 11.06.1870 erlassene Gesetz über das Urheberrecht an Schriftwerken, Abbildungen, musikalischen Kompositionen und dramatischen Werken 97 , das dem Urheber ein ausschließliches Verwertungsrecht (Vervielfältigung, öffentliche Wiedergabe, Verbreitung) gewährte. Ergänzt wurde dieses Gesetz durch das Kunsturhebergesetz vom 09.01.187698 und das Gesetz betreffend den Schutz der Fotografien gegen unbefugte Nachahmung vom 10.01.1876". Gegen erheblichen Widerstand von Seiten der deutschen Industrie und besonders der Importwirtschaft, die von der Nachahmungsfreiheit (vor allem ausländischer) technischer Erfindungen profitierte, setzte sich die Auffassung durch, daß auch in Deutschland ein Patentrecht notwendig sei. Wesentlich befördert wurde diese Idee von Josef Kohler. Man darf vermuten, daß nach der stürmischen wirtschaftlichen Entwicklung während der Gründerzeit auch die wissenschaftliche und technische Erfinderaktivität in Deutschland einen Stand erreicht hatte, bei dem - gesamtwirtschaftlich gesehen - sich der Gewinn aus der Internalisierung der externen Effekte, der sich aus der Nachahmungsfreiheit wirtschaftlicher und technischer Ideen ergab, größer darstellte als die Kosten der Internalisierung. So wurde am 25.05.1877 das erste reichseinheitliche Patentgesetz 100 verabschiedet, welches durch das Patentgesetz vom 07.04.1891101 novelliert wurde. Wie die Entwicklung des Urheber- und Patentschutzes hat sich das Entstehen der Mustergesetze nicht synchron vollzogen. Das „kleine Urheberrecht" des Geschmacksmusters wurde durch das Gesetz betreffend das Urheberrecht an Mustern und Modellen vom 11.01.1876102 geschaffen. Erst 15 Jahre später erhielt das „kleine Patentrecht" des Gebrauchsmusters mit dem Gebrauchsmustergesetz vom 01.06.1891103 eine Rechtsgrundlage. Komplettiert wurde der gewerbliche

95 96 97 98 99 100 101 102 103

RGBl. 1874, 143. RG 30.11.1880, R G Z 3, 67; R G 3.11.1886, R G Z 18, 93. RGBl. 1870, 339. RGBl. 1876,4. RGBl. 1876, 8. RGBl. 1877,501. RGBl. 1891, 79. RGBl. 1876, 11. RGBl. 1891,290.

§ 16 Funktion und Inhalt des

Zuweisungsgehaltsbegriffs

461

Rechtsschutz schließlich durch das Markenschutzgesetz vom 30.11.1874 104 , das durch das Warenzeichengesetz vom 12.05.1884 105 ersetzt wurde. Die Ausgrenzung bestimmter, gesetzlich umschriebener Handlungsfelder und ihre exklusive Zuweisung an ihre jeweiligen Rechtsinhaber beruhte wohl auf der Überlegung des Gesetzgebers, daß die Funktionsfähigkeit der Marktwirtschaft voraussetze, daß bestimmte Gegenstände dem Wettbewerb i.S.d. freien Zugriffs von jedermann entzogen werden müßten. Derjenige, der eine Leistung erbracht habe - etwa durch die Schaffung eines geistigen Werkes oder einer Erfindung - müsse die Gelegenheit haben, die wirtschaftlichen Vorteile seiner Leistung zu ziehen. „Der gesetzgeberischen Tätigkeit zum gewerblichen Rechtsschutz lag aber, soviel ist erkenntlich, der durch jahrzehntelange landrechtliche Übung zur Gewohnheit gewordene Gedanke zugrunde, daß die Wirtschaft solcher Bezirke der Wettbewerbslosigkeit bedarf, um zu funktionieren und dem Fortschritt die T ü r offenzuhalten. Man wollte den Tüchtigen die Chance geben, die Früchte ihrer Leistungen zu ernten" 1 0 6 .

In seiner Untersuchung über Wettbewerb und gewerblichen Rechtsschutz kommt Fikentscher zu dem Ergebnis, daß mit der Einführung des Begriffs des Immaterialguts als Schutzgegenstand des gewerblichen Rechtsschutzes durch Kohler der Zusammenhang von Wettbewerbsfreiheit und Ausschließlichkeitscharakter der Rechte des gewerblichen Rechtsschutzes im weiteren Verlauf der Geschichte des Wirtschaftsrechts verloren ging. Kohler habe die Aussage, bei den Rechten des gewerblichen Rechtsschutzes handele es sich um Monopole, entschieden zurückgewiesen. Die Theorie der Immaterialgüterrechte habe den Umstand, daß die Ausschließlichkeitsrechte nicht nur einen ökonomischen Bezug zum Wettbewerb, sondern auch einen juristischen zur Gewerbefreiheit aufwiesen, dem Blick der rechtswissenschaftlichen Diskussionen entzogen. Dieser habe sich im weiteren Verlauf eben nicht dem Spannungsverhältnis von Wettbewerbsfreiheit und Ausschließlichkeitsrechten zugewandt, sondern über das Wesen der Rechte des gewerblichen Rechtsschutzes gestritten: ob und inwieweit es sich um Immaterialgüterrechte oder um Persönlichkeitsrechte handele. Der Zusammenhang mit dem Wettbewerb sei erst wieder nach dem Zweiten Weltkrieg mit den Dekartellierungsgesetzen der Alliierten ins Bewußtsein getreten107. „Daß das Immaterialgut als Schutzgegenstand im gewerblichen Rechtsschutz ein Recht ist, hat Kohler nachgewiesen. D a ß dieses Recht ein Ausschlußrecht ist, hat er juristisch nie zur Kenntnis genommen und diesen Ausdruck auch nie gebraucht. Die herrschende Meinung in Deutschland ist Kohler in beidem bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs gefolgt. Erst danach begann man sich wieder mit dem wettbewerblichen Bezug der gewerblichen Schutzrechte zu beschäftigen" 1 0 8 . 104 105 106 107 108

RGBl. 1874, 143. RGBl. 1884,441. Fikentscher, Wettbewerb und gewerblicher Rechtsschutz, 142. Fikentscher, a. a. O., 143 f. Fikentscher, a.a.O., 144.

462

Kapitel III: 2uweisungsgeha.lt

kondiktionsgeschützter

Rechte

Der Befund, daß Kohler nie anerkannt habe, daß es sich bei den Positionen des Immaterialgüterrechts um Ausschließlichkeitsrechte handele, ist unrichtig. Im Ersten Buch seines Handbuchs des deutschen Patentrechts führt Kohler unter der Uberschrift „Erfinderrecht als Immaterialgüterrecht" folgendes aus: „Das Recht (gemeint ist das Patentrecht, R.E.) enthüllt sich aber als Alleinausnutzungs-, als Alleinbenützungsrecht des Objects, der Erfinderidee, ..." 109 . Damit wird deutlich, daß Kohler sehr wohl den Ausschließlichkeitscharakter des Patentrechts anerkannt hat. Darüber hinaus stand Kohler auch das Spannungsverhältnis von Wettbewerbsfreiheit und ausschließlichen Immaterialgüterrechten klar vor Augen. Dies wird daran deutlich, daß er, der so sehr für den Durchbruch der Rechte des gewerblichen Rechtsschutzes gegen starken Widerstand gekämpft hatte, die Anwendung der Eingriffskondiktion bei Verletzungen von Immaterialgüterrechten ablehnte. Es ist aufschlußreich, daß Kohler diese Ablehnung nicht etwa mit dogmatischen Problemen bei der Erfassung von Nutzungen im Rahmen der damals vorherrschenden Vermögensverschiebungstheorie begründete, sondern unter unmittelbarem Rückgriff auf die Bedürfnisse derer, die im Rahmen ihrer Wettbewerbsfreiheit handeln und dabei möglicherweise in Konflikt mit dem Immaterialgut eines anderen geraten können. Es widerspreche der Natur dieser Güter, die nicht in gleicher Weise wie Sachen abgegrenzt seien und aus denen der gutgläubige Verkehr Nutzen ziehe, wenn man ihre Verletzung mit einem Ausgleichsanspruch sanktioniere. „...; allein es entstehen keine Ausgleichsansprüche im Fall der unbefangenen gutgläubigen Benutzung fremden Immaterialrechtes. Der Grund ist der: diese Gegenstände sind nicht auf gleiche Weise scharf abgegrenzt wie (körperliche) Sachen und daher ist es begreiflich, daß in der einen und anderen Weise eine Grenzwirkung stattfindet und der gutgläubige Verkehr bald da, bald dort aus der Quelle fremder Gedanken zehrt. Wollte man hier eine Ausgleichung eintreten lassen, so würde es der Natur dieser Güter, die doch der Allgemeinheit zustreben, widersprechen und die Lebensverhältnisse unnötig verbittern"110. Die Erkenntnis, daß sich das Spannungsverhältnis von Wettbewerbsfreiheit und Ausschließlichkeitsrecht auch bei der Frage der Reichweite der Eingriffskondiktion widerspiegelt, und einer Entscheidung bedarf, hat sich im Schrifttum nur sehr zögerlich und vereinzelt durchgesetzt. Mestmäcker war - soweit ersichtlich - der erste, der auf den Konflikt zwischen der Handlungsfreiheit im Wettbewerb und der Ausschlußwirkung des absoluten subjektiven Rechts im Zusammenhang mit der Gewährung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion nach § 8 1 2 1 1 , 2 . Alt. B G B hingewiesen hat111. Allgemeiner hat Raiser, sich auf das verfassungsrechtlich abgesicherte SozialKohler, Handbuch des deutschen Patentrechts, 58. Kohler, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts II/l, 459f. 111 Mestmäcker, Eingriffserwerb und Rechtsverletzung in der ungerechtfertigten Bereicherung, JZ 1958, 520 ff. 109 110

§ 16 Funktion und Inhalt des

Zuweisungsgehaltsbegriffs

463

staatsprinzip beziehend, darauf aufmerksam gemacht, daß neben den Schutz des Einzelnen durch subjektive Herrschaftsrechte auch Pflichten treten, die sich durch die Erfordernisse des Zusammenlebens in der Gemeinschaft ergeben und die der Wirkkraft des absoluten subjektiven Rechts G r e n z e n ziehen 1 1 2 . D a n e b e n zeigt sich im bereicherungsrechtlichen Schrifttum eine - wenn auch vereinzelt gebliebene - Tendenz, die absoluten subjektiven R e c h t e im H i n b l i c k auf ihre den Wettbewerb beschränkenden Wirkungen äußerst kritisch zu betrachten. Soweit die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion auch auf nicht durch absolute Rechte erfaßte Dienstleistungen und die N u t z u n g fremder Sachen ausgedehnt werde, übernehme die Eingriffskondiktion eine die „Interessen gewerblicher A n b i e t e r " sichernde und „die Interessensphäre von K o n k u r r e n t e n " abgrenzende F u n k t i o n 1 1 3 . Zudem sei der Rekurs auf den Wert des Gebrauchs einer Sache oder eines Immaterialguts nach § 818 II B G B fragwürdig geworden, weil die Marktpreise häufig nicht Ergebnis eines unverzerrten Angebots- und Nachfragemechanismus seien, sondern Gegenstand unternehmerischer Strategien 1 1 4 . N i c h t selten wird im bereicherungsrechtlichen Schrifttum auch auf die Q u a lität von Ausschließlichkeitsrechten als „ M o n o p o l s t e l l u n g e n " hingewiesen. So sei das W o r t v o m „Zuweisungsgehalt" nur eine kondiktionsrechtliche B e schreibung einer solchen in einem Ausschließlichkeitsrecht liegenden M o n o polstellung 1 1 5 . N o c h deutlicher wird das Mißtrauen gegen den bereicherungsrechtlichen Schutz der absoluten Herrschaftsrechte in der Ä u ß e r u n g von Knieper, es müsse „den Keynesianern" „verschwenderisch" erscheinen, „dem Inhaber (absoluter subjektiver Rechte, R . E . ) einen Gewinn in F o r m einer A r t von M o n o p o l r e n t e zuzuschanzen, bloß weil er Inhaber ist und o b w o h l er nicht investiert h a t " 1 1 6 . Daraus zieht er den Schluß: „Nachdem der Kampf gegen die Einräumung von Monopolstellungen durch Immaterialgüterrechte einmal aufgegeben ist, ja nachdem die sonst als leistungshemmend angegriffene Monopolstellung auf wunderbare Weise als „Ermunterung der Unternehmen zur Verbesserung der Leistungen" qualifiziert ist, fällt der Anschluß an diese Lehre von der extensivsten Interpretation und Nutzbarkeit dieser Monopolstellungen leicht ,.." 1 1 7 . D i e Gleichstellung des (bereicherungsrechtlich geschützten) absoluten subjektiven Rechts mit einer wie immer definierten Monopolstellung insinuiert eine wettbewerbsrechtliche Anrüchigkeit der Anwendung der Eingriffskon-

112

422 f.

Raiser, Der Stand der Lehre vom subjektiven Recht im Deutschen Zivilrecht, JZ 1961,

Joerges, Bereicherungsrecht als Wirtschaftsrecht, 42. Joerges, a.a.O., 43. 115 Esser/Weyers, SchR II BT, § 50 I ld). 116 Knieper, Recht der Kondiktionen: Vergebliche Versuche, Bereicherung zu rechtfertigen, Krit.J. 1980, 117ff. (125). 117 Knieper, a.a.O., 124. 113 114

464

Kapitel III: Zuweisungsgehalt

kondiktionsgeschützter

Rechte

diktion vor allem im Bereich der Immaterialgüterrechte, aber auch bei den sonstigen absoluten Herrschaftsrechten. Durch Formulierungen wie „Monopolstellung" und „Verwertungsmonopol" wird der Vorwurf erhoben, daß über den bereicherungsrechtlichen Schutz von Ausschließlichkeitsrechten gleichzeitig Monopole bzw. marktbeherrschende Stellungen i.S.d. Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen errichtet würden 118 . Folgte man dieser Auffassung, so müßte jedes Ausschließlichkeitsrecht zunächst potentiell als Wettbewerbsbeschränkung angesehen werden. Konsequenterweise müßte dann nicht nur der Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion einer grundlegenden Revision unterzogen werden, sondern das System der absoluten subjektiven Rechte insgesamt müßte auf seine Vereinbarkeit mit dem Prinzip der Wettbewerbsfreiheit überprüft werden. Nur am Rande sei hier angemerkt, daß diejenigen Autoren, die von Monopolstellungen und Verwertungsmonopolen im Zusammenhang mit dem Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion sprechen, wohl selbst nicht ganz an die wettbewerbsrechtliche Stimmigkeit ihrer Auffassung glauben. Wenn man - wie Knieper- generelle Vorbehalte gegen „Monopolstellungen" in einer Wettbewerbswirtschaft hat und Ausschließlichkeitsrechte mit Monopolstellungen gleichsetzt, läge es nahe, die Anwendung der Eingriffskondiktion bei der Verletzung solcher Rechte insgesamt abzulehnen. Knieper aber will die Reichweite der Eingriffskondiktion wieder auf den Bereich reduzieren, der durch die alte Vermögenverschiebungstheorie festgelegt worden war 119 . Aber es ist nicht erklärlich, warum Vermögensverschiebungen von Sachen Bereicherungsschutz genießen sollen, während anderen Rechten ein solcher Schutz nicht zukommen soll. Monopolstellungen begründen alle diese Rechte. Der Sacheigentümer kann die wirtschaftlich sinnvolle Nutzung seiner Sache einem Dritten genauso untersagen wie der Patentinhaber die Nutzung seines Patentrechts. Auch beim Sacheigentum erscheint es - folgt man dieser Auffassung unangemessen, dem Rechtsinhaber einen Gewinn als Monopolrente zu gewähren, nur weil er Rechtsinhaber ist 120 . Die Gleichstellung von Ausschließlichkeitsrechten und Monopolstellungen ist jedoch unzutreffend. Sie entspricht nicht den Erkenntnissen der neueren Wirtschaftswissenschaft - insbesondere der Lehre von den Property Rights und ist daher abzulehnen. Die Lehre von den Property Rights hat vielmehr deutlich gemacht, daß eine effiziente Ressourcenallokation und ein marktliches

118 Die wettbewerbsrechtliche Behandlung von Ausschließlichkeitsrechten des gewerblichen Rechtsschutzes bildet einen eigenständigen Problembereich, auf den hier nur hingewiesen werden kann. Siehe dazu etwa Immenga/Mestmäcker(-Emmerich), GWB-Kommentar § 20, Rz. 3 ff.; Areeda/Turner, Antitrust Law, Vol. III, No. 704a; Walz, Der Schutzinhalt des Patentrechts im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, 175 ff.; Loewenheim, Warenzeichen und Wettbewerbsbeschränkung, 210 ff. 119 Knieper, Moderne Bereicherungslehren, B B 1991, 1578ff. (1581). 120 Knieper, Recht der Kondiktionen, Krit. J. 1980, 125f.

§16

Funktion

und Inhalt des

Zuweisungsgehaltsbegriffs

465

Tauschsystem zu ihrer Erreichung ohne die rechtliche Institutionalisierung eines Systems von Ausschließlichkeitsrechten nicht möglich ist 121 . Dabei geht auch die Property Rights Theorie nicht an der Tatsache vorbei, daß ein Ausschließlichkeitsrecht eine Konsumbeschränkung für alle diejenigen darstellt, die nicht Inhaber des Rechts sind und demnach das Rechtsobjekt nicht nutzen dürfen. Der freie Zugriff von jedermann ist ausgeschlossen; damit ist auch der Wettbewerb um die Nutzung der Ressource eingeschränkt. Nur durch eine Einigung mit dem Rechtsinhaber kann sich ein Nutzungsinteressierter die Nutzungsbefugnis verschaffen. Die grundlegende Bedeutung von Ausschließlichkeitsrechten für den marktlichen Tauschprozeß, die Internalisierung externer Effekte und die effiziente Allokation knapper Güter wurde oben bereits ausführlich dargestellt. Der Zusammenhang zwischen Wettbewerbsfreiheit und Ausschließlichkeitsrechten stellt sich nicht als Antinomie dar, weil Ausschließlichkeitsrechte wie Eigentum und Immaterialgüterrechte erst die Voraussetzungen für ein Funktionieren des Wettbewerbs schaffen. Umgekehrt formuliert: Eine effiziente Nutzung knapper Ressourcen wird erst durch den marktlichen Tausch von Ressourcen möglich. Die Einbeziehung der Kosten und des Nutzens einer Ressource in die Wirtschaftlichkeitsrechnung des Handelnden erfordert, daß prinzipiell alle knappen Ressourcen einer ausschließlichen Zuweisung an einen Rechtsinhaber bedürfen. Nur so ist sichergestellt, daß über eine Offenlegung der individuellen Nutzenpräferenzen - ausgedrückt in der Zahlungsbereitschaft der Nutzungsinteressierten - die knappe Ressource an den Ort ihrer am höchsten bewerteten wirtschaftlichen Nutzung geleitet wird. Bereits der österreichische Nationalökonom Eugen v. BöhmBawerk hat in seiner Schrift über Rechte und Verhältnisse in der Volkswirtschaftslehre die Frage untersucht, ob Rechte und Verhältnisse Güter im volkswirtschaftlichen Sinne sind und welchen Nutzen solche Rechte und Verhältnisse bringen. An diese Gedanken knüpft v. Weizsäcker an. Um Rechte (und Verhältnisse) an knappen Gütern optimal zuschneiden zu können, muß man sich über deren Funktion im Rahmen der wirtschaftlichen Güterproduktion und -Verteilung klar werden. Zu diesem Zweck läßt sich die wirtschaftliche Aktivität in drei Ebenen einteilen: die Ebene des Konsums, die Ebene der Produktion und die Ebene der Innovation. Auszugehen ist von der Knappheit der Güter, die zum Konsum zur Verfügung stehen. Der Vorrat an Konsumgütern muß durch entsprechende produktive Aktivitäten immer wieder erneuert werden. Ein Anreiz für Unternehmer, entsprechende Konsumgüter zu produzieren, besteht indes nur, wenn sie in die Lage versetzt werden, durch eine entsprechende rechtliche Institutionalisierung von Ausschließlichkeitsrechten zumindest ihre Grenz121 Siehe dazu ausführlich Lehmann, Eigentum, geistiges Eigentum, gewerbliche Schutzrechte, G R U R Int. 1983, 356ff. (360ff.); ders., Theorie der Property Rights und Schutz des gewerblichen Eigentums - Wettbewerbsbeschränkungen zum Schutz des Wettbewerbs, in: Neumann (Hrsg.), Ansprüche, Eigentums- und Verfügungsrechte, Schriften des Vereins für Socialpolitik, N.F. Bd. 140 (1984), 519ff.

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Kapitel III: Zuweisungsgehalt

kondiktionsgeschützter

Rechte

kosten zu erwirtschaften. Die Chance, ihre Kosten zu erwirtschaften, erhalten die Produzenten durch den Ausschluß des freien Zugriffs auf die produzierten Konsumgüter durch die Konsumenten. Das Eigentum als Ausschließlichkeitsrecht stellt sich aus dieser Sicht als Konsumrestriktion dar. D e r Wettbewerb auf der Ebene der Produktion setzt den Ausschluß des Wettbewerbs auf der Ebene des Konsums durch freien Zugriff auf die produzierten Güter voraus. „Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs auf der Ebene der Produktion setzt die weitgehende Verhinderung des Wettbewerbs auf der Ebene des unmittelbaren Konsums durch den Schutz ausschließenden Eigentums an den Früchten der Produktion voraus «1 . Zum Schutz der dritten Ebene wirtschaftlicher Aktivität, der Innovation, ist - analog zum Verhältnis zwischen erster und zweiter Ebene - in gewissem Umfang eine Konsumrestriktion von Gütern dieser Ebene auf der zweiten Ebene (der Produktion) erforderlich. Denn es bestünde kein Anreiz zur Entwicklung innovativer Informationen, wenn jedermann der freie Zugriff auf die betreffenden Erfindungen und sonstigen wertvollen Informationen offen stünde. Da die Schaffung solcher Informationen mit Kosten verbunden ist, würde eine Forschungs- und Entwicklungsaktivität sich nur auf unteroptimalem N i veau abspielen, wenn jedermann einem Erfinder die Frucht seiner Bemühungen ohne Entgelt wegnehmen könnte. Hinsichtlich der drei Ebenen der wirtschaftlichen Aktivität und der für sie jeweils kennzeichnenden Konsumrestriktionen läßt sich allgemein sagen, daß die Entstehung und Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs auf der jeweils höheren Stufe davon abhängt, daß der freie Zugriff auf die Gegenstände, die auf der jeweiligen Ebene produziert werden, durch die Institutionalisierung von Ausschließlichkeitsrechten verhindert wird. Hinsichtlich der Ausgestaltung der jeweiligen Ausschließlichkeitsrechte für die verschiedenen Rechtsobjekte bestehen Unterschiede. Das Sacheigentum ist zeitlich unbegrenzt und räumt seinem Inhaber die rechtlich weitestgehende Befugnis ein, mit der Sache nach seinem Belieben zu verfahren. Wegen ihrer physischen Beschaffenheit, ihrer Abgegrenztheit und der Konsumrivalität sind Sachen die privaten Güter par excellence. Eine Sache kann zu einer gegebenen Zeit nur von einer Person an einem O r t ge- oder verbraucht werden. Die Befugnis weiterer Personen, die Sache gemeinsam mit dem Eigentümer zu nutzen, würde dessen Recht verdünnen (attenuation). Anders verhält es sich bei den Immaterialgüterrechten, deren Rechtsobjekte Informationen sind. Informationen sind jedenfalls potentiell öffentliche Güter. Für sie gilt, anders als für private Güter, der Grundsatz der Nichtrivalität im Konsum. Auch die Ausschließbarkeit der Nutzung durch Dritte ist schwierig. Durch die Unterwerfung unter ein Ausschließlichkeitsrecht wird die Exklusivität eigentlich öffentlicher Güter bei Informationen erst künstlich geschaffen. 122 v. Weizsäcker, Rechte und Verhältnisse in der modernen Wirtschaftslehre, Kyklos 34 (1981), 345 ff. ( 352).

§16

Funktion

und Inhalt des

Zuweisungsgehaltsbegriffs

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Mit Recht weist v. Weizsäcker darauf hin, daß die Schaffung und Durchsetzung von Ausschließlichkeitsrechten an Informationen besonders teuer ist 123 ; hinzu kommt, daß bei ihnen der Gesichtspunkt der Förderung des wissenschaftlichtechnischen Fortschritts eine zeitliche Begrenzung der Geltungsdauer des Schutzrechts rechtfertigt: Nur dieser Zeitraum steht dem Inhaber des Rechts zur Amortisation seiner Aufwendungen zur Verfügung. Danach ist die Information ein öffentliches Gut. Auch hier ist noch einmal darauf hinzuweisen, daß Effizienzsteigerungen durch marktliche Tauschprozesse die Institutionalisierung eines Systems von Ausschließlichkeitsrechten an knappen Gütern voraussetzt. Der marktliche Tauschmechanismus funktioniert aber nur, wenn prinzipiell freier Zugang zu den Märkten (nicht: zu den Produkten) besteht. Dieser freie Zugang zu den Märkten darf nicht zum Gegenstand ausschließlicher Rechte gemacht werden.

IX. Die Bestimmung der Reichweite der Eingriffskondiktion durch das Konzept des Zuweisungsgehalts 1. Ausschließlichkeitsrecht und Zuweisungsgehalt als Schlüssel für die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion Die Zuweisungsgehaltstheorie sieht die tragende Grundlage der Eingriffskondiktion darin, daß der Bereicherungsschuldner etwas erlangt hat, dessen „Behalten" im Widerspruch zum Zuweisungsgehalt eines dem Kondizienten zustehenden Rechts steht 124 . Dem Konzept des Zuweisungsgehalts kommt im Rahmen dieser dogmatischen Grundlegung eine zentrale Bedeutung für die Abgrenzung der Reichweite der Eingriffskondiktion zu 125 . Die Eingriffskondiktion diene als „Rechtsfortwirkungsanspruch" dazu, der im Güterschutzrecht den „Zuweisungsgehalt" des durch den Erwerb des Bereicherten verletzten Rechts verwirklichen solle126. Der Bereicherungsanspruch schaffe jedoch die Zuweisung dessen, was an den Kondizienten herauszugeben sei, nicht selbst, sondern finde diese in dem unbefugt in Anspruch genommenen Recht vor. Die Rechtsprechung hingegen stellt stärker und deutlicher auf den Aspekt der in Anspruch genommenen Rechtsposition des Kondizienten ab, wenn es um die Bestimmung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion geht. So sieht der B G H in der Kunststoffhohlprofil Ii-Entscheidung die Grundlage der Bereicherungshaftung bei Verletzung gewerblicher Schutzrechte in der von 123 v. Weizsäcker, Rechte und Verhältnisse in der modernen Wirtschaftslehre, Kyklos 34 (1981), 356. 124 Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 75. 125 Siehe dazu Koppensteiner/Kramer, a. a. O., 75. 126 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 234.

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kondiktionsgeschützter

Rechte

der Rechtsordnung mißbilligten Verletzung einer Rechtsposition, die nach dem Willen der Rechtsordnung einem Berechtigten „zu dessen ausschließlicher Verfügung zugewiesen" sei 127 . Das Gericht führt dazu folgendes aus: „Der Zuweisungsgehalt der Rechtsposition ersetzt demnach bei der Eingriffskondiktion das bei der Leistungskondiktion bestehende Erfordernis, daß das Erlangte aus einer Leistung des Bereicherungsgläubigers stammen müsse. Nach dem Grundsatz der Güterzuweisung soll der Verletzer das herausgeben, was er durch rechtswidrigen Einbruch in eine fremde geschützte Rechtssphäre erzielt hat"128. In ähnlicher Weise äußert sich der B G H in einer späteren Entscheidung, in der er ausführt, daß die Eingriffskondiktion einen solchen vermögensrechtlichen Vorteil ausgleichen soll, „den der Erwerber nur unter Verletzung einer geschützten Rechtsposition unter alleiniger Verwertungsbefugnis des Rechtsinhabers erlangen konnte" 1 2 9 . Während die Rechtsprechung als Grundlage der Eingriffskondiktion auf die unbefugte Inanspruchnahme bestimmter Rechtspositionen abstellt, deren Rechtsobjekte durch andere als den Rechtsinhaber nur mit Erlaubnis desselben genutzt werden dürfen, scheinen die oben angeführten Literaturäußerungen für die Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion eher auf den Begriff des Zuweisungsgehalts abzustellen. U m die Reichweite der Eingriffskondiktion nach § 812 I 1, 2. Alt. BGB zutreffend und auf methodisch korrekte Weise bestimmen zu können, ist es erforderlich, das Verhältnis zwischen den Begriffen des (absoluten) subjektiven (Ausschließlichkeits-)Rechts und des Zuweisungsgehalts zu klären. Der Begriff des subjektiven Rechts ist bereits oben ausführlich behandelt worden. Die Inhaberschaft eines subjektiven Rechts bedeutet nichts anderes, als daß dem Rechtsinhaber ein Gut rechtens gebührt oder gehört 130 . Die Zuordnung des Gutes zu der Person schafft eine rechtliche Beziehung zwischen beiden, aufgrund derer der Rechtsinhaber (das Rechtssubjekt) Handlungs- und Vermögensbefugnisse in Bezug auf das Gut ausübt und alle anderen Rechtssubjekte von der Ausübung solcher Befugnisse ausgeschlossen sind 131 . Ein subjektives Recht kann auch durch eine privatrechtliche Vereinbarung zwischen zwei Rechtssubjekten begründet werden. So handelt es sich bei vertraglichen Forderungen um subjektive Rechte. Sie schaffen keine Rechtsbeziehung zwischen einer Person und einem Gut (genauer gesagt: zwischen dem Rechtsinhaber und allen anderen Rechtssubjekten in Beziehung auf ein Gut), sondern lediglich zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner in der Weise, daß der Gläubiger etwas vom Schuldner zu fordern hat, während letzterer dazu verpflichtet ist, die geschuldete Leistung auch zu erbringen. Handelt es sich z.B. 127 128 129 130 131

BGH 24.11.1981, BGHZ 82, 299 (306). BGH 24.11.1981, BGHZ 82, 306. BGH 9.3.1989, BGHZ 107, 117 (120) (Forschungskosten). Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 14 II 3. Siehe Ost, Die Zuordnung als Kriterium des subjektiven Rechts, 40.

§ 16 Funktion

und Inhalt des Zuweisungsgehaltsbegriffs

469

um einen kaufvertraglichen Übereignungsanspruch, so wird die Zuordnung der verkauften Sache als Eigentum des Verkäufers durch den Abschluß des Kaufvertrages nicht verändert. Erst Einigung und Ubergabe der Sache bewirken den Eigentumswechsel (§§ 929 ff. B G B ) . Die Zuweisung ist eine elementare Grundkategorie der Normativität rechtlicher Lebensverhältnisse. Sie liegt auf der gleichen fundamentalen Ebene wie die Begriffe des Sollens und der Pflicht und läßt sich dementsprechend auch nicht aus noch grundlegenderen Kategorien ableiten 1 3 2 . Die Zuweisung ist ein grundlegendes Element des subjektiven Rechts; die Zuordnung eines Guts zur Rechtssphäre eines Rechtssubjekts als etwas Eigenes, ihm Gehöriges unterscheidet das subjektive Recht von den Normen des objektiven Rechts, die Begünstigungen des einzelnen nicht als subjektives Recht, sondern als Reflex hervorbringen. Der Begriff der Zuweisung sagt allein nichts darüber aus, was dem Rechtssubjekt durch das subjektive Recht zugewiesen ist, was der Inhalt des subjektiven Rechts ist. Dieser kann von ganz unterschiedlicher Natur sein: Es kann sich um einen Bereich in der Handlungsfreiheit in Bezug auf einen Gegenstand oder um einen Anspruch auf Achtung der persönlichen Würde ebenso wie um familiäre rechtliche Befugnisse (z.B. elterliche Sorge) handeln. In diesem Sinne bezieht sich der Begriff des Zuweisungsgehalts auf den Inhalt des subjektiven Rechts. D a alle subjektiven Rechte Zuweisungen von Handlungsbefugnissen umfassen, aber nur zum Teil mit Vermögenbefugnissen ausgestattet sind, bezieht sich der Schutz der Eingriffskondiktion nicht auf den Gesamtbestand der subjektiven Rechte. So ist der Anspruch aus Eingriffskondiktion nicht anwendbar auf subjektive Familienrechte und bei Verletzung von Forderungen (mit Ausnahme des Schutzes der Forderungszuständigkeit nach § 816 II B G B ) . Dementsprechend kann der Begriff des Zuweisungsgehalts (jedenfalls in dem eben dargelegten Sinn) nicht dazu herangezogen werden, um die Reichweite des Anspruchs aus Eingriffskondiktion abzugrenzen. D e r Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion ist unter Berücksichtigung ihrer Funktion im Rahmen des bürgerlichen Vermögensrechts zu bestimmen. Diese Funktion ist oben unter ökonomischen Aspekten bereits dargelegt worden. Dabei ist deutlich geworden, daß die Legitimation des Anspruchs aus Eingriffskondiktion darauf beruht, daß dem Kondizienten durch die Rechtsordnung ein Gegenstand ausschließlich zugeordnet worden ist, so daß eine Nutzung des Gegenstandes durch andere Personen nur unter Zustimmung des Rechtsinhabers zulässig ist. D e r Zuweisungsgehalt als wichtiges Tatbestandselement des subjektiven Rechts beschreibt die Befugnisse, die sich aus der rechtlichen Beziehung zwischen dem Rechtsinhaber und anderen Rechtsobjekten in Bezug auf ein Rechtsobjekt ergeben. Das subjektive Recht gewährt dem Rechtsinhaber gewisse, mehr oder weniger genau abgegrenzte Befugnisse, die er hinsichtlich des Rechts132

Larenz/Wolf

a.a.O., § 14 II 3.

470

Kapitel III: Zuweisungsgehalt

kondiktionsgeschützter

Rechte

objekts ausüben darf. Das subjektive Recht unterscheidet sich von günstigen Rechtslagen, die nicht auf subjektiv/rechtlichen Schutz zurückzuführen sind, dadurch, daß der Rechtsinhaber beim subjektiven Recht allein berechtigt ist, die ihm zugewiesenen Befugnisse hinsichtlich des Rechtsobjektes auszuüben und andere von der Nutzung seiner Position auszuschließen. Der Begriff des Zuweisungsgehalts als Tatbestandsmerkmal der Eingriffskondiktion hat aber eine spezifischere, engere Bedeutung als der eben skizzierte allgemeine Begriff des Zuweisungsgehalts. Dies wird daran deutlich, daß generell jedes subjektive Recht einen Zuweisungsgehalt besitzt („Recht ist Zuweisung") 1 3 3 . D a aber die Eingriffskondiktion nur bei der unbefugten Inanspruchnahme eines bestimmten Kreises von subjektiven Rechten anwendbar ist, kann der Zuweisungsgehalt als Anwendungsvoraussetzung der Eingriffskondiktion nicht dieselbe Bedeutung haben wie der allgemeine Begriff des Zuweisungsgehalts. In Wirklichkeit dient ein bestimmtes, auf Vermögenswerte Rechte und ihnen gleichstehender Rechtspositionen begrenztes Konzept des Zuweisungsgehalts subjektiver Rechte als Abgrenzungsmerkmal für die Bestimmung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion. Die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion ist aus einer bestimmten Struktur des verletzten Rechts zu begründen: „Auf Kosten" des Rechtsinhabers erlangt der Rechtsverletzer gemäß § 8 1 2 1 1 , 2 . Alt. B G B nur dann und insoweit etwas, als er ein Recht in Anspruch nimmt, welches die Befugnis zum Handeln in bezug auf das Rechtsobjekt ausschließlich dem Rechtsinhaber gewährt. Es muß sich also um ein absolutes subjektives Recht oder eine diesem gleichwertige Rechtsposition handeln, dessen Verletzung die Anwendung der Eingriffskondiktion legitimiert. Wozu wird dann noch das Konzept des Zuweisungsgehalts benötigt? Die Feststellung, daß ein Recht seiner Struktur nach durch die Eingriffskondiktion geschützt ist, besagt noch nicht, daß eine bestimmte Handlung des Bereicherungsschuldners, durch die er ein Vermögensvorteil erlangt hat, zu einem Anspruch nach § 812 I 1, 2. Alt. B G B führt. D e r Bereicherungsschuldner muß etwas durch eine Handlung erlangt haben, die aufgrund des absoluten Herrschaftsrechts oder einer ihm gleichzuachtenden Rechtsposition dem Rechtsinhaber vorbehalten ist. Jedes der im Rahmen der Eingriffskondiktion geschützten Rechte gewährt seinem Inhaber einen ausschließlichen Handlungsspielraum in Bezug auf ein Rechtsobjekt. Das Handeln des Rechtsverletzers führt zu einem Vermögensvorteil unter Verwendung des dem Kondizienten zustehenden Rechtsobjekts. Der Vermögensvorteil, den der Bereicherungsschuldner durch die unbefugte Nutzung eines fremden Rechtsobjekts erwirbt, ist unkörperlicher Natur. Nach zutreffender Ansicht der Rechtsprechung hat er die Nutzung des Gegenstandes erlangt. D a der Bereicherungsschuldner die Nutzung, die durch eine tatsächliche Handlung bewirkt worden ist, nicht in natura herausgeben kann, hat er gemäß § 818 II B G B dem Kondizienten Wertersatz zu leisten. 133

Reuter/Martinek,

Ungerechtfertigte Bereicherung, 248.

§ 16 Funktion

und Inhalt des

Zuweisungsgehaltsbegriffs

471

Zwischen den Befugnissen des Kondizienten im Hinblick auf den ihm exklusiv zugeordneten Gegenstand und der Herausgabepflicht des Bereicherungsschuldners nach §§ 812 1 1 , 2 . Alt., 818 II B G B muß eine Beziehung hergestellt werden, die die Grundlage für das Tatbestandsmerkmal „auf Kosten" in § 812 I B G B liefert. Diese Beziehung wird durch das Konzept des Zuweisungsgehalts begründet. D a auch die absoluten Herrschaftsrechte und die ihnen gleichgestellten Rechtspositionen, die in den Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion fallen, unterschiedliche Rechtsobjekte ausschließlich zuweisen und die Befugnisse des Rechtsinhabers unterschiedlich zuschneiden, ist dem Diktum zuzustimmen, daß der Begriff des Zuweisungsgehalts ein Gattungsbegriff ist, dessen Inhalt für jedes einzelne durch die Eingriffskondiktion geschützte Recht zu ermitteln ist. Als Gattungsbegriff hingegen nimmt das Konzept des Zuweisungsgehalts die Strukturelemente in sich auf, die allen Rechten, deren unbefugte Inanspruchnahme ein Anspruch aus Eingriffskondiktion auslöst, gemeinsam sind. Diese Strukturelemente des bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalts sollen im folgenden näher dargelegt werden.

2. Die Bezugsinstitution

des

Zuweisungsgehalts

Die Frage nach der „Bezugsinstitution" des Zuweisungsgehalts betrifft den Tatbestand der Zuweisung: Reicht zur Begründung des Zuweisungsgehalts bereits eine Handlungsberechtigung aus, die jedermann im Hinblick auf einen bestimmten Sachbereich zusteht (Beispiel: allgemeine Handlungsfreiheit im Bereich des wirtschaftlichen Wettbewerbs, die jeden Konkurrenten berechtigt, zu eigenen Gunsten und fremden Lasten im Wettbewerb unter denselben Bedingungen wie alle anderen Wettbewerber zu handeln) oder liegt ein bereicherungsrechtlich relevanter Zuweisungsgehalt nur dann vor, wenn die mit der Zuweisung verbundenen Befugnisse in Bezug auf das Rechtsobjekt ausschließlicher Natur sind, d. h., daß alle anderen mit Ausnahme des Rechtsinhabers von einer Nutzung des Rechtsobjekts ausgeschlossen sind? Der Zuweisungsgehalt i.S.d. Anspruchs aus Eingriffskondiktion nach § 8 1 2 1 1, 2. Alt. B G B setzt voraus, daß es sich bei der Bezugsinstitution um ein absolutes subjektives Recht oder eine einem solchen Recht gleichgestellte Rechtsposition handelt. N u r wenn es um eine solchermaßen strukturierte Position geht, kann davon gesprochen werden, daß dasjenige, das der Rechtsverletzer auf Grund eines Eingriffs erlangt hat, auf Kosten des Rechtsinhabers erlangt wurde. Handelt der Eingreifende dagegen in einem Bereich, der der allgemeinen Handlungsfreiheit unterliegt, so erlangt ein Eingreifer, der gegen N o r m e n verstößt, die diese allgemeine Handlungsfreiheit schützen sollen, nichts auf Kosten des Benachteiligten, obwohl er rechtswidrig gehandelt hat. Denn bei allgemeiner Handlungsfreiheit darf der Handelnde das wirtschaftliche Ergebnis seiner Handlung behalten; die Handlungsfreiheit vermittelt nicht Positio-

472

Kapitel III: Zuweisungsgebalt

kondiktionsgeschützter

Rechte

nen, die allein einem der Handelnden unter Ausschluß aller anderen zugeordnet wären. Die Bezugsinstitution des Zuweisungsgehalts ist somit ein subjektives Recht des Kondizienten. Wird jemand durch eine tatsächliche Lage begünstigt, in die ein anderer eingreift und sich bereichert oder handelt der Eingreifer in einem Bereich, in dem jedermann auf Grund der einem gleichermaßen zustehenden Handlungsfreiheit agieren darf, so wohnt diesen Positionen kein Zuweisungsgehalt inne. Demzufolge löst eine unbefugte Inanspruchnahme solcher Positionen auch keinen Anspruch aus Eingriffskondiktion aus.

3.

Bezugsobjekt

Subjektive Rechte ordnen dem Rechtsinhaber Befugnisse in Beziehung auf bestimmte Gegenstände zu. Auf die Befugnisse wird unten noch näher einzugehen sein. Die Bezugsobjekte des Zuweisungsgehalts sind diejenigen Gegenstände, die Objekt eines subjektiven Rechts sein können, das durch die Eingriffskondiktion geschützt wird. Solche Objekte sind Sachen, die die Rechtsobjekte der dinglichen Rechte bilden. Informationen sind wiederum Objekte der Immaterialgüterrechte. Allerdings unterscheiden sich Sachen und Informationen als Gegenstände subjektiver Rechte erheblich voneinander. Alle Sachen sind mit nur wenigen Ausnahmen - fähig, Gegenstand von Eigentumsrechten zu sein. Demgegenüber sind Informationen nur eingeschränkt geeignet, als O b jekte von Immaterialgüterrechten ausschließlich dem Rechtsinhaber zugeordnet zu werden, etwa technisch-wissenschaftliche Erfindungen, urheberrechtsfähige Werke etc. In der Regel handelt es sich bei Informationen um Güter, die keinem Ausschließlichkeitsrecht unterliegen, die - ökonomisch gesprochen öffentliche Güter sind. N u r im Ausnahmefall wird der freie Zugriff auf Informationen durch die Begründung eines Ausschließlichkeitsrechts daran unterbunden. Schließlich können auch sonstige Rechte Bezugsgegenstand des Zuweisungsgehalts sein, z . B . das Namensrecht einer Person, die Firma eines Unternehmens.

4. Der Inhalt des bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalts Die hier vertretene Auffassung grenzt Positionen mit Zuweisungsgehalt danach ab, ob es sich bei ihnen um absolute subjektive Rechte oder mit solchen vergleichbare Rechtsstellungen handelt oder nicht. Demzufolge genießen nur solche Rechtspositionen bei unbefugter Inanspruchnahme durch Dritte den Schutz der Eingriffskondiktion nach § 812 I 1, 2. Alt. B G B , die ihrem Inhaber eine exklusive Aktions- und Vermögensberechtigung im Hinblick auf das von

$ 16 Funktion und Inhalt des

Zuweisungsgehaltsbegriffs

473

der jeweiligen Position umfaßte Rechtsobjekt gewähren. Diese Voraussetzung ist nur dann gegeben, w e n n die Rechtsposition es allein dem Inhaber erlaubt, in Bezug auf das Rechtsobjekt die vom Recht umgrenzten H a n d l u n g e n vorzunehmen und die wirtschaftlichen Vorteile solcher Handlungen zu ziehen sowie allen anderen Rechtsgenossen, die nicht Inhaber des Rechts sind, Handlungen und die Ziehung vermögenswerter Vorteile in Bezug auf das Rechtsobjekt zu verbieten. D e m g e m ä ß fallen nur absolut (d.h. gegenüber Eingriffen durch jedermann) geschützte Rechtspositionen in den Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion. N u r sie weisen einen bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt auf. A n einem solchen Zuweisungsgehalt mangelt es hingegen den relativen subjektiven Rechten. Im Unterschied zu den absolut geschützten Rechten begründen die relativen subjektiven Rechte lediglich rechtliche Beziehungen, d.h. Pflichten und Rechte zwischen denjenigen Personen, unter denen das Rechtsverhältnis begründet w u r d e , welches diese Rechte und Pflichten erzeugt hat. Relative subjektive Rechte können nur von denen verletzt werden, die an den jeweiligen Rechtsverhältnissen beteiligt sind. So kann der Ubereignungsanspruch aus einem Kaufvertrag nach § 433 I B G B nur vom Verkäufer verletzt werden; der Kaufvertrag ändert nichts an der dinglichen Rechtslage der Kaufsache. Geht die Kaufsache dadurch unter, daß ein Dritter sie verbraucht und sich dadurch bereichert, so steht dem Käufer gegenüber dem Dritten nicht ein Anspruch aus Eingriffskondiktion wegen Verletzung des Kaufvertrages zu Gebote. Eine für die A n w e n d b a r k e i t der Eingriffskondiktion relevante Zuweisung eines Gegenstandes (Recht oder Sache) w i r d durch einen schuldrechtlichen Vertrag, der lediglich Verpflichtungen zwischen den Parteien hervorbringt, nicht bewirkt. Die Folgen von Leistungsstörungen, die durch die Eingriffe Dritter in Sachen oder Rechte hervorgerufen werden, welche Gegenstand schuldrechtlicher Übertragungs- oder Nutzungsverträge sind, müssen im Rahmen der für solche Leistungshindernisse im B G B vorgesehenen Regeln bewältigt werden. Ebensowenig reicht es zur Begründung des Zuweisungsgehalts einer Rechtsposition aus, daß ein Rechtsobjekt von seinem Inhaber in der Weise beherrscht wird, daß rein faktisch eine Inanspruchnahme des Rechtsobjektes durch einen Dritten unmöglich ist. Dies ist etwa der Fall bei einer Information, die nur ihrem Schöpfer bekannt ist: Hier kann ein Dritter nur dann Zugang zu dieser Information erlangen, w e n n er sich mit ihrem Urheber über die N u t z u n g vertraglich einigt. A u s dieser „faktischen" Ausschließlichkeitsstellung des Urhebers der Information kann aber nicht der Schluß gezogen werden, daß der U r h e b e r ein Ausschließlichkeitsrecht mit bereicherungsrechtlich relevantem Zuweisungsgehalt besitzt. Dies ist nur dann der Fall, w e n n die Rechtsordnung eine solche Stellung des Inhabers eines Rechtsobjektes als rechtlich geschützte Alleinstellung anerkennt. Eine solche A n e r k e n n u n g durch die Rechtsordnung liegt vor, w e n n an einem Gut seinem Inhaber durch Gesetz oder in A u s n a h m e fällen auch durch ihr Richterrecht ein absolutes subjektives Recht oder eine diesem vergleichbare Rechtsstellung eingeräumt wird. Im Falle der hier beispielhaft herangezogenen Information läge ein Zuweisungsgehalt zugunsten

474

Kapitel III: Zuweisungsgehalt

kondiktionsgeschützter

Rechte

ihres Inhabers dann vor, wenn die Information z.B. als Patent oder als Werk i.S.v. § 1 UrhG rechtlich geschützt wäre. Eine bloß faktische Beherrschung eines Gutes durch seinen Inhaber, der eine Nutzung des Gutes durch Dritte ausschließt, kann ein Zuweisungsgehalt als Tatbestandsmerkmal des Anspruchs aus Eingriffskondiktion somit nicht begründen. Entscheidend ist vielmehr die Anerkennung der exklusiven Handlungs- und Vermögensberechtigung des Inhabers des Gutes durch die Rechtsordnung 134 . Nach der hier vertretenen Auffassung besitzt ein Recht dann einen bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt, wenn es seinem Inhaber eine Freiheitsermächtigung zum Handeln im Rahmen des vom Recht erfaßten Sachverhalts einräumt und zugleich ein Generalverbot für alle anderen Rechtssubjekte ausspricht, sich in dem Tatbestandsbereich des Rechts zu betätigen. Gemäß der auf Hohfeld und J. Schmidt zurückgehenden Privilege-RightTheorie wird die Struktur des dem Rechtsinhaber exklusiv vorbehaltenen Handlungsbereichs durch die Komponenten der Aktionsberechtigung und der Vermögensberechtigung gekennzeichnet 135 . Immer dann, wenn eine Rechtsposition ihrem Inhaber eine ausschließliche Aktions- und Vermögensberechtigung einräumt, handelt es sich um ein Recht mit einem bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt. Wird eine solche Position von einem Nichtberechtigten unbefugt in Anspruch genommen, so kann der Rechtsinhaber das durch den Eingriff Erlangte im Wege der Eingriffskondiktion nach § 812 11 2. Alt. BGB herausverlangen. Der Rückbezug auf die exklusive Handlungs- und Vermögensberechtigung des Rechtsinhabers und den Ausschluß der Handlungs- und Vermögensbefugnis aller anderen Rechtssubjekte im Tatbestandsbereich der jeweiligen Rechtspositionen ist zugleich Legitimation für den Anspruch auf Herausgabe des durch Eingriff in eine solche Rechtsposition Erlangten wie auch die Gewähr für eine hinreichend klare Begrenzung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion, wodurch sichergestellt wird, daß die Handlungsfreiheit der NichtRechtsinhaber nicht unangemessen eingeschränkt wird. Uber Inhalt und Grenzen des Zuweisungsgehalts, d. h. von Handlungs- und Vermögensberechtigung einzelner Rechte lassen sich keine generalisierenden Aussagen treffen, die den gesamten Bereich der in Betracht kommenden Rechtspositionen abdecken würden. Inhalt und Grenzen des Zuweisungsgehalts der einzelnen Rechte sind vielmehr unter sorgfältiger Berücksichtigung der normativen Grundlagen der Rechte zu ermitteln, die in der Regel gesetzlich fixiert sind, bei einigen Rechten aber auch auf Richterrecht beruhen. Der Ermittlung von Inhalt und Grenzen des Zuweisungsgehalts einzelner Rechte sind die § § 1 7 bis 28 dieser Untersuchung gewidmet.

134 So auch Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 261 f.; Büsching, Der A n wendungsbereich der Eingriffskondiktion im Wettbewerbsrecht, 126 ff. 135 Siehe dazu ausführlich oben § 16 II 3.

5 16 Funktion

und Inhalt des Zuweisungsgehaltsbegriffs

475

5. Die Vorzüge der hier vertretenen Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion Im Vergleich zu den alternativen dogmatischen Ansätzen zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion - seien sie innerhalb oder außerhalb der Zuweisungsgehaltslehre angesiedelt - weist die hier vertretene, auf die ausschließliche Handlungs- und Vermögensberechtigung des Rechtsinhabers abstellende Bestimmung des Zuweisungsbegriffs Vorteile auf und zeigt sich insoweit den konkurrierenden Ansätzen überlegen. Die im Vergleich mit den anderen Konzeptionen verbesserte dogmatische Leistungsfähigkeit dieses Ansatzes zeigt sich insbesondere in den folgenden Aspekten:

a) Vermeidung eines unangemessen weiten der Eingriffskondiktion

Anwendungsbereichs

Die hier vertretene Auffassung kommt dann und nur dann zu einem Anspruch aus Eingriffskondiktion, wenn der Bereicherungsschuldner unbefugt einen Gegenstand in Anspruch nimmt, dessen Innehabung, Nutzung, Gebrauch, Verbrauch und Verwertung von der Rechtsordnung allein dem Berechtigten zugeordnet ist. Das Abstellen auf Aktions- und Vermögensberechtigungen als konstitutive Elemente der absoluten subjektiven Rechte und ihnen vergleichbarer Rechtsstellungen ermöglicht eine für den Rechtsanwender hinreichend klare Bestimmung des Zuweisungsgehalts von Rechtsstellungen und damit eine sachgerechte Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion. Die Rechtswidrigkeitstheorie in ihren jeweils unterschiedlichen Ausprägungen führt im Ergebnis tendenziell zu einem zu weiten Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion. Dieser grundlegende Mangel ist allen Varianten dieses dogmatischen Ansatzes der Eingriffskondiktion eigen, seitdem Fritz Schulz die Rechtswidrigkeit zur Grundlage der Eingriffsbereicherung gemacht hatte. Der Grund dafür liegt in dem Umstand, daß dem Rechtswidrigkeitsurteil über ein menschliches Verhalten keine Aussage darüber zu entnehmen ist, wem positive Vermögenseffekte, die durch das rechtswidrige Handeln verursacht worden sind, zustehen sollen. Auch eine Verknüpfung des Schutzbereichs von Deliktsrecht (§§ 823 I, II, 826 B G B ) und Eingriffskondiktion, wie sie Canaris vorschlägt, wird der Funktion der Eingriffskondiktion nicht gerecht. Eine Gleichschaltung des Anwendungsbereichs von Deliktsrecht und Eingriffsbereicherung könnte nur dann zu einer sachgerechten Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion führen, wenn beide Rechtsinstitute die gleichen Aufgaben zu erfüllen hätten. Dies trifft jedoch nicht zu. Das Deliktsrecht schützt über die in § 823 I B G B genannten Rechtsgüter und absoluten subjektiven Rechte hinaus wesentlich weitergehende Vermögensinteressen von Rechtssubjekten gegen eine schuldhafte, rechtswidrige Schädigung durch Dritte. Der dabei im Rahmen von § 823 II (durch Schutzgesetze) und

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Kapitel III: Zuweisungsgehalt kondiktionsgeschützter

Rechte

§ 826 B G B (gegen sittenwidrige Schädigung) geschützte Kreis von Vermögensinteressen ist wesentlich weiter gezogen als der Kreis der Güter, die durch die Eingriffskondiktion gegen eine schuldlose, dem Zuweisungsgehalt des jeweiligen Rechts widersprechende rechtsgrundlose Inanspruchnahme fremden Rechts geschützt werden. Diese Divergenzen in den Schutzbereichen von Deliktsrecht und Eingriffskondiktion - die nach herkömmlicher Ansicht beide dem Güterschutz dienen - erklären sich daraus, daß wegen der abweichenden Tatbestandsvoraussetzungen und der dadurch bewirkten Steuerungseffekte eine engere Bestimmung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion im Vergleich zum Anwendungsbereich des Deliktsrechts erforderlich ist. Der durch das Deliktsrecht gewährleistete Schutz des Kreises wertvoller Güter des Einzelnen gegen Schädigung durch das Handeln Dritter setzt erst dann ein, wenn gegen den Schädiger ein Schuldvorwurf erhoben werden kann, weil sein Verhalten vorsätzlich war oder er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht beachtet und damit fahrlässig gehandelt hat. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so hat der Inhaber des verletzten Interesses, etwa der Eigentümer einer Sache, den Schaden, der ihm an der Sache durch das Handeln des Dritten entstanden ist selbst zu tragen. § 812 I 1, 2. Alt. B G B sieht demgegenüber für die Eingriffskondiktion kein Verschuldenserfordernis vor. Daher ist der Bereicherungsschuldner auch zur Herausgabe desjenigen verpflichtet, das er durch die schuldlose Inanspruchnahme fremden Rechts erlangt hat. Das Risiko, ohne Verschulden bei seinem wirtschaftlichen Handeln fremde Vermögensgüter für eigene Zwecke zu nutzen und das dadurch Erlangte nach § 812 I 1, 2. Alt. B G B herausgeben zu müssen, kann dem Handelnden nur dann zugemutet werden, wenn es sich um einen überschaubaren Kreis von Rechten handelt, deren Vorliegen er im Rechtsverkehr grundsätzlich ohne übermäßige Anstrengungen erkennen können muß. Bei ausufernder Anwendung der Eingriffskondiktion besteht die Gefahr, daß Akteure von einem sozial erwünschten Engagement in bestimmten Wirtschaftsbereichen abgehalten werden, weil sie befürchten müssen, durch die Anwendung der Eingriffskondiktion um die Früchte ihrer Anstrengungen gebracht zu werden. Durch ein solches Risiko kann es zu einer unteroptimalen wirtschaftlichen Aktivität in bestimmten Bereichen kommen, weil die Akteure es vorziehen, sich auf Geschäftsfeldern zu betätigen, in denen sie nicht oder mit einer weniger hohen Wahrscheinlichkeit der Gefahr ausgesetzt sind, schuldlos fremde Rechte zu nutzen und den Wert der Nutzung herausgeben zu müssen. Wegen des (im Rahmen der einzelnen Deliktstatbestände abgestuften) Verschuldenserfordernisses ermöglicht das Deliktsrecht (auch) den Schutz von Vermögensinteressen, die noch nicht zu absoluten subjektiven Rechten verfestigt sind. Bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt - wie immer die Maßstäbe dieser Sorgfalt zu bestimmen sind - kann der Handelnde davon ausgehen, das Risiko angemessen kalkulieren zu können, einem anderen gegenüber wegen der Verletzung von dessen Vermögensinteressen schadensersatzpflichtig zu werden und insoweit gezwungen zu sein, zur Erfüllung der Schadensersatzpflicht einen Teil seines eigenen Vermögens aufgeben zu müssen.

5 16 Funktion

und Inhalt des

Zuweisungsgehaltsbegriffs

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Die Beschränkung der Bereicherungshaftung auf die zum relevanten Zeitpunkt (Rechtshängigkeit bzw. Kenntnis der Rechtsgrundlosigkeit, § § 8 1 8 III, 819 B G B ) noch beim Bereicherungsschuldner vorhandene Bereicherung vermag die oben umrissene Risikokonstellation nicht wesentlich zugunsten des gutgläubig Handelnden zu verändern, denn ein Wegfall der Bereicherung ist immer dann ausgeschlossen, wenn man - wie es der B G H tut 1 3 6 - das Erlangte in der Nutzung von Rechten und Sachen sieht. Eine einmal konsumierte Nutzung eines Rechts oder einer Sache kann nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung nicht nachträglich entfallen 137 . Vor allem die Fälle der Nutzung fremder absoluter subjektiver Rechte (z.B. Patent- und Gebrauchsmusterrecht) bilden aber in der Praxis die Hauptanwendungsfälle der Eingriffskondiktion. Die oben aufgezeigte Risikolage für den wirtschaftlich Handelnden erfordert eine Beschränkung der Anwendung der Eingriffskondiktion auf einen überschaubaren Kreis von Rechtspositionen, die prinzipiell unter vertretbarem Aufwand erkennbar sein müssen. Da dem Bereicherungsrecht der Filter des Verschuldens fehlt, kommt eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Bereicherungsanspruchs auf Vermögenspositionen, die nicht als absolute Rechte oder ihnen vergleichbare Rechtspositionen geschützt sind und die deshalb auch keinen Zuweisungsgehalt aufweisen, nicht in Betracht. Auch das Abstellen auf die Kommerzialisierung von Rechtspositionen als Kriterium für den bereicherungsrechtlich erheblichen Zuweisungsgehalt 138 führt zu einem zu weiten Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion. Das Kriterium der Kommerzialisierung umfaßt auch Positionen, in denen der Inhaber nur deshalb über Exklusivität an einem Gut verfügt, weil er faktisch dazu in der Lage ist, andere von der Nutzung des Gutes auszuschließen. Dies ist z . B . bei einer immaterialgüterrechtlich nicht geschützten Information der Fall, die nur ihrem Urheber bekannt ist. Er kann diese Information - etwa durch Veräußerung gegen Entgelt - kommerzialisieren, weil er nur darüber verfügt und daher Dritte faktisch von der Nutzung der Informationen auszuschließen vermag. Wenn aber ein anderer - unabhängig vom ersten Urheber - dieselbe Information schafft, so greift er nicht in ein dem ersten Urheber vorbehaltenes Gut ein; die Information ist als solche nicht durch ein Eigentumsrecht zugeordnet. Sie besitzt deshalb auch keinen bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt. Die hier vertretene Auffassung zur Bestimmung des Zuweisungsgehalts, die auf Aktions- und Vermögensberechtigung des subjektiven Rechts abstellt erweist sich dem Kriterium der Kommerzialisierbarkeit damit als überlegen. Das Konzept der Vermögensberechtigung als Strukturmerkmal des bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalts bringt auch besser als der Begriff B G H 24.11.1981, B G H Z 82, 299 (307) (Kunstoffhohlprofil II). Mestmäcker, Eingriffserwerb und Rechtsverletzung in der ungerechtfertigten Bereicherung, J Z 1958, 524; Kleinhey er, Eingriffsbereicherung durch unbefugte Nutzung und Wertersatz, J Z 1961, 475; Batsch, Vermögensverschiebung und Bereicherungsherausgabe, 114. 138 Reuter / Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 256 f. 136 137

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Kapitel III: Zuweisungsgehalt kondiktionsgeschützter

Rechte

der marktfähigen Verwertungsmöglichkeit 1 3 9 zum Ausdruck, daß die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion nicht allein davon abhängen kann, ob ein Gut faktisch an Märkten gehandelt wird, sondern ob die Rechtsordnung den Austausch des betreffenden Gutes billigt oder zumindest hinnimmt.

b) Verbesserte dogmatische Fundierung der Eingriffskondiktion im System des außervertraglichen Schuldrechts Im Vergleich zu alternativen Ansätzen leistet die hier vertretene Auffassung einen Beitrag zu einer angemessenen dogmatischen und funktionalen Abgrenzung der im außervertraglichen Schuldrecht zusammengefaßten Rechtsinstitute. Die alternativen Auffassungen zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion führen demgegenüber zu einer Verwischung der dogmatischen und funktionalen Grenzen der Institute des außervertraglichen Schuldrechts. Dies gilt in verschiedener Hinsicht. Die Rechtswidrigkeitstheorie in ihren unterschiedlichen Varianten sowie die von Canaris vertretene Auffassung vom Gleichlauf des Anwendungsbereichs von Deliktsrecht und Eingriffskondiktion (die im Ergebnis eine Variante der Rechtswidrigkeitstheorie darstellt) fassen die Eingriffskondiktion als Haftung für unrechtmäßiges Verhalten auf. Für das Deliktsrecht trifft diese Aufgabenzuweisung zu. U b e r das Verschuldenserfordernis, das für die meisten Deliktstatbestände maßgeblich ist, steuert das Deliktsrecht das menschliche Handeln. Zugleich macht das Verschuldenserfordernis deutlich, daß das Gesetz keineswegs jedes schädigende Verhalten mit einer Schadensersatzpflicht sanktioniert. Grundsätzlich muß derjenige den Schaden tragen, bei dem er eintritt („casum sentit dominus"). Es geht im Recht der unerlaubten Handlungen also immer um die rechtliche Bewertung menschlichen Verhaltens, um die Verletzung von Verhaltensregeln. Die in § 823 I B G B genannten Rechtsgüter und absoluten subjektiven Rechte dienen der Standardisierung des Unwerturteils über eine schädigende Handlung: Sie entbinden den Rechtsanwender von der Notwendigkeit, für die Fälle der Verletzung der dort genannten Rechtsgüter Verhaltensnormen aufzustellen, weil die Rechtsgutsverletzung die Rechtswidrigkeit des Handelns indiziert. Diese Indizwirkung kann nur dadurch beseitigt werden, daß der Schädiger einen Rechtfertigungsgrund für sein Verhalten behauptet und im Bestreitensfalle auch dessen Voraussetzungen nachzuweisen hat. Häufig schafft das Recht dadurch eine Grundlage für das Unrechtsurteil über ein Verhalten, daß es Schutzgesetze i.S.v. § 823 II B G B aufstellt. Der Unterschied zur Wirkungsweise des § 823 I B G B liegt darin, daß es sich dabei um spezielle N o r m e n des Verhaltensunrechts handelt. Die Funktion der absoluten subjektiven Vermögensrechte im Tatbestand der Eingriffskondiktion unterscheidet sich grundsätzlich von der Funktion dieser 139

Reuter/Martinek,

Ungerechtfertigte Bereicherung, 256 £.

§ 16 Funktion und Inhalt des

Zuweisungsgehaltsbegriffs

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Rechte im Deliktsrecht. Ü b e r die absoluten subjektiven Rechte werden den Rechtssubjekten Vermögenswerte, Güter zum alleinigen H a b e n , N u t z e n und Verbrauch zugeordnet und alle anderen Rechtsgenossen von der A k t i o n s - und Vermögensberechtigung ausgeschlossen. D e r Ausschluß des freien Zugangs zu knappen Ressourcen bildet den Schlüssel zu einer effizienten N u t z u n g solcher Ressourcen und zu ihrer ausreichenden Bereitstellung. Dies ist der G r u n d dafür, daß die Rechtsordnung an solchen knappen G ü t e r n ausschließliche Rechte begründet und diese durch ein differenziertes Instrumentarium davor schützt, von Nichtberechtigten in Anspruch genommen zu werden. D i e effizienzsteigernde Wirkung ausschließlicher Zuweisung von Gütern wird dann verfehlt, wenn trotz einer entsprechenden ausschließlichen Zuweisung Dritten ein Zugriff auf das R e c h t s o b j e k t erlaubt wird, ohne den Wert der N u t z u n g beim Eingreifer abzuschöpfen und dem Rechtsinhaber zuzuführen. Wenn ein N i c h t - R e c h t s i n h a b e r ein G u t für seine eigenen wirtschaftlichen Z w e c k e nutzt, so muß er die Zustimmung des Rechtsinhabers dazu einholen. Dies geschieht durch den Abschluß eines entsprechenden Rechtsgeschäftes, in dem die K o n ditionen der N u t z u n g und vor allem das an den Rechtsinhaber zu entrichtende Entgelt festgelegt werden. Wegen der grundlegenden ökonomischen Bedeutung des Ausschlusses D r i t ter v o m freien Zugriff auf knappe G ü t e r kann die Rechtsordnung es ohne Rücksicht auf eine subjektive Vorwerfbarkeit des Verhaltens nicht tolerieren, wenn ein Dritter ohne Beachtung des Kontraktmechanismus auf knappe Güter zugreift, die einem anderen zugewiesen sind. D i e Intention der Eingriffskondiktion ist nicht - wie die des Deliktsrechts - die Verhaltenssteuerung: Sie strebt eine Wiederherstellung der ursprünglich - d. h. vor dem Eingriff - vorhandenen Güterverteilung an. Dabei ist es ohne Relevanz, ob der Eingriff, der zu dem bestehenden, ohne Vertrag mit dem Berechtigten eingetretenen Verteilungszustand geführt hat, als schuldhaft-vorwerfbares oder schuldloses Verhalten des Eingreifers zu werten ist. D i e ö k o n o m i s c h e n F u n k t i o n e n der Güterzuordnung erfordern es, daß Güterverteilungen, die entgegen der durch die Rechtsordnung gewährleisteten Zuweisung eingetreten sind, rückgängig gemacht werden. Das Deliktsrecht hingegen zielt ab auf eine Steuerung des Verhaltens durch Anknüpfung an das Verschulden. Das Recht der unerlaubten Handlungen hat nicht zum Ziel, jedweden Schaden an den Vermögensgütern Dritter, der durch das Handeln des Schädigers verursacht wird zu verhindern. N u r solche Schäden, die in vorwerfbarer Weise herbeigeführt werden, also vorsätzlich oder fahrlässig, sind ersatzpflichtig. Fahrlässigkeit ist dabei einem Akteur nur dann vorzuwerfen, wenn die H ö h e des Schadens im Verhältnis zur Wahrscheinlichkeit seines Eintritts höher ist als die Kosten, die zu einer Verhinderung oder Verminderung des eingetretenen Schadens geführt hätten 1 4 0 . 140 Siehe dazu nur Posner, Economic Analysis of Law, 163 ff.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 101 ff

480

Kapitel III: Zuweisungsgekalt

kondiktionsgescbützter

Rechte

Der verhaltenssteuernde Charakter der betreffenden Rechtsnormen wird noch deutlicher bei dem Anspruch auf Herausgabe des Gewinnes wegen unechter Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 687 II, 681, 667 BGB. Eine Geschäftsanmaßung nach § 687 II B G B liegt vor, wenn jemand ein fremdes Geschäft als sein eigenes behandelt hat, obwohl er wußte, daß er dazu nicht berechtigt war. Grundsätzlich ist jedermann bei der Verfolgung seiner eigenen wirtschaftlichen Zwecke auf die Verwendung der ihm gehörenden Güter beschränkt. Benötigt er bei einem wirtschaftlichen Handeln Güter, die nicht ihm, sondern einem anderen gehören, so muß er das Gut selbst oder die Befugnis zu seiner Nutzung im Wege des Vertrages vom Berechtigten erwerben. Setzt er sich bewußt über die von der Rechtsordnung gebilligte Güterzuweisung hinweg, so erscheint es folgerichtig, daß ihm die Rechtsordnung alle Vorteile, die er aus seinem bewußten Handeln im fremden Rechtskreis gezogen hat, wieder entzieht und dem Berechtigten zuführt. Die Rechtsfolgen der unechten Geschäftsführung ohne Auftrag gehen somit wesentlich weiter als die der Eingriffskondiktion: Bei dieser hat der Kondiktionsschuldner eine angemessene Lizenzgebühr als den Wert der erlangten Nutzung gemäß § 818 II B G B herauszugeben. Nach § 687 II B G B muß der unechte Geschäftsführer dem Geschäftsherren „alles", d.h. auch den erzielten Gewinn, aus der unechten Geschäftsführung ohne Auftrag herausgeben. Das Risiko, auf Grund der §§ 687 II, 681, 667 B G B die gesamten Früchte seiner Tätigkeit im fremden Rechtskreis an den Berechtigten herausgeben zu müssen, soll den unechten Geschäftsführer davon abhalten, wissentlich Geschäfte zu tätigen, die einem anderen zustehen. Falls ein Akteur im Rahmen seines wirtschaftlichen Handelns Güter benötigt, die einem anderen gehören, so soll er sich diese Güter im Wege vertraglicher Vereinbarung von dem Inhaber verschaffen. Die besonders einschneidende Sanktion des § 667 BGB rechtfertigt sich dadurch, daß der Handelnde in Kenntnis des Umstandes tätig geworden ist, daß er fremde Güter zu eigennützigen Zwecken einsetzt, obwohl er dazu nicht befugt ist. Da die Eingriffskondiktion nicht der Verhaltenssteuerung über Maßstäbe subjektiver Verwertbarkeit dient, sondern dem Schutz der rechtlichen Güterzuordnung vor dem freien Zugriff Dritter, kann es für die Anwendbarkeit dieses Rechtsinstituts nicht auf die Verletzung von Verhaltensnormen durch den Eingreifer ankommen. Es widerspricht daher der Funktion der Eingriffskondiktion, Verhaltensnormen zum Kriterium für die Anwendbarkeit des Rechtsinstituts zu machen, wie es die Rechtswidrigkeitstheorie und der von Canaris vertretene Ansatz tun. Verhaltensnormen ermöglichen ein Urteil über die Erlaubtheit bzw. das Verbotensein menschlichen Tuns oder Unterlassens. Ein bestimmtes Verhalten kann aus vielen rechtlichen Gründen verboten sein, u.a. deshalb, weil es dem Zuweisungsgehalt absoluter Rechte widerspricht. Über diesen Bereich hinaus bestehen Verhaltensnormen für eine Vielzahl von Vermögens- und nichtvermögensrechtlichen Interessen, welche von der Rechtsordnung als schützenswert angesehen werden. Auch wenn ein Teil dieser Interessen vermögensrechtlicher Natur ist, kann aus der Existenz einer Verhaltensnorm nicht geschlossen wer-

§ 16 Funktion und Inhalt des

Zuweisungsgebaltsbegriffs

481

den, daß der Sachverhalt, der die N o r m regelt, dem Begünstigten als wirtschaftliches G u t exklusiv zugewiesen ist. E i n Beispiel dafür bieten die N o r m e n des U W G , deren Verletzung zwar einen Schadensersatzanspruch auslöst, die aber - jedenfalls nach der hier vertretenen Auffassung - nicht durch die Eingriffskondiktion geschützt werden. So verbietet es etwa § 3 U W G einem G e w e r b e treibenden, im geschäftlichen Verkehr irreführende Angaben über geschäftliche Verhältnisse zu Zwecken des Wettbewerbs zu machen. N a c h § 4 U W G macht sich strafbar, wer in der Absicht, den Anschein eines besonders günstigen Angebots zu erwecken, bestimmte falsche oder irreführende Angaben in der Werbung macht. Diese N o r m e n sollen ein bestimmtes Verhalten von Teilnehmern am wirtschaftlichen Wettbewerb unterdrücken, weil dieses Verhalten als mit der Wettbewerbsidee sittlich nicht vereinbar angesehen wird. D i e genannten Verhaltensnormen führen dazu, daß den Wettbewerbern bestimmte Verhaltensweisen verschlossen sind, die ihnen im Wettbewerb möglicherweise Vorteile bringen könnten. F ü r die Wettbewerber ist eine solche Einschränkung der Handlungsparameter so lange hinnehmbar, wie die Rechtsordnung Verstöße gegen die N o r m e n wirksam bekämpft. Verstößt ein Wettbewerber gegen diese N o r m e n , so steigert er möglicherweise seinen Absatz auf Kosten seiner rechtstreuen Konkurrenten. D i e hier nur beispielhaft genannten N o r m e n aus dem U W G zielen darauf ab, daß Wettbewerber bestimmte Verhaltensweisen im wirtschaftlichen Wettbewerb unterlassen. E i n e Verletzung dieser N o r m e n verletzt ein Vermögensinteresse der anderen, sich rechtstreu verhaltenen Wettbewerber. Bei näherem Hinsehen erweist sich, daß dieses Vermögensinteresse darin besteht, daß alle Wettbewerber auf dem Markt unter gleichen rechtlichen B e dingungen miteinander um die Vertragsabschlüsse mit den Kunden konkurrieren. N u r wenn sich alle Konkurrenten an die für sie geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen bezüglich ihres Wettbewerbshandelns halten, entscheidet der Wettbewerb selbst in fairer Weise über den Erfolg der Konkurrenten. D e r Schutz des Interesses an der Gleichheit der Wettbewerbsbedingungen, der durch die genannten N o r m e n gewährleistet wird, bedeutet aber nicht, daß einem Wettbewerber ein fester Anteil am Marktergebnis zugewiesen ist. Ü b e r den Erfolg oder Mißerfolg der Bemühungen von Konkurrenten im Wettbewerb entscheidet der Markt selbst, d.h. die Nachfrager, die das ihnen am günstigsten erscheinende A n g e b o t auswählen und mit dem jeweiligen Anbieter entsprechende Verträge abschließen. D a h e r kann die gegen die unbefugte N u t zung von exklusiv zugewiesenen Gütern gerichtete Eingriffskondiktion bei einer Verletzung von Verhaltensnormen, wie die schon beispielhaft genannten §§ 3 und 4 U W G nicht anwendbar sein. In einem System der freien Marktwirtschaft entscheidet allein der Markt über Erfolg und Mißerfolg eines M a r k t teilnehmers bei seinem wirtschaftlichen Verhalten; es ist mit einer Rechts- und Wirtschaftsordnung, die den freien Wettbewerb als Grundelement eines marktlichen Produktions- und Verteilungsmechanismus ansieht und gewährleistet, unvereinbar, einem Marktteilnehmer im Wege über das Rechtsinstitut der E i n -

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Kapitel III: Zuweisungsgebalt kondiktionsgeschützter

Rechte

griffskondiktion einen Marktanteil fest zuzuweisen. Genau dies aber ist die Konsequenz der Rechtswidrigkeitstheorie und auch des von Canaris vertretenen Ansatzes, der diesen als Teil der Zuweisungsgehaltslehre ansieht, der in Wirklichkeit aber eine versteckte Variante der Rechtswidrigkeitstheorie darstellt.

c) Übereinstimmung des Umfangs des Bereicherungsschutzes mit der allgemeinen ökonomischen Theorie der Property Rights Ein Vorteil der Zuweisungsgehaltstheorie, der sie über die alternativen Ansätze zur Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion, nämlich den Rechtswidrigkeitslehren und der Vermögensverschiebungstheorie heraushebt, liegt darin, daß die Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte sich fugenlos in die ökonomische Theorie der Handlungs- und Verfügungsrechte einordnen läßt. Auf dem theoretischen Hintergrund dieser Lehre läßt sich erklären, warum die effiziente Allokation von Ressourcen als grundlegende Voraussetzung ein System exklusiv zugewiesener Berechtigungen erfordert. Der Preismechanismus auf einem Markt mit funktionierendem Wettbewerb sorgt dafür, daß knappe Ressourcen an den Ort ihrer wirtschaftlich am höchsten bewerteten Nutzung geleitet werden. Dieser Mechanismus kann aber nur dann funktionieren, wenn jeder an der Nutzung einer Ressource Interessierte gezwungen ist, den Wert, den er der Nutzung zubilligt, vor dem Transfer zu offenbaren (Erklärung der Zahlungsbereitschaft). Der Inhaber der Ressource wird - rationales Verhalten unterstellt - die Nutzung demjenigen überlassen, der den höchsten Preis dafür zu zahlen bereits ist. Die Erklärung der Zahlungsbereitschaft muß vor einem Transfer der Nutzung geschehen, weil der Interessierte sonst keinen Anreiz mehr verspürt, nach konsumierter Nutzung seine Zahlungsbereitschaft wahrheitsgemäß offenzulegen. Er wird immer einen zu geringen Preis nennen. Bei freiem Zugang zu knappen Gütern kann das Effizienzziel nicht erreicht werden. Dieser Zusammenhang von exklusiv zugeordneten knappen Gütern und Allokationseffizienz bei der Mittelverwendung wird allein durch die Zuweisungsgehaltslehre widergespiegelt: Bei Versagen des Kontraktmechanismus beim Transfer exklusiv zugeordneter Güter zielt die Eingriffskondiktion auf die Herstellung einer Lage ab, die - falls die Ursprungsverteilung nicht mehr rekonstruierbar ist - derjenigen Situation möglichst nahe kommt, die bestehen würde, wenn die Beteiligten sich vertraglich über den Ressourcentransfer geeinigt hätten. Der Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion ist auf Güter beschränkt, die durch die Rechtsordnung ihrem Inhaber durch ein Ausschließlichkeitsrecht oder eine diesem gleichkommende Rechtsposition zugeordnet sind. Die Theorie vom Zuweisungsgehalt der Rechte gewährleistet gleichzeitig, daß der Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion nicht in einer Weise ausgedehnt wird, die mit der auf freiem Wettbewerb beruhenden marktwirtschaftlichen Ordnung unvereinbar ist. Vor dieser Gefahr bieten die Rechtswidrigkeitstheorien keinen Schutz.

§ 16 Funktion und Inhalt des

Zuweisungsgehaltsbegriffs

483

Aus diesen Gründen ist die Zuweisungsgehaltslehre in der Form, in der sie oben näher dargelegt wurde, den alternativen dogmatischen Ansätzen zur Bestimmung des Anwendungsbereichs und Inhalt der Eingriffskondiktion vorzuziehen.

Kapitel IV

Der Zuweisungsgehalt von Rechten an Sachen § 17 Das Eigentum an Sachen Dogmengeschichtlich bildet das Sacheigentum geradezu das Modell, anhand dessen die Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte entwickelt worden ist. Wilburg hat seine Lehre von der Fortwirkung des verletzten Rechts als der Grundlage des Anspruchs aus Bereicherung in sonstiger Weise auf „den sachlichen Zweck" des verletzten Rechts gestützt 1 und sich insoweit klar von der Rechtswidrigkeitstheorie von Fritz Schulz abgesetzt, für den der Bereicherungsanspruch eine Sanktion für rechtswidriges Handeln war. Inhalt und Wirkungsweise des Fortwirkungsgedankens hat Wilburg in erster Linie (wenn auch nicht ausschließlich) am Recht des Eigentums exemplifiziert. Die Eingriffskondiktion bezieht ihre Bedeutung bei Eigentumsverletzungen aus der beschränkten Funktion der actio negatoria: Diese sichert über die rei vindicatio lediglich die dingliche Herrschaft des Eigentümers an seiner Sache gegenüber einem nichtberechtigten Besitzer. Darin erschöpft sich der „wirtschaftliche Zweck" 2 des Eigentums jedoch keineswegs. Bei Verlust der Selbständigkeit der Sache oder ihrem Verbrauch endet zwar die Möglichkeit dinglicher Herrschaft über sie; aus dem Gedanken des Zuweisungsgehalts des Eigentums rechtfertigt sich in diesen Fällen die Eingriffskondiktion. Sie realisiert den über die Sachherrschaft hinausgehenden ökonomischen Zweck des Eigentums, welches seinem Inhaber die Nutzungen und den Gebrauch der Sache ebenso wie ihren Verbrauch exklusiv vorbehält. Aus dieser Sicht ist die Grundlage des Anspruchs aus Eingriffskondiktion das Eigentum selbst. Mit dem Rückbezug auf die das Eigentumsrecht exklusiv dem Inhaber zugeordneten, wirtschaftlich wertvollen Nutzungen überwindet Wilburg zugleich die Begrenzungen der alten Vermögensverschiebungslehre, die den Ubergang eines sachlich fixierten Vermögensgegenstandes, der vorher schon im Vermögen des Kondizienten vorhanden war, voraussetzte. Gerade das ist bei den Fällen der unbefugten Nutzung und des unzulässigen Gebrauchs von Sachen 1 2

Wilburg, Wilburg,

Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 27. a.a.O., 28.

486

Kapitel

IV: Rechte

an

Sachen

nicht der Fall; daraus ergeben sich erhebliche dogmatische Probleme für die Begründung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion auf der Grundlage der Vermögensverschiebungslehre 3 . D e r Gedanke von Wilburg ist später von v. Caemmerer ausgebaut, verfeinert und zum Teil auch modifiziert worden. Im Rahmen der Zuweisungsgehaltslehre, die - nach einer Zeit der dogmatischen Unsicherheit und unter Aufgabe der alten Vermögensverschiebungslehre - mittlerweile von der Rechtsprechung akzeptiert worden ist, war von Anfang an klar, daß das Eigentum als das Grundmodell des absoluten subjektiven Vermögensrechts bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt aufweist. Mit dieser Feststellung sind nun aber keineswegs alle Probleme in Bezug auf die Anwendung der Eingriffskondiktion im Bereich der unbefugten Inanspruchnahme von Sachen gelöst, die im Eigentum anderer Personen stehen. In der Rechtspraxis stellt sich immer wieder die Frage nach Inhalt und Grenzen des Zuweisungsgehalts und damit auch nach dem Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion bei Eigentumsverletzungen (wie auch bei der unbefugten Inanspruchnahme anderer absoluter subjektiver Rechte).

I. Der Zuweisungsgehalt

des Eigentums an Sachen

Der Zuweisungsgehalt ist ein Sammelbegriff, der es erlaubt, im Tatbestand der Eingriffskondiktion nach § 812 I 1, 2. Alt. B G B eine Aussage darüber zu treffen, daß bestimmte, im Vermögen des Kondiktionsschuldners befindliche Vermögensvorteile nicht ihm, sondern dem Kondizienten gebühren und daher an ihn herauszugeben sind, obwohl sie vorher als solche nicht in dessen Vermögen vorhanden gewesen sind. Das Konzept des Zuweisungsgehalts umfaßt dabei durch die Rechtsordnung im Rahmen absoluter subjektiver Rechte oder vergleichbarer Rechtsstellungen dem Berechtigten exklusiv zugeordnete Handlungs- und Vermögensberechtigungen, also ausschließliche Handlungs-, Nutzungs- und Verwendungsrechte. Wenn auch der Begriff des Zuweisungsgehalts im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Dogmatik als Teil des Tatbestands des § 812 B G B (Bereicherung in sonstiger Weise) entwickelt worden ist, ergibt sich für den Inhalt des Zuweisungsgehalts konkreter Rechtspositionen aus § 812 B G B selbst nichts. Welche Handlungs- und Vermögensberechtigungen der Inhaber eines Rechts am Rechtsobjekt besitzt, regelt das Gesetz vielmehr im Rahmen der Normierung der einzelnen Rechte und nicht im Bereicherungsrecht.

3

Batsch, § 3 V.

Vermögensverschiebung und Bereicherungsherausgabe, 31 ff. Siehe auch oben

5 17

Eigentum

487

1. Bürgerlich-rechtlicher und verfassungsrechtlicher Eigentumsbegriff Das Eigentum ist ein Rechtsbegriff, der in der Rechtsordnung an verschiedenen Stellen auftaucht, u. a. in Artikel 14 G G und § 903 B G B . Artikel 14 11 G G gewährleistet das Eigentum. Artikel 14 II G G macht deutlich, daß die Ausübung des Eigentumsrechts durch seinen Inhaber nicht schrankenlos ist: „Eigentum verpflichtet". Die Ausübung des Eigentums soll zugleich, d.h., neben der Privatnützigkeit, auch dem Gemeinwohl dienen. Artikel 14 G G und § 903 B G B haben ganz unterschiedliche Funktionen. Bei Art. 14 G G handelt es sich um die verfassungsrechtliche Garantie eines Grundrechtes. Dieses regelt in erster Linie die Stellung des Eigentümers gegenüber dem Staat: Es umgrenzt den Bereich, in dem der Eigentümer frei mit dem Objekt seines Rechts verfahren darf und nennt zugleich die Bedingungen, unter denen der Staat aus Gründen des allgemeinen Wohls in die Freiheitsverbürgung, die in der Eigentumsgarantie liegt, eingreifen darf. Die Bedeutung des Art. 14 I G G geht über seine Stellung als subjektives Freiheitsrecht im Verhältnis von Bürgern und Staat hinaus. Die Vorschrift garantiert das (Privat-) Eigentum als Rechtsinstitut - sie bildet eine Institutsgarantie. Diese Institutsgarantie stellt sicher, daß der Staat nicht durch eine entsprechende Ausgestaltung des einfachen Gesetzesrechts das Rechtsinstitut des Eigentums seines Inhalts beraubt. Das Eigentum i.S.v. Art. 14 G G garantiert seinem Inhaber einen „Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich" 4 . U m diese Funktion erfüllen zu können, geht der verfassungsrechtliche Begriff des Eigentums weit über das sachenrechtliche Eigentumskonzept hinaus. Während das Letztgenannte das umfassende Herrschaftsrecht an einer Sache bezeichnet, erfaßt der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff jede Vermögenswerte Rechtsposition, die durch Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis des Berechtigten über den Gegenstand charakterisiert ist 5 . Dazu gehören die beschränkten dinglichen Rechte, Immaterialgüterrechte, vertragliche Ansprüche, Ansprüche aus der öffentlich-rechtlichen Rentenversicherung. Sogar der Besitz an der Mietwohnung ist vom Bundesverfassungsgericht als Eigentum aufgefaßt worden 6 . Privatrechtlicher und verfassungsrechtlicher Eigentumsbegriff unterscheiden sich aber auch in anderer Hinsicht: nämlich bei der Rechtssubjektivität und den Schranken des Eigentums. Öffentlich-rechtliche Körperschaften, darunter Gemeinden, sind nicht Träger des Eigentumsgrundrechts des Art. 14 G G 7 ; BVerfG 18.12.1968, BVerfGE 24, 367 (389); BVerfG 1.3.1979, BVerfGE 50, 290 (339). BVerfG 1.3.1979, BVerfGE 50, 290 (339); Baur/Stürner, Sachenrecht, § 24 I 4; Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 139 ff. 6 BVerfG 26.5.1993, N J W 1993, 2035. 7 BVerfG 8.7.1982, BVerfGE 61, 82 (100ff.); Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 141; Dreier(-Wieland), Grundgesetzkommentar, Art. 14, Rz. 61. 4 5

488

Kapitel IV: Rechte an Sachen

demgegenüber können solche Körperschaften fraglos Inhaber von zivilrechtlichem Eigentum sein. Inhalt und Schranken des verfassungsrechtlichen Eigentums bestimmen sich nach Art. 14 II G G ; im Vordergrund stehen hier vor allem Eingriffe des Staates in geschützte Eigentumsstellungen zur Wahrung des öffentlichen Wohls. Die Schrankenziehung beim zivilrechtlichen Eigentum betrifft demgegenüber eher die Stellung zwischen privaten Eigentümern und zwischen Eigentümer und privaten Personen, die von ihrer Handlungsfreiheit Gebrauch machen.

2. Das zivilrechtliche Eigentum als Grundlage des Anspruchs aus Eingriffskondiktion D e r Anspruch aus Eingriffskondiktion nach § 812 I 1, 2. Alt. B G B zielt darauf ab, Vermögensvorteile, die jemand durch Eingriff rechtsgrundlos und im Widerspruch zum Zuweisungsgehalt des Rechts eines anderen erlangt hat, diesem zurückzuerstatten. Es geht also um die Zuordnung von Sachen an Privatpersonen und die Abgrenzung der zugeordneten Interessen von den rechtlich geschützten Belangen Dritter. Mithin betrifft die Frage des Zuweisungsgehalts des Eigentums an Sachen, die sich im Rahmen der Anwendung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion stellt, das zivilrechtliche Eigentum. Das zivilrechtliche Eigentum ist als das Recht zur umfassenden Sachherrschaft aufzufassen 8 , es bildet „das umfassendste Herrschaftsrecht, das die Rechtsordnung an einer Sache zuläßt" 9 . Dementsprechend formuliert § 903 B G B , daß der Eigentümer, „soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen" kann. Diese Formulierung faßt die Bemühungen der liberal-bürgerlichen Eigentumslehre zusammen, die sich seit der Aufklärung um die Verknüpfung der individuellen Freiheit mit dem Eigentum und um eine begriffliche Fassung des Eigentums bemüht hatte 10 . § 903 B G B liefert eine abstrakte Beschreibung der Befugnisse des Eigentümers. Diese Befugnisse lassen sich in einen positiven und einen negativen Aspekt differenzieren: Der Eigentümer darf nach seinem Belieben mit der Sache, die das Objekt des Eigentums bildet, verfahren. Andererseits kann er alle anderen, die nicht Eigentümer sind, von dem Genuß seines Eigentumsrechts ausschließen. Die Ausübung des Eigentumsrechts ist nicht unbeschränkt. Grenzen ergeben sich aus dem Gesetz oder den Rechten anderer. Einige gesetzliche Beschränkungen des Eigentums sind in §§ 905ff. B G B genannt.

Baur/Stiirner, Sachenrecht, § 24 I 1; Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 368. Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 51 II. 10 Siehe dazu Hattenhauer, Grundbegriffe des bürgerlichen Rechts, 121 ff.; zur Entwicklung des bürgerlich-rechtlichen Eigentumsbegriffs vergleiche Olzen, Zur geschichtlichen Entwicklung des zivilrechtlichen Eigentumsbegriffs, JuS 1984, 328 ff. 8 9

517

489

Eigentum

Das Gesetz verzichtet darauf, dem Eigentümer spezifische Arten der Sachnutzung zuzuordnen. Im rechtswissenschaftlichen Schrifttum wird der Grund dafür zum Teil darin gesehen, daß der Gesetzgeber den Eigentümer in seiner Freiheit, die Sache nach seinem Belieben zu nutzen, nicht gängeln dürfe 1 1 . Mehr Uberzeugungskraft gewinnt eine von der ökonomischen Analyse des Rechts angebotene Erklärung für den Verzicht des Gesetzgebers, dem Eigentümer spezifizierte, einzelne Nutzungen zuzuordnen. Die Funktion von Eigentumsrechten besteht darin, dem Rechtsinhaber die alleinige Kompetenz einzuräumen, über die Nutzung der Ressource zu entscheiden. E r muß seine eigenen Nutzenpräferenzen durchsetzen und fremde Nutzenpräferenzen abwehren können. Daraus ergibt sich das Erfordernis, daß Eigentumsrechte i.S. von Property Rights durch die Rechtsordnung abstrakt formuliert sein müssen. Dies bedeutet, daß die gesetzliche Formulierung solcher Rechte nicht bestimmte Verwendungsformen festschreiben darf, sondern grundsätzlich alle Verwendungsmöglichkeiten umfassen muß und zwar auch solche, an die zur Zeit der Verabschiedung des Gesetzes noch niemand gedacht hatte. N u r die Abstraktheit der gesetzlichen Fixierung des Eigentumsrechts stellt sicher, daß alle denkbaren Verwendungsmöglichkeiten dem Rechtsinhaber zugeordnet werden und so zum Gegenstand marktmäßiger Tauschprozesse gemacht werden können 1 2 . Demgemäß ordnet § 903 dem Rechtsinhaber eine umfassende Herrschaftsmacht über eine Sache zu, die etwa den Besitz, den Gebrauch, sonstige N u t zungen, den Verbrauch, die Veräußerung und das Uberlassen der Sache an Dritte umfaßt. Zugleich liegt in dem Eigentumsrecht nicht nur eine Zuordnung von Handlungsbefugnissen, sondern auch von Vermögensberechtigungen: Vermögensvorteile, die der Eigentümer im Rahmen von Nutzungen erlangt, welche ihm durch das Eigentumsrechts zugeordnet sind, darf er behalten. Im bereicherungsrechtlichen Sinn liegt darin der Zuweisungsgehalt des Eigentums.

3. Die Grenzen des Zuweisungsgehalts

des

Eigentums

Der Zuweisungsgehalt des Eigentums ist - darauf wurde oben bereits hingewiesen - in vielfacher Weise beschränkt. An dieser Stelle soll lediglich ein Überblick über die Grenzen der exklusiven Handlungs- und Vermögensberechtigung des Eigentümers gegeben werden. Der Zuweisungsgehalt des Eigentums an Sachen ist in zweifacher Weise begrenzt: nämlich in faktischer ebenso wie in rechtlicher Weise. Faktische Grenzen werden dem Zuweisungsgehalt des Eigentums durch die physischen Begrenzungen der Sachen, die das O b j e k t des jeweiligen Eigentumsrechts bilden, gesetzt. Der Zuweisungsgehalt ist auf die jeweilige Sache 11 12

Hattenhauer, Grundbegriffe des bürgerlichen Rechts, 125. Siehe dazu ausführlich Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 123, 129.

490

Kapitel IV: Rechte an Sachen

beschränkt. E i n Beispiel für solche physischen Begrenzungen des Eigentumsrechts bietet § 905 B G B . Danach erstreckt sich das Eigentumsrecht an G r u n d stücken auf den Luftraum über dem Grundstück und den Erdkörper unter der Grundstücksoberfläche. A u c h in diesen Bereichen steht also dem Eigentümer das exklusive R e c h t zur N u t z u n g sowie das R e c h t zum Ausschluß Dritter zu. Allerdings kann er die Einwirkung Dritter auf sein Grundstück nicht unterbinden, wenn diese so tief oder so hoch erfolgt, daß der Ausschluß der Dritten für den Eigentümer ohne Interesse ist. G e m ä ß § 906 I B G B kann der Eigentümer die Zuführung von Emissionen (durch Gas, Dämpfe, Rauch etc.) nicht verbieten, wenn dadurch die Benutzung seines Grundstücks nicht wesentlich beeinträchtigt wird. D e r Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion wird aber auch durch rechtliche Beschränkungen des Eigentumsrechts eingegrenzt. Zu den exklusiven Befugnissen des Eigentümers gehört es, über die Sache verfügen zu k ö n nen, d.h. vor allem, sie an einen Dritten veräußern zu dürfen. N a c h § 932 B G B kann jedoch ein (im H i n b l i c k auf die Verfügungsbefugnis des Veräußerers) gutgläubiger E r w e r b e r eine Sache zu Eigentum erwerben, o b w o h l sie nicht dem Veräußerer gehört. D e r E r w e r b e r darf die Sache behalten, weil § 932 B G B einen Rechtsgrund für seinen E r w e r b zur Verfügung stellt. D i e Rechtsordnung bewertet beim gutgläubigen E r w e r b v o m Nichtberechtigten das Interesse des Erwerbers und des Rechtsverkehrs an der Sicherheit des Erwerbes höher als das Interesse des Eigentümers an der Stabilität der Zuordnung der Sachen, die sich im Zuweisungsgehalt des Eigentums niederschlägt. Dies stellt den R e c h t s anwender gelegentlich vor das P r o b l e m zu entscheiden, ob eine bestimmte N u t z u n g dem Eigentümer (oder dem Rechtsinhaber bei anderen Rechten) zugewiesen ist oder nicht. Bei einer Vielzahl von N u t z u n g e n ist vollkommen klar, daß sie in den B e reich des Zuweisungsgehalts des Rechts, hier: des Eigentums, fallen. A b e r in den Randbereichen des Rechts kann die Entscheidung über den Eingriff in den Zuweisungsgehalt des Rechts zweifelhaft werden. D i e zweifelhaften Fälle zeigen sich vor allem in der Praxis der Rechtsprechung. Daher soll versucht werden, anhand der verfügbaren Judikatur Inhalt und G r e n z e n des Zuweisungsgehalts des Eigentums zu entwickeln. G r e n z e n des Zuweisungsgehalts zeigen sich auch dort, w o bestimmte Sachen aus Gründen des übergeordneten öffentlichen Interesses dem Rechtsverkehr entzogen sind: etwa Teile des lebenden oder toten menschlichen Körpers, oder Rauschgift. O b e n wurde bereits auf die Notwendigkeit hingewiesen, das privatrechtliche Eigentum in B G B lediglich abstrakt zu regeln und nicht einzelne N u t z u n g s befugnisse des Eigentümers an der Sache detailliert festzulegen. D i e aus den o. a. Gründen notwendige Abstraktheit der legislativen Ausformulierung des Eigentumsrechts - und dies gilt für alle anderen absoluten subjektiven R e c h t e gleichermaßen - führt dazu, daß das Gesetz keine konkreten Nutzungsarten als dem Rechtsinhaber vorbehalten festschreibt.

§17

Eigentum

491

II. Überblick über die Entstehung der Bereicherungshaftung für Eingriffe in das Eigentum in den Vorarbeiten zum BGB In einem berühmt gewordenen Streit zwischen v. Jhering und Windscheid ging es um die Frage, wie weit ein gutgläubiger Besitzer einer fremden Sache gegenüber dem (ehemaligen) Eigentümer einer Haftung aus ungerechtfertigter Bereicherung ausgesetzt sein soll, wenn der Vindikationsanspruch des Eigentümers nicht mehr besteht. Nach dem gemeinen Recht war der bösgläubige Besitzer neben der Eigentumsklage und der Deliktshaftung auch einem Bereicherungsanspruch aus der condictio ex iniusta causa bzw. der condictio furtiva ausgesetzt13. Demgegenüber war ein gutgläubiger Besitzer im gemeinen Recht weitgehend von der Bereicherungshaftung entlastet. Er sah sich bei Verbrauch, Verarbeitung und Veräußerung nur dann einem Anspruch aus condictio sine causa ausgesetzt, wenn er den Besitz unentgeltlich erworben hatte14 oder dieser „untituliert" (d.h.: ohne Vertrag als Besitztitel) war15. War der gutgläubige Besitzer jedoch auf Grund eines Vertrages in den Besitz der Sache gekommen, so war er zwar der Vindikation ausgesetzt, sollte aber frei werden, wenn er den Besitz durch Verarbeitung, Verbrauch oder Veräußerung verloren hatte16. War die Sache beim Besitzer jedoch noch vorhanden, so bestand regelmäßig ein Anspruch aus Vindikation, da der gutgläubige Eigentumserwerb im gemeinen Recht nicht durchgängig anerkannt war. Zwar erkennt v. Jhering an, daß der gutgläubige Besitzer mit Nutzung, Gebrauch, Verbrauch und Veräußerung Handlungen vornimmt, die dem Eigentümer vorbehalten seien. Dennoch lehnt er einen vollständigen Eigentumsschutz ab, in dessen Konsequenz die Bereicherungshaftung auch des gutgläubigen Besitzers gelegen hätte. Zur Begründung seiner Auffassung verweist er auf Gesichtspunkte der Praktikabilität, der Rechtssicherheit und des Verkehrsschutzes. Die gegenteilige Auffassung wurde von Windscheid in seiner bekannt gewordenen Leipziger Dekanatsrede vertreten: Den disparaten Stellen des gemeinen Rechts müsse das Prinzip entnommen werden, daß dem Eigentümer bei Eingriff in sein Recht gegen den gutgläubigen Besitzer stets der Bereicherungsanspruch zustehe17. Die condictio sine causa greife unabhängig davon Platz, ob der Besitzer mit oder ohne Rechtsgrund besessen habe. Diese Auffassung entspricht der ausschließlichen Zuweisung von Nutzungs-, Gebrauchs-, Verbrauchs- und Veräußerungsbefugnissen bzgl. einer Sache an den Eigentümer. Der Vorentwurf des Redaktors Johow zum Sachenrecht für die 1. Kommission ordnete das Rechtsverhältnis des Eigentümers zum nichtberechtigten BeKönig, Ungerechtfertigte Bereicherung, 157. v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts V, Beylage XIV, 523. 15 v. Jhering, Abhandlungen aus dem römischen Recht, 78-86. 16 v. Jhering, a. a. O., 78-86; siehe auch König, Ungerechtfertigte Bereicherung, 157 f. 17 Windscheid, Zwei Fragen aus der Lehre von der Verpflichtung wegen ungerechtfertigter Bereicherung, 25 ff. 13

14

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Kapitel IV: Rechte an Sachen

sitzer - unter dem Aspekt des Fehlens einer Vorschrift zum gutgläubigen Erwerb - dogmatisch konsequent dem Sachenrecht zu 18 . Danach konnte der Eigentümer die Herausgabe einer Sache vom gutgläubigen Besitzer im Wege der Vindikationsklage geltend machen. Die Vindikation lief indes ins Leere, wenn die Sache durch Verbrauch, Verarbeitung, wirksame Veräußerung (z.B. durch Ersitzung) beim Besitzer nicht mehr vorhanden war. In diesem Fall wurde die Vindikation durch einen Anspruch auf Herausgabe des erlangten Vorteils gegen den Besitzer ersetzt, der die Sache ohne Erwerbsgrund besaß. Die 1. Kommission hingegen traf im Rahmen des Sachenrechts eine grundlegende Entscheidung, die die rechtliche Struktur des Verhältnisses zwischen Eigentümer und Besitzer erheblich veränderte und damit auch zu einer Modifikation der dogmatischen Fassung und Zuordnung der Ansprüche führte. Die Kommission führte nämlich den Erwerb von Nichtberechtigten durch einen hinsichtlich der Eigentümerstellung des Veräußerers gutgläubigen Erwerber ein 19 . Insoweit war klar, daß nunmehr der gutgläubige Erwerber nicht nur - wie im gemeinen Recht - Besitzer, sondern Eigentümer wurde. Damit entfiel aber ein wesentlicher Teil des Anwendungsbereichs des zuvor erwähnten Vorteilsherausgabeanspruchs des Eigentümers gegen den (gutgläubigen „titulierten") Besitzer. Den Schutz des Rechtsverkehrs, mit dem die Beschränkung der Bereicherungshaftung des gutgläubigen Besitzers bisher begründet worden war, gewährleisteten jetzt die Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten 2 0 . Die 1. Kommission konnte sich nicht dazu entschließen, eine einheitliche Vorschrift über die Bereicherungshaftung des gutgläubigen Besitzers, wie sie von Johow konzipiert worden war, in ihren Gesetzesvorschlag aufzunehmen. Im 1. Entwurf war die condictio sine causa in § 748 geregelt. Die Vorschrift enthielt einen Passus, wonach es im Zweifel als rechtlicher Grund anzusehen sei, wenn ein Rechtsverlust auf einer gesetzlichen Vorschrift beruht. U m klarzustellen, daß Rechtsänderungen, die auf Verarbeitung, Verbindung und Vermischung zurückgehen, nicht mit Rechtsgrund erfolgen, sah sich die Kommission zu einer entsprechenden Klarstellung in § 897 (§ 951 B G B ) veranlaßt 21 . 18 Johow, Vorentwurf zum Sachenrecht, abgedruckt in: Schubert (Hrsg.), Die Vorlagen der Redaktoren zum B G B , Sachenrecht, Teil 1, §§ 195, 196; siehe auch die Begründung S. 950ff. 19 Siehe dazu König, Ungerechtfertigte Bereicherung, 159. 2 0 Siehe dazu König, a.a.O., 159. 21 Mugdan III, Motive, 201. Dort heißt es: „Der § 897 bestimmt die Ausgleichung des Rechtsverlustes, welchen ein Betheiligter nach den §§ 890-896 erleidet. Die Regel des § 748 Abs. 2 nach welcher ein Rechtsverlust, wenn eine Rechtsnorm denselben bestimmt, im Zweifel als auf einem rechtlichen Grunde beruhend anzusehen ist, paßt im vorliegenden Falle nicht, denn die Rechtsänderung wird nicht um deswillen bestimmt, weil ein rechtlicher Grund für den Erwerb auf der einen und für den Verlust auf der anderen Seite vorliegt, sondern weil an dem einheitlichen Ganzen oder der einheitlichen neuen Sache auch nur ein einheitliches Recht zugelassen werden kann. Es ist deshalb erforderlich, vorzuschreiben, daß die Bereicherung, welche in Folge der kraft Gesetzes eingetretenen Rechtsänderung eintritt, als nicht auf einem rechtlichen Grunde beruhend zu gelten hat".

§17

Eigentum

493

Zu einer weiteren Zersplitterung des bereicherungsrechtlichen Schutzes des Eigentums kam es dadurch, daß der Anspruch gegen den Nichtberechtigten bei unbefugter Veräußerung einer Sache aus dem allgemeinen Tatbestand des § 748 herausgelöst und in §§ 83922, 88023 des 1. Entwurfs gesondert geregelt wurde. Die 1. Kommission befürchtete, daß die Anwendung der Kondiktion in diesen Fällen angezweifelt werden könnte, weil der Nichtberechtigte als Bereicherungsschuldner nichts unmittelbar aus dem Vermögen des Kondizienten erlangt, sondern den Kaufpreis vom gutgläubigen Erwerber bekommen habe 24 . Bei der Frage des Verbrauchs fremder Sachen schließlich verzichtete die Kommission auf eine gesonderte Regelung, weil dieser Fall von der condictio sine causa des § 748 erfaßt sei25. Diese Entwicklung führte schließlich dazu, daß die bereicherungsrechtliche Haftung des (gutgläubigen) Besitzers auf die §§951, 816 I 1, 812 I 1 BGB aufgeteilt wurde. Diese Zersplitterung erleichtert die Rechtsanwendung nicht. Weitere Probleme ergeben sich durch unterschiedliche Anspruchs gegenstände (Wert der Sache nach § 818 II BGB, das durch die Verfügung Erlangte gemäß § 816 I 1 BGB).

III. Kondiktionsbegründende

Eingriffe in das Eigentum

1. Eingriff in das Eigentum durch Wegnahme der Sache a) Besitzbefugnis des Eigentümers Wie oben bereits dargelegt, liegt im Eigentum die umfassendste Herrschaftsbefugnis über eine Sache, die die Rechtsordnung kennt. Nach § 903 BGB kann der Eigentümer unter Ausschluß aller Dritten nach seinem Belieben mit der Sache verfahren, soweit nicht Rechte anderer entgegenstehen. Zu den daraus folgenden Befugnissen gehört auch das Recht des Eigentümers, die Sache zu besitzen. Nach § 854 BGB wird der (unmittelbare) Besitz durch die Erlangung der unmittelbaren Gewalt über die Sache erworben. Die unbefugte Wegnahme einer Sache, die der Eigentümer in unmittelbarem Besitz hat, stellt einen Eingriff in sein Eigentumsrecht dar. Nach der (unbefugten) Wegnahme ist der Eigentümer nicht mehr in der Lage, nach seinem Belieben mit der Sache zu verfahren.

b) Anspruchsziel Das Anspruchsziel bei dem Eingriff in das Eigentumsrecht durch Wegnahme der Sache ist auf die Herausgabe der Sache durch den Besitzer gerichtet. Die 22 23 24 25

Zu § 839 des 1. Entwurfs Mugdan III, Motive, 124. Mugdan III, Motive, 194. Mugdan II, Motive, 476. Mugdan II, Motive, 475.

494

Kapitel IV: Rechte an Sachen

Herausgabe der Sache stellt den Besitz des Eigentümers wieder her. D e r Widerspruch zum Zuweisungsgehalt des Eigentums, der in der Besitzentziehung beim Eigentümer liegt, wird nach § 812 I 1, 2. Alt. B G B beseitigt, indem der Bereicherungsschuldner die Sache - als das rechtsgrundlos Erlangte - an den Eigentümer zurückgibt und damit dessen Besitz wieder herstellt. D e r Anspruchsinhalt der Eingriffskondiktion richtet sich auf die Herausgabe der erlangten Sache.

c) Konkurrierende

Ansprüche

In der höchstrichterlichen Entscheidungspraxis spielt die Eingriffskondiktion bei der Wegnahme von Sachen keine bedeutsame Rolle. Der Grund dafür ist in dem Umstand zu sehen, daß die Herausgabe der weggenommenen Sachen nicht nur durch den Anspruch aus Eingriffskondiktion nach § 812 I 1, 2. Alt. B G B , sondern auch mittels anderer Anspruchsgrundlagen erreicht werden kann. Die Wegnahme (oder Vorenthaltung) einer Sache begründet zwischen Eigentümer und Besitzer eine Vindikationslage bei § 985 B G B . D e r nichtberechtigte Besitzer ist dem Eigentümer zur Herausgabe der Sache verpflichtet. In der Wegnahme einer Sache durch einen Nichtberechtigten liegt in der Regel eine schuldhafte und rechtswidrige Verletzung des Eigentums gemäß § 823 I B G B , die für den Eigentümer eine Schädigung darstellt. Der Eigentümer kann dann gemäß § 249 B G B die Herausgabe der Sache verlangen. Soweit die Wegnahme eine verbotene Eigenmacht nach § 858 II B G B darstellt (der Eigentümer ist Besitzer, dem der Besitz ohne seinen Willen entzogen wird) so kann der Eigentümer/Besitzer nach § 861 B G B die Wiedereinräumung des Besitzes von demjenigen verlangen, der ihm gegenüber fehlerhaft besitzt. Die Erlangung des Besitzes durch verbotene Eigenmacht führt zur Fehlerhaftigkeit des Besitzes, § 858 II B G B . Alle diese Ansprüche sorgen dafür, daß der Eigentümer den ihm entgegen dem Zuweisungsgehalt des Eigentums und ohne Rechtsgrund entzogenen Besitz von unbefugt Besitzenden zurückverlangt. Es ist heute allgemein anerkannt, daß zwischen Eingriffskondiktion und den Herausgabeansprüchen nach § 985 B G B Anspruchskonkurrenz besteht. Beide Ansprüche können nebeneinander geltend gemacht werden 2 6 .

2 6 Siehe dazu Köhl, Das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis im Anspruchssystem des B G B , 280 ff.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 691. Hinsichtlich des Verhältnisses von Vindikation und Leistungskondiktion wegen unterschiedlicher Wertungen (z.B. §§ 814, 817 S. 2 B G B bei der Leistungskondiktion) sieht die Lage anders aus, vergleiche zum Meinungsstand Reuter/Martinek, a.a.O., 668 f.

§17

2. Rechtsgeschäftliche

Eigentum

495

Veräußerung fremder Sachen: $ 8161 BGB

a) Zuweisungsgehalt und

Verfügungsbefugnis

Zum Kerngehalt der Berechtigung des Eigentümers gehört die Befugnis, über die ihm gehörende Sache rechtsgeschäftlich verfügen zu können. Die Verfügungsmacht über die Sache ist Teil der Handlungs- und Verfügungsbefugnis. D e m Eigentümer steht das Recht zu, die Sache an ein anderes Rechtssubjekt zu veräußern. Aus dem Eigentum folgt, daß er dies ohne Zustimmung einer anderen Person tun darf. Ebenso rechtfertigt das Eigentum in wirtschaftlicher Hinsicht, daß der Veräußerer das mit dem Erwerber vereinbarte und von ihm gezahlte Entgelt behalten darf. Im Rechtssinne bildet zwar der zugrundeliegende Kaufvertrag den Rechtsgrund für das Behaltendürfen des Geldes durch den Veräußerer, ebenso wie für das Behaltendürfen der Sache durch den Erwerber. Ökonomisch bietet das Entgelt hingegen für den Veräußerer einen Ersatz dafür, daß er in Zukunft auf die weitere Nutzung der Sache verzichtet 2 7 . Das B G B sieht mit § 816 I eine besondere N o r m für den Bereicherungsausgleich in den Fällen der wirksamen Verfügung durch einen Nichtberechtigten vor. Bereits oben wurde auf den Grund hingewiesen, aus dem sich der Gesetzgeber veranlaßt gesehen hatte, den Bereicherungsausgleich wegen wirksamer Verfügung eines Nichtberechtigten nicht der allgemeinen Vorschrift des § 812 I B G B zu unterwerfen, sondern dafür eine besondere Vorschrift einzuführen. Vor dem Hintergrund der alten Vermögensverschiebungstheorie wurde befürchtet, daß eine Anwendung des Bereicherungsanspruchs gegen den Nichtberechtigten daran scheitern könnte, daß der Vermögensvorteil beim Nichtberechtigten (= Kaufpreis gezahlt vom gutgläubigen Erwerber) nicht unmittelbar vom K o n dizienten erlangt war, sondern vom Erwerber. § 816 I 1 B G B sollte insoweit Klarheit schaffen 28 . Zugleich mit der Gewährung des Bereicherungsanspruchs gegen den Nichtberechtigten auf Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten, stellt § 816 1 1 B G B auch klar, daß der gutgläubige Erwerber nicht nur das Eigentum nach §§ 9 3 2 , 8 9 2 B G B erwirbt, sondern daß der Erwerb auch schuldrechtlich durch einen Bereicherungsanspruch des Alt-Eigentümers gegen den Erwerber nicht mehr rückgängig gemacht werden soll. Die Regeln über den gutgläubigen Erwerb nach §§ 932ff., 892 B G B stellen gegenüber dem das Eigentum verlierenden Berechtigten einen Rechtsgrund für den Erwerb des neuen Eigentümers dar 29 .

Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 114. Mugdan II, Motive, 476. Der entsprechende Anspruch war zunächst im Sachenrecht (§§ 195, 196 des Vorentwurfs von Johow) geregelt und wurde erst im Laufe der Gesetzesberatungen in das Bereicherungsrecht eingefügt. 29 Lorenz I Canarh, SchR II/2, § 67 III 2a); Loewenheim, Bereicherungsrecht, 81. 27

28

496

Kapitel IV: Rechte an Sachen

b) Der Begriff der Verfügung § 816 I B G B bezieht sich auf rechtsgeschäftliche Verfügungen. Solche Verfügungen werden im R a h m e n des § 816 I B G B - wie auch im übrigen bürgerlichen Recht - als Rechtsgeschäfte aufgefaßt, die durch Übertragung, Änderung, Belastung und Aufhebung unmittelbar auf ein bestehendes R e c h t einwirken 3 0 . Das Verfügungsgeschäft unterscheidet sich damit grundlegend von schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäften, die lediglich Rechte und Pflichten zwischen Personen erzeugen bzw. modifizieren oder beenden, nicht aber unmittelbar auf bereits bestehende R e c h t e einwirken. N i c h t berechtigt ist der Verfügende, der nicht Inhaber des Rechts ist, welches den Gegenstand der Verfügung bildet. Das Hauptbeispiel ist derjenige, der Eigentum an einer Sache überträgt, ohne Eigentümer zu sein. A b e r auch der Eigentümer selbst kann unter bestimmten Umständen nichtberechtigt sein: so etwa, wenn durch die Verfügung des Eigentümers dem (insoweit gutgläubigen) E r w e r b e r eines Grundstücks ein lastenfreier E r w e r b ermöglicht wird, o b w o h l eine im G r u n d b u c h irrtümlich gelöschte H y p o t h e k auf dem Grundstück lag 31 . D e r Wortlaut des § 816 I B G B schließt Fälle von der Anwendbarkeit der Vorschrift aus, bei denen die Bereicherung des Schuldners nicht auf einer Verfügung beruht. Bei Vermietung und Verpachtung fremder Sachen liegt zwar ein Eingriff in das Eigentum des Berechtigten, aber keine Verfügung vor. Eine beachtliche Auffassung in der Literatur befürwortet hier eine analoge A n w e n dung des § 816 I B G B 3 2 . Andere schlagen demgegenüber vor, auf die Fälle der unbefugten Vermietung oder Verpachtung, u m die es hier in erster Linie geht, die allgemeine Eingriffskondiktion gemäß § 812 I 1, 2. Alt. B G B anzuwenden 3 3 . D i e Rechtsprechung hingegen hat - soweit ersichtlich - eine analoge Anwendung des § 8 1 6 1 1 B G B auf Verpflichtungsgeschäfte abgelehnt 3 4 . Insbesondere hat der B G H in einer neueren Entscheidung die entsprechende A n wendung von § 816 I 1 B G B auf die unbefugte Untervermietung mit der B e gründung abgelehnt, daß der Untermietzins, u m dessen Herausgabe es ging, vom Eigentümer und Vermieter nicht an Stelle des Mieters hätte erzielt werden können; denn der Vermieter sei zur Überlassung an den Untermieter wegen des bereits eingegangenen Mietvertrages nicht in der Lage gewesen 3 5 . 30 Siehe z.B. RG 7.7.1917, RGZ 90, 395 (399); RG 22.12.1927, RGZ 119, 332 (337); Staudinger(-Lorenz), § 816, Rz. 4; MüKo(-Lieb), § 816, Rz. 13; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 293; KGKK(-Heimann-Trosien), § 816, Rz. 4. 31 Siehe dazu BGH 2.10.1981, BGHZ 81, 395; RG 7.7.1917, RGZ 90, 395 (399); Reuter/ Martinek, a.a.O., 292f.; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 93; Staudinger(-Lorenz), § 816, Rz. 4. 32 Siehe z. B. v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS für Rabel I, 358; Esser/Weyers, SchR II BT, § 50 II a; Koppensteiner/Kramer, a.a.O., 95f.; Soergel(-Mühl), §816, Rz. 19. 33 MüKo(-L1eb), § 816, Rz. 16; Palandt(-Thomas), § 816, Rz. 7 und § 812, Rz. 34; Larenz/ Canaris, SchR II/2, § 69 II ld). 34 Siehe z.B. BGH 3.3.1954, BGHZ 13, 1; RG 22.12.1922, RGZ 106, 109. 35 BGH 13.12.1995, NJW 1996, 838 (840).

§17

Eigentum

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Medicus, der eine analoge Anwendung von § 816 I 1 B G B auf Verpflichtungsgeschäfte ablehnt, sieht eine in der Regel angemessene Lösung durch die Vorschriften des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses 3 6 gewährleistet: Bei unbefugter Vermietung oder Verpachtung einer Sache bestehe zwischen dem Eigentümer und dem Mieter/Pächter eine Vindikationslage, weil der M i e t - / P a c h t vertrag gegenüber dem Eigentümer kein R e c h t auf Besitz gemäß § 986 I B G B begründe. Ist der Mieter/Pächter hinsichtlich des Besitzerwerbs redlich, so sei er nach § 993 I, 2. Halbsatz B G B nicht zur Herausgabe von N u t z u n g e n verpflichtet. D e r Ausschluß des Anspruchs auf Nutzungsherausgabe entspreche auch § 541 B G B . Nur, wenn dem Mieter der Besitz entzogen werde, entfalle die Pflicht zur Zahlung des Mietzinses, §§ 541, 537 I B G B . Solange der Mieter noch (unberechtigter) Besitzer ist, hat er den vereinbarten Mietzins an den Vermieter zu entrichten. Ist der Mieter hingegen hinsichtlich seiner Besitzbefugnis unredlich, so ist er gemäß §§ 990 I, 987 B G B dem Eigentümer zur Herausgabe der N u t z u n g e n verpflichtet. Zu R e c h t weist Medicus daraufhin, daß auf diese Fallkonstellation die analoge Anwendung des § 816 I 1 B G B auf keinen Fall paßt: D e r Unredliche erwirbt ja kein Eigentum nach § 932 B G B , so daß hier die Vorschrift des § 8 1 6 1 1 B G B schon wegen des Fehlens einer wirksamen Verfügung durch den Nichtberechtigten unanwendbar ist 3 7 . D i e Lösung der Frage der Nutzungsherausgabe bei unbefugter Gebrauchsüberlassung über die Regeln des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses k o m m t freilich nur dort in Betracht, w o der Sachnutzer Besitzer geworden und so eine Vindikationslage nach § 985 B G B entstanden ist. F ü r die (wohl eher seltenen Fälle), in denen der N u t z e r der Sachen nicht zugleich Besitz an ihnen erlangt, befürwortet Medicus die analoge Anwendung von § 816 I 1 B G B , etwa bei Rechtspacht 3 8 . Dies erscheint nicht überzeugend. D i e Analogie erfordert das Vorliegen einer Regelungslücke. A n einer solchen L ü c k e aber fehlt es hier. D e r Eigentümer kann gegen den (nichtbesitzenden) N u t z e r seiner Sache oder seines Rechts im Wege der allgemeinen Eingriffskondiktion nach § 812 1 1 , 2 . Alt. B G B die Herausgabe der N u t z u n g e n geltend machen. Dieser Anspruch wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß zwischen dem N u t z e r und einem Dritten ein Leistungsverhältnis bestand. D e r Vorrang der Leistungskondiktion vor der Eingriffskondiktion besteht nur insoweit, als sich beide Kondiktionsarten auf denselben Gegenstand beziehen. D i e Nutzungen hat der Nichtberechtigte in den hier in Frage stehenden Fällen nicht geleistet; sie hat der N u t z e r selbst gezogen. Geleistet worden ist v o m Nichtberechtigten der Zugang zur Sache bzw. zum R e c h t für den Nutzer. D i e Frage der analogen Anwendung von § 816 I 1 B G B auf die Fälle der unbefugten Gebrauchsüberlassung von Sachen und Rechten erhält ihre B r i 36 37 38

Medicus, BR, Rz. 716. Medicus, BR, Rz. 716. Medicus, BR, Rz. 717.

498

Kapitel IV: Rechte an Sachen

sanz aus den unterschiedlichen Rechtsfolgen der allgemeinen Eingriffskondiktion nach § 812 I 1, 2. Alt. i.V.m. § 818 II B G B und der besonderen Eingriffskondiktion des § 8 1 6 1 1 B G B . Nach h . M . beschränkt sich der durch § 818 II B G B angeordnete Wertersatz bei Unmöglichkeit der Herausgabe des Erlangten auf den objektiven Wert des Gegenstandes. Bei einer Nutzung von Sachen oder Rechten erzielte Gewinne des Bereicherungsschuldners werden von § 818 II B G B nicht erfaßt 3 9 . Nach § 816 I B G B hat der Nichtberechtigte das auf Grund der Verfügung Erlangte herauszugeben. Nach allerdings nicht unbestrittener Auffassung ist darunter der erzielte Erlös des Nichtberechtigten einschließlich eines möglicherweise darin enthaltenen Gewinnanteils zu verstehen. Folgt man dieser Auffassung, so würde der Kondizient bei analoger Anwendung des § 816 I 1 B G B mehr bekommen (nämlich einen möglichen Gewinn des Nichtberechtigten) als bei Heranziehung der allgemeinen Eingriffskondiktion. Auf eine solche Erwägung läßt sich jedoch die analoge Anwendung des § 816 I 1 B G B bei Gebrauchsüberlassungen durch einen Nichtberechtigten nicht stützen. Entscheidend muß sein, ob die Voraussetzungen der Analogie, also eine Lücke im Gesetz und Rechtsähnlichkeit mit der herangezogenen gesetzlichen Regelung vorliegen. Dies ist hier nicht der Fall. Daher ist eine analoge Anwendung von § 8 1 6 1 1 B G B auf die vertragliche Gebrauchsüberlassung durch Nichtberechtigte insgesamt abzulehnen. Die Vorschrift ist auf die Verfügung von Nichtberechtigten zu beschränken.

c) Die Wirksamkeit der

Verfügung

§ 8 1 6 1 1 B G B fordert, daß die Verfügung des Nichtberechtigten wirksam ist. D e r Modellfall einer wirksamen Verfügung durch einen Nichtberechtigten ist der redliche Erwerb aufgrund der Gutglaubensvorschriften der §§ 932 ff., 892 B G B . Scheitert jedoch der gutgläubige Erwerb - etwa aufgrund von § 935 B G B , weil die veräußerte Sache abhanden gekommen ist - , so fragt es sich, ob die Wirksamkeit einer Verfügung durch die nachträgliche Genehmigung der Veräußerung der Sache des Nichtberechtigten an einen Dritten durch den Berechtigten hergestellt werden kann. D e r Berechtigte kann ein Interesse an der Kondiktion des Erlöses aus der Veräußerung beim Nichtberechtigten haben, weil etwa die Sache beim Dritten abhanden gekommen ist, der Dritte nicht ermittelbar ist oder über sein Vermögen der Konkurs eröffnet wurde 4 0 . Hier 3 9 Siehe etwa v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel I, 356; Soergel(-Mühl), § 818, Rz. 33; MüKo(-Lieb), § 818, Rz. 34; Staudinger(-Lorenz), § 818, Rz. 27; König, Ungerechtfertigte Bereicherung, 179; R G 3.5.1935, R G Z 147, 396; B G H 27.5.1952, B G H Z 5, 201; B G H 18.4.1956, B G H Z 20, 270; B G H 11.4.1957, B G H Z 24, 106 (110); B G H 11.10.1979, B G H Z 75, 203; B G H 24.11.1981, B G H Z 82, 299 (Kunststoffhohlprofil II). 4 0 Siehe als Beispielsfall B G H 6.5.1971, B G H Z 56, 131, in dem einem Unternehmer Leder gestohlen wurde; ein Teil des Leders wurde von einem gutgläubigen Ledergroßhändler gekauft. Er veräußerte die Ware wiederum an ein lederverarbeitendes Unternehmen, welches das Leder schließlich zu Handtaschen weiterverarbeitete. Nach Durchführung der Transaktion wurde über das Vermögen des Käufers der Konkurs eröffnet.

§17

Eigentum

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kann der Berechtigte die zunächst unwirksame Verfügung gemäß §§ 185 II, 184 I B G B genehmigen. Diese Möglichkeit der Genehmigung stieß im älteren Schrifttum zunächst auf Bedenken 4 1 , hat sich aber heute in Rechtsprechung und Literatur zu Recht durchgesetzt 4 2 . Sie ist interessengerecht, da sie die rechtlichen Möglichkeiten des Berechtigten im Rahmen des § 816 I 1 B G B erweitert, der seine Sachen ohne seinen Willen verloren hat. Die Rechtsprechung nimmt eine Genehmigung bereits dann an, wenn der Berechtigte den Nichtberechtigten auf Herausgabe des Erlöses nach § 816 I 1 B G B klageweise in Anspruch nimmt 4 3 . Durch die Genehmigung verliert der Berechtigte seinen Herausgabeanspruch aus § 985 B G B gegenüber dem Erwerber. Während des Prozesses trägt er daher das Risiko, daß er seinen Anspruch auf Herausgabe des Verkaufserlöses gegenüber dem Nichtberechtigten nicht durchsetzen kann. U m den Berechtigten nicht diesem Risiko auszusetzen plädiert die wohl überwiegende Meinung im Schrifttum dafür, die Verurteilung des Nichtberechtigten zur Herausgabe des Erlöses nur Zug um Zug gegen die Genehmigung zuzulassen 44 . Die Rechtsprechung hat die Zulässigkeit der Genehmigung auch auf die Fälle ausgedehnt, in denen der Erwerber die erlangten Sachen bereits verarbeitet hat und deshalb nach § 950 B G B Eigentümer geworden ist 45 . Das Problem liegt hier darin, daß § 184 I B G B voraussetzt, daß der Berechtigte zum Zeitpunkt der Genehmigung noch verfügungsbefugt ist. Hat aber der Besitzer durch die Verarbeitung Eigentum erworben, verliert der vorherige Berechtigte seine Verfügungsbefugnis. D e r B G H läßt die Genehmigung der Verfügung des Nichtberechtigten jedoch daran nicht scheitern. Dieses Ergebnis wird durch eine Interessenwertung gerechtfertigt. § 816 I 1 B G B hat die Funktion, dem Berechtigten im Falle des Verlustes seiner Sache dadurch zu helfen, daß ihm der Anspruch auf den Erlös aus der Verfügung des Nichtberechtigten gewährt wird. In den Fällen, in denen das Eigentum beim Erwerber noch nicht verloren gegangen ist, haben Rechtsprechung und Literatur diesen Schutzzweck von § 816 1 1 B G B durch die Möglichkeit der Genehmigung gefördert. Dabei ist es für die Genehmigungsfähigkeit ohne Belang, ob die Sache beim Erwerber untergegangen, abhandengekommen oder sonst verloren gegangen ist. Wenn aber der Verlust der faktischen Verfügungsbefugnis nicht zum Ausschluß der Genehmigungsfähigkeit einer Verfügung führt, so ist nicht einzuseHeck, Schuldrecht, 426; Siber, Schuldrecht, 435. R G 12.3.1923, R G Z 106, 44 (45); R G 28.10.1926, R G Z 115, 31 (34); B G H 6.5.1971, B G H Z 56, 131; B G H 8.1.1959, B G H Z 29, 157; Staudmger(-Lorenz), § 816, Rz. 9; Loewenheim, Bereicherungsrecht, 84f.; Medicus, BR, Rz. 720ff.; Larenz(-Canaris), SchR II/2, § 69 II lc). 43 R G 12.3.1923, R G Z 106,44 (45); R G 28.10.1926, R G Z 115,31 (34); B G H 25.1.1955, LM § 816 Nr. 6. 44 Soergel(-Mübl), § 816, Rz. 8; MüKo(-Lieb), § 816, Rz. 25; Erman(-Westermann), § 816, Rz. 9; Palandt(-Thomas), § 816, Rz. 9; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 304 ff.; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 94. 45 B G H 6.5.1971, B G H Z 56, 133 ff. 41

42

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Kapitel IV: Rechte an Sachen

hen, daß der Verlust der rechtlichen Verfügungsbefugnis dem ehemaligen Berechtigten bei ansonsten identischer Interessenlage zwischen den Beteiligten die Möglichkeit zur Genehmigung der Verfügung nehmen soll.

d) Die Rechtsfolge des § 81611

BGB

Der Nichtberechtigte ist dem Berechtigten zur Herausgabe des „aus der Verfügung Erlangten" verpflichtet. Uber den Inhalt des Herausgabeanspruchs bestehen weitgehende Meinungsunterschiede, soweit der Nichtberechtigte die Sache für einen Preis veräußert hat, der über ihrem Verkehrswert liegt. Einigkeit herrscht hingegen darüber, daß sich der Herausgabeanspruch auf den tatsächlich durch den Nichtberechtigten erzielten Erlös beschränkt, wenn dieser niedriger als der Verkehrswert der Sache liegt, oder diesem entspricht 46 . Jedenfalls der gutgläubige Nichtberechtigte soll nicht gezwungen sein, auf sein eigenes Vermögen zurückzugreifen, um die Differenz zwischen erzieltem Erlös und Verkehrswert zugunsten des Berechtigten auszugleichen. Ein solches Ergebnis würde dem Grundsatz des bereicherungsrechtlichen Schädigungsverbots zuwiderlaufen. Anders sieht das Meinungsspektrum aus, wenn der Nichtberechtigte die Sache mit Gewinn veräußert hat. Die Rechtsprechung und der überwiegende Teil des Schrifttums sehen in dem durch die Verfügung Erlangten den Kaufpreis, einschließlich des Gewinns, den der nichtberechtigte Veräußerer vom Erwerber bekommen hat47. Erhebliche Einschränkungen werden aber gemacht, wenn der Gewinn auf einer persönlichen Leistung des Nichtberechtigten beruht und sich nicht auf die Sache selbst zurückführen läßt 48 . Begrenzungen bei der Gewinnhaftung werden auch vorgeschlagen, soweit der Veräußerer an der Sache Wertsteigerungen vorgenommen und deshalb einen höheren Erlös erzielt hat als dies mit der ursprünglichen Sache des Berechtigten möglich gewesen wäre. Die Sonderstellung der Gewinnhaftung des § 816 I 1 BGB im Verhältnis zur allgemeinen Bereicherungshaftung nach §§ 812, 818 I, II BGB, die sich auf den Wert des Erlangten beschränkt, liegt auf der Hand. Begründet wird die Gewinnhaftung im Rahmen von § 816 11 BGB mit Hinweis auf den Wortlaut des Gesetzes und den Willen des Gesetzgebers 49 . Es werden für diese Auffassung aber auch sachliche Argumente angeführt. Die Befugnis, eine Sache zur Gewinnerzielung einzusetzen und den Gewinn auch zu realisieren, stehe 46 v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel 1,357; Soergel(-Mühl), § 816, Rz. 28; Erman(-Westermann), § 816, Rz. 20; KGKK(-Heimann-Trosien), § 816, Rz. 12; MüKo(-Lieb), § 816, Rz. 32; Esser/Weyers, SchR II BT, § 50 II 2c); Staudinger(-Lorenz), § 816, Rz. 23; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 314. 47 B G H 8.1.1959, B G H Z 29, 157 (159); B G H 1.10.1975, WM 1975, 1179; MüKo (-Lieb), § 816, Rz. 29; RGRKf-Heimann-Trosien), § 816, Rz. 12; Erman(-Westermann), § 816, Rz. 20; Larenz/Canaris, SchR II/2, § 72 I 2a); Rümker, Das Tatbestandsmerkmal „ohne rechtlichen Grund" im Bereich der Eingriffskondiktion, 87 ff. 48 Esser/Weyers, SchR II BT, § 50 II 2c). 49 B G H 8.1.1959, B G H Z 29, 157 (159f.); B G H 1.10.1975, WM 1975, 1179.

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Eigentum

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allein ihrem Eigentümer zu 50 . Wenn ein Nichtberechtigter diesen Gewinn erziele, müsse er ihn an den Eigentümer herausgeben, weil er ihm zustehe. Hingewiesen wird auch auf die Surrogationsfunktion des Verkaufserlöses; dieser nehme nach der wirksamen Verfügung des Nichtberechtigten im Rahmen des Bereicherungsanspruchs die Stelle der Sache ein, die der Berechtigte ansonsten hätte vindizieren können 5 1 . Die Erstreckung des Herausgabeanspruchs sei auch deshalb gerechtfertigt, weil der Berechtigte das Verlustrisiko in dem Fall zu tragen habe, daß der Nichtberechtigte die Sache unter dem Marktpreis veräußere. Die Gegenauffassung will die Vorschrift des § 8 1 6 1 1 B G B wörtlich nehmen; „aus der Verfügung" erlangt sei nicht der Kaufpreis. Dessen Erlangung sei vielmehr Folge des Kaufvertrages, nicht aber der Verfügung. Durch die Verfügung erlangt sei genaugenommen die Befreiung von der Verpflichtung nach § 433 II B G B zur Ubereignung der verkauften Sache. Da diese Schuldbefreiung nicht in natura herausgegeben werden könne, sei ihr Wert zu ersetzen. Dieser Wert sei - den allgemeinen Regeln folgend - nach objektiven Maßstäben zu ermitteln. Herauszugeben sei der Verkehrswert der Sache. Ein möglicher Gewinn verbleibe dem Nichtberechtigten 5 2 . Diese Auffassung bietet den Vorteil, daß sich Widersprüchlichkeiten zwischen den einzelnen Bereicherungstatbeständen und ihren Rechtsfolgen vermeiden lassen. Es müßte sonst nämlich erklärt werden, warum sich der Herausgabeanspruch bei Unmöglichkeit der Herausgabe in natura nach § 818 II B G B auf eine Werthaftung beschränkt, während der Anspruch aus § 816 I 1 B G B auch den Gewinn umfassen soll. Die sehr scharfsinnige Deutung des Merkmals „aus der Verfügung" in § 816 I B G B durch Medicus ist nicht ohne Überzeugungskraft. Dennoch spricht mehr für die Auffassung, die den Gesamterlös (einschließlich des Gewinns) zum Gegenstand des Herausgabeanspruchs machen will. Dafür spricht zum einen der Surrogationsgedanke: § 816 I 1 B G B schafft dem Berechtigten einen Ersatz für die verloren gegangene Vindikation. Unter diesem Aspekt tritt der Erlös aus dem Verkauf der Sache durch den Nichtberechtigten an die Stelle der Sache selbst. Erklären läßt sich auch der scheinbare Widerspruch zwischen der Wertersatzhaftung nach § 818 II B G B und der Gewinnhaftung des § 8 1 6 1 1 B G B . Wie oben bereits ausführlich begründet, ist es die Funktion der Eingriffskondiktion, einen zuweisungswidrigen Transfer von Gütern, der unter Versagen des Kontraktmechanismus durch Eingriff bewirkt worden ist, rückgängig zu machen. Uber den Kontraktmechanismus wird sichergestellt, daß der Nutzung eines Gutes ein Tauschvorgang vorausging, in dem die interessierten Parteien ihre Präferenzen an der Nutzung (ausgedrückt in der Zahlungsbereitschaft) offenlegen. Für eine effiziente Ressourcenallokation ist es von entscheidender BeVgl. Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 318. So etwa Reuter/Martinek, a.a.O., 321 ff. 52 Medicus, BR, Rz. 723. Die Pflicht zur Gewinnherausgabe lehnen auch Lorenz), § 812, Rz. 23 und 25 und Schlechtriem, SchR BT, Rz. 720 ab. 50 51

Staudingerl-

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Kapitel IV: Rechte an Sachen

deutung, daß die Offenlegung der Nutzenpräferenzen durch die Parteien vor der N u t z u n g erfolgt. H a t eine N u t z u n g stattgefunden, ohne daß die N u t z e n präferenzen vorher offengelegt und abgeglichen wurden, so besteht für die Parteien kein Anreiz mehr, ihre Zahlungsbereitschaft wahrheitsgemäß offenzulegen. In einem solchen Fall wird es kaum gelingen, ex post festum einen Vertragspreis zu ermitteln, den die Parteien festgelegt hätten, wenn sie vor dem Ressourcentransfer einen Vertrag abgeschlossen hätten. Deshalb verweist § 818 II B G B den Rechtsanwender auf den Ersatz des Wertes für die Fälle, in denen - wie bei Sach- oder Rechtsnutzung - eine Rückgabe des Erlangten in natura nicht möglich ist, auf den Ersatz des Wertes. D a m i t ist der Richter aufgerufen, unter Heranziehung von Maßstäben, die außerhalb der Rechtsbeziehung der Parteien liegen, eine Wertfeststellung zu treffen und dadurch den Vertragspreis zu substituieren. Von wesentlicher Bedeutung ist dabei ein etwa vorhandener Verkehrswert oder Marktpreis. D e r Fall des § 816 I 1 B G B liegt demgegenüber anders. H i e r haben der Nichtberechtigte und der E r w e r b e r vor dem Ressourcentransfer eine Bewertung ihrer Nutzenpräferenzen vorgenommen, die Präferenz gegenüber der anderen Vertragspartei offengelegt und einen Preis vereinbart, der im R a h m e n der jeweiligen Nutzenpräferenzen für beide Parteien vorteilhaft war. Zwar sind die Nutzenpräferenzen des Berechtigten nicht in den Vertrag eingegangen, doch liegt hier im Unterschied zur eben aufgezeigten Fallkonstellation eine Bewertung der Sache vor dem Transfer vor. Es besteht daher nicht die N o t w e n digkeit wie im Fall des § 818 II B G B den Parteien einen durch den Richter administrierten Preis aufzuerlegen. Falls ein Preis über dem Marktpreis erzielt wurde, so spiegelt dies die Nutzenpräferenzen der an dem Kaufvertrag Beteiligten wider. E s gibt keinen Grund, den Inhaber des Rechts nicht an diesen günstigeren Tauschbedingungen teilhaben zu lassen. U m g e k e h r t muß er es auch hinnehmen, wenn der durch den Nichtberechtigten erzielte Erlös niedriger als der Marktpreis ist. D e r Herausgabeanspruch nach § 8 1 6 1 1 B G B bezieht daher auch einen im Verkaufserlös des Nichtberechtigten liegenden G e w i n n (der in der Differenz zwischen einem Marktpreis und den in der Transaktion vereinbarten höheren Preis besteht) mit ein. E i n e Differenzierung danach, ob der Gewinn eher auf besondere persönliche Fertigkeiten und Kenntnisse des Nichtberechtigten zurückzuführen ist oder aus der Sache selbst stammt, scheint wenig sinnvoll. In vielen Fällen dürfte es nicht mit Sicherheit festzustellen sein, worauf der im Vergleich zum Marktpreis höhere Preis zurückzuführen ist. Allerdings ist hinsichtlich der Gewinnhaftung eine Einschränkung zu machen: Falls der Gewinn oder ein Teil davon darauf beruht, daß der N i c h t berechtigte an der Sache vor der Veräußerung Wertsteigerungen vorgenommen hat, die zu einem höheren Preis geführt haben, so darf der Nichtberechtigte den Teil des Gewinns, der auf diese Wertsteigerung zurückgeht, behalten 5 3 . 53

Siehe als Beispielsfall B G H 8.1.1959, B G H Z 29, 157ff. D e r B G H hat die Berücksichti-

§ 17

3. Rechtsverlust durch

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Vollstreckungsmaßnahmen

Im zuvor behandelten § 816 1 1 B G B beruht der Rechtsverlust des Eigentümers auf der (privatrechtlichen) Verfügung eines Nichtberechtigten und dem Erwerb der Sache durch einen redlichen Dritten. In den Zuweisungsgehalt des Eigentums kann jedoch nicht nur mittels privatrechtlicher Übertragung durch einen Nichtberechtigten eingegriffen werden, sondern auch durch Hoheitsakte der staatlichen Zwangsvollstreckungsorgane. Als Eingriff in den Zuweisungsgehalt des Eigentums kommt hier die Pfändung und Verwertung schuldnerfremder Sachen im Zwangsvollstreckungsverfahren in Betracht. Dieser Eingriff in das Eigentum weist gewisse Parallelen zur wirksamen Verfügung durch einen Nichtberechtigten gemäß § 816 I 1 B G B auf. Die Zwangsvollstreckung in bewegliche Sachen erfolgt durch die Pfändung der Sachen. Die gepfändeten Sachen werden durch Versteigerung verwertet. D e r Meistbietende erhält den Zuschlag; gegen Zahlung erhält er vom Gerichtsvollzieher die Sache zu Eigentum. Der Gerichtsvollzieher kehrt den Erlös aus der Versteigerung an den pfändenden Gläubiger in H ö h e seiner Forderung aus. Einen etwaigen Uberschuß erhält der Schuldner. Falls beim Schuldner eine diesem nicht gehörige Sache gepfändet wird, kann der Eigentümer dieser Sache im Wege der Drittwiderspruchsklage nach § 771 Z P O die Einstellung der Zwangsvollstreckung und die Aufhebung der getroffenen Vollstreckungsmaßnahmen verlangen. Die Erhebung der Drittwiderspruchsklage ist indes nur möglich, wenn die gepfändete Sache noch nicht versteigert worden ist. Ist die Sache hingegen vom Gerichtsvollzieher bereits versteigert und der Erlös an den Gläubiger ausgekehrt worden, so bleibt dem vorherigen Berechtigten nur noch ein Bereicherungsanspruch, um zumindest den Wert der verlorenen Sache zurückzubekommen. Der Ersteher erwirbt Eigentum an der versteigerten Sache durch den Zuschlag und die Ablieferung der Sache durch den Gerichtsvollzieher an den Ersteher. Es handelt sich beim Zuschlag um einen hoheitlichen Akt, durch den das Eigentum auf den Ersteher übertragen wird, unabhängig davon, ob der Schuldner Eigentümer ist oder nicht. Der Ersteher erwirbt selbst dann auf Grund des hoheitlichen Handelns des Gerichtsvollziehers Eigentum an der versteigerten Sache, wenn er weiß, daß sie nicht dem Schuldner gehört. Der Zuschlag begründet ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis zwischen dem Ersteher und dem Staat, vertreten durch den Gerichtsvollzieher 5 4 . D e r Zuschlag bildet den Rechtsgrund für den Erwerb des Erstehers. Zwar liegt in diesem Erwerb ein Eingriff in den Zuweisungsgehalt des Eigentums des vorherigen Berechtigten, doch erfolgt dieser mit Rechtsgrund. Demnach darf der Ersteher die Sache als ihm gehörig behalten; er ist einem Anspruch aus Eingriffskondiktion des vorherigen Berechtigten nicht ausgesetzt. gung der Wertsteigerung durch den Nichtberechtigten abgelehnt. Dies ist zu Recht auf Kritik im Schrifttum gestoßen, siehe Medicus, BR, Rz. 721. 54 Baumback/Lauterbach/Albers/Hartmann(-Hartmann), § 817, Anm. 2. B. a).

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Kapitel IV: Rechte an Sachen

Fraglich ist dagegen, ob der Schuldner einem Anspruch aus Eingriffsbereicherung des vorherigen Eigentümers unterliegt, auf dessen Verbindlichkeit der Erlös aus der Versteigerung gezahlt worden ist. Ein Anspruch aus § 8 1 2 1 1 , 2. Alt. BGB gegen den Schuldner scheitert indes daran, daß er nichts ohne Rechtsgrund auf Kosten des vorherigen Eigentümers erlangt hat. Der hoheitliche Akt der Pfändung schuldnerfremder Sachen führt zwar zur Verstrickung der Sachen im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens gemäß § 803 ZPO; allerdings existiert kein Pfändungspfandrecht zugunsten des vollstreckenden Gläubigers. Ein solches Pfändungspfandrecht entsteht dann nicht, wenn eine schuldnerfremde Sache gepfändet wird 5 5 . Das Vorhandensein des Pfändungspfandrechts bildet aber die Voraussetzung dafür, daß die Annahme des Erlöses durch den Gerichtsvollzieher ( § 8 1 9 ZPO) bzw. seine Auskehrung an den Gläubiger die Tilgung der Forderung gegen den Schuldner bewirkt 5 6 . Da durch den Empfang des Erlöses die Forderung gegen den Schuldner nicht getilgt wird, hat der Schuldner durch den Eingriff in das Eigentum des vorherigen Berechtigten auch nichts erlangt. Nach richtiger Ansicht ist der Gläubiger, der den Erlös aus der Versteigerung der schuldnerfremden Sache erhält, dem Anspruch aus Eingriffsbereicherung des vorherigen Eigentümers nach § 8 1 2 1 1 , 2 . Alt. BGB ausgesetzt. Die ältere Rechtsprechung hat den Bereicherungsanspruch des Alt-Eigentümers auf § 816 I 1 BGB gestützt 57 . Es handelt sich jedoch bei der Versteigerung im Zwangsvollstreckungsverfahren, durch die der Kondizient sein Eigentum an der gepfändeten Sache verliert, nicht um eine Verfügung i.S. von § 816 I 1 BGB; der durch den Gerichtsvollzieher vorgenommene Zuschlag ist ein hoheitlicher Akt und keine privatrechtliche Verfügung. Bereits das RG hat anerkannt, daß der Eigentumsverlust auf Grund der Zwangsvollstreckung in schuldnerfremdes Vermögen über die allgemeine Eingriffskondiktion und nicht über § 816 I 1 BGB korrigiert werden muß 5 8 . In dem entschiedenen Fall ging es um Maschinen der Klägerin, die beim Schuldner gepfändet und später versteigert worden waren. Daraufhin nahm die Klägerin die Beklagte in Anspruch, die die Zwangsvollstreckung betrieben hatte. Das Gericht erkannte zu Recht einen Anspruch aus Eingriffskondiktion zu. Zur Begründung führt es aus, daß die Klägerin ihr Eigentum nach Zuschlag und Besitzübergabe an die Beklagte verloren habe. An die Stelle des Eigentums sei aber der Erlös aus der Versteigerung getreten. Die Herausgabe des Erlöses an die Beklagte hat dieser das Eigentum an dem Geld verschafft, obwohl das 55 B G H 28.4.1960, B G H Z 32,240, (245); Lüke, Die Bereicherungshaftung des Gläubigers bei der Zwangsvollstreckung in eine dem Schuldner nicht gehörige bewegliche Sache, A c P 153 (1953), 533 (538); Erman(-Westermann), § 812, Rz. 75; Palandt(-Thomas), § 812, A n m . 5 B a bb; L G Saarbrücken, 6.10.1993, N J W - R R 1994, 1293 (1294). A . A . Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann(-Hartmann), § 819, A n m . 2, der konsequent einen Bereicherungsanspruch gegen den Schuldner gewähren möchte. 56 Siehe B G H 28.4.1960, B G H Z 32,245; LG Saarbrücken, 6.10.1993, N J W - R R 1994,1294. 57 Siehe R G 21.1.1938, R G Z 156, 395 (399). 58 R G 21.1.1938, R G Z 156, 395 (399); bestätigend B G H 25.2.1987, B G H Z 100, 95 (99f.); B G H 11.11.1970, B G H Z 5 5 , 2 1 (25).

§ 17

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Geld der Klägerin gehörte. Darin liegt ein Eingriff in den Zuweisungsgehalt des Eigentums der Klägerin 59 . Der Erwerb des Erlöses durch die Beklagte ist auch rechtsgrundlos, weil - mangels eines Pfändungspfandrechts - die Forderungen gegen den Schuldner nicht getilgt werden. Die Zwangsvollstreckung in schuldnerfremdes Vermögen bildet ein gutes Beispiel dafür, daß die Rechtswidrigkeit des Eingriffs nicht Voraussetzung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion ist. Die Frage, ob die Pfändung schuldnerfremder Sachen als rechtswidrig zu qualifizieren ist oder nicht, stellt sich im Zwangsvollstreckungsverfahren nicht. Uber die Verstrickung der gepfändeten Sachen bzw. die öffentlich-rechtliche Ausgestaltung der Pfandverwertung wird sichergestellt, daß die Zwangsvollstreckung ihre Funktion ohne Rücksicht darauf erfüllen kann, ob die Grundlage der Befriedigung des Gläubigers, nämlich die gepfändeten Sachen, auch dem Schuldner gehörten. Nach § 808 I ZPO nimmt der Gerichtsvollzieher zur Pfändung die „in Gewahrsam des Schuldners" befindlichen körperlichen Sachen in Besitz (bzw. versieht sie mit einem Pfandsiegel). Der Gerichtsvollzieher hat nicht die Pflicht, die Eigentumsverhältnisse an den Sachen zu prüfen, die er beim Schuldner vorfindet 6 0 . Es ist vielmehr Sache des Eigentümers, sein Recht im Wege der Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO zu verteidigen. Es spricht daher viel dafür, daß die Pfändung und Verwertung schuldnerfremder Sachen rechtmäßig ist. Die Rechtswidrigkeitstheorie, die auf die Unrechtsmäßigkeit des Verhaltens des Eingreifers (hier: Gerichtsvollziehers) abstellt, hätte Probleme, einen Bereicherungsanspruch zu begründen. Zur Anwendung kommt die Eingriffskondiktion nach § 8 1 2 1 1 , 2 . Alt. BGB auch bei Eingriffen in den Zuweisungsgehalt des Eigentums im Zusammenhang mit der falschen Verteilung des Erlöses in Zwangsversteigerungsverfahren 61 . Soweit es dabei um Eingriffe in Sicherungsrechte und Pfändungspfandrechte geht, wird die Frage des Zuweisungsgehalts unten noch näher behandelt werden. Gelegentlich liegt aber dem Erwerb eines Beteiligten ein Eingriff in ein Eigentumsrecht anderer Beteiligter zugrunde. In einem vom B G H im Jahr 1951 entschiedenen Fall ging es um die Teilungsversteigerung eines Hauses zum Zweck der Auflösung einer Erbengemeinschaft nach § 180 ZVG 62 . Die Parteien des Verfahrens waren in einer Erbengemeinschaft zusammengeschlossene Erben, die u. a. ein kriegsbeschädigtes Haus geerbt hatten. In den Jahren vor der Versteigerung 1947 hatten die Beklagten und andere Miterben das Haus 59 RG21.1.1938, RGZ156,395 (399);BGH 11.11.1970, BGHZ 55,20 (32); BGH25.2.1987, BGHZ 100, 95 (Sicherungseigentum); BGH 28.4.1960, NJW 1960, 1461; LG Saarbrücken, 6.10.1993, NJW-RR 1994, 1293; Staudinger(-Lorenz), § 812, Rz. 27. 60 Baumbach /Lauterbach/'Albers/Hartmann(-Hartmann), § 808, Anm. 1. 61 Siehe dazu RG 18.5.1904, RGZ 58, 156; RG 20.10.1906, RGZ 64, 194; RG 20.1.1937, RGZ 153,252;BGH29.11.1951,BGHZ4,84; BGH 6.7.1961, BGHZ 35,267; BGH 31.3.1977, BGHZ 68, 277; Staudinger(-Lorenz), § 812, Rz. 27. 62 BGH 29.11.1951, BGHZ 4, 84 ff.

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wieder aufgebaut. D i e Beklagten erhielten im Versteigerungsverfahren den Zuschlag gegen Zahlung von 20.887,46 Reichsmark. In einem Verteilungstermin nach der Währungsreform wurde die Summe nebst Zinsen in gleicher H ö h e auf D M umgestellt. Von dem Betrag wurden Forderungen der Beklagten in H ö h e von 7.664,28 Reichsmark für den Wiederaufbau des Hauses und Forderungen der selben Art anderer Miterben berücksichtigt, wobei diese F o r d e rungen ebenfalls im Verhältnis 1:1 auf D M umgestellt worden waren. Dagegen wendete sich einer der Kläger, verfolgte den Widerspruch jedoch im weiteren Verfahren nicht. Das Gericht beschloß einen Verteilungsplan, nach dem jedem Miterben D M 1.482,49 zustand. D i e Beklagten erklärten im Verfahrenstermin, nicht zahlen zu wollen und zu können. D i e Kläger vertraten die Auffassung, daß die Aufwendungen der Beklagten für den Wiederaufbau des Hauses im Verhältnis 10:1 hätten umgestellt werden müssen. Sie hätten daher zu wenig bezahlt. J e d e m der sieben Erbberechtigten stehe ein Siebtel des zu wenig gezahlten Betrages zu. D i e Beklagten seien darum ungerechtfertigt bereichert. I m Ergebnis wurde die Klage abgewiesen, weil die Beklagten in zulässiger Weise mit der ihnen zustehenden Forderung aufgerechnet haben. D e r B G H stellt klar, daß die Beklagten durch den Zuschlag nach § 90 I Z V G Eigentümer geworden sind. M i t dem Zuschlag erlischt das Eigentum der Erbengemeinschaft an dem Grundstück. Das Gesamthandseigentum dieser Gemeinschaft setzt sich jedoch am Veräußerungserlös fort 6 3 . Dieser ist entsprechend den Anteilen der einzelnen Miterben unter diesen aufzuteilen. Unterläuft dabei ein Fehler, so liegt ein Eingriff in den Zuweisungsgehalt des Gesamthandseigentums vor. Derjenige, der mehr b e k o m m e n hat, als ihm nach seinem Anteil zusteht, ist auf Kosten der anderen Gesamthandseigentümer rechtsgrundlos bereichert. I m hier dargelegten Fall lag jedoch kein Fehler bei der Verteilung vor. D i e Beklagten hatten die (wirksame) Aufrechnung mit ihren Forderungen aus dem Wiederaufbau des Hauses bereits vor der Währungsreform erklärt. Zu dieser Zeit lautete auch der Betrag, zu dem die Beklagten den Zuschlag erhalten hatten, noch auf Reichsmark. D i e zu verteilende Summe war also korrekt berechnet worden. D i e Entscheidungen, die sich mit dem bereicherungsrechtlichen Ausgleich bei der Verwertung von schuldnerfremden Sachen oder der falschen Verteilung des Versteigerungserlöses in der Zwangsvollstreckung befassen, gehen nicht auf den Aspekt des Zuweisungsgehalts ein. Sie zeigen jedoch, daß es u m die K o r r e k t u r zuweisungswidrigen Vermögenserwerbs geht: Bei der Versteigerung schuldnerfremder Sachen verliert der Eigentümer sein Recht und den Erlös aus der Versteigerung, ohne daß dafür ihm gegenüber ein Rechtsgrund besteht. A u c h bei Fehlern in der Verteilung ist ein Recht mit Zuweisungsgehalt betroffen: Das Gesamthandseigentum der aufzulösenden Gemeinschaft an einem Grundstück setzt sich nach dem Zuschlag an dem Erlös aus der Versteigerung fort. K o m m t es dabei zu einer den Anteilen der Gemeinschaftsmitglieder, 63

BGH 29.11.1951, BGHZ 4, 84(87).

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z.B. einer Erbengemeinschaft, nicht entsprechenden Verteilung, so liegt darin für den Begünstigten der Erwerb von Vermögensvorteilen, der dem Zuweisungsgehalt des zugrunde liegenden Rechts, des Gesamthandseigentums, widerspricht.

4. Rechtsverlust durch Verbrauch von Sachen Das Eigentumsrecht als das umfassendste Herrschaftsrecht an Sachen reserviert dem Eigentümer auch exklusiv die Befugnis, die Sache zu verbrauchen. Diese Form der Nutzung einer Sache ist in der Befugnis des Eigentümers nach § 903 BGB, mit der Sache nach Belieben verfahren zu können, enthalten. Wenn eine andere Person als der Eigentümer eine Sache ohne dessen Zustimmung verbraucht, so liegt darin eindeutig ein Eingriff in den Zuweisungsgehalt des Eigentumsrechts. In der älteren Rechtsprechung bestand zum Teil Unsicherheit darüber, ob der Verbrauch von Sachen nicht eine Art der Sachnutzung darstellte, die in den Anwendungsbereich der §§ 987-993 BGB fiel, womit der Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung in weiten Bereichen des unbefugten Verbrauchs fremder Sachen wegen Spezialität der Regeln über das Eigentümer-BesitzerVerhältnisses verdrängt worden wäre. Hier hat eine Entscheidung des B G H aus dem Jahre 1954 Klarheit geschaffen. In dem Fall ging es um Benzin, das der Fuhrparkleiter der Klägerin auf deren Rechnung beim Lieferanten kaufte und das er teilweise unter Vorspiegelung des Einverständnisses der Klägerin an die Beklagte veräußerte. Den dafür von der Beklagten gezahlten Betrag vereinnahmte der Fuhrparkleiter für sich. Das Benzin hat die Beklagte im Rahmen ihres Geschäftsbetriebs verbraucht. Nachdem die Handlungsweise des Fuhrparkleiters ans Tageslicht gekommen war, nahm die Klägerin die Beklagte auf den Wert des verbrauchten Benzins unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung in Anspruch. Das Berufungsgericht hatte die Klage abgewiesen, weil es auch den Verbrauch einer Sache oder die Vorschriften über das Rechtsverhältnis von Eigentümer und Besitzer subsumierte, durch welche ein Bereicherungsanspruch ausgeschlossen wurde. Demgegenüber stellte der B G H in seiner Entscheidung klar, daß das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis in §§ 987-993 BGB neben der Sachherausgabe ausschließlich das Problem des Nutzungs- und Schadensersatzes regelt. Dazu gehörten Ansprüche wegen Verbrauchs und Veräußerung der Sache nicht 64 . Daß sich die Regel des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses in §§ 987-993 BGB lediglich auf die Pflicht zur Nutzungsherausgabe und zur Schadensersatzleistung des Besitzers beziehen, ergibt sich bereits aus dem Inhalt der Normen selbst. Mit dem Verbrauch der Sache bzw. ihrer Veräußerung an einen Dritten endet das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, weil der Besitzer den Besitz einer 64

B G H 3.6.1954, B G H Z 14, 7 (8).

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Sache verliert. Es ist daher auch im Schrifttum heute allgemein anerkannt, daß der Verbrauch und die Veräußerung einer Sache durch den Besitzer nicht in den Anwendungsbereich der §§ 987 ff. B G B fallen 65 . Für den Eingriff in das Eigentumsrecht des Berechtigten durch den Verbrauch einer Sache stellt sich damit also auch nicht die Frage, in welchem Verhältnis die Nutzungsherausgabe des E B V und der allgemeinen Eingriffskondiktion zueinander stehen. Probleme haben sich beim Verbrauch von Sachen - ebenso wie bei der bereicherungsrechtlichen Erfassung von Nutzungen - hinsichtlich der Bestimmung des Erlangten ergeben. Häufig wird hier das Erlangte i.S.v. § 812 I 1, 2. Alt. B G B in den Aufwendungen gesehen, die der Bereicherungsschuldner durch den Verbrauch fremder Sachen erspart hat 6 6 . Hinter der Annahme, daß durch den Verbrauch fremder Sachen das Erlangte in der Ersparnis eigener Ausgaben liege, steht die Vorstellung, daß beim Verbrauch von Sachen ein Wegfall der Bereicherung gemäß § 818 III B G B vorliege 67 . Der Rückgriff auf die ersparten Aufwendungen soll vor allem die Berufung des Bereicherungsschuldners auf den Wegfall der Bereicherung in den Fällen des Sachverbrauchs abschneiden. Im neueren Schrifttum setzt sich ebenso wie in der Rspr. die Erkenntnis durch, daß beim Verbrauch von Sachen durch den physischen Verlust des Gegenstandes keineswegs auch die Bereicherung entfällt. Vielmehr ist der Nutzen der Sache in das Vermögen des Verbrauchenden übergegangen. Wer mit fremdem Benzin sein Fahrzeug betreibt, ist auch dann bereichert, wenn er den Tank leer gefahren hat 68 . Das Benzin hat dem Bereicherungsschuldner die Nutzung seines K F Z ermöglicht. Der Vorteil der Anknüpfung an die Gebrauchsvorteile, die durch Verbrauch und Gebrauch fremder Sachen erzielt werden, wird z.T. darin gesehen, daß durch sie eine Differenzierung zwischen gut- und bösgläubigen Bereicherungsschuldnern möglich werde. Sehe man demgegenüber das Erlangte in der Ersparnis von Aufwendungen, so könne ein Wertersatzanspruch nach § 818 II B G B auch bei Bösgläubigkeit des Eingreifers nicht zur Entstehung gelangen, wenn der Schuldner keine meßbare Vermögensmehrung erzielt habe, was beispielsweise dann der Fall sein soll, wenn er sich die Aufwendung als „Luxus" nicht geleistet hätte. Es erscheint zweifelhaft, zur Feststellung des Wertes des Erlangten wie auch für die Bestimmung der noch vorhandenen Bereicherung auf Aussagen des 65 Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 198 f.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 694 f.; Staudinger(-Lorenz), §812, Rz. 26; Larenz/Canaris, SchR II/2, § 74 I 2 a). 6 6 Siehe etwa B G H 3.6.1954, B G H Z 14, 7 (9); Palandt(-Thomas), § 812, Rz. 28; vergleiche auch Erman(-Westermann), § 812, Rz. 9; Schlechtriem, Güterschutz durch Eingriffskondiktionen, Symposium König, 64 f.; Kellmann, Bereicherungsausgleich bei Nutzung fremder Rechtsgüter, N J W 1971, 862; Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung in der Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 54. 67 Dawson, Erasable Enrichment in German Law, 61 Boston U.L.R. (1981) 271 ff. (282284); Schlechtriem, Güterschutz durch Eingriffskondiktionen, Symposium König, 65. 6 8 Siehe auch das Beispiel bei Schlechtriem, a. a. O., 65.

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gutgläubigen Bereicherungsschuldners abzustellen, was er in Kenntnis der Unbefugtheit seines Handelns getan hätte. Sieht man die Nutzung einer Sache selbst als das i.S. von § 812 1 1 , 2 . Alt. BGB Erlangte an, so geht der Wert dieser Sachnutzung mit der Vornahme der Nutzungshandlung in das Vermögen des Bereicherungsschuldners über. Da das Erlangte in natura nicht herausgegeben werden kann, richtet sich der Anspruch des Kondizienten gemäß § 818 II BGB auf seinen Wert. Wenn der in einer Sache enthaltene Nutzen etwa durch Verbrauch der Sache für die Zwecke des Bereicherungsschuldners eingesetzt worden ist, so ist schwer zu sehen, wie der Wert, den die Nutzung in das Vermögen des Bereicherten gebracht hat, wegfallen soll. Dieser Wert ist vielmehr nach einer im Schrifttum vertretenen Auffassung unverlierbar in sein Vermögen eingegangen 69 . Auf dieses Problem wird unten (Kapitel VII) noch näher einzugehen sein. Festzuhalten ist jedenfalls, daß im Verbrauch fremder Sachen ohne Zustimmung des Eigentümers ein Eingriff in den Zuweisungsgehalt des Eigentums liegt. Die dadurch im Vermögen des Kondiktionsschuldners eingetretene Bereicherung fällt nicht dadurch weg, daß die Sachsubstanz durch den Verbrauch untergegangen ist. In einer älteren Entscheidung ging es um die unzulässige Entnahme von Wasser aus dem kommunalen Wasserleitungsnetz und dessen Verbrauch 70 . Die klagende Stadtgemeinde forderte vom Beklagten die Bezahlung bestimmter Wassermengen, die dieser dem Leitungsnetz entnommen hatte, indem er zur Umgehung des Wasserzählers eine Leitung vor dem Zähler einrichtete. Das O L G Braunschweig hat der Klage stattgegeben. Da die Entscheidung noch auf der Grundlage der alten Vermögensverschiebungslehre erging, mußte das Gericht darlegen, auf welche Weise der Beklagte durch Vermögensverschiebung auf Kosten der Klägerin bereichert war. Das Erlangte sah das Gericht in der Ersparnis von Ausgaben durch den Beklagten. Bei vertragsgemäßem Verhalten hätte der Beklagte nämlich den satzungsgemäßen Wasserpreis an die Klägerin zahlen müssen. Das Erlangte - so wie es vom Gericht gefaßt wird - war indes als solches niemals vorher im Vermögen der Klägerin vorhanden gewesen. Hierzu führt das Gericht aus, daß das Objekt der Bereicherung nicht in dem Vermögen des Kondiktionsberechtigten enthalten gewesen sein müsse, sondern nur dessen „Vermögensstand" berührt haben müsse. Die Klägerin fange das Wasser auf, sammle es in Bassins und leite es dann durch das Wasserleitungsnetz den Nutzern zu. Der Beklagte benutze diese Einrichtungen, deren Betrieb einen erheblichen Kostenaufwand erfordere, ohne dafür etwas aufzuwenden. Durch diese unbefugte Mitbenutzung werde der Vermögensstand der Klägerin nachteilig berührt, entstehe ihr ein Schaden 71 . 69 Mestmäcker, Eingriffserwerb und Rechtsverletzung in der ungerechtfertigten Bereicherung, in: Recht und ökonomisches Gesetz, 523 ff. (532): „In den Fällen des Eingriffserwerbs ist ein Wegfall der Bereicherung infolge der ,quasikontraktlichen Natur' dieser Ansprüche ausgeschlossen". 70 OLG Braunschweig 12.11.1907, OLGE 18, 48. 71 OLG Braunschweig 12.11.1907, OLGE 18, 49.

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Kapitel IV: Rechte an Sachen

Löst man den Fall auf der Grundlage der Theorie vom Zuweisungsgehalt der Rechte, so bedarf es der gewundenen Begründung eines Schadens der Klägerin durch die Abnutzung der Wasserleitungen nicht. Es handelt sich um einen Eingriff des Beklagten, da anzunehmen ist, daß die Klägerin Wasser nur an solche Abnehmer liefern möchte, bei denen die in Anspruch genommenen Mengen über den Zähler laufen. Durch den Eingriff erlangt der Beklagte das im Leitungsnetz befindliche Wasser. Dieses steht im Eigentum der Klägerin 72 . Der Beklagte greift unbefugt in das Eigentum der Klägerin ein, weil er eine Abzweigsleitung vor dem Wasserzähler benutzt und dadurch verhindert, für das Wasser das satzungsmäßige Entgelt zahlen zu müssen. Der Beklagte benutzt das Wasser auch rechtsgrundlos, da er zur Entnahme aus dem Leitungsnetz nicht befugt war. Da das Wasser verbraucht und eine Herausgabe unmöglich ist, hat er gemäß § 818 II BGB seinen Wert zu ersetzen. Dieser Wert entspricht dem Tarifentgelt, das der Beklagte bei ordnungsgemäßer Entnahme des Wassers hätte an die Klägerin zahlen müssen. Auch hier wird deutlich, daß die Bereicherung des Schuldners nicht dadurch i.S. von § 818 III BGB wegfällt, daß er den Gegenstand der Bereicherung verbraucht.

5. Rechtsverlust durch Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung nach §§ 946 f f . BGB Ein Eingriff in den Zuweisungsgehalt des Eigentums kann auch in der Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung von Sachen liegen; diese Handlungen lösen gemäß §§ 946, 947, 948, 950 BGB den Verlust des Eigentums an den Sachen aus, die verbunden, vermischt oder verarbeitet werden. Bei der Verbindung einer Sache mit einem Grundstück erwirbt gemäß § 946 BGB der Grundstückseigentümer auch das Eigentum an der verbundenen Sache, wenn diese wesentlicher Bestandteil (§ 93 BGB) des Grundstücks wird. Bei der Verbindung beweglicher Sachen zu einer Hauptsache erwerben die Eigentümer der verbundenen Sache Miteigentum an der neuen Sache (§ 947 I BGB), wobei sich die Miteigentumsanteile nach dem Wert der Sachen zur Zeit der Verbindung bemessen. Ist eine Sache hingegen als Hauptsache anzusehen, erwirbt der Eigentümer der Hauptsache allein Eigentum an der neuen Sache (§ 947 II BGB). Analog verhält es sich bei der Vermischung (§ 948 BGB). Bei der Verarbeitung oder Umbildung einer oder mehrerer Stoffe hingegen erwirbt der Verarbeiter das Eigentum an der neuen Sache, es sei denn, der Wert der Verarbeitung oder Umbildung unterschreitet wesentlich den Wert des Stoffes (§ 950 BGB). 72 Das im Leitungsnetz eines Wasserversorgers befindliche Wasser ist eine Sache i. S. von § 90 BGB, an der Eigentum begründet werden kann. N u r nicht beherrschbare Gegenstände, wie z.B. das offene Meer, die freie L u f t etc. sind keine Sachen im Sinne von § 90 BGB, siehe Erman(-Michalski), § 90, Rz. 1.

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Eigentum

Nach § 9 5 1 1 B G B kann derjenige, der wegen der eben genannten Vorschriften einen Rechtsverlust erleidet, Wertersatz in Geld nach den Kondiktionsvorschriften verlangen. Die Gesetzesberatungen waren davon ausgegangen, daß ein gesetzlicher Eigentumserwerb im Zweifel als mit Rechtsgrund erfolgend angesehen werden müsse 73 . § 951 B G B stellt insoweit klar, daß der Rechtsverlust auf Grund von §§ 946 ff. B G B ohne Rechtsgrund erfolgt 7 4 . Nach übereinstimmender Auffassung handelt es sich bei der Verweisung des § 9 5 1 1 B G B auf die Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung um eine Rechtsgrund- und nicht um eine Rechtsfolgenverweisung 7 5 . Demgemäß müssen sämtliche Voraussetzungen des § 812 I 1 B G B vorliegen, um den Wertersatzanspruch des § 951 I B G B zu begründen. Dabei kann der Bereicherte durch Leistung oder durch Eingriff in den Besitz der Sachen gekommen sein, die er zur Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung benutzt hat. Problematisch ist im Rahmen von § 951 I B G B das Verhältnis von Erwerb durch Leistung und durch Eingriff. Grundsätzlich kann ein rechtsgrundloser Erwerb, der durch Leistung bewirkt worden ist, nur im Wege der Leistungskondiktion rückgängig gemacht werden. Im Elektrogerätefall 7 6 hatte sich der B G H mit dem Bereicherungsanspruch des Alt-Eigentümers von Elektrogeräten zu befassen, die von einem Dritten, nämlich einer Elektroinstallationsfirma, auf Grund eines mit dem Grundstückseigentümer und Bauherren geschlossenen Vertrages eingebaut worden waren. Zunächst waren die Leistungsbeziehungen umstritten. D e r Elektrogerätelieferant wollte an den Bauherren leisten; der Bauherr glaubte, daß Lieferung und Einbau der Geräte von seinem Vertragspartner, der Installationsfirma, geleistet würden. Zur Entscheidung dieser Frage - so der B G H - komme es bei objektiver Betrachtungsweise auf die Sichtweise des Zuwendungsempfängers an 7 7 . Folgerichtig qualifiziert das Gericht daher den Erwerb der Geräte als eine Leistung der Vertragspartnerin des Erwerbers. Ist dem Zuwendungsempfänger das Erlangte durch Leistung zugeflossen, so kann der Erwerber ausschließlich von seinem Vertragspartner im Wege der Leistungskondiktion in Anspruch genommen werden. „Ein Anspruch wegen Bereicherung in sonstiger Weise, vielfach als Eingriffskondiktion bezeichnet (...), kann vielmehr nur dann entstehen, wenn der Bereicherungsgegenstand dem Empfänger überhaupt nicht, also von niemandem geleistet worden ist" 78 . Die Frage des Verhältnisses von Leistungs- und Eingriffskondiktion stellt sich ausschließlich bei Zuwendungsvorgängen, an denen mindestens drei Personen beteiligt sind. Im reinen Zwei-Personen-Verhältnis liegt entweder eine 73 74 75 76 77 78

Siehe Mugdan II, Motive, 476. Mugdan III, Motive, 201. Siehe nur Erman(-Hefermehl), § 951, Rz. 3; Palandt(-Bassenge), B G H 31.10.1963, B G H Z 40, 272 ff. B G H 31.10.1963, B G H Z 40, 277f. B G H 31.10.1963, B G H Z 40, 278.

§ 951, Rz. 2.

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Kapitel IV: Rechte an Sachen

Leistung vor oder nicht; die beiden in § 812 I 1 B G B enthaltenen Alternativen Leistung und Nichtleistung schließen sich hier gegenseitig aus 79 . Demgegenüber kann sich im Drei-Personen-Verhältnis aus der Sicht eines Beteiligten der Erwerb als Leistung, aus der Sicht eines anderen Beteiligten als Eingriff darstellen 80 . Die in der Elektrogeräte-Entscheidung entwickelte Vorrangregelung zugunsten der Leistungskondiktion hat die Funktion, den Erwerber, dem von seinem Vormann geleistet worden ist, davor zu schützen, den Erwerb wieder zu verlieren, weil in den Rechtsverhältnissen der Personen, die dem Vertragspartner des Erwerbers vorgelagert sind, Fehler aufgetreten sind. D e r durch Leistung erlangte Erwerb soll nur dann (und nur durch Leistungskondiktion) rückgängig gemacht werden, wenn sich die Rechtsgrundlosigkeit des Erwerbs aus dem Rechtsverhältnis von Erwerber und Leistenden ergibt. Allerdings läßt sich eine so weit formulierte Vorrangregelung nicht ohne Ausnahmen aufrechterhalten, weil sie wesentliche Wertungen bezüglich der Bestandskraft des Erwerbs vom Nichtberechtigten außer Acht lassen würde. Ein instruktives Beispiel dafür liefert der viel besprochene Jungbullen-Fall des B G H . Diebe hatten dem Kläger Jungbullen von der Weide gestohlen und veräußerten diese für D M 1.701,00 an den gutgläubigen Beklagten, der die Tiere in seiner Fleischfabrik verarbeitete 81 . In diesem Fall hat der B G H die Eingriffskondiktion gemäß §§ 9511, 812 11, 2. Alt. B G B des Alt-Eigentümers gegen den Verarbeiter zugelassen. Zwar hat der Verarbeiter hier nach § 950 B G B das Eigentum an den Jungbullen erworben. § 9 5 1 1 B G B zeigt j edoch, daß die Verarbeitung, die zum Eigentumserwerb führt, keinen Rechtsgrund zum Behaltendürfen des Erlangten bildet. Zu Recht greift der B G H auf die Lösung des Interessenkonflikts zwischen demjenigen, der eine Sache durch Verfügung eines Nichtberechtigten erlangt hat, und dem Eigentümer der Sache durch §§ 932ff. B G B zurück. § 932 i.V.m. § 935 I B G B schützt den Gutgläubigen beim Erwerb vom Nichtberechtigten nämlich nur insoweit, als dem Eigentümer der Sache diese nicht abhanden gekommen ist. Diese Wertung muß auch in dem Fall berücksichtigt werden, daß der Erwerber das Eigentum nicht auf Grund eines Rechtsgeschäfts mit einem Nichtberechtigten, sondern durch eine Verarbeitung, Verbindung oder Vermischung erlangt hat. Für die Übertragung des Eigentums durch Rechtsgeschäft stellt das Gesetz durch § 935 I B G B klar, daß ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten dann nicht stattfindet, wenn die Sache dem Berechtigten abhanden gekommen ist. Diese Wertung ist auf den Erwerb durch eine der Handlungen nach §§ 946ff. B G B zu übertragen. Demnach besteht für ein Rechtserwerb nach diesen Vorschriften gegenüber dem Berechtigten kein Rechtsgrund, wenn die verarbeitete, vermischte oder verbundene Sache abhanden gekommen war. Der Umstand, daß der Dieb dem Bereicherungsschuldner die Sache geleistet hat, hindert eine Eingriffskondik79 80 81

Medicus, B R , Rz. 727. Als Beispiel siehe den vorangehend behandelten Fall B G H 31.10.1963, B G H Z 40,272 ff. B G H 11.1.1971, B G H Z 55, 176ff.

§ 17

Eigentum

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tion des alten Eigentümers nicht. Geleistet hat der Nichtberechtigte lediglich den Besitz an der Sache; das Eigentum hat der Erwerber sich durch eigene Handlung gemäß §§ 946ff. B G B verschafft. Eine Eingriffskondiktion wegen des Eigentumsverlustes nach § 951 I B G B wird durch die Besitzverschaffung auf Grund einer Leistung nicht ausgeschlossen. Bestätigt wird diese Interessenwertung durch den Einbaufall des B G H 8 2 . Ein Baustoffhändler hatte einem Bauunternehmen U Baustoffe unter verlängertem Eigentumsvorbehalt (gegen Vorausabtretung der Forderung aus einer Weiterveräußerung der Materialien) verkauft. Diese Baustoffe benutzte die Firma U zur Durchführung von Bauarbeiten bei der Beklagten, einer Universität. Der Vertrag der U mit der Beklagten sah vor, daß die Wirksamkeit der Abtretung der Forderung der U gegen die Beklagte von der Zustimmung der Landeshauptkasse abhing, die diese nicht erteilt hatte, so daß eine solche Abtretung nicht wirksam erfolgt war. Bevor die Baumaterialien bezahlt waren, fiel U in Konkurs. Der Konkursverwalter trat dem Kläger die Forderung der U gegen den Beklagten ab. Der B G H hat die Klage des Baustoffhändlers wegen Eingriffskondiktion nach §§ 951 I, 812 I 1, 2. Alt. B G B unter dem Hinweis auf die Elektrogeräte-Entscheidung abgewiesen 83 . Der Kläger könne sich allein an seine Vertragspartnerin, die Firma U halten. Eine Eingriffskondiktion könne nur dann gegeben sein, wenn der fragliche Gegenstand von niemandem geleistet worden sei. Die entscheidende Erwägung für die Richtigkeit dieses Ergebnisses knüpft allerdings nicht daran an, daß die U an die Beklagte geleistet hat, sondern an die Wertung der sachenrechtlichen Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten. Wie oben bereits näher erläutert, ist diese Überlegung deshalb richtig, weil der Wertersatzanspruch nach § 951 I i.V.m. § 812 I 1, 2. Alt. B G B an die Stelle der durch den Eigentumsverlust des Klägers verlorengegangenen Vindikation tritt. Im Einbau-Fall hatte die U die Baumaterialien unmittelbar bei der Beklagten eingebaut. Wenn U jedoch der Beklagten zunächst gemäß § 929 B G B das Eigentum an den Baustoffen übertragen hätte, so hätte die Beklagte da sie gutgläubig war und die Materialien dem Kläger auch nicht abhanden gekommen waren - nach § 932 B G B Eigentum an den Materialien erworben 8 4 . Sie wäre dann nicht einem Bereicherungsanspruch des Klägers ausgesetzt gewesen. Dieser hätte sich vielmehr an U wenden müssen, um von dieser den Erlös aus der Veräußerung der Baustoffe nach § 816 I 1 B G B zu verlangen. In späteren Entscheidungen ist der B G H bei dieser Linie geblieben 85 . Im Schrifttum werden dazu unterschiedliche Auffassungen vertreten, die aber zum Teil nur die Begründung, nicht aber die Ergebnisse der Rechtsprechung kritisieren 86 . Zum Teil wird darauf hingewiesen, daß es fragwürdig sei, einen Erwerber, der selbst ein Abtretungsverbot in den Vertrag mit dem Ein82 83 84 85 86

B G H 27.5.1971, B G H Z 56, 228ff. B G H 27.5.1971, B G H Z 56, 239f. Siehe Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 107; Medicus, BR, Rz. 729. Siehe zum Beispiel B G H 9.7.1990, N J W - R R 1991, 343 ff. Siehe etwa Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung IV (1976), 691-693.

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Kapitel IV: Rechte an Sachen

bauenden aufnimmt, für gutgläubig zu halten 8 7 . D a n n müßte ein Bauherr generell davon ausgehen, daß die Lieferanten, die Material bei ihm einbauen, nicht Eigentümer des Materials sind, sondern darüber nur im R a h m e n eines verlängerten Eigentumsvorbehalts verfügen dürfen. Eine solche generelle „Vermut u n g " , daß der Lieferant von Baumaterialien nicht deren Eigentümer sei, erscheint jedoch als zu weitgehend. Eine andere Auffassung schützt den nach §§ 9 4 6 f f . B G B Erwerbenden noch weitgehender gegen die Inanspruchnahme durch die Eingriffskondiktion als dies in der Rechtsprechung der Fall ist. D i e Eingriffskondiktion wird auch dann abgelehnt, wenn dem Voreigentümer die Sache abhanden gekommen und der E r w e r b e r bösgläubig ist 8 8 . Eine Ausnahme soll nur bei Geschäftsunfähigkeit der Zwischenperson gelten 8 9 . Diese Auffassung läßt die sachenrechtlichen Wertungen im R a h m e n des gutgläubigen Erwerbs auf der bereicherungsrechtlichen E b e n e außer Betracht. Was das Verhältnis von Leistungs- und Eingriffskondiktion angeht, das gerade in den herangezogenen Fällen im Bereich des § 951 I B G B virulent wird, so kann von einem Vorrang der Leistungskondiktion nur im Rahmen der oben erwähnten Einschränkungen gesprochen werden. D i e Eingriffskondiktion ist danach in den Fällen des § 951 I B G B bei Verarbeitung, Vermischung und Verbindung nur statthaft, wenn die Parallelwertung zum rechtsgeschäftlichen E r w e r b ergibt, daß ein kondiktionsfester E r w e r b auch rechtsgeschäftlich, etwa wegen Furtivität der Sache, nicht hätte erfolgen können.

6. Eingriff in den Zuweisungsgehalt des Eigentums durch die Nutzung fremder Sachen Das Eigentum an einer Sache weist nicht nur das H a b e n und die Verfügungsbefugnis dem Eigentümer zu. E r ist auch exklusiv berechtigt, die Sache zu nutzen und zu gebrauchen und alle anderen Rechtssubjekte von der N u t z u n g auszuschließen. Z u m Zuweisungsgehalt des Eigentums gehört es auch, den wirtschaftlichen Erfolg der Nutzungen, den der Eigentümer mit der Sache erzielt hat zu behalten. Ö k o n o m i s c h betrachtet bedeutet die exklusive Befugnis zur N u t z u n g einer Ressource, daß der Inhaber der Befugnis allein entscheiden darf, ob er die Ressource nutzen will und auf welcher Art er dies tun möchte. E r bedarf dazu nicht der Zustimmung der anderen Rechtssubjekte; insbesondere ist er nicht verpflichtet, einem anderen Rechtssubjekt eine E n t schädigung für die N u t z u n g des Gutes zu bezahlen. U m den Zuweisungsgehalt des Eigentums in Bezug auf die N u t z u n g von Sachen näher bestimmen zu können, m u ß zunächst Klarheit über den Begriff der N u t z u n g e n geschaffen werden. 87

Staudinger(-Lorenz),

88

Reuter/Martinek, Reuter/Martinek,

89

§ 812, Rz. 63.

Ungerechtfertigte Bereicherung, 402ff. (404), 358ff. a.a.O., 461 f.

5 17

Eigentum

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a) Der Begriff der Nutzungen Das Gesetz enthält für den Begriff der Nutzungen eine Legaldefinition. Nach § 100 BGB sind Nutzungen die Früchte einer Sache oder eines Rechts und die Vorteile, die der Gebrauch der Sache oder des Rechts gewährt. § 99 BGB definiert den Begriff der Früchte. Zu den unmittelbaren Sachfrüchten gehören die organischen Erzeugnisse und die sonstige Ausbeute der Sache aus ihrem bestimmungsgemäßen Gebrauch. Unter dem Begriff der unmittelbaren Rechtsfrüchte hingegen sind die bestimmungsgemäßen Erträge eines Rechts sowie die Nutzungen der Inhaber beschränkter dinglicher oder persönlicher Berechtigungen wie z. B. des Nießbrauchs, der Pacht, des Reallastberechtigten etc. zu verstehen 90 . Demgegenüber sind mittelbare Sach- und Rechtsfrüchte gemäß § 99 III BGB die Erträge, die durch eine Sache oder ein Recht im Wege über ein Rechtsverhältnis erlangt werden. Es handelt sich dabei um die Gegenleistungen, die für die Nutzungs- und Gebrauchsüberlassungen von Sachen und Rechten erzielt werden 91 . Gebrauchsvorteile sind die tatsächlichen Vorteile, die der Gebrauch einer Sache vermittelt. Der tatsächliche Gebrauch und die daraus fließenden Vorteile werden zumeist 92 , aber nicht immer durch den Besitz der Sache vermittelt93. Die einschlägige Kommentarliteratur führt das Bewohnen eines Hauses, die Benutzung eines Kraftfahrzeuges, Gebäudes oder Platzes für gewerbliche Zwecke als Beispiele für Gebrauchsvorteile an94. Die Erzielung von Gebrauchsvorteilen ist nicht auf gewerbliche Aktivitäten beschränkt; das Fahren eines Autos, die Benutzung eines Gebäudes oder eines Platzes kann auch dann einen Gebrauchsvorteil bedeuten, wenn die Handlung privaten Zwecken dient. Analog anzuwenden ist der Nutzungsbegriff auf das Unternehmen, das im technischen Sinn keine Sache darstellt. Zu seinen Nutzungen gehören die aus dem Gewerbebetrieb gezogenen Gewinne unter Abzug eines Unternehmerlohnes 95 .

b) Die Zuweisung von

Nutzungen

Wie bereits oben erwähnt, stehen die Nutzungen einer Sache dem Eigentümer zu, es sei denn, er hat die Befugnis zur Ziehung der Nutzungen einem anderen durch Vertrag übertragen. Dies erschöpft allerdings die rechtliche Verteilung von Sachnutzungen nicht. Unter bestimmten Voraussetzungen belassen die Regeln über das Verhältnis zwischen Eigentümer und nichtberechtigtem Besitzer letzterem die Nutzun90

Erman(-Michalski), § 99, Rz. 7. Erman(-Michalski), § 99, Rz. 9 m . w . H . 92 Siehe O L G Hamburg 28.5.1953, M D R 1953, 613; Erman(-Michalski), § 100, Rz. 2. 93 Als Beispiel einer Nutzung ohne Besitz siehe R G 20.12.1919, R G Z 97, 310ff. 94 Erman(-Michalski), § 100, Rz. 2. 95 Siehe dazu B G H 11.5.1978,NJW 1978, \ 578; Palandt(-Heinrichs), § 100, Rz. 1; Erman(Michalski), § 100, Rz. 5. 91

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Kapitel IV: Rechte an Sachen

gen, die er mittels einer Sache gezogen hat, zu deren Besitz er gegenüber dem Eigentümer nicht legitimiert war. Das Gesetz verpflichtet gemäß §§ 987, 990 B G B den verklagten bzw. den hinsichtlich seines Besitzrechts bösgläubigen Besitzer zur Herausgabe der N u t z u n g e n an den Eigentümer. D e r unverklagte, gutgläubige Besitzer unterliegt gemäß § 993 B G B - mit Ausnahme der U b e r maßfrüchte - keiner Verpflichtung zur Herausgabe von Nutzungen. Das Gesetz gewährleistet also einen sehr weitgehenden Schutz des gutgläubigen Besitzers vor der Inanspruchnahme durch den Eigentümer wegen Nutzungsherausgabe bzw. Schadensersatz. D i e Bedeutung dieser Regelungen des E B V und ihre Auswirkung auf den Anspruch aus Eingriffskondiktion sind im einzelnen unbestritten und werden im R a h m e n dieser Untersuchung unten noch näher behandelt werden 9 6 . Jedenfalls fällt bei der Durchsicht der eingriffsbereicherungsrechtlichen Entscheidungen, die im folgenden als Beispiele für die K o n diktion von unbefugt gezogenen N u t z u n g e n genannt werden, ins Auge, daß es sich zumeist um Fälle handelt, in denen nicht besitzende N u t z e r in das Eigentum eines anderen eingegriffen haben. Deshalb steht zu vermuten, daß die rechtlichen Konflikte, die sich zwischen dem Eigentümer und dem die N u t zungen ziehenden nichtberechtigten Sachbesitzer ergeben, im wesentlichen im R a h m e n des E B V und nicht durch das Institut der Eingriffskondiktion gelöst werden.

c) Eingriffe in das Nutzungsrecht im Spiegel der Rechtsprechung

des

Eigentümers

E i n bekannter Fall in der Rechtsprechung des R G betraf die unbefugte N u t z u n g eines Grundstücks durch einen Nichtbesitzer 9 7 . D e r Eigentümer eines Grundstücks Nr. 205 hatte dem Eigentümer des angrenzenden Grundstücks Nr. 204 durch Vertrag gestattet, zum Z w e c k e der Verbindung mit einem auf dem Grundstück Nr. 203 liegenden Industriegleis ein Abzweiggleis von Nr. 204 nach Nr. 205 zu legen. D a r ü b e r hinaus bestellte der Eigentümer von Nr. 203 eine Grunddienstbarkeit, wonach der Eigentümer von Nr. 203 unentgeltlich zu dulden hatte, daß über sein Grundstück Eisenbahnwagen befördert wurden, die für Nr. 2 0 4 bestimmt waren. N a c h einem Eigentümerwechsel des Grundstücks Nr. 2 0 4 dehnte der neue Eigentümer seine Aktivitäten auf weitere angrenzende Grundstücke aus und verlängerte das Abzweiggleis auch auf diese Grundstücke. A u f einem dieser Grundstücke errichtete er eine Fabrik, die er verpachtete und beförderte über die Gleisanlage auch Eisenbahnwagen, die für den Pächter bestimmt waren. D e r Eigentümer des Grundstücks Nr. 203 nahm den Beklagten, den Eigentümer des Grundstücks Nr. 204, wegen der Mehrbenutzung des Grundstücks auf Schadensersatz und auf Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung in 96 97

Siehe unten § 17 V 2c). RG 20.12.1919, RGZ 97, 310.

§ 17

Eigentum

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Anspruch. Mangels eines Schadens verwarf das R G den Anspruch wegen Schadensersatzes 9 8 . Das Gericht sah jedoch einen Anspruch aus Eingriffskondiktion nach § 812 B G B als begründet an. D e r Beklagte habe das dem Kläger gehörende Grundstück „rechtswidrig und in eigensüchtiger Weise" benutzt. D e r Kläger habe dem Beklagten zu verstehen gegeben, daß er die N u t z u n g des Grundstücks nur gegen die Zahlung einer angemessenen Entschädigung habe dulden wollen. Auf der Grundlage der Vermögensverschiebungslehre mußte das R G einen Vermögensnachteil des Klägers darlegen. Diesen sah es darin, daß der Beklagte für die unerlaubte Mehrbenutzung der Gleisanlage eine angemessene Entschädigung hätte zahlen müssen, „diese aber erspart und damit zugleich dem Kläger entzogen hat" 9 9 . N a c h d e m der Kläger gegen die Mehrbenutzung Einwände erhoben habe, könne er sich nicht mehr darauf berufen, er hätte keine Vergütung an den Kläger gezahlt, sondern eine eigene Gleisleitung gebaut, sondern müsse sich vielmehr an der Lage festhalten lassen, die er selbst geschaffen habe. In diesem Fall war der Beklagte nicht Besitzer des benutzten Grundstückes; daher richtet sich die Nutzungsherausgabe nicht nach den Vorschriften der §§ 9 8 7 f f . B G B , sondern nach § 812 I 1, 2. Alt. B G B . D i e N u t z u n g des Grundstückes zu Z w e c k e n des Gütertransports für den Pächter des Beklagten geschah unbefugt. D e r Kläger als Grundstückseigentümer durfte allein über die N u t z u n g seines Grundstücks entscheiden. Zu dulden hatte er lediglich eine Transporttätigkeit über sein Grundstück für den Eigentümer des Grundstückes Nr. 204, nicht aber für dessen Pächter. D i e N u t z u n g durch den Beklagten erfolgte rechtsgrundlos, da das Erlangen der Vorteile aus dem Gebrauch des Grundstückes gegenüber dem Eigentümer nicht vertraglich oder gesetzlich legitimiert war. Aus Sicht der neueren D o g m a t i k des Bereicherungsrechts stehen die erlangten Vorteile des Beklagten im Widerspruch zum Zuweisungsgehalt des Eigentums des Klägers. D a die Vorteile nicht in natura herausgegeben werden können, ist gemäß § 818 II B G B ihr Wert zu ersetzen. Dieser Wert ist nach dem Entgelt zu bemessen, das der Beklagte an den Kläger bei ordnungsgemäßem Vorgehen, d.h. bei A b s c h l u ß eines Vertrages zu zahlen gehabt hätte. Insoweit wäre der Fall auch nach der Zuweisungsgehaltstheorie so zu entscheiden, wie es das R G getan hat. Auffällig ist an der Entscheidung, daß das R G auf drastische Weise das Verhalten des Beklagten mißbilligt, trotz eines Schreibens des Klägers, in dem sich dieser gegen die übermäßige N u t z u n g seines Grundstücks wehrt, die Gleisanlage auch weiterhin unverändert für seinen Pächter mitbenutzt zu haben. Das Gericht charakterisiert dieses Verhalten als „rechtswidrig", „eigensüchtig", „verbotswidrig" 1 0 0 . Es steht zu vermuten, daß diese deutliche Mißbilligung es dem Gericht erleichtert hat, dem Bereicherungsanspruch zuzusprechen. G a n z überzeugend begründet ist der 98 99 100

Siehe RG 20.12.1919, RGZ 97, 310 (311). RG 20.12.1919, RGZ 97, 312. RG 20.12.1919, RGZ 97, 312.

518

Kapitel

IV: Rechte

an

Sachen

Vermögensverlust beim Entreicherten nicht. Eine Vermögensverschiebung in dem Sinne, daß der Entreicherte etwas aus seinem Vermögen verloren und der Bereicherte dieses erlangt hat, liegt hier nicht vor: Wie das R G selbst darlegt, ist ein Schaden des Klägers nicht feststellbar. Selbst eine verstärkte Abnutzung der Gleisanlage durch die Mehrbenutzung fällt nicht dem Kläger zu Last, da der Beklagte die Unterhaltslast für die Anlage zu tragen hatte. Unter dem Aspekt des Zuweisungsgehalts absoluter subjektiver Rechte ist klar, daß der Beklagte die Gleisanlage und das Grundstück des Klägers unbefugt genutzt und dadurch einen Vermögensvorteil erlangt hat. Zurückhaltender zeigte sich das R G in der Frage der Vermögensverschiebung bei Nutzung fremden Eigentums in einer Entscheidung im Jahr 1917 1 0 1 . D o r t war eine Mieterin nach Ablauf des Mietvertrages nicht aus der Wohnung ausgezogen, sondern hatte sie weiter bewohnt. Die Eigentümer der Wohnung nahmen die ehemalige Mieterin auf die Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung in H ö h e des ersparten Mietzinses in Anspruch. Das K G als Vorinstanz hatte ausgeführt, daß die Beklagte unabhängig davon auf Kosten der Kläger bereichert sei, ob die Wohnung während der Weiterbenutzung hätte anderweitig vermietet werden können. Das R G hob die Entscheidung des K G mit der Begründung auf, daß eine nicht vermietbare Wohnung, die leer steht, nichts einbringe. In einem solchen Fall erlange die Beklagte nichts auf Kosten der Kläger. Aus heutiger Sichtweise trifft das nicht zu. Es kommt nicht darauf an, ob der Inhaber eines geschützten Rechts selbst dieses Recht hätte gewinnbringend einsetzen können. Entscheidend für den Eingriff in den Zuweisungsgehalt einer geschützten Rechtsposition ist, daß der Rechtsverletzter einen Vorteil erlangt hat, der wegen der Zuweisung nicht ihm, sondern dem Rechtsinhaber zusteht 1 0 2 . Ein Eingriff in den Zuweisungsgehalt des Eigentums liegt auch dann vor, wenn der Vermieter Sachen des Mieters an Dritte vermietet, ohne davon vom Eigentümer ermächtigt zu sein. Allerdings scheiterte der Bereicherungsanspruch in dem vom R G im Jahr 1922 entschiedenen Fall daran, daß der Vermieter die Sachen wegen seines Vermieterpfandrechts in Besitz genommen hatte, und es dem Eigentümer wegen des Pfandbesitzes des Vermieters nicht möglich gewesen wäre, die Sachen an andere Personen zu vermieten 1 0 3 . D e r Entscheidung im Gleisanlagen-Fall des R G ist der B G H bei dem Bahnhofsvorplatz-Fall 1 0 4 gefolgt. D o r t ging es um die Benutzung eines der DeutR G 19.3.1917, L Z 1917,921. Auch in der älteren Rechtsprechung wurde vereinzelt darauf hingewiesen, daß die Begründung eines Bereicherungsanspruchs den Nachweis eines Vermögensschadens nicht voraussetze; nach dem Willen des Gesetzgebers müsse es für das Tatbestandsmerkmal „auf dessen Kosten" ausreichen, wenn die Bereicherung den Vermögensstand des Kondizienten berühre, siehe O L G Köln 6.12.1905, O L G E 13, 388. 103 R G 1.12.1922, R G Z 105, 408ff. 104 B G H 18.4.1956, B G H Z 20, 270ff. 101

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§17

Eigentum

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sehen Bundesbahn gehörenden Bahnhofsvorplatzes durch Taxen. Diesen Platz, der u.a. von den Bahnreisenden als Z u - und Abgang für den B a h n h o f genutzt wurde, war öffentlich zugänglich. D i e klagende Bundesbahn unterhielt und beleuchtete den Platz. D i e Beklagten waren Taxiunternehmer, die ihre Taxis auf dem Platz abstellten, u m auf Kunden zu warten. D e r Halteplatz war ihnen von der Polizei zugewiesen und durch Schilder gekennzeichnet worden. D i e Klägerin wollte die unentgeltliche N u t z u n g des Platzes durch die Taxiunternehmer nicht mehr dulden und bemühte sich u m den Abschluß eines Vertrages mit den Unternehmern. Diese waren jedoch zur Zahlung eines monatlichen Entgelts von D M 5,00 nicht bereit, weil der Platz nach ihrer Auffassung im G e m e i n gebrauch stand und die N u t z u n g daher nicht von einem Entgelt abhängig gemacht werden durfte. D a das Gericht eine Widmung des Platzes für den öffentlichen Verkehr nicht erkennen konnte, stellte es fest, daß er nicht im Gemeingebrauch stand. E i n Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung der Klägerin sei gegen die Taxiunternehmen hier gegeben, weil sie durch die unbefugte N u t z u n g des Bahnhofsplatzes Aufwendungen erspart hätten. Bei ordnungsgemäßem Vorgehen hätten sie nämlich ein Nutzungsentgelt an die E i gentümerin des Platzes zahlen müssen. Zwar k ö n n e der Gebrauchsvorteil nicht in natura herausgegeben werden; indes sei gemäß § 818 II B G B Wertersatz zu leisten. I m ähnlich gelagerten H a m b u r g e r Parkplatz-Fall 1 0 5 hingegen zog der B G H statt der Eingriffskondiktion die Rechtsfigur des faktischen Vertrages heran. D i e Stadt H a m b u r g hatte einen Teil des Rathausmarktes zu gebührenpflichtigen Parkplätzen bestimmt, die durch die Klägerin verwaltet wurden. D i e Beklagte war Halterin eines K F Z und hatte sich mehrmals auf einen gebührenpflichtigen und bewachten Parkplatz gestellt. Gegenüber dem Angestellten der Klägerin hatte sie erklärt, daß sie die Bewachung ihres Fahrzeugs ablehne und auch kein Entgelt dafür zahlen wolle. D i e Klägerin nahm die Beklagte daraufhin auf Zahlung der Parkgebühr in Anspruch. D i e Beklagte berief sich auf den Gemeingebrauch einer Parkfläche. Dieser sei unentgeltlich; sie könne nicht gezwungen werden, einen Bewachungsvertrag für ihr A u t o abzuschließen. D e r B G H gab der Klage statt; zwischen den Parteien seien durch faktischen Vertrag rechtsgeschäftliche Beziehungen zustande gekommen, aus denen sich die Entgeltpflicht der Beklagten ergebe. D e r moderne Massenverkehr erfordere es in gewissem U m f a n g , rein faktischen Vorgängen nach ihrer sozialtypischen Bedeutung rechtsgeschäftliche Wirkungen beizulegen. Dies sei der Fall bei der Inanspruchnahme von tatsächlichen öffentlichen Angeboten im modernen Massenverkehr 1 0 6 . H i e r sei ein Vertragsverhältnis dadurch zustande gekommen, daß die Beklagte die kenntlich gemachte Parkfläche zum Parken benutzt habe. Auf ihre Erklärung, keinen Vertrag abschließen zu wollen, k o m m e es nicht an.

105 106

BGH 14.7.1956, BGHZ 21, 319ff. BGH 14.7.1956, BGHZ 21, 333 f.

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Kapitel IV: Rechte an Sachen

In einem obiter dictum weist das Gericht darauf hin, daß auch eine Verurteilung der Beklagten nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung in Betracht gekommen wäre. Erstaunlicherweise sah der B G H das Erlangte nicht in der N u t z u n g des Parkplatzes mit Bewachung des K F Z , dessen Wert gemäß § 818 II B G B herauszugeben wäre, sondern in dem ersparten Benzin und der ersparten Zeit, die die Beklagte hätte aufwenden müssen, wenn sie sich einen anderen, gebührenfreien Parkplatz gesucht hätte 1 0 7 . Diese Sichtweise führt bei der Bestimmung des Erlangten nicht zum richtigen Ergebnis. D u r c h den Eingriff erlangt hat die Beklagte vielmehr die N u t z u n g des gebührenpflichtigen Parkplatzes. D a die N u t z u n g , die eine tatsächliche Handlung darstellt 1 0 8 , als solche nicht herausgegeben werden kann, muß der Bereicherungsschuldner gemäß § 818 II B G B dem Kondizienten den Wert des Erlangten ersetzen. D e r Wert der N u t z u n g wiederum bestimmt sich danach, was die Beklagte bzw. eine beliebige Person hätte aufwenden müssen, um die N u t z u n g zu erlangen. U m auf dem H a m b u r g e r Rathausplatz parken zu dürfen, hätte die Beklagte die Parkgebühr aufwenden müssen. D a h e r ist der Wert der N u t z u n g (Parken auf dem Rathausplatz) gleich der zu entrichtenden Parkgebühr. E i n anderer Fall der unbefugten N u t z u n g von Sachen betraf die v o m Eigentümer nicht gestattete Verwendung von Gerüstbohlen durch den Beklagten 1 0 9 . Gelegentlich spielt die Eingriffskondiktion aber auch im Rahmen von Vertragsverhältnissen eine Rolle. Dies ist insbesondere im Zusammenhang mit Mietverträgen der Fall. E i n Beispiel bietet ein Rechtsentscheid des K G aus dem J a h r 1992. Ein Vermieter und Eigentümer (Kläger) ließ in sein Mietshaus einen Aufzug einbauen und teilte dies den Mietern, darunter auch dem Beklagten mit, indem er die Baumaßnahmen beschrieb und um Mitteilung bat, ob die Mieter bereit seien, das Vorhaben zu dulden. E r hielt dabei aber nicht die in § 541 b II B G B genannte Frist von 2 Monaten ein. D e r Beklagte erhielt dieses Schreiben nach dem Beginn der Bauarbeiten und antwortete nicht darauf. N a c h dem Abschluß der Arbeiten machte der Kläger eine Mieterhöhung nach § 3 I M H G wegen der mit dem Aufzug verbundenen Wohnwertverbesserung geltend. D e n verlangten Mietzuschlag bezahlte der Beklagte nicht, benutzte den Aufzug aber ständig. D e r Kläger nahm den Beklagten nunmehr auf die mit Geltendmachung des Mieterhöhungsverlangens aufgelaufenen Erhöhungsbeträge in Anspruch. Das K G , dem die Sache v o m L G zum Erlaß eines Rechtsentscheids vorgelegt worden war, ließ offen, ob das Mieterhöhungsverlangen nach § 3 I M H G wegen der nicht eingehaltenen Frist des § 541 b II B G B unzulässig war. Es sei jedenfalls ein Anspruch des Klägers aus Eingriffskondiktion nach § 812 I 1, 2. Alt. B G B gegeben. D e r Beklagte hat den Aufzug unbefugt benutzt. D e r G e brauch des Aufzugs ist nicht zum Gegenstand des Mietvertrages zwischen den Parteien geworden. D e r Kläger habe nur denjenigen Mietern die Erlaubnis zur Benutzung des Aufzugs einräumen wollen, die der Modernisierungsmaßnahme 107 108 109

B G H 14.7.1956, B G H Z 21, 335. B G H 24.11.1981, B G H Z 82, 299 (307) (Kunststoffhohlprofil II). L G Frankenthal, 23.5.1958, M D R 1958, 770.

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zugestimmt hatten und auch bereit gewesen waren, sich an den Kosten dafür zu beteiligen. Beides war im Hinblick auf den Beklagten nicht der Fall. Da er dem Einbau des Aufzuges weder zugestimmt (bzw. ihn bloß geduldet) hatte, noch bereit war, sich über eine Mieterhöhung nach M H G an den Kosten zu beteiligen, war er auch nicht zur Nutzung des Aufzuges befugt. Dem Eigentümer und Vermieter des Hauses, der auch das Eigentum am Aufzug hat, steht allein die Befugnis darüber zu, über die Nutzung des Aufzugs zu entscheiden. In dieses aus dem Eigentum fließende Nutzungsrecht des Klägers hat der Beklagte eingegriffen. Da er die Nutzung nicht in natura herausgeben kann, schuldet der Beklagte dem Kläger gemäß § 818 II BGB die Herausgabe des Wertes. Dieser Wert ist nach dem für die Nutzung üblichen Entgelt zu bemessen; das Entgelt entspricht dem Betrag der Mieterhöhung. Der Beklagte kann sich nicht darauf berufen, daß er sich bei einem Ausschluß der Nutzung anderweitig beholfen hätte, etwa durch Benutzung der Treppe. Er muß sich daran festhalten lassen, daß er tatsächlich eben nicht die Treppe, sondern den Aufzug benutzt hat. Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß die Eingriffskondiktion in Fällen wie diesen Grenzen aufweist. Handelt es sich um eine Baumaßnahme - wie z.B. eine Außensanierung - , die allen Mietern zugute kommt, ob sie dies nun wollen oder nicht, so kann der Vermieter bei einer Verweigerung der Zustimmung zu einer Mieterhöhung nach dem M H G den Mieterschutz nicht dadurch umgehen, daß er die Mieterhöhung im Wege der Eingriffskondiktion durchsetzt. Ein Anspruch aus § 812 I 1, 2. Alt. BGB ist in solchen Fällen nicht gegeben, weil der Mieter nicht rechtsgrundlos etwas auf Kosten des Vermieters erlangt hat. Die Nutzung des (verbesserten) Hauses ist durch den Mietvertrag gedeckt. Es fehlt daher an der Rechtsgrundlosigkeit. Sehr umstritten war in Rechtsprechung und Schrifttum, ob die unbefugte Untervermietung eine Eingriffskondiktion gemäß § 812 I 1, 2. Alt. BGB auslöst. Zum Teil wird dieser Anspruch deshalb bejaht, weil durch die Untervermietung eine intensivere Nutzung der Mietsache verursacht wird und sich der Vermieter die Befugnis zur Erteilung der Untermieterlaubnis (§ 549 BGB) entgelten lassen kann. Dabei sprechen sich einige für eine analoge Anwendung von § 816 I 1 BGB aus 110 , während andere die allgemeine Eingriffskondiktion nach § 812 I 1, 2. Alt. BGB für anwendbar halten 111 . In einer jüngeren Entscheidung lehnt der B G H demgegenüber einen Bereicherungsanspruch auf Herausgabe dessen, was durch unbefugte Untervermietung erlangt worden ist, ab 112 . U m bei unberechtigter Untervermietung einen Anspruch aus Eingriffskondiktion des Eigentümers und Vermieters gegen den (Haupt-)Mieter auf Her110 Diedericbsen, Anmerkung zu BGH 20.5.1964, NJW 1964,2296f., Staudinger(-Emmericb), § 549 Rz. 17. 111 MüKo(-Lieb), § 812, Rz. 222; Erman(-Westermann), § 812, Rz. 71; Kollhosser, Dingliches Wohnrecht und unberechtigte Vermietung, BB 1973, 820 ff. 112 BGH 13.12.1995, NJW 1996, 838ff. (840).

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ausgabe des durch die unberechtigte Untervermietung Erlangten zu begründen, müßte dargelegt werden, daß die unberechtigte Untervermietung einen Eingriff in den Zuweisungsgehalt eines dem Vermieter zugewiesenen Rechts (hier: des Eigentums an der Mietwohnung) darstellt. Der Eigentümer und Vermieter hat sich seines aus dem Eigentumsrecht fließenden ausschließlichen Nutzungsrechts an der vermieteten Sache dadurch begeben, daß er dem Mieter durch den Mietvertrag „den Gebrauch der vermieteten Sache während der Mietzeit" (§ 535 BGB) zu gewähren verpflichtet ist. Das Gebrauchsrecht des Mieters schränkt das Nutzungsrecht des Eigentümers ein. Dieses Recht des Mieters schließt die Befugnis ein, einem Dritten ebenfalls durch Mietvertrag den Gebrauch der Sache zu gewähren (Untermiete). Gemäß § 549 I BGB darf er dies aber nur dann tun, wenn der Vermieter bzw. Eigentümer dazu seine Erlaubnis erteilt. Die entgeltliche Gebrauchsüberlassung einer Sache an Dritte durch den Mieter ist ein Geschäft des Mieters, auch wenn der Untermietvertrag zu seiner Durchführung der Erlaubnis des Eigentümers bzw. des Vermieters bedarf. Darauf deutet auch der Umstand hin, daß die Wirksamkeit des Untermietvertrages durch das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen der Erlaubnis des Vermieters nicht berührt wird 1 1 3 . Es handelt sich bei der Untermiete somit um eine Nutzungsbefugnis des Mieters, nicht des Eigentümers und Vermieters. Dieser ist nicht dazu befugt, selbst einem Dritten Besitz oder Mitbesitz an der vermieteten Sache zum Zwecke des Gebrauchs einzuräumen. An dem Umstand, daß es sich bei der Untervermietung um ein Geschäft allein des Mieters handelt, ändert auch § 549 II BGB nichts, wonach der Vermieter die Einwilligung zur Untervermietung unter bestimmten Voraussetzungen von der Zahlung eines Entgelts durch den Mieter abhängig machen kann. Entscheidend ist, daß der Vermieter die Sache nicht an einen Dritten hätte weitervermieten können 114 . Da es sich bei der Untermiete allein um ein Geschäft des Mieters handelt, erlangt er Vorteile aus der Untermiete, nämlich den Untermietzins, nicht unter Verletzung des Zuweisungsgehalts des Eigentums des Vermieters und damit auch nicht auf dessen Kosten 115 . Damit ist ein Anspruch aus § 812 I 1, 2. Alt. BGB aus allgemeiner Eingriffskondiktion ausgeschlossen. Ein Anspruch des Vermieters gegen den unbefugt untervermietenden Mieter aus § 816 11 BGB scheitert bereits daran, daß es sich bei der Untervermietung nicht um eine Verfügung handelt, sondern um eine schuldrechtliche Gebrauchsüberlassung, die die dinglichen Rechtsverhältnisse an der Sache nicht berührt. Auch eine analoge Anwendung des § 816 11 BGB auf den Fall der obligatorischen Gebrauchsüberlassung durch Untervermietung kommt nicht in Betracht. § 816 1 1 BGB stellt einen Ersatz für die durch den wirksamen Erwerb

B G H 9.10.1985, N J W 1986, 308 f. Siehe Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 310; Neumann-Duesherg, Ansprüches des Eigentümers gegen den Mieter wegen unberechtigter Untervermietung, BB 1965, 730. 115 So auch B G H 13.12.1995, N J W 1996, 840. 113

114

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des gutgläubigen Dritten verlorengegangene Vindikation des Eigentümers dar 1 1 6 . Insoweit besteht zu der Situation der Untermiete keine Rechtsähnlichkeit: D e r Mieter, der unbefugt die Mietsache untervermietet, greift nicht in ein N u t zungsrecht des Eigentümers/Vermieters ein. Das Recht zur Untervermietung steht nur dem Mieter, nicht dem Eigentümer/Vermieter zu. Gelegentlich erweist sich bei Nutzungsfällen die Feststellung des richtigen Bereicherungsschuldners als problematisch. E i n Beispiel dafür liefert die E n t scheidung des B G H v o m 19.4.1985 1 1 7 , die oben 1 1 8 schon näher behandelt worden ist. In diesem Fall hatte der Vermieter von Wohnungen seinen Mietern Stellplätze in einer Tiefgarage vermietet, die unter dem Mietshaus und dem Nachbargebäude mit Eigentumswohnungen belegen war. D i e Zuwegung führte über das Nachbargrundstück. F ü r beide Grundstücke ist eine öffentlichrechtliche Baulast eingetragen worden, wonach die beiden Grundstücke für die Dauer ihrer Bebauung als Einheit zusammengefaßt bleiben. Damit kann die Stellplatzverpflichtung für beide Häuser durch die Tiefgarage erfüllt werden. D i e Kläger, die Eigentumswohnungen auf dem Grundstück besitzen, auf dem sich die Zuwegung befindet, nehmen den Eigentümer des Mietshauses auf Herausgabe der Bereicherung in Anspruch, die ihm dadurch entstanden ist, daß seine Mieter die Zuwegung zur Tiefgarage benutzen, ohne daß zwischen den Parteien des Rechtsstreits ein Vertrag darüber abgeschlossen wurde. D e r B G H spricht den Klägern einen Bereicherungsanspruch aus § 812 I 1, 2. Alt. B G B zu. Interessanterweise bediente sich der V. Zivilsenat zu einer Zeit, als sich die Zuweisungsgehaltstheorie in der Rechtsprechung des B G H bereits weitgehend durchgesetzt hatte, zur Begründung der Bereicherungshaftung des Beklagten noch der alten Vermögensverschiebungstheorie, indem er die U n mittelbarkeit der Vermögensverschiebung prüft: „Die sogenannte Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung dient nach heutiger Auffassung u. a. dazu, die Parteien der Nichtleistungskondiktion festzulegen und die Herausgabeverpflichtung auf den durch den Eingriff unmittelbar Begünstigten zu beschränken. ... Unmittelbar begünstigt aus der Nutzung der Tiefgaragenzufahrt ist der Beklagte, wenn er die Tiefgaragenplätze vermietet hat und auch die hierfür nötige Zufahrt schuldet. Sein Vermögensvorteil besteht dann in den ersparten Aufwendungen für die möglicherweise unberechtigte Nutzung des Eigentums der Kläger" 119 . D e r B G H unterläßt es hier, eindeutig zu definieren, was er unter „ N u t z u n g der Tiefgaragenzufahrt" versteht. I m Wortsinne gemeint sein kann damit nur das Befahren der Zuwegung zum Z w e c k des Erreichens und Verlassens der Tiefgarage. N a c h dem v o m Gericht festgestellten Sachverhalt befuhren allein die Mieter, nicht der Beklagte die Zufahrt zur Tiefgarage. Sollte der B G H aber - weitergehend - die N u t z u n g der Zufahrt durch den Beklagten darin sehen, daß er seinen Mietern ja einen Tiefgaragenplatz inklusive Zufahrt vermietet hat, 116 117 118 119

Siehe BGH Siehe BGH

etwa Staudinger(-Lorenz), § 816, Rz. 1. 19.4.1985, B G H Z 94, 160. oben § 8 IV 6 b). 19.4.1985, B G H Z 94, 165.

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so ist dazu anzumerken, daß er rechtlich nicht in der Lage war, die Zufahrt zu vermieten. E r war weder Eigentümer des Grundstücks, auf dem die Zufahrt gelegen ist, noch sonst dinglich Berechtigter. D a h e r konnte er den G e b r a u c h der Zufahrt nicht mit Wirkung für die Kläger seinen Mietern gestatten. Wie der B G H selbst ausführt, bildet die öffentlich-rechtliche Baulast keinen Rechtsgrund für eine wie immer geartete N u t z u n g der Zufahrt. Möglicherweise hindert die Baulast die Eigentümer des Grundstücks nicht einmal daran, gegenüber den Mietern den Anspruch aus § 1004 B G B auf Unterlassung geltend zu machen 1 2 0 . Schließlich meint der B G H , das Erlangte des Beklagten sei der Vermögensvorteil, der sich aus den ersparten Aufwendungen für die möglicherweise unberechtigte N u t z u n g des Eigentums der Kläger ergebe. Gemeint sind damit wohl die Aufwendungen, die der Beklagte hätte eingehen müssen, um mit den Klägern einen Vertrag über die N u t z u n g abzuschließen. Es scheint jedoch zweifelhaft, o b der Beklagte tatsächlich einen Vermögensvorteil erlangt hat. D i e Mieter zahlen im R a h m e n der Miete einen Betrag für die N u t z u n g der Zufahrt und der Garage. Verbieten die Kläger die Zufahrt, so handelt es sich gemäß §§ 541, 537 I B G B u m einen Rechtsmangel der Mietsache, der den Mieter für die D a u e r des Mangels von der Entrichtung des betreffenden Teiles der Miete befreit. Soweit sie bereits in Unkenntnis des Mangels gezahlt haben, können sie den Betrag nach § 812 I 1 B G B (Leistungskondiktion) herausverlangen. D e m z u f o l g e wären in dem Fall der unbefugten N u t z u n g der G a ragenzufahrt die Mieter des Beklagten die richtigen Beklagten gewesen. Eine N u t z u n g des Beklagten an der Garagenzufahrt liegt nicht vor. E r nimmt eine Nutzungshandlung weder durch das Befahren noch durch das Vermieten der ihm nicht gehörigen Zufahrt vor. Zwar schließt der Beklagte einen Mietvertrag mit seinen Mietern ab, der auch den Zugang zu der Garage umfaßt. Mangels Eigentums oder Besitzes ist er jedoch nicht in der Lage, den Mietern den G e b r a u c h an der Zufahrt zu verschaffen. I m Abschluß eines Mietvertrages über eine nicht dem Vermieter gehörende und auch nicht in seinem Besitz befindliche Sache liegt keine N u t z u n g derselben, da es sich weder u m eine F r u c h t der Sache noch um einen Gebrauchsvorteil handelt. Ein Bereicherungsanspruch nach § 812 I 1, 2. Alt. B G B wegen Eingriffskondiktion setzt voraus, daß gerade ein Eingriff in fremdes Eigentum zum Erlangen eines Vermögensvorteils geführt hat. Dieser Zusammenhang wird gelegentlich übersehen. D a n n k o m m t es dazu, daß der Anspruch aus Eingriffskondiktion dazu verwendet wird, einen fehlenden Schadensersatzanspruch funktionell zu ersetzen. Eine solche F u n k t i o n ist dem Anspruch aus § 812 I 1, 2. Alt. B G B jedoch fremd; führt der Eingriff in fremdes R e c h t zu einem Schaden des Berechtigten und nicht zu einem Vorteil des Eingreifers, so ist kein Bereicherungsanspruch gegeben. Beispiele für eine solche Fehlanwendung bieten die Entscheidungen des B G H v o m 7.3.1986 1 2 1 und des L G K ö l n v o m 120 121

Siehe dazu BGH 8.7.1983, BGHZ 88, 97ff. (101). BGH 7.3.1986, BGHZ 97, 231 ff.

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13.2.1990122. In diesen Entscheidungen ging es um Beeinträchtigungen, die Baumwurzeln an Abwasserleitungen auf dem Nachbargrundstück verursachten. In beiden Fällen unternahmen zunächst die Grundstückseigentümer kostenträchtige Maßnahmen, um der zunächst unbekannten Ursache der Störung der Abwasserleitung auf die Spur zu kommen. Im Verlauf der Arbeiten stellte sich heraus, daß die Verstopfung der Rohre durch Baumwurzeln verursacht worden waren. Die Bäume standen auf den jeweiligen Nachbargrundstücken. Deren Eigentümer war somit Störer nach § 10041 BGB und verpflichtet, die Störung zu beseitigen. Nunmehr begehrten die Grundstückseigentümer den Ersatz der Aufwendungen für die Beseitigung der Störung von den jeweiligen Störern. Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 I BGB scheiterte am fehlenden Verschulden der Störer: Die Bäume standen schon sehr lange an ihrem Platz und die Verwurzelung der Wasserrohre waren nicht vorhersehbar. Auch ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß § 677 BGB war nicht gegeben: Die Grundstückseigentümer handelten nicht mit Fremdgeschäftsführungswillen. Sie wollten vielmehr eine Störung beseitigen, die sie im eigenen Verantwortungsbereich wähnten. Erst als die Rohrleitungen freigelegt worden waren, wurde deutlich, daß die Beeinträchtigung durch die Bäume auf den Nachbargrundstükken verursacht wurde. Letztlich wurde den Eigentümern ein Bereicherungsanspruch wegen Eingriffs nach §81211,2. Alt. BGB gewährt. Das Vorliegen dieses Anspruchs wird damit begründet, daß die Störer nach § 1004 I BGB zur Beseitigung der Störung verpflichtet gewesen wären. Dadurch, daß die Grundstückseigentümer die erforderlichen Arbeiten durchführen ließen und diese bezahlten, seien die Störer von einer ihnen obliegenden Verpflichtung befreit und dadurch in sonstiger Weise auf Kosten der Eigentümer bereichert worden 123 . „Die Kläger haben gegen die Beklagten nach § 812 BGB einen Anspruch auf Ersatz der zur Beseitigung der Verwurzelung erforderlichen Aufwendungen. Ein Bereicherungsausgleich nach den Grundsätzen der sog. Eingriffskondiktion setzt voraus, daß die Beklagte Störerin i.S. des § 1004 BGB gewesen ist, vgl. ..." 124 .

Die Eingriffskondiktion nach § 812 I 1, 2. Alt. BGB setzt voraus, daß der Bereicherte durch Eingriff in den Zuweisungsgehalt eines Rechts des Kondizienten etwas ohne Rechtsgrund erlangt hat. Der „Eingriff" in eine Rechtsposition des Kondizienten liegt hier darin, daß Baumwurzeln unterirdisch von einem Grundstück auf das andere wachsen und dort Wasserleitungen beschädigen. Dadurch erlangt der Bereicherte nichts; vielmehr entsteht dem Kondizienten ein Schaden. Das Problem in diesen Fällen liegt darin, daß der Geschädigte die Beeinträchtigung zunächst auf eigene Kosten beseitigt und dann die Erstattung dieser Kosten vom Störer verlangt. Es ist systemwidrig, einen Schaden bzw. eine Beeinträchtigung nach § 1004 I BGB über den Kunstgriff der ersparten Aufwendungen in eine Bereicherung des Störers umzumünzen. Die 122 123 124

LG Köln 13.2.1990, NJW-RR 1990, 865. BGH 7.3.1986, BGHZ 97, 231 (234). LG Köln 13.2.1990, NJW-RR 1990, 866.

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Bereicherung erfolgt hier nicht durch den Eingriff, sondern durch die Beseitigung des Eingriffs durch den Betroffenen auf eigene Kosten, obwohl eigentlich der Störer nach § 1004 I B G B zur Beseitigung verpflichtet gewesen wäre. Es handelt sich also nicht um eine Bereicherung, die gerade durch Eingriff bewirkt worden ist. Eine Eingriffskondiktion kommt daher nicht in Betracht. Schließlich soll als Beispiel eines Eingriffs in den Zuweisungsgehalt eines Rechts noch auf die Flugreise-Entscheidung des BGH 1 2 5 hingewiesen werden. In diesem Fall flog ein Minderjähriger (kurz vor Vollendung seines 18. Lebensjahres) von München nach Hamburg. Dort gelang es ihm, mit den Transitpassagieren die Maschine wieder zu besteigen und damit nach New York zu fliegen, ohne einen Flugschein für diese Strecke zu besitzen. Neben vielen anderen Aspekten war bei dieser Entscheidung von Anfang an umstritten, ob es sich bei dem Transport des beklagten Minderjährigen um eine Leistung der Fluggesellschaft oder um eine Bereicherung in sonstiger Weise handelte. Als Leistung der Fluggesellschaft wäre der Transport des Beklagten nach New York zu werten, wenn es sich dabei um eine zweckgerichtete Mehrung seines Vermögens gehandelt hätte. Es ist aber davon auszugehen, daß die Fluggesellschaft nur gegenüber solchen Fluggästen ihre Transportleistung erbringen will, die einen Flugschein erworben haben. Hier ist es dem Beklagten bloß deshalb gelungen, nach New York mitzufliegen, weil er sich unter die Transitpassagiere mischte und mit ihnen das Flugzeug besteigen konnte. Dieses Verhalten stellt einen Eingriff in das Eigentumsrecht der Fluggesellschaft am Flugzeug dar. Die Klägerin als Eigentümerin ist allein befugt, über die Nutzung des Flugzeugs zu disponieren. Sie tut dies, indem sie Passagiere mit Flugschein darin befördert. Indem der Beklagte im Flugzeug mitflog, ohne einen Flugschein erworben zu haben, nutzte er das Flugzeug unbefugt. Darin lag ein Eingriff in das Eigentum der Klägerin. Im Schrifttum wird z.T. davon ausgegangen, daß gewerbliche und sonstige Dienstleistungen Gegenstand der Eingriffskondiktion seien126. Wollte man den „Gebrauch fremder Dienstleistungen" als Eingriff i.S. v. § 812 11,2. Alt. B G B qualifizieren, so führte dies zu einer Verwischung der Grenzen von Leistungs- und Eingriffskondiktion, die sowohl der unterschiedlichen Anspruchsgestaltung wie auch den divergierenden Funktionen der Kondiktionsarten nicht gerecht würde. Ein „Gebrauch fremder Dienstleistungen" kann allenfalls dann durch die Eingriffskondiktion erfaßt werden, wenn damit wesentlich die Nutzung von Sachen des Kondizienten durch den Bereicherungsschuldner verbunden ist. Dies ist etwa bei Transportleistungen der Fall, nicht aber etwa bei ärztlicher oder zahnärztlicher Behandlung. Es ist nicht möglich, den Nutzen solcher Dienstleistungen durch Eingriff zu erwerben. Bei ihnen liegt immer eine Leistung vor. Die Restitution von Leistungen, deren Zweck nicht erreicht wird, erfolgt immer im Wege der Leistungskondiktion und nicht durch Eingriffskondiktion. 125 126

BGH 7.1.1971, BGHZ 55, 128. Joerges, Bereicherungsrecht als Wirtschaftsrecht, 67.

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Ein Eingriff in den Zuweisungsgehalt des Eigentums liegt auch dann vor, wenn ein Pfandgläubiger N u t z u n g e n aus der Pfandsache zieht, die er nach dem Rechtsverhältnis zwischen Verpfänder und Pfandgläubiger nicht ziehen darf. G e m ä ß § 1204 B G B verschafft das Pfandrecht dem Pfandgläubiger zum Zwecke der Sicherung einer Forderung ein dingliches Verwertungsrecht an der Pfandsache. D e r Pfandgläubiger ist zum Besitz der Pfandsache berechtigt (§ 1205 I B G B ) . M i t Eintritt der Pfandreife ist der Gläubiger befugt, ohne daß es eines Vollstreckungstitels gegen den Schuldner bedarf, die Pfandsache in den im Gesetz vorgesehenen F o r m e n (§§ 1 2 2 1 , 1 2 3 3 ff. B G B ) zu verwerten, u m sich aus dem Erlös zu befriedigen 1 2 7 . I m Normalfall ist der Pfandgläubiger nicht befugt, die Nutzungen aus der verpfändeten Sache zu ziehen. N a c h § 1213 I B G B kann jedoch zwischen Verpfänder und Pfandgläubiger bei Bestellung des Pfandrechts vereinbart werden, daß der Pfandgläubiger zur Nutzziehung berechtigt ist. G e m ä ß § 1214 II B G B wird der Reinertrag der N u t z u n g zunächst auf K o s t e n und Zinsen und dann auf die geschuldete Leistung angerechnet. Allerdings sind gemäß § 1214 I I I B G B abweichende Vereinbarungen, z . B . des Inhalts, daß der Pfandgläubiger die N u t z u n g e n ohne Anrechnung behalten darf 1 2 8 , möglich. Aus der F u n k t i o n des Pfandrechts sowie im U m k e h r s c h l u ß zu § 1213 B G B ergibt sich, daß der Pfandgläubiger ohne entsprechende Vereinbarung nicht befugt ist, die Pfandsache zu nutzen. Fraglich ist, ob dem Verpfänder ein Anspruch aus Eingriffskondiktion nach § 812 I 1, 2. Alt. B G B zusteht, wenn der Pfandgläubiger ohne entsprechende Vereinbarung die Pfandsache nutzt. Diese Frage hatte das R G am 1.12.1922 zu entscheiden 1 2 9 . In diesem Fall hatte der Beklagte als Vermieter an Sachen der Klägerin ein Vermieterpfandrecht nach § 559 B G B erworben. D u r c h ein Räumungsurteil war die Klägerin gezwungen, aus ihrer W o h n u n g auszuziehen. D i e M ö b e l der Klägerin übergab der Gerichtsvollzieher dem Beklagten, der sein Vermieterpfandrecht an den Sachen geltend machte. D i e M ö b e l wurden von einem Untermieter der Klägerin benutzt. Diesem gegenüber erklärte der Beklagte, er sei nunmehr sein Vermieter und er habe den Mietzins an ihn, den Beklagten zu entrichten. D i e Sachen der Klägerin wurden erst über drei Jahre später versteigert. F ü r die Zwischenzeit verlangte die Klägerin einen Betrag von 150 Reichsmark pro M o n a t als Nutzungsentgelt. Das R G lehnt einen Bereicherungsanspruch aus Eingriffskondiktion mit dem Argument ab, daß die Klägerin die v o m Beklagten in Besitz genommenen M ö b e l ihrerseits nicht mehr hätte vermieten k ö n nen. D a h e r habe der Beklagte den Mietzins aus der Vermietung der M ö b e l nicht auf K o s t e n der Klägerin erlangt 1 3 0 . Allerdings spricht das R G der Klägerin den Betrag aus der Vermietung der M ö b e l aus einer entsprechenden A n wendung des § 1214 II B G B zu. Wenn der Pfandgläubiger für den Fall vertraglicher Einräumung des Nutzungsrechts verpflichtet sei, den Reinertrag der 127 128 129 130

Siehe dazu im einzelnen Baur/Stürner, Sachenrecht, § 55 B IV 1. Erman(-Kückenhoff), § 1214, Rz. 3. RG 1.12.1922, RGZ 105, 408 ff. RG 1.12.1922, RGZ 105, 409.

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Kapitel IV: Rechte an Sachen

Nutzungen dem Schuldner gutzubringen, so müsse das erst recht gelten, wenn der Pfandgläubiger die Nutzungen der Sache ohne vertragliche Gestattung ziehe. Die entsprechende Anwendung des § 1214 II BGB auf den Fall einer vertragslosen, also unbefugten Nutzung der Pfandsache ist abzulehnen. Im Regelfall ist der Pfandgläubiger eben nicht befugt, die Sachen zu nutzen. § 1214 II BGB hat den Fall im Auge, daß ihm ein Vertrag mit dem Verpfänder die Nutzung erlaubt und über die Verwendung des wirtschaftlichen Erlöses aus der Nutzung nichts anderes vorsieht. Dieser Fall ist aber mit dem der Situation der unbefugten Nutzenziehung unvergleichbar. Hier greift der Pfandgläubiger in das Eigentum des Verpfänders ein. Der Herausgabeanspruch gegen den Pfandgläubiger auf den Mietzins, den er durch die Vermietung der Pfandsachen erzielt hat, ist vielmehr auf § 8 1 2 1 1 , 2 . Alt. BGB zu stützen. Die Nutzung der Sachen ist dem Eigentümer allein vorbehalten; die Nutzungsbefugnis ist mit dem Vermieterpfandrecht nicht auf den Beklagten übergegangen. Der Umstand, daß - wegen des Besitzes des Beklagten an der Sache - es der Klägerin unmöglich gewesen ist, die Möbel selbst zu vermieten und den entsprechenden Ertrag zu erzielen, spielt dabei keine Rolle. Entscheidend ist vielmehr, daß die Nutzenziehung aus einer Sache durch Vermietung nicht dem Zuweisungsgehalt des Pfandrechts zugeordnet ist, sondern dem des Eigentums. Deshalb hat der Beklagte den Mietzins für die verpfändeten Möbel auf Kosten der Klägerin erlangt. Dieser Erwerb erfolgte auch ohne Rechtsgrund. Damit stand der Klägerin gegenüber dem Beklagten ein Anspruch aus Eingriffskondiktion auf Herausgabe des Wertes der Nutzungen zu. In der Zusammenschau geben die hier herangezogenen Beispiele aus der Rechtsprechung einen guten Uberblick über Eingriffe in das Eigentum an Sachen. Im nächsten Abschnitt sollen die Schranken des Zuweisungsgehalts des Sacheigentums näher aufgezeigt werden.

IV. Die Grenzen des Zuweisungsgehalts

des Eigentums

Wenn auch das Eigentumsrecht das am umfassendsten ausgestattete Herrschaftsrecht ist, das die Rechtsordnung an einer Sache kennt, so sind doch auch dem Zuweisungsgehalt dieses Rechts Grenzen gezogen. Das BGB enthält kaum klar gezogene, exakt definierte Grenzen des Eigentums. Das Grundgesetz ist insoweit expliziter. Es stellt das Eigentum nicht nur unter den Inhalts- und Schrankenvorbehalt des Art. 141 GG, sondern weist in Art. 14 Abs. 2 G G auf die Sozialpflichtigkeit des Eigentums hin. Während die privatrechtliche Ausgestaltung des Eigentums im wesentlichen die Privatnützigkeit des Rechtsinstituts im Auge hat und Konflikte behandelt, die sich bei der Ausübung von Eigentumsrechten zum privaten Nutzen ergeben, bestimmt Art. 14 II 2 GG, daß der Gebrauch des Eigentums zugleich (mit der Privatnützigkeit) auch dem Wohle der Allgemeinheit zu dienen hat. Die Sozial-

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pflichtigkeit des Eigentums hat zu einer sehr weitreichenden Überlagerung des Privateigentums mit Normen geführt, die das Allgemeinwohl bei der Ausübung der Eigentümerbefugnisse wahren sollen. Die Begrenzungen des bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalts des Eigentumsrechts sind anderer Natur. Der privatrechtlichen Funktion des Eigentums - nämlich der Zuordnung umfassender Herrschaftsgewalt an einer Sache zum Berechtigten - Rechnung tragend, sind die Grenzen des Zuweisungsgehalts des Eigentums im Hinblick auf Rechte anderer Personen und auf das mangelnde Interesse des Berechtigten an bestimmten, dem „Funktionskern" des Eigentums fernen Nutzungsarten gezogen. Das Gesetz legt die einzelnen Befugnisse, die ein Eigentümer in Bezug auf die Sache ausüben darf, nicht fest. Darin kommt zum Ausdruck, daß der Berechtigte autonom über die Sache disponieren darf; soll das Eigentum seine Funktion als Property Right erfüllen - nämlich die Internalisierung externer Effekte und Anreizsetzung zur ausreichenden Produktion von Gütern und Dienstleistungen - so ist erforderlich, daß die Sache heteronomem Einfluß durch Nicht-Eigentümer weitgehend entzogen wird 131 . Die inhaltliche Offenheit des Eigentumsbegriffs ermöglicht die Integration neuer Nutzungsformen an Sachen, die im Laufe der technischwissenschaftlichen Entwicklung entstehen und von denen der historische Gesetzgeber noch nichts gewußt hat. Inhalt und Schranken des Eigentums sind also zeitgebunden. Stellt man die Frage nach den Grenzen des Zuweisungsgehalts des Eigentums, so scheint es sinnvoll zu sein, sich noch einmal der Schwerpunkte zu versichern, bei denen ein Eingriff in den Zuweisungsgehalt des Rechts vorliegt: - bei Beeinträchtigung oder Entziehung des Eigentumsrechts (Beispiel: gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten); - nachteilige Einwirkung auf die Sachsubstanz (von Bedeutung bei § 823 I BGB, nicht bei § 812 BGB, da keine Bereicherung entsteht); - Einwirkungen auf die Sache, die ihren Gebrauch und ihre Nutzung erschweren oder sonst in die Dispositionsbefugnis des Eigentümers eingreifen; - Imissionen und nachbarliche Beeinträchtigungen bei Grundeigentum 132 . Diese Abgrenzung der Eigentumsverletzung bildet die Grundlage des deliktsrechtlichen Eigentumsschutzes. Auch für die Bestimmung des Zuweisungsgehalts des Eigentums im Rahmen des Tatbestandes der Eingriffskondiktion nach § 812 I 1, 2. Alt. BGB läßt sich diese Abgrenzung insoweit nutzbar machen, als bereichernde Eingriffe in den Bestand des Rechts, die Sachsubstanz sowie in die zugewiesenen Nutzungsbefugnisse den Anspruch aus Eingriffskondiktion auslösen. Der bereicherungsrechtlich relevante Zuweisungsgehalt wird vor allem im Bereich der Sachnutzungen problematisch. Es stellt sich hier vor allem die Frage, ob bestimmte Nutzungen einer Sache noch zum Zuweisungsgehalt des Eigentums gehören 131 132

Behrens, Die ökonomische Grundlagen des Rechts, 123. MüKo(-Mertens), § 823, Rz. 67.

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Kapitel IV: Rechte an Sachen

oder nicht. Dabei geht es um die Abgrenzung der Befugnisse, die in B e z u g auf eine Sache dem Eigentümer exklusiv zugeordnet werden und der Handlungsfreiheit Dritter, deren Ausübung notwendigerweise gewisse Beziehungen zu der dem Eigentümer gehörenden Sache aufweist.

1. Gesetzliche Schranken des Grundeigentums:

§§ 905, 906 BGB

§ 905 B G B konkretisiert den U m f a n g des Eigentumsrechts des Grundeigentümers. Sein R e c h t erstreckt sich auf den R a u m über der Oberfläche und den E r d k ö r p e r unterhalb der Oberfläche seines Grundstücks. Eine solche umfassende Zuweisung der Eigentümerbefugnisse würde das Verbietungsrecht des Eigentümers praktisch unbegrenzt ausdehnen. D a h e r begrenzt Satz 2 des § 905 B G B das Recht des Eigentümers, Dritte von der N u t z u n g des Grundstücks auszuschließen, auf die Sphäre, innerhalb derer der Eigentümer vernünftigerweise ein Interesse am Ausschluß Dritter haben kann: D e r Eigentümer kann Einwirkungen auf sein Grundstück nicht verbieten, die in einer solchen H ö h e oder Tiefe vorgenommen werden, daß er am Ausschluß kein Interesse hat. Dabei ist jedes schutzwürdige Interesse des Eigentümers hinreichend, einen Ausschluß von Einwirkungen durch Dritte zu rechtfertigen; dazu ist etwa ein ästhetisches Interesse ausreichend 1 3 3 . § 905 Satz 2 B G B hat nicht die F u n k t i o n , die N u t z u n g seines Grundstücks durch den Eigentümer sachlich zu begrenzen; er darf sein Grundstück im R a h m e n der durch § 903 B G B gezogenen Schranken (Gesetz und R e c h t e D r i t ter) in jeder Weise (also auch in der Luftsäule oberhalb und der Oberfläche und dem Erdkörper unter der Oberfläche seines Grundstücks) nutzen. D i e G e l tendmachung des Verbietungsrechts ist dann unzulässig, wenn eine nicht störende Einwirkung auf das Grundstück nur deshalb untersagt werden soll, weil sich der Eigentümer die Vorteile für die H i n n a h m e der Auswirkung ausbedingen will 1 3 4 . § 906 B G B beschränkt den Abwehranspruch des Eigentümers eines G r u n d stücks (1004 B G B ) in Bezug auf bestimmte Immissionen, die von einem anderen Grundstück ausgehen. D e r Eigentümer kann solche Einwirkungen nicht verbieten, wenn sie die N u t z u n g seines eigenen Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigen. D e r Eigentümer ist darüber hinaus auch zur Duldung von Immissionen verpflichtet, die zu einer wesentlichen Beeinträchtigung führen, wenn diese ortsüblich sind und nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden können. D e r Eigentümer des emittierenden Grundstückes ist dann allerdings zur Leistung eines Ausgleichsentgelts verpflichtet. Erman(-Hagen), § 905, Rz. 4. BGH 15.5.1957, BGH LM § 905, Nr. 2 und BGH 23.10.1980, BGH LM § 905, Nr. 7 = WM 1981, 129. 133 134

§ 17

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2. Die Grenzen des Zuweisungsgehalts des Eigentums photographische Aufnahmen von Sachen und ihre gewerbliche Verwertung Die Frage nach den Grenzen des Zuweisungsgehalts des Eigentums stellt sich aber nicht nur bei den in §§ 9 0 5 , 9 0 6 B G B geregelten Einzelfällen, sondern auch bei anderen Nutzungsarten, bei denen die Zugehörigkeit oder N i c h t zugehörigkeit zum Zuweisungsgehalt des Eigentums im Gesetz nicht ausdrücklich festgelegt ist. E i n Beispiel für eine solche N u t z u n g ist die Befugnis, Sachen photographisch aufzunehmen und die Photos gewerblich zu verwerten. D i e Frage, ob die photographische Aufnahme von Sachen (im wesentlichen: Gebäuden) und die Verwertung dieser Aufnahmen als Eingriffe in den Z u weisungsgehalt des Eigentums zu bewerten sind, ist in Rechtsprechung und Literatur außerordentlich kontrovers diskutiert worden. In einer frühen Entscheidung aus dem J a h r 1909 hatte das K G das Photographieren eines Gasthauses ohne Gestattung des Eigentümers sowie den Vertrieb des Photos als Postkarte als Beeinträchtigung des Eigentums bewertet und einen Unterlassungsanspruch nach § 1004 B G B zugesprochen 1 3 5 . D e r B G H hat diese Frage in dem bekannt gewordenen Fall „Apfel-Madonna" 1 3 6 offen gelassen. In diesem Fall hatte die Klägerin, die eine kunstgewerbliche Werkstatt betrieb, mit Erlaubnis des Eigentümers (des Surmondt-Museums in Aachen) Reproduktionen im Gußverfahren der sogenannten Apfel-Madonna hergestellt und vertrieben. D e r Beklagte, ein Kunstbildhauer, fertigte ebenfalls Reproduktionen der Apfel-Madonna an und verkaufte sie zu einem niedrigeren Preis als die Klägerin. Als Vorlage der Apfel-Madonna diente dem Beklagten eine Reproduktion der Klägerin. D i e Klägerin beantragte, daß dem Beklagten nicht nur die Nachbildung der von ihr angefertigten Reproduktion, sondern auch die N a c h a h m u n g der im Museum stehenden Original-Skulptur untersagt werde. D e r B G H hat die Klage abgewiesen, da durch die Nachbildung weder das Eigentum des Museums noch das Urheberrecht des Schöpfers (die Skulptur stammte aus dem 15. Jahrhundert) noch N o r m e n des U W G verletzt werde. Zwar läßt der B G H die Frage offen, ob eine N u t z u n g des Originals, etwa durch Photografieren, eine Einwirkung auf das Eigentum wäre. D i e bürgerlich-rechtliche Besitz- und Eigentumsordnung schütze die Sachherrschaft über den körperlichen Gegenstand, hier dem Originalwerkstück der Apfel-Madonna, in dem das geistige Werk, welches den Gegenstand des Urheberrechts bilde, physisch festgelegt sei. Eine Einwirkung auf das Eigentum setze zwar keine Veränderung der Sachsubstanz voraus, aber doch eine „unmittelbare konkrete Fühlungnahme mit dem Originalwerkstück" 1 3 7 . D a der Beklagte hier seine Exemplare der A p 135 136 137

KG 25.11.1909, OLGE 20, 402. B G H 13.10.1965, BGHZ 44, 288. B G H 13.10.1965, BGHZ 44, 288.

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fel-Madonna aber nicht nach dem Vorbild des Originalwerkstücks hergestellt hat, hat er - nach der richtigen Auffassung des B G H - nicht auf das Eigentum des Museums an der Original-Skulptur der Apfel-Madonna eingewirkt. Im Fall „Tegeler Schloß", der vom B G H im Jahr 1974 entschieden wurde, lag die Besonderheit darin, daß das photographierte Gebäude von der öffentlichen Straße nicht einzusehen war, sondern der Photograph für die Aufnahme das Grundstück betreten mußte. Die Klägerin war Eigentümerin des Schlosses Tegel, die Beklagte war Inhaberin eines Bildverlages und verfügte über einen Bestand von circa 500 Motiven, der alle bedeutenden historischen Objekte Berlins umfaßte. Zur Komplettierung der Sammlung beauftragte sie einen Photographen damit, das Schloß Tegel aufzunehmen. Dieser begab sich auf das Grundstück und photographierte das Schloß, das von der Straße aus nicht einsehbar war. Der Photograph veräußerte zwei der Aufnahmen an die Beklagte, die sie in ihre Kollektion aufnahm und als Ansichtskarten vertrieb. Die Klägerin, die selbst Ansichtskarten vom Schloß an die Besucher verkaufte, hat beantragt, nach §§ 903, 1004 BGB der Beklagten zu untersagen, photographische Aufnahmen des Schlosses und des Gartens als Ansichtskarten oder in sonstiger Form zu vertreiben. Die Beklagte hat demgegenüber dargelegt, der Photograph habe an der Kasse am Eingang des Schlosses gefragt, ob er Photos machen dürfe; dies sei ihm vorbehaltlos gestattet worden. Das LG hatte die Klage abgewiesen, das KG hatte der Beklagten verboten, die Photos als Ansichtskarten oder Bestandteile von Bildkalendern zu vertreiben. Der B G H wies die Revision der Beklagten zurück. Wesentlich für die Entscheidung des Gerichts war die Erwägung, daß das Schloß nur unter Betreten des Grundstücks photographiert werden konnte. Da der Schloßeigentümer die Sachherrschaft über das Grundstück ausübte, wäre er rechtlich und faktisch in der Lage gewesen, sich allein das Recht, auf seinem Grundstück Aufnahmen anzufertigen, vorzubehalten. „Die gewerbliche Nutzung des Eigentums steht unbeschadet der sich aus der Rechtsordnung ergebenden Sozialbindung des Eigentums im Grundsatz dem Eigentümer zu. Läßt sich die Ansicht eines Gebäudes durch den Vertrieb von Ansichtskarten usw. gewerblich auswerten, so liegt es nahe, das Recht zu solcher Nutzung dem Eigentümer vorzubehalten, der es errichtet hat oder unterhält. Ob dies allgemein zu gelten hat, bedarf hier keiner Entscheidung, mag auch durchaus zweifelhaft sein, da nach § 59 UrhG die Verbreitung - auch die unentgeltliche - der Lichtbilder sogar von unter Urheberschutz stehenden Gebäuden zulässig ist, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden. Liegt ein Gebäude dagegen wie hier auf einem Privatgrundstück und kann es nur fotografiert werden, wenn dieses Grundstück betreten wird, so steht es dem Eigentümer grundsätzlich frei, den Zutritt zu verbieten oder doch nur unter der Bedingung zu gewähren, daß dort nicht fotografiert wird. Der Eigentümer hat somit in einem solchen Fall auf Grund seiner Sachherrschaft die rechtliche und tatsächliche Macht, sich die Möglichkeit, auf seinem Gelände Aufnahmen anzufertigen, ausschließlich vorzubehalten"138. 138

BGH 20.9.1974, G R U R 1975, 501.

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Eine Ausnahme von diesem Recht des Eigentümers läßt der B G H dann zu, wenn er wegen der Sozialbindung des Eigentums verpflichtet ist, Dritten das Photographieren zu gestatten. Dies könne etwa dann der Fall sein, wenn ein allgemeines öffentliches Interesse an der Kenntnis des Aussehens eines Bauwerkes festzustellen sei, welches ansonsten nicht angemessen befriedigt werde. In Wirklichkeit ging es im Schloß Tegel-Fall aber gar nicht um die Befugnis des Eigentümers, einem Dritten das Photographieren auf seinem Grundstück zu verbieten, sondern darum, ob es zu den nach § 903 BGB dem Eigentümer eines Bauwerks zugewiesenen Befugnissen gehört, sein Eigentum durch die gewerbliche Verbreitung von Ansichtskarten zu nutzen. „Wird aber eine Fotografiererlaubnis in Fällen der vorliegenden Art ohne ausdrückliche Einschränkung der Aufnahmen für private Zwecke erteilt, ergibt sich eine solche Einschränkung in der Regel stillschweigend daraus, daß es das natürliche Vorrecht des Eigentümers ist, den gewerblichen Nutzen, der aus seinem nur gegen seine Erlaubnis zugänglichen Eigentum gezogen werden kann, für sich zu beanspruchen. Wer Ansichtskarten eines im Privateigentum stehenden Gebäudes, das nicht frei zugänglich ist, gewerblich herstellt und verwertet, macht sich dabei nach natürlicher Betrachtung einen fremden Vermögenswert nutzbar" 139 . Die Entscheidung hat im Schrifttum überwiegend Beifall gefunden 140 . Allerdings gibt es auch Gegenstimmen, die mit guten Gründen die Zugehörigkeit der Befugnis, eine Sache zu photographieren und die Bilder gewerblich zu nutzen zum Zuweisungsgehalt des Eigentums ablehnen. Zur Begründung wird darauf hingewiesen, daß das Photographieren einer Sache nicht in das Eigentumsrecht an dieser Sache einwirke. Von einer Einwirkung könne nur da gesprochen werden, w o es zu einer unmittelbaren konkreten Fühlungnahme mit der Sache komme 1 4 1 . Die Anwendung dieses Kriteriums führt zu einer verhältnismäßig klar gezogenen Linie der Abgrenzung des Eigentums von der allgemeinen Handlungsfreiheit (etwa des Photographen). Allerdings ist sehr zweifelhaft, ob eine solche Abgrenzung der Funktion des Eigentums gerecht wird: § 906 BGB zeigt, daß durch die Emission bestimmter Stoffe eine Beeinträchtigung des Grundstückseigentums verursacht werden kann, ohne daß es dabei notwendigerweise zu einer Einwirkung auf die Sachsubstanz kommen muß. Das Eigentumsrecht hat auch und gerade die Aufgabe, die Interessen des Rechtsinhabers an der Nutzung der Sache zu schützen, die auch beeinträchtigt werden können, ohne daß die Sachsubstanz in irgendeiner Weise verändert wird: So ist die Nutzbarkeit eines Schiffes stark vermindert, wenn es durch die Sperrung eines Fleetes nicht mehr auslaufen kann 142 . BGH 20.9.1974, GRUR 1975, 502. Siehe Pfister, „Zweigleisige" Rechtswidrigkeitsprüfung und Eigentumsschutz, JZ 1976, 156 ff.; Ernst Wolf, Sachenrecht, 90, Rz. 145; Palandt(-Bassenge), § 1004, Rz. 5; Schmieder, Anmerkung zum Fall Tegeler Schloß, NJW 1975,1164; Gerauer, Der Unterlassungsanspruch des Eigentümers bei gewerblichem Fotografieren, GRUR 1988, 672 ff.; Gerstenberg, Anmerkung zum Fall Tegeler Schloß, GRUR 1975, 502. 141 Ruhwedel, Bürgerliches Recht: Der verunstaltete Hahn, JuS 1975, 242 ff. (243). 142 BGH 21.12.1970, BGHZ 55, 153ff. (159). 139 140

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Eine Verletzung des Eigentumsrechts liegt daher nicht nur bei einem Eingriff in die Substanz des Rechtsobjekts vor, sondern auch dann, wenn dem nutzungsberechtigten Eigentümer der bestimmungsgemäße Gebrauch der Sache entzogen wird 1 4 3 . Die Lösung der Frage, ob und inwieweit durch das Photographieren einer Sache in den Zuweisungsgehalt des Eigentums daran eingegriffen wird, ist durch den Bezug zur Funktion des Eigentums einerseits und in Abgrenzung zu den Befugnissen andererseits zu ermitteln, die dem Urheber eines Werkes zugewiesen sind, das auch in einem Gebäude verkörpert sein kann, wie etwa das Urheberrecht des Architekten eines Gebäudes. Die Abgrenzung des Eigentums vom Urheberrecht ist deshalb erforderlich, weil es nach § 59 I UrhG zulässig ist, Werke, die sich an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, durch Lichtbild zu vervielfältigen, zu verbreiten oder öffentlich wiederzugeben. Wenn schon der Urheber das Photographieren von Gebäuden, die an öffentlichen Wegen stehen, nicht verhindern darf, so spricht viel dafür, daß dies auch dem Eigentümer nicht gestattet ist 144 . Eine klare Abgrenzung von Eigentümerbefugnissen und Urheberrecht ist auch deshalb erforderlich, weil die Annahme, daß die Befugnis zum Abbilden einer Sache zum Zuweisungsgehalt beider Rechte gehört, zu erheblichen Problemen führen würde 1 4 5 . Eigentümerbefugnisse einerseits und Urheberberechtigung andererseits lassen sich - einem Vorschlag von Kübler folgend - wie folgt abgrenzen: Das Erscheinungsbild einer Sache steht dem Eigentümer zu, soweit die konkrete Oberflächenbeschaffenheit der Sache betroffen ist. Ohne Einwilligung des Eigentümers darf die Beschaffenheit nicht verändert werden; auch darf ihm der Anblick nicht durch Immissionen entzogen werden. Demgegenüber ist die abstrakte Sachgestalt, die nicht nur in der Sache selbst verkörpert ist, sondern auch in ihren Abbildungen, nicht dem Zuweisungsgehalt des Eigentums zugeordnet; ist diese Sachgestalt Ergebnis einer geistigen Schöpfung, so sind die Befugnisse daran dem Urheber dieser Schöpfung zugewiesen 1 4 6 . Im Ergebnis ist daher festzustellen, daß die Befugnisse, eine Sache durch Photographieren, Malen oder sonstwie abzubilden nicht dem Zuweisungsgehalt des Eigentums zugewiesen ist. Der B G H hat diese Frage mittlerweile im sog. Friesenhaus-Fall 1 4 7 in diesem Sinne entschieden. Dabei ging es um die Klage des Eigentümers eines im Jahre 1740 erbauten Hauses, dessen Photo von der Beklagten, die Textilprodukte für Innendekoration vertreibt, in ihrem Prospektmaterial ohne Einwilligung des 143 Siehe B G H 21.12.1970, B G H Z 55, 153 (159); B G H 21.6.1977, M D R 1978, 128; B G H 5.6.1990, M D R 1991, 37. 144 Siehe dazu O L G Düsseldorf 17.12.1987, A f P 1991,424 ff. (425); L G Freiburg 17.1.1985, G R U R 1985, 544f.; Kübler, Eigentumsschutz gegen Sachabbildung und Bildreproduktion? FS Baur, 51 ff. (58). 145 Siehe dazu näher Kübler, Eigentumsschutz gegen Sachabbildung und Bildreproduktion?, FS Baur, 58. 146 Kübler, a . a . O . , 58f. 147 B G H 9.3.1989, N J W 1989,2251; Vorinstanz: O L G Bremen 27.1.1987, N J W 1987,420.

§17

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Eigentümers verwendet worden war. Der Kläger verlangte Unterlassung der Verwendung des Photos, Einziehung bereits verteilter Werbeprospekte und Zahlung von D M 10.000. Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Photographieren selbst lasse als Realakt die rechtliche Verfügungsbefugnis des Eigentümers unberührt. Der Kläger werde aber durch das Photographieren auch nicht in der tatsächlichen Nutzung der Sache beeinträchtigt. Dieses hindere den Eigentümer nicht, gemäß § 903 mit der Sache nach Belieben zu verfahren. Da das Photographieren selbst nicht in den Zuweisungsgehalt des Eigentums eingreift, kann auch die gewerbliche Verwertung der hergestellten Photographien nicht in diesen Zuweisungsgehalt eingreifen 148 . „Die gewerbliche Verwertung von Abbildungen der eigenen Sache ist vorliegend auch nicht als selbständiges Ausschließlichkeitsrecht dem Eigentum zuzuordnen. Sie berührt weder die rechtliche noch die tatsächliche Herrschaftsmacht des Eigentümers" l49 . Da das Photographieren von Sachen und die gewerbliche Nutzung der Photographien keine Eingriffe in den Zuweisungsgehalt des Eigentums darstellen, ist das Ergebnis im Fall Tegeler Schloß falsch. Der B G H stützt seine Entscheidung darauf, daß derjenige, der Ansichtskarten eines nicht frei zugänglichen, in Privateigentum stehenden Hauses gewerblich verwertet, „sich dabei nach natürlicher Betrachtung einen fremden Vermögenswert nutzbar macht" 150 . Die Berufung auf die „natürliche" Betrachtungsweise ist indes nicht hinreichend, um zu begründen, daß in der gewerblichen Nutzung der Photos ein Eingriff in den Zuweisungsgehalt des Eigentums am Gebäude liegt 151 . Mit Recht weist Kiibler darauf hin, daß der Verkaufserfolg des Beklagten die Geschäftsinteressen der Klägerin beeinträchtigt, die ebenfalls Ansichtskarten vertreibt. In einer Privatrechtsordnung, die auf Wettbewerbsfreiheit und Privatautonomie beruht, kann der Erfolg des Konkurrenten im Wettbewerb für sich allein genommen nicht das Verdikt der Rechtswidrigkeit tragen. Vielmehr müßte der Geschäftserfolg entweder durch die Verletzung eines der Klägerin zustehenden Exklusivrechts oder durch die Verletzung von Verhaltensnormen, etwa zur Aufrechterhaltung des lauteren Wettbewerbs, errungen worden sein 152 . Auch der Umstand, daß der Photograph die Photos gegen den Willen des Eigentümers und damit rechtswidrig gemacht hat, kann nicht dazu führen, daß die gewerbliche Nutzung der Photos durch den beklagten Verlag unzulässig ist. Es hieße den Eigentumsschutz zu überspannen, wenn der Unterlassungsanspruch gegen das Betreten eines Grundstücks jegliche gewerbliche Nutzung von Photos, die anläßlich eines Verstoßes gegen den Unterlassungsanspruch 148 BGH 9.3.1989, NJW 1989, 2252; OLG Bremen 27.1.1987, NJW 1987, 1420; OLG Düsseldorf 17.12.1987, AfP 1991, 425 f. 149 BGH 9.3.1989, NJW 1989, 2252. 150 BGH 20.9.1974, GRUR 1975, 502. 151 Vgl. dazu auch die Anmerkung von Lohr zur Entscheidung Tegeler Schloß in WRP 1975, 523 ff. (525). 152 Kiibler, Eigentumsschutz gegen Sachabbildung und Bildreproduktion?, FS Baur, 60.

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gemacht worden sind, rechtswidrig machte 153 . Zum einen hat sich der Verlag nicht rechtswidrig verhalten, zum anderen liegt im Photographieren einer Sache keine Nutzung derselben, die dem Eigentümer vorbehalten ist. Gehört die Befugnis, ein Grundstück bzw. Gebäude zu photographieren oder sonst abzubilden, nicht zu den im Rahmen des Zuweisungsgehalts dem Eigentümer vorbehaltenen Berechtigungen, so gilt dies auch für andere Sachen als Grundstücke. In einem vom L G Hamburg entschiedenen Fall 154 hatte der Beklagte, ein Hersteller von in Seglerkreisen bekannten Ferngläsern, in in- und ausländischen Seglerzeitschriften Werbung für eines seiner Ferngläser unter Verwendung eines Photos gemacht, auf dem der hintere Teil einer dem Kläger gehörigen Segelyacht zu sehen war, die - nach den Angaben des Klägers - als eine der vier schnellsten Yachten praktisch jedem Seesegler bekannt gewesen sei. Das Photo hatte die Beklagte von einem Photographen für D M 1 5 0 , - erworben. D e r Kläger verlangt vom Beklagten Lizenzgebühren für die Nutzung des Photos seiner Yacht. Zur Begründung führte er an, die Beklagte habe sich unbefugt einen fremden Vermögenswert zu eigen gemacht. Das L G weist hier zutreffend darauf hin, daß es für einen Anspruch aus Eingriffskondiktion nach § 8 1 2 1 1 , 2 . Alt. B G B nicht ausreiche, daß jemand einen fremden Vermögenswert erlangt habe; vielmehr sei es erforderlich, daß die Beklagte das Erlangte durch einen Eingriff in ein vermögenswertes Ausschließlichkeitsrecht bekommen habe. In Ubereinstimmung mit der Rechtsprechung des B G H lehnt das L G hier einen Eingriff in den Zuweisungsgehalt des Eigentums an der Segelyacht ab: Das äußere Erscheinungsbild einer Sache sei von ihrem Zuweisungsgehalt nicht erfaßt. Dies gilt nicht nur für unbewegliche, sondern auch für bewegliche Sachen. Im Ergebnis ist damit festzuhalten, daß das Photographieren von Sachen und die gewerbliche Verwertung der Photos nicht in den Zuweisungsgehalt des Eigentümers der Sache eingreift. Es handelt sich dabei nicht um eine Nutzung des Eigentums. 153 Bei dem in gewisser Weise analogen Bismarck-Fall des R G ( R G 26.12.1899, R G Z 45, 170) ging es um die Herausgabe von Photos, die zwei Journalisten gemacht hatten, die heimlich in das Sterbezimmer Bismarcks eingedrungen waren und den dort aufgebahrten Leichnam photographiert hatten. Da zu dieser Zeit der zivilrechtliche Schutz des Persönlichkeitsrechts noch nicht anerkannt war, behalf sich das R G damit, den Herausgabeanspruch auf den durch die Journalisten begangenen Hausfriedensbruch zu stützen. Die Photos seien herauszugeben, weil niemand das durch eine rechtswidrige Handlung Entzogene behalten dürfe. Hier hat besonders Kohler darauf hingewiesen, daß der Hausfriedensbruch nicht das in den Bereich der Rechtswidrigkeit einbeziehe, was durch ihn erlangt worden sei. Wenn jemand unter Verstoß gegen das Hausrecht in eine Wohnung eindringe, liege im Ansehen von Bildern und der Niederschrift von Notizen darüber kein erneuter Hausfriedensbruch. Der Herausgabeanspruch auf die Bilder sei daher aus dem Persönlichkeitsrecht herzuleiten, siehe dazu Kohler, Das Eigenbild im Recht, 12. Im Fall Tegeler Schloß hätte der B G H die gewerbliche Verwertung der Photos nur dann verbieten dürfen, wenn er hätte nachweisen können, daß das Photographieren von Sachen und die gewerbliche Nutzung der Photos zu den Befugnissen gehören, die allein dem Eigentümer der Sache unter Ausschluß aller anderen Personen zugewiesen sind. Diesen Nachweis hat der B G H nicht geführt.

§17

3. Gemeingebrauch

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als Grenze des des Eigentums

Zuweisungsgehalts

Der Zuweisungsgehalt des Eigentums grenzt den Bereich der Befugnisse, die dem Eigentümer unter Ausschluß aller anderen Rechtssubjekte allein zugeordnet sind, von dem Bereich ab, in dem sich alle Rechtssubjekte im Rahmen ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit betätigen dürfen. Die dem Eigentümer ausschließlich zugewiesenen Befugnisse sind außerordentlich eingeschränkt bei Sachen, die im Gemeingebrauch stehen. Es handelt sich dabei vorwiegend um Straßen, Wege und Plätze, die im privatrechtlichen Eigentum öffentlich-rechtlicher Körperschaften stehen, welche diese Sachen durch Widmung zum Zwecke des öffentlichen Verkehrs zur Verfügung gestellt haben. Inhaltlich berechtigt der Gemeingebrauch alle Teilnehmer am Verkehr dazu, die dem Verkehr gewidmete Sache ohne gesondertes Entgelt zu benutzen 1 5 5 . Die Beschränkungen, die sich dadurch für das privatrechtliche Eigentum an der Sache ergeben, sind vom Eigentümer hinzunehmen. Die Widmung schließt die Abwehrrechte des Eigentümers gegenüber Nutzungen der Sache aus, die sich im Rahmen des Gemeingebrauchs halten 156 . Zumeist steht die Sache, die durch eine öffentlich-rechtliche Körperschaft dem öffentlichen Verkehr gewidmet wurde, auch im Eigentum dieser Körperschaft. Von daher sind Konflikte zwischen der Nutzung des privatrechtlichen Eigentums und der Nutzung im Rahmen des Gemeingebrauchs zumeist ausgeschlossen; Konflikte sind allerdings nicht selten zwischen Nutzern im Rahmen des Gemeingebrauchs und Anliegern über die Reichweite ihres Nutzungsrechts im Rahmen des (bei Anliegern: gesteigerten) Gemeingebrauchs. Dann geht es darum, ob und inwieweit der Eigentümer einer (die Grenzen des zulässigen Gemeingebrauchs möglicherweise überschreitenden) Nutzung entgegentreten kann und eventuell berechtigt ist, dafür eine Gebühr zu erheben 1 5 7 . Bei einer Nutzung, die die Grenzen des Gemeingebrauchs überschreitet, handelt es sich um eine gebührenpflichtige Sondernutzung 1 5 8 . D e r Gemeingebrauch deckt die Nutzung einer Straße durch jedermann zu Zwecken des Verkehrs, also zum Fahren, Gehen, Reiten, zur Personen- und Sachbeförderung ab 1 5 9 . Zwischen Gemeingebrauch und Sondernutzung ist der sog. Anliegergebrauch angesiedelt. Es handelt sich dabei um eine besonders intensive F o r m des Gemeingebrauchs, der vom Anlieger ausgeübt wird und der Nutzungen an der Straße zuläßt, die über den Gebrauch L G Hamburg 30.4.1993, AfP 1994, 161. § 7 I 1 BFStrG: „Der Gebrauch der Bundesfernstraßen ist jedermann im Rahmen der Widmung unter verkehrsbehördlichen Vorschriften zum Verkehr gestattet (Gemeingebrauch)". In den Straßengesetzen der Länder finden sich Vorschriften vergleichbaren Inhalts. 156 Siehe dazu Baur/Stürner, Sachenrecht, § 26 V. 157 Vgl. Baur/Stürner, a.a.O. m.w.N. 158 Zu Begriff und Definition der Sondernutzung siehe § 8 I BFStrG. 159 B G H 19.12.1956, B G H Z 22, 395ff. (396). 154

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Kapitel IV: Rechte an Sachen

im R a h m e n des schlichten Gemeingebrauchs hinausgehen. D e r Straßeneigentümer muß beim Anliegergebrauch auch Einwirkungen dulden, die sich aus der räumlichen Beziehung des Anliegers zur Straße ergeben. D a z u gehört etwa das vorübergehende Lagern von H o l z oder anderen Sachen auf dem Bürgersteig oder das zeitweilige Abstellen von Autos vor dem Haus des Anliegers. D e r U m f a n g des Anliegergebrauchs ist nicht ein für allemal bestimmt, sondern wandelt sich mit der Entwicklung des Verkehrs und der Verkehrsbedürfnisse 1 6 0 . Gelegentlich hatten die Gerichte die G r e n z e n zwischen den Eigentümerbefugnissen an der Straße und dem Anliegergebrauch zu konkretisieren. Fraglich war etwa, ob der Anliegergebrauch es dem Straßenanlieger gestattet, einen von ihm auf der Straßenfläche errichteten Bauzaun zu Z w e c k e n der Fremdreklame zu nutzen oder ob eine solche N u t z u n g in den Zuweisungsgehalt des Eigentums an der Straße fällt. D e r B G H hat dazu ausgeführt, daß die Widmung der Straße sich auch auf die Erfüllung von Z w e c k e n erstrecke, die erst im Zusammenhang mit der ursprünglichen F u n k t i o n , nämlich dem Verkehr entstehen. D a z u gehöre auch die Unterrichtung des Publikums durch Reklame. In Deutschland habe sich dabei die Rechtsauffassung durchgesetzt, daß Reklameankündigungen, die als Schilder, Lichtzeichen oder Aufschriften von den Häusern der Anlieger in den Luftraum über der Straße hineinragen, zum Anliegergebrauch gehörten und von Straßeneigentümern unentgeltlich zu dulden seien 1 6 1 . In dem zu entscheidenden Fall war jedoch nicht nachgewiesen, daß nach einer Ü b u n g in der betreffenden Stadt Bauzäune, die von den Anliegern auf der Straße errichtet worden waren, auch zu Zwecken der F r e m d reklame genutzt werden durften. Insoweit könnten sich unterschiedliche G e pflogenheiten im Bundesgebiet herausgebildet haben. I m vorliegenden Fall sah der B G H ein Indiz für das Fehlen einer entsprechenden Gepflogenheit darin, daß bisher - jedenfalls nach den Behauptungen der Klägerin - das städtische Bauamt mit den Bauinteressenten Verträge geschlossen habe, durch die Reklame gegen Zahlung eines gewissen Entgelts gestattet worden sei. Ein entsprechendes Beweisangebot war vom Berufungsgericht allerdings nicht berücksichtigt worden. Sollte sich jedoch herausstellen, daß es hinsichtlich der Fremdreklame am Bauzaun keinen entsprechenden örtlichen Anliegergebrauch gebe, so handele es sich u m einen Eingriff in das Eigentum der Klägerin. Das Entgelt, das der Beklagte bei ordnungsgemäßem Vorgehen an die Klägerin zu zahlen gehabt hätte, müsse er an die Klägerin nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung herausgeben. Wenn sich allerdings herausstellen sollte, daß ein entsprechender Anliegergebrauch bestehe, die Klägerin aber von sich aus die bisherige Handhabung geändert habe, so liege kein einen Bereicherungsanspruch begründender Eingriff in das Eigentum der Klägerin vor 1 6 2 . Demgegenüber fällt die Anbringung von Warenautomaten, die in den L u f t raum über der Straße hineinragen, durch Automatenaufsteller aufgrund eines 160 161 162

BGH 19.12.1956, BGHZ 22, 397. BGH 19.12.1956, BGHZ 22, 399. BGH 19.12.1956, BGHZ 22, 400.

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Vertrages mit dem Anlieger in Baden-Württemberg nicht in den Anliegergebrauch, sondern ist als entgeltpflichtige Sondernutzung zu qualifizieren. D e r entscheidende Gesichtspunkt in diesem Fall war der Umstand, daß die Automaten nicht vom Hauseigentümer angebracht wurden, sondern von Automatenaufstellern. D e r Anliegergebrauch stehe nur Anliegern zu, nicht aber Dritten 1 6 3 . Nicht im Gemeingebrauch steht der unter einem Grundstück verlaufende Grundwasserstrom. Zwar handelt es sich bei dem Grundwasser nicht um eine körperliche Sache im Sinne von § 90 B G B , doch untersteht der Grundwasserstrom der ausschließlichen Verfügungsgewalt des Grundstückseigentümers. Wenn der Eigentümer eines Nachbargrundstücks durch Pumpenanlagen und künstliche Ableitungen dem Grundstück Grundwasser entzieht, so liegt darin ein Eingriff in das Ausschließlichkeitsrecht des Grundstückseigentümers. D e r Nutzer des Grundwassers ist dem Eigentümer aufgrund der Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung (Eingriffskondiktion) zur Herausgabe des durch das Abpumpen des Wassers erlangten Vorteils verpflichtet 1 6 4 . Auch im bereits oben erwähnten Hamburger Parkplatzfall spielte die A b grenzung des Gemeingebrauchs von den Befugnissen des Eigentümers eine Rolle. Hier stellte das Gericht zwar fest, daß auch das Dauerparken in der Hamburger Innenstadt (in den 50er Jahren) vom Gemeingebrauch gedeckt gewesen sei. Jedoch gehe die Bewachung der geparkten Fahrzeuge über den normalen Gemeingebrauch hinaus. Für die zusätzliche Leistung könne eine Gebühr verlangt werden 1 6 5 . Im Bahnhofsvorplatz-Fall hatte der B G H der Eigentümerin des Platzes einen Bereicherungsanspruch gegen Taxiunternehmer zugesprochen, die ihre Taxen auf dem Platz parkten. Hier war es den Unternehmern nicht gelungen nachzuweisen, daß das Abstellen der Taxis auf dem Platz im Rahmen des Gemeingebrauches lag 166 . Gelegentlich muß die Rechtsprechung den Zuweisungsgehalt des Eigentums aber auch nach § 905 B G B festlegen. In einem Urteil aus dem Jahre 1980 hatte der Inhaber einer Salzabbaugerechtigkeit die unterirdisch unter dem Grundstück des klagenden Eigentümers entstandenen Kavernen zur Einlagerung von Rohöl benutzt 1 6 7 . Diese Nutzung war vom Eigentümer nicht gestattet worden. Der beklagte Nutzer berief sich hier auf § 905 Satz 2 B G B , wonach ein Eigentümer eine Einwirkung nicht verbieten darf, wenn sie in solcher H ö h e oder Tiefe über oder unter seinem Grundstück vorgenommen wird, daß er an der B G H 4.5.1973, N J W 1973, 1281 ff. (1282). B a y O b L G 22.1.1965, N J W 1965, 973. Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß die Nutzung des Grundwasserstroms durch den Grundstückseigentümer durch das öffentlich-rechtliche Wasserrecht wesentlich eingeschränkt ist, siehe dazu z.B. den sog. Naßauskiesungsbeschluß des BVerfG vom 15.7.1981, N J W 1982, 785ff. 165 B G H 14.7.1956, B G H Z 21, 330. 166 B G H 18.4.1956, B G H Z 20, 273. 167 B G H 23.10.1980, W M 1981, 129ff. ,63

164

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Kapitel IV: Rechte an Sachen

Ausschließung kein Interesse hat. Das Gericht hat hier kein vom Eigentümer hinzunehmendes Nutzungsrecht des Beklagten anerkannt. Die Einlagerung vom Ol gehe über die Befugnis z u m A b b a u von Mineralien durch die vertraglich begründete Salzabbaugerechtigkeit deutlich hinaus. Ein Ausschluß der Verbietungsbefugnis nach § 905 S. 2 B G B sei hier nicht gegeben, weil der Kläger ein Interesse daran habe, die über die die Salzabbaugerechtigkeit hinausgehende, rechtswidrige N u t z u n g durch den Beklagten zu unterbinden. Er könne nämlich in Zukunft selbst ein Interesse an der N u t z u n g der entstandenen Kavernen haben, w e n n der Vertrag über die Salzabbaugerechtigtkeit beendet werde 1 6 8 . Damit hatte der Beklagte unbefugt in den Zuweisungsgehalt des Eigentums des Klägers eingegriffen. Demzufolge stand dem Kläger ein A n spruch aus Eingriffskondiktion nach § 8 1 2 1 1 , 2 . Alt. B G B zu. Da der Beklagte die N u t z u n g nicht in N a t u r a herausgeben konnte, mußte er ein Entgelt nach § 818 II BGB an den Kläger zahlen 1 6 9 .

4.

Zusammenfassung

Wenn auch das Eigentum das umfassendste Herrschaftsrecht in körperlichen Sachen darstellt, das die Rechtsordnung kennt, so zeigen die oben aufgeführten Beispiele deutlich, daß auch dieses Recht und seine A u s ü b u n g nicht ohne Schranken ist. Diese Schranken begrenzen den Zuweisungsgehalt des Eigentums, verstanden als die gebündelten Befugnisse des Eigentümers, mit der Sache nach Belieben zu verfahren und andere von der N u t z u n g derselben auszuschließen. Der Anspruch aus Eingriffskondiktion wegen der unbefugten N u t z u n g oder Verwertung fremden Eigentums nach § 812 I 1, 2. Alt. B G B ist nur insoweit begründet, als der Bereicherungsschuldner etwas durch einen Eingriff in den Zuweisungsgehalt des Eigentums des Kondizienten erlangt hat. Demzufolge begrenzen die oben dargelegten Schranken des Zuweisungsgehalts des Eigentums gleichzeitig die Reichweite des Anspruchs aus Eingriffskondiktion in diesem Bereich. Eine gewisse Begründung für die Grenzen des Eigentums liefert der ö k o n o mische Ansatz der Property Rights-Theorie. Kurz gefaßt liegt der Zweck ausschließlicher Zuweisung von knappen Gütern (in der Rechtsordnung: durch absolute subjektive Rechte) in der Internalisierung externer Effekte, die dann zu einer Effizienzsteigerung führt, w e n n die Gewinne aus der Internalisierung ihre Kosten übersteigen. Die Begründung des Ausschließlichkeitsrechts Eigentum an Sachen bewirkt, daß jeder N u t z u n g der Sache ein Tauschvorgang vorgeschaltet wird. Bei diesem Tauschprozeß kann jeder Nutzungsinteressierte sein Interesse an der N u t z u n g der Sache bekunden, in dem er den anderen N u t 168 169

BGH 23.10.1980, WM 1981, 130. BGH 23.10.1980, WM 1981, 131.

§ 17 Eigentum

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zungsinteressierten seine Zahlungsbereitschaft für die N u t z u n g signalisiert. D e r Eigentümer wird demjenigen die Erlaubnis zur N u t z u n g geben, der den höchsten Preis dafür zu zahlen bereit ist. U n t e r der Voraussetzung eines funktionierenden Wettbewerbs führt der marktliche Tauschmechanismus dazu, daß eine Sache an den O r t ihrer am höchsten bewerteten N u t z u n g wandert. Zugleich wird den Herstellern von Sachen ein Anreiz gegeben, knappe Güter in ausreichendem M a ß e zur Verfügung zu stellen; dies würde nicht geschehen, wenn jedermann freien Zugriff auf knappe Ressourcen hätte. D i e Wertschätzung, die Güter im Verhältnis zur Wertschätzung anderer G ü t e r genießen, hängt von ihrer Fähigkeit ab, N u t z e n für potentielle Rechtsinhaber zu stiften und von der Vorstellung, die die potentiellen N u t z e r von der Nützlichkeit haben. D i e Vorstellung und der N u t z e n von Sachen können sich im Verlauf der technischen und sozialen Entwicklung ändern; dann ändert sich auch der Schutzbereich des dem Eigentümer zugewiesenen Ausschließlichkeitsrechts. Weil es einem in seiner Zeit und ihren Begrenzungen handelnden historischen Gesetzgeber nicht möglich ist, alle Nutzungen, die in Bezug auf Sachen möglich sind, vorherzusehen und festzulegen (und damit auch zugleich neue N u t z u n g s formen für die Zukunft ausschließen würde), wird der Begriff des Eigentums in § 903 B G B nicht inhaltlich durch Angabe bestimmter Eigentümerbefugnisse, sondern nur formal definiert. D i e Zuweisung von Nutzenbündeln an den B e rechtigten endet jedoch dort, w o es u m Handlungen geht, die zwar einen Bezug zu der betreffenden Sache aufweisen, welche aber für die ökonomischen E n t scheidungen über die Sache in aller Regel irrelevant sind. Dies sei an einem Beispiel erläutert. In Häusern w o h n e n und arbeiten Menschen. Häuser können von ihren Eigentümern selbst benutzt, vermietet oder verkauft werden. G r u n d stücke können zur Absicherung von Krediten genutzt werden. In Autos fahren Menschen; Autos können auch zur Beförderung von Fracht benutzt werden. Autos eignen sich dazu, vermietet, verkauft oder verpfändet zu werden und noch auf viele andere Arten genutzt zu werden. Häuser und Autos werden aber von ihren Eigentümern in der Regel nicht deshalb erworben, weil sie mit dem Erscheinungsbild der Sache (als P h o t o , Gemälde, Zeichnung etc.) einen Ertrag erzielen wollen. In anderen Worten: D i e wirtschaftliche Entscheidung, in den E r w e r b eines Hauses oder Autos zu investieren und die dafür aufgewandten Mittel nicht für alternative Zwecke zu verwenden, hängt nicht davon ab, ob die Befugnis, ein Haus oder A u t o zu photographieren und das P h o t o gewerblich zu verwerten, durch das Eigentum exklusiv dem Berechtigten am Haus oder A u t o zugewiesen ist. D i e Nutzbarkeit eines Grundstücks und damit auch sein ökonomischer Wert werden aber sehr stark davon beeinflußt, ob und inwieweit der Eigentümer andere v o m Betreten des Grundstücks abhalten darf 1 7 0 . Liegt dem Erscheinungsbild einer Sache eine geistige Schöpfung zugrunde, so wird dem U r h e b e r dieser Schöpfung die Berechtigung daran durch das U r h e berrecht gewährleistet. 170

Siehe etwa B G H 20.9.1974, G R U R 1975, 500.

542

Kapitel IV: Rechte an Sachen

Die Entscheidung, ob eine konkrete Handlung mit Bezug auf eine Sache wie die Verwertung von Photographien von Häusern oder Segelyachten etc. zum Bereich der Befugnisse gehört, die dem Eigentümer exklusiv vorbehalten sind, ergibt sich nicht aus dem Recht selbst, da die durch es gewährten Handlungsbefugnisse im Gesetz nicht abschließend definiert sind. Die Entscheidung kann nur unter Berücksichtigung des Zwecks des Rechts und der Vorstellungen getroffen werden, die sich die Rechtssubjekte über den Nutzen bestimmter Sachen machen. Generalisierend läßt sich sagen, daß die Zurechnung einer Handlung zu den Nutzungen des (z.B. Eigentums-)Rechts um so schwächer wird, je mehr es sich um eine Randnutzung handelt, die sich mehr und mehr vom Kern der gesellschaftlich anerkannten Nützlichkeit der Sache entfernt. Tangiert eine Handlung eines Dritten in Bezug auf eine Sache die Ausübung der Befugnisse des Eigentümers nicht mehr, so ist es nicht sinnvoll dem Eigentümer das Recht zuzugestehen, eine solche Handlung zu verbieten. Hier liegt der Sinn des § 905 S. 2 B G B . Anders liegt es hingegen beim Gemeingebrauch. Die Handlungen desjenigen, der sein Gemeingebrauch ausübt, greifen in den Zuweisungsgehalt des Eigentums des Straßeneigentümers ein. Hier überlagert der durch die öffentlich-rechtliche Widmung festgelegte Zweck der Straße, dem öffentlichen Verkehr zu dienen, die privatrechtlichen Ausschlußrechte des Eigentümers.

V. Das Erfordernis der Rechtsgrundlosigkeit bei der kondiktion nach § 812 11, 2. Alt. BGB

Eingriffs-

1. Das Verhältnis von Zuweisungsgehalt, „auf dessen Kosten " und Rechtsgrundlosigkeit in § 812 I BGB Nach § 812 I 1 B G B ist dem Kondizienten zur Herausgabe verpflichtet, wer „... in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt" hat. Ein Anspruch aus Eingriffskondiktion ist also nur begründet, wenn der Eingriff in den Zuweisungsgehalt eines fremden Rechts zu einer eines Rechtsgrundes entbehrenden Bereicherung des Schuldners geführt hat. Das Erfordernis der Rechtsgrundlosigkeit und insbesondere sein Zusammenhang mit dem Tatbestandsmerkmal „auf dessen Kosten" hat im Schrifttum, das im Zuweisungsgehalt absoluter subjektiver Rechte und vergleichbarer Rechtspositionen die Grundlage des Anspruchs aus Eingriffskondiktion sieht, zu einiger Verwirrung geführt. So wird zum Teil behauptet, die Lehre vom Zuweisungsgehalt bestimme nicht nur die Parteien der Eingriffskondiktion und fülle damit das Tatbestandsmerkmal „auf dessen Kosten" aus, sondern gebe zugleich auch Auskunft darüber, ob ein Erwerb mit oder ohne Rechtsgrund erfolgt sei 171 . 171 Loewenheim, Bereicherungsrecht, 79; Reeb, Grundprobleme des Bereicherungsrechts, 44f.; Larenz, Schuldrecht II (12. Aufl. 1981), § 68 II.

§ 17 Eigentum

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Kritisch wird zu der „Doppelfunktion" des Zuweisungsgehaltsbegriffs angemerkt, daß diese Betrachtungsweise einen klaren Tatbestandsaufbau der Eingriffskondiktion verhindere, die Verbindung zwischen Leistungs- und Eingriffskondiktion unnötig zerschneide und dafür auch sonst keine überzeugenden Gründe vorgebracht werden könnten 172 . Daher ist es sinnvoll, die Funktion des Zuweisungsgehalts im Hinblick auf die Ausfüllung der Tatbestandsmerkmale „auf dessen Kosten" und „ohne Rechtsgrund" in § 812 I 1, 2. Alt. B G B näher zu beleuchten. Das Konzept des Zuweisungsgehalts dient dazu, den Eingriff in den bereicherungsrechtlich geschützten Bereich des Vermögens des Gläubigers zu bestimmen und von der Sphäre abzugrenzen, in der die Handlungsfreiheit Dritter Vorrang genießt. Dem Bereicherungsschuldner wird durch den Anspruch aus § 812 11, 2. Alt. B G B etwas genommen, was er durch eigene Tätigkeit erworben hat. Der Anspruch auf Herausgabe ist zwar dann legitimiert, wenn das durch den Bereicherungsschuldner Erlangte eine bestimmte Beziehung zur Vermögenssphäre des Kondizienten aufweist. Diese Beziehung wird durch den Zuweisungsgehalt des Rechts konstituiert, in den der Bereicherungsschuldner eingegriffen hat. Der Eingriff in den Zuweisungsgehalt eines dem Bereicherungsgläubiger zugeordneten Rechts tritt an die Stelle des Erfordernisses der Entreicherung des Kondizienten, das bei der alten Vermögensverschiebungslehre zur Legitimation des Anspruchs aus Eingriffskondiktion und zur Ausfüllung des Merkmals „auf dessen Kosten" in § 812 I 1 B G B diente. Um die Unzulänglichkeiten dieses Ansatzes, die u. a. in dem Erfordernis der Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung und den dadurch verursachten Unklarheiten lagen, zu überwinden und der Eingriffskondiktion auch im Hinblick auf die unbefugte Inanspruchnahme von Immaterialgüterrechten und anderen Rechtspositionen eine angemessene Abgrenzung ihres Anwendungsbereichs zu geben, wurde das Erfordernis der unmittelbaren Vermögensverschiebung durch die Voraussetzung des Erwerbs im Widerspruch zum Zuweisungsgehalt des verletzten Rechts ersetzt. Es geht also zunächst um die Konkretisierung und Ausfüllung des Tatbestandsmerkmales „auf dessen Kosten" in § 812 11 B G B . Daher sollte die Frage, ob ein Eingriff in ein Recht mit Zuweisungsgehalt vorliegt, auch bei dem Tatbestandsmerkmal „auf dessen Kosten" angesiedelt werden 173 . Demgemäß hat der Bereicherungsschuldner i.S.v. § 812 I 1, 2. Alt. B G B durch einen Eingriff dann etwas auf Kosten des Kondizienten erlangt, wenn der Erwerb des Schuldners dem Zuweisungsgehalt des von ihm unbefugt in Anspruch genommenen Rechts des Kondizienten widerspricht. Die Klärung der Frage, ob in ein mit Zuweisungsgehalt ausgestattetes Recht eingegriffen wurde, grenzt den Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion von Rechtsverletzungen ab, die Rechtspositionen betreffen, welche keinen Zuweisungsgehalt aufweisen. 172 173

Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 88. So auch Koppensteiner/Kramer, a.a.O., 88.

544

Kapitel

IV: Rechte

an

Sachen

Zugleich aber bedeutet die Zuerkennung eines Zuweisungsgehaltes, daß der Erwerb des Rechts, des Sachbesitzes, die Nutzung von Sachen bzw. Rechten rechtsgrundbedürftig sind. Ein solcher Erwerb bedarf für seine Dauerhaftigkeit (man könnte auch sagen: für seine Kondiktionsfestigkeit) eines Rechtsgrundes. Bei Rechten mit Zuweisungsgehalt findet eine Modifikation der dem Rechtsinhaber in Bezug auf das Rechtssubjekt zugeordneten Vermögenswerten Positionen nur dann auf dauerhafter Grundlage statt, wenn ein Rechtsgrund den Erwerb eines Vermögenswertes legitimiert. Die Rechtsgrundbedürftigkeit wird - wie bereits ausgeführt - durch die Qualität des Rechts festgelegt, in welches eingegriffen wurde, nämlich dadurch, daß es sich um ein Recht mit Zuweisungsgehalt handelt. Eine Eigenheit der Kondiktion nach § 812 11,2. Alt. B G B bildet der Umstand, daß der Erwerb des Bereicherungsschuldners durch Eingriff erfolgt sein muß, während sich etwa bei der Leistung der Kondizient selbst im Wege der gewollten, zweckorientierten Zuwendung eines Gegenstandes entäußert haben muß. Die durch den Zuweisungsgehalt des unbefugt in Anspruch genommenen Rechts begründete Rechtsgrundbedürftigkeit des Erwerbes des Eingreifers stellte den Erwerb durch Eingriff von vornherein auf eine brüchige Grundlage: Liegt ein den Erwerb rechtfertigender schuldrechtlicher Vertrag nicht vor, so kann nur noch eine gesetzliche Vorschrift ausnahmsweise einen Rechtsgrund für das Behalten des Erwerbes liefern. In einem Wirtschafts- und Rechtssystem, das auf den Institutionen des Privateigentums und der Vertragsfreiheit beruht, wird der Erwerb von Vermögenswerten, die rechtlich anderen Personen zugeordnet sind, im Grundsatz nur dann von der Rechtsordnung gebilligt, wenn der Inhaber des Rechts, in dessen Zuweisungsgehalt der Vermögenswert fällt, dem Transfer zugestimmt hat. Diese Zustimmung wird in rechtswirksamer Form üblicherweise durch Schuldverträge erteilt, in denen die Konditionen solcher Transfers, insbesondere die Höhe des an den Rechtsinhaber für das zu erwerbende Recht oder die Nutzungsbefugnis daran zu entrichtende Entgelt festgelegt werden. Liegt ein Rechtsgrund für einen Erwerb von Vermögenswerten in Form eines schuldrechtlichen 174 Vertrages vor und erhält der Erwerber den Gegenstand des Vertrages vom Rechtsinhaber, so handelt es sich um eine Leistung. Die Rückabwicklung von auf Leistung beruhendem Erwerb unterliegt dem Recht der Leistungskondiktionen, wenn sich herausstellt, daß der den Rechtsgrund für eine Leistung bildende Vertrag unwirksam ist. In wohl eher selten vorkommenden Fällen kann auch bei einem Eingriff ein Vertrag mit dem „Verlierenden" den Rechtsgrund für die Dauerhaftigkeit des so erlangten Erwerbes bilden. Ein solcher Fall liegt etwa vor, wenn der Hauseigentümer einem Werbetreibenden eine Hauswand zum Zwecke der Reklame vermietet hat, seiner Verpflichtung zur Gebrauchsüberlassung aber nicht nach174 Der sachenrechtliche Einigungs- (§ 929 B G B ) bzw. Auflassungsvertrag (§ 978 B G B ) bildet dagegen keinen Rechtsgrund zum Behalten des erworbenen Gegenstandes.

§17

Eigentum

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kommt und der Mieter eigenmächtig seine Werbeplakate anbringt 175 . Für das Anbringen der Plakate auf der Hauswand - und die daraus fließenden Vorteile - besteht in diesem Fall ein Rechtsgrund in Form des Mietvertrages zwischen den Parteien. Ein anderes Beispiel bietet der Käufer, der sich eine verkaufte Sache eigenmächtig verschafft, die ihm der Verkäufer entgegen seiner Verpflichtung nach § 433 I BGB nicht übergeben hat 176 . Typisch für den Fall der Eingriffskondiktion ist jedoch die Konstellation, daß keine vertragliche Beziehung zwischen den Parteien des Kondiktionsanspruchs besteht. Dann kann sich der Rechtsgrund für das Behalten des durch Eingriff in den Zuweisungsgehalt eines dem Kondizienten gehörigen Rechts aus einer gesetzlichen Vorschrift ergeben. Als Beispiel für einen solchen gesetzlichen Rechtsgrund sei etwa auf § 932 I BGB hingewiesen. Darauf aufbauend läßt sich nun eine klare tatbestandsmäßige und funktionelle Abgrenzung der Merkmale „auf dessen Kosten" und „ohne Rechtsgrund" in § 812 11 BGB im Hinblick auf den Zuweisungsgehalt des verletzten Rechts treffen: Auf Kosten des Kondizienten erlangt ist ein Erwerb dann, wenn er im Widerspruch zum Zuweisungsgehalt des unbefugt in Anspruch genommenen Rechts steht. Die Frage des Zuweisungsgehalts des Rechts, in den eingegriffen wurde, ist also tatbestandlich bei dem Merkmal „auf dessen Kosten" zu verorten. Trotz der unbefugten Inanspruchnahme des dem Kondizienten zugeordneten Rechts kann eine gesetzliche Vorschrift einen Rechtsgrund dafür liefern, daß der Erwerber das Erlangte behalten darf und keinem Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung ausgesetzt ist. Ob ein solcher Rechtsgrund trotz Eingriffs in den Zuweisungsgehalt eines fremden Rechts das Behaltendürfen des Erlangten legitimiert, ist beim Tatbestandsmerkmal „ohne Rechtsgrund" zu prüfen. Diesen Zusammenhang verkennen Reuter/Martinek. Sie wollen die Frage nach dem Zuweisungsgehalt der Rechte beim Tatbestandsmerkmal der Rechtsgrundlosigkeit lokalisieren, denn dort „liegen nach heute herrschender Dogmatik auch für die Eingriffskondiktion ... die Hauptprobleme, denn immer geht es im Bereicherungsrecht um die Rechtsgrundbedürftigkeit von Güterzuordnungen" 1 7 7 . Die Frage der Rechtsgrundbedürftigkeit wird - wie oben ausgeführt - im Rahmen des Zuweisungsgehalts der in Anspruch genommenen Rechtsposition geklärt. Ob im konkreten Fall ein Rechtsgrund nach gesetzlicher Vorschrift den Erwerb trotz Eingriffs rechtfertigt, ist beim Tatbestandsmerkmal „ohne Rechtsgrund" zu prüfen. Die Gegenmeinung führt dazu, daß das Tatbestandsmerkmal „auf dessen Kosten" praktisch keine Bedeutung mehr hätte, jeden Inhalts entleert wäre. Dies entspräche zum einen weder der positiven Regelung des § 812 1 1 BGB noch den Intentionen des Gesetzgebers. Im folgenden sollen die wichtigsten Vorschriften behandelt werden, die einen Rechtsgrund für einen zuweisungsgehaltswidrig und durch Eingriff erlangten Vermögensvorteil liefern. 175 176 177

Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 89. Koppensteiner/Kramer, a. a. O., 89. Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 240.

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Kapitel

IV: Rechte

an

Sachen

2. Gesetzlich fixierter Rechtsgrund bei Eingriffserwerb Ein durch Eingriff bewirkter Erwerb eines Nichtberechtigten wird - in Abwesenheit vertraglicher Vereinbarungen mit dem Berechtigten - häufig nicht von einem Rechtsgrund gedeckt sein, der dem Nichtberechtigten erlaubt, das Erlangte dauerhaft zu behalten und der damit den Anspruch aus Eingriffskondiktion ausschließt. Das Gesetz macht indes aus Gründen des Gutglaubensschutzes und der Rechtssicherheit von diesem Grundprinzip eine Reihe von Ausnahmen. Wie bereits dargelegt, betreffen diese gesetzlichen Vorschriften das Tatbestandsmerkmal der Rechtsgrundlosigkeit und nicht den eigentlichen Gegenstand dieses Abschnittes der Untersuchung, nämlich den Zuweisungsgehalt des Eigentums. Wenn die einen Rechtsgrund schaffenden gesetzlichen Vorschriften dennoch an diese Stelle behandelt werden, so rechtfertigt sich dies daraus, daß die angesprochenen N o r m e n ebenso wie der Zuweisungsgehalt der Rechte, hier: des Eigentums, die Reichweite der Eingriffskondiktion festlegen. Das Gesamtspektrum des Anwendungsbereichs dieses Rechtsinstituts erschließt sich erst, wenn sowohl Inhalt und Grenzen des Zuweisungsgehaltes des Eigentums als auch die gesetzlichen Rechtsgrund-Normen bestimmt worden sind.

a) Gutgläubiger Erwerb von Sachen Nach § 932 I B G B wird der Erwerber durch eine nach § 929 B G B erfolgte Ubereignung auch dann Eigentümer der Sache, wenn sie nicht dem Veräußerer gehört. Zu einem Eigentumserwerb kommt es jedoch dann nicht, wenn a) der Erwerber hinsichtlich der Verfügungsbefugnis des Veräußerers nicht in gutem Glauben war oder b) die Sache dem Eigentümer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen war, § 935 I B G B 1 7 8 . Fraglich ist, ob der gutgläubig Erwerbende nach den Regeln der Eingriffskondiktion dem Berechtigten die Sache zurückübereignen muß. Ein solcher Anspruch würde den Zweck, den der Gesetzgeber mit § 932 I B G B verbunden hat, nämlich den Schutz des gutgläubigen entgeltlichen Erwerbers vor den Folgen, die sich aus der mangelnden Verfügungsbefugnis des Nichtberechtigten ergeben, konterkarieren. Demgegenüber ist der unentgeltliche gutgläubige Erwerber gemäß § 816 I 2 B G B dem Bereicherungsanspruch des Berechtigten ausgesetzt 179 . § 816 I 1 B G B beschränkt den Bereicherungsanspruch des Berechtigten auf das Recht, vom nichtberechtigten Veräußerer dasjenige herauszuverlangen, das dieser aus der Verfügung vom Erwerber bekommen hat. Aus dem Vergleich beider Sätze 178 Die Ausnahme von § 932 B G B greift jedoch nicht Platz, wenn es sich um Geld oder Inhaberpapiere handelt. 179 Darin zeigt sich die geringere Schutzwürdigkeit des unentgeltlichen Erwerbes.

§ 17 Eigentum

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von § 816 I B G B wird deutlich, daß § 816 I 1 dahin zu verstehen ist, daß der gutgläubige entgeltliche Erwerber einem Anspruch aus Eingriffskondiktion des Berechtigten nicht ausgesetzt sein soll. Daraus folgt zwingend, daß der gutgläubige Erwerb nach § 932 I B G B einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Sache durch den Erwerber gegenüber dem alten Berechtigten bildet. Ein Rechtsgrund, der dieses Ergebnis rechtfertigen würde, ergibt sich nicht aus dem Rechtsverhältnis zwischen Erwerber und Nichtberechtigten; denn der Veräußerer war (gegenüber dem Berechtigten) zur Verfügung nicht befugt. Der Erwerber erwirbt das Eigentum auch nicht vom Veräußerer, sondern unmittelbar vom alten Eigentümer. Der Ausschluß des Anspruchs aus Eingriffskondiktion kann nicht auf das Tatbestandsmerkmal „auf dessen Kosten" gestützt werden, denn wegen des unmittelbaren Eigentumsüberganges zwischen Berechtigtem und Erwerber erlangt der Erwerber das Eigentum auf Kosten des vorherigen Eigentümers. Die Verfügung des Nichtberechtigten und der darauf basierende Erwerb des Gutgläubigen stellen einen Eingriff in den Zuweisungsgehalt des Eigentums des vorherigen Berechtigten dar: Als Eigentümer ist er allein befugt, über die Sache rechtsgeschäftlich zu disponieren. D e r Erwerb des Redlichen geht auf das Bestreben nach einem möglichst umfassenden Schutz des gutgläubigen Rechtserwerbs zurück. Vertragliche Beziehungen bestehen zwischen altem Berechtigten und gutgläubigem Erwerber nicht, so daß auch kein Rechtsgrund durch Vertrag konstruiert werden kann. Das Argument, sachenrechtliche Vorschriften regelten ausschließlich die dingliche Zuordnung und enthielten dementsprechend keine Aussagen über den auf schuldrechtlichen Beziehungen beruhenden Rechtsgrund für das Behaltendürfen eines Erwerbs trifft demgemäß nicht zu 1 8 0 . Es gibt keinen Grund, warum man die Vorschriften des Sachenrechts auf diese Funktion beschränken sollte. Im übrigen ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien deutlich, daß der Gesetzgeber sehr wohl davon ausgegangen ist, daß sich aus sachenrechtlichen Normen ein Rechtsgrund ergeben kann: U m auszuschließen, daß §§ 946ff. B G B als Rechtsgrund für den Eigentumserwerb durch Verarbeitung, Verbindung oder Vermischung angesehen werden könnten, hat der Gesetzgeber § 951 B G B mit einer Rechtsgrundverweisung auf die Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung eingefügt 181 . Der Rechtsgrund ergibt sich in den Fällen des gutgläubigen Erwerbs - auch im Hinblick auf die insoweit gleichgelagerte Vorschrift des § 892 I B G B - aus einer N o r m des objektiven Rechts 1 8 2 .

Siehe auch Larenz/Canaris, SchR II/2, § 67 III 2 b. Siehe dazu Mugdan III, Motive, 201. 182 Siehe auch Larenz/Canaris, SchR II/2, § 67 III 2a; ebenso Staudinger(-Lorenz), § 8 1 2 , Rz. 36. 180 181

Vor

548

Kapitel IV: Rechte an Sachen

b) Rechtsgrund

zum Behaltendürfen

nach §§ 955, 957 BGB

D i e §§ 953 ff. B G B regeln die dingliche Zuordnung von Erzeugnissen und sonstigen Bestandteilen einer Sache. Vor der Trennung handelt es sich bei diesen Gegenständen nicht um eigenständige Sachen (§ 93 B G B ) . Diese Eigenschaft gewinnen Erzeugnisse und Bestandteile von Sachen erst mit der Trennung von der Hauptsache. G e m ä ß § 953 B G B ordnet das Gesetz das Eigentum an Erzeugnissen und sonstigen Bestandteilen dem Eigentümer der Muttersache zu. N a c h § 955 B G B erwirbt der gutgläubige Eigenbesitzer mit der Trennung die Erzeugnisse und die sonstigen zu den Früchten gehörenden Bestandteile der Muttersache. Wenn der Eigenbesitzer zum Eigenbesitz nicht berechtigt ist oder ein anderer zum Fruchtbezug befugt ist, so findet der E r w e r b nur dann statt, wenn der Eigenbesitzer bei E r w e r b des Eigenbesitzes gutgläubig war und vor der Trennung nicht bösgläubig geworden ist. § 955 B G B regelt die dingliche Zuordnung der Früchte nach Trennung, wenn jemand die Sache in Eigenbesitz hat. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so erwirbt der nichtberechtigte Eigenbesitzer kein Eigentum an den Früchten. In der Zuordnung des § 955 B G B liegt eine endgültige Entscheidung über das Eigentum an den Früchten. Es wäre ebenso inkonsequent, dem gutgläubigen Eigenbesitzer die Früchte (oder ihren Wert) wieder zu entziehen, wie es eine Kondiktion gegen den entgeltlichen gutgläubigen E r w e r b e r des Eigentums nach § 932 I B G B wäre. Canaris sieht in § 955 B G B keine Rechtsgrundnorm, sondern meint, daß die Bestandskraft des Eigentums sich gegenüber dem Anspruch aus Eingriffskondiktion nach § 993 1,1. Halbsatz B G B richte 1 8 3 . Wenn dies so wäre, fragt es sich, warum § 955 B G B eine so differenzierte Gutglaubensregelung getroffen hat. Im übrigen führt auch der Schlenker über § 993 I, 2. Halbsatz B G B nicht zu anderen Ergebnissen, da es auch hier ebenso wie bei § 955 B G B auf die Gutgläubigkeit des Besitzers ankommt. D a h e r ist im Ergebnis festzustellen, daß § 955 B G B ein Rechtsgrund zum Behaltendürfen der vom Eigenbesitzer zu Eigentum erworbenen Erzeugnisse oder sonstigen zu den Früchten der Muttersache zählenden Bestandteilen liefert, wenn der Eigenbesitzer gutgläubig war. Einen Rechtsgrund gegenüber dem Berechtigten stellt auch § 957 B G B dar. Danach erwirbt jemand, dem ein Nichtberechtigter die Aneignung von Erzeugnissen oder anderen Bestandteilen an der Sache gestattet, das Eigentum an diesen Gegenständen, wenn er zur Zeit der Trennung von der Muttersache oder zur Zeit des Besitzerwerbs an dieser Sache gutgläubig war. Diese Vorschrift ist ihrer F u n k t i o n nach mit § 932 I B G B vergleichbar. Wie diese Vorschrift bildet § 957 B G B einen Rechtsgrund zum Behaltendürfen der Erzeugnisse durch den Erwerber gegenüber dem wirklichen Aneignungsberechtigten. D e r Anspruch

183

Larenz/Canaris,

SchR II/2, § 67 III 2 f.

$ 17

Eigentum

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aus § 812 I 1, 2. Alt. B G B wegen Eingriffskondiktion ist bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 957 B G B ausgeschlossen, da der E r w e r b e r mit Rechtsgrund das Eigentum erworben hat.

c) § 993 I, 2. Halbsatz BGB als Rechtsgrund § 993 I B G B regelt die Haftung des redlichen Besitzers im Rahmen des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses wegen Schadensersatz und Nutzungen. I m Unterschied zum bösgläubigen Besitzer haftet der redliche weder auf Schadensersatz noch auf Nutzungsherausgabe (abgesehen von der Verpflichtung zur Herausgabe der sog. U b e r m a ß f r ü c h t e gemäß § 993 I, 1. Halbsatz B G B ) . Das Verhältnis des Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung und den Nebenfolgen des E B V ist äußerst umstritten. L ä ß t man im Falle des entgeltlichen gutgläubigen und unverklagten Besitzers über § 993 I, 2. Halbsatz B G B den Bereicherungsanspruch auf die N u t z u n g e n ausgeschlossen sein, so ergeben sich Wertungswidersprüche. Entsteht bei der Ubereignung einer Sache keine Vindikationslage, weil zwar das Kausalgeschäft nichtig, die Übereignung aber wirksam ist, so kann der Leistende (neben der Sache selbst) die N u t z u n g e n nach §§ 812 I 1, 1. Alt., 818 I, 818 II B G B kondizieren. Ist aber nicht nur das Kausalgeschäft, sondern darüber hinaus auch noch die Übereignung mangelhaft, so schließt § 993 I, 2. Halbsatz den Anspruch des Eigentümers auf Herausgabe der N u t z u n g e n seinem Wortlaut nach auch aus, soweit diese Ansprüche auf Bereicherungsrecht beruhen. I m Ergebnis würde dies dazu führen, daß der Veräußerer besser gestellt wäre, wenn er sein Eigentum verlöre: D a n n b e k o m m t er nach Bereicherungsrecht auch den Wert der N u t z u n g e n der Sache ersetzt. Behält er sein Eigentum jedoch, so ist er in einer schlechteren Rechtsposition als er es wäre, wenn er sein R e c h t an der Sache verloren hätte: D e r Bereicherungsanspruch auf Nutzungsherausgabe ist nach § 993 I, 2. Halbsatz B G B ausgeschlossen. Dieses Ergebnis ist allgemein als sachlich nicht nachvollziehbar und daher unbefriedigend empfunden worden. In Rechtsprechung und Lehre ist versucht worden, durch eine Zurückdrängung des Anwendungsbereichs des § 993 I, 2. Halbsatz B G B den oben aufgezeigten Wertungswiderspruch zu beseitigen. D i e Rechtsprechung geht grundsätzlich vom Vorrang der §§ 9 8 7 f f . B G B aus und k o m m t demnach grundsätzlich zu einem Ausschluß der §§ 812ff. B G B durch die §§ 9 8 7 f f . B G B bei der Frage der Herausgabe von Nutzungen. In den Fällen der Doppelnichtigkeit (Unwirksamkeit von Kausal- und Übertragungsgeschäft) entgeht sie dem oben angedeuteten Wertungswiderspruch, indem sie die Rechtsgrundlosigkeit mit der Unentgeltlichkeit des Besitzerwerbs gleichsetzt und so über § 988 B G B zu einer Anwendbarkeit des Bereicherungsrechts gelangt 1 8 4 . Dieser Lösungsweg wird im Schrifttum jedoch mit triftigen Argu184 RG 30.1.1940, RGZ 163, 348; BGH 8.10.1953, BGHZ 10, 350 (357); BGH 25.2.1960, BGHZ 32, 76 (94).

550

Kapitel IV: Rechte an Sachen

menten abgelehnt: § 988 B G B wurde vom Gesetzgeber als eine Parallelnorm zu § 816 I 2 B G B angesehen. Dieser Vorschrift liegt die Konstellation zugrunde, daß der Besitzer die Sache durch unentgeltliche Leistung eines Dritten (also nicht des Eigentümers) erlangt hat 1 8 5 . Wie bei § 816 I 2 B G B ist auch das Behaltendürfen der Nutzungen durch den gutgläubigen Besitzer, der die Sache unentgeltlich durch Leistung eines Dritten erlangt hat, weniger geschützt als beim entgeltlichen gutgläubigen Erwerb. Die Vorschrift des § 988 B G B paßt jedoch dann nicht, wenn der Besitzer an den Dritten ein Entgelt für die Sache gezahlt hat 1 8 6 . Gegen den Lösungsweg der Rechtsprechung spricht weiter, daß die Ausnahmevorschrift des § 988 B G B durch die Gleichstellung von Rechtsgrundlosigkeit und Unentgeltlichkeit das Regel-Ausnahme-Verhältnis auf den Kopf gestellt wird 1 8 7 . Im Schrifttum werden zwei Wege zur Uberwindung des Wertungswiderspruchs vorgeschlagen: einmal wird die Anwendung der Leistungskondiktion neben §§ 987ff. B G B generell (Kumulation) zugelassen 188 . Eine andere Auffassung geht vom Vorrang der Leistungskondiktion im Verhältnis zu den §§ 987 ff. B G B aus 189 . Aber auch bei der Eingriffskondiktion stellt sich die Frage des Verhältnisses zu den §§ 987ff. B G B . Soweit ersichtlich hat sich die höchstrichterliche Rechtsprechung noch nicht zu dem Problem des Verhältnisses der Nutzungsherausgabe nach Eingriffskondiktion zu der Nutzungsherausgabe nach §§ 987ff. B G B geäußert. Im Schrifttum haben sich dazu im wesentlichen zwei Auffassungen herausgebildet: Die wohl h . M . schließt die Anwendung der Eingriffskondiktion neben den §§ 987ff. B G B aus 1 9 0 , während eine beachtliche Mindermeinung für die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion neben den §§ 987ff. B G B plädiert 191 . Dies wird vor allem damit begründet, daß der Besitzer bei der Eingriffskondiktion es nicht verdiene, im Vergleich zum Besitzer bei Leistungskondiktion, der dem Nutzungsherausgabeanspruch nach § § 8 1 2 I, 818 I, 818 II 185 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 692 m. Hinweis auf die gesetzgeberischen Motive. 186 Medicus, B R , Rz. 600. 187 Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 200. 188 Staudinger(-Gursky), Vor §§ 987-993, Rz. 25; Medicus, BR, Rz. 600; Gernhuber, B R , § 44 IV 3; Erman(-Hefermehl), Vor §§ 987, Rz. 28. 189 Köhl, Das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis im Anspruchssystem des B G B , 250ff.; Waltjen, Das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis und Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung, AcP 175 (1975), 109ff. (120); Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 681 ff. 190 Medicus, BR, Rz. 600; MüKo(-Medicus), § 988, Rz. 4; Staudinger(-Gursky), § 988, Rz. 3. Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 203 und Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 693 f. machen die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion neben den Regeln für die Nutzungsherausgabe nach dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis von der Wertung des § 992 B G B abhängig. 191 Pinger, Funktion und dogmatische Einordnung des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses, 51 ff.; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 11 C IV 2 b.)bb.).

§17

Eigentum

551

B G B ausgesetzt ist, besser dazustehen 1 9 2 . D e r Besitzer durch Eingriffskondiktion erlange den Besitz regelmäßig durch verbotene Eigenmacht. Diese Auffassung trifft jedoch auf starke Kritik. Zum Teil wird dagegen eingewandt, bei der Eingriffskondiktion erfolge der Erwerb immer ohne Rechtsgeschäft mit entsprechender Gegenleistungsvereinbarung und daher stets unentgeltlich, so daß der durch Eingriff Bereicherte bereits nach § 988 B G B zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet sei. Dieses Argument ist allerdings unzutreffend, da § 988 B G B bei der Eingriffskondiktion nicht anwendbar ist. Die Vorschrift ist nach der gesetzgeberischen Intention als Parallelvorschrift zu § 816 I 2 B G B konzipiert. Sie betrifft - wie oben bereits dargelegt - die Fallkonstellation, daß dem Besitzer der Besitz an der Sache von einem nichtberechtigten Dritten unentgeltlich geleistet worden ist. Wegen der Freigiebigkeit des Dritten ist der Besitz des Besitzers auch hinsichtlich der Nutzungen weniger schutzwürdig als der Besitz, der entgeltlich erlangt wurde. Diese K o n stellation trifft aber hinsichtlich der Eingriffskondiktion nicht zu. Gegen die kumulative Anwendung von Eingriffskondiktion und §§ 987ff. B G B wird auch geltend gemacht, daß durch den Ausschluß der Eingriffskondiktion bei Vorliegen einer Vindikationslage kein „unannehmbarer Wertungswiderspruch" wie bei der Doppelnichtigkeit entstehe 193 . Damit sei auch kein Grund gegeben, der eine Korrektur der gesetzlich vorgesehenen Privilegierung des § 993 I, 2. Halbsatz B G B gebiete 194 . Ein solcher Wertungswiderspruch mag sich bei der Eingriffskondiktion nicht in derselben Schärfe stellen wie bei der Leistungskondiktion in Fällen der Doppelnichtigkeit. Dennoch erschließt es sich nicht ohne weiteres, warum der redliche Besitzer, dem der Besitz geleistet wurde, schlechter gestellt sein soll, als der redliche Besitzer, der den Besitz durch Eingriff erlangt hat. Diese Diskrepanz läßt sich wohl nur dadurch erklären, daß die Feinabstimmung zwischen den Vorschriften des E B V mit der weitgehenden Privilegierung des redlichen Besitzers hinsichtlich von Nutzungs- und Schadensersatzansprüchen, die auch im Hinblick auf seine nur sehr begrenzten Rechte auf Verwendungsersatz nach §§ 994ff. B G B ins Gesetz aufgenommen worden sind, und den Regeln des Bereicherungsrechts nicht vollständig gelungen ist. Dieser Mangel kann jedoch nicht über eine Beseitigung der gesetzlich vorgesehenen Privilegierung des redlichen Besitzers durch eine kumulative Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion neben den Vorschriften des E B V behoben werden. Die h.M. hält daher § 993 12. Halbsatz B G B für eine abschließende Regelung, neben der eine Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion nicht in Betracht kommt. Teilweise wird vorgeschlagen, die in § 992 B G B vorgesehene Regelung der Deliktshaftung des Besitzers, der den Besitz durch verbotene Eigenmacht erlangt hat, auf die Fälle der Eingriffskondiktion zu übertragen. Diese N o r m wird in ihrer Bedeutung dahin generalisiert, daß bei den dort genannten Fällen 192 So Pinger, Funktion und dogmatische Einordnung des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses, 51 f. 193 Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 203. 194 Koppensteiner/Kramer, a. a.O., 203.

552

Kapitel IV: Rechte an Sachen

der Besitzerlangung durch verbotene Eigenmacht oder Straftat eine Privilegierung des Besitzers nicht mehr gerechtfertigt sei 195 . Da jedoch die Erlangung des Besitzes durch Straftat oder verbotene Eigenmacht in aller Regel Besitzerwerb in bösem Glauben darstellen dürfte, käme hier ohnehin die Haftung nach §§ 989, 990 B G B in Betracht. Insgesamt läßt sich daher im Ergebnis feststellen, daß die Eingriffskondiktion wegen Herausgabe der Nutzungen bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 993 I, 2. Halbsatz ausgeschlossen ist 196 . Die Bedeutung des § 993 1,2. Halbsatz B G B geht jedoch über den Ausschluß der Eingriffskondiktion - etwa aufgrund von Spezialität der N o r m - hinaus. Gegenüber dem Eigentümer der Sache, dem nach dem Zuweisungsgehalt des Eigentums auch ihre Nutzungen zustehen, und zu dem der Besitzer keine vertraglichen Beziehungen hat, bildet § 993 I, 2. Halbsatz B G B einen Rechtsgrund zum Behaltendürfen der gezogenen Nutzungen 1 9 7 . Gegen den gutgläubigen besitzenden Nutzer, der den Besitz durch Eingriff erlangt hat 1 9 8 , besteht kein Anspruch auf Herausgabe der Nutzungen nach § 812 I 1, 2. Alt. B G B wegen Eingriffskondiktion, weil der Tatbestand dieser Normen nicht erfüllt ist. Der Besitzer hat die Nutzungen nämlich gemäß § 993 I, 2. Halbsatz B G B mit Rechtsgrund erlangt. Daher ist das Tatbestandsmerkmal des § 812 11 B G B „ohne Rechtsgrund" nicht erfüllt.

d)

Ersitzung

Nach § 937 B G B erwirbt das Eigentum an einer Sache, wer sie 10 Jahre lang in Eigenbesitz gehabt hat. Auch hier erhebt sich die Frage, ob der Eigentumserwerb nach § 937 B G B einen Rechtsgrund zum Behaltendürfen der erlangten Sache bietet oder ob der Ersitzende den Vorteil nach den Regeln des Bereicherungsrechts wieder an den ehemaligen Berechtigten herauszugeben hat. In den Beratungen zum ersten Entwurf des B G B hatte sich die Kommission darauf verständigt, daß ein Erwerb aufgrund gesetzlicher Vorschrift im Zweifel als mit Rechtsgrund erfolgt anzusehen sei. Zunächst hatte die Kommission die entgegengesetzte Annahme erwogen, nämlich in den Fällen, in denen der Verlust des Berechtigten ohne seinen Willen eintritt, generell von der Rechtsgrundlosigkeit des Erwerbes auszugehen, es sei denn, das Gesetz bestimme etwas anderes, fährt dann aber fort: „ D e r § 27 schließt aber auch das Verständniß oder die Billigung des Standpunktes nicht aus: Ist die Rechtsänderung nach den Vorschriften der Rechtsordnung erfolgt, so ist sie auch als des rechtfertigenden Grundes nicht entbehrend anzusehen, sofern nicht das Gesetz ein Anderes bestimmt hat. Beide Standpunkte weichen darin vonein195

203.

Reuter/Martinek,

Ungerechtfertigte Bereicherung, 693 f.; Koppensteiner/Kramer,

a. a. O.,

Larenx!Canaris, SchR II/2, § 74 I 2. Larenx!Canaris, SchR II/2, § 67 III 2 f); § 74 I 2. 198 Der Fall des Besitzers, der durch Eingriff Besitz erlangt und dennoch gutgläubig ist, dürfte in der Realität eher selten sein. 196 197

$ 17

Eigentum

553

ander ab, daß nach dem ersten Standpunkt das Gesetz, wenn die condictio sine causa nicht gelten soll, diese ausschließen muß, nach dem zweiten das Gesetz, wenn die condictio sine causa gelten soll, diese besonders zuzulassen hat, wobei natürlich - mag der eine oder der andere Standpunkt gewählt werden - nicht erforderlich ist, daß das Gesetz die betreffende Anordnung ausdrücklich enthalte, in dem es vielmehr genügt, wenn dieselbe im Wege der Auslegung ermittelt werden kann. D e r zweite Standpunkt hat aber nicht allein für sich, daß er der näherliegende ist, sondern er empfiehlt sich auch deshalb, weil der andere große Gefahren mit sich bringt, wie sich namentlich ergiebt bei Würdigung der Gesetze über Präklusion, Verjährung, Ersitzung, Verluste der Einrede usw. E r ruft nicht allein bei einer großen Zahl von Rechtsnormen den oft schwer zu lösenden Zweifel hervor, ob ein rechtlicher Grund anzunehmen oder zu verneinen sei, sondern er kann auch zu der Ansicht verleiten, es sei der früher vielfach vertretene Grundsatz gebilligt: wer auf Kosten eines Anderen ohne dessen Willen bereichert sei, habe die Bereicherung herauszugeben. Freilich ist auch der andere Standpunkt nicht ohne Gefahr, in dem er gleichfalls in manchen Fällen dem Zweifel Raum laßen mag, ob das Gesetz zugleich den Bereicherungsanspruch habe ausschließen wollen. Allein diese Gefahr ist von weit geringerer Bedeutung und es kann ihr in dem neuen Gesetzbuche durch eine angemeßene Faßung der in Betracht kommenden Rechtsnormen zureichend begegnet werden. Die Billigung des zweiten Standpunktes muß aber in dem Gesetze einen klaren und bestimmten Ausdruck finden, zu welchem Ende es nöthig ist, den § 27 durch einen Zusatz zu verdeutlichen: ,Als rechtlicher (rechtfertigender) Grund ist im Zweifel eine Rechtsnorm anzusehen, welche den Rechtsverlust (oder die Rechtsänderung) ergiebt'. Die Mehrheit beschloß die Aufnahme einer solchen Bestimmung salva redactione" 1 9 9 . I m e r s t e n E n t w u r f lautete § 7 4 8 I I : „Als rechtlicher Grund ist es im Zweifel anzusehen, wenn ein Rechtsverlust auf einer diesen bestimmenden Vorschrift beruht" 2 0 0 . § 7 4 8 I I ist i m z w e i t e n E n t w u r f g e s t r i c h e n w o r d e n , als die V o r s c h r i f t m i t § 7 3 7 v e r s c h m o l z e n w u r d e . A n d e m f ü r die R e g e l u n g des ersten E n t w u r f s a u s g e s p r o c h e n e n P r i n z i p , d a ß ein gesetzlich a n g e o r d n e t e r R e c h t s ü b e r g a n g als i m Z w e i f e l m i t R e c h t s g r u n d e r f o l g t a n z u s e h e n ist, h a t sich später n i c h t s m e h r geändert. S c h o n in den M o t i v e n w u r d e d a r a u f h i n g e w i e s e n , d a ß d e r G e s e t z g e b e r n i c h t bei allen in B e t r a c h t k o m m e n d e n V o r s c h r i f t e n eine a u s d r ü c k l i c h e B e s t i m m u n g t r e f f e n k ö n n e ; d a n n sei d u r c h A u s l e g u n g z u e r m i t t e l n , o b d e r R e c h t s ü b e r g a n g m i t o d e r o h n e R e c h t s g r u n d b e w i r k t w o r d e n sei. I n B e z u g a u f die E r s i t z u n g hatte die erste K o m m i s s i o n in i h r e n B e r a t u n g e n des ersten E n t w u r f s d e u t l i c h g e m a c h t , d a ß der E i g e n t u m s e r w e r b d u r c h E r s i t z u n g als m i t R e c h t s g r u n d e r f o l g t a n z u s e h e n sei 2 0 1 . N a c h d e r A u f f a s s u n g des G e s e t z g e b e r s sollte d e r E r w e r b a u f g r u n d v o n E r s i t z u n g k o n d i k t i o n s f e s t sein. D i e s e F r a g e hat das R G anders e n t s c h i e d e n 2 0 2 . I n d e m F a l l h a t t e die N i c h t e des M a l e r s Adolf 199 200

760. 201 202

von Menzel

( K l ä g e r i n ) d e r P i n a k o t h e k in M ü n c h e n i m J a h r e

Jakobs /Schubert, Die Beratung des BGB, §§ 652-853, 827. Erster Entwurf, abgedruckt in Jakobs/Schubert, Die Beratung des B G B , §§ 652-853, Protokolle I, 1586, abgedruckt bei Jakobs/Schubert, R G 6.10.1930, R G Z 130, 69 ff.

a.a.O., 827.

554

Kapitel IV: Rechte an Sachen

1908 66 Originalwerke des Malers geschenkt, die sie von ihrer Mutter geerbt hatte. Zur Zeit der Schenkung und Ubereignung war die Klägerin geschäftsunfähig gewesen. D e r Vormund verlangte im N a m e n der Klägerin die Bilder v o m beklagten bayrischen Staat heraus. Das R G stellte fest, daß die schenkweise Ubereignung nichtig wäre, wenn sich herausstellen sollte, daß die Klägerin im Jahre 1908 tatsächlich nicht geschäftsfähig gewesen war. D o c h zwischenzeitlich hätte der Beklagte dann nach § 937 B G B durch Ersitzung Eigentum erworben. Das R G bejaht einen Bereicherungsanspruch gegen den Ersitzungseigentümer. Z u r Begründung führt es an, daß die Ablehnung eines solchen Anspruchs zu einem untragbaren Wertungswiderspruch im Hinblick auf die erst nach 30 Jahren verjährende Bereicherungshaftung dessen führen würde, der rechtsgeschäftlich Eigentum erlangt habe 2 0 3 . Wenn ein Geschäftsfähiger einem anderen eine fremde Sache schenke, so sei der Beschenkte 30 Jahre lang einem Bereicherungsanspruch nach § 8 1 6 1 2 B G B ausgesetzt. Schenke hingegen ein Geschäftsunfähiger die fremde Sache, so k ö n ne der Erwerber nach 10 Jahren kondiktionsfrei durch Ersitzung Eigentum erwerben. Solche unterschiedlichen Ergebnisse könne das Gesetz nicht gewollt haben 2 0 4 . D a h e r soll nach Auffassung des R G der Ersitzungseigentümer noch 2 0 Jahre nach Abschluß des Ersitzungstatbestandes auf die Herausgabe der ersitzenden Sache nach Bereicherungsrecht haften. J. v. Gierke plädiert in diesen Fällen dafür, auch denjenigen Erwerber, der ohne Ersitzung Eigentümer geworden ist, nur 10 Jahre nach E r w e r b des Eigentums nach Bereicherungsrecht auf Herausgabe haften zu lassen 2 0 5 . E r gleicht also die „Laufzeit" des Bereicherungsanspruchs der Ersitzungsfrist an. I m Schrifttum wird die Auffassung des R G nur mit Einschränkungen geteilt; bei E r w e r b der Sache durch Rechtsgeschäft von einem nichtberechtigten Dritten soll der Alteigentümer v o m Ersitzenden nicht mehr kondizieren dürfen. A b e r dies führt - ebenso wie die Schenkung einer fremden Sache durch einen G e schäftsunfähigen - zu Widersprüchen, die in der Unterscheidung von Leistungsund Eingriffskondiktion begründet sind 2 0 6 . Wenn der gutgläubige Käufer eine gestohlene Sache 10 Jahre im Eigenbesitz gehabt hat, so hat er nach § 937 B G B Eigentum erworben, welches gegenüber dem Alteigentümer kondiktionsfest wäre. Hätte der Eigentümer die Sache jedoch i.S.v. § 950 B G B verarbeitet und dadurch Eigentum erworben, so wäre er 30 Jahre lang dem Bereicherungsanspruch nach § 951 I, § 812 I, 2. Alt. B G B ausgesetzt. Letztlich sprechen die besseren G r ü n d e dafür, die Ersitzung nach § 937 B G B insgesamt als Rechtsgrund für das erworbene Eigentum gegenüber dem alten Eigentümer anzusehen. D i e Ersitzung dient der Wahrung des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit. Diese Funktion legt es nahe, nicht nach Ablauf der langen Frist von 10 Jah203 204 205 206

RG 6.10.1930, RGZ 130, 73. RG 6.10.1930, RGZ 130, 73. J. v. Gierke, Sachenrecht (4. Aufl. 1959) § 34 II 2. Staudinger/Lorenz, Vorbemerkung zu § 812, Rz. 38.

§17

555

Eigentum

ren die Frage der sachenrechtlichen Berechtigung, die durch die Ersitzung gerade geklärt ist, auf bereicherungsrechtlicher Ebene wieder aufzunehmen. Hinzu kommt, daß eine Verweisung auf die Anwendbarkeit des Bereicherungsrechts, wie sie etwa in § 951 I BGB vorgenommen wurde, bei § 937 BGB fehlt. Auch dieser Umstand spricht dafür, daß es mit dem Eigentumserwerb nach § 937 BGB sein Bewenden haben soll und der erlangte Vorteil nicht an den alten Berechtigten nach Bereicherungsrecht herausgegeben werden soll. Die oben erwähnten Wertungswidersprüche, deren praktische Bedeutung eher als gering anzusehen ist, sollten - wie J. v. Gierke es vorgeschlagen hat dadurch beseitigt werden, daß die Frist, in der ein Bereicherungsanspruch geltend gemacht werden kann, mit der Ersitzungsfrist des § 937 BGB harmonisiert wird 207 . Im Ergebnis ist damit festzuhalten, daß die Ersitzung nach § 937 BGB einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Sache durch den Ersitzenden darstellt; einem Bereicherungsanspruch ist der Ersitzungseigentümer nicht ausgesetzt.

e) Gesetzliche Erwerbstatbestände

ohne

Rechtsgrund

Beispielhaft soll noch auf einige gesetzliche Erwerbstatbestände hingewiesen werden, die keinen Rechtsgrund in sich tragen und die daher - bei Vorliegen der weiteren Tatbestandsvoraussetzungen - eine ungerechtfertigte Bereicherung i.S.v. § 812 I I BGB auslösen. An erster Stelle sind hier die §§ 946ff. BGB zu nennen, die oben bereits ausführlich behandelt worden sind. Nach diesen Vorschriften kann durch Verbindung, Vermischung und Verarbeitung Eigentum erworben werden, ohne daß der vorherige Eigentümer rechtsgeschäftliche Beziehungen zum Erwerber hatte. Es geht dabei lediglich um die formale Zuordnung der Eigentumsposition; das Gesetz will mit der Verschiebung der Eigentumsposition nicht zugleich den wirtschaftlichen Wert der bei der Verbindung, Vermischung und Verarbeitung verwandten Sachen dem neuen Eigentümer zuordnen. Die Rechtsgrundverweisung des § 951 I BGB zeigt völlig eindeutig, daß der Erwerb des Eigentums nach §§ 946ff. BGB nicht mit Rechtsgrund gegenüber dem vorherigen Berechtigten erfolgt. Ein weiteres Beispiel für den lediglich formalen Erwerb eines Rechts, durch den der Bereicherungsanspruch nicht ausgeschlossen wird, bildet der Eigentumserwerb des Finders gemäß § 973 I BGB. Danach erwirbt der Finder das Eigentum an der Fundsache nach Ablauf von sechs Monaten nach der Anzeige des Fundes bei der zuständigen Behörde, wenn ihm nicht vorher ein Berechtigter bekannt geworden ist oder sein Recht bei der Behörde angemeldet hat. Nach § 977 BGB kann der Berechtigte, dessen Eigentum nach § 973 I BGB verloren gegangen ist, vom Finder (bzw. von der Gemeinde, wenn diese nach 207 Siehe Koppensteiner / Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 197; Esser/Weyers, SchR II BT § 52 I 2, 513f.;/. v. Gierke, Sachenrecht, § 34 II 2; ders., Die Einheit des Rechts, Z H R I I I (1948), 70ff.; Staudinger(-Lorenz), Vorbemerkung zu § 812, Rz. 38.

556

Kapitel IV: Rechte an Sachen

§ 976 BGB Eigentum erwirbt) die Herausgabe der Fundsache nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung verlangen. Allerdings gilt für diesen Bereicherungsanspruch nicht die allgemeine Verjährungsfrist des § 194 BGB (30 Jahre), sondern § 977 BGB sieht eine Ausschlußfrist 208 von drei Jahren für die Geltendmachung des Herausgabeanspruchs vor. Erst mit dem Verstreichen der Ausschlußfrist ist der Finder endgültig (d.h.: kondiktionsfest) Eigentümer der Fundsache geworden. Umstritten ist, ob die Vorschrift des § 879 BGB über das Rangverhältnis von im Grundbuch eingetragenen Rechten einen Rechtsgrund für einen Rang bildet, der entgegen der Vorschrift des § 45 G B O über die Reihenfolge der Eintragungen vor einem eigentlich vorrangigen Recht eingetragen worden ist. Der B G H hat in § 879 BGB einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der entgegen § 45 GBO erlangten Rangstelle gesehen und daher den Bereicherungsanspruch des Rechtsinhabers, dessen Rang eigentlich hätte auf der Rangstelle des Rechts des Begünstigten eingetragen werden müssen, ausgeschlossen 209 . Soweit dem Berechtigten durch die Eintragung in nach § 45 G B O falscher Reihenfolge ein Schaden entstanden ist, verweist ihn der B G H auf die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs auf der Grundlage der Amtshaftung gegen das Land, zu dessen Behörden das Grundbuchamt gehört 210 . Demgegenüber faßt ein Teil des Schrifttums § 879 I BGB als eine Vorschrift eher formellen Inhalts auf. Die N o r m habe nur die Aufgabe, Grundbuchinhalt und dingliche Rechtslage einander anzupassen. Sie wolle aber keine endgültige materielle Regelung auch für die Fälle treffen, in denen ein Begünstigter, dessen Recht eigentlich nachrangig ist, einen Vorteil dadurch auf Kosten des Kondizienten erlangt, daß sein Recht vorrangig eingetragen werde 211 . Die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion des § 812 1 1 , 2 . Alt. BGB setzt voraus, daß der Bereicherungsschuldner unbefugt in ein dem Kondizienten zugeordnetes absolutes subjektives Recht oder eine diesem vergleichbare Rechtsposition eingegriffen hat. Dabei handelt es sich um Berechtigungen, die die Innehabung, Nutzung, Verwertung einer Sache oder eines Rechts exklusiv dem Berechtigten vorbehalten und alle anderen Rechtssubjekte davon ausschließen. Eine solche Rechtsstellung ist mit der Rangregelung des § 879 BGB nicht verbunden. Der Berechtigte ist mit seinem Recht noch nicht im Grundbuch eingetragen, sondern es ist erst der Antrag auf Eintragung im Grundbuchamt gestellt. Die dadurch begründete Rechtsstellung besitzt indes keinen Zuweisungsgehalt, da der Berechtigte in Bezug auf das einzutragende Recht (noch) keine exklusive Befugnis (mit Ausschluß aller anderen) innehat 212 . Ein Berei208

Erman(-Hefermehl), § 977, Rz. 2. B G H 20.6.1956, B G H Z 21, 98 ff. (100). 210 B G H 20.6.1956, B G H Z 21, 101. 211 Erman(-Westermann), § 812, R z . 80; Erman(-Hagen), § 879, R z . 11; Westermann, A n merkung zu B G H 20.6.1956, J Z 1956, 6 5 6 f K o p p e n s t e i n e r / Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 198. 212 Siehe Staudinger(-Lorenz), Vorbemerkung zu § 812, R z . 37; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 17 B I 2. 209

§17

Eigentum

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cherungsanspruch ist abzulehnen, weil der Begünstigte mangels Eingriffs in ein Recht mit Zuweisungsgehalt nichts auf Kosten des Berechtigten i.S.v. § 8 1 2 1 1 , 2. Alt. B G B erlangt hat. Darüber hinaus sind Vermögensvorteile, die aufgrund des Ablaufs einer Verjährungsfrist oder einer Ausschlußfrist erlangt wurden, mit Rechtsgrund i.S.v. § 812 11, 2. Alt. B G B erworben worden 2 1 3 . Diese Rechtsinstitute dienen der Rechtssicherheit und der Wahrung des Rechtsfriedens; ein Erwerb, der nach Ablauf der jeweils relevanten Fristen eintritt, soll die Rechtslage endgültig zugunsten des Erwerbers fixieren. Der Erwerb soll nicht über den Anspruch auf Herausgabe der Bereicherung wieder korrigiert werden. Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß die Inanspruchnahme fremder Sachen nach § 904 B G B zum Zweck der Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr kein Rechtsgrund zum Behalten einer etwa aus der Nutzung der fremden Sache erlangten Bereicherung darstellt. Eine Inanspruchnahme fremder Sachen begründet - im Unterschied zu den meisten bisher angesprochenen Fallkonstellationen - einen rechtmäßigen Eingriff in fremdes Eigentum, soweit die Voraussetzungen von § 904 B G B vorliegen. Fraglich ist indes, ob der Eingreifer bzw. der Begünstigte einen Vermögensvorteil, den er aus der Inanspruchnahme der fremden Sache erlangt hat, behalten darf. D e r Zweck der Vorschrift besteht darin, in einer Notstandslage die Inanspruchnahme fremder Sachen zuzulassen, wenn eine gegenwärtige Gefahr besteht und der drohende Schaden unverhältnismäßig höher wäre als der Nachteil, der dem Eigentümer durch die Einwirkung auf sein Recht entsteht. Die Einwirkungsbefugnis auf fremde Sachen ist damit auf den Zweck der Gefahrenabwehr bezogen. Allein dieser Zweck rechtfertigt die Inanspruchnahme der fremden Sache. Damit wird aber auch deutlich, daß § 904 nicht die Aufgabe hat, zwischen den Beteiligten aufgrund des Notstandshandelns erfolgte Vermögensverschiebungen endgültig zu stabilisieren. Soweit das Erlangte des Begünstigten aufgrund des Zuweisungsgehalts des Eigentums dem K o n dizienten zusteht, liefert § 904 B G B keinen Rechtsgrund für das Behaltendürfen des Vorteils 2 1 4 . Im Schrifttum herrschte lange Streit über die Frage, wer Anspruchsgegner des Schadensersatzanspruchs gemäß § 904 S. 2 B G B ist: der Handelnde oder derjenige, zu dessen Gunsten gehandelt worden ist 215 . Beim Anspruch aus Eingriffskondiktion ist diese Frage klar: Bereicherungsschuldner ist derjenige, der etwas aus der Inanspruchnahme der fremden Sache erlangt hat, sei es nun der Eingreifer oder der, dem er geholfen hat. 2 , 3 Siehe z.B. R G 22.11.1929, R G Z 128, 211 (216); B G H 7.11.1960, B G H Z 33, 243 (247); B G H 28.10.1964, B G H Z 43, 1 (12); Staudinger(-Lorenz), Vorbemerkung zu § 812 Rz. 36. 214 Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 91. 215 Die h.M. hält den Einwirkenden für den richtigen Schadensersatzpflichtigen, siehe Erman(-Hagen), § 904, Rz. 8; Palandt(-Bassenge), § 904, Rz. 5; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 25 III lc); B G H 13.5.1952, B G H Z 6, 102ff. A.A. Canaris, Geschäfts- und Verschuldensfähigkeit bei Haftung aus „culpa in contrahendo", Gefährdung und Aufopferung, N J W 1964, 1987 ff. (1993); Kraffert, Der Ersatzpflichtige im Falle des § 904 B G B , AcP 165 (1965), 453 ff.; MüKo(-Säcker), § 904, Rz. 17; Staudinger(-Seiler), % 904, Rz. 38.

§ 1 8 Zuweisungsgehalt und Eingriffsbereicherungsschutz anderer dinglicher Rechte sowie des Rechts an der elektrischen Energie Im vorangehenden Abschnitt wurde ausführlich der Zuweisungsgehalt des „Modellrechts" der absoluten subjektiven Rechte, des Eigentums, sowie der Zusammenhang zwischen Zuweisungsgehalt und Rechtsgrund behandelt. Nun ist das Eigentumsrecht zwar das Modell der Rechte mit Zuweisungsgehalt, an dem bereits einer der Begründer der Zuweisungsgehaltslehre, nämlich Wilburg, seine Theorie von der Fortwirkung des Rechts entwickelt hat1. Jedoch sind eine ganze Reihe anderer dinglicher Rechte und - über den Bereich der dinglichen Rechte hinaus - auch nicht-sachenrechtliche Rechte 2 mit bereicherungsrechtlich relevantem Zuweisungsgehalt ausgestattet.

I. Zuweisungsgehalt des Nießbrauchs Beim Nießbrauch (§§ 1030ff. BGB) handelt es sich um ein höchstpersönliches3 beschränktes dingliches Recht. Höchstpersönlich ist der Nießbrauch deshalb, weil er als unvererbliches (§§ 1061,1068 BGB) und nicht übertragbares (§§ 1059 S. 1,1068 BGB) Recht an die Person des Nießbrauchers gebunden ist. Allerdings kann der Nießbraucher die Ausübung des Nutzungsrechts anderen überlassen (§ 1059 S. 2 BGB). Der Nießbrauch an beweglichen Sachen entsteht durch Einigung zwischen dem Eigentümer und dem Nießbraucher über die Einräumung des Nießbrauchs und die Ubergabe der Sache bzw. einen Ubergabeersatz gemäß § 1032 BGB. Bei Grundstücken erfolgt die Begründung des Nießbrauchs durch Einigung und Eintragung in das Grundbuch gemäß § 873 f. BGB 4 . Der Inhalt des Nießbrauchs - und damit des Zuweisungsgehalts des Rechts - umfaßt die Befugnis des Nießbrauchers, alle Nutzungen der Sache zu ziehen, § 1030 I BGB. Er darf im Ubermaß Früchte ziehen, unterliegt dann aber der Ersatzpflicht aus § 1039 BGB 5 . Das Eigentum an den unmittelbaren Früchten 1 Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 28 ff.; siehe auch v. merer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel I, 333 ff. (353). 2 Siehe dazu Wilburga a.a.O., 35ff.; v. Caemmerer, a.a.O., 354. 3 Erman(-Michalski), Vor § 1030, Rz. 2; Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 969. 4 Baur/Stiirner, Sachenrecht, § 32 I 2. 5 Erman(-Micbalski), § 1030, Rz. 7.

Caem-

§ 18 Andere dingliche Rechte und elektrische Energie

559

erwirbt der Nießbraucher mit der Abtrennung der Früchte (§§ 9 5 4 f f . B G B ) , die mittelbaren Früchte wie z . B . Miet- oder Pachtzinsen durch Einziehung. N a c h § 1036 I B G B ist der Nießbraucher zum Besitz der Sache berechtigt. Rechtsgeschäftliche Beschränkungen des umfassenden Nutzungsrechts des Nießbrauchers sind nach § 1030 II B G B nur im H i n b l i c k auf einzelne N u t z u n gen zulässig. Wie oben bereits angedeutet, steht dem Nießbraucher das R e c h t zu, die Sache zu vermieten oder zu verpachten, um mittelbare Sachfrüchte zu ziehen. D i e Befugnisse des Nießbrauchers - die durch Rechtsgeschäft mit dem Besteller, der zumeist der Eigentümer sein wird - beschränken sich auf die Ziehung von Nutzungen: D e r Nießbraucher ist nicht berechtigt, die Sache umzugestalten oder wesentlich zu verändern, § 1037 B G B . Bei Verletzung seiner Befugnisse durch Dritte und auch durch den Eigentümer der Sache kann der Nießbraucher gemäß § 1065 B G B die dem Eigentümer zustehenden Ansprüche geltend machen, also etwa Rechte aus §§ 985 ff. B G B bei Besitzentziehung oder aus § 1004 auf Unterlassung, wenn sein Recht beeinträchtigt ist und eine Fortsetzung der Beeinträchtigung zu erwarten ist 6 . D a m i t ist festzustellen, daß der Nießbrauch ein absolutes subjektives R e c h t ist, welches seinem Inhaber einen Handlungs- und Vermögensbereich exklusiv zuordnet und alle anderen Rechtssubjekte einschließlich des Eigentümers bzw. Bestellers des Nießbrauchs von der N u t z u n g der Sache ausschließt. D e r N i e ß brauch verfügt damit über einen bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt in dem oben dargelegten Umfang. Bei Eingriffen in den N i e ß brauch durch Dritte, die zu einer Bereicherung des Eingreifers führen, ist der Nießbraucher aufgrund des § 812 1 1 , 2. Alt. B G B berechtigt, die Herausgabe des erlangten Vermögensvorteils herauszuverlangen.

II. Pfandrecht an Sachen und

Sicherungseigentum

1. Fahrnispfand Sachen dienen nicht nur zum Gebrauch und zur N u t z u n g , sondern werden auch zu Zwecken der Kreditsicherung eingesetzt. F ü r diesen Z w e c k sieht das B G B das Pfandrecht an Sachen (§§ 1204ff. B G B ) vor. Praktische Bedeutung als Mittel der Kreditsicherung hat das Vertragspfandrecht heute nicht mehr. Wichtig sind die Vorschriften über das Vertragspfand dadurch, daß § 1257 B G B für die gesetzlich entstandenen Pfandrechte ( z . B . des Vermieters, § 559 B G B , des Werkunternehmers, § 647 B G B ) die Vorschriften über das Vertragspfand für anwendbar erklärt. Als Mittel der Kreditsicherung hat sich das Vertragspfand in der R e c h t s praxis wegen des Erfordernisses des § 1205 I B G B , daß die Sache dem Pfandnehmer übergeben werden muß, nicht durchsetzen können 7 . A n die Stelle des 6 7

Siehe dazu Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 981. Siehe dazu Baur/Stürner, Sachenrecht, § 56 I 1: „All dies spricht dafür, die Pfandrechts-

560

Kapitel IV: Rechte an Sachen

über den Besitz des Pfandnehmers an der Sache mit Publizität ausgestatteten Pfandrechts ist in der Praxis die Sicherungsübereignung getreten 8 . Das Bedürfnis nach einem „besitzlosen Pfandrecht" an beweglichen Sachen ergibt sich aus zwei Interessen des Sicherungsgebers: Nämlich 1. sein Interesse an der fortgesetzten Nutzung der als Sicherungsobjekt verwandten Sachen und 2. das Anliegen, daß der Umstand, daß die Sache zur Sicherung eines Kredits übereignet (bzw. „verpfändet") worden ist, gegenüber Dritten nicht offen gelegt wird, so daß die Solvenz des Sicherungsgebers in einem besseren Licht erschient als dies tatsächlich der Fall ist. Der Zuweisungsgehalt des Pfandrechts richtet sich nach seiner Funktion: Das Pfandrecht ist ein dingliches Verwertungsrecht. Es dient dazu, eine Forderung des Gläubigers durch die Einräumung eines Verwertungsrechts an einer Sache zu sichern. Das Pfandrecht ist ein akzessorisches Recht: Seine Existenz ist mit dem Bestand der gesicherten Forderung verbunden (§ 1252 B G B ) . Mit Eintritt der Pfandreife ist der Pfandgläubiger zur Verwertung der verpfändeten Sache berechtigt. Er bedarf dazu keines allgemeinen Vollstreckungstitels 9 . Die Verwertung kann durch Privatverkauf (i.d.R.: öffentliche Versteigerung), nach Parteivereinbarung (§ 1245 B G B ) , entsprechend einer Entscheidung des Gerichts (§ 1246 B G B ) oder nach Vollstreckungsrecht (§ 1233 II B G B ) erfolgen. Daß das Pfandrecht ein absolutes subjektives Recht ist, das seinem Inhaber das Verwertungsrecht exklusiv, d.h. unter Ausschluß aller anderen Rechtssubjekte zuweist, zeigt § 1227 B G B . Die Vorschrift regelt den Schutz des Pfandrechts vor Beeinträchtigungen durch Dritte. Dazu gehört etwa die Besitzentziehung. § 1227 B G B erklärt für den Fall der Beeinträchtigung des Pfandrechts die Vorschriften für Ansprüche aus dem Eigentum für anwendbar. Das Pfandrecht wird gegen Beeinträchtigungen also analog zum Eigentum geschützt. Insgesamt ist festzustellen, daß das Pfandrecht als absolutes subjektives Recht einen Zuweisungsgehalt besitzt; dieser ist jedoch beschränkt durch den Zweck des Rechts, nämlich der Sicherung einer Forderung durch das Recht des Gläubigers, die Pfandsache zur Befriedigung der Forderung zu verwerten. Vermögensvorteile aus der unbefugten Inanspruchnahme einer verpfändeten Sache durch einen Dritten lösen daher einen Anspruch nach § 812 I 1, 2. Alt. B G B aus Eingriffskondiktion aus.

formen als abschließende, zwingende Regelung anzusehen. U m so erstaunlicher ist - vom Standpunkt einer gesetzestreuen Rechtsanwendung aus - die Beobachtung, daß sich die Rechts Wirklichkeit schon bald über die Legalordnung hinweggesetzt hat". 8 Die Verpfändung von Forderungen (§ 1273 ff. B G B ) ist in der Rechtswirklichkeit durch die Sicherungsabtretung ersetzt worden.

$ 18 Andere dingliche Rechte und elektrische

2.

Energie

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Sicherungseigentum

Das im Gesetz nicht ausdrücklich geregelte Sicherungseigentum 10 hat in der Rechtspraxis weitgehend die Stelle des Mobiliarpfandrechts als Mittel der Kreditsicherheit eingenommen. Statt der Verpfändung übereignet der Schuldner dem Gläubiger zur Sicherung einer Forderung eine ihm gehörige Sache, wobei die Ubereignung in der Regel durch Einigung und Vereinbarung eines Besitzkonstituts nach § 930 B G B erfolgt. Dieses Vorgehen hat zur Folge, daß der Gläubiger zwar vollständiges Eigentum erwirbt, der unmittelbare Besitz an der Sache jedoch beim Schuldner verbleibt. Wichtig daran ist für den Schuldner, daß er die Sache auch weiterhin nutzen kann und nach außen (gegenüber Dritten) nicht offengelegt wird, daß die Sache zum Zwecke der Kreditsicherung durch den Gläubiger verwertet werden kann. Die Absicht der Parteien geht - dem Sicherungszweck der Ubereignung entsprechend - dahin, daß diese Übereignung nur vorläufig erfolgen soll. Wenn der Sicherungsgeber die Forderung des Sicherungsnehmers erfüllt, soll das Eigentum an der Sache an ihn zurückfallen. Rechtstechnisch kann dies auf zwei alternativen Wegen erreicht werden. Einerseits kann der Sicherungsvertrag vorsehen, daß die Einigung über den Eigentumsübergang auf den Sicherungsnehmer unter der auflösenden Bedingung der vollständigen Erfüllung der Forderung steht. Die Vereinbarung des Eigentumsrückfalls durch auflösende Bedingung bewirkt, daß das Eigentum am Sicherungsgut bei Eintritt der Bedingung automatisch an den Sicherungsgeber zurückfällt. § 162 II B G B schützt den Sicherungsgeber vor Zwischenverfügungen des Sicherungsnehmers. Die zweite Alternative besteht darin, daß im Sicherungsvertrag vereinbart wird, daß der Sicherungsnehmer nach der Erfüllung der gesicherten Forderung das Sicherungsgut auf den Sicherungsgeber zurücküberträgt. Gegenüber Dritten erwirbt der Sicherungsnehmer das Eigentum an dem Sicherungsgut. Im Innenverhältnis ist seine Einwirkung auf die Sache jedoch durch den Sicherungszweck beschränkt. Gegenüber Gläubigern des Sicherungsgebers, die in den Sicherungsgegenstand vollstrecken, kann der Sicherungsnehmer die Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO erheben; im Konkurs des Sicherungsgebers steht dem Sicherungsnehmer ein Absonderungsrecht gemäß § 50, § 51 Nr. 1 InsO, früher § 48 K O zu. Der Sicherungszweck der Übereignung beherrscht auch den Zuweisungsgehalt des Rechts. Das Sicherungseigentum gewährt seinem Inhaber zwar nach außen gegenüber Dritten die formale Stellung eines Eigentümers. Anders jedoch als beim „normalen" Eigentum (§ 903 B G B ) richtet sich das Interesse des Sicherungseigentümers nicht auf die durch das Eigentum garantierte umfassen§§ 1228 I, 1233 I BGB; siehe dazu Baur/Stürner, Sachenrecht, § 55 B IV 2 a). Siehe dazu Baur/Stürner, Sachenrecht, §57; Wieling, Sachenrecht, § 18 II; Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 1271 ff., jeweils m. w.N. 9

10

562

Kapitel IV: Rechte an Sachen

de Sachherrschaft, sondern lediglich auf diejenigen Befugnisse eines Eigentümers, die erforderlich sind, um die Sache zum Zweck der Befriedigung seiner Forderung zu verwerten. Es handelt sich bei dem Sicherungseigentum um ein absolutes subjektives Recht, welches seinem Inhaber eine exklusive Handlungs- und Vermögensbefugnis in den oben umrissenen, durch den Sicherungszweck bestimmten Grenzen zuordnet. Erlangt ein Dritter durch unbefugten Eingriff in den Zuweisungsgehalt des Sicherungseigentums einen Vermögensvorteil, so kann der Sicherungsnehmer das Erlangte nach § 8 1 2 1 1 , 2 . Alt. B G B vom Eingreifer herausverlangen. Ein Beispiel für die Abhängigkeit des Zuweisungsgehalts des Sicherungseigentums vom Sicherungszweck bietet die Entscheidung des B G H vom 25.2. 1987 1 1 . In diesem Fall hatte eine Frau einen Kredit bei einer Bank für den Erwerb eines P K W aufgenommen. Zur Sicherheit für die Darlehensforderung übereignete die Darlehensnehmerin den P K W an die Bank (Klägerin). Der P K W wurde bei einem Unfall beschädigt und durch die Darlehensnehmerin und ihren Ehemann in die Werkstatt der Beklagten gebracht, um dort repariert zu werden. Wegen des ihr zustehenden Werklohnanspruchs erwirkte die Beklagte einen Titel und pfändete den noch in ihrer Werkstatt befindlichen PKW. Daraufhin machte die Klägerin die Beklagte auf den Umstand aufmerksam, daß sie Sicherungseigentum am K F Z besaß. Nach fruchtlosen Verhandlungen mit der Klägerin über die Zahlung der Reparaturkosten ließ die Beklagte das K F Z versteigern. Dabei ersteigerte sie den P K W selbst. D e r Versteigerungserlös wurde mit der titulierten Forderung verrechnet. Die Klägerin verlangte von der Beklagten die Herausgabe des Versteigerungserlöses. Während des Berufungsverfahrens hat die Darlehensnehmerin das Darlehen in vollem Umfang an die Klägerin zurückgezahlt. Der Ersteher erwirbt durch den Zuschlag Eigentum an der versteigerten Sache, auch wenn der Vollstreckungsschuldner nicht Eigentümer war 1 2 . Für den Eigentumserwerb des Erstehers kommt es nicht auf seine Gutgläubigkeit in Bezug auf das Eigentum des Vollstreckungsschuldners an der Sache an. Der Versteigerungserlös tritt an die Stelle der versteigerten Sache. Der Eigentümer der versteigerten Sache hat demgemäß einen Bereicherungsanspruch aus § 812 1 1 , 2 . Alt. B G B wegen Eingriffskondiktion gegen den Zwangsvollstrekkungsgläubiger, weil dieser den Erlös bekommen hat. Eine Besonderheit in diesem Fall lag darin, daß die Vollstreckungsgläubigerin, die zugleich Ersteherin ist, keinen Veräußerungserlös bekommen hat, sondern vom Barzahlungsgebot des § 817 II Z P O ausgenommen ist, indem der Erlös mit ihrer Forderung verrechnet wurde 1 3 . Die Beklagte muß etwas ohne Rechtsgrund auf Kosten der Klägerin erlangt haben. Das Erlangte besteht hier nicht in dem Eigentumserwerb an dem der 11 12 13

B G H 25.2.1987, B G H Z 100, 99ff. Siehe R G 21.1.1938, R G Z 156, 395 (398f.); vergleiche dazu auch oben § 17 I 2 d). B G H 25.2.1987, B G H Z 100, 99.

§ 18 Andere dingliche Rechte und elektrische

Energie

563

Klägerin gehörenden KFZ, sondern in der durch § 8 1 7 I V 1 Z P O angeordneten Befreiung von der Barzahlungspflicht. Darin liegt ein Eingriff in den Zuweisungsgehalt des Versteigerungserlöses, der an die Stelle des Sicherungseigentums getreten ist. Die Klägerin verliert durch die Befreiung der Beklagten von der Barzahlungspflicht ihren Anspruch auf Herausgabe des Versteigerungserlöses 1 4 . Diese Befreiung hat die Beklagte auf Kosten der Klägerin und ohne Rechtsgrund erlangt. Richtigerweise läßt der B G H die Klage aus Eingriffskondiktion jedoch daran scheitern, daß die Darlehensnehmerin w ä h r e n d des Verfahrens die Darlehensschuld vollständig erfüllt hat. Damit wäre der Sicherungszweck des Eigentums der Klägerin - hätte sie es noch - erledigt. A b dem Zeitpunkt der Erfüllung der Darlehensschuld wäre die Klägerin nicht mehr in der Lage gewesen, der Zwangsvollstreckung von Gläubigern der Sicherungsgeberin mit der Drittwiderspruchsklage des § 771 Z P O entgegenzutreten. Eine Fortsetzung der Drittwiderspruchsklage nach Tilgung der Darlehensforderung w ä r e als unzulässige A u s n u t z u n g einer nur noch formal bestehenden Rechtsposition zu qualifizieren gewesen. A u c h auf der bereicherungsrechtlichen Ebene kann sich dies nicht anders darstellen. Der B G H will den Einwand unzulässiger Rechtsausübung gemäß § 242 BGB auch dann gelten lassen, w e n n an die Stelle des durch die Versteigerung verlorenen Sicherungseigentums der Bereicherungsanspruch der Sicherungsnehmerin getreten ist 15 . Allerdings bedarf es des vom B G H vorgenommenen Rückgriffs auf das Verbot unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 B G B ) hier nicht. Die Voraussetzungen des Bereicherungsanspruchs müssen bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem entscheidenden Gericht gegeben sein. Entfällt ein Tatbestandsmerkmal während des laufenden Verfahrens, so ist der Anspruch aus § 812 I 1, 2. Alt. B G B nicht begründet und die Klage daher abzuweisen. Bei der Sicherungsübereignung w e r d e n Inhalt und Grenzen des Zuweisungsgehalts (d.h. der Befugnisse, die exklusiv dem Sicherungseigentümer zugeordnet sind) vom Sicherungszweck der Transaktion bestimmt. O b w o h l formal Eigentümer der als Sicherungsgut gegebenen Sache, hat der Sicherungsnehmer jedoch nur ein Verwertungsinteresse an der Sache für den Fall, daß die gesicherte Forderung nicht erfüllt w i r d . Bei Entfall des Sicherungszwecks - w i e hier durch die Erfüllung der Forderung - bleibt, w e n n keine auflösende Bedingung vereinbart ist, das formale Eigentum beim Sicherungsnehmer bestehen; freilich ist er nach dem Sicherungsvertrag verpflichtet, das Eigentum auf den Sicherungsgeber zurückzuübertragen. Bei erfülltem Sicherungszweck ist das Verwertungsinteresse des Sicherungsnehmers entfallen; der Zuweisungsgehalt seiner Eigentümerstellung beschränkt sich auf die H a n d lungs- und Vermögensbefugnisse, die erforderlich sind, das Eigentum auf den Sicherungsgeber zurückzuübertragen. Bereicherungsrechtlich führt dies zu 14 15

BGH 25.2.1987, BGHZ 100, 100. BGH 25.2.1987, BGHZ 100, 106.

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Kapitel IV: Rechte an Sachen

dem Ergebnis, daß bei Eintritt des Sicherungszwecks durch Erfüllung der Bereicherungsschuldner nichts mehr auf Kosten des Kondizienten erlangt hat. Damit liegen die Voraussetzungen der Eingriffskondiktion nach § 812 I 1, 2. Alt. BGB nicht mehr vor, da kein Eingriff in den Zuweisungsgehalt des Sicherungseigentums festzustellen ist. Die Klage ist damit abzuweisen. Man könnte hier - in begrifflicher Analogie zum Wegfall der Bereicherung nach § 818 III BGB - vom Wegfall der Entreicherung, genauer: des Eingriffs in den Zuweisungsgehalt des Sicherungseigentums sprechen.

III. Der Zuweisungsgehalt anderer beschränkter dinglicher Rechte Soweit Eingriffe mit der Folge des Erwerbs von Vermögensvorteilen überhaupt möglich sind, ist auch bei den beschränkten dinglichen Rechten 16 die Eingriffskondiktion anwendbar. Es handelt sich um absolute subjektive Rechte, die gegen den Zugriff Dritter geschützt sind. Sie weisen daher einen bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt auf. Allerdings beschränkt sich der Schutz der Eingriffskondiktion auf bereits entstandene beschränkte dingliche Rechte, erfaßt aber nicht einen Eingriff in die schuldrechtliche Verpflichtung zur Bestellung solcher Rechte. So hat der BGH 1 7 entschieden, daß der Gläubiger vom Schuldner nicht die Herausgabe des Betrages verlangen kann, um den sich der Kaufpreis für ein Grundstück, das der Schuldner an einen Dritten verkauft hat, vermindert hätte, wenn vor dem Verkauf ein schuldrechtlicher Vertrag mit dem Gläubiger auf die Eintragung einer Grunddienstbarkeit erfüllt worden wäre. Der B G H löst diesen Fall noch auf der Grundlage der traditionellen Vermögensverschiebungslehre. Er läßt den Bereicherungsanspruch hier daran scheitern, daß sich die Vermögensverschiebung nicht unmittelbar zwischen den Parteien des Verfahrens vollzogen habe. Der „Vermögensvorteil" habe in dem Kaufpreis gelegen und diesen hatte der Beklagte von den Käufern, nicht vom Kläger erlangt 18 . Zum selben Ergebnis führt aber auch eine Prüfung des Falles auf der Grundlage der Zuweisungsgehaltslehre. Ein Anspruch aus Eingriffskondiktion setzt voraus, daß der Bereicherungsschuldner etwas mittels eines Eingriffs in den Zuweisungsgehalt eines dem Kondizienten zustehenden Rechts erlangt hat. Aus der Funktion der Eingriffskondiktion ist zu folgern, daß nur Rechte und ihnen vergleichbare Rechtspositionen einen bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt aufweisen, bei denen Handlungs- und Vermögensberechtigung im Objektbereich des Rechts allein dem Rechtsinhaber zu16 Siehe nur Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 36f.; v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel I, 353; Koppensteiner /Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 79. 17 BGH 23.12.1966, BGHZ 46, 261 ff. 18 BGH 23.12.1966, BGHZ 46, 263.

§ 18 Andere

dingliche Rechte und elektrische Energie

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gewiesen sind und bei denen alle anderen Rechtssubjekte vom Handeln im Objektbereich des Rechts ausgeschlossen sind. Hier geht es um die Verletzung eines schuldrechtlichen Vertrages, der den Beklagten zur Bestellung einer Grunddienstbarkeit verpflichtete. Zu dieser Bestellung kam es aber nicht; vielmehr veräußerte der Beklagte das unbelastete Grundstück an Dritte. In diesem Verhalten liegt kein Eingriff in ein dem Kläger zustehendes Recht mit Zuweisungsgehalt, sondern lediglich die Verletzung eines schuldrechtlichen Vertrages. Die Verletzung schuldrechtlicher Verpflichtungen löst keinen Erwerb von Vermögensvorteilen aus, der zuweisungswidrig wäre. Die Verpflichtung aus dem schuldrechtlichen Vertrag wirkt nämlich auf das Eigentum am Grundstück nicht ein, sondern schafft lediglich eine rechtlich gesicherte Aussicht auf eine Einwirkung auf das Eigentum am Grundstück. Mangels Eingriff in ein Recht mit Zuweisungsgehalt hat der Beklagte nichts auf Kosten des Klägers i.S.v. § 812 I 1, 2. Alt. B G B erlangt.

IV.

Aneignungsrechte

Fraglich ist weiterhin, ob die sogenannten Aneignungsrechte wie z . B . das Jagdrecht, das Fischereirecht und das Bergrecht, aber auch das Aneignungsrecht nach §§ 958ff. B G B Rechte sind, die mit bereicherungsrechtlich relevantem Zuweisungsgehalt ausgestattet und daher durch § 812 I 1, 2. Alt. B G B geschützt sind.

1. Rechtsnatur Die sogenannten Aneignungsrechte, die oben bereits erwähnt worden sind, unterscheiden sich vom Eigentumsrecht u.a. dadurch, daß es sich bei ihnen nicht um absolute subjektive Herrschaftsrechte einer Person über Gegenstände handelt, sondern um Gestaltungsrechte. Als Gestaltungsrecht ist das Recht einer Person aufzufassen, durch einseitigen Akt, z . B . durch eine empfangsbedürftige Willenserklärung, ein Rechtsverhältnis mit einer oder mehreren anderen Personen zu begründen, seinen Inhalt zu konkretisieren, es zu ändern oder aufzuheben 1 9 . Die hier in Frage stehenden Aneignungsrechte des Jagdberechtigten, des Fischereiberechtigten und des im Bergwerkseigentum liegenden Aneignungsrechts sind Gestaltungsrechte, die auf die Begründung eines Rechtsverhältnisses angelegt sind 20 .

19 20

Larenz/Wolf, Larenz/Wolf,

Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 15 V 1 R z . 78. a . a . O . , Rz. 82.

566

Kapitel IV: Rechte an Sachen

2. Der Zuweisungsgeb

alt des

Jagdrechts

Das Jagdrecht ist im Bundesjagdgesetz 2 1 als Rahmengesetz und in den Jagdgesetzen der Länder geregelt. Das Aneignungsrecht des Jagdberechtigten ist in § 1 1 des Bundesjagdgesetzes normiert. Danach umfaßt das Jagdrecht „... die ausschließliche Befugnis, auf einem bestimmten Gebiet wildlebende Tiere, die dem Jagdrecht unterliegen (Wild) zu hegen, auf sie die Jagd auszuüben und sie sich anzueignen". Die wildlebenden Tiere sind herrenlos. Niemand hat ein ausschließliches Recht an ihnen. Der Jagdberechtigte ist exklusiv berechtigt, sein Aneignungsrecht an den in seinem Jagdbezirk getöteten Tieren auszuüben. Das Aneignungsrecht ist ausschließlich: Jedes in dem Jagdbezirk des Berechtigten erlegte Tier, von w e m auch immer es getötet wurde - also auch von einem Wilderer unterliegt dem Aneignungsrecht. Der Jagdberechtigte kann die Ausübung des Jagdrechts nach § 11 I des Bundesjagdgesetzes in seiner Gesamtheit an Dritte verpachten. Wird das Jagdrecht einem Dritten überlassen, so steht dem Jagdpächter das Aneignungsrecht am erlegten Wild zu. Wenn es sich beim Aneignungsrecht des Jagdberechtigten auch nicht um ein dingliches Herrschaftsrecht, sondern um ein Gestaltungsrecht handelt, so ist die Ähnlichkeit dieses Rechts mit dem Eigentum als Modellrecht der dinglichen Berechtigung mit Zuweisungsgehalt doch so ausgeprägt, daß der bereicherungsrechtliche Zuweisungsgehalt bei diesem Recht zu bejahen ist. Die Rechtsordnung weist dem Rechtsinhaber die ausschließliche Befugnis zu, sich das getötete Tier anzueignen und auch die wirtschaftlichen Nutzungen aus dem Tier zu ziehen. Fraglich ist jedoch, welchen Inhalt dieser Zuweisungsgehalt aufweist. Diese Frage mußte das LG Freiburg in seinem Urteil vom 17.3.1981 22 entscheiden. Darin ging es um einen Gamsbock, welchen der Beklagte offenbar im Revier der Kläger geschossen hatte. Jedenfalls unterlag das Wild dem Aneignungsrecht der Kläger. Der Beklagte hat den Gamsbock selbst den Klägern abgeliefert. Diese verlangten darüber hinaus jedoch unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes vom Beklagten eine „Lizenzgebühr" in Höhe des Betrages, der üblicherweise für das Recht, einen Gamsbock schießen zu dürfen, bezahlt werde. Das Gericht hat das Klagebegehren auch unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung - Eingriffskondiktion - geprüft und diesen Anspruch zu Recht abgelehnt. Begründet hat es seine Ablehnung damit, daß das „Vergnügen an der Pirsch und am Erlegen des Wildes"(!) noch nicht derartig kommerzialisiert sei, daß es für sich genommen einen Vermögenswert darstelle 23 . Bei den in diesem Fall aufgeworfenen Fragen nach dem Zuweisungsgehalt des verletzten Rechts ist stärker als das Gericht es getan hat, zwischen den Positionen zu differenzieren, die von der klagenden Partei für ihr 21 22 23

BJagdG, BGBl. 1976 I 2849. LG Freiburg 17.3.1981, M D R 1981, 580. LG Freiburg, 17.3.1981, M D R 1981, 580.

5 18 Andere dingliche Rechte und elektrische

Energie

567

Begehren in Anspruch genommen werden. Das Aneignungsrecht des Jagdberechtigten ist ein mit bereicherungsrechtlich relevantem Zuweisungsgehalt ausgestattetes Recht. Schießt jemand ein dem Jagdrecht unterliegendes Tier in einem fremden Revier und behält das (tote) Tier, so greift er in das Aneignungsrecht des Jagdberechtigten ein. Die Ubergabe des geschossenen Tieres an den Jagdberechtigten - wie sie im hier vorliegenden Fall erfolgt ist - versetzt diesen in die Lage, sein Aneignungsrecht nunmehr auszuüben. Durch die Ubergabe des Wildes an den Jagd- und Aneignungsberechtigten ist der zuweisungsgehaltswidrige Zustand beseitigt. Das Aneignungsrecht nach § 1 I Bundes) agdgesetz deckt hingegen nicht die Ausübung der Jagd selbst. Wer in einem fremden Revier jagt, verletzt das Jagdrecht des Berechtigten. Dieses Jagdrecht ist jedoch kein dem Eigentum vergleichbares absolutes subjektives (Herrschafts-)Recht, das über einen bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt verfügt. Ein Eingriff in dieses Recht - das vom L G Freiburg als „noch nicht derartig kommerzialisiert" bezeichnet wird, „als daß es für sich genommen einen Vermögenswert darstellt . . . " - löst - anders als eine Verletzung des Aneignungsrechts des Berechtigten keinen Anspruch aus Eingriffskondiktion aus.

3.

Fischereirecht

Das Fischereirecht ist dem Jagdrecht ähnlich, indem es ein Aneignungsrecht an herrenlosen Fischen vorsieht. Das Fischereirecht weist aber auch einen engen Zusammenhang mit dem Wasserrecht auf, weil dem Gewässereigentümer häufig das Fischereirecht zusteht 24 . Das Fischereirecht ist landesrechtlich geregelt. Im Sinne eines ausschließlichen Aneignungsrechts besteht es nur für Fische in Binnengewässern. Für die Küstenfischerei bzw. die Hochseefischerei, welche nach allgemeinem Völkerrecht frei ist, gelten besondere Regeln. Das Aneignungsrecht des Fischereiberechtigten weist - genau wie das Aneignungsrecht des Jagdberechtigten - einen bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt auf. Das Recht weist dem Berechtigten ausschließlich die Befugnis zu, sich im räumlichen Bereich seines Fischereirechts gefangene Fische anzueignen.

4. Der Zuweisungsgehalt

von

Bergberechtigungen

Das Eigentum an Grundstücken erstreckt sich nicht auf die sogenannten bergfreien Bodenschätze. Dabei handelt es sich um Bodenschätze, die in den Anwendungsbereich des Bergrechts (Bundesberggesetz) fallen. Der Umstand, daß diese Bodenschätze nicht in dem Grundstück dem Grundeigentümer zu24

Baur/Stürner,

Sachenrecht, § 27 VII 4.

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Kapitel IV: Rechte an Sachen

gewiesen sind, bedeutet nicht, daß jedermann berechtigt ist, sie auszubeuten. Vielmehr wird das bergrechtliche Aneignungsrecht an solchen Bodenschätzen durch eine Erlaubnis (bzw. Bewilligung oder Verleihung) der zuständigen Bergbehörde erworben. Dieses Recht umfaßt die Befugnis, Bodenschätze aufzusuchen und zu gewinnen. Dieses Aneignungsrecht ist ein eigentumsähnliches Recht 2 5 ; es besitzt daher einen bereicherungsrechtlich geschützten Zuweisungsgehalt. Bei Verletzung dieses Rechts findet daher § 8 1 2 1 1 , 2 . Alt. B G B A n w e n dung 2 6 .

5. Das Aneignungsrecht an herrenlosen Sachen gemäß §§ 958 f f BGB N a c h § 958 I B G B erwirbt derjenige das Eigentum an einer herrenlosen Sache, der sie in Eigenbesitz nimmt. Herrenlos sind Sachen, an denen das Eigentum von dem Eigentümer aufgegeben (derelinquiert) wurde oder Sachen, welche - wie wilde Tiere 2 7 - von vornherein nicht einem Herrschaftsrecht unterfallen. Fraglich ist, ob diesem Aneignungsrecht ein bereicherungsrechtlich relevanter Zuweisungsgehalt z u k o m m t . Diese Frage ist zu verneinen. Das Aneignungsrecht an herrenlosen Sachen k o m m t jedermann zu. Es ist nicht einem Rechtssubjekt unter Ausschluß aller anderen Rechtssubjekte zugewiesen. D i e Besonderheit des Aneignungsrechts nach § 958 I B G B liegt gerade darin, daß es jedermann ausüben darf, der eine herrenlose Sache vorfindet. E i n Recht mit bereicherungsrechtlichem Zuweisungsgehalt erwirbt derjenige, der eine herrenlose Sache in Eigenbesitz nimmt, erst mit der Aneignung selbst: nämlich das Eigentum an der ehemals herrenlosen Sache.

V. Dingliche

Anwartschaften

U n t e r einer Anwartschaft ist die Vorstufe zum E r w e r b eines Rechts zu verstehen. Soweit es sich dabei um dingliche Rechte (d.h.: Rechte an Sachen) handelt, spricht man von dinglichen Anwartschaften. D e r Begriff einer Anwartschaft beschreibt in recht unscharfer Weise den Umstand, daß der Erwerbsvorgang für ein R e c h t an einer Sache zwar bereits eingeleitet, aber noch nicht abgeschlossen ist und - je nach dem Stadium, in dem er sich befindet - mehr oder weniger ungesichert ist. Bei Erreichen einer gewissen Sicherheit des Erwerbes spricht man von einem AnwartschaftsrecÄi. Eine genaue Festlegung, wann ein solcher Grad an Sicherheit des Erwerbs Baur/Stürner, Sachenrecht, § 30 II 2. So auch R G 20.12.1924, R G Z 110, 1 (14f.). 27 Siehe § 960 B G B . Zu beachten ist hier aber insbesondere das Aneignungsrecht des Inhabers des Jagdrechts nach § 1 I Bundesjagdgesetz; dazu oben a). 25

26

§ 18 Andere dingliche Rechte und elektrische Energie

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erreicht ist, daß eine Anwartschaft in ein Anwartschaftsrecht umschlägt, gibt es nicht. Dabei hat etwa die Definition von Westermann28 Anklang gefunden, daß von einem mehrgliedrigen Erwerbstatbestand so viele Elemente bereits erfüllt sein müssen, daß es dem Veräußerer nicht mehr möglich ist, einseitig die vom Erwerber bereits erlangte Rechtsposition zu beseitigen. Die Rechtsprechung geht von der Entstehung eines Anwartschaftsrechts bereits dann aus, wenn eine Beseitigung der Rechtsposition des Erwerbers „nach dem normalen Verlauf der Dinge ausgeschlossen ist" 29 . Zu den dinglichen Anwartschaften gehören z.B. der Erwerb einer Sache unter Eigentumsvorbehalt (§ 455 BGB), die Rechtsstellung des Sicherungsgebers bei Sicherungsübereignung beweglicher Sachen unter der auflösenden Bedingung der Rückzahlung des Darlehens, die Position des Grundstückserwerbers vor Eintragung sowie die des Hypothekenerwerbers vor Valutierung 30 . Die Frage des Zuweisungsgehalts bei der Sicherungsübereignung ist bereits oben behandelt worden. Hier soll beispielhaft nur auf den Eigentumsvorbehalt eingegangen werden. Beim Erwerb unter Eigentumsvorbehalt verzögern die Parteien den Eigentumserwerb des Käufers durch die aufschiebende Bedingung der vollständigen Bezahlung des Kaufpreises an den Verkäufer (§ 455 BGB). Zur Sicherung seiner Kaufpreisforderung würde dem Verkäufer eigentlich ein Pfandrecht an der Kaufsache genügen. Ein solches Pfandrecht wäre jedoch nur dann gemäß § 1205 I BGB zu begründen, wenn der Verkäufer den Besitz an der Sache erhalten würde. Diesen soll jedoch gerade der Käufer haben, der die Sache in der Zeit bis zur Zahlung des Kaufpreises bereits nutzen können soll. Der Kaufvertrag begründet auf sachenrechtlicher Ebene ein Besitzmittlungsverhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber 31 sowie das Recht des Erwerbers zum Besitz an der Sache gemäß § 986 I BGB 32 . Der Vorbehaltskäufer erwirbt bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises ein Anwartschaftsrecht. Der Eigentumserwerb durch ihn ist aufschiebend bedingt. Das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers ist gegen Zwischenverfügungen des Verkäufers und auch im Konkurs desselben geschützt. Das Anwartschaftsrecht kann auch - wie das Eigentum, zu dem es eine Vorstufe bildet - auf andere übertragen werden. Das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers ist als „sonstiges Recht" gemäß § 823 I BGB gegen deliktische Eingriffe geschützt 33 . Das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers ist also in vieler Hinsicht dem Vollrecht des Eigentums gleichgestellt. Insoweit ist festzustellen, daß das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers dem Eigentum an der verkauften Sache rechtsähnlich ist. Das 28

Westermann, Sachenrecht, § 5 III 4. B G H 18.12.1967, B G H Z 49,197 (202). 30 Siehe dazu Medicus, BR, Rz. 458 ff. 31 B G H 21.5.1953, B G H Z 10,69. 32 B G H 24.3.1971, NJW 71, 1039. 33 Dies gilt sogar dann, wenn der Vorbehaltskäufer nicht Besitzer der Sache ist, B G H 11.11.1970, B G H Z 55, 20 (25). 29

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Kapitel IV: Rechte an Sachen

R e c h t gewährt seinem Inhaber eine Stellung, die in überwiegender Hinsicht der des Eigentümers gleichkommt. D a h e r ist diesem R e c h t ein bereicherungsrechtlich relevanter Zuweisungsgehalt zuzuerkennen. Dieser Zuweisungsgehalt umfaßt das R e c h t des Vorbehaltskäufers zum Besitz der Sache, zur N u t z u n g sowie zur Veräußerung und sonstigen Verwertung der Sache. Greift ein Dritter (auch der Eigentümer der Sache) in diese Befugnisse ein und erlangt dadurch rechtsgrundlos einen Vermögensvorteil, so liegt darin ein zuweisungsgehaltswidriger E r w e r b auf K o s t e n des Inhabers des Anwartschaftsrechts, der gemäß § 812 I 1, 2. Alt. B G B an ihn herauszugeben ist.

VI. Der Zuweisungsgehalt der

Auflassungsvormerkung

N a c h § 883 B G B kann zur Sicherung eines (auch zukünftigen oder bedingten) Anspruchs auf Einräumung oder Aufhebung eines Rechts an einem Grundstück im Grundbuch eine Vormerkung eingetragen werden. Die Sicherungswirkung der Vormerkung geht dahin, daß eine Verfügung, die nach der Eintragung der Vormerkung über das Grundstück getroffen wird, dem Vormerkungsberechtigten gegenüber insoweit unwirksam ist, als sie den Anspruch vereiteln oder beeinträchtigen würde. Fraglich ist, ob die Vormerkung einen bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt aufweist, der bei Eingriffen in die Rechtspositionen, die das Rechtsinstitut verschafft, einen Anspruch auf Herausgabe der durch den Eingriff erlangten Vermögensvorteile nach § 8 1 2 1 1 , 2 . Alt. B G B begründet. Zunächst mag es schwer fallen, sich angesichts der rechtlichen Ausgestaltung (relative Unwirksamkeit von Verfügungen) und der F u n k t i o n der Vormerkung vorzustellen, daß überhaupt Eingriffe möglich sind, durch die jemand Vorteile erlangt, die nach § 812 1 1 , 2 . Alt. B G B herausgegeben werden können. Besteht der Eingriff in einer Verfügung, die den durch die Vormerkung gesicherten Anspruch vereitelt oder beeinträchtigt, so sieht § 883 B G B als Rechtsfolge die Unwirksamkeit der Verfügung gegenüber dem Vormerkungsberechtigten vor. D a m i t ist sichergestellt, daß der geschützte Anspruch, etwa auf Auflassung, sich gegenüber der entgegenstehenden Verfügung durchsetzt. Insoweit ist ein Anspruch aus § 8 1 2 1 1 , 2 . Alt. B G B nicht erforderlich und tatbestandlich auch nicht begründet, da durch die Unwirksamkeit der Verfügung der E r w e r b e r nicht auf K o s t e n des Vormerkungsberechtigten etwas erlangt hat. E i n Beispiel aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung zeigt jedoch auf instruktive Weise, daß es sehr wohl (wenn auch nicht übermäßig häufig) Fallkonstellationen geben kann, bei denen der auf Grund einer Verfügung Erwerbende etwas erlangt hat, was eigentlich dem Vormerkungsberechtigten, dessen R e c h t nach dem Erlangen eingetragen wird, zusteht. D e m Fall 3 4 lag folgender Sachverhalt zugrunde: D e r verstorbene E h e m a n n der Klägerin verkaufte einem 34

BGH 30.1.1987, BGHZ 99, 385ff.

§ 18 Andere dingliche Rechte und elektrische Energie

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Ehepaar sein Hausgrundstück u.a. gegen Zahlung einer monatlichen Rente. D e r Kaufvertrag sah vor, daß das Grundstück durch die Käufer auf den Verkäufer oder - falls er verstorben sein sollte - auf die Klägerin zurückzuübertragen sei, wenn die Käufer mit drei Rentenzahlungen in Rückstand geraten sollten. F ü r den Anspruch auf Rückübertragung wurde am 26.5.1977 eine Vormerkung ins Grundstück eingetragen. Zwei Grundschulden zugunsten der Beklagten, einer Sparkasse, wurden in H ö h e von je D M 25.000 nebst Zinsen am 9.3.1978 eingetragen. Bei einem Brand wurde das auf dem Grundstück befindliche Wohngebäude später zerstört. D i e Versicherung zahlte daraufhin im Jahre 1983 an die Beklagte im H i n b l i c k auf die Grundschulden aus der Versicherungssumme D M 38.643,30. N a c h dem Brand gerieten die Käufer mit drei monatlichen Rentenzahlungen in Rückstand. A u f Grund eines Versäumnisurteils vom 31.10.1983 wurde die Klägerin am 31.1.1984 als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen. Die Klägerin verlangt von der Beklagten unter Hinweis auf ihre vorrangige Auflassungsvormerkung die Zahlung von D M 38.643,30. D e r B G H hat - wie auch die Vorinstanzen - der Klage in voller H ö h e stattgegeben. Das Gericht stützt seine Entscheidung auf die Eingriffskondiktion, deren Aufgabe es sei, den Bereicherungsschuldner zur Herausgabe eines Vermögensvorteils zu zwingen, der nach dem Zuweisungsgehalt der verletzten Rechtsposition dem Kondizienten zugewiesen sei. D a n n fährt das Gericht lapidar fort: „Nach den hier maßgeblichen Bestimmungen gebührt der Klägerin die Versicherungssumme aufgrund des für sie vorgemerkten Anspruchs auf Ubereignung des Grundstücks" 35 . An einer nachfolgenden Stelle des Urteils prüft der B G H mittels des M e r k mals der unmittelbaren Vermögensverschiebung, ob die Beklagte auch auf Kosten der Klägerin i.S.v. § 812 I 1 B G B bereichert ist und k o m m t zu dem Ergebnis, daß die Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung hier zu bejahen sei. D i e Unmittelbarkeit werde nicht dadurch ausgeschlossen, daß sich die tatsächlichen Vermögensübergänge zwischen anderen Personen als den Parteien des Bereicherungsanspruchs abspielten. D i e Methodik, mit der der B G H sein Ergebnis begründet, ist befremdlich. Das Kriterium des Zuweisungsgehalts, das beim Tatbestandsmerkmal „auf dessen K o s t e n " in § 812 I 1 B G B anzusiedeln ist, hat u.a. die Funktion, die dem Leistungsbegriff bei der Leistung von Kondiktionen z u k o m m t , nämlich die Parteien des Bereicherungsanspruchs zu bestimmen. D e r Gläubiger des Bereicherungsanspruchs ist derjenige, der Inhaber des Rechts ist, welches unbefugt in Anspruch genommen wurde. D e r Bereicherungsschuldner wiederum ist derjenige, der auf Grund des Eingriffs einen zuweisungsgehaltswidrigen ( = nach dem Zuweisungsgehalt des verletzten Rechts dem Gläubiger zustehenden) Vermögensvorteil erlangt hat. Das M e r k m a l des Zuweisungsgehalts hat sich in deutlicher Abgrenzung zum Erfordernis der Vermögensverschiebung entwickelt: Es ist gerade der Sinn des 35

BGH 30.1.1987, BGHZ 99, 387.

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Kapitel IV: Rechte an Sachen

Kriteriums des Zuweisungsgehalts, die Schwächen und Defizite der Vermögensverschiebungslehre, die insbesondere die Fragen der bereicherungsrechtlichen Mehrpersonenverhältnisse nicht angemessen lösen konnte, zu überwinden. Die Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte als Grundlage der Eingriffskondiktion sollte die überkommene Vermögensverschiebungstheorie ablösen und hat nicht die Aufgabe, mit dem Zuweisungsgehalt ein Kriterium zu entwickeln, welches im Tatbestand der Eingriffskondiktion neben das der unmittelbaren Vermögensverschiebung treten sollte. Die Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung sollte sicherstellen, daß die vom Gesetzgeber abgelehnte Versionsklage nicht doch im bürgerlichen Recht Einzug erhält. Im Rahmen der Zuweisungsgehaltstheorie hat dieses Merkmal keine Funktion mehr. Ebensowenig kommt es auf das Vorliegen einer Vermögensminderung an. Voraussetzung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion ist gerade nicht, daß der Kondizient einen Schaden erlitten hat. Der BGH hätte also - wenn er, wie von ihm selbst dargelegt, auf der Grundlage der Lehre vom Zuweisungsgehalt steht - die Frage der unmittelbaren Vermögensverschiebung prüfen dürfen. Demgegenüber geht das Gericht mit keinem Wort auf das Grundproblem des Verhältnisses von Leistungs- und Eingriffskondiktion ein, welches sich in diesem Fall stellt: nämlich den Umstand, daß die Versicherungsgesellschaft die Versicherungssumme an die Beklagte geleistet hat. Unter Leistung ist nach der neueren Bereicherungsdogmatik die gewollte und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens zu verstehen; darum handelte es sich bei der Zuwendung der Versicherungsgesellschaft an die Beklagte. Zwar war die Beklagte nicht als Versicherungsnehmerin Partei des Versicherungsvertrags; dies war der Käufer des Hauses. Nach §§ 11921,11271,1128 III, 1282 1 1 und 2,1228 II BGB war die Beklagte zur Einziehung der dem Käufer zustehenden Versicherungsforderung befugt. Gemäß § 1227 I BGB, der nach § 1192 I BGB auch für die Grundschuld gilt, erstreckt sich die Hypothek auch auf die Forderung gegen den Versicherer, wenn Gegenstände, die der Hypothek unterliegen, für den Eigentümer versichert sind. § 1128 BGB verbessert den Schutz des Grundschuldgläubigers im Falle einer Gebäudeversicherung36. Absatz III dieser Vorschrift verschafft dem Grundschuldgläubiger die Rechtsstellung eines Pfandgläubigers und dies bereits vor der Beschlagnahme37. § 12821 1 BGB berechtigt den Pfandgläubiger zur Einziehung der Forderung. Der Schuldner kann dann nur an ihn leisten. Er darf nicht mehr an den Gläubiger zahlen. Allerdings steht die Einziehung einer Geldforderung dem Pfandgläubiger nur insoweit zu, als sie zu seiner Befriedigung erforderlich ist. Nach § 1228 II BGB ist der Pfandgläubiger zum Verkauf der Pfandsache berechtigt, soweit die Forderung ganz oder teilweise fällig geworden ist. Gemeint ist damit die durch die beiden Grundschulden gesicherte Darlehensforderung der Beklagten gegen den Käufer des Grundstücks. Der BGH macht hinsichtlich der Fällig36 37

Erman(-Räfle), § 1128, Rz. 1. RG 16.10.1928, R G Z 122, 133; Erman(-Räfle),

§ 1128, Rz. 8.

§ 18 Andere dingliche Rechte und elektrische

Energie

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keit dieser Forderung keine weiteren Ausführungen, so daß davon auszugehen ist, daß die Fälligkeit dieser Forderung i.S.v. § 1228 II B G B gegeben war. Nach § 1288 II B G B gilt die Forderung des Pfandgläubigers als vom Gläubiger berichtigt, soweit ihm der eingezogene Betrag zu seiner Befriedigung gebührt und die Einziehung der Forderung gemäß § 1282 B G B erfolgt. Diese Vorschrift befaßt sich zunächst mit der Forderung des Pfandgläubigers: Diese gilt als vom Gläubiger berichtigt, soweit dem Pfandgläubiger der Betrag zu seiner Befriedigung gebührt. Jedoch erlischt durch die Leistung des Schuldners - hier: der Versicherungsgesellschaft - an den Pfandgläubiger (Beklagte) die Forderung des Verpfänders (des Käufers des Grundstücks) ebenfalls durch die Zahlung an die Beklagte 3 8 . Diese Rechtsfolge tritt indessen nur ein, wenn der eingezogene Betrag dem Pfandgläubiger auch gebührt. Den Rechtsgrund für die Einziehungsberechtigung der Versicherungsforderung nach den oben genannten Vorschriften bilden die beiden Grundschulden, die zugunsten der Beklagten im Grundbuch eingetragen sind. Zur Zeit der Auszahlung der Versicherungssumme bestanden die Grundschulden wohl noch; als jedoch die Bedingung für die Rückübertragung des Grundstücks - nämlich der Verzug der Rentenzahlungen - eintrat, wurden die rechtlichen Auswirkungen der zugunsten des bedingten Rückübertragungsanspruchs eingetragenen Auflassungsvormerkung spürbar. Die Auflassungsvormerkung führte gemäß § 883 I 2, II B G B dazu, daß die Grundschulden der Klägerin gegenüber unwirksam waren, weil sie - so der B G H - als nachrangige Verfügungen über das Grundstück den vorgemerkten Ubereignungsanspruch der Klägerin beeinträchtigten. Die Klägerin hätte nach dem Entstehen des Ubereignungsanspruchs im Sommer 1983 die Löschung der Grundschulden verlangen können (§ 888 B G B ) . Die Vormerkung wirkte mit rückwirkender Kraft seit dem Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs, hier also: des Rückstandes von 3 Monaten, auf die Rentenzahlungen durch die Käufer. Bei Wegfall der Grundschulden wäre auch das Pfandrecht der Beklagten an der Versicherungsforderung entfallen. Zugleich hätte die Klägerin gegenüber den Käufern des Grundstücks nach § 281 I B G B einen Anspruch auf Abtretung des Versicherungsanspruchs gehabt, solange die Beklagte die Forderung nicht eingezogen hatte, weil den Käufern die Übereignung des Hauses unmöglich geworden war und sie durch den Verlust des Gebäudes die Versicherungsforderung erlangt hatten. D a die Grundschulden rückwirkend aufgrund der Vormerkung weggefallen sind, ist der rechtliche Grund für die Einziehung der Versicherungsforderung entweder gemäß § 812 1 1 B G B von Anfang an nicht vorhanden gewesen oder nach § 812 I 2 B G B später weggefallen (wenn die Einziehung vor dem Eintritt der Bedingung für den Rückübertragungsanspruch der Klägerin erfolgte). Da der Rechtsgrund für die Einziehung der Forderung durch die Beklagte fehlte oder weggefallen war, gebührte ihr der eingezogene Betrag gemäß § 1288 II B G B nicht. 38

Erman(-Küchenhoff),

§ 1288, Rz. 2.

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Kapitel IV: Rechte an Sachen

Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, daß auf die Einziehung der verpfändeten Forderung durch eine Partei, die nicht Pfandgläubigerin ist, zum Schutze des Dritten (hier: der Versicherungsgesellschaft) die Grundsätze der §§ 407-409 BGB anzuwenden sind 39 . Dies bedeutet, daß die Zahlung der Versicherungssumme an die Beklagte gegenüber der Klägerin nur dann wirksam an die Beklagte erfolgt ist, wenn die Versicherungsgesellschaft zum Zeitpunkt der Zahlung nicht gewußt hat, daß der Anspruch auf Ubereignung des Grundstücks auf die Klägerin schon entstanden war. Hat die Versicherungsgesellschaft zum Zeitpunkt der Zahlung gewußt, daß der Übereignungsanspruch der Klägerin entstanden war, so ist sie nicht entsprechend §§ 407ff. BGB schutzwürdig. Die Zahlung der Versicherungssumme bringt die Forderung des Versicherungsnehmers nicht zum Erlöschen; dann hätte die Klägerin einen Anspruch gegen die Käufer auf Abtretung der Versicherungsforderung nach § 281 BGB. Die Versicherungsgesellschaft müßte dann von der Beklagten die gezahlte Versicherungssumme im Wege der condictio indebiti nach § 812 I 1 BGB herausverlangen. Hat die Versicherungsgesellschaft hingegen - was wahrscheinlich ist, da sie die internen Zahlungsvorgänge zwischen Beklagter und Käufern nicht gekannt haben dürfte - nicht gewußt, daß der Anspruch der Klägerin auf Übertragung des Grundstücks schon entstanden war, so ist sie analog §§ 407ff. BGB schutzwürdig. Die Käufer bzw. die Klägerin müßten diese Leistung an die Beklagte gegen sich gelten lassen. Diese Fälle werden bereicherungsrechtlich normalerweise durch § 816 II BGB erfaßt. Die Vorschrift ist jedoch hier - worauf der B G H zu Recht hinweist - nicht einschlägig, weil die Klägerin nicht Berechtigte hinsichtlich der Versicherungsforderung war. Sie war nämlich nicht Versicherungsnehmerin. Daher kommt eine allgemeine Eingriffskondiktion in Betracht. Der Eingriff der Beklagten in ein fremdes Recht liegt in der Einziehung der Versicherungsforderung. Durch die rückwirkende Kraft der Vormerkung hätte sie einen Anspruch auf Abtretung der Versicherungsforderung nach § 2811 BGB gegen die Käufer geltend machen können, wenn nicht die Beklagte als Grundschuldgläubigerin die Versicherungssumme erlangt hätte. Ein Anspruch aus Eingriffskondiktion nach § 812 I 1, 2. Alt. BGB kommt indessen nur dann in Betracht, wenn es sich bei der Vormerkung um ein Recht mit Zuweisungsgehalt handelt. N u r dann hat die Beklagte etwas auf Kosten der Klägerin erlangt. Die Rechtsnatur der Vormerkung ist zwiespältig; einerseits sichert sie einen lediglich schuldrechtlichen, also relativen Anspruch, hier: den bedingten Anspruch auf Übereignung des Grundstücks auf die Klägerin, wenn die Käufer mit 3 monatlichen Rentenzahlungen in Verzug kommen sollten. Andererseits erfolgt diese Sicherung des schuldrechtlichen Anspruchs in einer für das dingliche Recht charakteristischen Weise. Es erstaunt daher wenig, wenn über die Rechtsnatur der Vormerkung auseinandergehende Ansichten 39

Erman(-Küchenhoff),

§ 1288, Rz. 2.

§ 18 Andere dingliche Rechte und elektrische

Energie

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herrschen: Handelt es sich bei ihr um ein beschränktes dingliches Grundstücksrecht, ein bloßes Sicherungsmittel oder ein subjektives Recht in der F o r m eines negativen Herrschaftsrechts 4 0 ? Für die Frage, ob die Vormerkung nach § 883 B G B einen bereicherungsrechtlichen Zuweisungsgehalt aufweist, ist entscheidend, daß die Vormerkung in der Beziehung zum Grundstück weitgehend dem dinglichen Recht angenähert ist und daher den dinglichen Rechten gleich behandelt werden sollte 41 . Die Vormerkung stellt eine Vorstufe, ein Minus im Verhältnis zu dem zukünftigen Recht dar, das sie sichert 42 . O b e n wurde herausgearbeitet, daß für Rechte mit Zuweisungsgehalt die exklusive Handlungs- und Vermögensberechtigung des Inhabers charakteristisch ist. Die Vormerkung wird dann relevant, wenn der gesicherte Anspruch auf eine Rechtsänderung realisiert werden soll und durch entgegenstehende Verfügungen beeinträchtigt wird. Die Funktion der Vormerkung liegt darin, daß sie die beeinträchtigenden Verfügungen mit rückwirkender Kraft gegenüber dem Vormerkungsberechtigten unwirksam macht. Wegen des starken Bezugs auf das dingliche Recht, dessen ungeschmälertes Zustandekommen die Vormerkung sichert, ist sie dem dinglichen Recht gleich zu behandeln. Damit ist festzustellen, daß der Vormerkung ein bereicherungsrechtlich relevanter Zuweisungsgehalt zukommt. Die Vereitelung des Anspruchs auf Abtretung des Versicherungsanspruchs gemäß § 281 I B G B ist vom Zuweisungsgehalt der Vormerkung gedeckt. Demzufolge hat die Klägerin gegen die Beklagte den Anspruch auf Herausgabe der Versicherungssumme, soweit sie von der Versicherungsgesellschaft an die Beklagte ausgezahlt worden ist. Die Beklagte hat diesen Betrag auf Kosten der Klägerin rechtsgrundlos gemäß § 812 I 1, 2. Alt. B G B erlangt.

VII.

Besitz

Unterschiedliche Auffassungen bestehen unter den Anhängern der Zuweisungsgehaltstheorie zu der Frage, ob der Besitz einer Sache bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt aufweist. Einigkeit besteht darüber, daß der Besitz, der Gegenstand aller Leistung gewesen ist, im Wege der Leistungskondiktion vom Leistungsempfänger herausverlangt werden kann, wenn die Leistung ohne Rechtsgrund erfolgte 43 . Unklarer hingegen stellt sich die Lage bei der Eingriffskondiktion dar. Für Wilburg, einen der Begründer der Zuweisungsgehaltstheorie, ist der Besitz nicht geeignet, Grundlage eines Anspruchs aus Eingriffskondiktion zu sein. Für seine Auffassung bringt er schwerwiegende Gründe vor: Es sei nicht die Siehe dazu Baur/Stürner, Sachenrecht, § 20 VI 1. Erman(-Hagen), § 883, Rz. 3 m.w.N. 42 B G H 21.12.1960, B G H Z 34, 254; Erman(-Hagen), § 883, Rz. 3. 43 Siehe R G 9.2.1920, R G Z 98, 131 (135); R G 23.6.1930, R G Z 129, 307 (311); B G H 20.10.1952, N J W 1953, 58 (59); Staudinger(-Lorenz), § 812, Rz. 73; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 9 V 2. 40 41

576

Kapitel

IV: Rechte

an

Sachen

Funktion des Besitzes, etwa wie das Eigentum über die Verteilung von Gütern zu entscheiden 44 . Ihm komme allein „polizeilicher Charakter" zu. Die verbotene Eigenmacht bei der Besitzverschaffung solle verhindert werden; diese richte sich ebenso gegen den Eigentümer wie auch gegen Dritte. Bei Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung einer Sache sei es nicht richtig, dem Besitzer und zwar auch dem nichtberechtigten und sogar dem unredlichen Besitzer wie dies in Teilen des Schrifttums geschehe - einen Schadensersatzanspruch zu gewähren, weil es nicht die Folge des unrechtmäßigen und unredlichen Besitzes sei, dem Besitzer den Genuß der Sache zuzusprechen und auch auf Dauer zu sichern. Aus den gleichen Gründen sei auch die Klage aus Eingriffskondiktion wegen unbefugter Inanspruchnahme des Besitzes unzulässig 45 . Wilburg schließt sich - was die Ablehnung des Besitzes als Grundlage der Eingriffskondiktion angeht - der Auffassung von Leonhard an, der allerdings Umfang und Reichweite dieser Kondiktionsart nach anderen Kriterien (Rechtsverschiebung) 46 abgrenzt als Wilburg. Auch Leonhard erhebt schwere Bedenken gegen „die allgemeine Zulassung des Anspruchs bei Besitzverlust". Dann könne auch der bösgläubige Besitzer, sogar der Dieb, den Ausgleichsanspruch erheben. Wenn der Eigentümer einer Sache nicht ermittelt werde, könne „der Dieb noch aus dem Zuchthaus" heraus diese Sache beanspruchen 47 . Leonhard kommt zu dem Ergebnis: „Man sieht, daß durch diese ,Besitzkondiktion' unser ganzes Recht umgestoßen wird" 48 . Auch im neueren Schrifttum sind Stimmen vernehmbar, die die Eingriffskondiktion bei Besitzverletzung a limine ablehnen. Als Beispiel sei etwa auf Jakobs verwiesen, der den Anspruch aus Eingriffskondiktion bei dem Wechsel des Besitzes zwischen zwei Personen ausschließt. Der Bereicherungsanspruch sei in diesem Bereich immer Ersatz der verlorengegangenen rei vindicatio; eine bereicherungsbegründende Vermögensverschiebung werde durch die Verletzung des Besitzes daher nicht ausgelöst 49 . Demgegenüber hat Schulz, der Begründer der Rechtswidrigkeitstheorie, welcher Jakobs, wenn auch in stark modifizierter Form folgt, keine Bedenken, sein „Recht auf den Eingriffserwerb" auch bei Eingriff in den Besitz zu gewähren 50 . Wie bereits oben ausführlich dargelegt, bildet der Zuweisungsgehalt des verletzten Rechts oder der einem absoluten subjektiven Recht gleich zu behandelnden Rechtsposition die richtige Grundlage des Anspruchs aus § 812 11, 2. Alt. B G B wegen Eingriffskondiktion. Demzufolge kann aus einer unbefugten 44 45 46

47 48 49 50

Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 37. Wilburg, a . a . O . , 37f. Siehe dazu oben Kapitel I § 3 V I I I . Leonhard, Besonderes Schuldrecht des B G B II, 456. Leonhard, a. a. O . , 456. Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung, 168. Schulz, System des Rechts auf den Eingriffserwerb, AcP 105 (1909), 360.

§ 18 Andere dingliche Rechte und elektrische

Energie

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Inanspruchnahme fremden Besitzes nur dann ein Bereicherungsanspruch dieser Art erwachsen, wenn dem Besitz bereicherungsrechtlich relevanter Zuweisungsgehalt zuzuerkennen ist. Ein Recht bzw. eine Rechtsposition ist dann mit einem Zuweisungsgehalt im oben bezeichneten Sinne ausgestattet, wenn der Inhaber des Rechts bzw. der Position die Handlungs- und Vermögensberechtigung am Gegenstand des Rechts innehat 51 . Dies ist der Fall, wenn er allein befugt ist, in Bezug auf den Gegenstand des Rechts oder der Position Handlungen vorzunehmen sowie die Vermögensvorteile, die sich mittels der Handlungsbefugnis erzielen lassen, zu realisieren. Neben dieser Voraussetzung des Zuweisungsgehalts tritt noch das Element des Ausschlusses Dritter von der Ausübung der mit der Handlungsund Vermögensberechtigung des Rechtsinhabers verbundenen Befugnisse. Nur wenn diese beiden Elemente vorliegen, kann man davon sprechen, daß ein Recht bzw. eine Rechtsposition der Güterverteilung oder Güterzuordnung dient.

1. Die Rechtsnatur

des Besitzes

Nach § 854 I B G B wird der Besitz an einer Sache mit der Erlangung der tatsächlichen Gewalt über die Sache erworben. Der Besitz wird also nach dem Gesetz durch die faktische Herrschaft über eine Sache begründet. Es handelt sich - zumindest bei unmittelbarem - Besitz zunächst einmal um ein Faktum. Dennoch äußert eine erhebliche Anzahl von Autoren die Auffassung, daß der Besitz ein dingliches Recht sei 52 . Der Unterschied zwischen Besitz und den anderen dinglichen Rechten wird dahin charakterisiert, daß es sich beim Besitz um ein provisorisches, den anderen dinglichen Rechten gegenüber schwächeres Recht handele 53 . Als repräsentativ für diese Auffassung können die Ausführungen v. Tuhrs zur Frage gelten, welche juristische Qualität dem Besitz zukommt: „Zu den dinglichen Rechten ist auch der Besitz zu zählen . . . . D i e tatsächliche Gewalt über eine Sache ohne R ü c k s i c h t darauf, in welcher Weise und aus welchem Grunde, o b mit oder ohne R e c h t erworben, ist ein Herrschaftsverhältnis, welches von Jedermann respektiert werden muß, § 858. Eine vom G e s e t z anerkannte und geschützte Herrschaft ist aber nichts anderes als ein subjektives Recht, und zwar, da es sich um eine Herrschaft über eine Sache handelt, ein dingliches R e c h t . . . . F e r n e r erweist sich das R e c h t des Besitzers, wenn es im Konflikt mit sonstigen dinglichen Rechten, insbesondere mit dem Eigentum k o m m t , als das Schwächere , . . " 5 4 .

Siehe dazu oben § 1 6 II 3 b). Siehe z.B. Wolff/Kaiser, Sachenrecht, § 3 III; Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts I, § 80 I 1;/. v. Gierke, Das Sachenrecht des Bürgerlichen Rechts, § 5 1 . 53 So etwa Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts I, § 80 I 1; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 3 III. 54 v. Tuhr, Allgemeiner Teil I, 137. 51

52

578

Kapitel IV: Rechte an Sachen

Es wird auch die Meinung vertreten, der Besitz sei kein Sachenrecht, sondern ein „sonstiges Recht". Wieder andere sehen im Besitz, da er ein tatsächliches und kein Rechtsverhältnis sei, zwar kein Recht, aber doch die Gewährung einer wichtigen Rechtsstellung, was ihm die Bedeutung eines, wenn auch nur vorläufigen Rechts, einräume 55 . Eine weitere in der Literatur vertretene Auffassung sieht den Besitz in einer Zwitterstellung: was die Sachzuordnung angehe, sei der Besitz Faktum, nicht Recht; er schütze jedoch die Autonomie der Person in den Grenzen des Rechts im Bereich der tatsächlichen Herrschaft über Sachen 5 6 . Die besseren Gründe sprechen dafür, den Besitz nicht für ein Recht zu halten. Aus dem Umstand, daß das Recht N o r m e n des Besitzschutzes vorsieht, kann nicht der Schluß gezogen werden, daß der Besitz selbst ein (dingliches) Recht sei 57 . Das Vorhandensein von Besitzschutznormen läßt sich durchaus auch dann erklären, wenn nicht davon ausgegangen wird, daß es sich beim Besitz um ein dingliches Recht handelt. So verweist die h.M. darauf, daß mit dem Besitz die öffentliche Ordnung geschützt werde; der Eingriff in den Besitz gefährde den öffentlichen Frieden 5 8 . Eine andere Auffassung - die als Kontinuitätstheorie 5 9 bezeichnet wird sieht im Besitz ähnlich wie im Eigentum ein Mittel zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse. Daher habe der Besitzer ein Interesse daran, seinen Besitz nur dann aufgeben zu müssen, wenn ein besseres Recht dies erzwinge 60 . Schließlich begreift eine dritte Richtung im Schrifttum den Besitz als einen Schutz des Willens und der Persönlichkeit des Rechtssubjektes 6 1 . Die divergierenden Funktionen des Besitzes, die ihm die unterschiedlichen Ansätze in der Literatur zuschreiben, setzen nicht voraus, daß es sich bei dem Besitz um ein dingliches Recht handelt. Auch aus dem Umstand, daß der Besitz im Rahmen des § 823 I B G B als sonstiges Recht Deliktsschutz genießt 62 läßt sich nicht herleiten, daß der Besitz ein Recht darstellt. Umgekehrt wäre es richtig: § 823 I B G B setzt voraus, daß es sich bei den geschützten Positionen um absolute subjektive Rechte handelt. Es müßte daher dargelegt werden, daß der Besitz ein solches Recht darstellt. Der Besitz beschreibt ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis über eine Sache. Er ist daher vorwiegend faktisch, nicht normativ determiniert. Ein bereichePalandt(-Bassenge), Vorbemerkung zu § 854, Rz. 1. 'Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 315; Wieling, Sachenrecht, § 3 III b). Diese Auffassung findet ihren Ursprung in C.F. v. Savigny, der gemeint hat, der Besitz sei „Factum und Recht zugleich" (Das Recht des Besitzes, 1803, 7; Ausgabe Wien 1865, 44). Auf v. Savigny geht die Erkenntnis zurück, daß das Unrecht eines Eingriffs in den Besitz als Verletzung der Person und ihrer Autonomie anzusehen ist. 57 Diesen Schluß zieht etwa v. Tuhr, Allgemeiner Teil I, § 6, S. 137, § 11, S. 208, § 15, S. 254. 58 Westermann, Sachenrecht, § 8, 3; Wolff /Raiser, Sachenrecht, § 17;/. v. Gierke, Sachenrecht, § 9 I 2; Schwab, Sachenrecht, § 3 III. 59 Wieling, Sachenrecht, § 3 III b. 60 Heck, Sachenrecht, § 3, 5 f. und Exkurs 1; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 9 I 3. 61 Wieling, Sachenrecht, § 3 III b; Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 315. 6 2 So etwa v. Tuhr, Allgemeiner Teil I, 254. 55 56

§ 18 Andere dingliche Rechte und elektrische

Energie

579

rungsrechtlich relevanter Zuweisungsgehalt kann nur Rechten oder Rechtspositionen zuerkannt werden, die zwei Eigenschaften in sich vereinigen: Einerseits müssen sie dem Inhaber des Rechts oder der Position die Handlungs- und Vermögensberechtigung bezüglich des Rechtsobjektes zuordnen (positives Element); andererseits muß aber noch die Exklusivität dieser Befugnisse des Inhabers, d.h. der Ausschluß aller Dritten von der Ausübung der Handlungs- und Vermögensbefugnisse des Rechtsinhabers (negatives Element) hinzutreten. Ein Recht mit Zuweisungsgehalt liegt - um es noch einmal zu betonen - nur vor, wenn es beide Elemente aufweist. D e m Sachbesitz kommt nach §§ 859, 861, 862 B G B eine Abwehrfunktion zu: Der Besitzer ist zur Abwehr von Angriffen auf den Besitz an der Sache befugt. Allerdings fehlt dem Besitz der positive Aspekt des Zuweisungsgehalts. Der Besitzer kann aus dem bloßen Faktum des Besitzes weder ein Recht zum Besitz noch eine Befugnis zur Nutzung oder Verwertung der Sache herleiten 63 . Eine Zuordnung von Befugnissen positiver Art, etwa der Nutzung oder des sonstigen Gebrauchs der Sache, ist mit dem Besitz nicht verbunden. Daher ist festzustellen, daß der bloße Besitz keinen bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt aufweist 64 .

2. Der berechtigte

Besitz als Position mit bereicherungsrechtlich relevantem Zuweisungsgehalt

Im vorangehenden Abschnitt wurde festgestellt, daß dem bloßen Besitz mangels einer positiven Zuordnung von Befugnissen (etwa: Nutzung) hinsichtlich der Sache an den Besitzer kein Zuweisungsgehalt zukommt. Die U n tersuchung der Frage nach dem Zuweisungsgehalt des Besitzes kann jedoch an dieser Stelle nicht abgebrochen werden. Wenn sich auch aus dem Besitz als faktischer Herrschaftsmacht über eine Sache keine Zuordnung positiver Handlungsbefugnisse ergibt, so kann eine solche Zuordnung jedoch mittelbar durch andere N o r m e n begründet werden, so daß sich möglicherweise aus dem Recht zum Besitz und dem Faktum des Besitzes eine Position mit bereicherungsrechtlich relevantem Zuweisungsgehalt ergibt. Nach § 986 B G B kann ein Besitzer gegenüber dem Eigentümer die Herausgabe der Sache verweigern, wenn er dem Eigentümer gegenüber durch ein Recht zum Besitz legitimiert ist. Dieses Recht zum Besitz wird in § 986 B G B nicht näher präzisiert. Unbestritten ist, daß Grundlage des Rechts zum Besitz nach § 986 1 1 B G B sowohl ein dingliches Recht, etwa aus Nießbrauch gemäß

Wieling, Sachenrecht, § 3 III b). So a u c h & r z , Der Besitz als möglicher Gegenstand der Eingriffskondiktion, 21 ;Medicus, BR, Rz. 607; Schick, Besitzschutz nach § 823 B G B ? , 27f.; Wieling, Sachenrecht, § 3 III b); Raiser, Rechtsschutz als Institutionenschutz, in: Raiser (Hrsg.), Die Aufgabe des Privatrechts, 128 ff. (130). 63

64

580

Kapitel IV: Rechte an Sachen

§§ 103Off. B G B oder aufgrund eines Pfandrechts nach §§ 1205ff. B G B wie auch ein obligatorisches R e c h t sein kann 6 5 . D i e obligatorischen R e c h t e zum Besitz können sowohl auf Vertrag, etwa Miete oder Pacht wie auch auf einem gesetzlichen Schuldverhältnis, z . B . der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag nach § 677 B G B beruhen 6 6 . W i e bereits oben dargelegt, sind die dinglichen Rechte des Nießbrauchs und des Fahrnispfands, die zum Besitz der Sache berechtigen, selbst mit bereicherungsrechtlich relevantem Zuweisungsgehalt ausgestattet. Wird bei ihnen etwa in den Besitz eingegriffen, so stehen dem Nießbraucher und dem Pfandrechtsinhaber der Anspruch aus Eingriffskondiktion nach § 8 1 2 1 1 , 2 . Alt. B G B zu. F ü r den Pfandrechtsinhaber gilt dies aber nur, soweit er durch den Eingriff an der Verwertung der Sache gehindert ist. Einer besonderen, auf das R e c h t zum Besitz gestützten Eingriffskondiktion bedarf es für diese dinglichen Rechte nicht. Fraglich ist jedoch, ob dem Besitz, der seine Berechtigung aus einer obligatorischen Grundlage, etwa einem Miet- oder Pachtvertrag ableitet, ein Zuweisungsgehalt innewohnt, der bei einem Eingriff in den Besitz die Eingriffskondiktion prägt. Diese Frage ist zu bejahen: D e r berechtigte Besitzer, dessen R e c h t zum Besitz sich etwa aus Miet- oder Pachtvertrag ergibt, kann im Wege der Eingriffskondiktion nach § 8 1 2 1 1 , 2 . Alt. B G B die Vermögensvorteile von dem Bereicherungsschuldner herausverlangen, die dieser durch einen Eingriff in den Besitz des Berechtigten zuweisungsgehaltswidrig erlangt hat. Dieses Ergebnis läßt sich nicht dadurch begründen, daß der Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion pauschal auf Zuweisungen durch relative Rechte ausgedehnt wird. „Die Aufgabe der Eingriffskondiktion, einen ungerechtfertigten Vermögenszuwachs auszugleichen, der der Güterzuweisung widerspricht, macht eine Beschränkung auf dingliche Rechte nicht erforderlich. Wenn der Bereicherungsanspruch den Zuweisungsgehalt verwirklicht, dann besteht kein Grund, zwischen absoluter und relativer Zuweisung zu unterscheiden" 67 . N i m m t man diese Äußerung wörtlich, so wäre die Eingriffskondiktion bei jeder Vertragsverletzung, die zu einer Bereicherung des Eingreifers führt, anwendbar. A u f relative subjektive Rechte findet die Eingriffskondiktion aus verschiedenen Gründen, die unten noch näher darzulegen sind, keine A n w e n dung. D i e Auffassung, die den Schutz des Besitzes allein auf den obligatorischen Anspruch auf den Besitz der Sache stützt, geht daher fehl. Zu fragen ist vielmehr, ob sich nicht aus der K o m b i n a t i o n der mit dem Besitz verknüpften Abwehrrechte (§§ 859, 861, 862 B G B ) als negativem Element und der Handlungs- und Vermögensbefugnis des Besitzers in Bezug auf die Sache, die sich aus dem obligatorischen Recht zum Besitz ergibt als positivem Element ein bereicherungsrechtlich relevanter Zuweisungsgehalt herleiten läßt. N a c h 65 66 67

Siehe nur Wieling, Sachenrecht, § 12 I 3 a); Baur/Stürner, Sachenrecht, § IIA II 1. BGH 29.10.1959, BGHZ 31, 129. Kurz, Der Besitz als möglicher Gegenstand der Eingriffskondiktion, 44.

§ 18 Andere dingliche

Rechte

und elektrische

Energie

581

§ 535 BGB wird der Vermieter durch den Mietvertrag verpflichtet, dem Mieter für die Laufzeit des Vertrages den Gebrauch der vermieteten Sache zu gewähren. Ahnlich bestimmt § 581 I 1 BGB, daß der Verpächter gegenüber dem Pächter durch den Pachtvertrag verpflichtet wird, letzterem den Gebrauch der Sache und deren Früchte zu gewähren. Mieter und Pächter sind also berechtigt, in dem umschriebenen Rahmen die Sache zu nutzen. Dieses Recht ist - weil vertraglich begründet - ein obligatorisches Recht, welches nur Rechtswirkungen zwischen den Parteien des Vertrages entfaltet. Der Mieter/Pächter kann die Gewährung der Nutzung nur von seinem Vertragspartner verlangen. Im Verhältnis zwischen den Vertragsparteien schafft der Miet- oder Pachtvertrag einen Rechtsgrund dafür, daß der Mieter/Pächter den wirtschaftlichen Ertrag der Nutzungen behalten darf. Allerdings schafft erst der Besitz mit der Zuordnung von Abwehrrechten gegen die Eingriffe Dritter die rechtliche Voraussetzung dafür, daß der Mieter/ Pächter sein Nutzungsrecht an der Sache auch gegenüber Dritten, die nicht Vertragspartner sind, verteidigen kann. Das vertragliche Nutzungsrecht gewinnt durch den Besitz des Nutzungsberechtigten eine gewisse dingliche Dimension; da der Besitz von jedermann zu achten ist und ein Mieter/Pächter gegenüber dem Eigentümer zum Besitz und zur Nutzung der Sache berechtigt ist, erlangt er eine Rechtsstellung, die einem absoluten subjektiven Recht ähnlich ist, ohne selbst ein dingliches Recht - etwa wie das Eigentum - darzustellen. Das Reichsgericht hat die „Verdinglichung" des Besitzrechts durch den Besitz mit folgenden Worten umschrieben: „Mit der Übergabe der Miethsache entwächst das Recht des Miethers dem reinen Obligationenrechte. Es bestehen nicht mehr bloß zwischen den obligatorisch Verbundenen Rechte und Pflichten, sondern jedermann hat das durch den Besitz erkennbare Miethrecht zu achten. Ist dies aber der Fall, dann kann nicht zweifelhaft sein, daß schädigende widerrechtliche Eingriffe von Personen, die nicht im obligatorischen Miethverbande stehen, Schadensersatzansprüche erzeugen können" 68 . Da durch den Besitz (negative) Abwehrrechte und durch das obligatorische Recht zum Besitz eine (positive) Nutzungsbefugnis begründet wird, bei der Letztere über die Besitzregeln auch gegen den Zugriff Dritter geschützt wird, liegt bei berechtigtem Besitz ein bereicherungsrechtlich relevanter Zuweisungsgehalt vor. Dies ist mittlerweile auch von der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der h.M. im Schrifttum 6 9 anerkannt. Die Anerkennung des berechtigten Besitzes als Grundlage der Eingriffskondiktion läßt sich aus einer Reihe von höchstrichterlichen Entscheidungen entnehmen: Im Hamburger Parkplatzfall hat das Gericht die Klägerin, die als Parkplatzunternehmen die Parkflächen bereitstellte und bewachte, neben der EigentüRG 28.12.1904, RGZ 59, 326ff. (328). Reuter/ Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 250 m. w.N.; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 80; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 9 V 2; Kurz, Der Besitz als möglicher Gegenstand der Eingriffskondiktion, 42 ff. 68 69

582

Kapitel IV: Rechte an Sachen

merin, der Freien und Hansestadt Hamburg als Mitbesitzerin (§ 866 BGB) der Flächen angesehen. Das Gericht - das den Fall auf der Grundlage der Lehre vom faktischen Vertrag entschieden hat - machte in einem obiter dictum aber deutlich, daß es der Klage auch unter Anwendung des § 812 I 1, 2. Alt. BGB (Eingriffskondiktion) stattgegeben hätte, weil die Beklagte die ihr zugute gekommene Abstellmöglichkeit dem Verfügungsrecht der Klägerin entzogen habe 70 . In der Kiesabbau-Entscheidung des B G H hatten die Parteien vom Eigentümer eines Grundstücks mit verschiedenen Teilflächen die Erlaubnis zum Kiesabbau bekommen 7 1 . Der Kläger beseitigte zur Vorbereitung des Kiesabbaus Abraum von dem Teil des Grundstücks, das er abbauen sollte. Die zuständige Behörde untersagte zunächst den Abbau. Der Beklagte erwirkte jedoch eine Teilbaugenehmigung, während der Kläger nichts gegen das Verbot unternahm. Der Beklagte baute nun nicht nur Kies auf seinen Teilflächen, sondern auch auf den Teilflächen des Klägers ab. Er konnte dies tun, weil der Kläger bereits den Abraum beseitigt hatte. Der Kläger verlangt nun vom Beklagten den Betrag, den er zur Beseitigung des Abraums aufgewendet hat. Die Parteien waren hier berechtigte Besitzer des Grundstücks. Der Beklagte hat unbefugt in das dem Kläger zustehende Nutzungsrecht eingegriffen, indem er auf seinem Teil des Grundstücks Kies abbaute. Auch hier hat der B G H dem Kläger den verlangten Betrag zugesprochen. Der Beklagte habe bei der Auskiesung Kosten erspart, die er sonst für die (hier von dem Kläger durchgeführte) Abräumung selbst hätte tragen müssen. Wenn der Beklagte den Kläger oder einen Dritten mit der Abräumung beauftragt hätte, so hätte er dafür eine angemessene Vergütung zu zahlen gehabt. Der bereicherungsrechtliche Zuweisungsgehalt des berechtigten Besitzers wurde vom B G H auch in einem Fall anerkannt, in dem es um die unbefugte Entziehung von Wohnraum durch die Beklagte ging, an dem die Rechtsvorgängerin der Kläger (, die ihre Erben waren) ein durch Vertrag begründetes Wohnrecht erworben hatte. Greift die Beklagte in dieses Wohnrecht ein, so steht den Klägern auf Grund der Eingriffskondiktion des § 8 1 2 1 1 , 2 . Alt. BGB ein Anspruch auf die aus dem Eingriff erlangten Vorteile zu 72 . Das Gericht führt dazu aus: „Sollte sich dagegen - wie die Kläger behaupten - die Beklagte den Besitz an den dem Wohnrecht unterliegenden Räumen eigenmächtig verschafft haben, so würde ein Eingriffstatbestand i.S. des § 812 11 Alt. 2 BGB vorliegen. Der rechtmäßige Besitz ist nämlich als eine Rechtsposition mit Zuweisungsgehalt anerkannt, die Grundlage für eine Eingriffskondiktion sein kann" 73 .

70 71 72 73

BGH BGH BGH BGH

14.7.1956, BGHZ 21, 319 (335f.). 28.6.1979, N J W 1979,2034. 31.10.1986, N J W 1987, 771. 31.10.1986, BGH N J W 1987, 772.

$ 18 Andere dingliche Rechte und elektrische Energie

583

Am Rande sei darauf hingewiesen, daß der berechtigte Besitz wegen seiner Zuordnungsfunktion auch als „sonstiges Recht" im Rahmen des § 823 I BGB deliktisch geschützt wird 74 . An dieser Stelle sei noch einmal hervorgehoben, daß der obligatorische Anspruch auf Besitz Überlassung keinen Zuweisungsgehalt i.S. des § 8 1 2 1 1 , 2 . Alt. BGB aufweist und daher auch nicht durch die Eingriffskondiktion geschützt wird. Vermietet also V eine Sache an M und nimmt der Dritte D die Sache dem V vor Ubergabe an M weg, so hat M gegen D keinen Anspruch aus Eingriffskondiktion; der Anspruch des M auf Ubergabe der Sache richtet sich allein gegen V. D wird aus dem Vertrag, der diesem Anspruch zugrunde liegt, weder verpflichtet noch berechtigt. Den „quasi-dinglichen" Schutz erlangt ein Recht zum Besitz erst dann, wenn der Berechtigte den Besitz auch erlangt hat. Die eben behandelten höchstrichterlichen Entscheidungen betreffen daher auch ausnahmslos Fälle, in denen der Kondizient Besitz an der unbefugt genutzten Sache bereits erlangt hatte, als der Eingriff erfolgte.

3. Nichtberechtigter

Besitz

Schließlich ist in diesem Zusammenhang noch die Frage zu klären, ob auch der nichtberechtigte Besitz einen bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt aufweist. Diese Frage ist zu verneinen. Da schon bei berechtigtem Besitz ein Zuweisungsgehalt nur durch die Kombination von Besitz (mit den Besitzschutznormen) und Recht zum Besitz begründbar ist, welches das positive Element der Handlungs- und Vermögensberechtigung schafft, liegt ein Zuweisungsgehalt bei fehlendem Besitzrecht nicht vor. Daher ist der nichtberechtigte Besitzer hinsichtlich seines Besitzes, der nicht von einer Besitzberechtigung getragen ist, nicht durch § 812 I 1, 2. Alt. BGB geschützt. Durch den Ausschluß der Eingriffskondiktion wird die Stellung des redlichen nichtberechtigten Besitzers nicht nachteilig beeinflußt. Beim Erwerb von Erzeugnissen und sonstigen Bestandteilen durch den redlichen Eigenbesitzer erlangt dieser an den betreffenden Sachen mit der Trennung Eigentum, so daß er dann durch § 812 11,2. Alt. BGB als Eigentümer geschützt ist. Vor der Trennung hat er keine Rechtsposition, die die Grundlage für eine Eingriffskondiktion bilden könnte. Genauso verhält es sich mit den Nutzungen des redlichen, unverklagten Besitzers nach § 993 BGB. Auch hier erlangt der Besitzer Eigentum an dem wirtschaftlichen Ergebnis der Nutzungen. Damit ist zusammenfassend festzuhalten, daß nur der berechtigte, nicht aber der nichtberechtigte Besitz Zuweisungsgehalt aufweist und Grundlage einer Eingriffskondiktion sein kann 75 . 74

B G H 4.11.1997, B G H Z 137, 89ff. (98). So auch Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 250; im wesentlichen übereinstimmend auch Kurz, Der Besitz als möglicher Gegenstand der Eingriffskondiktion, 48 ff. 75

584

Kapitel IV: Rechte an Sachen

VIII.

Der Zuweisungsgehalt

des Rechts an der

Elektrizität

1. Fehlende Sacheigenschaft der elektrischen Energie Es ist heute allgemein anerkannt, daß die elektrische Energie auf Grund ihrer physikalischen Eigenschaften, insbesondere wegen des Fehlens der Körperlichkeit, nicht als Sache im Sinne des § 90 BGB zu qualifizieren ist76. Insoweit unterscheidet sich der elektrische Strom von anderen Energieträgern wie Erdöl, Erdgas und Kohle, die als Sachen angesehen werden 77 . Daraus folgt, daß an elektrischem Strom kein Eigentum oder ein sonstiges dingliches Recht begründet werden kann. Fraglich ist daher, ob an elektrischer Energie ein - von seinen Funktionen her - dem Eigentum vergleichbares absolutes subjektives Recht begründet werden kann, welches die Grundlage für einen Anspruch aus Eingriffskondiktion gemäß § 812 I 1, 2. Alt. BGB bildet.

2. Der Zuweisungsgehalt des Rechts an der elektrischen Energie Die Rechtsprechung hatte mehrmals Gelegenheit, zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Obwohl dabei auch Ansprüche aus Eingriffskondiktion diskutiert und zugesprochen wurden, verzichteten die Gerichte darauf, das Recht an der elektrischen Energie, welches die Grundlage für den Zuweisungsgehalt darstellt, näher zu bezeichnen und seinen Inhalt zu konkretisieren 78 . In der Entscheidung des LG Osnabrück ging es darum, daß der Beklagte aus dem Leitungsnetz der Klägerin Strom und Gas entnommen hatte, ohne dies der Klägerin, einem Energieversorgungsunternehmen, anzuzeigen. Die Abnahme des Stroms und des Gases erfolgte in einer Wohnung, die die Schwiegermutter des Beklagten gemietet hatte, in der aber der Beklagte und seine Familie während des in Frage stehenden Abrechnungszeitraums gewohnt hatte. Der Vertrag der Schwiegermutter als Mieterin der Wohnung mit dem Versorgungsunternehmen war gekündigt worden. Von der Strom- und Gasentnahme hatte der Beklagte die Klägerin entgegen § 2 II AVBEltV79 nicht in Kenntnis gesetzt. Das Gericht hat in erster Linie den Zahlungsanspruch des Energieversorgungsunternehmens auf eine vertragliche Grundlage gestützt. Es hat einen Vertragsschluß des Beklagten mit der Klägerin nach den Grundsätzen über den faktischen Vertrag angenom76 Erman(-Michalski), § 90, Rz. 2; Staudinger(-Dilcher) (12. Auflage 1980), § 90, Rz. 10; Soergel(-Baur), § 90, Rz. 2; RGRKf-Kregel), § 90, Rz. 13; Martinek, Bereicherungsausgleich bei irrtümlicher Abnahme fremden Stroms und bei vertauschten Stromzählern (Entscheidungsrezension) J u S 1985,596 ff. (598 f.); RG 5.2.1904, R G Z 56,403; RG 16.12.1907, R G Z 67, 229; R G 30.6.1909, R G Z 86, 12. 77 Staudinger(-Dilcher), § 90, Rz. 9. 78 So etwa in den Urteilen des LG Osnabrück vom 24.10.1986, RdE 1987,55 f. und des LG Aachen vom 27.7.1924, NJW 1984, 2421 f. 79 Verordnung über allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden vom 21.6.1979, BGBl. 1979 I, 684.

§ 18 Andere dingliche Rechte und elektrische

Energie

585

men 80 . Der Energiebezug sei mit Willen und auf Veranlassung des Beklagten geschehen, so daß hier - da ausdrückliche oder konkludente rechtsgeschäftliche Erklärungen fehlten - ein faktischer Vertrag zustande gekommen sei. Hilfsweise stützt das Gericht sein Ergebnis auf § 8 1 2 1 1 , 2 . Alt. BGB (Eingriffskondiktion). Dadurch, daß der Beklagte ohne Benachrichtigung der Klägerin Strom und Gas verbraucht habe, habe er sich auf Kosten der Klägerin ohne Rechtsgrund bereichert. Eine Leistungskondiktion käme nicht in Betracht, weil „ohne ausdrückliche oder konkludente Willenserklärungen ein Austauschverhältnis nicht begründet wäre" 8 1 . Eine Leistung i.S.v. § 812 I 1 B G B hängt nicht - wie das LG Osnabrück meint - davon ab, ob einer Vermögensvermehrung ein wirksames oder nur vom Leistenden vermutetes Austauschverhältnis zugrunde liegt. Unter einer Leistung ist eine bewußte und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens zu verstehen. Der Zweck der Leistung liegt bei der condictio indebiti darin, daß die Zuwendung zur Erfüllung eines Anspruchs erbracht wird, der aber nicht wirksam zustande gekommen ist. Nach § 2 II AVBEltV kommt der Versorgungsvertrag dadurch zustande, daß - rein faktisch - durch den Kunden Strom aus dem Netz entnommen wird. Darin sieht der Verordnungsgeber offenbar ein konkludentes Angebot des Kunden an das Energieversorgungsunternehmen zum Abschluß eines Vertrages. Kommt der Vertrag dann jedoch aus irgendwelchen Gründen nicht zustande, so liegt es nahe, von einer Leistung des Energieversorgungsunternehmens auszugehen, weil dieses in der Regel annehmen wird, daß durch die Abnahme von Strom ein Vertrag zustande kommt. Dann wäre - entgegen der Annahme des L G Osnabrück - die Leistungskondiktion die richtige Anspruchsgrundlage. In Bezug auf die Eingriffskondiktion vermeidet das L G jeden H i n w e i s darauf, welches Recht der Beklagte unbefugt in A n s p r u c h genommen hat. Es hätte sich zumindest empfohlen, darauf hinzuweisen, daß an dem im Stromnetz befindlichen Strom ein alleiniges Verfügungsrecht des Energieversorgungsunternehmens besteht. U m den Bereicherungsausgleich bei irrtümlicher A b n a h m e fremden Stroms ging es auch in z w e i weiteren, bei ähnlichem Sachverhalt abweichend entschiedenen Fällen. In dem vom KG entschiedenen Fall w a r es zu einer fehlerhaften Abrechnung des Stromverbrauchs von zwei Bewohnern eines Mietshauses dadurch gekommen, daß die Stromzähler für die Wohnungen infolge eines falschen Anschlusses vertauscht w o r d e n waren 8 2 . Dies führte dazu, daß der Zähler der einen Partei jeweils den Verbrauch der anderen Partei anzeigte. Dieser Fehler w u r d e erst bei A u s z u g des Klägers festgestellt, der von 1970 bis 1980 in dem H a u s gewohnt hatte. Da der Beklagte einen höheren Stromverbrauch hatte als der Kläger, fielen die dem Kläger jährlich erteilten Rechnungen zu hoch aus, w ä h rend die dem Beklagten erteilten Rechnungen einen zu niedrigen Betrag aus80 81 82

LG Osnabrück 24.10.1987, RdE 1987, 56. LG Osnabrück 24.10.1987, RdE 1987, 56. KG 19.3.1984, NJW 1985, 1714.

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Kapitel IV: Rechte an Sachen

wiesen. Das Versorgungsunternehmen erstattete dem Kläger lediglich die überzahlten Beträge zwischen Februar 1979 und April 1980. Die Überzahlungen zwischen dem 9.11.1970 und dem 5.2.1979 in H ö h e von D M 3 7 2 2 , 2 0 wurden nicht erstattet. Diesen Betrag verlangte der Kläger vom Beklagten. Das L G hatte den Betrag in Anwendung der Eingriffskondiktion zugesprochen. Das K G hat die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen der Eingriffskondiktion lägen nicht vor, der Beklagte habe nicht auf Kosten des Klägers rechtsgrundlos einen Vermögensvorteil erlangt, indem der Strom des Beklagten über den Zähler des Klägers lief. Der Kläger habe zuviel an das Versorgungsunternehmen in dem Glauben geleistet, dazu verpflichtet zu sein. Im nachhinein habe sich herausgestellt, daß eine Zahlungsverpflichtung des Klägers gegenüber dem Versorgungsunternehmen nicht bestanden habe. Insoweit habe der Kläger den mit der Zahlung verfolgten Zweck, nämlich die Tilgung einer als existent angenommenen Verbindlichkeit gegenüber dem Versorgungsunternehmen verfehlt. Die Rückforderung des überzahlten Betrages sei allein im Verhältnis zwischen dem Kläger und dem Versorgungsunternehmen im Wege der Leistungskondiktion nach § 812 I 1 B G B (condictio indebiti) abzuwickeln. Umgekehrt hat der Beklagte weniger an das Versorgungsunternehmen gezahlt als es seinem Stromverbrauch entsprochen hätte. Insoweit steht dem Versorgungsunternehmen gegenüber dem Beklagten auf Grund des Stromlieferungsvertrages ein Anspruch auf Bezahlung des abgenommenen Stroms zu. Allerdings werden beide Ansprüche, der Anspruch des Klägers aus Leistungskondiktion gegen das Versorgungsunternehmen einerseits und der Anspruch des Versorgungsunternehmens gegen den Beklagten auf Nachzahlung durch die Präklusionsfrist des § 21 II A V B E l t V eingeschränkt. Danach sind Ansprüche, die sich aus Fehlern bei der Ermittlung des Rechnungsbetrages ergeben, auf längstens zwei Jahre vor dem Zeitraum der Fehlerfeststellung beschränkt. Diese Präklusionsfrist erscheint - angesichts des langen Zeitraums von zehn Jahren, in denen sich der Fehler in diesem Fall ausgewirkt hat - als außerordentlich kurz. Die Kürze der Frist wird damit begründet, daß es in der Praxis schwierig sein könne, den Zeitpunkt zu ermitteln, zu dem der Fehler wirksam geworden sei 83 . Solche Schwierigkeiten mögen gelegentlich auftreten; häufig und das zeigt der Fall des K G - ist diese Feststellung jedoch unproblematisch. Unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten erscheint die Zwei-Jahresfrist des § 21 II A V B E l t V als unangemessen kurz. Der Entscheidung des K G ist zuzustimmen: Der Ausgleich der zuviel bzw. zuwenig an das Versorgungsunternehmen durch den Kläger oder den Beklagten gezahlten Beträge ist in dem jeweiligen Leistungsverhältnis der Parteien mit dem Versorgungsunternehmen vorzunehmen. Die Voraussetzungen einer Eingriffskondiktion lagen in diesem Fall nicht vor. Das Gericht mußte sich daher nicht zu der Frage der Berechtigung an elektrischem Strom und deren Umfang äußern. 83 Tegethoff/Büdenhender/Klinger, AVBEltV, Anmerkung I.

Das Recht der öffentlichen Energieversorgung, § 21

§ 18 Andere dingliche Rechte und elektrische Energie

587

In einem ähnlich gelagerten Fall hat das LG Aachen demgegenüber die Voraussetzungen der Eingriffskondiktion als erfüllt angesehen 84 . In diesem Fall ging es darum, daß die Kellerräume zweier Mietparteien auf Grund eines Installationsfehlers jeweils an das Stromnetz der anderen Wohnung angeschlossen wurden. Der Kläger verbrauchte mehr Strom als der Beklagte. Den dafür von ihm an das Versorgungsunternehmen gezahlten Betrag verlangt er vom Beklagten im Wege der Eingriffskondiktion zurück. Das LG sprach ihm auf dieser Grundlage einen Betrag von D M 905,00 zu. Der Beklagte habe dadurch, daß er irrtümlich Strom verbrauchte, der zuvor auf dem Zähler des Klägers erfaßt worden sei, sich auf Kosten des Klägers rechtsgrundlos bereichert. Dieser Strom habe allein dem Kläger zugestanden. Die Entscheidung ist im Schrifttum auf Kritik gestoßen. Martinek weist darauf hin, daß der Beklagte nicht in ein dem Kläger zustehendes Recht mit Zuweisungsgehalt am Strom eingegriffen habe. Zunächst stehe der im Stromnetz befindliche Strom exklusiv dem Energieversorgungsunternehmen zu. Mit dem Anschluß seiner Kundenanlage erwerbe der Kunde wegen der Unkörperlichkeit der Elektrizität weder Besitz noch Eigentum am Strom, sondern nur ein vom umfassenden Verfügungsrecht des Versorgungsunternehmens abgeleitetes Verfügungsrecht 85 . Da der Strom verbrauchsbestimmt sei, handele es sich nicht um ein bloß obligatorisches, sondern um ein quasi-dingliches Verbrauchsrecht sui generis am Strom. Das ausschließliche Verfügungsrecht des Energieversorgungsunternehmens stehe ihm bis zum Hausanschluß des Kunden allein zu. Von der Kundenanlage an komme dem Kunden ein abgeleitetes Verfügungsrecht im Rahmen der Versorgungsbedingungen zu. Die Versorgungsbedingungen sehen in § 22 I 1 AVBEltV vor, daß die Elektrizität nur für die eigenen Zwecke des Kunden zur Verfügung gestellt wird. Die Weiterleitung an Dritte ist nur mit schriftlicher Zustimmung des Versorgungsunternehmens zulässig. Daraus zieht Martinek den Schluß, daß der Kläger im Fall des LG Aachen auch selbst den Strom nicht hätte in die Räume des Beklagten leiten dürfen, weil diese nicht zu den Tarifräumen gehörten, die von seinem Stromlieferungsvertrag erfaßt worden seien. Hinzu komme, daß eine Zahlungspflicht des Kunden gegenüber dem Versorgungsunternehmen nur für die vom Kunden in seiner ordnungsgemäßen Kundenanlage abgenommene Elektrizität entstehe, für deren richtige Messung gemäß § 18 AVBEltV das Versorgungsunternehmen verantwortlich sei. N u r im Bereich einer ordnungsgemäßen Kundenanlage sei es für die Zahlungspflicht des Kunden unerheblich, ob Strom vom Befugten oder Unbefugten verbraucht werde 86 . Bei nicht ordnungsgemäß an der Kundenanlage entnommenem Strom entstehe kein vertraglicher Zahlungsanspruch. Das Verfügungsrecht stehe insoweit noch dem Versorgungsunternehmen und nicht dem Kunden zu. Daher habe der Beklagte nicht in ein dem Kläger zustehendes 84

LG Aachen, 27.7.1984, NJW 1984, 2421. Martinek, Bereicherungsausgleich bei irrtümlicher Abnahme fremden Stroms und bei vertauschten Stromzählern (Entscheidungsrezension), JuS 1985, 599. 86 Martinek, a. a. O., JuS 1985, 599. 85

588

Kapitel IV: Rechte an Sachen

Recht eingegriffen. Entgegen der Auffassung des L G Aachen sei eine Eingriffskondiktion daher hier nicht gegeben. Diese Analyse der Rechtslage scheint mir nicht zweifelsfrei. Richtig ist, daß dem Kunden die Elektrizität nur für eigene Zwecke zur Verfügung gestellt wird; die Weiterleitung an Dritte ist nur mit schriftlicher Zustimmung des Versorgungsunternehmens zulässig. Diese Bestimmung muß erteilt werden, wenn dem Interesse an der Weiterleitung nicht überwiegend versorgungswirtschaftliche Gründe entgegenstehen, § 22 I 2 AVBEltV. Möglicherweise hätte das Versorgungsunternehmen dem Kläger ja eine solche Einwilligung nicht versagen können. Dann wäre die Weiterleitung des Stroms nicht rechtswidrig gewesen. Vor allem aber hätte dem Kläger das Verfügungsrecht am Strom zugestanden. Diese Frage kann jedoch letztlich dahinstehen. Denn sowohl die Stromabnahme wie auch die Zahlungen von Kläger und Beklagten vollziehen sich im Fall des L G Aachen im Rahmen von Leistungsverhältnissen auf vertraglicher Grundlage. Soweit der Kläger an das Versorgungsunternehmen zuviel bezahlt hat, kann er diese Uberzahlungen im Wege der Leistungskondiktion herausverlangen. D e r Ausgleich im Rahmen der Leistungsverhältnisse der Parteien mit dem Versorgungsunternehmen ist im Verhältnis zum direkten Ausgleich zwischen den Parteien im Wege der Eingriffskondiktion prioritär. Der Kläger kann daher - anders als es das L G Aachen meint - gegen den Beklagten keinen Anspruch aus Eingriffskondiktion nach § 812 1 1 , 2 . Alt. B G B geltend machen. Im Ergebnis ist festzuhalten, daß der Stromkunde hinsichtlich des in seiner ordnungsgemäßen Kundenanlage abgenommenen Stroms ein exklusives, quasi-dingliches, vom Recht des Versorgungsunternehmens abgeleitetes Verfügungsrecht an der Elektrizität besitzt. Dieses ist als Recht mit Zuweisungsgehalt durch die Eingriffskondiktion nach § 812 I 1, 2. Alt. B G B geschützt 87 . Ansonsten hat das Versorgungsunternehmen das exklusive Verfügungsrecht über die im Stromnetz befindliche Elektrizität.

87 So auch Martinek, Bereicherungsausgleich bei irrtümlicher Abnahme fremden Stroms und bei vertauschten Stromzählern, JuS 1985, 599.

Kapitel V

Rechte an Informationen Schutz der Eingriffsbereicherung für Immaterialgüterrechte In diesem Kapitel der Untersuchung soll der Frage des Zuweisungsgehalts der Immaterialgüterrechte nachgegangen werden. Daß diese Rechte einen bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt aufweisen, ist heute in höchstrichterlicher Rechtsprechung und im Schrifttum fast ausnahmslos anerkannt. Fraglich ist nur noch die Reichweite und der Umfang dieses Zuweisungsgehalts, von denen die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion bei Rechtsverletzung abhängt. Die heute selbstverständliche Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion bei unbefugter Inanspruchnahme von Immaterialgüterrechten stellt eine glatte Umkehrung der Rechtslage dar, wie sie sich seit dem Ende des letzten Jahrhunderts bis in die siebziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts darstellte. Als das BGB am 1.1.1900 in Kraft trat, wurde die Anwendbarkeit des Bereicherungsanspruchs nach § 812 I 1, 2. Alt. BGB bei unerlaubter Nutzung eines Immaterialgüterrechts von der Rechtsprechung und einem überwiegenden Teil der Literatur vollständig ausgeschlossen. Eine Ausnahme bildete insoweit nur das Urheberrecht. Aus Gründen, die unten noch näher dargelegt werden, wurde hier der Kondiktionsanspruch zugelassen. Der Ausschluß des Bereicherungsrechts von der Anwendung auf die unbefugte Inanspruchnahme von Immaterialgüterrechten hatte tiefgreifende dogmatische Auswirkungen auf die Entwicklung des zivilrechtlichen Rechtsschutzes im Bereich des Immaterialgüterrechts und des gewerblichen Rechtsschutzes insgesamt. Die Bedürfnisse der Praxis nach einem wirksamen Rechtsschutz in diesem Bereich waren durch die herkömmlichen Schadensersatzansprüche, die in den Immaterialgüterrechtsgesetzen in unterschiedlicher Ausformung vorgesehen waren, nicht zu erfüllen. Probleme ergaben sich insbesondere beim Nachweis des Schadens des Rechtsinhabers, z.B., wenn dieser das Recht nicht ausgenutzt haben würde, und im Nachweis des Verschuldens des Rechtsverletzers. Die Rechtsprechung entwickelte unter dem Druck der Praxis rechtliche Sanktionen für die Fälle der Verletzung von Immaterialgüterrechten, die von den gesetzlichen Grundlagen des außervertraglichen Schuldrechts im BGB mit sei-

590

Kapitel V: Rechte an

Informationen

nem fein ausdifferenzierten Anspruchssystem vollkommen losgelöst waren. Um den Schein der Gesetzestreue zu wahren, wurden die unter dem Deckmantel des Schadensersatzanspruchs zugelassenen, verschuldensabhängigen Bereicherungs- und Gewinnherausgabeansprüche als „Methode der dreifachen Schadensberechnung" bezeichnet. In Wirklichkeit handelt es sich bei diesem Vorgang um eine nicht legitimierte Rechtsfortbildung praeter legem. Die Anerkennung der Eingriffskondiktion im Bereich des Immaterialgüterrechts durch die Kunststoffhohlprofil I-Entscheidung des B G H hing - wie zu zeigen sein wird - im wesentlichen von zwei Faktoren ab: Zum einen setzte sich die Lehre vom Zuweisungsgehalt des Rechts gegen die überkommene Theorie der Vermögensverschiebung durch und erlaubte die Einbeziehung der Immaterialgüterrechte in den Bereicherungsanspruch auf einer gesicherten dogmatischen Grundlage. Zum zweiten hatte sich die „Methode der dreifachen Schadensberechnung" in eine dogmatische Sackgasse manövriert: Bei den in die deliktsrechtliche Anspruchsgrundlage integrierten Sanktionsformen des Bereicherungsanspruchs (2. Methode: Lizenzanalogie) und der unechten GoA (3. Methode: Gewinnherausgabe) hatte die Rechtsentwicklung dazu geführt, daß etwa das Verschuldenserfordernis des § 823 I BGB bzw. der Spezialnormen der Immaterialgütergesetze soweit abgesenkt worden war, daß der Anspruch mit den drei Rechtsfolgen in die Nähe einer verschuldensfreien Gefährdungshaftung gerückt war. Da diese zunächst heterogenen Entwicklungen miteinander verknüpft sind und sich auch gegenseitig beeinflußt haben, erscheint es sinnvoll und nützlich, zunächst die Entwicklung des Bereicherungsanspruchs auf dem Gebiet des Immaterialgüterrechts und sein Verhältnis zur sogenannten dreifachen Methode der Schadensberechnung aufzuzeigen, bevor auf den Zuweisungsgehalt der einzelnen Immaterialgüterrechte eingegangen wird.

§ 19 Die dreifache Methode der Schadensberechnung (DSB) und die Entwicklung der Eingriffskondiktion im Bereich der Immaterialgüterrechte I. Die anfängliche Ablehnung der Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion im Bereich der Immaterialgüterrechte Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat - unterstützt von einem Teil des Schrifttums - die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion auf dem Gebiet des Immaterialgüterrechts mit Ausnahme des Urheberrechts - lange geleugnet. Erst mit der Entscheidung des B G H im Kunststoffhohlprofil I-Fall 1 wurde der Umbruch hin zu einem eingriffsbereicherungsrechtlichen Schutz der Immaterialgüterrechte eingeleitet, und zwar zunächst für das Patent- und Gebrauchsmusterrecht. In einer späteren Entscheidung wurde auch die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion bei unbefugter Inanspruchnahme von Warenzeichenrechten anerkannt 2 .

1. Die Entstehung der

Immaterialgüterrechte

Das System von gewerblichen, technischen und künstlerischen Ausschlußrechten, das in den Gesetzen zu den Immaterialgüterrechten niedergelegt ist, entstand in Deutschland im letztem Drittel des 19. Jahrhunderts. Die Immaterialgütergesetze stellten reichseinheitliches Recht dar. Sie wurden nach der Gründung des Deutsches Reiches 1871, aber vor dem Inkrafttreten des BGB am 1.1.1900 erlassen. Dies bedeutete, daß neben den reichseinheitlichen Gesetzen für ergänzende Fragen, wie etwa des Rechtsschutzes, kein reichseinheitliches Privatrecht zur Verfügung stand, sondern insoweit noch die Partikularrechte der einzelnen Bundesstaaten galten. Dieser Umstand sollte Wirkungen zeigen. Die Entwicklung und rechtliche Absicherung von Ausschließlichkeitsrechten an künstlerischen Werken, technischen Erfindungen und wirtschaftlichen Absatzinteressen (Warenzeichen) setzte ein, als die Gesellschaft einen kulturellen, wissenschaftlichen und technischen Entwicklungsstand erreicht hatte, in dem 1 2

B G H 30.11.1976, B G H Z 68, 90 ff (Kunststoffhohlprofil I). B G H 18.12.1986, B G H Z 99, 244ff. (Chanel N o . 5).

592

Kapitel V: Rechte an

Informationen

die Gegenstände der Werke, Erfindungen und kommerziellen Interessen einen solchen Stellenwert für den wirtschaftlichen Verkehr und die soziale Weiterentwicklung erlangt hatten, daß es als erforderlich angesehen wurde, denjenigen, die M ü h e und Kosten auf sich genommen hatten, um Produkte der genannten Art zu erzeugen, über entsprechende, zeitlich zumeist beschränkte Ausschließlichkeitsrechte eine Amortisation des eingesetzten Kapitals zu ermöglichen. D a m i t sollte ein Anreiz geschaffen werden, solche für die wirtschaftliche, technische und kulturelle Entwicklung wichtigen Güter in ausreichendem M a ß e zur Verfügung zu stellen. Ö k o n o m i s c h ist dabei von Bedeutung, daß es sich bei den Ressourcen ( = Informationen) um Gegenstände handelt, die die Charakteristika öffentlicher G ü t e r aufweisen. So fehlt ihnen das Element der Konsumrivalität, das z . B . körperlichen Gegenständen eigen ist: N u t z t eine Person eine Sache, so schließt diese N u t z u n g andere Personen an anderen O r t e n von dieser N u t z u n g aus. Informationen hingegen sind ubiquitär nutzbar, ohne daß der Umstand, daß eine bestimmte Information von mehreren Menschen synchron genutzt wird, ihre Nützlichkeit und ihren Wert für einen Beteiligten vermindert oder aufhebt. H a t jedoch jedermann freien Zugriff auf Informationen, die häufig unter erheblichen M ü h e n und großem Kapitalaufwand produziert werden, so fehlt es den Produzenten an einem Anreiz, solche werthaltigen Informationen zu entwickeln und zum gesamtgesellschaftlichen N u t z e n bereitzustellen. D e n n die „Hersteller" der Informationen würden die gesamten Produktionskosten tragen, während im R a h m e n eines freien Zugriffs von jedermann auf Werke der schöpferischen Kunst, Erfindungen und Marken der N u t z e n solcher Güter prinzipiell allen Gesellschaftsmitgliedern offen stünde. N u r ein Ausschließlichkeitsrecht über die wertvolle Information gewährleistet dem Produzenten die Chance, das eingesetzte Kapital und gegebenenfalls eine angemessene Verzinsung aus seinem Werk, seiner Erfindung, seiner M a r k e etc. über eine wirtschaftliche Verwertung „seiner" Information zu erwirtschaften. D a m i t wird zugleich ein Anreiz dafür gesetzt, daß wertvolle Informationen in genügendem U m f a n g zur Verfügung gestellt werden.

a)

Urheberrecht

N o c h vor der Gründung des Deutschen Reiches entstand das Gesetz über das Urheberrecht an Schriftwerken, Abbildungen, musikalischen K o m p o s i t i o nen und dramatischen Werken vom 11.6.1870 3 . Das Gesetz begründete vor allem ein Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers an Werken der Literatur und der Tonkunst, welches ihm die exklusive Berechtigung zur gewerbsmäßigen Verbreitung, zur Vervielfältigung und zur öffentlichen Wiedergabe seines Werkes gewährleistete. Abgelöst wurde das erste reichseinheitliche Urhebergesetz durch das Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der 3

BGBl. 1870,339.

§ 19 DSB und Eingriffskondiktion

bei den

Immaterialgüterrechten

593

Tonkunst vom 18.6.19014. Komplettiert wurde der Urheberrechtsschutz durch das Kunsturhebergesetz vom 9.1.18765 und das Gesetz betreffend den Schutz der Fotografien gegen unbefugte Nachbildung vom 10.1.18766. Die beiden letztgenannten Gesetze wurden im Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Fotografie vom 9.1.19077 zusammengefaßt. Das Urheberrecht auf der Grundlage der Gesetze aus den Jahren 1901 und 1907 galt im wesentlichen bis zum 31.12.1965. Am 1.1.1966 trat das Gesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte vom 16.9.1965 in Kraft. In dieser Neufassung des Urheberrechts wurden die Rechte des Urhebers von Literatur und Tonkunstwerken und von Werken der bildenden Künste und der Fotografie, die vorher in getrennten Gesetzen niedergelegt waren, in einem Gesetz geregelt. Die Urhebergesetze von 1901 und 1907 wurden daher mit Ausnahme des persönlichkeitsrechtlichen Bildnisschutzes in §§ 22, 23 K U G vom 9.1.1907 durch das neue Urhebergesetz ersetzt. Obwohl das Urhebergesetz von 1870 durch seinen § 43 auch „architektonische, technische und ähnliche Zeichnungen und Abbildungen" schützte, wurde der urheberrechtliche Schutz von der Praxis nicht auf gewerbliche Muster und Vorlagen erstreckt 8 . Diesem Defizit sollte das Reichsgesetz vom 11.1.1876 betreffend das Urheberrecht an Mustern und Modellen (Geschmacksmustergesetz) abhelfen 9 . Dieses Gesetz begründete ein Ausschließlichkeitsrecht für die Urheber gewerblicher Muster und Vorlagen. Das Geschmacksmusterrecht unterlag geringeren Erfordernissen als das Urheberrecht: Zur Begründung dieses Rechts genügten Neuheit und Eigentümlichkeit, während das Urheberrecht das Vorliegen eines Werkes der bildenden Kunst voraussetzte. Das Geschmacksmuster wurde als „kleines Kunsturheberrecht" aufgefaßt 10 . Mit der Entstehung und Weiterentwicklung des Urheber- und Geschmacksmusterrechts war der erste große Bereich ausgegrenzt, in dem dem Produzenten von Informationen in bestimmter Beziehung ein Ausschließlichkeitsrecht für die wirtschaftliche Nutzung und Verwertung seiner Schöpfung eingeräumt wurde.

b) Entstehung des reichseinheitlichen

Patentschutzes

Der Schutz der Erfinder vor unbefugter Inanspruchnahme ihrer Erfindungen wurde reichseinheitlich zum ersten Mal im Patentgesetz vom 25.5.187711 geregelt. Dieses Gesetz begründet ein Ausschließlichkeitsrecht an technischen Erfindungen, das nach § 4 des Gesetzes wie folgt gefaßt ist: 4 5 6 7 8 9 10 11

RGBl. 1901,227. RGBl. 1876,4. RGBl. 1876, 8. RGBl. 1901,227. Siehe dazu Fikentscber, Wettbewerb und gewerblicher Rechtsschutz, 138 m.w. N . RGBl. 1876, 11. Siehe dazu Fikentscber, a. a. O., 139. RGBl. 1877,501.

594

Kapitel V: Rechte an

Informationen

„Das Patent hat die Wirkung, daß niemand befugt ist, ohne Erlaubniß des Patentinhabers den Gegenstand der Erfindung gewerbsmäßig herzustellen, in Verkehr zu bringen oder frei zu halten ...". Bei Verfahrenspatenten ist darüber hinaus niemand befugt, ohne Erlaubnis des Berechtigten das Verfahren anzuwenden oder den Gegenstand der Erfindung zu gebrauchen. Das Patentgesetz von 1877 wurde durch das Patentgesetz vom 7.4.189112 novelliert, welches einige wichtige Neuerungen brachte. Dazu gehörten Verbesserungen in organisatorischen und verfahrensrechtlichen Fragen des Patentschutzes, aber auch einige Änderungen bei dem materiellen Patentrecht, etwa eine Erweiterung des Schutzes des Verfahrenspatents 13 . Zu einer tiefgreifenden Reform kam es durch das Patentgesetz vom 5.5.193614, durch das vor allem der Anmeldegrundsatz durch das Erfinderprinzip (der wahre Erfinder hat das Recht auf das Patent, nicht der Anmelder) ersetzt wurde. Weiterhin wurde in Ergänzung zu den wirtschaftlich bedeutsamen Verwertungsrechten an der Erfindung das Persönlichkeitsrecht des Erfinders im Gesetz festgelegt. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es auf Grund rechtspolitischen Reformbedarfs und der Notwendigkeit, das deutsche Patentrecht an internationale Vorgaben anzupassen, zu zahlreichen Änderungen und Ergänzungen des Patentgesetzes. Um insoweit die Uberschaubarkeit des Gesetzes zu wahren, wurde das ergänzte Patentgesetz mit allen bis dahin erfolgten Änderungen in neuer Paragraphenfolge in der Neufassung vom 16.12.1980 am 3.1.1981 im Bundesgesetzblatt bekannt gemacht 15 . Änderungen und Ergänzungen des Patentgesetzes sind auch danach, insbesondere im Zusammenhang mit der deutschen Einigung, erfolgt.

c)

Gebrauchsmusterrecht

Bereits das Patentgesetz von 1877 schuf die Grundlagen des Patentwesens, die bis heute Gültigkeit behalten haben. Defizite bei einzelnen Aspekten, die im Gesetz von 1877 aufgetreten waren, führten zu einer Novellierung im Gesetz vom 7.4.1891. Fast zeitgleich wurde das erste Gebrauchsmustergesetz vom 1.10. 1891 erlassen16. Der Gesetzgeber hielt ein „kleines Patentrecht" für erforderlich, weil sich gezeigt hatte, daß die hohen Kosten und der erhebliche Zeitaufwand des Patentverfahrens den Zugang zum Patentschutz für Erfindungen geringerer Bedeutung und technische Gestaltungen wesentlich erschwerte. Der allein noch mögliche Schutz nach dem Geschmacksmustergesetz erschien nicht geeignet17. 12

RGBl. 1891,79. Siehe dazu Bernhardt/Kraßer, Lehrbuch des Patentrechts, 54. 14 RGBl. 1936, 117. 15 BGBl. 1981 I, 1. Siehe zur Gesetzgebungsgeschichte des Patentgesetzes auch Benkard (-Bruchhausen), PatG, Einl., Rz. 3 ff. 16 RGBl. 1891,290. 17 Benkard(-Bruchhausen), PatG, Einl., Rz. 3. 13

5 19 DSB und Eingriffskondiktion

bei den

Immaterialgüterrechten

595

Das Gebrauchsmustergesetz macht - dies hat sich bis heute nicht geändert - die Begründung des Gebrauchsmusters nicht von einer vorherigen sachlichen Prüfung der Schutzvoraussetzungen abhängig, sondern läßt die Erfüllung der formalen Anwendungsvoraussetzungen genügen. Das Gesetz wurde im Jahre 1936 novelliert. Heute gilt das Gebrauchsmustergesetz vom 2.1.196818 mit den nach diesem Zeitpunkt erfolgten Änderungen. Ebenso wie Patent-, Urheberund Geschmacksmusterrecht gewährt das Gebrauchsmuster seinem Inhaber ein ausschließliches Recht an den von ihm entwickelten neuen Arbeitsgerätschaften oder Gebrauchsgegenständen. So regelt § 5 I GebrMG, „daß allein d e m Inhaber das Recht zusteht, gewerbsmäßig das M u s t e r nachzubilden, die d u r c h N a c h b i l d u n g hervorgebrachten Gegenstände in Verkehr zu bringen, feilzuhalten oder zu gebrauchen".

d)

Warenzeichen/Markenrecht

Schließlich ist im Rahmen des hier beabsichtigten knappen Uberblickes über die Entstehung der Immaterialgüterrechte in Deutschland noch auf den Schutz der Marke bzw. des Warenzeichens hinzuweisen. Anders als bei den anderen Immaterialgüterrechten dient das Warenzeichen bzw. die Marke nicht dem Schutz einer erfinderischen oder künstlerischen Leistung, sondern privilegiert wird durch den Schutz des Warenzeichens/der Marke der Zugang des Rechtsinhabers zu seinen Kunden am Markt. Warenzeichen und Marke gewähren ihrem Inhaber das Recht zur exklusiven Verwendung des Zeichens im Zusammenhang mit der Vermarktung ihrer Waren oder Dienstleistungen. Dabei liegt der Grund des Schutzes nicht in der besonderen Eigenart, Geeignetheit oder Einprägsamkeit des Zeichens, sondern in dem Zugang zum Kunden, der dem Gewerbetreibenden durch die Herkunfts-, Schutz-, Werbe- und Garantiefunktion des Kennzeichens erleichtert wird. „Aber der Schutzgrund des Warenzeichens liegt nicht in der Schaffung eines k o n k r e ten Werts d u r c h den Warenzeichenschöpfer. D e n n die E r f i n d u n g des Warenzeichens selbst b e r u h t auf nur geringer A n s p a n n u n g der Geistestätigkeit, welche auf die Bild u n g eines Worts oder Zeichens gerichtet ist. Das Ausschließlichkeitsrecht deckt hier nicht seinen Gegenstand als solchen, auch nicht seine unmittelbare Vervielfältigung oder Verbreitung, sondern die Geschäftstätigkeit dessen, der unter diesem Warenzeichen eine bestimmte Ware herstellt oder verbreitet. Es geht dem Gesetzgeber darum, die Arbeit des Gewerbetreibenden zu erleichtern dadurch, daß ihm die ausschließliche Verwendung eines Zeichens f ü r eine Ware gestattet wird, u m ihm zu helfen, auf diese Weise eine Brücke z u m K u n d e n zu schlagen, welches die Voraussetzung aller planvollen Absatzpolitik ist" 19 .

Zu Recht weist Fikentscher darauf hin, daß die Gewährung des Warenzeichenschutzes nachhaltige Auswirkungen auf die Freiheit des Wettbewerbs mit sich bringt: Ein im Warenzeichen oder der Marke steckender Wert (nämlich 18 19

BGBl. 1968 I, 24. Fikentscher, Wettbewerb und gewerblicher Rechtsschutz, 140.

596

Kapitel V: Rechte an

Informationen

der erleichterte Zugang zum Kunden, die Bindung der Kunden an die Produkte des Markeninhabers) wird zu Lasten des freien Wettbewerbs monopolisiert, indem seine Nutzung ausschließlich dem Warenzeichen-/Markeninhaber zugeordnet wird 20 . Andererseits steckt hinter einer erfolgreichen Marke immer auch eine unternehmerische Leistung. Auch ist darauf hinzuweisen, daß die Individualisierung und Herkunftsbezeichnung, die durch Warenzeichen/Marken gewährleistet wird, notwendige Funktionen dieser Kennzeichen in einer freien Marktwirtschaft sind, in der mehrere Unternehmen mit gleichartigen Produkten sich am Markte betätigen 21 . Der Markenschutz wurde im Deutschen Reich zunächst durch das Gesetz vom 30.11.1874 betreffend den Markenschutz 22 verwirklicht. Dieses Gesetz wurde durch das Gesetz zum Schutz der Waarenbezeichnungen vom 12.5.189423 ersetzt. Letzteres wiederum wurde durch das Warenzeichengesetz vom 5.5. 193624 novelliert. Dieses galt i.d.F. der Neubekanntmachung vom 2.1.196825 bis zum 31.12.1994. Am 1.1.1995 trat das als Artikel 1 des Gesetzes zur Reform des Markenrechts vom 25.10.1994 erlassene Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (Markengesetz) 26 in Kraft. Dieses Gesetz dient der Umsetzung der Ersten Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken vom 21.12.198 827. Das neue MarkenG brachte eine tiefgreifende Wandlung im Vergleich zu den Warenzeichengesetzen mit sich, die ihm vorangingen. Der Schutz von Marken, geschäftlichen Kennzeichen und geographischen Herkunftsangaben wurde vereinheitlicht. Auf eine besonders wichtige Detailänderung, die durch das neue MarkenG eingeführt worden ist, soll bereits an dieser Stelle hingewiesen werden, weil sie für die Frage des bereicherungsrechtlichen Schutzes des Warenzeichens/der Marke in der wissenschaftlichen Diskussion eine erhebliche Rolle gespielt hat. Das Warenzeichen war an den Geschäftsbetrieb des Zeicheninhabers gebunden. § 8 12 W Z G sah dementsprechend vor, daß eine Übertragung des Warenzeichens nur dann stattfinden kann, wenn zugleich der Geschäftsbetrieb, zu dem das Warenzeichen gehört, übergeht. Die Praxis hatte diese Beschränkung unter Billigung durch die Rechtsprechung dadurch umgangen, daß eine obligatorische Lizenz zur Nutzung eines Warenzeichens gestattet wurde, ohne daß der Geschäftsbetrieb übertragen werden mußte. Im neuen MarkenG ist eine solche Einschränkung nicht mehr vorhanden. Nach § 27 I MarkenG kann die 20 21 22 23 24 25 26 27

Fikentscher, a.a.O., 139. Troller, Immaterialgüterrecht I, 208. RGBl. 1874, 143. RGBl. 1894, 441. RGBl. 1936 II, 134. BGBl. 1968 I, 29. BGBl. 1994 I, 3082. Richtlinie 89/104/EWG, ABl. EG Nr. L 40 vom 11.2.1989, 1 ff.

§ 19 DSB und Eingriffskondiktion

bei den Immaterialgüterrechten

597

Marke auf andere übertragen werden, ohne daß der Geschäftsbetrieb zugleich mit übertragen werden muß.

2. Die Ablehnung des Schutzes der Eingriffskondiktion bei unbefugter Inanspruchnahme eines Immaterialgüterrechts In der Ubersicht zur Entstehung der Gesetze zu den Immaterialgüterrechten vor der Jahrhundertwende wurde deutlich, daß - bei aller Unterschiedlichkeit im Detail der gesetzlichen Ausgestaltung der einzelnen Immaterialgüter - es sich jeweils um die Institutionalisierung von Ausschließlichkeitsrechten im Bereich von technischen Erfindungen, geistigen Schöpfungen oder zum Zwekke der Absicherung von Kundenbeziehungen handelte. Die Rechtsinhaber erwarben ein Herrschaftsrecht an der Erfindung, dem Werk oder der Marke. Es erstaunt daher wenig, daß sich bereits vor dem Inkrafttreten des B G B am 1.1.1900 die höchstrichterliche Rechtsprechung mit der Frage konfrontiert sah, ob eine unverschuldete unbefugte Inanspruchnahme eines einem anderen zustehenden Immaterialgüterrechts den Tatbestand der Eingriffskondiktion, der wenig später in § 812 I 1, 2. Alt. B G B geregelt werden sollte, erfüllt und die Rechtsfolgen der Kondiktion auslöst, nämlich die Herausgabe des auf Kosten des Kondizienten rechtsgrundlos durch den Bereicherungsschuldner Erlangten. Die Rechtsprechung und - ihr folgend, ein Teil der Lehre - hat die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion unter Heranziehung unterschiedlicher Gründe verneint. Die Ablehnung der Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion betraf das Patent- und Gebrauchsmusterrecht, das Warenzeichenrecht und zunächst auch das Urheber- und Geschmacksmusterrecht. Nach einigem Schwanken änderte die Rechtsprechung für das Urheber- und Geschmacksmusterrecht ihre ablehnende Haltung und ließ die Anwendung der Eingriffskondiktion bei unverschuldeter Verletzung des Urheber- und Geschmacksmusterrechts letztlich doch zu. Von dieser Ausnahme abgesehen blieb die höchstrichterliche Rechtsprechung trotz gewichtiger und sich im Laufe der Zeit verstärkender Kritik aus dem Schrifttum bis zur Entscheidung des B G H vom 30.11.1976 2 8 bei ihrer ablehnenden Haltung für den eingriffsbereicherungsrechtlichen Schutz der Immaterialgüterrechte. Die Ablehnung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion sollte weitreichende dogmatische Folgen haben. Wenn auch heute die Anwendung der Eingriffskondiktion bei Verletzungen von Immaterialgüterrechten kaum noch in Streit steht, so läßt sich die Entwicklung dieses Rechtsinstituts auf dem Gebiet der Immaterialgüterrechte nur durch einen Rückblick auf die Vergangenheit verstehen.

28

B G H 30.11.1976, B G H Z 68, 82 ff. (Kunststoffhohlprofil I).

598

Kapitel

V: Rechte an

Informationen

Die Ablehnung der Anwendung des Anspruchs auf Eingriffskondiktion wurde mit unterschiedlichen Argumenten begründet. Diese lassen sich als rechtsdogmatische, rechtssystematische und rechtspolitische qualifizieren.

a) Rechtsdogmatisch begründete aus Eingriffsbereicherung

Ablehnung

des Anspruchs

Zur Zeit der Entstehung der Immaterialgütergesetze wurde das Bereicherungsrecht von der Vermögensverschiebungslehre beherrscht. Der Kondiktionsschuldner hatte nur dann etwas auf Kosten des Kondizienten erlangt, wenn zwischen den Parteien des Bereicherungsanspruchs eine Vermögensverschiebung stattgefunden hatte. Anfänglich wurde unter dem Begriff der Vermögensverschiebung der Ubergang eines Gutes von einer Person auf eine andere Person verstanden 29 . Wie oben bereits näher ausgeführt, war das Erfordernis der Vermögensverschiebung ein zentrales Merkmal des Tatbestandes der ungerechtfertigten Bereicherung und stellte - da es wohl für Leistungs- wie für Nichtleistungskondiktionen Geltung beanspruchte - die Einheitlichkeit des Bereicherungsanspruchs sicher. Allerdings ist die Anwendung des Merkmals der Vermögensverschiebung in den Fällen des Sachgebrauchs und der Rechtsnutzung problematisch. Das Konzept stößt hier an seine Grenzen, weil es im Grunde den Ubergang eines abgegrenzten, bereits vor dem Transfer im Vermögen des Kondizienten vorhandenen Gegenstandes voraussetzt, der als solcher in das Vermögen des Bereicherungsschuldners gelangt ist (sei es durch Leistung oder durch Eingriff). Ein solcher Vorgang findet bei der unbefugten Inanspruchnahme von Immaterialgüterrechten nicht statt. Hier erlangt der Bereicherungsschuldner etwas, indem er in einem dem Kondizienten vorbehaltenen, abgegrenzten Bereich handelt. E r erlangt den wirtschaftlichen Ertrag seiner eigenen Handlungen. Dieser Ertrag oder sein Äquivalent war jedoch im Vermögen des Kondizienten vor dem Eingriff nicht vorhanden. Von einer Vermögensverschiebung i.S. des Übergangs eines im Vermögen des Kondizienten bereits vorhandenen Vermögensgegenstandes in das Vermögen des Bereicherungsschuldners kann in diesen Fällen keine Rede sein. A m Erfordernis der Vermögensverschiebung ließ bereits das R O H G vor dem Inkrafttreten des B G B einen Anspruch aus der condictio sine causa des gemeinen Rechts wegen einer Urheberrechtsverletzung scheitern 30 . Der Beklagte hatte als Direktor des Stadttheaters Leipzig das Stück „Richard's Wanderleben" aufführen lassen. Daran besaß die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des Verfassers das Urheberrecht gemäß dem Urhebergesetz vom 11.6.1870. Der Vorwurf des Verschuldens wird dem Beklagten von der Klägerin nicht gemacht. Die Kläge29 Siehe etwa Krawielicki, Grundlagen des Bereicherungsanspruchs, 4; v. Mayr, Der Bereicherungsanspruch des deutschen bürgerlichen Rechtes, 193 ii.\]ung, Die Bereicherungsansprüche und der Mangel des „rechtlichen Grundes", 126. 3 0 R O H G 13.9.1877, R O H G E 22, 338 (Richard's Wanderleben).

§ 19 DSB und Eingriffskondiktion

bei den

Immaterialgüterrechten

599

rin nimmt den Beklagten auf die Herausgabe des durch die Aufführung des Stückes erzielten Erlöses in Anspruch und verlangt zu dessen Ermittlung vom Beklagten Rechnungslegung. Das Gericht prüft zunächst die Voraussetzungen einer condictio sine causa, lehnte diese aber wegen des Fehlens einer Vermögensverschiebung ab. „Es handelt sich nicht um ein Werthsobject, welches aus dem Vermögen der Klägerin in dasjenige des Beklagten übergegangen wäre, sondern um einen von dem Beklagten allerdings mit einem Vermögensobject der Klägerin erzielten Erwerb, der niemals zu dem Vermögen der Klägerin gehört hat" 31 . Der Umstand, daß der Beklagte einen Vermögensvorteil mittels einer unbefugten Inanspruchnahme eines Ausschließlichkeitsrechts der Klägerin erlangt hat, reicht nach dieser strengen Auffassung vom Konzept der Vermögensverschiebung nicht aus, um einen Anspruch aus condictio sine causa 32 (der Vorläuferin der Nichtleistungskondiktion des § 812 I 1, 2. Alt. B G B ) zu begründen. Diese Rechtfertigung für die Ablehnung der Eingriffsbereicherung bei Verletzungen von Immaterialgüterrechten wurde von der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur noch einmal verwandt 3 3 ; danach wurde der Ausschluß des Bereicherungsanspruchs von der Rechtsprechung des R G auf andere Weise begründet. Wie oben bereits angedeutet, wurde der Anspruch aus Eingriffskondiktion bei Urheberrechtsverletzungen vom Reichsgericht zugelassen, während dieser Anspruch bei dem Ausgleich von Vermögensvorteilen, die aus der Verletzung anderer Immaterialgüterrechte stammten, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung durchgängig abgelehnt wurde. Da aber nach dem strengen Begriff der Vermögensverschiebung eine solche weder bei der unbefugten Inanspruchnahme von urheberrechtlichen Berechtigungen, noch bei dem Eingriff in andere Immaterialgüterrechte vorliegt, hätte sich die unterschiedliche Behandlung von Urheber- und Geschmacksmusterrecht auf der einen Seite und den anderen Immaterialgüterrechten auf der anderen Seite mit dieser Begründung nicht mehr aufrecht erhalten lassen. Konsequenterweise stützte das R G denn auch die Ablehnung des Eingriffsbereicherungsanspruchs für die Immaterialgüterrechte und die Bejahung des Anspruchs bei dem Urheber- und Geschmacksmusterrecht auf eine andere Erwägung.

b) Rechtssystematisch hergeleitete Ablehnung der Eingriffskondiktion

der

Anwendung

Die Immaterialgütergesetze sahen eigene Vorschriften über Schadensersatz und Strafbarkeit bei Verletzungen der jeweiligen Güterrechte vor. Das Reichsgericht hat in ständiger Rechtsprechung daran festgehalten, daß diese Scha31 32 33

R O H G 13.9.1877, R O H G E 22, 340. Siehe dazu oben Kapitel I § 3. R G 12.5.1926, R G Z 113, 413 ff. (424) (Der Tor und der Tod).

600

Kapitel V: Rechte an

Informationen

densersatz- bzw. Entschädigungsansprüche die Vergütungspflichten des I m materialgutsverletzers abschließend regeln. § 34 des P a t G vom 25.5.1877 lautete: „Wer wissentlich den Bestimmungen der §§ 4 und 5 zuwider eine Erfindung in Benutzung nimmt, wird mit Geldstrafe bis zu 5.000 Mark oder mit Gefängniß bis zu einem Jahre bestraft und ist dem Verletzten zur Entschädigung verpflichtet". D i e Verpflichtung des Patentverletzers wurde durch § 35 I des P a t G v o m 7.4.1891 insoweit ausgedehnt, als auch die grob fahrlässig begangene Patentverletzung zu einem Anspruch des Patentinhabers auf Entschädigung führte. D i e Rechtsprechung hat entschieden, daß die Immaterialgüterrechtsgesetze die Folgen der Verletzungen der jeweiligen Immaterialgüterrechte abschließend regeln. Ein Rückgriff auf Grundsätze des allgemeinen Zivilrechts, nach dem 1.1.1900 auf die Vorschriften des B G B kam danach nicht mehr in Betracht. § 34 P a t G 1877, § 35 P a t G 1891 sprachen - ebenso wie die anderen Immaterialgütergesetze - von „Entschädigung". D a ß die Schadensersatzvorschriften der Immaterialgütergesetze die Vorschriften des allgemeinen Deliktsrechts wegen des Grundsatzes der Spezialität ausschlössen, liegt auf der Hand. Die Vorschriften enthielten qualifizierende Tatbestandsmerkmale, etwa Wissentlichkeit oder grobe Fahrlässigkeit als Voraussetzung der Haftung wegen Patentverletzung, die dem allgemeinen Deliktsrechts fremd waren. Die Rechtsprechung beschränkte die Ausschließlichkeit der Regeln der Immaterialgütergesetze aber nicht auf den deliktischen Schadensersatzanspruch, sondern dehnte sie auch auf den Bereicherungsanspruch des gemeinen Rechts und später den § 812 11 B G B aus. D e r „zivilrechtliche Anspruch auf Patentverletzung" sei durch das Patentgesetz erschöpfend geregelt 3 4 . Eine Anwendung des Anspruchs aus K o n d i k tion nach allgemeinem Zivilrecht sei daher nicht gegeben. Dieser Ausschluß des Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung galt für das Patent- und Gebrauchsmusterrecht wie auch für das Warenzeichenrecht 3 5 . E i n e Begründung für diesen Ausschluß des Bereicherungsanspruchs, der weder v o m Wortlaut der relevanten Vorschriften noch von den entsprechenden Gesetzesmaterialien gefordert oder auch nur nahegelegt wurde, ist die R e c h t sprechung schuldig geblieben. Vom Wortlaut der Schadensersatzvorschriften in den Immaterialgütergesetzen - die lediglich von Entschädigung sprachen wurde der Anspruch auf Herausgabe der Bereicherung nicht erfaßt. In der späteren Entwicklung hat dann auch eine zunehmende Anzahl von Stimmen im Schrifttum die Haltlosigkeit dieser Argumentation erkannt und kritisiert. D a das R G sachliche G r ü n d e für den Ausschluß des Bereicherungsanspruchs bei Verletzung eines Immaterialgüterrechts nicht offengelegt hat, kann nur darüber spekuliert werden, warum es den Bereicherungsanspruch ohne ein34 RG 5.2.1886, RGZ 15, 121 (132) (Flaschenverschlüsse); RG 9.6.1888, RGZ 21, 68 (72); RG 31.12.1898, RGZ 43,56 (58); RG 11.1.1902, RGZ 50,111(115); RG 3.2.1909, RGZ 70,249 (253); RG 12.5.1926, RGZ 113,413 (424) (Der Tor und der Tod); RG 9.6.1928, RGZ 121,258 (261) (Frauenberufe); RG 22.12.1913, JW 1914, 406 (408); RG 6.11.1929, MuW 1930, 24. 35 RG 30.11.1900, RGZ 47, 100 (103); RG 4.5.1923, RGZ 108, 1 (6).

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schlägige gesetzliche Grundlage ausgeschlossen hat. Zum einen ist zu berücksichtigen, daß vor dem Inkrafttreten des B G B am 1.1.1900 für die Ansprüche des allgemeinen Zivilrechts noch die Partikularrechte im Deutschen Reich galten. Das Zivilrecht w a r noch nicht reichseinheitlich geregelt. Demgegenüber stellten die Immaterialgüterrechte als bedeutender Teil des Wirtschaftsrechts reichseinheitliche Regelungen dar. Sie galten gleichmäßig in allen Teilen des Reiches. Möglicherweise befürchtete das R G , daß die als Errungenschaft empfundene reichseinheitliche Regelung des Immaterialgüterrechts wieder in Frage gestellt werden könnte, w e n n für Teilbereiche der Gesetze - nämlich für die Folgen von Rechtsverletzungen - doch wieder das nicht vereinheitlichte allgemeine Zivilrecht zur A n w e n d u n g käme. Vereinzelt klingen solche Befürchtungen in den Entscheidungen des R G an. So führt das Gericht in seiner „Frauenberufe"-Entscheidung, in der es um eine Urheberrechtsverletzung ging, aus: „Als an die Stelle des Gesetzes vom 11. Juni 1870 das Gesetz vom 19. Juni 1901 trat, bestand schon ein allgemeines bürgerliches Reichsrecht. Also brauchte das neue Gesetz für das Sondergebiet des Urheberschutzes keine Vorsorge wider die Anwendung unterschiedlichen Landesrechts zu treffen, das ergänzungsweise vielleicht hätte herangezogen werden können" 36 . Im Bereich des Patentrechts und auch der anderen Immaterialgüterrechte ist die Befürchtung, die Vereinheitlichung der Immaterialgüterrechte durch die Hintertür des partikularrechtlichen allgemeinen Delikts-, Geschäftsführungsund Bereicherungsrechts wenigstens teilweise w i e d e r zu beseitigen, jedenfalls nach der Einführung des reichseinheitlichen Zivilrechts des B G B ab dem 1.1.1900 hinfällig geworden. Dennoch hat die Rechtsprechung ihre Haltung auch nach diesem Zeitpunkt nicht geändert. Ein anderer Grund zur Ablehnung der Bereicherungshaftung im Immaterialgüterrecht könnte in der Befürchtung gelegen haben, daß die H a f t u n g für Verletzungen der Immaterialgüterrechte überspannt würde, w e n n auch der schuldlose Rechtsverletzer zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet wäre. H i n z u kam, daß zu Beginn des Jahrhunderts offenbar der gesamte G e w i n n des Rechtsverletzers aus der Verletzungshandlung als das Erlangte, welches nach Bereicherungsrecht herauszugeben gewesen wäre, angesehen wurde 3 7 . In der Erikamuster-Entscheidung sprach das R G der Klägerin auf der Grundlage eines Anspruchs aus Eingriffskondiktion „die Herausgabe der Vorteile, nämlich des Gewinns, den die Beklagte erzielt hat, in H ö h e der Bereicherung" 3 8 zu. Möglicherweise hielt das R G diesen Anspruch auf Gewinnherausgabe bei schuldlosem Handeln des Rechtsverletzers im Urheberrecht für noch erträglich, aber bei den anderen Immaterialgüterrechten für zu weitgehend, weil es 36 RGZ 9.6.1928, RGZ 121,258 ff. (260) (Frauenberufe); vergleiche auch ROHG13.9.1877, R O H G E 22, 338 (342) (Richards Wanderleben). 37 R G 4.4.1917, RGZ 90, 137ff. (140) (Erikamuster). 38 RG 4.4.1917, RGZ 90, 139 f.

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befürchtete, daß durch das Haftungsrisiko das wünschenswerte Aktivitätsniveau in Sektoren der Wirtschaft, die besonders innovativ waren, beeinträchtigt würde. Mit Sicherheit läßt sich dies indes nicht feststellen.

c) Ökonomische Gründe für die Ablehnung der Bereicherungshaftung im Immaterialgüterrecht Befürwortet wurde die vom Reichsgericht in ständiger Rechtsprechung entwickelte Ablehnung der Anwendung der Eingriffskondiktion auf dem Gebiet der Immaterialgüterrechte von einem Teil des Schrifttums. Hier wurde dieser Ausschluß des Bereicherungsrechts zum Teil mit Argumenten gerechtfertigt, die sich als rechtspolitische kennzeichnen lassen, weil sie auf den hinter den gesetzlichen Regelungen stehenden Interessenkonflikt zwischen dem Inhaber eines Ausschließlichkeitsrechts und demjenigen zurückgreifen, der von seiner allgemeinen Handlungsfreiheit Gebrauch macht. Dabei wird darauf hingewiesen, daß es sich bei den Immaterialgüterrechten um - in moderner ökonomischer Terminologie ausgedrückt - Ressourcen handelt, die Charakteristika öffentlicher Güter tragen. Da die Erkennbarkeit solcher Güter für den Teilnehmer am Rechtsverkehr schwieriger sei als etwa bei Sachen, könne der Rechtsverkehr einer ohne Verschuldenserfordernis eingreifenden Haftung aus ungerechtfertigter Bereicherung nicht ausgesetzt werden. Als repräsentativ für eine solche Argumentation können die Ausführungen von Kohler in seinem Lehrbuch zum bürgerlichen Recht gelten, wo er ausführt: „Ebenso findet ein Widerspruch nicht statt auf dem Gebiete der Immaterialrechte, sofern jemand gutgläubig ein solches Recht benutzt hat; im Fall der absichtlichen und mehr oder minder auch der fahrlässigen Verletzung entstehen Ersatzansprüche; allein es entstehen keine Ausgleichungsansprüche im Fall der unbefangenen gutgläubigen Benutzung fremden Immaterialrechtes. Der Grund ist der: diese Gegenstände sind nicht auf gleiche Weise scharf abgegrenzt wie (körperliche) Sachen, und daher ist es begreiflich, daß in der einen und anderen Weise eine Grenzwirkung stattfindet und der gutgläubige Verkehr bald da, bald dort aus der Quelle fremder Gedanken zehrt. Wollte man hier eine Ausgleichung eintreten lassen, so würde es der Natur dieser Güter, die doch der Allgemeinheit zustreben, widersprechen, und die Lebensverhältnisse unnötig verbittern. Wo daher unsere Immaterialgesetze keine Ausgleichungsansprüche anerkennen, da ist von selbst bestimmt, daß sie nicht bestehen, und man darf sich in dieser Beziehung nicht auf allgemeine Sätze zurückbeziehen; indem die schuldhafte Verletzung ausdrücklich geregelt wurde, ist klar ausgesprochen, daß dieses ganze Gebiet der Sondergesetzgebung unterstellt ist" 39 . Diese Ausführungen beziehen sich auf die Immaterialgüterrechte allgemein. Daher überrascht es wenig, daß Kohler den Bereicherungsanspruch im Patentrecht ablehnt 4 0 . Mit dieser ablehnenden Haltung stand er nicht allein; durchaus gewichtige Stimmen wollten ebenfalls die Anwendung der §§ 812 ff. B G B für 39 40

Kohler, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts WH, 459f. Kohler, Deutsches Patentrecht, 558.

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Verletzungen der Immaterialgüterrechte ausschließen 41 . Im Laufe der Zeit indes bröckelte die Ablehnungsfront ab; eine überwiegende Auffassung im Schrifttum plädierte für eine mehr oder weniger umfassende Öffnung des Immaterialgüterrechts für den Bereicherungsanspruch als Institut des allgemeinen Zivilrechts 42 . Davon hat sich die höchstrichterliche Rechtsprechung jedenfalls bis zum 30.11.1976 (Kunststoffhohlprofil I-Entscheidung des B G H ) nicht beeindrucken lassen, sondern hat an ihrem Standpunkt festgehalten, daß der Anspruch aus Eingriffskondiktion im Bereich der Immaterialgüterrechte abzulehnen ist.

d) Das Verhältnis von Wettbewerbsfreiheit und Immaterialgüterrechten nach dem Inkrafttreten der Gewerbeordnung vom 21.6.1869 Zum Verständnis der großen Zurückhaltung bei der Anwendung der Eingriffskondiktion, die das Reichsgericht bei der Verletzung von Immaterialgüterrechten mit Ausnahme des Urheberrechts während der gesamten Zeit seiner Existenz an den Tag legte 43 und die auch die Rechtsprechung des B G H bis 1976 4 4 kennzeichnete, kann sich das Verhältnis von der durch die Gewerbeordnung vom 21.6.1869 gewährleisteten Wettbewerbsfreiheit einerseits und Immaterialgüterrechten, gewerblichem Rechtsschutz und allgemeinem Zivilrecht andererseits als aufschlußreich erweisen 45 . Diese Frage soll daher im folgenden kurz angesprochen werden. Das Inkrafttreten der Gewerbeordnung vom 21.6.1869, die zunächst für den Norddeutschen Bund galt, nach der Gründung des Deutschen Reiches aber auf das gesamte Reichsgebiet ausgedehnt wurde 4 6 , markiert den Abschluß einer längeren Entwicklung von der Uberwindung überkommener, ihren Aufgaben 41 Seligsohn, Die Bereicherung im Patentrecht, G R U R 33 (1928), 672 ff. (für das Patentrecht); Busse, Warenzeichengesetz, § 24, Anm. 15, Nr. 3; Isay, Schadensersatz und Buße im System des deutschen gewerblichen Rechtsschutzes, G R U R 6 (1904) 25 ff. (30), lehnt den Bereicherungsanspruch im gewerblichen Rechtsschutz ab, weil keine Vermögensverschiebung vorliege. 42 Siehe etwa Orth, Die Bereicherung im Patentrecht; Kreßner, Der Bereicherungsanspruch des Patentinhabers gegen den Patentverletzer und der gleiche Anspruch des Gebrauchsmusterrechtsinhabers gegen den Rechtsverletzer; Schacht, Der Bereicherungsanspruch bei gutgläubiger und leicht fahrlässiger Patentverletzung; v. Mayr, Der Bereicherungsanspruch des deutschen bürgerlichen Rechtes, 79 f.; Kisch, Bereicherungsanspruch bei gutgläubiger Patentverletzung, FS zum 50jährigen Bestehen des Reichspatentamts, 92 ff. (119) und Bolze, Gibt es einen Anspruch auf Schadensersatz oder Herausgabe der gezogenen Nutzung wegen einer Patentverletzung, die weder wissentlich noch grob fahrlässig begangen ist?, AcP 92 (1902), 319ff., worin ein Bereicherungsanspruch gegen den Patentverletzer nur für die Vorteile anerkannt wird, die der unbefugte Nutzer nach Rechtshängigkeit der Klage wegen Patentverletzung erzielt hat. 43 Siehe dazu ausführlich unten im Anschluß bei § 19 I 2. 44 B G H 30.11.1976, B G H Z 68, 90 (Kunststoffhohlprofil I). 45 Den Hinweis auf diesen Zusammenhang verdanke ich Ernst-Joachim Mestmäcker. 46 Siehe dazu Frotscher, Gewerberecht, in: Schmidt, R. (Hrsg.), Öffentliches Wirtschaftsrecht I BT, Rz. 4.

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nicht mehr genügenden Wirtschaftsformen hin zu einer liberalen Verkehrswirtschaft 4 7 . Mit ihr verbunden war eine fundamentale Veränderung der für die Ö k o n o m i e maßgeblichen rechtlichen Rahmenbedingungen. Unter den deutschen Staaten kam Preußen dabei eine Vorreiterrolle zu. Als erster Schritt zur Wettbewerbsfreiheit kann die durch das Edikt vom 9.10.1807 4 8 herbeigeführte Bauernbefreiung angesehen werden. Eine einheitliche Regelung der Gewerbefreiheit für die Staaten des N o r d deutschen Bundes brachte schließlich die Gewerbeordnung vom 21.6.1869 4 9 , die auf den preußischen Regelungen aufbaute. Nach § 1 der Gewerbeordnung war der Betrieb eines Gewerbes jedermann gestattet, soweit nicht die Vorschriften der Gewerbeordnung Beschränkungen oder Ausnahmen vorsahen. § 4 der Gewerbeordnung bestimmte, daß „den Zünften und kaufmännischen Korporationen" ein Recht, andere von dem Betrieb eines Gewerbes auszuschließen, nicht zustehe. Mit der Gewerbefreiheit waren die ständischen und zunftmäßigen Beschränkungen des Zugangs zur gewerblichen Betätigung beseitigt worden. Mit der Einführung der Gewerbefreiheit wurde der Wettbewerb zum grundlegenden Element einer auf den freien Tausch von Waren und Dienstleistungen und deren industrieller Erzeugung angelegten Wirtschaft. Die Wettbewerbsfreiheit stand in völligem Gegensatz zur Art der Wirtschaftstätigkeit in einem System des Zunft- und Innungszwangs: In einer solchen Wirtschaftsform war der Wettbewerb zumeist ganz ausgeschlossen oder nur sehr beschränkt möglich. Das Recht zur Gewerbeausübung stellte sich als ein den Zünften zustehendes, genossenschaftliches Recht dar. D e m Einzelnen stand dieses Recht nicht zu. Im Rahmen der Zunftordnung umfaßte die Befugnis der Zunftgenossen nicht allgemein das Recht zur Ausübung des Gewerbes, sondern zugleich ein Recht auf gesicherten Erwerb aus der Betätigung und jedenfalls prinzipiell - das Recht auf den gleichen Erwerb für alle Zunftgenossen. „Das Recht auf Ausübung gewerblicher Tätigkeit war dem Umfang und der Intensität nach keineswegs unbeschränkt; es hatte zum Inhalte nicht schlechthin die Ausübung gewerblicher Tätigkeit, sondern nur die Ausübung gewerblicher Tätigkeit bis zur Erlangung eines dem Gewinn des andern Zunftgenossen gleichkommenden Gewinns. Das musste zur notwendigen Folge haben, dass nicht nur der unlautre, sondern jeder, auch der lautre Wettbewerb unterdrückt wurde. Die Erzielung eines über den Verdienst des andern hinausgehenden Gewinns stellte sich bereits als Verletzung des Rechts des Zunftgenossen dar" 50 . Mit der Einführung der Gewerbefreiheit war die gewerbliche Betätigung nicht mehr die Ausübung eines genossenschaftlichen Rechts, das Zünften oder Korporationen zustand, sondern wurde als Ausfluß der jedermann gleicher47 48 49 50

Siehe dazu etwa Henning, Die Industrialisierung in Deutschland 1800 bis 1914, 59ff. Preußische Gesetz-Sammlung 1806-10, S. 170. BGBl. 1869,245. Lobe, Der unlautere Wettbewerb als Rechtsverletzung I, 115 f.

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maßen zustehenden allgemeinen Handlungsfreiheit aufgefaßt. Es war insoweit konsequent, wenn höchstrichterliche Rechtsprechung und Schrifttum alle Wettbewerbshandlungen für erlaubt hielten, soweit sie nicht durch besondere Vorschrift verboten waren 51 . Als solche sondergesetzlichen Beschränkungen der Gewerbefreiheit wurden das Markenrecht und die sonstigen Immaterialgüterrechte und § 826 BGB angesehen 52 . Mißbräuche der Gewerbefreiheit durch Gewerbetreibende, die wegen dieser sehr liberalen Auffassung von den Gerichten nicht sanktioniert wurden, veranlaßten den Gesetzgeber später (1896) zum Erlaß des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb. Die ablehnende Haltung des Reichsgerichts gegen die Anwendung der Eingriffskondiktion könnte darauf zurückgehen, daß Einschränkungen der Gewerbefreiheit und des Wettbewerbs nur aufgrund sondergesetzlicher Regelungen möglich waren. Wenn auch die Immaterialgütergesetze als solche, den Wettbewerb beschränkende Sonderregelungen angesehen wurden, so könnte das Reichsgericht eben wegen des Sondercharakters dieser Vorschriften im Verhältnis zum Grundsatz der Wettbewerbsfreiheit von einem engen Verständnis dieser Gesetze ausgegangen sein. Soweit also Vorschriften über die Anwendung der Eingriffskondiktion in diesen Gesetzen fehlten, könnte dies als Hinweis darauf genommen worden sein, daß dieses Rechtsinstitut eben bei Verletzungen dieser Rechte nicht zur Anwendung kommt. Wenn auch das Reichsgericht in seinen Entscheidungen nie mit dem Ausnahmecharakter der Immaterialgütergesetze im Verhältnis zur Wettbewerbsfreiheit argumentiert, so erscheint es doch wahrscheinlich, daß seine ablehnende Haltung zur Anwendung der Eingriffskondiktion von der dargelegten Grundauffassung beeinflußt war. Die Ausnahme beim Urheberrecht spricht nicht gegen diese Überlegung, weil § 18 IV des Urhebergesetzes vom 11.6.1870 von einer Haftung des schuldlos handelnden Rechtsverletzers nur „in H ö h e seiner Bereicherung" sprach 53 .

3. Ausnahme: Die Anwendung der Eingriffskondiktion bei Verletzungen des Urheberrechts Wie bereits oben angedeutet, machte das Reichsgericht von dem Grundsatz der Anwendbarkeit des Bereicherungsrechts bei der Verletzung von Immaterialgüterrechten eine Ausnahme beim Urheberrecht. Die Ausnahme von dem eben behandelten Prinzip des Ausschlusses des Bereicherungsanspruchs wird wiederum mit gesetzessystematischen Argumenten gerechtfertigt, die die differenzierte Behandlung von Urheberrecht einerseits und den anderen Immaterialgüterrechten andererseits tragen sollen. Die Ausnahme ist durch zwei 51

Lobe, a.a.O., 117; Fikentscher, Wettbewerb und gewerblicher Rechtsschutz, 134 . R G 30.11.1880, R G Z 3,67; RG 13.11.1886, RGZ 18,93; RG 30.11.1887, R G Z 20,71; RG 22.12.1891, R G Z 29,56 (59); RG 24.1.1895, R G Z 35,166. Vgl. auch Fikentscher, a. a. O , 134 f.; Lobe, a.a.O., 117ff. 53 Dazu näher unten § 19 I 3. 52

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Entscheidungen des R G in den Jahren 1917 und 1928 begründet worden. In einer Entscheidung aus dem Jahre 1926 war das R G vorübergehend auch für das Urheberrecht auf die Linie des Ausschlusses des Bereicherungsanspruchs eingeschwenkt. Die Grundlage der Rechtsprechung des R G für die Zulassung des Bereicherungsanspruchs bei Urheberrechtsverletzungen ist die Entscheidung im Erikamuster-Fall. Dabei handelt es sich um den ersten Fall, in dem das Gericht ausdrücklich den Bereicherungsanspruch bei unbefugter Inanspruchnahme eines fremden Urheberrechts zugelassen hat. Die Ausführungen des Gerichts in der zeitlich früher ergangenen Ariston-Entscheidung waren dahin zu verstehen, daß die Abschöpfung einer durch eine Urheberrechtsverletzung erlangten Bereicherung nur im Rahmen des vom Urhebergesetz selbst vorgesehenen Schadensersatzanspruchs möglich war 54 . In der Erikamuster-Entscheidung wurde die relevante Vorschrift, § 18 VI des Urhebergesetzes vom 11.6.1870, nicht mehr als Schadensersatznorm, sondern als Anspruch auf Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung aufgefaßt. Der Wortlaut der Vorschrift sei hier wiedergegeben: „Wenn den Veranstalter des Nachdrucks kein Verschulden trifft, so haftet er dem Urheber oder dessen Rechtsnachfolger für den entstandenen Schaden nur bis zur H ö h e seiner Bereicherung".

Entsprechende Bestimmungen waren auch in § 16 des Kunsturhebergesetzes vom 9.1.1876 sowie im § 9 des Gesetzes betreffend den Schutz der Fotografien vom 10.1.1876 enthalten. Das Literatururhebergesetz wurde durch das Gesetz vom 19.6.1901, das Kunsturhebergesetz durch das Gesetz vom 9.1.1907 novelliert. Bezeichnenderweise fehlten in den novellierten Gesetzen Vorschriften mit dem Inhalt des § 18 VI des Literatururhebergesetzes vom 11.6.1870. Zwischenzeitlich (am 1.1.1900) war nämlich das B G B in Kraft getreten. Da dieses ein reichseinheitliches bürgerliches Recht brachte, war die Notwendigkeit, das Eindringen der Partikularrechte durch die Hintertür der zivilrechtlichen Ansprüche bei Verletzungen von Immaterialgüterrechten zu verhindern, nicht mehr gegeben. Das R G zitiert die Materialien der Urhebergesetze, die ausdrücklich darauf hinweisen, daß es nicht die Aufgabe des Entwurfes sei, die zivilrechtlichen Folgen des Eingriffs in Rechte des Urhebers erschöpfend zu regeln. Bei schuldloser Verletzung des Urheberrechts sei der Verletzer dem Berechtigten zur Herausgabe des Erlangten auf der Grundlage der Vorschriften der ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet 55 . Da der Bereicherungsanspruch bereits in den Urhebergesetzen vor dem Inkrafttreten des B G B enthalten gewesen sei, könne aus seinem Fehlen in den novellierten Gesetzen nicht der Schluß gezogen werden, daß der Gesetzgeber solche Ansprüche auf dem Gebiet des Urheberrechts habe ausschließen wol54 55

R G 8.6.1895, R G Z 35, 63 ff. (66f.). R G 4.4.1917, R G Z 90, 137ff. (138) (Erikamuster).

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len. D a v o n k ö n n e nur bei Vorliegen „zwingender G r ü n d e " ausgegangen werden, die hier aber nicht ersichtlich seien 5 6 . Bemerkenswert ist an der Entscheidung darüber hinaus, daß das R G das Vorliegen eines Bereicherungsanspruchs nach § 812 I 1, 2. Alt. B G B bejaht, ohne auch nur ein W o r t zur Frage der Vermögensverschiebung zu verlieren 5 7 . Das erlangte Etwas sieht das G e r i c h t im Gewinn, den der Rechtsverletzer durch die unbefugte Inanspruchnahme des fremden Urheberrechts erzielt hat 5 8 . D i e Entscheidung Erikamuster weicht also in zweierlei Hinsicht von der sonstigen durch die Rechtsprechung des R G eingeschlagenen Linie ab: Sie läßt den Bereicherungsanspruch im Bereich eines Immaterialgüterrechts zu und sie geht davon aus, daß die unbefugte N u t z u n g eines solchen Rechts eine Vermögensverschiebung i. S. der Vermögensverschiebungslehre auszulösen vermag. D i e ser Widerspruch zu bis dahin befolgten Präzedenzien veranlaßte das Gericht denn auch, in einer Entscheidung im 113. B a n d die ratio decidendi des E r i k a muster-Falles wieder in Frage zu stellen 5 9 . In dem Fall ging es u m die Ausstrahlung des Dramas „ D e r T o r und der T o d " durch den Rundfunksender Berlin. D e r Verfasser des Stückes, der Kläger, hatte dieser Verbreitung seines Stückes nicht zugestimmt und nahm die Beklagte, die Produktionsfirma des R a d i o p r o gramms, auf 2.000 Reichsmark Schadensersatz in Anspruch. Das R G bejaht eine Verletzung des ausschließlichen Rechts des Urhebers zur gewerbsmäßigen Verbreitung seines Werkes durch die Rundfunksendung des Stückes „ D e r T o r und der T o d " . Allerdings lehnt das R G einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf der Grundlage der Eingriffskondiktion ab. Es begründet diese Haltung mit „den für die Patentverletzung ständig angewandten Grundsätzen". Es sei „nicht angängig", in einer solchen Fallkonstellation anzunehmen, die Beklagte habe auf K o s t e n des Klägers etwas aus dessen Vermögen und damit auf dessen K o s t e n erlangt. D a v o n unabhängig scheitere der Bereicherungsanspruch bei Urheberrechtsverletzungen aber auch bereits daran, daß die Schadensersatzpflicht im Urhebergesetz von 1901 abschließend geregelt sei. Dieses Gesetz sehe keinen Bereicherungsanspruch vor. D i e allgemeinen Regeln des Zivilrechts seien aber nicht anwendbar, wenn der Bereicherungsanspruch selbst im Urhebergesetz nicht enthalten sei. N u r zwei Jahre später hatte das R G erneut Gelegenheit, über die Frage der Anwendung der Eingriffskondiktion bei Urheberrechtsverletzungen zu entscheiden. I m Fall „Frauenberufe" 6 0 hatte die Klägerin ein B u c h unter diesem Titel veröffentlicht. Weiterer Kläger war der Verlag, in dem das B u c h erschienen war. D i e Kläger behaupten, das B u c h Frauenberufe sei für das in dem Verlag des Beklagten erschienenen B u c h „Was soll unsere Tochter werden?" 56 57 58 59 60

RG RG RG RG RG

4.4.1917, RGZ 90, 138. 4.4.1917, RGZ 90, 139. 4.4.1917, RGZ 90, 139 f. 12.5.1926, RGZ 113, 413 ff. (424) (Der Tor und der Tod). 9.6.1928, RGZ 121, 258 ff. (Frauenberufe).

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unter Übernahme seines Inhalts in urheberrechtlich unzulässiger Weise benutzt worden. U.a. klagen sie auf die Herausgabe der vom Beklagten durch den Vertrieb des Buches eingenommenen Beträge. In dieser Entscheidung gibt das RG die Linie des Ausschlusses der Kondiktion, die es gerade erst in der Entscheidung „Der Tor und der Tod" 61 eingeschlagen hatte, ausdrücklich wieder auf und läßt die Eingriffskondiktion bei der Verletzung von Urheberrechten zu. Zur Begründung wiederholt das Gericht im wesentlichen die Argumente, die bereits im Erikamuster-Fall die Anwendung der Eingriffskondiktion im Bereich des Urheberrechts getragen hatten 62 , nämlich: bereits im Urhebergesetz von 1870 sei ein Bereicherungsanspruch ausdrücklich vorgesehen gewesen (§ 18 VI UrhG); daß im Urhebergesetz von 1901 dieser Anspruch nicht mehr enthalten sei, schließe die Anwendung des Bereicherungsanspruchs nach den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften nicht aus. Dies ergebe sich auch aus den gesetzgeberischen Materialien 6 3 . Insoweit sieht das RG hier einen Unterschied zu den anderen Immaterialgüterrechtsgesetzen, deren Fassungen vor dem Inkrafttreten des BGB am 1.1.1900 keinen Bezug zum Bereicherungsrecht aufwiesen. Das RG bejaht darüber hinaus auch das Vorliegen einer Vermögensverschiebung durch die Urheberrechtsverletzung. Das Element der Vermögensverschiebung als Teil des Tatbestandsmerkmals „auf Kosten" wird außerordentlich verdünnt, um auch bei unbefugter Nutzung des Urheberrechts eine Vermögensverschiebung annehmen zu können. Gefordert wird nicht der gegenständliche Übergang eines Rechtsobjekts aus dem Vermögen des Kondizienten in das Vermögen des Bereicherungsschuldners. Für die Annahme einer Vermögensverschiebung genügt bereits, wenn ein einheitlicher Vorgang sowohl einen Absatzrückgang bei den Klägern wie auch eine Absatzsteigerung beim Beklagten bewirkt hat. „Inwieweit der Absatz des Beklagten dem Absatz-Ausfall der Klägerin entspricht, braucht hier nicht entschieden zu werden. Es genügt, wenn in irgendeinem Umfang das eine durch das andere verursacht worden ist. ... Ursächlicher Zusammenhang zwischen Gewinn und Verlust liegt vor, und zwar derart, daß ein einheitlicher Vorgang beides bewirkt, also eine unmittelbare Vermögensverschiebung unter den Parteien stattgefunden hat"64. Hier zeigen sich sehr deutlich die Schwierigkeiten, die sich für die Vermögensverschiebungstheorie bei der Bewältigung von Bereicherungsvorgängen ergeben, bei denen es nicht um einen Transfer eines Gegenstandes von einem Vermögen in ein anderes Vermögen geht. U m hier überhaupt von einer Vermögensverschiebung reden zu können, mußte das Konzept verwässert werden. Dieses hatte zwar den Vorteil, auch in Nutzungsfällen zu einem Bereiche61 62 63 64

RG RG RG RG

12.5.1926, RGZ 113, 413 (424). 4.4.1917, RGZ 90, 137 (138f.). 9.6.1928, RGZ 121, 258 (260f.). 9.6.1928, RGZ 121, 263.

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rungsanspruch gelangen zu können; der nicht zu unterschätzende Nachteil lag indes darin, daß das Element der Vermögensverschiebung seine Funktion, den Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion in sachlich angemessener Weise abzugrenzen, nicht mehr erfüllen konnte. Jedenfalls hat die höchstrichterliche Rechtsprechung seit der Entscheidung im Frauenberufe-Fall an der Anwendbarkeit des Anspruchs aus Eingriffskondiktion bei Urheberrechtsverletzungen festgehalten. Auch der B G H hat entsprechend der Linie, die vom R G vorgegeben worden war, die Eingriffskondiktion bei Verletzung von Urheberrechten zugelassen65. Der Gesetzgeber hat die höchstrichterliche Rechtsprechung in der Urheberrechtsnovelle 1965 nachvollzogen: §97 III UrhG sieht seitdem ausdrücklich vor, daß der Schadensersatzanspruch nach § 97 I UrhG „Ansprüche aus anderen gesetzlichen Vorschriften unberührt läßt" 66 . Für die übrigen Immaterialgüterrechte blieb auch der B G H bei der Ablehnung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion, bis das Gericht mit der Kunststoffhohlprofil I-Entscheidung am 30.11.1976 endlich den Weg für die Eingriffskondiktion im Immaterialgüterrecht (in casu: Gebrauchsmusterrecht) freimachte 67 .

4. Versuche des Schrifttums zur Erweiterung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion im Bereich der Immaterialgüterrechte Die Ablehnung des eingriffsbereicherungsrechtlichen Schutzes durch die höchstrichterliche Rechtsprechung blieb in der Literatur nicht ohne Echo. Ein Teil des Schrifttums billigte die Ablehnung der Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion im Bereich des Immaterialgüterrechts, die vom RG ausgesprochen worden war. Darauf ist oben bereits hingewiesen worden. Allerdings mehrten sich im Lauf der Zeit - insbesondere nach dem Inkrafttreten des BGB - die Stimmen im Schrifttum, die die Haltlosigkeit der Argumente erkannten, mit denen diese Ablehnung gerechtfertigt wurde. Die dogmatischen Grundlagen, auf deren Boden die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion über die vom RG gezogenen Grenzen hinweg begründet wurde, stellten sich ganz unterschiedlich dar. Uberwiegend wurde versucht, die Defizite beim Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion durch eine Fortentwicklung der damals im Bereicherungsrecht herrschenden Vermögensverschiebungslehre zu überwinden. Darüber hinaus gab es aber auch Ansätze, die aus der Erkenntnis heraus, daß die Vermögensverschiebungstheorie insgesamt nicht geeignet war, eine sachgemäße Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion zu 65

So etwa B G H 12.2.1952, B G H Z 5, 116, 123 (Parkstraße 13); B G H 30.11.1954, B G H Z 15, 338, 348 (Indeta); B G H 18.12.1962, B G H Z 38, 356, 359 (Fernsehwiedergabe von Sprachwerken). 66 Siehe dazu Ullmann, Die Verschuldenshaftung und die Bereicherungshaftung des Verletzers im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, G R U R 1978, 615 ff. (616).

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leisten, neue Grundlagen für dieses Rechtsinstitut schufen. Auf die konzeptionellen Grundlagen der Bereicherungstheorien ist in Kapitel I bereits ausführlich eingegangen worden; an dieser Stelle soll am Beispiel der Immaterialgüterrechte gezeigt werden, wie auf dem Boden ganz verschiedenartiger konzeptioneller Grundlagen versucht wurde, den erkannten Mißstand bei der (Nicht-)Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion im Immaterialgüterrecht zu überwinden.

a) Bemühungen im Rahmen der herrschenden Vermögensverschiebungstheorie zur Überwindung des Ausschlusses der Eingriffskondiktion Die zunehmende Kritik an der diskriminierenden Behandlung von Urheberund Gebrauchsmusterrecht einerseits und den übrigen Immaterialgüterrechten andererseits formierte sich zunächst vornehmlich und wenig überraschend auf dem Boden der Vermögensverschiebungstheorie. Dabei hatten es die Kritiker mit zwei Problemen zu tun: Sie mußten einmal dartun, daß die Schadensersatzregelungen in den Immaterialgütergesetzen den Bereicherungsanspruch nicht ausschlössen; zum anderen bedurfte der Umstand näherer Erläuterung, daß bei der unbefugten Nutzung eines fremden Immaterialgüterrechts eine Vermögensverschiebung zwischen Rechtsinhaber und Verletzer stattfindet. Die Frage der erschöpfenden Regelung auch des Bereicherungsanspruchs durch die Schadensersatznormen der Immaterialgütergesetze bereitete dem Schrifttum kein großes Problem; die Auslegung der Urhebergesetze und der anderen Immaterialgütergesetze in ihren Fassungen vor und nach dem 1.1.1900 mit dem Schluß auf die Nicht-Anwendbarkeit des Bereicherungsanspruchs, weil dieser durch die Schadensersatznormen in diesen Gesetzen ausgeschlossen sein sollte, war so offensichtlich unhaltbar, daß sich ab den 20er Jahren dieses Jahrhunderts immer weniger Verfechter 6 8 dieser Ansicht fanden. Die Kritiker wiesen zu Recht darauf hin, daß keine Gründe dafür gegeben seien, daß der Bereicherungsanspruch aus § 812 I 1 B G B durch die Immaterialgütergesetze ausgeschlossen ist 69 .

B G H 30.11.1976, B G H Z 68, 90ff. (Kunststoffhohlprofil I). Einer von diesen war Kisch, Handbuch des deutschen Patentrechts, 445; auch Isay, Patentgesetz, hatte diese Auffassung bis zur 4. Auflage seines Buches über das Patentgesetz vertreten; in der 5. Auflage (1931) änderte er seine Meinung dahin, daß die Schadensersatzvorschriften im Patentgesetz den Bereicherungsanspruch nicht ausschlössen, S. 561. 6 9 Siehe dazu Riezler, Deutsches Urheber- und Erfinderrecht, 138; Orth, Die Bereicherung im Patentrecht, 57ff.; Allfeld, Das Urheberrecht an Werken der Literatur oder Tonkunst, Vor § 36 U r h G , Anmerkung 13; Bickenbach, Bereicherungsansprüche bei Verletzung von Urheber- und Patentrechten, 3 ff.; Callmann, Der unlautere Wettbewerb, Kommentar, 123; Pinzger, Der Bereicherungsanspruch im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, G R U R 32 (1927), 269ff. (270/271); Schacht, D e r Bereicherungsanspruch bei gutgläubiger und leicht fahrlässiger Patentverletzung, 38 ff.; Kreßner, D e r Bereicherungsanspruch des Patentinhabers, 24 ff.; Stern, Der Bereicherungsanspruch gegen den Patentverletzer, G R U R 1910, 316 ff. (318). 67

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bei den

Immaterialgüterrechten

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Als dogmatisch schwieriger hingegen erwies sich das Problem der Begründung der Vermögensverschiebung in den Fällen der unbefugten Nutzung von Immaterialgüterrechten. Das R O H G hatte - wie oben näher ausgeführt - im Fall „Richards Wanderleben" den Bereicherungsanspruch scheitern lassen, weil das durch die unbefugte Nutzung eines Urheberrechts Erlangte, nicht aus dem Vermögen des Kondizienten stamme, sondern sich als Frucht der Betätigung des Rechtsverletzers darstelle 70 . Ahnliche Bedenken hegte auch noch das RG nach dem Inkrafttreten des BGB in dem Fall „Der Tor und der Tod" 71 . Bereits 2 Jahre später überwand das R G diese Hürde mit einem Minimum an Begründungsaufwand: Das Gericht ließ es für die Vermögensverschiebung genügen, daß der Absatzausfall des Kondizienten als Folge der Absatzverbesserung des Bereicherungsschuldners eingetreten ist. Es müsse ein ursächlicher Zusammenhang von Gewinn der einen und Verlust der anderen Partei derart bestehen, daß ein unmittelbarer Vorgang beides bewirkt habe 72 . Diese Äußerung scheint darauf hinzudeuten, daß ein Verlust beim Kondizienten und ein Gewinn beim Rechtsverletzer vorliegen muß, die dann eine Vermögensverschiebung (!) darstellen sollen, wenn sie auf einem einheitlichen Vorgang beruhen. Sieht man einmal davon ab, daß hier von dem Tatbestandsmerkmal der „Vermögensverschiebung" Abschied genommen und es durch ein Kausalitätsmoment zwischen einem Schaden des Kondizienten, der nicht Tatbestandsmerkmal des § 812 I 1 BGB ist, und dem Erlangten des Bereicherungsschuldners ersetzt wird 7 3 , so wäre es doch notwendig gewesen zu untersuchen, ob die Klägerin einen Schaden erlitten hatte. Uberraschenderweise verzichtet das R G darauf jedoch, indem es erklärt: „Es bedarf keiner besonderen Darlegung, daß der Absatz des abhängigen Buches eine Schmälerung des Urheberrechts von Verfasser und Verleger bedeutet in deren Befugnisse die unfreie Benutzung eingriff" 74 . Aus der Nutzungshandlung selbst soll sich demzufolge bereits das Schadensmoment beim Kondizienten ergeben. Ob er durch die Verletzung tatsächlich einen Schaden erlitten hat, scheint für die Frage der unmittelbaren Vermögensverschiebung nicht von Belang zu sein. Die Folgen für den Tatbestand der Eingriffskondiktion, die diese Art der juristischen Rabulistik mit sich bringt, liegen auf der Hand: Der Tatbestand der Eingriffskondiktion wird vollkommen konturenlos, die Anwendung im Einzelfall mehr oder weniger willkürlich. Darin lag einer der Gründe, die Wilburg und seine Nachfolger bewegt haben, über das Konzept des Zuweisungsgehalts der Rechte der EingriffsROHG 13.9.1877, ROHGE 22, 338 ff. (340). RG 12.5.1926, RGZ 113, 413 ff. (424). 72 RG 9.6.1928, RGZ 121, 263. 73 Zur verdeckten Aufgabe des Erfordernisses der Vermögensverschiebung und seiner Ersetzung durch ein Kausalitätsmoment ausführlich Batsch, Vermögensverschiebung und Bereicherungsherausgabe, 45 ff. m.w.N. 74 RG 9.6.1928, RGZ 121, 263. 70 71

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Kapitel V: Rechte an

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kondiktion eine (neben dem Deliktsrecht) eigenständige Funktion zu geben und ihren Anwendungsbereich klar von dem Bereich der jedermann offenstehenden Handlungsfreiheit abzugrenzen. Im Gegensatz zur Rechtsprechung des RG hat die auf dem Boden der Vermögensverschiebungslehre stehende Literatur in anspruchsvollerer Weise versucht, das Problem der Vermögensverschiebung bei unbefugter Nutzung von Immaterialgüterrechten zu lösen. Das Schrifttum war bemüht, das Merkmal der Vermögensverschiebung im Rahmen des Tatbestandes der Eingriffskondiktion zu „retten", indem sie den Begriff des Vermögens über die Grenzen hinaus ausdehnte, die seit den grundlegenden Arbeiten C.F. v. Savignys für dieses Konzept allgemein anerkannt waren. Zum Vermögen einer Person gehörten die und nur die ihr zugeordneten absoluten und relativen subjektiven Rechte, die zur Befriedigung der Bedürfnisse einer Person dienen75 und die einen Geldwert aufweisen76. Eine Ausdehnung des Vermögensbegriffs sollte dazu dienen, zu einem erweiterten Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion zu gelangen, um auf diese Weise die Nutzungs- und Gebrauchsfälle, bei denen keine gegenständlichen Vermögensverschiebungen stattfinden, im Rahmen der Vermögensverschiebungstheorie erfassen zu können. Erleichtert wurde diese Vorgehensweise durch die Gesetzesmaterialien zu § 812 BGB. Während die Motive der 1. Kommission noch davon sprachen, daß Gegenstand der Kondiktion alles sein könne, „... was als Vermögenswerth oder Vermögensbestandtheil angesehen werden kann, durch dessen Übergang aus dem Vermögen des Einen in dasjenige des Anderen der Letztere bereichert wird ..." 7 7 ,

beschloß die 2. Kommission, die Worte „aus dem Vermögen" im Tatbestand der Kondiktion durch „auf Kosten" zu ersetzen. Die erste Formulierung sei zu eng geraten. Die Formulierung „auf Kosten" sei insoweit umfassender, „... als sie auch diejenigen Fälle mit umfasse, in denen das Objekt der Bereicherung, ohne bereits in das Vermögen des Kondiktionsberechtigten übergegangen zu sein, doch den Vermögensstand desselben berühre" 7 8 .

Bereits in den zeitlich kurz nach dem Inkrafttreten des BGB erschienenen ersten grundlegenden monographischen Arbeiten zum Bereicherungsrecht wurde unter Bezugnahme auf die Materialien darauf hingewiesen, daß bereits solche Positionen zum Vermögen gehörten, an denen der Vermögensinhaber noch keine volle rechtliche Herrschaft, aber bereits eine Anwartschaft als rechtlich geschützte Aussicht auf den zukünftigen Erwerb erlangt habe79. 75 Enneccerus/Nipperdey, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, Allgemeiner Teil 1/1. Halbband, 841; v. Tuhr, Allgemeiner Teil I, 314 f£. 76 v. Tuhr, a.a.O., 314. 77 Mugdan II, Motive, 264. 78 Mugdan II, Protokolle, 1171. 79 Jung, Die Bereicherungsansprüche und der Mangel des „rechtlichen Grundes", 145ff.; v. Mayr, Der Bereicherungsanspruch des deutschen bürgerlichen Rechtes, 195 ff. (197).

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bei den Immaterialgüterrechten

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Auch Riezler zog die Bemerkung der Materialien zur Bestimmung der Voraussetzung der Vermögensverschiebung heran: „Aber das Erfordernis der Bereicherung ,auf Kosten' eines Anderen darf nicht so eng aufgefaßt werden, daß es nur gegeben wäre, wenn Vermögenswerte unmittelbar aus dem Vermögen des Einen in das Vermögen des Anderen übergehen; sondern es ist schon dann erfüllt, wenn die Verwertung des fremden .Etwas', das man in ungerechtfertigter Weise erlangt hat - dieses ,Etwas' ist hier die Möglichkeit der Ausnützung des fremden Immaterialgutes - den Vermögensstand des Rechtsinhabers überhaupt nachteilig berührt; sie berührt diesen Vermögensstand insofern, als dem Berechtigten die Möglichkeit der wirtschaftlichen Ausbeutung seines Immaterialgutes zugunsten des eigenen Vermögens eben durch den Eingriff des Unberechtigten entzogen oder beschränkt worden ist"80. Ohne ausdrücklich vom überkommenen, allein durch rechtliche Kategorien bestimmten Vermögensbegriff Abstand zu nehmen, überwindet Riezler - und vor ihm bereits Bolzesl - die Grenzen dieses engen juristischen Vermögenskonzepts, indem er das erlangte Etwas mit der Möglichkeit der Ausnutzung des Immaterialgutes gleichsetzt. Auch Stern sieht in der unbefugten Nutzung fremder Immaterialgüter eine Vermögensverschiebung, wenn er auch wesentlich auf den Kausalzusammenhang der Bereicherung abstellt: Die Bereicherung geschehe durch Mittel des fremden Vermögens, sie sei durch das Vermögen des Patentberechtigten vermittelt, in dem der Verletzer dessen subjektives Recht gebrauche, um sein Vermögen zu bereichern82. Eine Erweiterung des Vermögensbegriffs um werthaltige faktisch-wirtschaftliche Positionen macht Lobe zur Grundlage des Anspruchs aus Eingriffskondiktion bei Verletzung des UWG 8 3 . Unter Hinweis auf die bereits erwähnte Stelle in den Protokollen beruft sich Lobe darauf, daß der Gesetzgeber nicht nur die unmittelbar beherrschten Sachwerte, sondern auch die rechtlich geschützten Aussichten auf künftige Erlangung wirtschaftlicher Leistungen zum Vermögen gerechnet habe84. Nicht die bloße ungesicherte Erwerbsmöglichkeit sei Vermögensbestandteil, sondern diejenige Erwerbsaussicht, die durch das Recht geschützt sei. Der Umstand, daß „natürliche Beziehungen des gewerbliRiezler, Deutsches Urheber- und Erfinderrecht, 140. Bolze, Gibt es einen Anspruch auf Schadensersatz oder Herausgabe der gezogenen Nutzung wegen einer Patentverletzung, die weder wissentlich noch grob fahrlässig begangen ist? AcP 92 (1902), 319 ff. (338); Bolze sieht das Erlangte i.S. des § 812 I B G B in der Nutzung der patentierten Erfindung durch den Rechtsverletzer. Dem Patentinhaber stehe dieser Gebrauch ausschließlich zu und ihm werde durch die unbefugte Nutzung die Möglichkeit entzogen, die Erfindung an Stelle des Verletzers zu verwerten. Die Ausdehnung des Konzepts der Vermögensverschiebung bei Bolze ist insoweit konsequent, als er an anderer Stelle dem Vermögen nicht nur Rechte, sondern auch „nutzbare tathsächliche Verhältnisse, welche von der Person rechtmäßig für eigene Rechnung genutzt werden", dem Vermögen zugeordnet hatte, siehe Bolze, Zur Lehre von den Kondiktionen, insonderheit von der condictio sine causa, AcP 78 (1892), 422ff. (427). 82 Stern, Der Bereicherungsanspruch gegen den Patentverletzer, G R U R 1910,316 ff. (317). 83 Lobe, Der unlautere Wettbewerb als Rechtsverletzung I, 359 ff. 84 Lobe, a.a.O., 359. 80 81

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chen L e b e n s " wie die Kundschaft einen bestimmten Gewinn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erwarten lasse, schaffe eine günstige wirtschaftliche Lage beim Gewerbetreibenden, die einen Bestandteil seines Vermögens darstelle. J e sicherer diese Aussicht sei, und je mehr die Wahrscheinlichkeit des Erwerbes sich zur Gewißheit verdichte, desto mehr gleiche der Wert der wirtschaftlichen Lage dem zu erzielenden Gewinn 8 5 . Im Bereich des Schadensersatzrechts werde dies durch § 252 B G B belegt, der den zu erwartenden Gewinn bereits dem Vermögen des Geschädigten zuordne. F ü r den Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung ergebe sich daraus, daß „... durch die unlautere Wettbewerbshandlung allerdings eine Vermögensverschiebung zwischen den beiden Konkurrenten dadurch stattfindet, daß die der Gewinnerzielung günstige wirtschaftliche Lage, wie sie § 252 B G B im Auge hat, dem Gegner entzogen und in das Vermögen des unlautern Konkurrenten übergeführt wird" 86 . Es liegt auf der Hand, daß eine solche Erweiterung des Vermögensbegriffs um „günstige wirtschaftliche Stellungen" 8 7 im Wettbewerb, die sich ein Mitbewerber unbefugt zunutze macht, nicht nur zur Begründung des Bereicherungsanspruchs im R e c h t des unlauteren Wettbewerbs herangezogen werden kann, sondern auch, um die Eingriffskondiktion im Bereich der Immaterialgüterrechte zu begründen. Im Ansatz Lobes und der meisten anderen Autoren ist das Erfordernis des Schadens beim Kondizienten, seine Entreicherung, von beherrschender Kraft für die Konturierung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion. Dies zeigt sich bei Lobe an der Gleichsetzung des entgangenen Gewinns im Schadensersatzrecht mit dem Gewinn des Bereicherungsschuldners, den dieser ziehen konnte, weil er nach den N o r m e n des U W G unbefugt in die günstige wirtschaftliche Lage des Kondizienten eingegriffen hat. Bei anderen zeigt sich der überaus enge Zusammenhang von Schadenserfordernis beim Kondizienten und Vermögensvorteil beim Bereicherungsgläubiger darin, daß der Bereicherungsanspruch nur dann gegeben sein soll, wenn der Rechtsinhaber sein R e c h t tatsächlich genutzt hätte. Falls ihm dies nicht möglich gewesen wäre, soll kein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gegeben sein, weil der Rechtsinhaber nicht entreichert sei 88 . D i e enge Verknüpfung zwischen Schadensersatzrecht und Eingriffskondiktion ist im R a h m e n der „modifizierten" Vermögensverschiebungstheorie dadurch angelegt, daß das Schadenserfordernis zur Voraussetzung des Bereicherungsanspruchs gemacht wird. Sachlich läßt sich die Auffassung Lobes, daß die günstige wirtschaftliche Stellung im Wettbewerb durch die Eingriffskondiktion geschützt sei, heute nicht mehr für die Positionen des U W G vertreten. Das U W G 85

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Lobe, Der unlautere Wettbewerb als Rechtsverletzung I, 360. Lobe, a.a.O., 360f.

Lobe, a.a.O., 361.

So etwa Kisch, Bereicherungsanspruch bei gutgläubiger Patentverletzung, in: FS zum 30-jährigen Bestehen des Reichspatentamts, 92ff. (100). 88

5 19 DSB und Eingriffskondiktion

bei den

Immaterialgüterrechten

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schafft den rechtlichen Rahmen, in dem sich der Wettbewerb der Konkurrenten am Markt vollzieht. Für das Verhalten der Konkurrenten im Wettbewerb stellt das Gesetz Verhaltensanforderungen auf, um Mitbewerber, Konsumenten und Allgemeinheit vor bestimmten negativen Auswirkungen des Wettbewerbs zu schützen. Das U W G teilt jedoch keine rechtlich geschützten Stellungen im Wettbewerb an einzelne Konkurrenten zu, die dem Zugriff anderer Konkurrenten entzogen wären, wie wenn daran ein Ausschließlichkeitsrecht bestünde. Die wirtschaftliche Position eines Wettbewerbers im Verhältnis zu seinen Mitkonkurrenten wird durch den Wettbewerb und als Ergebnis des Handelns im Wettbewerb, und nicht durch die Zuweisung absolut geschützter Positionen durch die Rechtsordnung verteilt. Den vielleicht von der Begründung her fundiertesten Versuch, das Problem der Vermögensverschiebung bei unbefugter Inanspruchnahme von Immaterialgüterrechten im Rahmen der Vermögensverschiebungslehre zu lösen, hat Orthm unternommen. Auch Orth sieht die Lösung des Problems der Vermögensverschiebung bei der unbefugten Inanspruchnahme von Immaterialgüterrechten in einer Erweiterung des Vermögensbegriffs über seine engen Grenzen hinaus, die ihm durch seine rein juristische Fassung vorgegeben werden. Der Ansatz von Orth unterscheidet sich in zweifacher Hinsicht von den Lösungsvorschlägen der anderen, hier erwähnten Autoren: Zum einen versucht er über die von ihm vorgeschlagene Erweiterung des Vermögensbegriffs die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion nicht nur für ein bestimmtes Immaterialgüterrecht, sondern für alle Positionen, die nach den Immaterialgütergesetzen geschützt sind90, und darüber hinaus auch für Positionen des Wettbewerbsrechts zu begründen. Zum anderen greift Orth als einziger zur Herleitung seines erweiterten Vermögensbegriffs auf wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse zurück. Er geht davon aus, daß es sich beim Konzept des Vermögens um einen wirtschaftlichen Begriff handelt, für dessen Inhaltsbestimmung die Lehren der Nationalökonomie heranzuziehen seien91. Was gehört nun zum Vermögen? „Unbestrittenermaßen gehören hierher alle Sachgüter und die Rechte an und auf solche. Dazu kommen aber die persönlichen Güter, d.h. Zustände und Eigenschaften des Menschen. Ferner die Güter der rechtlichen und tatsächlichen Positionen, die auf Beziehungen des Vermögensträgers zu Sachen oder Personen beruhen" 9 2 .

An den zum Vermögen gehörenden Gütern sind dem Rechtsinhaber Verwertungsmöglichkeiten als Vermögensbestandteil zugeordnet 93 . Es handelt sich dabei um die Möglichkeit, ein Gut zur Produktion anderer Güter zu nutzen, es Orth, Die Bereicherung im Patentrecht. Für das Patentrecht: 78 ff.; Gebrauchsmusterrecht: 155; Urheberrecht: 155 ff.; Geschmacksmusterrecht: 159; Rechte am Geschäftsbetrieb/unlauterer Wettbewerb: 161 f.; Warenzeichen: 162 f.; andere Rechte: 159 ff. 91 Orth, Die Bereicherung im Patentrecht, 79. 92 Orth, a.a.O., 79. 93 Orth, a.a.O., 79ff. 89

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zu gebrauchen oder zu tauschen 94 . Danach gehört jede konkrete Verwertungsmöglichkeit eines Gutes zum Vermögen einer Person. Die Verwertungsmöglichkeiten von Gütern, die zum Vermögen des Berechtigten gehören, sind diesem in der Weise zugeordnet, daß nur der Berechtigte, nicht aber ein Dritter die Verwertungsmöglichkeit realisieren darf. Die Grundlage des Bereicherungsanspruchs bildet damit die vom Verletzer entnommene Verwertungsmöglichkeit. „Bereicherung ist jede entnommene Verwertungsmöglichkeit. Auf Kosten geht jeder Verlust einer Verwertungsmöglichkeit. Die entnommene Verwertungsmöglichkeit ist - d i e übrigen Erfordernisse des § 812 BGB vorausgesetzt-herauszugeben, mag sie für den Verletzten einen erwarteten oder auch nur einen latenten Wert gehabt haben. Sie ist prinzipiell in natura herauszugeben. Ist sie nicht herausgebbar, dann ist ihr gemeiner Wert zu ersetzen"95. Es ist bemerkenswert, daß Orth Kategorien der Güterzuweisung heranzieht, um die zum Vermögen gehörigen Güter, als auch die durch sie für den Berechtigten gegebenen Verwertungschancen zu bestimmen. Im Verhältnis zu engeren Spielarten der Vermögensverschiebungstheorie, wie etwa der von Leonhard vertretenen Auffassung, daß eine Eingriffskondiktion nur bei Rechtsübergang gegeben sei96, führte die von Orth vorgenommene Erweiterung des Vermögensbegriffs und das Abstellen auf durch den Rechtsverletzer entnommene Verwertungsmöglichkeiten von Vermögensgütern zu einer ganz erheblichen Ausdehnung der Anwendung der Eingriffskondiktion. Diese Ausdehnung geht über die absolut geschützten Immaterialgüterrechte hinaus, und erfaßt auch Positionen, die nach dem U W G geschützt sind 97 . Obwohl er für die Bestimmung des Vermögensbegriffs auf Kategorien der Wirtschaftswissenschaft zurückgreift, verzichtet Orth - nach dem damaligen Stand von Wettbewerbsrecht und Ökonomie verständlich - völlig auf eine Auseinandersetzung mit dem Problem, wie sich eine solche Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion auf die Handlungsfreiheit der am Markt Tätigen, d.h. auf ihr Wettbewerbsverhalten auswirkt 98 . Zusammenfassend ist festzustellen, daß die herkömmliche Theorie der Vermögensverschiebung die Probleme gespürt hat, die mit der Anwendung des Vermögensverschiebungserfordernisses bei der Verletzung von Rechten verbunden ist, durch die letztlich bestimmte Marktchancen gegen die Ausnutzung 94

Orth, Die Bereicherung im Patentrecht, 83. Orth, a.a.O., 126. 96 Leonhard, Besonderes Schuldrecht des BGB II, 454. 97 Orth, a.a.O., 161 f. 98 Siehe zu diesem Punkt auch Büsching, Der Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion im Wettbewerbsrecht, 28, der zu Recht auf den engen Zusammenhang von Orths „entnommener Verwertungsmöglichkeit" und der Variante der Zuweisungsgehaltstheorie hinweist, die das Erlangte nach § 812 11,2. Alt. BGB in der „marktfähigen Verwertungsmöglichkeit" sieht, etwa Hüffer, Die Eingriffskondiktion, JuS 1981, 265; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 256 f. 95

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Immaterialgüterrechten

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durch Dritte geschützt sind. Eine gegenständliche Verschiebung von Vermögensgütern tritt bei der Verletzung solcher Rechte nicht auf. D i e Versuche der Vermögensverschiebungstheorie, dieses P r o b l e m zu lösen, sei es durch die Einführung eines Kausalitätsmomentes, wie es die Rechtsprechung angewandt hat, sei es durch eine Erweiterung des Vermögensbegriffs, wie sie von Teilen der Literatur vorgeschlagen wurde, hat letztlich zu einer Auflösung des Vermögensverschiebungskriteriums geführt. D a m i t verlor die Voraussetzung der Vermögensverschiebung ihre Funktion, für eine sachgerechte Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion zu sorgen. D e r Tatbestand der Eingriffskondiktion drohte konturenlos zu werden. Es überrascht daher wenig, daß im Schrifttum alternative Kriterien zu F u n k tionalisierung und Abgrenzung der Eingriffskondiktion entwickelt wurden, die besser geeignet seien sollten, die Probleme der Anwendung des Bereicherungsanspruchs auf die Verletzung von Immaterialgüterrechten zu lösen.

h)

Rechtswidrigkeitstheorie

Keine Probleme, den Schutz der Immaterialgüterrechte und weiterer rechtlich geschützter Positionen in das Bereicherungsrecht zu integrieren, hatte Schulz in seinem „System der Rechte auf den Eingriffserwerb" 9 9 . Das R e c h t auf den Eingriffserwerb zielt darauf ab, einem (rechtswidrig handelnden) Rechtsverletzer dasjenige zu entziehen, das er durch seine rechtswidrige Handlung erlangt hat. Mit dieser Zielsetzung im Sinn entwickelt Schulz ein einheitlich aufgebautes System von Ansprüchen auf den Eingriffserwerb, das sich durch das gesamte bürgerliche Vermögensrecht zieht und seine Voraussetzungen und Rechtsfolgen unabhängig von den positiven N o r m e n des B G B bestimmt. Vor diesem Hintergrund plädiert Schulz letztlich für eine Auflösung des Tatbestandes der ungerechtfertigten Bereicherung in §§ 812 ff. B G B als eigenständige Anspruchskategorie 1 0 0 . A u c h Schulz geht davon aus, daß die W o r t e „auf K o sten eines A n d e r e n " in § 812 B G B nur besagen könnten, daß dem G e w i n n des Einen ein Verlust des Anderen in gleicher H ö h e gegenüberstehen müsse 1 0 1 . D a r ü b e r hinausgehend befürwortet Schulz aber auch einen Rückforderungsanspruch auf G r u n d analoger Anwendung der Bereicherungsvorschriften in den Fällen, in denen zwar rechtswidrig, aber nicht auf Kosten des Gläubigers (also ohne Schadensverursachung) ein E r w e r b gemacht worden ist 1 0 2 . D a sich Schulz insoweit von den tatbestandlichen Begrenzungen des § 812 B G B löst und - gewissermaßen gesetzesfrei - einen Anspruch auf Herausgabe des durch rechtswidrige Handlung erworbenen Eingriffserwerbs schöpft, kann er jegliche F o r m solchen Eingriffserwerbs in sein System integrieren. Es er99 Schulz, System der Rechte auf den Eingriffserwerb, AcP 105 (1909), 1 ff.; siehe dazu ausführlich oben Kapitel I § 4 I. 100 Schulz, a.a.O., AcP 105 (1909), 473. 101 Schulz, a.a.O., 478. 102 Schulz, a. a. O., 478.

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Kapitel

V: Rechte an

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staunt daher wenig, daß rechtswidrige Verletzungen aller Immaterialgüterrechte, des Rechts am eigenen Bild und von Positionen, die nach U W G oder auf Grund des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb begründet sind, einen Anspruch auf Herausgabe des so erlangten Gewinns erzeugen. Auf die mit dem Abstellen auf die Rechtswidrigkeit des Handelns des Eingreifers verbundenen Schwächen bei der Begründung des Bereicherungsanspruchs ist oben bereits ausführlich hingewiesen worden. An dieser Stelle soll nur noch einmal angemerkt werden, daß die Rechtswidrigkeit kein geeignetes Kriterium ist, dem Handelnden das durch die Rechtsverletzung Erlangte abzunehmen und es dem Verletzten zu geben. Denn die Rechtswidrigkeit gibt keine Auskunft darüber, ob das Erlangte dem Verletzten im Verhältnis zum Rechtsverletzer oder Dritten auch gebührt. c)

Zuweisungsgehaltstheorie

Auch die Zuweisungsgehaltstheorie ist - wie wohl schon die Rechtswidrigkeitstheorie Schulz' - eine Anwort auf Defizite und Unzulänglichkeiten der Vermögensverschiebungstheorie. Wilburg entwickelt den Anspruch wegen Eingriffskondiktion aus dem Eigentum als dem Modell des absoluten subjektiven (Herrschafts-)Rechts. Solange noch kein Eigentumswechsel stattgefunden hat und die Sache nicht untergegangen ist, steht dem Eigentümer mit der Vindikationsklage, der actio negatoria des § 1004 B G B und der Schadensersatzklage nach § 823 I B G B ein umfangreiches Instrumentarium zum Schutz seines Eigentums zur Verfügung. Die Vindikationsklage hingegen versagt dann, wenn die Sache untergegangen ist oder ein Eigentumswechsel stattgefunden hat (z. B. nach §§ 946 ff. B G B wegen Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung). Der Eigentumserwerb durch den Eingreifer bedeutet - dies zeigt Wilburg - noch nicht, daß ihm auch der in der Sache verkörperte Vermögenswert zustehen soll. Vielmehr zeige sich im Anspruch aus Eingriffskondiktion die Fortwirkung des verlorenen oder untergegangenen Rechts. Der wirtschaftliche Zweck des Eigentums ist die Grundlage des Bereicherungsanspruchs. Das Eigentum ist aber nur das Modell des absoluten subjektiven Rechts. Der wirtschaftliche Zweck, der hinter der Gewährung von exklusiven Handlungs-, Nutzungs- und Verfügungsbefugnissen steht, gilt nicht nur für Ausschließlichkeitsrechte an Sachen, sondern auch für solche Rechte an anderen Gegenständen. So erkennt Wilburg den Anspruch aus Eingriffskondiktion bei der Verletzung von Immaterialgüterrechten103, von bestimmten Persönlichkeitsrechten104, wegen Eingriffs in die Arbeitskraft 105 und wegen Verletzung von Normen des Wettbewerbs, etwa bei unbefugter Ausnutzung fremder Geschäftsgeheimnisse an106. Demgegenüber lehnt er den Anspruch aus Eingriffskondiktion bei Ver103 104 105 106

Wilburg, Wilburg, Wilburg, Wilburg,

Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 40 f. a.a.O., 43f. a.a.O., 43. a.a.O., 44f.

§ 19 DSB und Eingriffskondiktion

bei den Immaterialgüterrechten

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letzungen des Besitzes 107 und bei Eingriffen in Forderungsrechte 108 ab, weil nur „absolute Rechte und absolut geschützte Interessen" 109 von der Bereicherungsklage erfaßt würden. Wilburg erläutert die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion auf die Normen des U W G nicht näher, deutet aber die Gefahr an, daß dieses im Rahmen des U W G „der Schaffung neuer Exklusivrechte zustrebe". Nicht jeder Einfall und jede gelungene Idee dürfe zum Gegenstand eines Privilegs gemacht werden, das andere von der Nutzung des Gegenstandes ausschließe 110 . Im Vergleich zu Wilburg zieht v. Caemmerer den Kreis der durch die Eingriffskondiktion geschützten Rechte enger: Ihre Anwendung kommt in Betracht bei Verletzungen des Eigentums und sonstiger absoluter Sachenrechte sowie aller anderen absoluten Rechte (z.B. Immaterialgüterrechte) 111 . Bei Forderungen ist nur die Innehabung gegen Eingriff Dritter bereicherungsrechtlich geschützt 112 . Demgegenüber begründen Verstöße gegen Verhaltensnormen, insbesondere Verstöße gegen Normen des U W G , nicht die Anwendung der Eingriffskondiktion 113 . Eine solche Grenzziehung erscheint deshalb nur konsequent, wenn man bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt lediglich absoluten subjektiven Rechten zuerkennt. Im Gegensatz zur Rechtswidrigkeitstheorie, wie sie von Schulz begründet wurde, erlaubt die Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte eine klare und überzeugende Begründung dafür, daß dem Bereicherungsschuldner das Erlangte abgenommen und gerade dem Kondizienten gegeben wird. Die Zuweisungsgehaltslehre bezieht sich auf die Zuordnung knapper Güter durch Ausschließlichkeitsrechte, um zu begründen, warum dem Rechtsinhaber das zusteht, was ein Nichtberechtigter aus unbefugter Nutzung eines Gegenstandes, aus dem ein Ausschließlichkeitsrecht des Kondizienten besteht, erlangt hat. Diese Grundlegung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion, die in dogmatischer Hinsicht zu einer kategorialen Trennung zwischen der Leistungs- und der Eingriffskondiktion geführt hat, hat sich letztlich in Rechtsprechung 114 und Schrifttum 115 durchgesetzt.

Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 37 f. Wilburg, a.a.O., 46f. 109 Wilburg, a.a.O., 46. 110 Wilburg, a. a. O., 45. 111 v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel I, 354. 112 v. Caemmerer, a.a.O., 355. 113 v. Caemmerer, a.a.O., FS Rabel I, 396f. 114 Siehe z.B. BGH 9.3.1989, BGHZ 107, 117ff. (Forschungskosten); BGH 24.11.1981, BGHZ 82, 299 (Kunststoffhohlprofil II). 115 Siehe z.B. Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 258ff.; Koppensteiner/ Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 75 ff.; Loewenheim, Bereicherungsrecht, 57 ff.; Staudinger(-Lorenz), § 812, Rz. 23; Soergel(-Mühl), § 812, Rz. 132; RGRK(-Heimann-Trosien), § 812, Rz. 42; Erman(-Westermann), § 812, Rz. 65;Jauernig(-Schlecbtriem), § 812, Anm. II 1; Larenz/Canaris, SchR II/2, § 69 I lb); Esser/Weyers, SchR II BT, § 50 I la); Medicus, BR, Rz. 712. 107 108

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Kapitel V: Rechte an Informationen

II. Die Entwicklung der sogenannten dreifachen Schadensberechnungsmethode (DSB) als Substitut für die abgelehnte Bereicherungshaftung im Bereich der Immaterialgüterrechte Wie oben dargelegt, lehnte die h. M . in Rechtsprechung und Schrifttum die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion bei unbefugter Inanspruchnahme von Immaterialgüterrechten ab, sei es, weil auf der Grundlage der Vermögensverschiebungstheorie das Erfordernis der Vermögensverschiebung nicht als erfüllt angesehen wurde, sei es, daß die Schadensersatzvorschriften in den Immaterialgütergesetzen für abschließend gehalten wurden. So blieben der Rechtsprechung bei Verletzungen der Immaterialgüterrechte (mit Ausnahme von Urheber- und Geschmacksmusterrecht) lediglich die in den Immaterialgütergesetzen vorgesehenen Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche, u m unbefugte Eingriffe in die Rechte zu sanktionieren. Allerdings stellte sich schnell heraus, daß der Schadensersatzanspruch bei Immaterialgüterrechten von der Praxis nicht leicht zu bewältigen war. In erster Linie k o m m t bei der Verletzung von Immaterialgüterrechten im R a h m e n des Schadensersatzanspruchs der entgangene G e w i n n des Verletzten nach § 252 B G B in Betracht. Allerdings gilt nur der G e w i n n als entgangen, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den v o m Geschädigten getroffenen Vorkehrungen mit Wahrscheinlichkeit zu erwerben war. Bei der Verletzung von Immaterialgüterrechten ergibt sich der entgangene Gewinn aus dem Absatzrückgang, den der Rechtsinhaber dadurch erlitten hat, daß der Rechtsverletzer etwa die fremde Erfindung oder das fremde Warenzeichen genutzt hat. Bei der Feststellung des entgangenen Gewinns und seiner H ö h e ergeben sich indes Schwierigkeiten. D e m Verletzten ist jedenfalls dann kein Gewinn entgangen, wenn er weder willens noch in der Lage war, selbst z . B . Produkte zu vermarkten, die auf G r u n d der patentierten Erfindung hergestellt worden sind. In den Fällen, in denen der Verletzte sich mit der Vermarktung des patentierten Produktes befaßt, ist fraglich, ob der entgangene Gewinn dadurch festgestellt werden kann, daß angenommen wird, daß der Absatz des Verletzers dem Absatzverlust des Rechtsinhabers entspricht. Eine solche Vermutung hatte das R G in einem Fall einmal angenommen 1 1 6 , in anderen Entscheidungen aber wiederum verneint 1 1 7 . A u c h wenn das Gericht bei der Feststellung des Schadens gemäß § 287 Z P O befugt ist, nach Würdigung aller Umstände frei zu entscheiden, ist es dennoch verpflichtet, die tatsächlichen Grundlagen für diese Entscheidung zu ermitteln. D e m Verletzten wird es häufig nicht möglich sein, jenseits jedes vernünftigen Zweifels darzutun, daß ihm ein Gewinn in bestimmter H ö h e entgangen ist und daß ein solcher Entgang gerade auf das Verhalten des Schädigers zurückzuführen ist. D e r Verletzte hat in der Regel 116 117

RG 29.3.1919, RGZ 95, 220. RG 23.2.1920, GRUR 25 (1920), 103.

§19 DSB und Eingriffskondiktion

bei den

Immaterialgüterrechten

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also - und dies ist in den Verfahren wegen Verletzung von Immaterialgüterrechten in der Gegenwart nicht anders - Schwierigkeiten, Schaden und Kausalität nachzuweisen 118 . Hinzu kommt, daß die Immaterialgüterrechte, die ja - ökonomisch gesehen - Charakteristika öffentlicher Güter tragen, besonders leicht durch Unbefugte zu nutzen sind: Häufig dürfen die Rechtsverletzer darauf hoffen, daß der Rechtsinhaber die unbefugte Verwendung seines Rechts nicht bemerkt. Insoweit scheint eine Verletzung von Immaterialgüterrechten leichter zu bewerkstelligen sein als etwa die unbefugte Nutzung einer Sache, die sich im Besitz ihres Eigentümers befindet. Die Probleme bei Feststellung und Höhe des Schadens wie bei der Kausalität zwischen Verletzungshandlung und Schaden treten beim Anspruch aus Eingriffskondiktion nicht auf. Angesichts der aufgezeigten Probleme war die Rechtsprechung bemüht, im Rahmen des Schadensersatzanspruchs, mit dem sie Verletzungen der Immaterialgüterrechte sanktionieren konnte, einen Ersatz für die unanwendbare Eingriffskondiktion zu schaffen, indem das Reichsgericht die sogenannte dreifache Methode der Schadensberechnung entwickelte. Den Ausgangspunkt dafür bildet eine Entscheidung des RG aus dem Jahre 1895.

1. Grundlegung:

Die Ariston-Entscheidung

des RG

In der Ariston-Entscheidung des RG 119 hatte die Beklagte, die mechanische Musikwerke und die für deren Betrieb erforderlichen Notenscheiben herstellte, einige populäre Musikstücke, die der Kläger komponiert hatte und im Selbstverlag vertrieb, ohne Genehmigung des Klägers für ihre Notenscheiben verwendet. Daraufhin nahm der Kläger die Beklagte nach dem Urhebergesetz vom 11.6.1870 auf Schadensersatz in Anspruch. Bei der Feststellung, ob dem Kläger durch die Verwendung seiner Kompositionen ein Schaden entstanden ist, geht das Gericht zunächst vom allgemein anerkannten, auf der Differenzhypothese beruhenden Schadenskonzept aus: zu ersetzender Schaden sei der Vermögensnachteil einschließlich des entgangenen Gewinns des Geschädigten, der durch die Handlung des Schädigers verursacht wurde. Um einen Schaden bejahen zu können, müsse eine Differenz zwischen dem Bestand des Vermögens nach Eintritt des schädigenden Ereignisses und im Bestand des Vermögens, wie es sich ohne Schadensereignis darstellen würde, feststellbar sein. Gerade bei Immaterialgüterverletzungen - wie hier durch unbefugten Nachdruck von Noten - kann dem Rechtsinhaber die Darlegung eines Schadens schwerfallen: Wäre der Kläger im Ariston-Fall ein ganz unbekannter Künstler gewesen, dessen Kompositionen niemand gekauft hätte, so hätte er auf Grund 118 Siehe dazu Büsching, Der Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion im Wettbewerbsrecht, 14. Für das ältere Schrifttum siehe etwa Isay, Patentgesetz, § 35, Anmerkung 23. 119 RG 8.6.1895, RGZ 35, 63 ff.

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Kapitel V: Rechte an

Informationen

des unbefugten Nachdrucks keinen Schaden im Sinne der Differenzhypothese erlitten. Im Gegenteil: Wenn seine Musikstücke durch die Verwendung in Abspielgeräten öffentlich bekannt gemacht werden, kann dies auch dem K o m ponisten Vermögenswerte Vorteile bringen. Möglicherweise erhält er von Schallplattenunternehmen etc. Aufträge zur Schaffung weiterer Kompositionen. Selbst wenn die öffentliche Verbreitung seiner Musikstücke, die ohne seine Genehmigung geschieht, zu seinem Vorteil ausschlagen sollte, ist der Komponist dennoch in seinem Urheberrecht verletzt. Ein Nichtinhaber des Urheberrechts darf das Werk eben nicht ohne die Zustimmung des Urhebers nutzen. Das R G sieht dementsprechend den Kern des widerrechtlichen Verhaltens der Beklagten darin, daß sie ohne Genehmigung des Berechtigten dessen urheberrechtlich geschützte Komposition genutzt hat. Der Schaden, der dem Verletzten dadurch entstanden sei, könne - nach dessen Wahl und Sichtweise - nach drei unterschiedlichen Methoden bestimmt werden, je nachdem, welches Element der Kläger in der Handlungsweise der Beklagten als das schädigende Ereignis ansehe: 1. Wenn der Kläger die Handlungsweise der Beklagten in ihrer Totalität ablehnte, mache er Schadensersatz nach der Differenzhypothese geltend. Er fordere die Differenz, die sich in seinem Vermögen dadurch ergeben habe, daß die Beklagte ein Musikstück des Klägers überhaupt auf die Notenblätter für den Aristonapparat übertragen habe, im Vergleich zur Vermögenslage, die bestehen würde, wenn die Beklagte die unbefugte Nutzung der Musikstücke ganz unterlassen hätte 120 . 2. Der Kläger könne aber auch den Umstand als rechtswidrig ansehen, daß die Beklagte seine Kompositionen ohne seine Genehmigung verwendet habe. Dann könne er Ersatz desjenigen Schadens verlangen, der ihm gerade durch den Umstand entstanden sei, daß die Beklagte ohne die Zustimmung des Klägers seine Musikstücke genutzt habe. Wenn die Beklagte mit dem Kläger einen Vertrag über die Nutzung dieser Kompositionen abgeschlossen hätte, so hätte sie dem Kläger eine Lizenzgebühr bezahlen müssen. Der Kläger kann daher von der Beklagten als Schaden den Betrag verlangen, den diese für die Lizenz zu entrichten gehabt hätte. D a es sich dabei um einen Schadensersatzanspruch handele, sei Verschulden des Beklagten Voraussetzung des Anspruchs 1 2 1 . 3. Der Kläger könne sich aber auch auf einen dritten Standpunkt stellen. Er könne gelten lassen, daß die Beklagte überhaupt nachgeahmt habe und daß sie dies ohne Genehmigung des Klägers getan habe; er müsse es aber nicht hinnehmen, daß die Beklagte ein fremdes Recht im eigenen Interesse genutzt und die Vorteile aus der Nutzung erhalten habe. „Das schadenstiftende Ereignis besteht in diesem Falle nicht darin, daß die Beklagte überhaupt, und daß sie ohne Genehmigung des Klägers nachgedruckt hatte; aber es besteht darin, daß die Beklagte sich durch den so erfolgten Nachdruck die Früchte des 120 121

R G 8.6.1895, R G Z 35, 67. R G 8.6.1895, R G Z 35, 67f.

§ 19 DSB und Eingriffskondiktion

bei den Immaterialgüterrechten

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geistigen Eigentums des Klägers, das ihr eben nicht zusteht, zu ihrem Vorteile aneignen und daß sie, wenn sie in gutem Glauben und ohne Verschulden gehandelt hat, diese Früchte behalten will, auch nachdem sie erkannt hat, daß sie sich ohne Recht aus fremden Gute bereichert hat"122. Nach Auffassung des R G handelt es sich bei allen drei „Methoden", den Schaden des Klägers zu erfassen, um Elemente des Schadensersatzanspruchs. Dennoch drängt sich der Eindruck auf, daß insbesondere bei der Darlegung der zweiten und der dritten Schadensberechnungsmethode sich das R G sehr eng an die erst wesentlich später entstandene, das Bereicherungsrecht betreffende Zuweisungsgehaltstheorie annähert: Es geht um die Herausgabe von Vorteilen, die der Beklagte durch unbefugten Eingriff in fremdes Recht erlangt hat. Es ist - wegen des „geistigen Eigentums" - der Rechtsinhaber, nicht aber der Verletzer, dem diese Vorteile zustehen. Diese Aussagen kommen den grundlegenden Überlegungen der Zuweisungsgehaltstheorie lange, bevor diese formuliert wurden, verblüffend nahe.

2. Die Ausdehnung der DSB auf weitere Immaterialgüterrechte und sonstige Rechtspositionen Bereits in verhältnismäßig kurzer Zeit nach dem Bekanntwerden der AristonEntscheidung begann die Rechtsprechung damit, die in dieser Entscheidung erstmals entwickelte dreifache Methode der Schadensberechnung zu generalisieren und sie auch - neben Urheber- und Geschmacksmusterbeeinträchtigungen auf Verletzungen anderer Immaterialgüterrechte anzuwenden. Der überwiegende Teil des Schrifttums stimmte dieser „unorthodoxen" Art und Weise der Schadensfeststellung zu, die für die zweite (Lizenzanalogie) und dritte (Herausgabe des Verletzergewinns) auf das Vermögen des Schädigers blickt, um den Schaden des Verletzten zu bestimmen. Zeitlich kurz nach Urheber- und Gebrauchsmusterverletzungen 123 dehnte das RG die Anwendung der DSB auf die Beeinträchtigung von Patent- und Geschmacksmusterrechten 124 aus. Im Laufe der Zeit hat die Rechtsprechung 122

R G 8.6.1895, R G Z 35, 70. RG 15.11.1911, Warn.Rspr. 1912, 112f.; RG 16.6.1934, G R U R 1934, 627 (Mimi); R G 29.3.1938, G R U R 1938, 449 (Anstecknadel); B G H 24.6.1955, G R U R 1955, 549 (GEMA); B G H 10.3.1972, G R U R 1972, 614 (Landesversicherungsanstalt); B G H 10.3.1972, G R U R 1973,379 (doppelte Tarifgebühr); B G H 18.5.1973, B G H Z 61, 88 (Wählamt); B G H 13.7.1973, G R U R 1974,53 (Nebelscheinwerfer); B G H 3.7.1974, G R U R 1975, 85 {C\mssz); Allfeld, Das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst, 310 ff.; Kraßer, Schadensersatz für Verletzungen von gewerblichen Schutzrechten und Urheberrechten nach deutschem Recht, G R U R Int. 1980, 259 ff.; Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 557 ff.; Schricker, Urheberrecht, § 97 UrhG, Rz. 56ff.; Hubmann/Rehbinder, Urheber- und Verlagsrecht, 315f.; v. Gamm, Urheberrechtsgesetz, § 97 UrhG, Rz. 33 ff. 124 RG 31.12.1898, R G Z 43,56ff. (Maischevergärung); R G 7.3.1900, R G Z 46,14ff. (Harzsäureester); RG 16.1.1902, R G Z 50, 111 (Regenrohrsiphon); RG 4.4.1914, RGZ 84, 370 123

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die A n w e n d u n g der DSB auf immer weitere Rechtspositionen erweitert, etwa auf Warenzeichen- und Markenverletzungen 1 2 5 und auch bei bestimmten, wettbewerbsrechtlich geschützten Leistungen 1 2 6 , bei der Verletzung von Geschäftsund Betriebsgeheimnissen 1 2 7 und von Namens- und Firmenrechten 1 2 8 wie auch bei der Beeinträchtigung des Rechts am eigenen Bild 1 2 9 als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die sogenannte dreifache Methode der Schadensberechnung hat sich im gesamten Bereich der Immaterialgüterrechte und f ü r bestimmte Positionen, die nach dem U W G geschützt sind, durchgesetzt.

(Kühlvorrichtung); RG 29.3.1919, RGZ 95,220 (Tüllwebstühle); RG 6.11.1929, RGZ 126,127 (Transformatorenentwicklung); RG 22.10.1930, RGZ 130, 108 (Glühlampen); RG 21.3.1934, RGZ 144, 187 (Beregnungsanlage); RG 13.10.1937, RGZ 156, 65 (Scheibenspiegel); RG 15.11.1937, RGZ 156,321 (Braupfanne); RG 16.9.1941, GRUR 1942,149 (Grubenexplosion); RG 10.3.1942, GRUR 1942, 352 (Quarzlampe); BGH 2.4.1957, GRUR 1957, 336; BGH 13.3.1962, GRUR 1962, 401 (Kreuzbodenventilsäcke III); BGH 29.5.1962, GRUR 1962, 509 (Dia-Rähmchen II); BGH 5.11.1962, GRUR 1963,255 (Kindernähmaschine); BGH 6.3.1980, BGHZ 77, 16 (Tolbutamid); BGH 24.11.1981, BGHZ 82, 310 (Fersenabstützvorrichtung); Bernhardt/Kraßer, Lehrbuch des Patentrechts, 629 ff.; Schulte, PatG, § 139, Rz. 25 ff.; Benkard(-Rogge), PatG, § 139, Rz. 61; Kisch, Handbuch des deutschen Patentrechts, 456ff.; Kohler, Handbuch des deutschen Patentrechts, 568 ff.; Isay, Patentgesetz, 575 ff., der aber die 3. Schadensberechnungsmethode (Gewinnherausgabe) zumindest dann ablehnt, wenn der Verletzte selbst sein Recht nicht nutzen konnte oder wollte. Dann handelt es sich nach dieser Auffassung um die Herausgabe einer Bereicherung. 125 RG 4.5.1923, RGZ 108, lf.; BGH 12.1.1966, BGHZ 44, 372 (Meßmer-Tee II); BGH 14.1.1977, GRUR 1977, 491 (Allstar); BGH 12.2.1987, GRUR 1987, 364 (Vier-StreifenSchuh); Busse, Warenzeichengesetz, § 24, Anm. 15; v. Gamm, Warenzeichengesetz, § 24, Rz. 42; Hubmann/Gotting, Gewerblicher Rechtsschutz, 213. Ablehnend zur DSB (Gewinnherausgabe) bei Verletzungen des Warenzeichenrechts RG 30.11.1900, RGZ 47, 100; RG 24.6. 1904, RGZ 58, 321; Storch, Schadensersatz bei Warenzeichenverletzungen, GRUR 1963, 9 ff.; Fezer, Markenrecht, § 14, Rz. 518 ff.; 126 BGH 24.5.1963, GRUR 1963, 575 (Vortragsabend); BGH 8.10.1971, BGHZ 57, 116 (Wandsteckdose II); BGH 19.1.1973, BGHZ 60, 168ff. (Modeneuheit); BGH 22.4.1993, BGHZ 122, 262 (Kollektion Holiday); UWG-Großkommentar(-tföWer), Vor § 13 UWG, Rz. 321 ff.; Köhler, Der Schadensersatz-, Bereicherungs- und Auskunftsanspruch im Wettbewerbsrecht, NJW 1992, 1477 (1479). 127 BGH 18.2.1977, GRUR 1977, 539 ff. (Prozeßrechner); Baumbach(-Hefermehl), Wettbewerbsrecht, § 17 UWG, Rz. 52; Daub, Die Verletzung von Unternehmensgeheimnissen im deutschen und US-amerikanischen Recht, 84 ff.; abgelehnt wurde die DSB durch RG 10.3. 1942, GRUR 1942, 352 (Quarzlampe). 128 BGH 16.2.1973, BGHZ 60, 206 (Miss Petite); Baumbach(-Hefermebl), Wettbewerbsrecht, § 16 UWG, Rz. 159; Pietzner, Auskunft, Rechnungslegung und Schadensersatz bei wettbewerbswidrigen Eingriffen in fremdes Firmenrecht, GRUR 1972, 151 ff. (154). 129 BGH 8.5.1956, BGHZ 20, 345 (Paul Dahlke); im Herrenreiter-Fall hat der BGH die Zulassung des DSB abgelehnt, weil es um Schmerzensgeld ging. Nach Lage des Falles wäre eine Lizenzerteilung durch den Verletzten nicht in Betracht gekommen, BGH 14.2.1958, BGHZ 26,349 (353). Siehe dazu auch Schwerdtner, Das Persönlichkeitsrecht in der deutschen Zivilrechtsordnung, 226ff.; Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, 219; Erman (-Ehmann), Anhang zu § 12 BGB, Rz. 475.

§ 19 DSB und Eingriffskondiktion

bei den

Immaterialgüterrechten

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3. Die drei Arten der „ Schadensberechnung " a) Die erste Schadensberechnungsmethode: Entgangener Gewinn gemäß $ 252 BGB Wie bereits oben erwähnt, erlaubt die DSB dem Verletzten, seinen Schaden auf dreifache Weise zu bestimmen. Er kann als erste Schadensberechnungsmethode seinen konkreten, positiven Schaden gemäß § 249 BGB geltend machen. Da Naturalrestitution bei Verletzungen von Immaterialgüterrechten und Positionen des gewerblichen Rechtsschutzes kaum in Betracht kommt, handelt es sich in der Regel um einen Geldanspruch nach § 251 I BGB. Von größerer praktischer Relevanz ist im Rahmen der ersten Schadensberechnungsmethode der Anspruch des Verletzten auf den ihm entgangenen Gewinn gemäß § 252 BGB. In der gerichtlichen Praxis wird entgangener Gewinn wegen erheblicher Nachweisschwierigkeiten nicht sehr häufig geltend gemacht 130 . Nach § 252 BGB ist der Gewinn entgangen, der nach dem gewöhnlichen Verlauf der Ereignisse mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Der Verletzte muß im Rahmen seines Schadensersatzanspruchs die Kausalität von Rechtsverletzung und Schaden darlegen und notfalls beweisen. § 252 S. 2 BGB mit dem Verweis auf die Wahrscheinlichkeit des zu erwartenden Gewinns ist dabei dem Geschädigten nicht von großem Nutzen: Er muß die Umstände darlegen, die die Wahrscheinlichkeit der Gewinnerzielung beweisen. Die in einer Entscheidung des RG herangezogene Annahme, daß im Prinzip der vom Verletzer erreichte Absatz dem Verletzten zuzurechnen sei, also ihm entgangen sei131, ist unhaltbar und hat sich in der späteren Rechtsprechung und Literatur zu Recht nicht durchgesetzt. Zwar erleichtert die Befugnis zur Schadensschätzung gemäß § 2 8 7 I Z P O die Beweislast des Verletzten beim exakten Nachweis seines Schadens. Der Rechtsinhaber hat mit einem Begehren auf Schadensersatz aber nur dann Erfolg, wenn er dem Gericht zumindest die tatsächlichen Grundlagen für eine Schadensschätzung nach § 287 I Z P O darlegen kann. Die Anforderungen an die Darlegung dieser Grundlagen sind nicht gering. So hat es der B G H im Fall Tolbutamid im Hinblick auf die Darlegung solcher Grundlagen für die Schadensschätzung nach § 287 I Z P O nicht ausreichen lassen, daß die Klägerin einen Gewinnanteil am Umsatz behauptet hatte, der sich auf „innerbetriebliche Erfahrungssätze" und auf das gesamte Produktionsspek-

130 Delahaye, Kernprobleme der Schadensberechnungsarten bei Schutzrechtsverletzungen, G R U R 1986, 217; Kobbelt, Der Schutz von Immaterialgütern durch das Bereicherungsrecht, 268. 131 R G 25.3.1919, R G Z 95, 220 (221): „Nach § 252 BGB gilt als entgangen der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte, und für die Entschädigung bei Patentverletzungen darf nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts (...) regelmäßig davon ausgegangen werden, daß dem Patentberechtigten an Absatz entgangen ist, was der Nichtberechtigte in unberechtigter Anwendung des Gegenstandes der Erfindung abgesetzt hat".

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trum der Klägerin bezog 1 3 2 . D e r B G H verlangt D a t e n zur K o s t e n - und G e winnsituation des spezifischen Produkts, das unerlaubt von der Beklagten hergestellt und vertrieben wurde. In demselben Fall hat die Beklagte ihr patentverletzendes Produkt 42 % unter dem Preis der Klägerin verkauft. D i e Klägerin machte geltend, daß ihr Schaden zumindest dieser Preisdifferenz entspreche, weil es der kaufmännischen Vernunft zuwiderlaufe, daß die Beklagte das Produkt unter K o s t e n (d. h. mit Verlust) veräußert habe. A u c h diese Erwägung läßt der B G H für seine Schadensschätzung nach § 287 I Z P O nicht ausreichen. „Diese Erwägung geht vielmehr von der nicht gesicherten Annahme aus, daß sich die Unternehmen der Parteien hinsichtlich ihrer betrieblichen Struktur und ihrer Kostensituation gerade auch in Bezug auf Herstellung und Vertrieb der beiden hier in Rede stehenden Medikamente nicht oder nur unwesentlich unterscheiden. Es ist jedoch nichts ersichtlich, was für diese Annahme spricht" 133 . I m Endeffekt weist der B G H den Anspruch der Klägerin auf entgangenen G e w i n n nach § 252 B G B ab, weil sie dem Gericht keine ausreichende Schätzungsgrundlage für die H ö h e des entgangenen Gewinns angeboten hatte. N a c h Meinung des Gerichts hätte sich eine solche Grundlage aus einer Gegenüberstellung der Erlöse und der produktbezogenen K o s t e n gewinnen lassen. Zu dieser Gegenüberstellung wäre die Klägerin auch durchaus in der Lage gewesen, hatte sie jedoch - trotz eines Hinweises des Gerichts nach § 139 Z P O unterlassen 1 3 4 . Im Schrifttum wird als Grund für die Schwierigkeiten der Rechtsinhaber bei der Substantiierung der faktischen Grundlagen der Schadensschätzung gemutmaßt, daß die Rechtsinhaber befürchteten, durch entsprechende Angaben die Einzelheiten ihrer betriebswirtschaftlichen Kostenkalkulation vor den interessierten Konkurrenten offenzulegen 1 3 5 . Diesem P r o b l e m ließe sich dadurch beikommen, daß auch bei der Darlegung der Kalkulationsgrundlagen auf den bei den Ansprüchen auf Auskunft und Rechnungslegung durch den Verletzer (!) angewandten Wirtschaftsprüfervorbehalt zurückgegriffen wird. Ein Wirtschaftsprüfer könnte Vollständigkeit, Plausibilität und rechnerische Richtigkeit der vom Verletzten dargelegten Kalkulationsgrundlagen überprüfen, so daß eine Kenntnisnahme der Unterlagen der klagenden Partei durch den Konkurrenten im P r o z e ß vermieden wird. In diesen Schwierigkeiten mag die Ursache dafür liegen, daß im Bereich der unbefugten Inanspruchnahmen von Immaterialgüterrechten der Anspruch auf Herausgabe des dem Rechtsinhaber durch die Rechtsverletzung entgangenen Gewinns nach § 252 B G B eher selten v o r k o m m t .

BGH 6.3.1980, BGHZ 77, 17 (20) (Tolbutamid). BGH 6.3.1980, BGHZ 77, 21. 134 BGH 6.3.1980, BGHZ 77, 22. 135 Delahaye, Kernprobleme der Schadensberechnungsarten bei Schutzrechtsverletzungen, GRUR 1986, 218f. 132

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b) Schadensberechnung nach Lizenzgrundsätzen als zweite Berechnungsmethode D i e zweite Schadensberechnungsmethode im R a h m e n der D S B ist die Schadensbestimmung auf Grund einer Lizenzanalogie. D e r Anspruch des Verletzten gegen den Rechtsverletzer richtet sich auf den Betrag, den der Verletzte auf G r u n d eines fiktiven Lizenzvertrages hätte erlangen können, wenn die Parteien einen solchen Vertrag abgeschlossen hätten. Diese Art der Schadensberechnung ist die in der Praxis bei der Verletzung von Immaterialgüterrechten am häufigsten angewandte, weil sie für den Verletzten hinsichtlich des Schadensnachweises am wenigsten problematisch ist. D i e zweite Schadensberechnungsmethode gewährt dem Verletzten eine Entschädigung auch in den Fällen, in denen er selbst sein vom Verletzer unbefugt in Anspruch genommenes R e c h t nicht genutzt hat oder nutzen konnte oder er Schwierigkeiten bei einem N a c h weis des konkreten Schadens hat 1 3 6 . Im Vergleich zum Ersatz des entgangenen Gewinns ist die prozessuale Situation des Verletzten bei der Lizenzanalogie insoweit günstiger, als er lediglich das Vorliegen einer Verletzungshandlung und die Wahrscheinlichkeit eines Vermögensschadens (§ 287 I Z P O ) darlegen (und notfalls beweisen) muß 1 3 7 . D i e Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts beim Verletzten ergibt sich in aller Regel bereits aus der Erwägung, daß er bei ordnungsgemäßen Verlauf der Dinge mit dem Rechtsverletzer einen L i z e n z vertrag über die N u t z u n g der in Frage stehenden Rechtsposition abgeschlossen und für die N u t z u n g des Rechts vom Verletzer eine Lizenzgebühr erhalten hätte. D e r Ausgleichsgedanke, auf den sich die Gewährung der Schadensberechnung nach der Lizenzanalogie gründet, bietet die Rechtfertigung dafür, daß diese Art der Schadensberechnung auch dann anwendbar ist, wenn der Rechtsinhaber sein R e c h t selbst nicht genutzt hat oder nicht gewillt gewesen wäre, einen Lizenzvertrag abzuschließen 1 3 8 . Hinsichtlich der Bemessung der Lizenzgebühr stellt die Rechtsprechung mit Billigung der Literatur auf einen objektiven Maßstab ab: D e r Wert der unbefugten Nutzung des Rechts durch den Verletzer entspreche dem Betrag, den vernünftige Vertragsparteien in Kenntnis aller relevanten Umstände als Gebühr in einem zwischen ihnen abgeschlossenen Lizenzvertrag vereinbart hätten 139 . Bei 136 Siehe dazu Sack, Die Lizenzanalogie im System des Immaterialgüterrechts, FS Hubmann, 391 f.; UWG-Großkommentarf-iiöWer), Vor § 13, Rz. 331; Schmidt-Salzer, Zur Technik der topischen Rechtsbildung: Angemessene Lizenzgebühr und Verletzergewinn als Grundlagen der Schadensberechnung, J R 1969, 81 ff. (86); Loewenheim, Möglichkeiten der dreifachen Berechnung des Schadens im Recht gegen den unlauteren Wettbewerb, Z H R 135 (1971), 97 ff. (119 f.); Kohbelt, Der Schutz von Immaterialgütern durch das Bereicherungsrecht, 269. 137 B G H 19.11.1971, G R U R 1972, 180 (Chéri); UWG-Großkommentarf-ÄoWerj, Vor § 13 Rz. 330. 138 Siehe etwa Ullmann, Die Verschuldenshaftung und die Bereicherungshaftung des Verletzers im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, G R U R 1978, 618. 139 B G H 12.1.1966, B G H Z 44, 372 (380f.) (Meßmer Tee II); B G H 6.3.1980 B G H Z 77, 16 (Tolbutamid); UWG-Großkommentarf-.Kö'WerJ, Vor § 13, Rz. 331 ;Pietzcker, Richtlinien für die Bemessung von Schadensersatz bei der Verletzung von Patenten, G R U R 1979, 343 ff.

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Kapitel V: Rechte an

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der Bemessung der Höhe der Lizenzgebühr geht die Rechtsprechung von dem Grundsatz aus, daß der Rechtsverletzer nicht besser, aber auch nicht schlechter stehen dürfe als ein Lizenznehmer, der vom Rechtsinhaber durch Vertrag ordnungsgemäß die Nutzungsbefugnis erworben hat 140 . Der Anspruch auf eine der Nutzung durch den Rechtsverletzer angemessene Lizenzgebühr wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Verletzte sein Recht überhaupt nicht nutzt und daß er nicht bereit gewesen wäre, dem Rechtsverletzer eine Lizenz zu erteilen. Hier wird der Ausgleichsgedanke deutlich, der der DSB zugrunde liegt. „Dies (die dreifache Methode der Schadensberechnung, R.E.) hat nicht lediglich die Bedeutung einer bloßen Beweiserleichterung wie im Fall der konkreten Berechnung des entgangenen Gewinns nach § 252 S. 2 BGB, sie bedeutet vielmehr, daß der Verletzer nicht mit dem Vorbringen gehört wird, der Verletzte würde entweder überhaupt oder gerade ihm eine Lizenz eingeräumt haben (...). Diese Rechtsprechung beruht auf der Fiktion eines Lizenzvertrages der im Verkehr üblichen Art, eine Annahme, die deshalb geboten ist, weil der schuldhafte Verletzer eines Immaterialgüterrechts nicht besser gestellt sein soll als derjenige, der sorgfältig fremde Rechte beachtet und sich vorher des Einverständnisses des Rechtsinhabers versichert; dem schuldhaft handelnden Verletzer gegenüber darf der Rechtsinhaber den Standpunkt einnehmen, er nehme die nicht mehr rückgängig zu machende Rechtsverletzung hin und liquidiere die dafür übliche Vergütung; die Verneinung eines solchen Anspruchs könnte den unrechtmäßigen Eingriff in fremdes Recht einträglicher gestalten als dessen Beachtung" 141 . Die Ausführungen des B G H erwecken den Eindruck, als legitimiere ausschließlich schuldhaftes Verhalten des Rechtsverletzers den Rechtsinhaber dazu, die für die Nutzung eines Rechts übliche Vergütung zu liquidieren. Dieser Eindruck täuscht jedoch. Der B G H läßt nämlich die Liquidation von Rechtsverletzungen nach der analogen Lizenzgebühr auch nach §§ 8 1 2 1 1 , 2 . Alt., 818 II BGB auf der Rechtsgrundlage der Eingriffskondiktion zu. Im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Lizenzgebühr kommt es - da der Tatbestand des § 812 11 BGB keine subjektiven Voraussetzungen e n t h ä l t - a u f ein Verschulden des Rechtsverletzers nicht an, um den Anspruch auf die übliche oder angemessene Lizenzgebühr auszulösen 142 . (344); Ullmann, Die Verschuldenshaftung und die Bereicherungshaftung des Rechtsverletzers im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, G R U R 1978, 618; Preu, Richtlinien für die Bemessung von Schadensersatz bei Verletzung von Patenten, G R U R 1979, 743 ff. (758). 140 BGH 29.5.1962, G R U R 1962, 509 (513) (Dia-Rähmchen II); BGH 24.11.1981, BGHZ 82,310 (Fersenabstützvorrichtung), wobei allerdings Unterschiede in der Stellung von Rechtsverletzer und Lizenznehmer durchaus vom Gericht herangezogen werden dürfen, um die Schadensersatz-Lizenzgebühr abweichend von einer Vertrags-Lizenzgebühr festzusetzen, siehe BGH 24.11.1981, BGHZ 82, 317. 141 BGH 12.1.1966, BGHZ 44, 372 (379) (Meßmer Tee II). 142 Ullmann, Die Verschuldenshaftung und die Bereicherungshaftung des Rechtsverletzers im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, G R U R 1978, 621; UWG-Großkommentar(-Köhler), Vor § 13, Rz. 353; Brandner, Die Herausgabe von Verletzervorteilen im Patentrecht und im Recht gegen unlauteren Wettbewerb, G R U R 1980, 359f.

§ 19 DSB und Eingriffskondiktion

bei den

Immaterialgüterrechten

629

E b e n s o wie bei der vertraglich vereinbarten Lizenzgebühr k o m m t als B e messungsgrundlage der angemessenen Schadensersatz-Lizenz eine Stücklizenz oder eine pauschale Lizenzgebühr in Betracht. U b e r die Stücklizenz wird die Lizenzgebühr in ein Verhältnis zu dem U m s a t z , den der Rechtsverletzer durch die Rechtsverletzung erzielt hat, gesetzt. D i e Rechtsprechung tendiert zur B e messung der Lizenzgebühr auf der Grundlage der Stücklizenz. Diese L i z e n z bemessung entspreche dem Interesse der Parteien: Sie berücksichtige zugunsten des Rechtsinhabers, daß dessen R e c h t u m so stärker entwertet werde, je mehr U m s a t z der Verletzer erziele; andererseits sei diese Lizenzbemessung auch für den Verletzer nicht unbillig, weil sie nur den von ihm mutmaßlich erzielten Vorteil abschöpfe 1 4 3 .

c) Die dritte Methode der Schadensberechnung: Herausgabe des Verletz ergewinns Als dritte M e t h o d e der Schadensberechnung k o m m t die Herausgabe des vom Verletzer durch die Rechtsverletzung erzielten Gewinns in Betracht. D e r Rechtsinhaber wird diesen Anspruch nur dann geltend machen, wenn der entgangene eigene G e w i n n bzw. die angemessene Lizenzgebühr vom Betrag her geringer zu veranschlagen ist, als der v o m Verletzer erzielte Gewinn. I m Schrifttum wird darauf hingewiesen, daß nur in Ausnahmefällen ein Verletzergewinn erzielt werden dürfte, der wesentlich über die angemessene Lizenzgebühr hinausgehe 1 4 4 . O b dies tatsächlich zutrifft, sei hier dahingestellt. D e r Rechtsinhaber, der den Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns geltend macht, hat in dem von § 287 Z P O geforderten M a ß darzulegen und nachzuweisen, daß die Verletzungshandlung mit Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden des Rechtsinhabers und zu einem Gewinn des Rechtsverletzers geführt hat. N i c h t selten ergeben sich dabei Probleme in mehrfacher Hinsicht. Zum einen sind v o m B r u t t o - G e w i n n des Verletzers seine Aufwendungen für das Produkt abzusetzen, und zwar sowohl der Gemeinkostenanteil (Herstellung, Vertrieb und Verwaltung), als auch die spezifischen Kosten für die Herstellung des Produkts. U m hier den U m f a n g des herauszugebenden Gewinns ermitteln zu können, m u ß der Verletzer entsprechende Angaben machen 1 4 5 . Z u m anderen ist der Rechtsverletzer nur zur Herausgabe des Gewinnanteils verpflichtet, der sich gerade auf die unbefugte Inanspruchnahme des fremden Rechts zurückführen läßt. D e r G e w i n n eines Wirtschaftsunternehmens - und 143 BGH 12.1.1966, BGHZ 44,381 (Meßmer Tee II); BGH 8.10.1971, BGHZ 57,116 (123) (Wandsteckdose II); BGH 6.3.1980, BGHZ 77,16 (27) (Tolbutamid); BGH 3.7.1974, GRUR 1975, 85 (86) (Clarissa). 144 Kraßer, Schadensersatz für Verletzungen von gewerblichen Schutzrechten und Urheberrechten nach deutschem Recht, GRUR Int. 1980, 259 ff. (264). 145 Siehe dazu Pietzcker, Schadensersatz durch Lizenzberechnung, GRUR 1975, 55; Körner, Die Aufwertung der Schadensberechnung nach der Lizenzanalogie, GRUR 1983, 611; UWG-Großkommentarf-Köhler), Vor § 13, Rz. 345.

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Kapitel

V: Rechte an

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insbesondere von Mehrproduktunternehmen - wird von einer Vielzahl komplexer Vorgänge bestimmt, die ihre Ursache im unternehmerischen Planen und Entscheiden haben. O b eine wirtschaftliche Betätigung einen Gewinn abwirft, hängt von einer bestimmten Kombination persönlicher und sachlicher Faktoren im Rahmen des Unternehmens ab. Die Zurechnung des Gewinnbeitrages zu einzelnen Elementen eines komplexen Produktions- und Vermarktungsprozesses ist ein schwieriges wirtschaftswissenschaftliches Problem, welches die Ö k o n o m i e schon seit langem beschäftigt 1 4 6 . Die Rechtsprechung behilft sich hier mit einer Schätzung des Anteils der unbefugten Rechtsnutzung am Gewinn des Eingreifers gemäß § 287 Z P O 1 4 7 . Zu berücksichtigen ist bei der Feststellung des herauszugebenden Verletzergewinns, daß eigene Rechte des Verletzers oder andere fremde Schutzrechte bei der Herstellung des Produkts verwendet wurden. Bei der Anwendung der D S B auf Fälle der Warenzeichenverletzung (heute: Markenverletzung) 1 4 8 und von sklavischer Nachahmung 1 4 9 geht der B G H davon aus, daß der erzielte Gewinn allenfalls zu einem geringen Teil auf die Nutzung des fremden Warenzeichens zurückgeht. Hat der Rechtsverletzer mit der Verletzungshandlung keinen Gewinn erwirtschaftet, so kann ein solcher vom Verletzten auch nicht herausverlangt werden, und zwar auch dann nicht, wenn der Verlust des Rechtsverletzers noch größer gewesen wäre, falls er das fremde Recht nicht genutzt hätte 1 5 0 . Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Rechtsverletzung nur hinsichtlich eines - mit Verlust hergestellten Nebenprodukts stattgefunden hat, welches zusammen mit einem gewinnträchtigen Hauptprodukt vermarktet worden ist. Hier gewährt die Rechtsprechung den Gewinnherausgabeanspruch, soweit der Gewinn in ursächlichem Zusammenhang mit der Patentverletzung stehe, auch wenn dieser nur ein mittelbarer sei 151 . Eine solche mittelbare Patentverletzung wurde bei dem Verkauf von Kameras zusammen mit günstigen Dia-Rähmchen angenommen, die auf patentverletzende Weise hergestellt und zu einem nicht kostendeckenden Preis zusammen mit den Kameras vermarktet worden waren. Hier reichte es aus, daß die beklagte Partei durch das (nicht patentverletzende) Hauptprodukt einen Gewinn erzielt hatte, der durch das Nebenprodukt mitbewirkt worden war. Für die Geltendmachung des Anspruchs auf Herausgabe des Verletzergewinns muß der Rechtsinhaber nicht dartun, daß er in der Lage gewesen wäre, durch eigene Nutzung des Rechts einen Gewinn in gleicher Höhe hätte erzielen 146 Siehe dazu etwa Winkel, Die Volkswirtschaftslehre der neueren Zeit, 13 mit Hinweis auf E. v. Böhm/Bawerk undi v. Wieser. 147 Siehe z.B: B G H 29.5.1962, G R U R 1962, 512 (Dia-Rähmchen II) mit Anmerkung Moser-v. Filseck; B G H 24.2.1961, G R U R 1961, 356 (Vitasulfal). 148 B G H 24.2.1961, G R U R 1961, 356 (Vitasulfal); B G H 16.2.1973, B G H Z 60, 375 (378) (Miss Petite). 149 B G H 13.7.1973, G R U R 1974, 53 (54) (Nebelscheinwerfer). 150 UWG-Großkommentar(-/LÖ'Wer / ), Vor § 13, Rz. 347; Kraßer, Schadensersatz für die Verletzung von gewerblichen Schutzrechten und Urheberrechten nach deutschem Recht, G R U R Int. 1980, 264; Delahaye, Kernprobleme der Schadensberechnungsarten bei Schutzrechtsverletzungen, G R U R 1986, 219.

§ 19 DSB und Eingriffskondiktion

bei den

Immaterialgüterrechten

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können wie der Verletzer 1 5 2 . Es muß lediglich die Wahrscheinlichkeit bestehen, daß der Verletzte überhaupt einen Schaden erlitten hat 1 5 3 .

d) Das Verhältnis der Schadensberechnungsmethoden

zueinander

D i e drei Schadensberechnungsmethoden bilden lediglich Teil eines einheitlichen Schadensersatzanspruchs. Es handelt sich also nicht u m eine Wahlschuld gemäß § 2 6 2 B G B . D i e Vorschriften über die Wahlschuld sind gegenüber dem Schadensersatzanspruch auf der Grundlage der D S B nicht anwendbar 1 5 4 , so daß eine Bindung des Gläubigers an eine einmal gewählte Schadensberechnungsart nach § 263 B G B nicht eintritt. Vielmehr ist es dem Gläubiger gestattet, vorprozessual und auch noch im P r o z e ß von einer Art der Schadensberechnung auf eine andere überzugehen, wenn er etwa im Hauptantrag Schadensersatz nach der einen Berechnungsart und hilfsweise Schadensersatz nach einer anderen Berechnungsmethode geltend macht. Prozessual liegt im Ubergang von einer Schadensberechnungsmethode auf eine andere keine Klagänderung 1 5 5 . D e r Verletzte kann jedoch dann nicht mehr von einer Schadensberechnungsart zu einer anderen übergehen, wenn der Klagantrag direkt auf einen bestimmten Betrag nach einer bestimmten Schadensberechnungsart gerichtet ist 1 5 6 oder wenn der Verletzer den (nach einer bestimmten Schadensberechnungsart ermittelten) Schaden bereits bezahlt hat. D e r Verletzte muß sich aber letztlich für eine der Schadensberechnungsarten entscheiden, nach der er seinen Schaden geltend machen will. N a c h dem sogenannten Verquickungsverbot ist es ihm nicht gestattet, die Schadensberechnungsarten kumulativ nebeneinander geltend zu machen und so den Schadensersatzbetrag zu erhöhen 1 5 7 . Anerkannt ist jedoch, daß trotz dieses Verbots neben einem Schaden nach der D S B der sogenannte Marktverwirrungsschaden und die Kosten der Rechtsverfolgung geltend gemacht werden können. U n t e r dem Begriff des Marktverwirrungsschadens sind diejenigen E i n b u ß e n des Rechtsinhabers zu fassen, die durch die Diskreditierung z . B . seines Rufes, seiner M a r k e etc. durch irreführende Werbung oder die unbefugte N u t z u n g der M a r k e entstanden sind 1 5 8 . U m diese Diskreditierung zu beseitigen, muß der BGH 29.5.1962, GRUR 1962, 512 (Dia-Rähmchen II). BGH 19.1.1973, BGHZ 60,168 (173) (Modeneuheit). 153 UWG-Großkommentar(-ÄjWerJ, Vor § 13, Rz. 348. 154 BGH 12.1.1966, BGHZ 44, 372 (Meßmer Tee II). 155 Siehe UWG-Großkommentar(-Köhler), Vor § 13, Rz. 350. 156 BGH 18.2.1977, GRUR 1977, 539 (542f.) (Prozeßrechner). 157 BGH 12.1.1966, GRUR 1966, 379 (Meßmer Tee II); BGH 18.2.1977 GRUR 1977, 542 (Prozeßrechner); UWG-Großkommentar(-Köhler), Vor § 13 Rz. 350. 158 Siehe etwa Leisse/Traub, Schadensschätzung im unlauteren Wettbewerb, GRUR 1980, 1 ff. (7): „Unter Marktverwirrungs- und Diskreditierungsschaden wird dabei jener Schaden am Ansehen eines Produktes oder eines Wettbewerbers erfaßt, der durch Gegenmaßnahmen nicht beseitigt werden konnte oder nicht beseitigt wurde und der sich nicht im entgangenen Gewinn niedergeschlagen hat"; vgl. BGH 12.1.1966, BGHZ 44, 372 (380 und 382) (MeßmerTee II). 151

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Kapitel V: Rechte an

Informationen

Verletzte Kosten, die sogenannten Marktentwirrungskosten aufwenden, u m die Folgen der M a r k t v e r w i r r u n g zu lindern. Es kann sich dabei z. B. u m Kosten für Aufklärungsschreiben an Empfänger unlauterer Werbung oder u m eine gegen den U W G - V e r s t o ß gerichtete A b w e h r w e r b u n g handeln 1 5 9 ; erfaßt werden können aber auch Kosten für eine allgemeine, nicht auf A u f k l ä r u n g abzielende M e h r w e r b u n g , soweit sie durch den Wettbewerbsverstoß verursacht ist 160 . Soweit trotz der Gegenmaßnahmen des Verletzten die M a r k t v e r w i r r u n g oder Diskreditierung seines Produktes oder seiner Person nicht beseitigt werden können, kann der Verletzte auch den Teil des Marktverwirrungsschadens neben einer der drei Schadensberechnungsmethoden liquidieren, der über die Marktentwirrungskosten hinausgeht. Neben den Marktverwirrungsschaden kann der Verletzte auch die Kosten der Rechtsverfolgung 1 6 1 unabhängig von der gewählten Schadensberechnungsart geltend machen; darüber hinaus gilt w i e oben bereits dargelegt - das Verquickungsverbot, ohne daß weitere A u s nahmen von diesem Grundsatz zugelassen wären. Wie schon eingangs erwähnt, handelt es sich bei der dreifachen Methode der Schadensberechnung u m ein durch die höchstrichterliche Rechtsprechung entwickeltes Instrument zur Bewältigung der besonderen Probleme, die sich im Hinblick auf den Kausalitäts- und Schadensnachweis bei Verletzungen von Immaterialgüterrechten und Positionen des gewerblichen Rechtsschutzes ergeben. Mittlerweile hat die dritte Methode der Schadensberechnung, die H e r ausgabe des Verletzergewinns, Eingang in einen Teil der Immaterialgüterrechtsgesetze gefunden. Gemäß § 97 I 2 des U r h G kann der Verletzte die Herausgabe des Gewinns, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, anstelle des Schadensersatzes sowie Rechnungslegung über diesen Gewinn verlangen. Dasselbe gilt nach dem mit § 9 7 1 2 U r h G fast identischen Wortlaut des § 14 a GeschmMG für Verletzungen des Geschmacksmusterrechts. Der Gesetzgeber läßt hier mit der Formulierung, daß die Herausgabe des Verletzergewinns „anstelle des Schadensersatzes" verlangt werden könne, deutlich erkennen, daß es sich bei dem Anspruch auf den Verletzergewinn eigentlich nicht um einen Schadensersatzanspruch handelt, was nicht besonders überrascht, weil der übliche Schadensbegriff eine Einbuße im Vermögen des Verletzten erfaßt, nicht aber einen Vorteil im Vermögen des Schädigers, die durch die Verletzungshandlung verursacht wurde, wobei es nicht darauf ankommt, daß dem Berechtigten ein entsprechender Gewinn entgangen ist 162 . Das Schrifttum zum Urheberrecht geht nichtsdestoweniger davon aus, daß es sich bei dem Anspruch auf Gewinnherausgabe um nichts anderes als einen Schadensersatzanspruch handelt 163 . Dieses Verständnis 159 RG 13.10.1937, G R U R 1937,1072 (1074) (Scheidenspiegel); OLG Koblenz 14.12.1978, GRUR 1979, 248 (249) (Börsenbrief); Leisse/Traub, a.a.O., 6. 160 BGH 27.11.1964, GRUR 1965, 313 (315) (Umsatzauskunft); Leisse/Traub, a.a.O., 6. 161 Siehe Leisse/Traub, a.a.O., 3f.; UWG-Großkommentarf-tföVWerJ, Vor § 13, Rz. 351. 162 BGH 10.7.1986, G R U R 1987, 83 (Videolizenzvertrag). 163 Schricker/Wild, Urheberrecht, § 97 Rz. 67; v. Gamm, Urheberrechtsgesetz, § 97 Rz.

§ 19 DSB und Eingriffskondiktion

bei den

Immaterialgüterrechten

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von § 97 I 2 U r h G , § 14 a GeschmMG ist befremdlich, weil diese Position nicht nur - wie sich zeigen wird - sachlich kaum zu begründen ist, sondern mit dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschriften im Widerspruch steht. Wie sich im weiteren Verlauf dieser Untersuchung zeigen wird, faßt die sogenannte D S B disparate Ansprüche unter dem Dach des Schadensersatzanspruches zusammen. D a das außervertragliche Schuldrecht des B G B ein ausdifferenziertes System unterschiedlicher Ansprüche vorsieht, bei denen Voraussetzungen und Rechtsfolgen jeweils sorgfältig aufeinander abgestimmt sind, bedarf eine Vermischung der durch das Gesetz festgelegten Grenzen dieser Ansprüche einer hieb- und stichfesten Begründung. Es bestehen jedoch vielfältige Zweifel, ob die Vermengung von Schadensersatz-, Bereicherungs- und Geschäftsführungsansprüchen im Rahmen der D S B unter rechtsmethodischen und dogmatischen Gesichtspunkten überhaupt zulässig sein kann.

4. Probleme

und Defizite

der dogmatischen

Begründung

der DSB

a) Rechtfertigung für den besonderen Schutz der Immaterialgüterrechte und der anderer Positionen Die D S B ist von der Rechtsprechung seit langer Zeit ab der ersten Entscheidung im Jahr 1895 unter erheblicher Ausdehnung ihrer Reichweite und unter Billigung eines großen Teils des Schrifttums angewandt und fortentwickelt worden. Dabei ist klar, daß es sich bei der D S B um eine (gesetzlich nirgendwo so vorgesehene) Modifikation der durch §§ 249ff. B G B festgelegten Art und Weise der Schadensberechnung handelt. Köhler164 spricht zutreffend von einer Durchbrechung der Schadensersatznormen des B G B durch die D S B . Der durch die D S B gewährleistete besondere Schutz der Inhaber der genannten Rechtspositionen wird mit unterschiedlichen Argumenten gerechtfertigt. Für die Anwendung der D S B bei Immaterialgüterrechten wird auf die leichte Verletzbarkeit und das dadurch hervorgerufene erhöhte Schutzbedürfnis dieser Rechte verwiesen 1 6 5 . Im Unterschied zur Lage bei körperlichen Gegenständen könne der Rechtsinhaber nur schwer Vorkehrungen zur Abwehr von Verletzungen treffen. Auch sei es schwieriger, bei immateriellen Gütern Verletzungshandlungen überhaupt festzustellen und den durch sie verursachten Schaden - etwa in der F o r m des entgangenen Gewinns gemäß § 252 B G B - zu bemessen 1 6 6 . Die 35. Differenzierter und richtig Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 559: „Diese Erweiterung des Anspruchs ist vom R G in st. Rspr. entwickelt worden, an der der B G H mit der Begründung festgehalten hat, daß der Regel gewohnheitsrechtlicher Rang zukommt (...). Das U r h G hat dieser Rechtsentwicklung durch die Bestimmung in § 97 Abs. 1 Satz 2 Rechnung getragen. Es sieht dabei terminologisch genauer vor, daß der Verletzte die Herausgabe des Gewinns ,anstelle des Schadensersatzes' verlangen kann". 164 UWG-Großkommentarf-tföA/erJ, Vor § 13, Rz. 323. 165 Kobbelt, Der Schutz von Immaterialgütern durch das Bereicherungsrecht, 261. 166 B G H 8.10.1971, B G H Z 57, 116ff. (118); Neuner, Interesse und Vermögensschaden,

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Kapitel V: Rechte an

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zweite Schadensberechnungsmethode (Schadensbemessung nach der angemessenen Lizenzgebühr) wird darüber hinaus mit der Erwägung begründet, daß der Verletzer, der unbefugt ein fremdes R e c h t in Anspruch genommen hat, nicht besser stehen dürfe als derjenige Rechtsnutzer, der die Befugnis für die N u t z u n g rechtmäßig durch Vertrag v o m Rechtsinhaber erworben hat 1 6 7 . In der Wandsteckdose-II-Entscheidung führte der B G H dazu aus: „Ein einigermaßen sicherer Anhaltspunkt ergibt sich hierzu jedoch daraus, daß die Immaterialgüterrechte, die dem Rechtsinhaber bestimmte Verwertungsformen des immateriellen Guts ausschließlich vorbehalten und jeden anderen von dieser Verwertung ausschließen, wesensgemäß und üblicherweise ... auch im Wege der Lizenzvergabe gegen Vergütung genutzt werden und sich aus dieser Sicht als Gewinnentgang des Rechtsinhabers darstellen" 168 . D i e Gewährung der angemessenen Lizenzgebühr im Falle der unbefugten N u t z u n g eines fremden Rechts steht damit dem Ersatz des entgangenen G e winns gemäß § 252 B G B nahe; entgegen dem Wortlaut dieser Vorschrift wird die angemessene Lizenzgebühr aber auch dann zugesprochen, wenn keine Wahrscheinlichkeit besteht, daß der Verletzte nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge den G e w i n n durch eine Lizenzvergabe auch gemacht haben würde. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Rechtsinhaber (z. B. wegen Eigennutzung des Rechts) nicht willens gewesen wäre, eine Lizenz zu vergeben, um sich keine K o n k u r r e n t e n auf dem M a r k t zu schaffen. Das Argument, daß sich die Zuerkennung der angemessenen Lizenzgebühr als entgangener Gewinn des Verletzten rechtfertigen lasse, beruht letztlich auf der Unterstellung, daß der Rechtsinhaber einen solchen G e w i n n auch wirklich erzielt hätte 1 6 9 . G a n z ähnlich verhält es sich bei dem Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns. Auch dessen Berechtigung stützt sich auf die Fiktion, daß es sich bei dem Verletzergewinn um den Gewinn handelt, den der Rechtsinhaber gemacht haben würde 1 7 0 ,

AcP 133 (1931), 277 ff. (291 ff.); Steindorff, Abstrakte und konkrete Schadensberechnung, AcP 158 (1959/1960), 431 (454f.); Loewenheim, Möglichkeiten der dreifachen Berechnung des Schadens im Recht gegen den unlauteren Wettbewerb, ZHR 135 (1971), 97 (107, 115ff.); UWG-Großkommentarf-tföWer), Vor § 13, Rz. 323. 167 So BGH 8.5.1956, B G H 2 20, 345 (353) (Paul Dahlke-Fall): „Für die Möglichkeit einer Schadensberechnung nach der angemessenen Vergütung, die im Falle eines Vertragsabschlusses zu den üblichen Bedingungen zu zahlen gewesen wäre, spricht bei Verletzungen von Ausschließlichkeitsrechten ein praktisches Bedürfnis und die Billigkeitserwägung, daß niemand durch den unerlaubten Eingriff in solche Rechte besser gestellt werden soll, als er im Fall einer ordnungsgemäß erteilten Erlaubnis durch den Rechtsinhaber gestanden hätte". 168 BGH 8.10.1971, BGHZ 57, 118 (Wandsteckdose II); vgl. auch KG 9.6.1987, GRUR 1988, 702 (703) (Corporate Identity). 169 Siehe dazu etwa BGH 30.11.1976, BGHZ 68,90 (Kunststoffhohlprofil I); BGH 19.1.1973, BGHZ 60, 168 (173) (Modeneuheit); UWG-Großkommentar(-Köhler), Vor § 13 Rz. 323; Ulimann, Die Verschuldenshaftung und die Bereicherungshaftung des Verletzers im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, GRUR 1978, 615ff. (617). 170 BGH 8.10.1971, BGHZ 57,116 (120) (Wandsteckdose II); RG 15.11.1937 GRUR 1938, 36 (38); UWG-Großkommentar (-Köhler), Vor § 13 Rz. 323; Ullmann, a.a.O., 617.

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Immaterialgüterrechten

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ohne daß darauf abgestellt wird, daß der Verletzte überhaupt eine Möglichkeit zur Gewinnerzielung hatte. Das Argument, der unbefugte Rechtsnutzer dürfe nicht besser stehen als derjenige, der sich durch Vertrag mit dem Rechtsinhaber ordnungsgemäß die Nutzungsbefugnis verschaffe, ist eine Billigkeitserwägung. Gleichrangig daneben tritt die Überlegung, daß die Beschränkung des Schadensersatzanspruchs auf die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der §§ 2 4 9 f f . B G B in vielen Fällen der Verletzung von Immaterialgüterrechten dazu führen würde, daß der Rechtsbruch nicht geahndet würde und deshalb zu befürchten sei, daß der Verstoß gegen das R e c h t auf diesem Gebiet zu einem lohnenden Geschäft werden könnte 1 7 1 . D i e Rechtsprechung hatte die D S B jedoch zunächst bei den absolut geschützten Immaterialgüterrechten zugelassen; in der späteren Entwicklung hat sie die D S B doch auch auf bestimmte, lediglich wettbewerbsrechtlich geschützte Leistungspositionen ausgedehnt. Dies wird damit begründet, daß sich bei Verletzungen wettbewerbsrechtlich geschützter Positionen eine im Vergleich zu den als absolute subjektive Rechte geschützten Immaterialgütern analoge Schutzbedürftigkeit ergebe, weil diese Positionen ihrer N a t u r nach ebenso leicht verletzlich seien wie die Immaterialgüterrechte. Eine Vergleichbarkeit könne dann angenommen werden, wenn die wettbewerblich begründete Leistungsposition gegen Eingriffe Dritter geschützt sei und die Nutzungsüberlassung durch Lizenzvertrag üblich sei 1 7 2 . U b e r diese G r e n z e n ist die jüngste Rechtsprechung des B G H noch hinausgegangen, indem sie nunmehr die D S B bei allen Fällen wettbewerbswidriger Leistungsübernahme zuläßt. D a m i t ist die D S B nicht nur bei der Verletzung von wettbewerblich geschützten Leistungspositionen anwendbar, die den I m materialgüterrechten im Hinblick auf Drittschutz und Üblichkeit der Lizenzierung ähnlich sind, sondern auch auf Nachahmungen von Produkten, die deshalb als wettbewerbswidrig zu qualifizieren sind, weil das Verhalten des Nachahmers als verwerflich angesehen wird. „Die dreifache Schadensberechnung ist bei den Tatbeständen wettbewerbswidriger Nachahmung unabhängig davon zu gewähren, ob dem Verletzten auf Grund der besonderen wettbewerblichen Eigenart seines Produkts eine Rechtsposition erwachsen ist, die ihm einen beispielsweise dem Musterrecht entsprechenden Rechtsschutz gegen Nachahmungshandlungen Dritter verleiht, oder ob vornehmlich die in dem Verhalten des Verletzers zum Ausdruck kommenden besonderen verwerflichen Umstände bei der Nachahmung des Produkts, das auch in einem solchen Fall - wenn auch 171 Siehe dazu Assmann, Schadensersatz in mehrfacher Höhe des Schadens, BB 1985, 15; Lehmann, Wettbewerbsrecht, Strukturpolitik und Mittelstandsschutz, GRUR 1977, 580ff. (587); Brandner, Die Herausgabe von Verletzervorteilen im Patentrecht und im Recht gegen unlauteren Wettbewerb GRUR 1980, 359ff. (363). 172 BGH 8.10.1971, BGHZ 57,116 (118) (Wandsteckdose II); BGH 19.1.1973, BGHZ 60, 168 (173) (Modeneuheit); BGH 24.5.1953, GRUR 1963, 575 (576f.); BGH 16.2.1973, BGHZ 60, 206 (208) (Miss Petite); BGH 18.2.1977, GRUR 1977, 539 (541) (Prozeßrechner); KG 9.6.1987, GRUR 1988, 702 (703) (Corporate Identity).

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Kapitel V: Rechte an

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geringe - wettbewerbliche Eigenart aufweist, den Wettbewerb und Verbotsanspruch des Verletzten auslöst. ... Die Zubilligung der objektiven Schadensberechnung (d.h.: Lizenzanalogie und Herausgabe des Verletzergewinns) für alle Fälle der wettbewerbswidrigen Leistungsübernahme findet ihre Rechtfertigung darin, daß die verletzte Verhaltensnorm des § 1 U W G dazu dient, die Interessen eines bestimmten Wettbewerbers gegen eine sittenwidrige Ausnutzung seiner Leistung zu schützen . . . . Da in einem solchen Fall es allein in der Rechtsmacht desjenigen liegt, dessen Leistung nachgeahmt wird, das Verhalten des Dritten zu unterbinden oder zu dulden (...) ist es sachgerecht, daß der Verletzte den ihm durch die wettbewerbswidrige Leistungsübernahme entstandenen Schaden auch nach der objektiven Schadensberechnung Verletzergewinn, angemessene Lizenz - liquidieren kann" 173 . Bemerkenswert ist an der Entscheidung Kollektion Holiday, daß der B G H ganz offen die Schranken des Anwendungsbereichs der D S B durchbricht, die von der überkommenen Rechtsprechung durch die Anknüpfung an die Verletzung von Immaterialgüterrechten errichtet worden waren. Zwar hatte der B G H auch schon in anderen Fällen die D S B bei der Verletzung von lediglich wettbewerbsrechtlich geschützten Leistungspositionen angewandt, jedoch den erweiterten Schutz mit der Ähnlichkeit der wettbewerblich geschützten Position im Vergleich zu einem Immaterialgüterrecht begründet 1 7 4 . Diese Linie wird mit der Kollektion Holiday-Entscheidung verlassen. J e t z t reicht für die Begründung der Anwendbarkeit des erweiterten Schutzes durch die D S B aus, daß der Verletzte einen Unterlassungsanspruch gegen den Verletzer besitzt. Unterlassungsansprüche sieht das U W G auch gegenüber der Verletzung von Verhaltensnormen vor.

b) Die dogmatische Begründung der zweiten dritten Schadensberechnungsmethode

und

D e r Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr und auf Herausgabe des Verletzergewinns sind als Schadensersatzansprüche durch die Vorschriften des B G B nicht vorgesehen. Sie sind also den eigentlich einschlägigen N o r m e n , die die Rechtsfolgen von Schadensersatzansprüchen konkretisieren, nämlich den §§ 2 4 9 f f . B G B , von der Rechtsprechung hinzugefügt worden. Es handelt sich dabei um Rechtsfolgen, die ihrem Inhalt nach weniger dem Schadensersatz zuzuordnen sind, als dem Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 I 1, 2. Alt. B G B (angemessene Lizenzgebühr) und der unechten Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 687 II, 681, 667 B G B (Her-

173 B G H 22.4.1993, B G H Z 1 2 2 , 2 6 2 (267) (Kollektion Holiday). In diesem Fall ging es um die wettbewerbswidrige Nachahmung von Bekleidungsstücken. 174 So etwa in der Entscheidung des B G H vom 19.1.1973, B G H Z 60, 108, 168 (171) (Modeneuheit), in der das Gericht darauf hinweist, daß die Muster für Bekleidung zwar grundsätzlich als Geschmacksmuster angemeldet werden könnten, dies aber wegen der Schnelllebigkeit der Märkte für modische Kleidungsstücke nicht praktikabel sei. Vergleiche auch B G H 18.2.1977, G R U R 1977, 539 (542) (Prozeßrechner).

§ 19 DSB und Eingriffskondiktion

bei den

Immaterialgüterrechten

637

ausgabe des Verletzergewinns). Es stellt sich daher die Frage, wie die DSB in dogmatischer Hinsicht zu qualifizieren ist. Die Rechtsprechung und der überwiegende Teil des Schrifttums stehen auf dem Standpunkt, bei der DSB handele es sich um eine Ergänzung der allgemeinen Schadensersatzvorschriften und ordnen die DSB - aus dieser Sicht konsequent - dem Schadensersatzrecht zu 175 . Nach dieser Auffassung stellen die drei Formen der Schadensberechnung lediglich verschiedene Spielarten einer einheitlichen Rechtsfolge dar, nämlich der Verpflichtung des Verletzers zur Leistung von Schadensersatz. Diese Verpflichtung beruht wiederum auf einer einheitlichen Anspruchsgrundlage, nämlich einer Schadensersatznorm. Ausdrücklich wird betont, daß es sich bei den in der DSB zusammengefaßten Methoden zur Bestimmung des Schadens lediglich um besondere Arten der Schadensberechnung handele, nicht aber um selbständige Anspruchsgrundlagen176. Dennoch sind in der Rechtsprechung gewisse Schwankungen und Unsicherheiten bezüglich der dogmatischen Erfassung der DSB unübersehbar. In der Ariston-Entscheidung des RG macht das Gericht auf die enge Verbindung von Bereicherungsanspruch und Schadensersatzanspruch aufmerksam 177 , begründet aber die erstmals angewandte dreifache Methode der Schadensberechnung ausschließlich unter dem Aspekt des Schadensersatzanspruchs 178 . In späteren Entscheidungen ist insbesondere bei der Verletzung von Patentund Gebrauchsmusterrechten sowie Warenzeichen im Hinblick auf die angemessene Lizenzgebühr nur von Schadensersatz die Rede 179 . Die Gewährung des Anspruchs auf Herausgabe des Verletzergewinns hat das Reichsgericht verschiedentlich mit einer analogen Anwendung des § 687 II BGB begründet 180 . Die Rechtsprechung des B G H ist im wesentlichen dieser Linie gefolgt 181 . Gele175

So bereits die Leitentscheidung R G 8.6.1895, R G Z 35, 63ff. (67ff.) (Ariston), an der die Rechtsprechung seitdem - was die dogmatische Qualifikation der DSB als bloße Schadensberechnungsmethode angeht, festgehalten hat. In der Literatur siehe Ullmann, Die Verschuldenshaftung und die Bereicherungshaftung des Verletzers im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, G R U R 1978, 617; Loewenheim, Möglichkeiten der dreifachen Berechnung des Schadens im Recht gegen den unlauteren Wettbewerb, Z H R 135 (1971) 97ff. (102); Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens im bürgerlichen Recht, 216 (226); Steindorff, Abstrakte und konkrete Schadensberechnung, AcP 158 (1959/1960), 431 (453); Staudinger/Nipperdey, § 687, A n m e r k u n g 10 ff.; v. Bar, Schadensberechnung im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht und allgemeine Schadentheorie, U F I T A 81 (1978), 57ff. (68ff.) sieht die Schadensberechnung nach der angemessenen Lizenzgebühr als F o r m des normativen Schadens an und will diese Art der Schadensberechnung so in die allgemeine Theorie des Schadensbegriffs integrieren. 176 B G H 8.10.1971, B G H Z 57, 118 (Wandsteckdose II). 177 R G 8.6.1895, R G Z 35, 66. 178 R G 8.6.1895, R G Z 35, 67ff. 179 R G 24.6.1908, Warneyer 1908, Nr. 658, S. 535; R G 22.12.1913, J W 1914,406 Nr. 8; R G 3.2.1909, R G Z 70, 249 (250); R G 29.3.1919, R G Z 95, 220; R G 12.5.1926, R G Z 113, 413; R G 6.11.1929, R G Z 126, 127 (132). 180 R G 3.2.1909, R G Z 70, 249 (252); R G 22.10.1930, R G Z 130, 108 (110); R G 13.10.1937, R G Z 156, 65 (67). 181 Siehe z u m Beispiel B G H 27.2.1963, G R U R 1963, 640 (642) (Plastikkorb); B G H 29.5. 1962, G R U R 1962, 509 (512); B G H 8.5.1956, B G H Z 20, 345 (353) (Paul Dahlke).

638

Kapitel

V: Rechte an

Informationen

gentlich begründet er die Anwendung der D S B (Lizenzanalogie) mit dem Hinweis auf deren gewohnheitsrechtliche Geltung 1 8 2 . Auch hinsichtlich der Begründung des Gewinnherausgabeanspruchs folgt der B G H dem R G : Dieses Begehren gründe sich auf die „rechtsähnliche Anwendung von §§ 687 Abs. 2, 667 B G B " 1 8 3 . Da es sich nach dieser Auffassung bei der D S B lediglich um Arten der Schadensberechnung handelt, müssen ansonsten die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs - insbesondere schuldhaft-vorwerfbares Verhalten des Rechtsverletzers - vorliegen. Ein Teil der bereicherungsrechtlichen Literatur hingegen sieht die Grundlage des Anspruchs auf angemessene Lizenzgebühr in § 812 1 1 , 2. Alt. B G B 1 8 4 . N o c h weiter differenzierend geht ein anderer Teil des Schrifttums davon aus, daß jedenfalls der Anspruch auf die angemessene Lizenzgebühr dem Bereicherungsrecht zuzurechnen sei, während die Forderung auf die Herausgabe des Verletzergewinns auf § 687 II B G B (unechte G o A ) beruhe 1 8 5 . Darüber hinaus wird die Auffassung vertreten, daß die Voraussetzungen der Ansprüche nach D S B dem Recht der unerlaubten Handlungen zu entnehmen seien, ihre Rechtsfolgen jedoch bereicherungsrechtlicher bzw. geschäftsführungsrechtlicher Natur seien 186 . Seitdem Rechtsprechung und Literatur die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion auf dem Gebiet des Immaterialgüterrechts, des Firmen- und Namensrechts sowie bei bestimmten Teilbereichen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuläßt, besteht eine Parallelität von Schadensersatzrecht und bereicherungsrechtlicher Lizenzanalogie bei den Rechtspositionen, die sowohl schadensersatzrechtlich wie auch bereicherungsrechtlich geschützt sind 187 . 182 B G H 14.2.1958, B G H Z 26, 349 (352) (Herrenreiter); B G H 8.5.1956, B G H Z 20, 345 (353) (Paul Dahlke); B G H 17.5.1960, G R U R 1960, 545 (556) (Handstrickverfahren); B G H 8.10.1971, B G H Z 57, 116 (119) (Wandsteckdose II); B G H 10.3.1972, G R U R 1973, 379 (380) (Doppelte Tarifgebühr); B G H 6.3.1980, B G H Z 77, 16 (25f.) (Tolbutamid). Zustimmend Gedanken zur Rechtsangleichung auf Benkard(-Rogge), PatG, § 139, Rz. 63; Bruchhausen, dem Gebiet des Sanktionensystems bei immateriellen Güterrechten in Europa, G R U R 1980, 515 ff. (520); Ullmann, Die Verschuldenshaftung und die Bereicherungshaftung des Verletzers im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberecht, G R U R 1978, 617; Th. Fischer, Schadensberechnung im gewerblichen Rechtsschutz, Urheberrecht und unlauteren Wettbewerb, 15; Hefermehl, Anmerkung zur Entscheidung Wandsteckdose II, G R U R 1972, 191 f. (192); Steindorff, Abstrakte und konkrete Schadensberechnung, AcP 158 (1959/60), 431 ff. (451, 453). 183 B G H 24.2.1961, B G H Z 34, 320 (321) (Vitasuifal). 184 Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung in der Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 81 ff. (insbesondere S. 89) hinsichtlich des Anspruchs auf Gewinnherausgabe, 83 F N 7. In Bezug auf den Anspruch auf angemessene Lizenzgebühr Kellmann, Grundsätze der Gewinnhaftung, 71 ff. 185 v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel I, 333 ff. (354). 186 Däubler, Anspruch auf Lizenzgebühr und Herausgabe des Verletzergewinns - atypische Formen des Schadensersatzes, JuS 1969, 53. 187 Als Beispiel für die Parallelität von schadensersatzrechtlich und bereicherungsrechtlich begründetem Anspruch auf die angemessene Lizenzgebühr siehe nur B G H 8.5.1956, B G H Z 20, 345 ff. (Paul Dahlke).

§ 19 DSB und Eingriffskondiktion

c) Dogmatische

bei den

Immaterialgüterrechten

Defizite und Fehlentwicklungen

639

bei der DSB

Die D S B ist eine Rechtsfigur, die durch die höchstrichterliche Rechtsprechung entwickelt und fortgebildet worden ist. D i e Einführung dieser Rechtsfigur geschah mit fast vollkommener Billigung durch das Schrifttum; Widerspruch gegen das Vorgehen der Rechtsprechung, für das immerhin eine gesetzliche G r u n d lage nicht gegeben war, regte sich zunächst kaum 1 8 8 . Kritische Äußerungen in Bezug auf die D S B sind erst - dann allerdings mit zunehmender Tendenz - nach dem Zweiten Weltkrieg zu verzeichnen 1 8 9 . A b e r auch für die Gegenwart ist festzustellen, daß Rechtsprechung und Literatur trotz der im Vergleich zu früher stark erweiterten Anwendbarkeit der E i n griffskondiktion - an der D S B festhalten. Es wird indes zunehmend deutlicher, daß das dogmatische Fundament, auf das sich die D S B bis heute stützt, außerordentlich brüchig ist. Es fehlt an einer gesetzlichen Grundlage für die H e r a n ziehung der zweiten und dritten Art der Schadensberechnung als Schadensersatz, es mangelt an den Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des Geschäftsführungsrechts für die dritte Schadensberechnungsmethode. Weiterhin hat die Anwendung der zweiten und dritten Schadensberechnungsmethoden zu Fehlentwicklungen in der D o g m a t i k des Schadensrechts geführt.

aa) Ausweitung des

Schadensbegriffs

D i e Schadensberechnung nach der Lizenzanalogie und nach dem Verletzergewinn ist mit dem Schadensbegriff des bürgerlichen Vermögensrechts nicht in Ubereinstimmung zu bringen. Das B G B verwendet den Begriff des Schadens (etwa in §§ 2 4 9 f f . B G B ) , ohne ihn aber durch Legaldefinition näher zu bestimmen. Das D e n k e n der Väter des B G B w a r - j e d e n f a l l s was den Vermögensschaden a n g e h t - v o n dem Schadensbegriff beherrscht 1 9 0 , den Mommsen in seiner Schrift zum Interesse geprägt hatte. Schaden ist demnach „... die Differenz zwischen dem Betrage des Vermögens einer Person, wie dasselbe in einem gegebenen Zeitpunkte ist, und dem Betrage, welches dieses Vermögen ohne die

188 Kritisch zur DSB äußerten sich etwa Kisch, Schadensersatz und Bereicherung, LZ 1927, 667ff. (bzgl. des schadensersatzrechtlichen Herausgabeanspruchs auf den Verletzergewinn); Orth, Die Bereicherung im Patentrecht, 24 ff.; Möhring, Einzelfragen der Schadensliquidation im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, G R U R 1931, 419 ff., insbesondere 421 f. (Lizenzgebühr) und 422 f. (Herausgabe des Verletzergewinns); Oelschläger, Schadensersatz und Bereicherung im Warenzeichenrecht, 8 f. 189 Siehe etwa Antoni, Die Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung im gewerblichen Rechtsschutz, 17 ff.; Sack, Die Lizenzanalogie im System des Immaterialgüterrechts, FS Hubmann, 373ff. (388 ff.); Brandner, Die Herausgabe von Verletzervorteilen im Patentrecht und im Recht gegen den unlauteren Wettbewerb, G R U R 1980, 359 ff. (363 f.); Lange, Schadensersatz, 228. 190 Siehe Lange, a.a.O., 17f.; Magnus, Schaden und Ersatz (1987), 8; Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens im bürgerlichen Recht, 18.

640

Kapitel

V: Rechte

an

Informationen

Dazwischenkunft eines schädigenden Ereignisses in den zur Frage stehenden Zeitpunkt haben würde"191. Mit der Differenzhypothese verbunden ist in der Entwicklung des Schadensrechts der sogenannte natürliche oder faktische Schadensbegriff, wonach ein Schaden die Einbuße erfaßt, die ein Rechtssubjekt an seinen Rechtsgütern und Erwerbsaussichten erleidet 192 . Im Verlaufe der wissenschaftlichen Diskussion und der höchstrichterlichen Rechtsprechung haben sich unterschiedliche Ausformungen des Schadensbegriffs im Hinblick auf eine bessere Erfassung bestimmter nachteiliger Einwirkungen auf die Rechtsgüter des von einer schädigenden Handlung Betroffenen entwickelt 193 . Es ist hier nicht der Ort, diese Entwicklungen nachzuzeichnen. In dem hier interessierenden Zusammenhang ist lediglich festzustellen, daß bei allen Abweichungen im Detail bei den Vorschlägen zur Konkretisierung des Schadenbegriffs über einen Umstand immer Einigkeit herrschte: Es geht ausschließlich um nachteilige Einwirkungen auf Rechtsgüter und Vermögensbestandteile des Betroffenen, d.h. des „potentiell" Geschädigten, nicht aber des Schädigers. In klarer Erkenntnis der Tatsache, daß mit der DSB der Rahmen des herkömmlichen Schadensbegriffs überschritten wird, formuliert der BGH: „Denn nach ständiger Rechtsprechung und der in der Rechtslehre vertretenen Auffassung handelt es sich bei der Anerkennung des Anspruchs auf angemessene Vergütung nicht um die Anwendung der allgemeinen Bestimmungen des Schadensersatzrechtes, sondern um ihre gewohnheitsrechtliche Ergänzung für den Fall der Verletzung von Vermögenswerten Ausschließlichkeitsrechten, die auf der Billigkeitserwägung beruht, daß der Verletzer durch die Verletzung nicht besser gestellt sein soll, als er im Falle einer ordnungsgemäß nachgesuchten Erlaubnis gestanden hätte"194. Es handelt sich also bei der DSB nicht um eine Fortbildung des herkömmlichen Schadensbegriffs, sondern um ein aliud, eine Zweckschöpfung, um die besonderen Schwierigkeiten, die mit dem Schadensnachweis bei Immaterialgüterrechten verbunden sind, zu lösen und die Forderung nach effektivem Rechtsschutz zu erfüllen. Auch die Versuche in der Rechtslehre, die DSB in den Rahmen des gegliederten Schadensbegriffs zu integrieren, sind nicht gelungen. So wollte Steindorff die DSB als Anwendungsfall der abstrakten Schadensberechnung ansehen195; v. Bar qualifiziert die DSB als Form des normativen Schadens196. Beides überMommsen, Zur Lehre von dem Interesse, 3. Lange, Schadensersatz, 17 ff.; Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens im bürgerlichen Recht, 21 ff. m.w. N. 193 Siehe zusammenfassend zur Diskussion zum Schadensbegriff Magnus, Schaden und Ersatz, 11 ff.; Lange, a.a.O., 19ff. 194 BGH 14.2.1958, BGHZ 26, 349 (352) (Herrenreiter). 195 Steindorff, Abstrakte und konkrete Schadensberechnung, AcP 158 (1959/60), 431 ff. (451 ff.). 196 v. Bar, Schadensberechnung im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht und allgemeine Schadentheorie, UFITA 81 (1978), 57ff. (68ff.). 191

192

§ 19 DSB und Eingriffskondiktion

bei den

Immaterialgüterrechten

641

zeugt nicht, weil es auch beim abstrakten und beim normativen Schaden immer um Beeinträchtigungen des Geschädigten geht, nicht aber um die Abschöpfung von Vorteilen, die der „Schädiger" durch die rechtswidrige Handlung erlangt hat. Schon Neuner hat darauf aufmerksam gemacht, daß die Zuerkennung dieser Arten von Schadensersatz nicht mit der Feststellung eines als Schaden zu qualifizierenden beeinträchtigten Interesses erklärbar ist 197 ; denn der Anspruch auf die angemessene Lizenzgebühr und auf den Verletzergewinn wird von der Rechtsprechung auch dann zuerkannt, wenn der Rechtsinhaber keine Lizenz erteilt hätte oder er keinen Gewinn gemacht hätte, weil er sein Recht nicht nutzen wollte oder konnte. In diesen Fällen wird vollkommen klar, daß es an einer Vermögensbeeinträchtigung i.S. der Differenzhypothese fehlt. Die Begründung des Schadensersatzanspruches erfordere hier - so Steindorff - eine weitere Wertung 198 . Der entscheidende Gesichtspunkt bei der D S B sei eben nicht die Reparatur eines Schadens, sondern die Durchsetzung des verletzten Rechts 1 9 9 . Dieser These ist durchaus zuzustimmen; allerdings sind daraus andere Schlußfolgerungen zu ziehen. In der Tat geht es bei der zweiten und dritten Schadensberechnungsmethode nicht um den Ersatz von Vermögenseinbußen, die der Inhaber eines Immaterialgüterrechts oder einer vergleichbaren Rechtsposition erlitten hat. Vielmehr übernimmt der Schadensersatzanspruch hier eine Sanktionsfunktion, die unabhängig von einer rechtswidrig und schuldhaft durch einen Rechtsverletzer herbeigeführten Vermögenseinbuße oder Beeinträchtigung eines Rechtsguts des Rechtsinhabers die Verletzung des Rechts sanktionieren soll, indem dem Verletzer die Vorteile, die er durch die Rechtsverletzung erworben hat, genommen werden. Diese Vorteile werden ihm im Wege der dreifachen Schadensberechnungsmethode auch dann entzogen, wenn der Rechtsinhaber überhaupt keinen Schaden erlitten hat. Das B G B sieht im Rahmen seines differenzierten Anspruchssystems zum Schutz der Rechte gegen Verletzungen Anspruchstypen vor, deren Ziel es ist, Vorteile abzuschöpfen, die durch Verletzung absoluter subjektiver Rechte und ihnen vergleichbare Rechtspositionen erzielt worden sind. Es sind dies der Bereicherungsanspruch des § 812 1 1 , 2 . Alt. B G B und der Anspruch aus unechter Geschäftsführung ohne Auftrag (Geschäftsanmaßung) nach § 687 II B G B . Die Gewährung dieser Ansprüche macht das Gesetz vom Vorliegen jeweils spezifischer Voraussetzungen abhängig. Da es sich bei diesem Schutz der Rechte vor unbefugter Inanspruchnahme durch Dritte unabhängig von erlittenen Vermögenseinbußen nicht um Schadensersatz handelt, ist es auch nicht sinnvoll, auf diese Ansprüche die Voraussetzungen des Schadensersatzes anzuwenden. Durch die D S B werden die Grenzen der im B G B außerordentlich differenziert geregelten Ansprüche auf Schadensersatz, Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung und wegen Geschäftsanmaßung verwischt; damit verbunden sind Unzuträglichkeiten, die sich daraus ergeben, daß Funktion und Vorausset197 198 199

Neuner, Interesse und Vermögensschaden, AcP 133 (1931), 277 ff. (291 ff.). Steindorff, Abstrakte und konkrete Schadensberechnung, AcP 158 (1959/60), 453. Steindorff, a.a.O., 454f.

642

Kapitel V: Rechte an

Informationen

zungen der Ansprüche aufeinander abgestimmt sind und diese A b s t i m m u n g durch die Verwischung der G r e n z e n der Ansprüche durcheinander gerät.

bb) Die Absenkung des Verschuldenserfordernisses bei Anwendung der DSB E i n gutes Beispiel für die Dysfunktionalitäten, die sich aus der Zusammenziehung der Rechtsfolgen von ungerechtfertigter Bereicherung (§§ 812 ff. B G B ) und Geschäftsanmaßung (§ 687 II B G B ) auf der Grundlage des Schadensersatzanspruchs ergeben, bietet die Absenkung des Verschuldenserfordernisses bei der G e w ä h r u n g der Lizenzanalogie im R a h m e n des Schadensersatzanspruchs. D i e erfolgreiche Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs wegen Verletzung eines Immaterialgüterrechts oder einer anderen durch die D S B geschützten Position setzt voraus, daß der Rechtsinhaber ein schuldhaftes Verhalten des Verletzers, das zum Eingriff in sein R e c h t geführt hat, schlüssig darlegt und, falls notwendig, auch beweist. D i e Lizenzanalogie im R a h m e n der D S B dient in Wirklichkeit nicht dem Ausgleich von Schäden im Vermögen und an den Rechtsgütern des Rechtsinhabers, sondern der Abschöpfung von Vermögensvorteilen des Rechtsverletzers, der unbefugt ein fremdes R e c h t für eigene Z w e c k e in Anspruch genommen hat. Abgeschöpft wird dabei der Wert der unbefugten Nutzung. D i e Herausgabe des Wertes der Inanspruchnahme fremden Rechts rechtfertigt sich aus der F u n k t i o n absoluter subjektiver R e c h te: Diese ordnen Handlungs- und Vermögensbefugnisse über das jeweilige R e c h t s o b j e k t exklusiv dem Rechtsinhaber zu. Dieser entscheidet autonom darüber, ob und in welcher Weise er den Gegenstand nutzen möchte. Dritte haben sich jeden Eingriffs in diese Befugnisse des Rechtsinhabers zu enthalten. D u r c h die exklusive Zuordnung des Gegenstandes soll sicher gestellt werden, daß das O b j e k t im Wege des marktlichen Tausches an den O r t seiner am höchsten bewerteten N u t z u n g gebracht werden kann. D i e Institutionalisierung eines Systems absoluter subjektiver Rechte ist eine zwingende Voraussetzung für eine effiziente Ressourcenallokation gemäß den individuellen Nutzenpräferenzen der am Markt agierenden Rechtssubjekte 2 0 0 . D i e Funktionsfähigkeit des Marktes im H i n b l i c k auf die Herstellung von Allokationseffizienz geht verloren, wenn Nichtinhaber in absolute subjektive R e c h t e anderer eingreifen und sich damit Vorteile verschaffen können, o b w o h l sie nicht durch Vertrag mit dem Rechtsinhaber und Entgeltzahlung die Befugnis zur N u t z u n g des fremden Rechts ordnungsgemäß erworben haben. D i e Verwendung der fremden Ressource geht nicht in die Wirtschaftlichkeitsrechnung des unbefugten Nutzers ein. F ü r ihn stellt sie sich als kostenlos dar. D a m i t wird die Ressource dem marktlichen Tauschprozeß entzogen. Das Erreichen von Allokationseffizienz im H i n b l i c k auf die N u t z u n g der Ressource ist nicht mehr gewährlei2 0 0 Die ökonomischen Zusammenhänge zwischen absoluten subjektiven Rechten (Property Rights), marktlichen Tauschvorgängen, Allokationseffizienz und externen Effekten werden in Kapitel II dieser Untersuchung ausführlich behandelt.

§ 19 DSB und Eingriffskondiktion

bei den

Immaterialgüterrechten

643

stet. Da sich der unbefugte Nutzer den Gebrauch des Gegenstandes ohne Vertragsschluß mit dem Rechtsinhaber verschafft, kann man insoweit von einem Versagen des Kontraktmechanismus sprechen. Das Versagen des Kontraktmechanismus führt aber nicht nur zu unteroptimalen Ergebnissen bei der Allokationseffizienz, sondern auch zu einer Verzerrung des Wettbewerbs. Der unbefugte Nutzer fremder Ressourcen erlangt einen Wettbewerbsvorteil im Vergleich zu seinen rechtstreuen Konkurrenten. Er nutzt ein fremdes Recht, ohne den Inhaber des Rechts für die N u t zung zu entgelten. Die sich rechtmäßig verhaltenden Konkurrenten hingegen müssen das vertraglich vereinbarte Entgelt für die Nutzung einer Ressource an den Rechtsinhaber zahlen; folglich entstehen ihnen Kosten, die sich in den Preisen ihrer Produkte niederschlagen. Der unbefugte Nutzer kann seinen Preis tendenziell günstiger gestalten als seine rechtstreuen Konkurrenten, weil er - bleibt die Rechtsverletzung ohne Sanktion - mit günstigeren Kosten arbeitet. Bei einem Versagen des Kontraktmechanismus steht der Wert der Nutzung der fremden Ressource dem Rechtsinhaber zu. Wegen der genannten Folgen der unbefugten Rechtsnutzung ist es erforderlich, daß die Vorteile der unbefugten Inanspruchnahme dem Rechtsverletzer entzogen und auf den Rechtsinhaber übertragen werden, denn diesem stehen sie nach dem Zuweisungsgehalt des verletzten Rechts zu. Bei der Abschöpfung des Wertes der Nutzung handelt es sich um einen typischen Anwendungsfall der Eingriffskondiktion nach § 812 11,2. Alt. BGB. Der Gesetzgeber hat - wie oben gezeigt, aus gutem Grund - den Bereicherungsanspruch nicht unter die Voraussetzung schuldhaften Handelns des Eingreifers gestellt. Da die „schadensersatzrechtliche" Lizenzanalogie im Rahmen der DSB funktionell die Aufgabe des - nach der zunächst herrschenden Auffassung nicht anwendbaren - Anspruchs aus Eingriffskondiktion zu übernehmen hatte, senkte die Rechtsprechung das Verschuldenserfordernis bei Immaterialgüterrechtsverletzungen und in sonstigen Anwendungsfällen der DSB immer weiter ab, so daß der Anspruch praktisch auf der Grundlage einer (verschuldensunabhängigen) Gefährdungshaftung gewährt wurde. U m diese Entwicklung zu belegen, sei nur beispielhaft auf die Sorgfaltsanforderungen verwiesen, denen der Händler hinsichtlich der Beachtung fremder Warenzeichen unterliegt. So verlangte das KG in einer Entscheidung aus dem Jahr 1955, daß der Einzelhändler beim Weiterverkauf von Strümpfen, die ihm vom Großhandel geliefert worden waren, sicherstelle, daß keine fremden Warenzeichenrechte verletzt würden 201 . Sehr weitgehende und fast nicht zu erfüllende Sorgfaltsanforderungen stellte die Rechtsprechung auch hinsichtlich der Beachtung fremder Patente auf. Die Rechtsprechung hat das Verschulden von Patentverletzern auch dann angenommen, wenn sie den Rat von Sachverständigen und Patentanwälten eingeholt hatten 202 . Die Fahrlässigkeit werde 201

KG 10.8.1954, G R U R 1955, 252. Siehe zum Beispiel O L G Hamburg 17.2.1954, G R U R 1956, 318; Spengler, Ist das Verschuldensprinzip nicht mehr zeitgemäß?, G R U R 1958,212 f. (218) m. w. N . aus der Rechtsprechung. 202

644

Kapitel V: Rechte an

Informationen

auch dann nicht verneint, wenn L G und O L G dem Beklagten Recht gegeben hatten 203 . Im Schrifttum ist diese Entwicklung der Rechtsprechung hin zur verschuldensunabhängigen Haftung wegen Verletzung von Immaterialgüterrechten auf Kritik gestoßen 204 , deren rechtsdogmatische Berechtigung jedenfalls dann nicht in Zweifel gezogen werden kann, wenn man das Verschuldenserfordernis als eine prinzipielle Voraussetzung der Schadensersatzpflicht ansieht und Ausnahmen von diesem Prinzip nur dann für zulässig erachtet, wenn sie durch gesetzliche Regelungen ausdrücklich angeordnet sind. Im Rahmen der D S B ist also eine Rechtsfolge, die eigentlich dem verschuldensunabhängigen Anspruch aus Eingriffskondiktion zuzuordnen ist, nämlich die Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr, vom Vorliegen eines Verschuldenserfordernisses abhängig gemacht worden. D a der Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr seiner Funktion nach aber ohne Rücksicht auf ein Verschuldenserfordernis des Rechtsverletzers Anwendung finden muß, hat die Rechtsprechung die Anforderungen an das Vorliegen des Verschuldens so weit abgesenkt, daß im Vergleich zu dem Verschuldenserfordernis bei den übrigen Deliktstatbeständen die Sorgfaltspflicht bei Immaterialgüterverletzungen als überspannt erscheint. Die Folge dieser Entwicklung war ein gespaltener Verschuldensbegriff: Im Anwendungsbereich der D S B wurden die Anforderungen an das Vorliegen eines Verschuldens anders definiert als im übrigen Deliktsrecht. Im Ergebnis ist festzuhalten, daß die D S B zu einer Modifikation des Schadensbegriffs und des Verschuldenserfordernisses im Vergleich zu den allgemeinen Deliktstatbeständen geführt hat.

cc) Verstoß gegen das schadensersatzrechtliche

Bereicherungsverbot

Im Schadensersatzrecht gilt das Prinzip, daß der Schaden des Berechtigten zwar möglichst vollständig ausgeglichen werden soll, daß der Anspruch den Verletzten aber nicht günstiger stellen darf, als er ohne Rechtsverletzung stünde 2 0 5 . Verzichtet man auf die Kausalität von Verletzungshandlung und Schaden, so ist nicht sichergestellt, daß nicht gegen das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot verstoßen wird. Als Beispiel sei nur darauf hingewiesen, daß im Rahmen der zweiten Schadensberechnungsmethode eine angemessene Lizenzgebühr dem Rechtsinhaber auch dann zugesprochen wird, wenn er dem Verletzer gar keine Lizenz erteilt hätte. Ebenso verhält es sich bei der dritten Schadensberechnungsmethode. Der Rechtsinhaber kann den Rechtsverletzer unabhängig von dem Umstand auf Herausgabe von dessen Gewinn in AnB G H 9.5.1952, G R U R 1953, 34 (37) (Lockwell); dazu Spengler, a . a . O . , 218. Spengler, Ist das Verschuldensprinzip nicht mehr zeitgemäß?, G R U R 1958, 212ff.; vgl. auch Ullmann, Die Verschuldenshaftung und die Bereicherungshaftung des Verletzers im gewerblichen Rechtsschutz und im Urheberrecht, G R U R 1978, 615ff. 2 0 5 Siehe dazu Lange, Schadensersatz, 6; Kisch, Schadensersatz und Bereicherung, L Z 1927, 667 ff. (668); Sack, Die Lizenzanalogie im System des Immaterialgüterrechts, FS Hubmann, 373 ff. (395 f.). 203

204

^ 19 DSB und Eingriffskondiktion

bei den Immaterialgüterrechten

645

spruch nehmen, daß der Rechtsinhaber selbst - etwa weil er nicht über die notwendige Kapitalausstattung verfügt - sein Recht nicht genutzt hat und daher gar keinen Gewinn gemacht hätte. In beiden Fällen hat der Rechtsinhaber durch das Verhalten des Rechtsverletzers keine Einbuße an seinem Vermögen erlitten; denkt man sich die unbefugte Inanspruchnahme des Rechts durch den Verletzer hinweg, so würde der Rechtsinhaber in seinem Vermögensbestand nicht besser stehen, als er mit der Verletzung steht: Er hätte weder eine Lizenzgebühr noch einen Gewinn erzielt. Hier dennoch einen Schadensersatzanspruch zu gewähren, gibt dem Rechtsinhaber etwas, was er ohne den Rechtsverletzungsvorgang nicht gehabt hätte. Dies verstößt gegen das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot206. cid.) Schwächen

der rechtlichen

Begründung

der DSB

Oben wurde auf die Unverträglichkeiten und Brüche hingewiesen, die die DSB im Verhältnis zur schadensersatzrechtlichen Dogmatik mit sich bringt. Darüber hinaus ist aber auch festzustellen, daß die rechtliche Begründung der DSB erhebliche Schwächen aufweist, die die Uberzeugung von der Richtigkeit der erweiterten Schadensberechnung erschüttern. (1) Die Begründung der dritten (Herausgabe des Verletz ergewinns) Anwendung von $ 687 II BGB

Schadensherechnungsmethode im Wege einer analogen

In der Rechtsprechung wird der Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns teilweise durch einen Verweis auf § 687 II B G B begründet. Es handelt sich dabei nicht um eine unmittelbare Anwendung der Vorschriften über die sogenannte unechte Geschäftsführung ohne Auftrag oder Geschäftsanmaßung. Eine solche Anwendung würde voraussetzen, daß der Rechtsverletzer das fremde Recht wissentlich unbefugt genutzt hat. Diese Voraussetzung lag in den meisten Fällen der DSB, die die Gerichte zu entscheiden hatten, nicht vor. Es handelt sich vielmehr um eine analoge Anwendung der Vorschrift über die unechte GoA in Fällen, in denen der Eingreifer nicht wissentlich - zum Teil nicht einmal grobfahrlässig - gehandelt hat. Entsprechend ihrer Auffassung, daß es sich bei der DSB um Berechnungsmethoden des Schadens im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs handele, gewährt die Rechtsprechung den Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns im Rahmen der DSB bereits bei leichter Fahrlässigkeit auf Seiten des Verletzers. Ein Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns außerhalb des Anwendungsbereichs der DSB setzt voraus, daß die Tatbestandsvoraussetzungen des § 687 II B G B vorliegen. Ein 206 Sack, Die Lizenzanalogie im System des Immaterialgüterrechts, FS Hubmann, 395 f.; Schmidt-Salzer, Zur Technik der topischen Rechtsbildung: Angemessene Lizenzgebühr und Verletzergewinn als Grundlagen der Schadensberechnung, J R 1969, 81 ff. (89); B G H 30.9. 1963, B G H Z 40, 345 (348).

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Kapitel

V: Rechte an

Informationen

Gewinnherausgabeanspruch nach §§ 687 II, 681, 667 B G B erfordert, daß der Herausgabepflichtige ein fremdes Geschäft als sein eigenes behandelt, obwohl er weiß, daß er dazu nicht befugt ist. Die Vorschrift verlangt also in subjektiver Hinsicht die positive Kenntnis des Rechtsverletzers vom Umstand, daß er ein fremdes Geschäft eigennützig betreibt; grobfahrlässige Unkenntnis etwa reicht zur Anspruchsbegründung nicht aus. Dennoch meint die Rechtsprechung, über eine „rechtsähnliche" Anwendung des § 687 II B G B im Rahmen der D S B den Gewinnherausgabeanspruch bereits bei leichter Fahrlässigkeit des Rechtsverletzers begründen zu können. So führt der B G H aus: „... (Der Verletzte) kann 3. eine auf rechtsähnlicher Anwendung von §§ 687 Abs. 2, 667 B G B beruhende Forderung auf Herausgabe des Gewinns geltend machen, den der Verletzer seinerseits durch die rechtswidrige Patentnutzung erzielt hat" 207 . Die „rechtsähnliche" Anwendung des § 687 II B G B auf die Fallkonstellationen der D S B kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn die Voraussetzungen einer Analogie vorliegen. Zu einer die Grenzen von Wortlaut und Sinn der gesetzlichen Vorschriften übersteigenden Rechtsfortbildung durch das Mittel der Analogie ist der Richter dann ermächtigt, wenn das Gesetz lückenhaft ist 208 . Von dem Umstand allein, daß die Lösung eines bestimmten Sachverhalts, der dem Richter zur Entscheidung unterbreitet wurde, sich nicht offensichtlich aus dem Gesetz ergibt, kann nicht auf eine Lücke des Gesetzes geschlossen werden. Vielmehr ist von einer über den Analogieschluß zu schließenden Lücke nur dann zu sprechen, wenn das Gesetz eine planwidrige Unvollständigkeit aufweist 209 . Die Feststellung einer Lücke im Gesetz bedingt ein Werturteil. Grundlage der Entscheidung, ob ein Gesetz als Gesamtregelung (Regelungslücke) oder als

207 B G H 13.3.1962, G R U R 1962, 401 (402) (Kreuzbodenventilsäcke III); ebenso B G H 29.5.1962, G R U R 1962, 509 (511) (Dia-Rähmchen II); R G 13.10.1937, R G Z 156, 65 (67) (Scheidenspiegel); R G 15.11.1937, R G Z 156, 321 (326) (Braupfanne); R G 3.2.1909, R G Z 70, 249 (252); R G 7.3.1900, R G Z 46,14 (18); B G H 24.2.1961, G R U R 1961,354 (355) (Vitasulfal); im Schrifttum zust. z.B. Ulimann, Die Verschuldenshaftung und die Bereicherungshaftung des Verletzers im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberecht, G R U R 1978, 618; Loewenheim, Möglichkeiten der dreifachen Berechnung des Schadens im Recht gegen den unlauteren Wettbewerb, Z H R 135 (1971) 97ff. (121); Schmidt-Salzer, Zur Technik der topischen Rechtsbildung; Angemessene Lizenzgebühr und Verletzergewinn als Grundlagen der Schadensberechnung, J R 1969, 89; Assmann, Schadensersatz in mehrfacher Höhe des Schadens, B B 1985, 15 ff. (16); kritisch zur Herausgabe des Verletzergewinns Möhring, Einzelfragen der Schadensliquidation im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberecht, G R U R 1931,419 ff. (423); Kisch, Schadensersatz und Bereicherung, LZ 1927, 668 ff. (670 f.); Delahaye, Kernprobleme der Schadensberechnungsarten bei Schutzrechtsverletzungen, G R U R 1986, 217ff. (218); Lange, Schadensersatzrecht, 228; Antoni, Die Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung im gewerblichen Rechtsschutz, 31. 208 Siehe nur Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 354; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 24 f.; Engisch, Einführung in das juristische Denken, 138 ff. 209 Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 37; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 358.

§ 19 DSB und Eingriffskondiktion

bei den Immaterialgüterrechten

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einzelne Norm (Normlücke) lückenhaft ist, ist die immanente Teleologie und die Regelungsabsicht des Gesetzes (bzw. der Norm) selbst210. Ein grundlegendes Rechtsprinzip, das bei der Feststellung von Lücken Beachtung fordert, ist das verfassungsrechtlich in Art. 3 GG verankerte Gleichheitsgebot: Gesetze als allgemeine Regelungen können ihren Anspruch, „Recht" zu sein, nur aufrechterhalten, wenn sie Gleichartiges gleich und Ungleichartiges ungleich behandeln. Wenn also ein Gesetz einen Sachverhalt in einer bestimmten Weise regelt, einen anderen im wesentlichen gleichgelagerten Sachverhalt aber nicht regelt, so deutet das Fehlen einer Regelung auf eine Lücke hin. Diese Lücke kann vom Rechtsanwender dadurch geschlossen werden, daß er die Rechtsfolge, die für den erstgenannten Sachverhalt vorgesehen ist, auf den nicht geregelten Sachverhalt überträgt, weil dieser dem geregelten derart ähnlich ist, daß hinsichtlich der Rechtsfolge eine Gleichbehandlung beider Sachverhalte geboten erscheint. Der Anspruch auf Herausgabe des durch den unechten Geschäftsführer Erlangten nach §§ 687 II, 681,667 BGB setzt voraus, daß der Rechtsverletzer ein (objektiv) fremdes Geschäft als sein eigenes behandelt, obwohl er weiß, daß er dazu nicht befugt ist. Fraglich ist, ob sich aus dem Umstand, daß der Fall, daß jemand ein fremdes Geschäft tätigt, ohne zu wissen, daß er dazu nicht befugt ist, nicht geregelt ist, eine Gesetzeslücke ergibt, die durch eine analoge Anwendung des § 687 II BGB zu schließen ist. Diese Frage ist eindeutig zu verneinen. § 687 II BGB überträgt die Herausgabepflicht des (rechtsgeschäftlich eingesetzten) Geschäftsführers aus dem Auftragsverhältnis ( § 667 BGB) deshalb auf den eigennützig einen fremden Geschäftskreis Verletzenden, weil dieser weiß, daß er unbefugt fremdes Recht in Anspruch nimmt und dies trotz seines Wissens tut. Bei dem Anspruch auf Gewinnherausgabe nach § 687 II BGB handelt es sich um eine sehr scharfe zivilrechtliche Sanktion, die dazu dienen soll, Rechtssubjekte davon abzuschrecken, zu eigennützigen Zwecken fremdes Recht unbefugt in Anspruch zu nehmen. Diese scharfe Sanktion zieht ihre Rechtfertigung nun gerade daraus, daß sie (nur) den wissentlichen Eingreifer abschrecken soll. Handelt jemand im fremden Rechtskreis, ohne den Umstand der Fremdheit zu kennen, so unterscheidet sich dieser Sachverhalt in so erheblicher Weise von dem des § 687 II BGB, daß eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf das Handeln einer Person, die nicht weiß, daß sie ein fremdes Recht nutzt, nicht in Betracht kommt und zwar auch dann nicht, wenn diese Unkenntnis des Handelnden ihm den Vorwurf der Fahrlässigkeit einträgt. Dieser Befund wird bestätigt durch die Regelung des § 6871 BGB. Danach finden die Vorschriften über die GoA keine Anwendung, wenn jemand ein fremdes Geschäft in der Meinung besorgt, es sei sein eigenes211.

Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 359. Siehe im Überblick MüKo(-Seiler), § 687, Rz. 4ff.; Erman(-Ebmann), Esser/Weyers, SchR II BT, § 46 IV 1. 210

211

§687, Rz. 2;

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Kapitel V: Rechte an

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Eine analoge Anwendung des Anspruchs auf Gewinnherausgabe wegen Geschäftsanmaßung nach §§ 687 II, 681,667 BGB auf Fälle nicht-wissentlicher Führung eines fremden Geschäfts ist also nicht statthaft.

(2) Gewohnheitsrechtliche Geltung der zweiten und dritten Schadensberechnungsmethode In Rechtsprechung und Literatur wird häufig zur Begründung der DSB auf die gewohnheitsrechtliche Geltung der Ansprüche auf eine angemessene Lizenzgebühr und die Herausgabe des Verletzergewinns verwiesen. Es handelt sich bei der DSB um einen Rechtsschutz besonderer Art, den die höchstrichterliche Rechtsprechung in ihren Entscheidungen entwickelt und an dessen Geltung und Richtigkeit sie bis heute festgehalten hat. Wenn auch Gerichtsentscheidungen als solche keine normative Kraft haben, sondern - insbesondere als höchstrichterliche Urteile - dadurch Wirkung entfalten, daß sie faktisch von den unteren Gerichten beachtet werden und ihnen eine Rechtsquelleneigenschaft zuerkannt wird, können höchstrichterliche Entscheidungen, die über einen längeren Zeitraum einen einmal gefundenen Rechtssatz immer wieder bestätigen, gesetzesgleiche Verbindlichkeit erlangen, die zu Gewohnheitsrecht wird 212 . Die Gewährung der Lizenzanalogie und des Anspruchs auf den Verletzergewinn stellt eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung dar 213 , die durch die Rechtsprechung entwickelt wurde. Materiell begründet wird diese Rechtsfortbildung praeter legem vor allem mit Billigkeitserwägungen und dem Argument, daß durch die besonders leichte Verletzbarkeit der Immaterialgüterrechte und die Schwierigkeiten für den Rechtsinhaber bei der Feststellung und dem Nachweis des Schadens ein besonderes Schutzbedürfnis gegeben sei. Hinzu komme, daß sonst viele Rechtsverletzungen in dem Bereich der Immaterialgüter nicht mehr sanktioniert würden. Ganz ohne Ironie verweist ein Teil des Schrifttums angesichts der oben aufgezeigten Schwächen der Analogie zu § 687 II BGB für die Herausgabe des Verletzergewinns im Rahmen der DSB darauf, daß solche Begründungsschwierigkeiten vermieden werden könnten, wenn man die Berechnungsart der Herausgabe des Gewinns einfach auf Gewohnheitsrecht stütze 214 . Dieser Ausweg erscheint denn doch als etwas zu schlicht: Es müßte im Hinblick auf den Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinnes erklärt werden, wie aus einer falschen Analogie zu § 687 II BGB richtiges Gewohnheitsrecht werden kann. Gewohnheitsrecht gewinnt seine Qualität als Recht dadurch, daß die tatsächli-

212

Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 425. Siehe zu Voraussetzungen und Grenzen dieser Art der Fortbildung Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 402ff. (insbesondere: 417ff.). 214 Delahaye, Kernprobleme der Schadensberechnungsarten bei Schutzrechtsverletzungen, G R U R 1986,218. 213

§ 19 DSB und Eingriffskondiktion

bei den

Immaterialgüterrechten

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che Übung von der Überzeugung getragen wird, daß es sich dabei um Recht handelt 215 . Eine solche Überzeugung - selbst wenn sie besteht - ist aber dann unbeachtlich, wenn sie eine Übung trägt, die gegen positives Recht verstößt. Allerdings beschränkt sich die Heranziehung des Gewohnheitsrechts-Arguments nicht auf den Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinnes, sondern wird auch auf den Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr herangezogen 2 1 6 . Zur dogmatischen Begründung der D S B im Wege über richterrechtlich entwickeltes Gewohnheitsrecht ist folgendes anzumerken: Bei der D S B handelt es sich um eine richterliche Rechtsfortbildung praeter legem und zumindest partiell (im Hinblick auf den Verletzergewinn) contra legem. Die Bindung des Richters an Recht und Gesetz nach Art. 20 G G setzt der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung Grenzen. Die Bindung des Richters an das von einem demokratisch legitimierten Gesetzgeber geschaffene positive Recht erlaubt es ihm nicht, die Anwendung der Rechtssätze von Billigkeitserwägungen, Argumenten rechtspolitischer Natur und ähnlichen Überlegungen abhängig zu machen 2 1 7 . Eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung ist nur unter engen Voraussetzungen statthaft: etwa dann, wenn das Gesetzesrecht nicht mehr mit höherrangigem Verfassungsrecht oder grundlegenden Rechtsprinzipien in Übereinstimmung steht. So hat das BVerfG die Entscheidung der Zivilgerichte, bei schweren Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dem Verletzten entgegen §§ 253, 847 I B G B einen Schmerzensgeldanspruch zu gewähren, mit folgenden Erwägungen gerechtfertigt: „Gegenüber den positiven Satzungen der Staatsgewalt kann u.U. ein Mehr an Recht bestehen, das seine Quellen in der verfassungsmäßigen Rechtsordnung als einem Sinnganzen besitzt und dem geschriebenen Gesetz gegenüber als Korrektiv zu wirken vermag;... richterliche Tätigkeit besteht nicht nur im Erkennen und Aussprechen von Entscheidungen des Gesetzgebers. Die Aufgabe der Rechtsprechung kann es insbesondere erfordern, Wertvorstellungen, die der verfassungsmäßigen Rechtsordnung immanent, aber in den Texten der geschriebenen Gesetze nicht oder nur unvollkom215 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 345; Engisch, Einführung in das juristische Denken, 44. 2 1 6 B G H 8.5.1956, B G H Z 20, 345 (353) (Paul Dahlke); B G H 14.2.1958, B G H Z 26, 349 (352) (Herrenreiter); B G H 17.5.1960, G R U R 1960, 545 (556) (Handstrickverfahren); B G H 8.10.1971, B G H Z 57, 116 (117ff.) (Wandsteckdose II); B G H 10.3.1972, G R U R 1973, 379 (Doppelte Tarifgebühr); B G H 6.3.1980, B G H Z 77, 16 (25 f.) (Tolbutamid). Im Schrifttum: Th. Fischer, Schadensberechnung im gewerblichen Rechtsschutz, Urheberrecht und unlauteren Wettbewerb, 15; Benkard(-Rogge), PatG, § 139, Rz. 63; Steindorff, Abstrakte und konkrete Schadensberechnung, AcP 158 (1959/60), 431 ff. (451 ff.); Lange, Schadensersatz, 227; UWG-Großkommentar(-Köhler), Vor § 13, Rz. 321; kritisch dazu aber Lutz, Die erweiterte Schadensberechnung, 36 ff.; Sack, Die Lizenzanalogie im System des Immaterialgüterrechts, FS Hubmann, 373 (393). 2 1 7 Siehe dazu beispielhaft B G H 27.3.1968, B G H Z 50, 45 (51): „Rechtspolitische Erwägungen befreien aber den Richter nicht von seiner Verpflichtung, das geltende Recht anzuwenden".

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Kapitel V: Rechte an

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men zum Ausdruck gelangt sind, in einem Akt bewertenden Erkennens, dem auch willenhafte Elemente nicht fehlen, ans Licht zu bringen und in Entscheidungen zu realisieren. Der Richter muß sich dabei von Willkür freihalten; seine Entscheidung muß auf rationale Argumentation beruhen. Es muß einsichtig gemacht werden können, daß das geschriebene Gesetz seine Funktion, ein Rechtsproblem gerecht zu lösen, nicht erfüllt. Die richterliche Entscheidung schließt dann diese Lücke nach den Maßstäben der praktischen Vernunft und den „fundierten allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft (,..)" 2 1 8 . E i n e für die richterliche Rechtsfortbildung erforderliche Voraussetzung, nämlich eine Regelungslücke im gegebenen Normenbestand, ist auch hier zweifelhaft. Seit der Kunststoffhohlprofil ¡ - E n t s c h e i d u n g 2 1 9 des B G H ist nämlich anerkannt, daß die Eingriffskondiktion auch bei Verletzungen von I m materialgüterrechten anwendbar ist, dem Kernbereich der Anwendbarkeit der D S B . D i e Eingriffskondiktion ermöglicht es nun, die gewünschte Rechtsfolge, nämlich den Anspruch des Verletzten gegen den Verletzer auf Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr durch Anwendung der §§ 812, 818 II B G B herbeizuführen. Eines Rückgriffs auf eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung bedarf es für die Lizenzanalogie jedenfalls in den Bereichen nicht, in denen es u m die Verletzung von Rechten geht, die ein Zuweisungsgehalt besitzen und die daher in den Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion nach § 812 I 1 , 2 . Alt. B G B fallen. D i e Berufung auf Billigkeitserwägungen und die erhöhte Schutzbedürftigkeit bestimmter Rechtspositionen, die als besonders verletzlich angesehen werden, reicht unter diesen Umständen nicht aus, die Abweichung vom geschriebenen Recht, die die D S B mit sich bringt, im Rahmen der anerkannten richterlichen Befugnisse zur Rechtsfortbildung zu rechtfertigen. D a r ü b e r hinaus wird im Schrifttum auch darauf aufmerksam gemacht, daß Gegenstand der Rechtsfortbildung eine Rechtsregel sei; eine bloße rechtliche Konstruktion, wie die dogmatische Einordnung der Lizenzanalogie in das Schadensersatzrecht oder das Bereicherungsrecht könne hingegen keine gewohnheitsrechtliche Geltung beanspruchen 2 2 0 . Insgesamt ist festzustellen, daß die dogmatischen und systematischen Schwierigkeiten, zu denen die D S B führt, ebenso wie die Defizite der Begründung dieser besonderen Art des Schadensersatzes, es nahelegen, auf die D S B jedenfalls bei der Verletzung solcher Rechte zu verzichten, die in den Schutzbereich der Eingriffskondiktion nach § 812 I 1, 2. Alt. B G B fallen. A b e r auch im H i n b l i c k auf die Anwendung der D S B bei Verletzung von Rechtspositionen, die eingriffsbereicherungsrechtlich nicht geschützt sind, bestehen erhebliche Bedenken. So bedarf das Argument, daß die in Frage stehenden Rechtspositionen besonders verletzlich seien, so daß sie eines Schutzes bedürften, der nur jenseits der gesetzlichen Regelungen - mit Ausnahme von 218 219 220

BVerfG 14.2.1973, BVerfGE 34, 269 ff. (287). BGH 30.11.1976, BGHZ 68, 90ff. Sack, Die Lizenzanalogie im System des Immaterialgüterrechts, FS Hubmann, 393 f.

§ 19 DSB und Eingriffskondiktion

bei den

Immaterialgüterrechten

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§§ 97 I 2 U r h G , 14a Satz 2 G e s c h m M G - erreichbar ist, der kritischen und gründlichen Uberprüfung. Immerhin steht dem Verletzten der Anspruch auf entgangenen Gewinn nach § 252 B G B mit entsprechenden Beweiserleichterungen gemäß § 287 Z P O sowie auch der Unterlassungsanspruch zur Verhinderung künftiger Rechtsverletzungen zu Gebote. In den bereits genannten §§ 97 I 2 des U r h G und 14a Satz 2 des G e s c h m M G hat der Gesetzgeber nunmehr den zuvor nur durch die Rechtsprechung auf schadensersatzrechtlicher Grundlage gewährten Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns in das geschriebene Recht übernommen. In den anderen Immaterialgütergesetzen ist dies nicht geschehen. Darüber hinaus zeigt die Kollektion-Holiday-Entscheidung 2 2 1 des B G H sehr deutlich die Konsequenzen auf, zu denen ein solcher „gesetzesfreier" Rechtsschutz führen kann: Die Anwendung der D S B auf alle nur durch Verhaltensnormen des U W G geschützten Interessen der Konkurrenten verschiebt eindeutig die Trennungslinie, die der Gesetzgeber zwischen der Handlungsfreiheit des Gewerbetreibenden und den rechtlich gegen Zugriff Dritter absolut geschützten Interessensphären gezogen hat. Eine Rechtsordnung, die den Rahmen für eine wettbewerblich strukturierte Marktwirtschaft bildet, kann nicht dem einzelnen Marktteilnehmer eine feste Marktposition im Sinne eines absolut geschützten subjektiven Rechts zuweisen 2 2 2 ; eine solche Zuweisung würde die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs beseitigen. Die Marktpositionen von Gewerbetreibenden werden in einer Wettbewerbswirtschaft nicht durch die Zuordnung absoluter subjektiver Rechte (und den Handel damit), sondern durch den Kampf der Wettbewerber immer neu verteilt. N u r so lassen sich die positiven allokatorischen Wirkungen des Wettbewerbs erreichen. Es erscheint nicht angängig, diese Trennungslinie in das Belieben richterlicher Entscheidung zu stellen. Im Ergebnis ist daher festzustellen, daß die D S B trotz des langen Festhaltens daran durch Rechtsprechung und Schrifttum dogmatisch nicht zum Schadensrecht paßt, systematisch das Anspruchssystem des außervertraglichen Schuldrechts mit seinen sorgfältig ausdifferenzierten Anspruchsvoraussetzungen der einzelnen Rechtsinstitute sprengt und rechtsmethodisch nicht begründbar ist.

III. Der Wandel der Rechtsprechung: Durchhruch der Eingriffskondiktion im Bereich der Immaterialgüterrechte Wie oben bereits ausführlich dargestellt, hatte die Rechtsprechung die A n wendung der Eingriffskondiktion für den gesamten Bereich der Immaterialgüterrechte mit Ausnahme des Urheberrechts ausgeschlossen. Die Gründe für B G H 22.4.1993, B G H Z 122, 262ff. Mestmäcker, Eingriffserwerb und Rechtsverletzung in der ungerechtfertigten Bereicherung , J Z 1958, 521 ff. (526). 221 222

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Kapitel V: Rechte an

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diesen Ausschluß lagen vor allem in der Annahme, die Ausgleichsansprüche für Immaterialgüterrechtsverletzungen seien in den entsprechenden Gesetzen abschließend geregelt. Daneben mangele es bei Verletzungen solcher Rechte an einer Vermögensverschiebung, die nach der zunächst geltenden Bereicherungslehre als Voraussetzung des Bereicherungsanspruchs galt. Diese Hindernisse standen einer Anwendung des Bereicherungsanspruchs im Immaterialgüterrecht entgegen. Erst als sie beseitigt waren, konnte der Anspruch aus Eingriffskondiktion auf die Gebiete ausgedehnt werden, in denen der rechtswidrige Eingriff in das fremde Recht nicht zu einer Vermögensverschiebung führte. Das Hindernis der fehlenden Vermögensverschiebung wurde dadurch überwunden, daß die Zuweisungsgehaltstheorie für die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion auf die unbefugte Nutzung von Immaterialgüterrechten und anderen absolut gegen den Zugriff Dritter geschützter Rechtspositionen die dogmatische Grundlage schuf 223 . Dadurch wurde es möglich, auf das Erfordernis des Schadens im Kondizientenvermögen sowie auf das Vorliegen einer unmittelbaren Vermögensverschiebung zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals „auf dessen Kosten" in § 8 1 2 1 1 BGB im Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion zu verzichten. Die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion deutete sich zunächst bei der unbefugten Nutzung fremder Photos von Personen, also der Verletzung des Rechts am eigenen Bild an. Eher beiläufig und mit Verweis auf die Anwendbarkeit der Eingriffsbereicherung bei Urheberrechten ließ der B G H in der Paul-Dahlke-Entscheidung die Eingriffskondiktion auch bei der Verletzung des Rechts am eigenen Bild durch dessen unbefugte Verwendung für Werbezwecke zu 224 . Das Gericht begründet den Bereicherungsanspruch und insbesondere das Tatbestandsmerkmal „auf dessen Kosten" - damit, daß die Beklagte das Bildnis des Klägers ohne dessen Einwilligung in ihrer Werbung genutzt habe und sich dadurch die Zahlung der in Künstlerkreisen für eine solche Bildnutzung üblichen Lizenzgebühr erspart habe. Das Gericht verzichtet hier - wie auch in seinen darauf folgenden Entscheidungen - darauf, die Gewährung des Bereicherungsanspruchs unter Hinweis auf eine bestimmte, in der Literatur entwickelte dogmatische Grundlage - also Rechtswidrigkeit oder Zuweisungsgehalt der unbefugt in Anspruch genommenen Position - zu begründen. Deutlich wird aber, daß jedenfalls die Vermögensverschiebungstheorie aufgegeben wird, denn der B G H führt aus: „Der Bereicherungsanspruch soll nicht eine Vermögensminderung im Vermögen des Benachteiligten, sondern einen grundlosen Vermögenszuwachs im Vermögen des Bereicherten ausgleichen225. 223 Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 27 ff.; v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte H a n d l u n g , FS Rabel 1,352 ff.; Mestmäcker, Eingriffserwerb und Rechtsverletzung in der ungerechtfertigten Bereicherung, J Z 1958, 521 ff. 224 B G H 8.5.1956, B G H Z 20, 345ff. (354f.). 225 B G H 8.5.1956, B G H Z 20, 355.

^ 19 DSB und Eingriffskondiktion

bei den

Immaterialgüterrechten

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Das zweite Hindernis, nämlich die Ausschlußwirkung der immaterialgüterrechtlichen Entschädigungsregelungen, die vom RG begründet und vom B G H übernommen worden war, wurde schließlich durch den B G H in der Kunststoffhohlprofil I-Entscheidung beseitigt 226 . Das Gericht zeigt sich nicht unbeeindruckt von der Kritik an dieser Ausschlußwirkung, die von einem großen Teil des Schrifttums geübt wurde. Im übrigen stellt das Gericht in seiner insoweit sorgfältig begründeten Entscheidung dar, daß die Eingriffskondiktion weder aus systematischen noch aus dogmatischen Gründen durch die Schadensersatzregelungen in den Immaterialgütergesetzen (in casu: Gebrauchsmustergesetz) ausgeschlossen ist. Damit war der Anspruch aus Eingriffsbereicherung auch bei schuldloser Verletzung eines Immaterialgüterrechts zugelassen. Zum Umfang der Bereicherungshaftung bei Verletzung von Patent- und Gebrauchsmusterrecht hat der B G H dann fünf Jahre später in der Kunststoffhohlprofil Ii-Entscheidung Stellung genommen 227 . Damit war die Bresche für den eingriffsbereicherungsrechtlichen Schutz bei unbefugter Nutzung immaterialgüterrechtlicher und sonstiger absolut geschützter Rechtspositionen geschlagen. Wie weit dieser Schutz im einzelnen geht, anhand welcher Kriterien er abzugrenzen und zu welchen Ergebnissen die Anwendung dieser Kriterien führt, ist bis heute zwischen den bestehenden Lehrmeinungen umstritten. Die Rechtsprechung hat sich zunächst pragmatisch an den Erfordernissen des einzelnen, zu entscheidenden Falles orientiert und sich einer klaren Stellungnahme für oder gegen eine der dogmatischen Grundlegungen der Eingriffskondiktion enthalten. Die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion auf dem Gebiete des Urheber- und Geschmacksmusterrechts war bereits durch die Rechtsprechung des Reichsgerichts anerkannt worden. Der B G H dehnte die Anwendbarkeit dieser Art der Kondiktion - wie bereits ausgeführt - auf das Recht am eigenen Bild und das Patent- und Gebrauchsmusterrecht aus. Dabei blieb die Rechtsprechung jedoch nicht stehen. Zehn Jahre nach der bahnbrechenden Kunststoffhohlprofil I-Entscheidung ließ der B G H die Haftung aus Eingriffskondiktion auch bei unbefugter Inanspruchnahme eines fremden Warenzeichens zu 228 . Damit hatte das Gericht eine Frage entschieden, die in dem Teil des Schrifttums, das der Lehre von der vom Zuweisungsgehalt der Rechte folgte, außerordentlich umstritten war 2 2 9 . Allerdings hat der B G H auch Grenzen des Zuweisungsgehalts gezogen. So hat das Gericht eine Anwendung des § 812 1 1 , 2 . Alt. BGB bei der Fallgruppe BGH 30.11.1976, BGHZ 68, 90 ff. (Kunststoffhohlprofil I). BGH 24.11.1981, BGHZ 82, 299 ff. 228 BGH 18.12.1986, BGHZ 99, 244 (Chanel No. 5). 229 Gegen den bereicherungsrechtlichen Schutz des Warenzeichens äußerten sich etwa Mestmäcker, Eingriffserwerb und Rechtsverletzung in der ungerechtfertigten Bereicherung, JZ 1958, 525; Raiser, Der Stand der Lehre vom subjektiven Recht im Deutschen Zivilrecht, JZ 1961, 468; für den Schutz des Warenzeichens trat bereits Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 40 ff. ein. 226 227

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Kapitel

V: Rechte an

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der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung sowie bei Gegenständen ausgeschlossen, an denen der Verletzte kein Ausschließlichkeitsrecht besaß. Schließlich ist anzumerken, daß das Gericht sich nach anfänglichem Schwanken letztlich doch der Zuweisungsgehaltslehre als der dogmatischen Grundlage des Rechts der Eingriffskondiktion angeschlossen und dies auch offen ausgesprochen hat 2 3 0 . „Rechtlicher Anknüpfungspunkt für die Bereicherungshaftung bei Schutzrechtsverletzungen ist - wie bei allen Eingriffskondiktionen - die von der Rechtsordnung mißbilligte Verletzung einer solchen Rechtsposition, die nach dem Willen der Rechtsordnung einem Berechtigten zu dessen ausschließlicher Verfügung zugewiesen ist.... Nach dem Grundsatz der Güterzuweisung soll der Verletzer das herausgeben, was er durch rechtswidrigen Einbruch in eine fremde geschützte Rechtssphäre erzielt hat231. Dieser Auszug aus den Entscheidungsgründen macht trotz der etwas unglücklichen Formulierung vom „Grundsatz der Güterzuweisung" (die Güterzuweisung ist kein Grundsatz, sondern eine durch gesetzliche oder - im Ausnahmefall - richterrechtliche N o r m vorgenommene Zuordnung absoluter subjektiver Rechte über bestimmte Gegenstände) bereits deutlich, daß der B G H nunmehr auf die Güterzuordnung als dem grundlegenden Kriterium für die Gewährung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion abstellt. N o c h deutlicher stellt sich der B G H in der Forschungskosten-Entscheidung auf den Boden der Zuweisungsgehaltslehre, indem er ausführt: „Ein Bereicherungsausgleich über die Eingriffskondiktion findet nur statt, wenn der Schuldner sich eine geschützte Rechtsposition des Gläubigers zu eigen macht, deren Nutzen ihm ohne die Gestattung des Rechtsinhabers in rechtmäßiger Weise nicht zukäme. Im Immaterialgüterrecht wird ein Bereicherungsausgleich gewährt, wenn in den Zuweisungsgehalt eines Rechtsguts eingegriffen wird, dessen wirtschaftliche Verwertung dem Gläubiger vorbehalten ist (...). Rechtlicher Anknüpfungspunkt der Bereicherungshaftung „in sonstiger Weise" ist dabei die Verletzung einer solchen Rechtsposition, die nach dem Willen der Rechtsordnung dem Berechtigten zu dessen ausschließlicher Verfügung und Verwertung zugewiesen ist (...). Eine Bereicherungshaftung „in sonstiger Weise" setzt nur ein, wenn der erlangte Vermögensvorteil dem Zuweisungsgehalt des verletzten Rechtsguts widerspricht" 232 . D e r B G H schließt dementsprechend bloße Erwerbschancen, die nicht durch absolute subjektive Rechte geschützt sind, von dem Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion aus. Uber die Reichweite der Eingriffskondiktion, d. h. über den Kreis der Rechtsgüter, denen Zuweisungsgehalt zukommt, besteht innerhalb der Zuweisungsgehaltslehre keine Einigkeit. Die Meinungsunterschiede betreffen nicht diejenigen Rechtspositionen des Sachen- und Immaterialgüterrechts, die durch absolute 2 3 0 Als Beispiel sei auf die Entscheidungen des B G H vom 24.11.1981, B G H Z 82,299 (306) (Kunststoffhohlprofil II) und vom 9.3.1989, B G H Z 107,117 (120) (Forschungskosten) hingewiesen. 231 B G H 24.11.1981, B G H Z 82, 306. 232 B G H 9.3.1989, B G H Z 107, 120.

5 19 DSB und Eingriffskondiktion

bei den

Immaterialgüterrechten

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subjektive Rechte geschützt sind, sondern Rechtspositionen, bei denen ein solcher Schutz zumindest zweifelhaft ist. Die Rechtswidrigkeitslehre, die in unterschiedlichen Varianten immer noch vertreten wird, führt zu einem tendenziell weiteren Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion, weil es bei ihr in erster Linie auf den Umstand der Rechtsverletzung ankommt. Im folgenden sollen Umfang und Grenzen des Zuweisungsgehalts der Immaterialgüterrechte sowie die Entwicklung ihres bereicherungsrechtlichen Schutzes in Rechtsprechung und Schrifttum dargestellt werden.

§ 20 D e r Zuweisungsgehalt des Urheberrechts Seit langem anerkannt ist in Rechtsprechung und Literatur die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion auf den Gebieten von Urheber- und Geschmacksmusterrecht.

I. Gesetzliche

Grundlagen

und Gegenstand

des

Urheberrechts

In Rechtsprechung und Schrifttum ist heute unbestritten, daß das Urheberrecht durch das Rechtsinstitut der Eingriffskondiktion geschützt ist 1 . Folgt man - wie diese Untersuchung es tut - der Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte, so stellt sich über die Feststellung hinaus, daß das Urheberrecht einen Zuweisungsgehalt besitzt, die Frage, welchen Inhalt und welche Grenzen dieser Zuweisungsgehalt aufweist.

1. Der Gegenstand des

Urheberrechts

Das Urheberrecht regelt als Bestandteil des objektiven Rechts die Rechtsverhältnisse an bestimmten kulturellen und wissenschaftlichen Schöpfungen; als subjektives Recht ordnet das Urheberrecht dem Erzeuger eines kulturellen oder wissenschaftlichen Werkes die Befugnis zur Verwertung des geschützten Werkes exklusiv zu und schließt damit alle anderen Rechtssubjekte, die nicht Inhaber des Urheberrechts sind, von der - durch den Rechtsinhaber nicht konsentierten - Nutzung des Werkes aus. Die Interessen an der Verwendung der Ergebnisse geistigen Schaffens sind vielfältig; es ist die Aufgabe des Urheberrechts, zwischen den miteinander in Konflikt stehenden Belangen von Urhebern, Interessenten an der Nutzung des Werkes (z. B. Wissenschaftler, die auf den Gedanken anderer aufbauen) und der Allgemeinheit an einem möglichst reichen Kulturleben mit einer Vielzahl un1 Für die Zuweisungsgehaltslehre siehe z. B. Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 560; Scbricker {-Wild), Urheberrecht, § 97, Rz. 86; Mestmäcker, Eingriffserwerb und Rechtsverletzung in der ungerechtfertigten Bereicherung, J Z 1958, 524; Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 40 ff.; v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel I, 354; Rehbinder, Urheberrecht, 356 f. Für die Rechtswidrigkeitslehre: Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung, 72 ff.; Schulz, System der Rechte auf den Eingriffserwerb, AcP 105 (1909), 152 ff.; Gieseke, Zur Bereicherungshaftung bei Urheberrechtsverletzungen, G R U R 1958,17 ff.; Mestmäcker/Schulze, Urheberrechtskommentar, § 97, Anm. 4.

$ 20 Der Zuweisungsgehalt des

Urheberrechts

657

terschiedlicher Werke auf den verschiedensten Gebieten der geistigen Betätigung und der möglichst unbehinderten Teilnahme daran einen möglichst gerechten Ausgleich zu finden. Die Interessen des Urhebers selbst, die dabei naturgemäß im Vordergrund stehen, sind mehrdimensional. Sie umfassen einerseits persönlichkeitsrechtliche und andererseits immaterialgüterrechtliche, also vermögensorientierte Beziehungen des Urhebers zu seinem Werk. Die in § 2 UrhG beispielhaft und nicht abschließend beschriebenen Arten von Werken stellen - in ökonomischer Sicht - öffentliche Güter dar: Es handelt sich um Informationen, die sich insoweit als Gegenstand rechtlicher Regelung eignen, als sie verkörpert sind, und an denen nicht notwendig Konsumrivalität besteht. Diese Informationen besitzen die Eigenschaft der Ubiquität: Dieselbe Information kann zur selben Zeit an verschiedenen Orten von verschiedenen Menschen genutzt werden, ohne daß die Nutzung durch eine Person die Nutzung durch andere Personen beeinträchtigt, die Information verbraucht oder sonst verschlechtert. In der Regel ist die Schaffung des Werkes für den Urheber mit Mühen und Kosten verbunden. Die Allgemeinheit, die an der Vielfalt des Kulturschaffens interessiert ist, kann nur dann erwarten, daß die Schöpfer geistiger Werke diese der Öffentlichkeit (etwa durch Publikation) zur Verfügung stellen, wenn sie die Möglichkeit erhalten, über die wirtschaftliche Verwertung die Kosten (oder einen Teil davon) zu erwirtschaften. Das sachliche Substrat, das durch das Urheberrecht geschützt wird, ist das Werk. Unter dem Begriff des Werkes versteht das Urhebergesetz, wie sein § 1 zeigt, Schöpfungen auf den Gebieten von Literatur, Wissenschaft und Kunst. § 2 UrhG zählt eine Reihe von Beispielen von Geistesschöpfungen auf, die zu den nach dem Urhebergesetz geschützten Werken gehören. Dazu zählen Sprachwerke (Bücher, Aufsätze, Theaterstücke), Musikwerke, pantomimische und Tanzwerke, Werke der bildenden Kunst einschließlich der Baukunst, Lichtbildwerke, Filmwerke sowie Zeichnungen, Pläne etc. wissenschaftlicher und technischer Art. Zu den Sprachwerken zählt das Urhebergesetz nach § 2 I Nr. 1 UrhG auch Computerprogramme.

2. Urheberpersönlichkeitsrecht und Immaterialgüterrecht

urheberrechtliches

Wie bereits oben angedeutet, besitzt das Urheberrecht eine doppelgesichtige Rechtsnatur: In seiner vermögensrechtlichen Eigenschaft gehört es zu den Immaterialgüterrechten; andererseits schützt es aber auch die ideellen Beziehungen des Urhebers zu seinem Werk. Diese Beziehungen werden von der immaterialgüterrechtlichen Seite des Urheberrechts nicht erfaßt; sie bilden gemäß § 11 UrhG den Gegenstand des Urheberpersönlichkeitsrechts. Das Urheberpersönlichkeitsrecht, das in der Entwicklung des Urheberrechts, so wie es heute besteht, eine wichtige Rolle gespielt hat, trägt dem Umstand Rechnung, daß sich das rechtlich schützenswerte Interesse des Urhebers an

658

Kapitel

V: Rechte an

Informationen

seiner geistigen Schöpfung nicht allein in der ökonomischen Verwertung des Werkes zum Z w e c k e der Erzielung von Einkünften erschöpft. D e r U r h e b e r muß auch in seinen ideellen Interessen an seinem Werk und hinsichtlich der Wirkungen, die er mit dem Werk erzielen will, geschützt werden. Diese Belange werden durch § § 1 1 ff. U r h G gewahrt. Dabei sieht § 11 U r h G das Anliegen des Urheberpersönlichkeitsrechts im Schutz des Urhebers in seiner geistigen und persönlichen Beziehung zum Werk und in der N u t z u n g des Werkes. Einzelne Ausflüsse des Urheberpersönlichkeitsrechts werden durch das Urhebergesetz näher geregelt. So behält § 12 U r h G dem U r h e b e r das alleinige Recht zur Veröffentlichung seines Werkes vor. G e m ä ß § 13 U r h G steht dem U r h e b e r das Recht auf die Anerkennung seiner Urheberschaft zu. Darüber hinaus kann der U r h e b e r darüber entscheiden, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen und welche Bezeichnung dabei zu verwenden ist. § 13 U r h G regelt damit unterschiedliche Facetten des Urheberpersönlichkeitsrechts: Die wesentliche Bedeutung des § 13 S. 1 U r h G liegt darin, daß damit dem U r h e b e r ein Mittel in die H a n d gegeben wird, um Angriffe auf seine Urheberschaft abzuwehren. Ein wichtiger Beispielsfall des Bestreitens der Urheberschaft ist etwa das Plagiat. § 13 S. 2 U r h G stellt es in das Ermessen des Urhebers zu entscheiden, ob er überhaupt als U r h e b e r des Werkes in der Öffentlichkeit genannt werden will und wie die Bezeichnung des Urhebers zu lauten hat ( z . B . mit dem wirklichen N a m e n des Urhebers oder einem Künstlernamen). D a das Werk des Urhebers auch immer seine Persönlichkeit widerspiegelt (wenn auch - je nach der Art des Werkes - auf unterschiedlich intensive Weise) liegt in einer Entstellung des Werkes eine besonders schwere Verletzung seiner urheberpersönlichkeitsrechtlichen Belange. D a h e r gewährt § 14 U r h G dem U r h e b e r das Recht, eine Entstellung oder andere Beeinträchtigungen seines Werkes zu verbieten, die geeignet sind, seine berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden. Z u m Urheberpersönlichkeitsrecht wird auch das R e c h t des Urhebers auf Zugang zu seinem Werk gemäß § 25 I U r h G gerechnet. Dieses R e c h t wird etwa praktisch zugunsten des Architekten, der den Zugang zu einem nach seinen Plänen gebauten Haus verlangen kann, um dort Photoaufnahmen herzustellen 2 . Das Urheberpersönlichkeitsrecht bildet zusammen mit dem auf die wirtschaftlichen Interessen des Urhebers gerichteten Immaterialgüterrecht, das in den Verwertungsrechten des Urhebers konkretisiert ist, nach der heute herrschenden monistischen T h e o r i e einen Teil des einheitlichen Urheberrechts. Diese Auffassung geht - anders als die früher vertretene dualistische T h e o r i e davon aus, daß beim Urheberrecht persönlichkeitsrechtliche und immaterialgüterrechtliche Aspekte untrennbar miteinander verklammert sind. Das Urheberpersönlichkeitsrecht ist ein echtes Persönlichkeitsrecht und weist daher enge Verbindungen mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht auf. Es ist mit diesem oder einem besonderen Persönlichkeitsrecht jedoch nicht 2

Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 221.

$ 20 Der Zuweisungsgehalt

des

Urheberrechts

659

identisch, weil es einerseits durch die Beschränkung auf die Beziehungen des Urhebers zu seinem Werk enger ist als das allgemeine Persönlichkeitsrecht, andererseits jedoch durch den Schutz nicht nur persönlichkeitsbezogener, sondern auch geistiger Interessen des Urhebers weiter gezogen ist als das allgemeine Persönlichkeitsrecht 3 . Die hier knapp skizzierten urheberpersönlichkeitsrechtlichen Ansprüche der §§ 11-14 U r h G dienen der Wahrung der ideellen Interessen des Urhebers an seinem Werk, nicht seiner ökonomischen Belange. Diese Rechte sind daher auch nicht Gegenstand der marktlichen Güteraustauschprozesse. Da die im Urheberpersönlichkeitsrecht zusammengefaßten Interessen insoweit keine Vermögensberechtigung zugunsten des Urhebers enthalten, weist das Urheberpersönlichkeitsrecht keinen bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt auf.

II. Das Immaterialgüterrecht zuweisungsgehaltsfähige

des Urhebers als Rechtsposition

Das zweite wesentliche Element des Urheberrechts bildet seine Eigenschaft als Immaterialgüterrecht. Die im Urhebergesetz geregelten Verwertungs- und Nutzungsrechte am Werk schützen das wirtschaftliche Interesse des Urhebers an seinem Werk. Die Schaffung des Werkes verursacht in der Regel Kosten und Mühen für den Urheber. Es liegt daher in seinem Interesse, daß er die ihm durch die Schaffung des Werkes entstandenen Kosten durch eine Vermarktung des Werkes amortisieren oder zumindest einen Kostenbeitrag erzielen kann. Daher räumt das Urhebergesetz dem Urheber ein Ausschließlichkeitsrecht ein, welches ihm eine umfassende Handlungs- und Vermögensberechtigung hinsichtlich der Verwertung seines Werkes vorbehält. Aus der Handlungs- und Vermögensberechtigung dieses Rechts ergibt sich der Zuweisungsgehalt des Urheberrechts, dessen Verletzung durch unbefugte Inanspruchnahme der dem Urheber vorbehaltenen Befugnisse die Haftung wegen Eingriffskondiktion auslöst. Umfang und Grenzen der Aktions- und Vermögensberechtigung des Urhebers sollen im folgenden dargestellt werden.

1. Die Aktionsberechtigung des Urhebers Die für den Zuweisungsgehalt des Urheberrechts bedeutsame Handlungsberechtigung des Urhebers in Bezug auf die wirtschaftliche Nutzung seines Werkes ist in den Vorschriften über die Verwertungsrechte des Urhebers näher ausgestaltet. Die grundlegende N o r m bildet § 15 I erster Halbsatz U r h G . Danach steht dem Urheber das ausschließliche Recht zu, sein Werk in körperlicher Form zu 3

Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 33.

660

Kapitel V: Rechte an

Informationen

verwerten. Als Beispiele für das exklusive Verwertungsrecht des Urhebers nennt das Gesetz das Vervielfältigungsrecht, das Verbreitungsrecht und das Ausstellungsrecht. D a r ü b e r hinaus gewährleistet § 15 II U r h G auch die ausschließliche Befugnis des Urhebers zur öffentlichen Wiedergabe seines Werkes in unkörperlicher F o r m . Das R e c h t zur öffentlichen Wiedergabe des Werkes in unkörperlicher F o r m umfaßt folgende, im Gesetz genannten Beispiele: - das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht; - das Senderecht; - das R e c h t der Wiedergabe durch Bild- und Tonträger; - das R e c h t zur Wiedergabe von Funksendungen. Diese Rechte des Urhebers sind in §§ 1 6 - 2 4 U r h G näher konkretisiert. Das vielleicht wichtigste Verwertungsrecht des Urhebers von körperlichen Werken ist das Verbreitungsrecht gemäß §§ 15 I Nr. 2, 17 U r h G . D a h e r soll dieser Abschnitt aus der Aktionsberechtigung pars pro toto hier ausführlicher behandelt werden. § 17 I U r h G verleiht dem Urheber das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen. Das Vervielfältigungsrecht nach § § 1 5 1 Nr. 1, 16 U r h G verfolgt den Zweck, dem Urheber den wirtschaftlichen Erlös aus denjenigen Nutzungen des Urheberrechts zu sichern, die durch die Vervielfältigung des Werkes entstehen. Im Unterschied dazu kommt dem Verbreitungsrecht die Funktion zu, dem Urheber die wirtschaftlichen Vorteile aus einer Weitergabe des Originals oder aus der Verbreitung von Vervielfältigungsstücken an die Öffentlichkeit zukommen zu lassen 4 . Das Gesetz nennt zwei Arten von Verbreitungshandlungen, die dem Urheber vorbehalten sind: nämlich das Angebot von Vervielfältigungsstücken an die Öffentlichkeit und das Inverkehrbringen des Werkes oder seiner Vervielfältigungsstücke. Unter Angebot ist jede Aufforderung zum Eigentums- oder Besitzerwerb des Werkstückes zu verstehen. Das Angebot ist an die Öffentlichkeit gerichtet, wenn der Anbietende gegenüber einer nicht durch bestimmte Kriterien abgegrenzten oder durch keine persönlichen Beziehungen miteinander verbundenen Personen seine Absicht offenbart, das Werkstück im Original oder als Vervielfältigungsstück entgeltlich oder unentgeltlich zu veräußern, zu vermieten, zu verleihen oder auf andere Weise zu überlassen 5 . U n t e r Inverkehrbringen ist eine Handlung zu verstehen, mit der der Inhaber des Verbreitungsrechts Werkstücke aus seiner internen Betriebssphäre der Ö f fentlichkeit zugänglich macht 6 . F ü r den A k t des Inverkehrbringens reicht es aus, wenn einem Dritten, der mit dem Inhaber des Verbreitungsrechts nicht persönlich verbunden ist, der Besitz an einem Werkstück überlassen wird 7 . Das Inverkehrbringen setzt voraus, daß das Werk in die Öffentlichkeit entlassen wird. 4

5 6

Siehe Schricker(-Loewenheim),

Schricker(-Loewenheim),

Urheberrecht, § 17, Rz. 1.

Urheberrecht, § 17, Rz. 5.

O L G Hamburg 28.10.1971, G R U R 1972, 375 (376) (Polydor II);

heim), Urheberrecht, § 17, Rz. 6. 7 Scbricker(-Loewenbeim), Urheberrecht, § 17, Rz. 6.

Scbricker(-Loewen-

§ 20 Der Zuweisungsgebalt

des

Urheberrechts

661

Das Ausstellungsrecht nach § § 1 5 1 Nr. 3, 18 U r h G gewährt dem Urheber das Recht zur öffentlichen Ausstellung des Werkes oder seiner Vervielfältigungsstücke. Dieses Recht endet jedoch mit der Veröffentlichung des Werkes. Schließlich gewährt der zweite Teil des Urhebergesetzes noch Personen, die nicht Urheber des genutzten Werkes sind, gewisse Leistungsschutzrechte. Diese Leistungsschutzrechte sichern dem Herausgeber wissenschaftlicher Ausgaben urheberrechtlich ansonsten nicht (mehr) geschützter Werke, dem Herausgeber nachgelassener Werke sowie ausübenden Künstlern Verbots- und Vergütungsrechte. Zwar schaffen diese Personen bei ihrer Tätigkeit nicht selbst neue Werkschöpfungen, sondern übertragen ein vorhandenes Werk von einer Form in eine andere Form. Insoweit erbringen sie eine kulturelle Leistung, welche das Gesetz schützen will. Im Hinblick auf die unmittelbaren Darbietungen der ausübenden Künstler sieht das Gesetz Ausschließlichkeitsrechte für die Bildschirm- und Lautsprecherübertragung 8 wie Aufnahmen auf Bild- oder Tonträger 9 , sowie die Vervielfältigung oder Verbreitung der Bild- und Tonträger 10 vor. Für die mittelbaren Darbietungen des ausübenden Künstlers, d.h. Darbietungen, die bereits erlaubter Weise auf Bild- oder Tonträger aufgenommen worden sind, enthält das Urhebergesetz lediglich Vergütungsansprüche, aber keine Verbotsansprüche des ausübenden Künstlers. Entsprechend dem Urheberschutz für Werke sind Lichtbilder und ähnlich hergestellte Erzeugnisse nach § 72 U r h G geschützt. Besondere Vorschriften sieht das Urhebergesetz für den urheberrechtlichen Schutz von Computerprogrammen 11 , Filmwerken und Datenbanken 12 vor. Zusammenfassend ist festzustellen, daß dem Urheber eine umfassende Aktionsberechtigung an seinem Werk zusteht. Die Verwertungsrechte des Urhebers umfassen selbst Nutzungen, die heute noch nicht bekannt sind, sondern erst durch Fortschritte in der wissenschaftlich-technischen Entwicklung „entdeckt" werden. Daher kommt dem Urheber eine Aktionsberechtigung i.S. des Zuweisungsgehaltsbegriffs zu.

2. Die Vermögensberecbtigung

des Urhebers

Die Vermögensberechtigung umfaßt die rechtliche Befugnis des Urhebers, die ihm zustehenden Verwertungsrechte an seinem Werk gegen Entgelt auf andere zu übertragen bzw. anderen - auch ohne Übertragung des Rechts selbst - die Nutzung des Werkes zu überlassen.

8 9 10 11 12

§ 7 4 UrhG. § 75 I UrhG. § 75 II UrhG. §§ 69 a ff. UrhG. §§ 87 a ff. UrhG.

662

a) Übertragung

Kapitel

des

V: Rechte

an

Informationen

Urheberrechts

Das Urheberrecht ist gemäß § 29 S. 2 UrhG unübertragbar. Dies gilt sowohl für das Urheberpersönlichkeitsrecht als auch für die Verwertungsrechte 1 3 . Die Unübertragbarkeit schließt die Verfügung über das gesamte Urheberrecht wie auch über einzelne Teile, etwa über das Verbreitungsrecht, aus 14 . Ist die Ubertragung des Urheberrechts ganz oder teilweise unter Lebenden ausgeschlossen, so bestimmt § 28 I UrhG, daß es der Rechtsnachfolge von Todes wegen unterliegt. Es ist vererblich und kann durch letztwillige Verfügung oder gesetzliche Erbfolge auf den Erben übergehen. Rechtsdogmatisch ist die Unübertragbarkeit des Urheberrechts auf die monistische Theorie zurückzuführen, nach der im Urheberrecht persönlichkeitsund immaterialgüterrechtliche Elemente des Rechts untrennbar miteinander verklammert sind. Wenn demnach das Persönlichkeitsrecht nicht mit translativer Wirkung übertragbar ist und Urheberpersönlichkeits- und Immaterialgüterrecht unauflöslich miteinander verknüpft sind, spricht dies für die U n übertragbarkeit des Urheberrechts insgesamt 15 .

b) Die Einräumung von Nutzungsrechten

an Dritte durch den Urheber

Trotz des Ausschlusses der translativen Übertragung (= Übertragung mit Wirkung des vollständigen Übergangs des Rechts vom Veräußerer auf den Erwerber mit der Folge des Rechtsverlusts für den Veräußerer) sind Urheberrechte Teil des Rechtsverkehrs. Dritten kann das Recht zur Ausübung von Befugnissen, die dem Urheber zustehen, nicht durch translative Übertragung, sondern durch die Begründung von Nutzungsrechten eingeräumt werden. Nach § 1 5 1 UrhG kann der Urheber einem anderen das Recht einräumen, das Werk hinsichtlich einzelner oder aller Nutzungsarten zu gebrauchen. Nutzungsrechte Dritter beruhen auf Vertrag zwischen Urheber und Dritten. Die Begründung der Nutzungsrechte setzt ein Verfügungsgeschäft als konstitutive Rechtseinräumung voraus. Dem Verfügungsgeschäft liegt ein Verpflichtungsgeschäft zugrunde. Beide Verträge werden häufig gleichzeitig und in einem Akt abgeschlossen. Nach h. M. ist das Verhältnis von Verpflichtung und Verfügung kausal und nicht wie im Sachenrecht abstrakt 16 . Das Gesetz unterscheidet in § 3112, II, III UrhG zwischen einfachen und ausschließlichen Nutzungsrechten. Das ausschließliche Nutzungsrecht gewährt seinem Inhaber das Recht, das Werk unter Ausschluß aller anderen Personen einschließlich des Urhebers selbst auf die ihm durch das zugrundeliegende Rechtsgeschäft erlaubte Art zu 13 Siehe Schricker(-Schricker), Urheberrecht, § 29, Rz. 7; v. Gamm, Urheberrechtskommentar, § 29, Rz. 6; Scback, Urheber- und Urheberechtsvertrag, 229; Rehbinder, Urheberecht, 226. 14 Möglich ist die Einräumung von Nutzungsrechten an Dritte; dabei verbleibt das Urheberrecht bzw. das Verwertungsrecht als solches beim Rechtsinhaber, siehe §§ 31 ff. UrhG. 15 Schricker(-Schricker), Urheberrecht, § 17, Rz. 4; v. Gamm, Urheberrechtskommentar, § 29, Rz. 5. 16 Schricker(-Schricker), Urheberrecht, §§ 31/32 Rz. 2.

5 20 Der Zuweisungsgehalt

des

663

Urheberrechts

nutzen und anderen einfache Nutzungsrechte einzuräumen. Ausschließliche Nutzungsrechte sind gegenständliche, quasi-dingliche Rechte, die ihrem Inhaber die positive Befugnis zur Nutzung des Werkes und die negative Befugnis zur Abwehr von Eingriffen in seine Nutzungsbefugnis durch Dritte und durch den Urheber verschaffen 17 . Demgegenüber ist das einfache Nutzungsrecht dadurch charakterisiert, daß seinem Inhaber das Recht zur Abwehr von Eingriffen Dritter fehlt. Greift ein Dritter in die Befugnis des Nutzungsberechtigten ein, so kann dieser nicht aus eigenem Recht gegen den Dritten vorgehen. Entweder muß der Urheber seine Ansprüche gegen den Dritten selbst geltend machen, um die Nutzungsbefugnis des Inhabers einer einfachen Lizenz zu schützen oder ihn dazu ermächtigen, die Ansprüche des Urhebers im Wege der gewillkürten Prozeßstandschaft gegenüber dem Dritten durchzusetzen. Der Inhaber einer einfachen Lizenz darf - ohne besondere Gestattung - keine weiteren Lizenzen erteilen. Allerdings stellt § 33 UrhG zugunsten des Inhabers eines einfachen Nutzungsrechts, das der Urheber vor der Begründung eines ausschließlichen Nutzungsrechts eingeräumt hat, klar, daß dieses auch gegenüber dem Inhaber des ausschließlichen Rechts bestehen bleibt, soweit mit dem Inhaber der einfachen Lizenz nichts anderes vereinbart ist (Sukzessionsschutz). Nutzungsrechte sind regelmäßig - außer bei Veräußerung von Unternehmen - nur mit Zustimmung des Urhebers übertragbar (§ 34 UrhG). Nach § 32 U r h G kann ein (ausschließliches oder einfaches) Nutzungsrecht räumlich, zeitlich oder inhaltlich beschränkt eingeräumt werden. Die Befugnis, Nutzungsrechte einzuräumen, ist dem Urheber exklusiv durch das Urhebergesetz zugeordnet. Er kann dies gegen Entgelt oder unentgeltlich tun. Damit ist festzustellen, daß der Urheber die Vermögensberechtigung hinsichtlich der Verwertung des Werkes besitzt, die er durch Einräumung von Nutzungsrechte an Dritte ausübt.

3. Die Grenzen des Zuweisungsgehalts

des Urheberrechts

a) Der Begriff des Werkes Urheberrechtlich geschützt sind Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst. Der Begriff des Werkes ist im Gesetz nicht näher definiert. Von einem Werk im Sinne des Urhebergesetzes ist dann auszugehen, wenn ein geistiger Inhalt gedanklicher oder ästhetischer Art in einer bestimmten Form zum Ausdruck gebracht wird und eine gewisse Individualität aufweist. An die Werkeigenschaft geistiger Schöpfungen werden in der Rechtspraxis keine allzu hohen Anforderungen gestellt. Soweit ein Werk neben individuellen auch Allgemeingut gewordene Elemente enthält, nehmen diese nicht am Urheberrechtsschutz 17 Schricker(-Schricker), Urheberrecht, §§31/32 Rz. 5; Mestmäcker/Schulze, rechtskommentar, § 31, Anm. 3. 18 Rehbinder, Urheberrecht, 77.

Urheber-

664

Kapitel

V: Rechte an

Informationen

teil 18 . Die Einhaltung von Formerfordernissen, etwa die Anmeldung des Werkes zu einem Register, ist nicht Voraussetzung der Begründung des Urheberrechts. Dieses entsteht unabhängig von formellen Erfordernissen mit der Schöpfung des Werkes. Ein Urheber erwirbt das ausschließliche subjektive Urheberrecht nur dann, wenn sein Werk die oben genannten Kriterien erfüllt.

b) Zeitliche Schranke des

Urheberrechts

Die vielleicht wichtigste Schranke des Urheberrechts liegt in seiner zeitlichen Begrenzung. Wie die anderen Immaterialgüterrechte und anders als das sachenrechtliche Eigentum gilt das Urheberrecht an schöpferischen Werken nicht zeitlich unbegrenzt; vielmehr werden urheberrechtlich geschützte Werke nach Ablauf der Schutzfrist gemeinfrei. Das Werk darf dann von jedermann frei, d. h. ohne Einwilligung des Urheberberechtigten und ohne Entgeltzahlung genutzt werden. Mit Ablauf der Schutzfrist erlöschen die im Urheberrecht zusammengefaßten Berechtigungen, also das Urheberpersönlichkeitsrecht und die Verwertungsrechte der immaterialgüterrechtlichen Seite des Urheberrechts. Nach § 64 U r h G erlischt das Urheberrecht 70 Jahre nach dem Tode des Urhebers; bei anonymen und Pseudonymen Werken endet das Urheberrecht 70 Jahre nach der Veröffentlichung des Werkes, § 66 I U r h G . Mit Ablauf der Schutzfrist erlischt nicht nur das Urheberrecht selbst, sondern auch alle von ihm abgeleiteten Nutzungsrechte 1 9 .

c) Beschränkungen

des Urheberrechts zugunsten einzelner

Werknutzer

§ 53 U r h G sieht erhebliche Beschränkungen des Urheberrechts vor, die einzelnen Nutzern die Verwendung des Werkes zum privaten oder sonstigen eigenen Gebrauch ohne Zustimmung des Urhebers und ohne Entgeltpflicht 2 0 gestatten. Nach § 53 U r h G ist es danach zulässig, einzelne Vervielfältigungsstücke eines Werkes zu privatem Gebrauch selbst herzustellen oder durch andere herstellen zu lassen. Eine Vervielfältigung zum privaten Gebrauch liegt vor, wenn das Werk im Privatbereich des Nutzers zur Befriedigung seiner persönlichen Bedürfnisse (oder derjenigen ihm nahestehender Personen) dienen soll 21 . § 53 läßt die Herstellung von Vervielfältigungen aber auch für die Nutzung des Werkes über den privaten Gebrauch hinaus zu, nämlich zum eigenen Gebrauch. Dazu gehört etwa der eigene wissenschaftliche Gebrauch, der Gebrauch zur Aufnahme in ein eigenes Archiv oder zur eigenen Unterrichtung des Nutzers. Zu diesen Zwecken dürfen einzelne Vervielfältigungsstücke Rehbinder, Urheberrecht, 222. Eine Entgeltpflicht für die Herstellung von Kopien des Werkes durch Ablichtung trifft die Hersteller von Kopiergeräten und bestimmte Aufsteller solcher Geräte, § 54 a UrhG. 21 Schricker(-Loewenheim), Urheberrecht, § 5 3 , Rz. 7; Mestmäcker/Schulze, Urheberrechtskommentar, § 53, Anm. 2. 19

20

$ 20 Der Zuweisungsgebalt des Urheberrechts

665

hergestellt werden. F ü r den sonstigen eigenen Gebrauch und für den Gebrauch im Schulunterricht und in sonstigen Ausbildungseinrichtungen dürfen kleine Teile von Werken oder einzelne Zeitschriftenbeiträge vervielfältigt werden. Die N u t z u n g der Vervielfältigungsstücke ist gemäß § 53 V I U r h G strikt auf den eigenen Gebrauch beschränkt; sie dürfen weder verbreitet noch zur öffentlichen Wiedergabe benutzt werden. Besondere Bestimmungen für die Grenzen des Urheberrechts sind in den Vorschriften über C o m p u t e r p r o g r a m m e (§ 69 d und e U r h G ) 2 2 sowie über das Recht des Datenbanknutzers (§ 55 a U r h G ) 2 3 vorgesehen.

d) Beschränkungen

des Urheberrechts im Interesse der

Allgemeinheit

Das Urhebergesetz sieht eine ganze Reihe von Beschränkungen des U r h e berrechts vor, die der Wahrung berechtigter Interessen der Allgemeinheit an einer möglichst freien N u t z u n g urheberrechtlich geschützter Werke dienen. D a z u zählt die Zulässigkeit der Verbreitung von Stellen eines Werkes in Zitaten 2 4 sowie die Aufnahme von Werkteilen in Sammlungen für den Gebrauch im Unterricht oder in Kirchen 2 5 . D e m Schutz der Informationsfreiheit dient die Beschränkung des Urheberrechts in Bezug auf amtliche Daten. G e m ä ß § 5 U r h G genießen solche Werke, wie etwa Gesetze, Gerichtsentscheidungen etc. keinen Urheberrechtsschutz. D e r Informationsfreiheit dienen auch Begrenzungen der urheberrechtlichen Befugnis an öffentlichen Reden 2 6 , an Rundfunkkommentaren und Zeitungsartikeln 2 7 sowie an Werken, die im Zuge der Bild- und Tonberichterstattung über Tagesereignisse wahrnehmbar werden 2 8 . Soweit urheberrechtlich geschützte Werke zur Verwendung in Gerichtsverfahren benötigt werden, dürfen von ihnen gemäß § 45 I U r h G Vervielfältigungsstücke hergestellt werden. G e m ä ß § 59 I U r h G ist es zulässig, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei, Grafik sowie durch Lichtbild und Film zu vervielfältigen, die Vervielfältigungen öffentlich wiederzugeben und zu verbreiten. Darin liegt eine Beschränkung des Urheberrechts desjenigen, der das Bauwerk geschaffen hat.

e) Die Erschöpfung des

Verbreitungsrechts

N a c h § § 1 5 1 Nr. 2, 17 I U r h G steht dem U r h e b e r das Verbreitungsrecht als ausschließliche Befugnis zu. 22 23 24 25 26 27 28

Siehe dazu Rebbinder, Urheberrecht, 204 ff. Rehbinder, a.a.O.,202f. § 51 UrhG. §46 UrhG. § 48 UrhG. §49 UrhG. § 50 UrhG.

666

Kapitel V: Rechte an

Informationen

Wenn der U r h e b e r das zunächst in seinem Eigentum stehende Werkstück, in dem sich die geistige Schöpfung verkörpert, an einen anderen veräußert, erhebt sich die Frage, ob der U r h e b e r auf der Grundlage seines Verbreitungsrechts dem nunmehrigen Eigentümer des Werkstücks verbieten kann, dieses an einen Dritten weiterzuveräußern. Diesen Konflikt zwischen sachenrechtlichem E i gentum am Werkstück und urheberrechtlichem Verbreitungsrecht löst § 17 II U r h G . Diese Vorschrift enthält den sogenannten Erschöpfungsgrundsatz. N a c h § 17 I I ist die Weiterverbreitung von Originalwerkstücken oder Vervielfältigungsstücken zulässig, wenn diese mit Zustimmung des Inhabers des Verbreitungsrechts im Wege der Veräußerung im Inland in Verkehr gebracht worden sind. Eine Veräußerung liegt dann vor, wenn sich der Inhaber des Verbreitungsrechts endgültig der Verfügungsmacht über das Werkstück begeben hat 2 9 . Liegen die Voraussetzungen des § 17 II U r h G vor, ist das Verbreitungsrecht des Urhebers erschöpft. Die Erschöpfung bewirkt, daß er sein aus dem Verbreitungsrecht hervorgehendes Verbietungsrecht gegenüber dem Dritterwerber nicht mehr geltend machen kann.

f ) Beschränkungen des Urheberrechts im Interesse der Kulturwirtschaft Unternehmen, die Bild- oder Tonträger herstellen bzw. Geräte für deren Betrieb vertreiben, dürfen bei Vorführungs- oder Textwerken urheberrechtlich geschützte Werke gemäß § 56 U r h G vorführen. Aussteller von Werken dürfen Werke der bildenden Künste in Ausstellungskatalogen zeigen (§ 58 U r h G ) .

g)

Zwangslizenz

E i n e Einschränkung des Urheberrechts stellt schließlich noch die Verpflichtung des Urhebers musikalischer Werke zur Erteilung einer Zwangslizenz nach § 61 U r h G dar. Das Recht steht jedem Hersteller von Tonträgern gegenüber dem U r h e b e r eines Werkes zu, der einem anderen Hersteller ein N u t z u n g s recht zur Übertragung des Werkes auf Tonträger und deren Verbreitung eingeräumt hat. D e r U r h e b e r muß die L i z e n z dem Hersteller zu angemessenen Bedingungen einräumen.

4.

Zusammenfassung

Zusammenfassend ist festzustellen, daß dem U r h e b e r eine umfassende A k tions- und Vermögensberechtigung in Bezug auf sein urheberrechtlich geschütztes Werk eingeräumt ist. D i e Vermögensberechtigung des Urhebers wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß das Urheberrecht unübertragbar ist. D i e Ver29

Scbricker(-Loewenheim),

Urheberrecht, § 17, Rz. 17.

§ 20 Der Zuweisungsgehalt

des

Urheberrechts

667

kehrsfähigkeit der Verwertungsrechte wird durch die Möglichkeit sichergestellt, daß der Urheber Dritten konstitutive (d. h. nicht translative) Nutzungsrechte als ausschließliche oder einfache Lizenzen einräumen kann. Der Zuweisungsgehalt des Urheberrechts wird durch die angeführten Beschränkungen begrenzt. Innerhalb dieser Schranken steht der Wert einer Nutzung des urheberrechtlich geschützten Werkes, die ein Dritter ohne Einwilligung des Urhebers vorgenommen hat, nach der urheberrechtlichen Güterzuordnung dem Urheber zu und ist vom Eingreifer nach §§ 812 1 1 , 2. Alt., 818 II B G B an den Urheber herauszugeben. Gleiches gilt für den Inhaber einer ausschließlichen Lizenz. Soweit ihrem Inhaber das Nutzungsrecht am Werk nach den Bedingungen der Lizenz exklusiv zusteht, handelt es sich um ein ausschließliches, absolut geschütztes subjektives Recht, das den Schutz der Eingriffskondiktion genießt.

III. Der eingriffsbereicherungsrechtliche Schutz des Urheberrechts im Spiegel der Rechtsprechung 1.

Entwicklungslinien

Die Anerkennung der Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion bei schuldlosen Verletzungen des Urheberrechts hat sich in der Rechtsprechung nicht bruchlos durchgesetzt. Vielmehr hat die ältere Rechtsprechung zwischen A b lehnung und Zulassung der Eingriffskondiktion geschwankt, bis sich letztlich die Anerkennung der Eingriffskondiktion doch durchgesetzt hat. Ganz auf dem Boden der Vermögensverschiebungslehre stehend und aus diesem Blickwinkel konsequent, lehnte das R O H G in seiner Entscheidung vom 13.9.1877 3 0 die Bereicherungshaftung des Beklagten, der an einem Theater ein Stück ohne Zustimmung des Urhebers aufgeführt hatte, ab. Es handele sich bei dem Erlös, den der Beklagte erwirtschaftet habe, nicht um ein „Werthsobject", das aus dem Vermögen der Klägerin in das des Beklagten übergegangen wäre. Zwar sei der Erlös mittels eines Rechts der Klägerin erzielt worden, habe sich aber als solcher niemals im Vermögen der Klägerin befunden. Daher liege keine Vermögensverschiebung vor. Die nächste höchstrichterliche Entscheidung zu der Frage erging 40 Jahre später und gelangte zu dem umgekehrten Ergebnis 3 1 . Mittlerweile war das B G B in Kraft getreten. Das R G hielt für die sonstigen Immaterialgüterrechte an der Ausschließlichkeit der in den jeweiligen Gesetzen geregelten Folgen der Verletzung dieser Rechte fest. Die ErikamusterEntscheidung des R G machte für das Urheberrecht indes eine bedeutsame Ausnahme von diesem Grundsatz: D a die bereits vor dem Inkrafttreten des 30 31

R O H G 13.9.1877, R O H G I 22, 338 (340) (Richard's Wanderleben). R G 4.4.1917, R G Z 90, 137 (Erikamuster).

668

Kapitel V: Rechte an

Informationen

B G B vorhandenen Urhebergesetze eine Vorschrift enthielten, nach der der schuldlos handelnde Urheberrechtsverletzer dem Berechtigten dessen Schaden bis zur H ö h e seiner Bereicherung ersetzen müsse, könne aus dem Fehlen eines Bereicherungsanspruchs im Urhebergesetz vom 19.6.1901 nicht der Schluß gezogen werden, daß die Vorschriften des B G B auf die Verletzung von urheberrechtlichen Befugnissen ausgeschlossen sein sollten. D a nunmehr durch das B G B einheitliche Vorschriften zur ungerechtfertigten Bereicherung vorhanden seien, habe kein Grund mehr zur Regelung eines derartigen Anspruchs im Urheberrecht vorgelegen. Diese Auslegung des R G wurde durch die Gesetzesmaterialien zum Urheberrecht gestützt. Die Frage der Vermögensverschiebung wird vom Gericht nicht diskutiert. Es stellt lediglich lapidar fest: „ D i e Beklagte hat Vorteile durch den Vertrieb des Erikamusters der Klägerin erlangt, und zwar ohne rechtlichen G r u n d auf Kosten der Klägerin, weil sie zur Verwertung des Musters nicht berechtigt war und durch diese Verwertung die Möglichkeit, das Muster abzusetzen, z u m Nachteile der Klägerin beeinflußte. D a s genügt zur Anwendung des § 8 1 2 B G B " 3 2 .

Das Gericht untersucht die Frage, ob die durch die Beklagte erlangten Vorteile auf Grund einer Vermögensverschiebung in ihr Vermögen gelangt sind, nicht. Das R G läßt es ausreichen, daß zwischen den Vermögensvorteilen der Beklagten und dem als Beeinträchtigung der Absatzmöglichkeit gefaßten Vermögensnachteile (Schaden) des Klägers eine Kausalbeziehung besteht: Erstere seien durch Letztere im Wege über die unbefugte Verwertung des Urheberrechts verursacht worden. Bemerkenswert ist schließlich noch, daß das R G als Gegenstand des Bereicherungsanspruchs den von der Beklagten erzielten Gewinn ansieht 33 . Einige Jahre später bewegte sich das R G in der Entscheidung im Fall „Der Tor und der Tod", in dem es um die vom Urheber nicht genehmigte Ausstrahlung eines Theaterstücks durch einen Hörfunksender ging, wieder in die umgekehrte Richtung, indem es den Anspruch des Urhebers aus Eingriffskondiktion nach § 81211,2. Alt. B G B daran scheitern ließ, daß im Urhebergesetz selbst ein solcher Anspruch nicht vorgesehen sei und die allgemeinen BereicherungsVorschriften des B G B nicht anwendbar seien, weil das Urhebergesetz sie ausschlösse 34 . Dieser Rückfall in einen bereits überwunden geglaubten Ausschluß der Eingriffskondiktion bei Verletzung des Urheberrechts sollte allerdings nur kurze Zeit Bestand haben: Im Frauenberufe-Fall gab das R G die die Anwendung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion ausschließende Rechtsprechung aus dem Fall „Der Tor und der Tod" ausdrücklich auf 3 5 . Dabei folgt die FrauenberufeEntscheidung der Argumentation im Erikamuster-Fall. 32 33 34 35

RG RG RG RG

4.4.1917, R G Z 90, 137 (139) (Erikamuster). 4.4.1917, R G Z 90, 139 f. 12.5.1926, R G Z 113, 413 (424) (Der Tor und der Tod). 9.6.1928, R G Z 121, 258 (259) (Frauenberufe).

§ 20 Der Zuweisungsgehalt des Urheberrechts

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Bemerkenswert erscheint, daß das Gericht im Frauenberufe-Fall ganz offen die Kausalität zwischen Gewinn des Rechtsverletzers und Verlust des K o n dizienten mit der Vermögensverschiebung gleichsetzt, indem es ausführt: „In wieweit der Absatz des Beklagten dem Absatzausfall der Klägerin entspricht, braucht hier nicht entschieden zu werden. Es genügt, wenn in irgendwelchem Umfang das eine durch das andere verursacht worden ist.... Ursächlicher Zusammenhang zwischen Gewinn und Verlust liegt vor. Und zwar derart, daß ein einheitlicher Vorgang beides bewirkt, also eine unmittelbare Vermögensverschiebung unter den Parteien stattgefunden hat" 36 . Bereits oben in Kapitel I wurde ausführlich darauf hingewiesen, daß ein derartig verwässerter Begriff der Vermögensverschiebung nicht dazu geeignet ist, den Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion sachgerecht abzugrenzen und die Parteien des Bereicherungsanspruchs interessengemäß zu bestimmen. A u c h paßt das Abstellen auf einen Schaden des Kondizienten nicht zum gesetzlichen Tatbestand und zur F u n k t i o n des Bereicherungsanspruchs. Seit der E n t scheidung im Fall Frauenberufe hat die höchstrichterliche Rechtsprechung die Anwendbarkeit des Anspruchs aus Eingriffskondiktion bei Verletzungen des Urheberrechts durchgängig anerkannt. Dieser Linie ist auch die Rechtsprechung des B G H gefolgt. Mittlerweile hat der Gesetzgeber die alte Streitfrage der Anwendbarkeit der allgemeinen Bereicherungsvorschriften der §§ 8 1 2 f f . B G B auf die unbefugte Inanspruchnahme von dem Urheber exklusiv zugeordneten Verwertungsrechten durch eine Regelung im jetzigen § 97 I I I U r h G aus der Welt geschafft. D a n a c h bleiben Ansprüche aus anderen gesetzlichen Vorschriften neben den in § 97 U r h G geregelten Ansprüchen des Urhebers oder Inhabers eines sonstigen Rechts nach dem Urhebergesetz auf Schadensersatz oder Gewinnherausgabe wegen Verletzung des Rechts unberührt. Ausweislich der Gesetzesmaterialien bilden die Bereicherungsansprüche eine wichtige Kategorie unter denjenigen Ansprüchen, deren Anwendbarkeit nach § 97 I I I U r h G gewährleistet werden soll 3 7 .

2. Der Zuweisungsgehalt urheberrechtlicher Positionen als Grundlage des Bereicherungsanspruchs in der Rechtsprechung des BGH Wie oben bereits ausgeführt, hat der B G H die Rechtsprechung des R G hinsichtlich der Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion bei der Verletzung von Urheberrechten fortgesetzt 3 8 . RG 9.6.1928, RGZ 121,263. Amtl. Begr. UrhG, BT-Drucks. 4/270, S. 104. 38 Siehe etwa BGH 12.2.1952, BGHZ 5, 116 (123) (Parkstraße 13); BGH 30.11.1954, BGHZ 15, 338 (348 f.) (Indeta); BGH 18.12.1962, BGHZ 38, 356 (359) (Soweit die Füße tragen). Vgl. dazu auch Schricker(-Wild), Urheberrecht, § 97, Rz. 86. 36

37

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Kapitel V: Rechte an

Informationen

a) Zuweisungsgehalt des Urheberrechts als des Anspruchs aus Eingriffskondiktion ?

Grundlage

Die Entscheidungen des B G H zum Bereicherungsanspruch im Urheberrecht vermeiden eine klare Stellungnahme zur Grundlage dieses Anspruchs. Insbesondere wird nicht ausdrücklich auf den Zuweisungsgehalt der urheberrechtlichen Verwertungsrechte als absolute subjektive Rechte Bezug genommen, obwohl die grundlegenden Arbeiten Wilburgs39, v. Caemmerers40 und Mestmäckers41 bereits bekannt geworden waren. Zumeist verzichtet die Rechtsprechung auf eine detaillierte Behandlung der Tatbestandsvoraussetzungen der Eingriffskondiktion nach § 8 1 2 1 1 , 2 . Alt. BGB, sondern weist lediglich pauschal daraufhin, daß bei der schuldlosen Verletzung von Urheberrechten Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung gegeben seien42. Nur in ganz wenigen frühen Judikaten weist der B G H auf die Problematik der Feststellung des Merkmals der unmittelbaren Vermögensverschiebung zwischen Kondizienten und Bereicherungsschuldner hin. Im Indeta-Fall ging es um die Verletzung eines Bearbeiter-Urheberrechts an einem Schlager. Die in der „Interessengemeinschaft deutscher Tanzmusikverbraucher (Indeta)" zusammengeschlossenen Beklagten warben bei Musikveranstaltern darum, die Urheberrechte an Werken der Tanzmusik zu erwerben und boten gleichzeitig an, mit dem Verkauf der von ihnen verlegten Noten die Aufführungsrechte an den jeweiligen Musikstücken zu übertragen, um so den Musikveranstaltern eine tantiemefreie Aufführung von Tanzmusik zu ermöglichen. Zu den aufgeführten Musikstücken gehörte auch der Schlager „Kreppschuhe", an dem die Klägerin, die GEMA, ein Bearbeiter-Urheberrecht besaß. U.a. verlangte die Klägerin von den Beklagten die Herausgabe der durch die unbefugte Aufführung des Stückes erlangten Bereicherung. In diesem Fall hatten die Beklagten einen Erlös aus der Veräußerung von Noten erzielt; das Aufführungsrecht konnten sie nicht an die Musikveranstalter übertragen, weil sie es nicht besaßen. Der B G H , der die Sache zur weiteren Entscheidung an das O L G zurückverwies, äußerte daher zurecht Zweifel an der unmittelbaren Vermögensverschiebung zwischen der GEMA und den Beklagten. Es müsse geklärt werden, ob das Entgelt für die verkauften Noten den Beklagten auf Grund der von ihnen zugesicherten Aufführungsfreiheit zugeflossen sei und der Notenverkauf tatsächlich zu öffentlichen Aufführungen der Bearbeitung des Schlagers ohne Zahlung einer Lizenzgebühr an die Klägerin geführt habe. Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung (1934). v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel I, 333 ff. 41 Mestmäcker, Eingriffserwerb und Rechtsverletzung in der ungerechtfertigten Bereicherung, JZ 1958, 520 ff. 42 Siehe etwa zum BGH 12.2.1952, BGHZ 5, 116 (123) (Parkstraße 13); BGH 12.7.1974, GRUR 1975, 33 (35) (Alters-Wohnheim); BGH 8.1.1960, GRUR 1960, 338 (339) (Tanzstundenabschlußbälle); BGH 18.12.1962, BGHZ 38, 356 (368f.) (Fernsehwiedergabe); BGH 23.2.1995, BGHZ 129, 66 (75) (Mauer-Bilder); O L G Hamburg, 27.9.1951, GRUR 1953, 405 (406). 39

40

§ 20 Der Zuweisungsgehalt des Urheberrechts

671

A n diesem Fall zeigen sich instruktiv die G r e n z e n der dogmatischen Leistungsfähigkeit des Konzepts der unmittelbaren Vermögensverschiebung: D i e Klägerin macht die Verletzung eines ihr zustehenden Aufführungsrechts geltend. Verletzt worden ist dieses R e c h t durch die Musikveranstalter. Diesen ist zwar von den Beklagten vorgespiegelt worden, daß die Aufführung tantiemefrei erfolgen könne, doch haben sie das Musikstück für eigene Z w e c k e und nicht im Auftrag der Beklagten aufgeführt. D i e Musikveranstalter verletzten das Aufführungsrecht. D i e Beklagten haben ihnen N o t e n verkauft. Soweit sie einen Vermögensvorteil erlangt haben, stammt dieser aus dem Verkauf der N o t e n , also von den Musikveranstaltern. Selbst wenn man - wie es das R G im Erikamuster-Fall getan hat - das Erfordernis der unmittelbaren Vermögensverschiebung auf eine bloße Kausalitätsbeziehung zwischen Vorteil des Bereicherten und Nachteil des Kondizienten reduziert, ist nur schwer verständlich, daß in einer solchen Fallkonstellation eine unmittelbare Vermögensverschiebung zwischen Klägerin und Beklagten angenommen werden kann 4 3 . In einigen Entscheidungen betont der B G H die Rechtswidrigkeit der urheberrechtsverletzenden Handlung, ohne sich aber auf den B o d e n der Rechtswidrigkeitstheorie als Grundlage des Anspruchs aus Eingriffskondiktion zu stellen 4 4 . Mittlerweile hat sich der B G H jedoch eindeutig zur Lehre vom Zuweisungsgehalt absoluter subjektiver Rechte und ihnen gleichgestellter Positionen bekannt. Es ist daher davon auszugehen, daß es auch für die Anwendung der Eingriffskondiktion bei der Verletzung von Urheberrechten auf den Zuweisungsgehalt des jeweils betroffenen Urheberrechts ankommt.

b) Beispiele für die unbefugte Inanspruchnahme Befugnisse aus der Rechtsprechung

urheberrechtlicher

D i e in der gerichtlichen Praxis entschiedenen Fälle betrafen eine große B a n d breite von Werkarten und auch Eingriffe in unterschiedliche Verwertungsrechte des Urhebers. Bei einigen Entscheidungen ging es um die Urheberrechte im Zusammenhang mit der Verfilmung eines Bühnenwerks 4 5 und des Rechts zur Aufführung eines Films 4 6 . Relativ häufig k o m m e n Ansprüche aus § 8 1 2 1 1 , 2. Alt. B G B bei der Verletzung von Urheberrechten an Musikwerken vor 4 7 . In 43 Probleme mit der unmittelbaren Vermögensverschiebung spricht der B G H auch in seinem Urteil vom 18.5.1955, G R U R 1955, 492 (501) an. 44 Siehe etwa B G H 7.10.1960, G R U R 1971, 97 (100) (Sportheim): „Unerlaubte Musikdarbietungen"; B G H 23.2.1995, B G H Z 129, 75: „Der danach verbleibende rechtswidrige Eingriff in das urheberrechtliche Verbreitungsrecht begründet einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1, 2. Alternative B G B " . 45 B G H 12.2.1952, B G H Z 5, 116 (Parkstraße 13). 46 O L G Hamburg 27.9.1951, G R U R 1953, 405. 47 B G H 7.10.1969, G R U R 1961, 97 (Sportheim); B G H 8.1.1960, G R U R 1960, 338 (Tanzstundenabschlußbälle); B G H 18.5.1955, G R U R 1955, 492 (Magnettonbänder); B G H 30.11. 1954, B G H Z 15,338 (Indeta); B G H 2.7.1971, B G H Z 56,317 (Gasparone II); B G H 12.7.1974, G R U R 1975, 33 (Alters-Wohnheim).

672

Kapitel V: Rechte an

Informationen

einem jüngst vom B G H entschiedenen Fall mußte die Reichweite urheberrechtlicher Befugnisse (Verbreitungsrecht gemäß § 17 I UrhG) der Maler von Bildern auf der Berliner Mauer festgelegt werden und über einen Eingriff in diese Rechte durch den Verkauf von Mauerteilen durch einen Dritten entschieden werden 4 8 .

c) Grenzen des Zuweisungsgehalts

des Urheberrechts

In nicht wenigen Entscheidungen setzte die Gewährung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion bei Urheberrechtsverletzungen zunächst voraus, daß das Gericht feststellte, ob der Zuweisungsgehalt des jeweiligen Verwertungsrechts überhaupt verletzt war oder durch die Handlung des potentiellen Bereicherungsschuldners nicht berührt wurde, weil sein Tatbestand nicht vorlag bzw. eine Beschränkung des Zuweisungsgehalts einen Eingriff ausschloß. Aus tatbestandlichen Gründen stand ein Eingriff in den Zuweisungsgehalt eines Urheberrechts in einigen Entscheidungen in Zweifel, in denen es um die Verletzung des Aufführungsrechts von Musikwerken ging. Das urheberrechtliche Aufführungsrecht beschränkt sich gemäß § 15 II UrhG auf das Recht, das Werk öffentlich wiederzugeben. So hat der B G H geprüft, ob die Wiedergabe von Rundfunk- und Fernsehsendungen in einem Sportheim 4 9 oder die Wiedergabe des Fernsehprogramms in einem Altersheim das Kriterium der Öffentlichkeit bei der Aufführung eines nicht körperlichen Werkes erfüllten 50 . Gelegentlich stellt sich aber auch die Frage, ob ein Eingriff in den Zuweisungsgehalt eines urheberrechtlichen Verwertungsrechts deshalb nicht vorliegt, weil die Handlung des Eingreifers den Begrenzungen entsprach, die das Urhebergesetz für die Verwertungsrechte vorsieht. So hat der B G H in zwei Entscheidungen geprüft, ob die Verbreitung von Werken durch Nichtinhaber des Verbreitungsrechts deshalb dieses Recht nicht verletzte, weil es nach dem in § 17 II UrhG geregelten Erschöpfungsgrundsatz bereits erschöpft war, indem es mit Zustimmung des Berechtigten in Verkehr gebracht worden war 5 1 .

d) Inhalt des

Bereicherungsanspruchs

In den frühen Entscheidungen zur Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion war das R G davon ausgegangen, daß der Gegenstand des Herausgabeverlangens des Kondizienten der vom Rechtsverletzer durch die Nutzung des fremden Urheberrechts erzielte Gewinn sei 52 . Diese Fassung des Anspruchs aus BGH 23.2.1995, BGHZ 129, 66 (Mauer-Bilder). BGH 7.10.1960, GRUR 1961, 97 (99) (Sportheim). 50 BGH 12.7.1974, G R U R 1975, 33 (34) (Alters-Wohnheim). 51 Siehe BGH 23.2.1995, BGHZ 129, 66 (73 f.) (Mauer-Bilder); BGH 12.2.1952, BGHZ 5, 116 (119f.) (Parkstraße 13). 52 RG 4.4.1917, RGZ 90, 137 (139f.) (Erikamuster); RG 9.6.1928, RGZ 121, 258 (263) (Frauenberufe). 48

49

§ 20 Der Zuweisungsgehalt

des

Urheberrechts

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Eingriffskondiktion liefe auf eine bereicherungsrechtliche Gewinnhaftung heraus. Im Verlauf der späteren Entwicklung ist die Rechtsprechung von diesem Inhalt des Bereicherungsanspruchs abgerückt. In der neueren Rechtsprechung ist - soweit ersichtlich - nur noch ein Urteil nachweisbar, das in einem Fall zur Verletzung urheberrechtlicher Befugnisse den Rechtsverletzer auf der Grundlage der Eingriffskondiktion nach § 812 I 1, 2. Alt. BGB zur Herausgabe des von ihm erzielten Gewinns an den Rechtsinhaber verpflichtet 53 . In den danach entschiedenen Fällen hat die Rechtsprechung dann nur noch einen Anspruch auf die Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr gewährt 54 . Dies wurde zunächst auf den Gedanken gestützt, daß der Rechtsverletzer durch die unbefugte Nutzung sich die Zahlung der Lizenzgebühr erspart habe, die er bei ordnungsgemäßem Vorgehen dem Urheberrechtsinhaber hätte zahlen müssen 55 . Der B G H hat in einer die Verletzung des Gebrauchsmusterrechts betreffenden Entscheidung mittlerweile klargestellt, daß als das Erlangte in den Fällen des Eingriffs in fremde Immaterialgüterrechte die unbefugte Nutzung selbst anzusehen ist 56 . Da die Nutzung als solche wegen ihrer Beschaffenheit nicht herausgegeben werden kann, ist gemäß § 818 II BGB ihr Wert zu ersetzen. Dieser Wert wird durch die angemessene Lizenzgebühr repräsentiert 57 . Die Kunststoffhohlprofil Ii-Entscheidung bezieht sich unmittelbar auf die Verletzung eines Gebrauchsmusters. Die Ausführungen des B G H sind jedoch von allgemeiner Bedeutung und betreffen damit auch die Bestimmung des Erlangten und die Höhe der nach § 818 II BGB als Wertersatz an den Rechtsinhaber zu leistenden angemessenen Lizenzgebühr bei der Verletzung urheberrechtlich geschützter Positionen 58 . Zum Teil wird auch im urheberrechtlichen Spezialschrifttum eine dem U m fang nach über die Lizenzanalogie hinausgehende bereicherungsrechtliche Gewinnhaftung vertreten. Nach dieser Auffassung soll dem Kondizienten nach § 812 I 1, 2. Alt. in Verbindung mit § 818 II BGB einerseits die angemessene Lizenzgebühr auf Grund des Ersparnisgedankens geschuldet sein, andererseits soll nach Wahl des Rechtsinhabers der Verletzer aber auch seinen Reingewinn als Gegenstand der Bereicherung herausgeben müssen. Ein solcher Gewinn des Verletzten könne aber nur dann nach § 812 I 1, 2. Alt. BGB herausverlangt OLG Hamburg 27.9.1951, GRUR 1953, 405. Siehe z.B. BGH 2.7.1971, BGHZ 56, 317 (322) (Gasparone II); BGH 12.7.1960, GRUR 1961, 97 (100) (Alters-Wohnheim); BGH 18.12.1962, BGHZ 38, 356 (368 f.) (Fernsehwiedergabe). 55 Siehe etwa BGH 18.12.1962, BGHZ 38, 356 (369): „Denn die Beklagten haben auf Kosten der Klägerin diejenigen Urheberrechtsgebühren erspart, die sie hätten zahlen müssen, falls sie ordnungsgemäß die Erlaubnis des Klägers eingeholt hätten". Ähnlich die Argumentation in OLG Nürnberg, 16.6.1981, BB 1982, 2073. Zur Rolle des Ersparnisgedankens beim Bereicherungsanspruch im Urheberrecht ausführlich Gieseke, Zur Bereicherungshaftung bei Urheberrechtsverletzungen, GRUR 1958, 17ff. (18 ff.). 56 BGH 24.11.1981, BGHZ 82, 299 ff. (306) (Kunststoffhohlprofil II). 57 BGH 24.11.1981, BGHZ 82,307. 58 Siehe etwa Schricker(-Wild), Urheberrecht, § 97, Rz. 87. 53

54

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Kapitel V: Rechte an

Informationen

werden, wenn der Rechtsinhaber eine Nutzung des Werkes, wie sie vom Rechtsverletzer vorgenommen wurde, für sich selbst geplant hatte und durch die unbefugte Inanspruchnahme des Werkes in einer Erwerbsaussicht gestört worden sei59. Demgegenüber kommt es für die Gewinnherausgabe im Rahmen der dreifachen Schadensberechnungsmethode nicht darauf an, ob der Rechtsinhaber den Gewinn erzielt hätte, den der Rechtsverletzer durch die Inanspruchnahme des fremden Rechts gemacht hat. Dem bereicherungsrechtlichen Gewinnherausgabeanspruch ist entgegenzuhalten, daß der Bereicherungsanspruch sich nicht auf den Verletzergewinn richtet, sondern nach §§ 81211,2. Alt., 818 II BGB nur der Wert der Nutzung in Höhe der angemessenen Lizenzgebühr herauszugeben ist. Eine Gewinnhaftung des Rechtsverletzers ist nur unter den besonderen subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 687 II BGB vorgesehen. Zusammenfassend ist festzustellen, daß das Urheberrecht einen bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt besitzt. Inhalt und Grenzen dieses Zuweisungsgehalts werden durch die Vorschriften des Urhebergesetzes festgelegt.

59 JJlmer, Urheber- und Verlagsrecht, 560; Gieseke, Urheberrechtsverletzungen, GRUR 1958, 20.

Zur Bereicherungshaftung bei

§ 21 D e r Zuweisungsgehalt v o n P a t e n t und Gebrauchsmusterrecht I. Gesetzliche Grundlagen der Zuweisung von Aktions- und Vermögensberechtigung von Patent- und Gebrauchsmusterrecht 1. Gegenstand und Entstehungsvoraussetzungen Patent- und Gebrauchsmusterrecht

von

Patent- und Gebrauchsmuster gewähren ihren Inhabern absolute subjektive Ausschließlichkeitsrechte an Erfindungen. D e r Schutz von Erfindungen ist beiden Arten von Rechten gemeinsam. Das Patentrecht stellt jedoch hinsichtlich der Schutzfähigkeit der Erfindung höhere Anforderungen als das G e brauchsmusterrecht.

a) Patent Das Patent gewährt dem Erfinder gemäß § 9 1 1 P a t G das exklusive R e c h t zur N u t z u n g seiner Erfindung. Patente werden für Geistesschöpfungen, die als Erfindungen zu qualifizieren sind erteilt, wenn diese drei Voraussetzungen erfüllen: - eine Erfindung muß neu sein; - sie m u ß auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und - die Erfindung muß gewerblich anwendbar sein. Das Patentgesetz enthält keine Legaldefinition der Erfindung. D e r B G H versteht unter Erfindung „eine Lehre zum planmäßigen Handeln unter Einsatz beherrschbarer Naturkräfte zur Erreichung eines kausal übersehbaren E r f o l ges" 1 . D e r Hinweis auf die Naturkräfte ist dahin zu deuten, daß der E r f i n dungsbegriff des Patentrechts von vornherein auf das Gebiet der Technik begrenzt ist: das Patentrecht schützt ausschließlich technische Erfindungen 2 . Eine Erfindung erfüllt die Voraussetzungen der Neuheit, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. N a c h § 3 I P a t G zählen alle Kenntnisse zum Stand der Technik, die zum relevanten Zeitpunkt, nämlich dem Tag der Patentanmeldung, der Öffentlichkeit durch mündliche oder schriftliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise bekannt waren. Schließlich muß die 1

2

Siehe B G H 27.3.1969, B G H Z 52, 74 (79) (Rote Taube). Vgl. nur Bernhardt /Kraßer, Lehrbuch des Patentrechts, § 11 I I .

676

Kapitel V: Rechte an

Informationen

Erfindung auf eine erfinderische Tätigkeit zurückgehen, um patentfähig zu sein. Dieses Erfordernis soll sicherstellen, daß der Patentschutz nur Erfindungen offensteht, die eine gewisse Erfindungshöhe aufweisen. Neuerungen hinsichtlich des Standes der Technik, die sich aus der Weiterentwicklung von technischen Kenntnissen und Methoden durch Modifikation bekannter Vorrichtungen und Verfahren ergeben, sollen nicht durch die Einräumung von Patenten geschützt werden. Der Grund für diese Einschränkung der Patentfähigkeit liegt darin, daß die Vorteile, die durch die freie Benutzbarkeit solcher Weiterentwicklungen von Bekanntem in der Allgemeinheit entstehen, beeinträchtigt würden 3 . Der Aspekt des Anreizes und der Belohnung für den Erfinder steht bei solchen Weiterentwicklungen nicht in derselben Weise im Vordergrund wie bei patentfähigen Erfindungen: Die hier angesprochenen Neuerungen entstehen bei der Nutzung bekannter technischer Vorrichtungen und Verfahren. Es besteht daher nicht die Gefahr, daß der technische Fortschritt gehemmt würde, weil solche Neuerungen nicht mehr entwickelt würden. Nach § 4 PatG beruht eine Erfindung auf erfinderischer Tätigkeit (d.h.: sie weist die erforderliche Erfindungshöhe auf), wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Nach § 1 I PatG setzt die Patentfähigkeit einer Erfindung weiterhin voraus, daß die Erfindung gewerblich anwendbar ist. Die gewerbliche Anwendbarkeit einer Erfindung ist gemäß § 5 I PatG dann gegeben, wenn ihr Gegenstand auf irgendeinem gewerblichen Gebiet einschließlich der Landwirtschaft hergestellt und benutzt werden kann. Diese Voraussetzung der Patentierbarkeit von Erfindungen findet ihren Grund darin, daß es die Funktion des Patentrechts ist, die gewerbliche Leistung und das Gewerbewesen zu fördern 4 . Daher sind nur Erfindungen patentfähig, die für den gewerblichen Bereich bedeutsam sind. Ausgeschlossen werden durch diese Voraussetzung nach der Rechtsprechung die freien Berufe wie Rechtsanwälte, Architekten, Arzte 5 . Ebenso ausgeschlossen sind Neuerungen, die lediglich die reine Theorie um neue Methoden und Erkenntnisse erweitern 6 . Für die gewerbliche Nutzbarkeit ist hingegen nicht erforderlich, daß die Erfindung tatsächlich gewerblich genutzt wird oder das dies gar auf profitable Weise geschieht 7 . Während früher derjenige das Patent erwarb, der die Erfindung als erster für sich anmeldete, folgt das deutsche Patentrecht seit dem Patentgesetz von 1936 dem Erfinderprinzip. Dieses ist nunmehr in § 6 PatG niedergelegt. Nach diesem Grundsatz steht dem Erfinder bzw. seinem Rechtsnachfolger das Recht auf das Patent an seiner Erfindung zu. Besondere Regeln gelten hingegen für 3

Bernhardt/Kraßer, Lehrbuch des Patentrechts, § 18 I 1. Hubmann/Gotting, Gewerblicher Rechtsschutz, 128; Benkard(-Bruchhausen), Patentgesetz, § 5, R z . 2; Schulte, PatG, § 5, Rz. 2. 5 Siehe B G H 26.9.1967, N J W 1968, 197 (200). 6 B G H 6.7.1971, B G H Z 57, 1 (8) (Trioxan); Benkard(-Bruchhausen), Patentgesetz, § 5 , R z . 2. 7 Hubmann/Gotting, Gewerblicher Rechtsschutz, 128. 4

§ 21 Zuweisungsgehalt

von Patent-

und

Gebrauchsmusterrecht

677

Erfindungen, die von Arbeitnehmern im Rahmen ihrer arbeitsvertraglichen Tätigkeit gemacht worden sind 8 . Während das Erfinderrecht nach § 6 PatG ein ohne weitere formelle Voraussetzungen entstehendes Recht ist, hat die Patenterteilung durch das Patentamt für die Existenz des Patentrechts konstitutive Bedeutung. Der Patenterteilung geht eine Prüfung der materiellen und formellen Voraussetzungen des Patents durch das Patentamt voraus 9 . Der Erfinder hat die Patenterteilung schriftlich vom Patentamt zu beantragen. Dabei muß ein anderer gemäß § 35 I PatG folgende Elemente enthalten: - ein Antrag auf Patenterteilung, in dem die Erfindung „kurz und genau" bezeichnet ist; - einen oder mehrere Patentansprüche, in denen angegeben wird, was als patentfähig geschützt werden soll; - eine Beschreibung der Erfindung; - die Zeichnungen, auf die sich Patentansprüche oder Beschreibung beziehen. Liegen die Voraussetzungen für die Patenterteilung vor, was das Patentamt durch entsprechende Prüfung zu ermitteln hat, so erteilt es gemäß § 49 PatG dem Anmelder das Patent. Das Gesetz trifft Vorkehrungen für die Publizität des Patents. Die Publizität des Rechts ist aus verschiedenen Gründen von außerordentlicher Bedeutung. Die Erfindung ist eine Information, die - ökonomisch gesehen - die Charakteristiken eines öffentlichen Gutes trägt: nämlich Nicht-Rivalität hinsichtlich des Konsums der Ressource und die Nichtausschließbarkeit 1 0 . Bei Erfindungen liegt die Nicht-Rivalität im Konsum vor. Informationen sind ubiquitär nutzbar. Es ist möglich, daß eine Erfindung von verschiedenen Personen an verschiedenen Orten der Welt genutzt wird, ohne daß sich die Nutzer bei dem simultanen Gebrauch gegenseitig ausschließen (wie bei Sachen). Hinzu kommt, daß der Wert der Erfindungs-Information nicht durch den Gebrauch mehrerer Nutzer abnimmt. Auch das Merkmal der mangelnden Ausschließbarkeit liegt bei der Erfindung als Information vor. Da es sich um einen unkörperlichen Gegenstand handelt, steht die Nutzung der Erfindung grundsätzlich jedermann offen, der ihren Inhalt kennt und ihn anwenden kann. Durch die Immaterialität der Erfindung wird dem Erfinder die Ausschließung Dritter von der Nutzung der Ressource wesentlich erschwert. Eine Ausschlußwirkung des Patents für Dritte kann daher nur dadurch ermöglicht werden, daß der Umstand, daß an einer bestimmten Information ein Ausschließlichkeitsrecht zugunsten ihres Erfinders besteht, allgemein bekannt gemacht wird. Die Publizität des Patents dient aber noch einer anderen 8 Diese sind im Gesetz über Arbeitnehmererfindungen vom 25.7.1957, BGBl. 1957 I 756 enthalten. 9 § 44 I PatG. 10 Siehe Schumann, Grundzüge der mikroökonomischen Theorie, 11; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 87 f.

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Kapitel V: Rechte an

Informationen

Funktion: D i e Allgemeinheit soll über den Inhalt der Erfindung informiert werden, damit sie für die weitere technische Entwicklung auf die Erfindung aufbauen kann 1 1 . Wenn ein Dritter die patentierte Erfindung nutzen möchte, benötigt er dazu eine L i z e n z des Patentinhabers. Es senkt die Transaktionskosten für den Abschluß eines Lizenzvertrages, wenn der Nutzungsinteressierte den Patentinhaber über die Veröffentlichungen des Patentamtes ermitteln kann. Die Veröffentlichung der für eine Patenterteilung relevanten Umstände erfolgt in verschiedenen F o r m e n : N a c h § 58 I P a t G wird die Patenterteilung im Bundespatentblatt veröffentlicht. Mit der Veröffentlichung treten die gesetzlichen Wirkungen des Patents ein. Ferner wird die Publizität des Patents durch die Veröffentlichung der Offenlegungsschrift und der Patentschrift sichergestellt (§ 3 2 1 P a t G ) . D a r ü b e r hinaus wird die Patenterteilung in die Patentrolle beim Patentamt eingetragen. Das Patentamt gewährt nach § 31 I P a t G jedermann Einsicht in die Patentakten.

b)

Gebrauchsmuster

Das Gebrauchsmuster schützt, wie das Patent, eine Erfindung. D e r wesentliche Unterschied zwischen Patent und Gebrauchsmuster liegt darin, daß für die Schutzfähigkeit einer Erfindung an ihre Erfindungshöhe beim Gebrauchsmuster weniger hohe Anforderungen gestellt werden als beim Patent. N a c h § 1 G e b r M G werden als Gebrauchsmuster Erfindungen geschützt, die neu sind, auf einem erfinderischen Schritt beruhen und gewerblich anwendbar sind. Ein erheblicher Unterschied zum Patent ist darin zu sehen, daß Verfahren nicht gebrauchsmusterfähig sind, § 2 Nr. 3 G e b r M G . Das R e c h t an der gebrauchsmusterfähigen Erfindung steht dem Erfinder gemäß § 13 I I I G e b r M G i.V.m. § 6 P a t G zu. Das Gebrauchsmusterrecht entsteht jedoch erst mit der Eintragung des Rechts in der R o l l e für Gebrauchsmuster beim Patentamt ( § 8 1 G e b r M G ) . D i e Eintragung wird auf schriftliche Anmeldung vorgenommen. D i e A n meldung muß - entsprechend den Regelungen bei der Patentanmeldung folgende Elemente enthalten: - einen Antrag auf Eintragung des Gebrauchsmusterrechts mit einer kurzen und genauen Bezeichnung seines Gegenstandes; - die Schutzansprüche des Gebrauchsmusters; - die Beschreibung des Gegenstandes des beantragten Rechts; - die Zeichnungen, auf die sich Schutzansprüche oder Beschreibungen beziehen. Anders als im Patentverfahren werden bei den Verfahren zur Erteilung eines Gebrauchsmusters die materiellen Voraussetzungen des Rechts nicht geprüft; die Prüfung dieser Erfordernisse findet im Verletzungs- oder Löschungsver11

Hubmann /Gotting, Gewerblicher Rechtsschutz, 163.

^ 21 Zuweisungsgehalt

von Patent- und

Gebrauchsmusterrecht

679

fahren statt 1 2 . Das Patentamt nimmt eine Prüfung vor, die sich im wesentlichen auf die formellen Voraussetzungen der Gebrauchsmustereintragung gemäß § 8 1 G e b r M G sowie auf den Ausschluß der Schutzfähigkeit nach §§ 1 II, 2 G e b r M G beschränkt. Liegen diese Voraussetzungen vor, so trägt das Patentamt das Recht in die Rolle für Gebrauchsmuster nach § 8 I G e b r M G ein. D i e vorgenommene E i n tragung wird im Patentblatt veröffentlicht 1 3 . Jedermann hat das R e c h t auf E i n sicht in die Akten des Gebrauchsmusterverfahrens und der etwaigen Löschungsverfahren 1 4 .

2. Der bereicherungsrechtlich relevante Zuweisungsgehalt von Patent- und Gebrauchsmusterrecht D e r bereicherungsrechtlich geschützte Zuweisungsgehalt ergibt sich aus Handlungs- und Vermögensberechtigung des Rechtsinhabers und dem A u s schluß Dritter in Bezug auf den Gegenstand der Rechte. A k t i o n s - und Vermögensberechtigung am Patent- und Gebrauchsmusterrecht und ihre G r e n z e n sind demnach im Folgenden zu umreißen.

a)

Aktionsberechtigung

D i e Aktionsberechtigung umfaßt die ausschließliche Befugnis des R e c h t s inhabers, Handlungen in B e z u g auf die durch das Patent- bzw. G e b r a u c h s mustergesetz geschützten Erfindungen vorzunehmen und andere von der Ausübung der ihm im R a h m e n dieser Befugnis vorbehaltenen Handlungen auszuschließen. N a c h § 9 I P a t G hat das Patent die Wirkung, „daß allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung zu benutzen". Z u m Teil wird die Auffassung vertreten, der Verleihung eines „positiven Benutzungsrechts" an den Patentinhaber bedürfe es nicht, da er bereits im R a h m e n seiner G e w e r b e - und Wettbewerbsfreiheit zur N u t z u n g seiner Erfindung befugt sei 15 . Diese Auffassung trifft nicht zu. § 9 I P a t G verleiht dem Patentinhaber nicht das Recht, seine Erfindung zu benutzen, sondern gewährt ihm - und dies ist ein wesentlicher Unterschied - die Befugnis, das geschützte R e c h t allein zu benutzen. D i e allgemeine wirtschaftliche Handlungsfreiheit ist eine Freiheit, die allen Rechtssubjekten in gleicher Weise zusteht. U m die Ausübung dieser Freiheit geht es aber beim Patentrecht (wie auch bei den anderen absoluten subjektiven Herrschaftsrechten) nicht: D e r Rechtsinhaber besitzt bei solchen Rechten eine Befugnis, die allen anderen Rechtssubjekten 12

13 14 15

Hubmann/Gotting, § 8 III GebrMG. § 8 V GebrMG. Bernhardt/Kraßer,

Gewerblicher Rechtsschutz, 167. Lehrbuch des Patentrechts, § 33 I c) 1.

680

Kapitel V: Rechte an

Informationen

nicht zusteht, und deren Begründung sich daher auch nicht auf die für alle gleiche Handlungsfreiheit stützen kann. D a h e r hat das Gesetz in § 9 I P a t G das „positive Benutzungsrecht" des Patentinhabers ausdrücklich normiert. Eine ähnliche Regelung findet sich auch in § 1 1 1 1 G e b r M G , wonach die Eintragung eines Gebrauchsmusters bewirkt, daß es allein dem Inhaber vorbehalten sei, den Gegenstand des Gebrauchsmusters zu benutzen. Die Regelungstechnik von Patentgesetz und Gebrauchsmustergesetz verfährt dann in der Weise, daß die Gesetze darauf verzichten, die einzelnen exklusiven Befugnisse des Rechtsinhabers in Bezug auf die Benutzung des Rechtsobjektes positiv festzulegen, sondern die Gesetze normieren vielmehr, welche Handlungen Dritten hinsichtlich des geschützten Rechts untersagt sind. Spiegelbildlich ergibt sich daraus der Umfang der Benutzungsbefugnis des Rechtsinhabers. § 9 I Nr. 2 P a t G unterscheidet zwischen Erzeugnis- und Verfahrenspatenten. So dürfen Dritte das Erzeugnis, das durch das Patent geschützt wird, nicht herstellen, anbieten, in Verkehr bringen, gebrauchen oder für diese Z w e c k e importieren oder besitzen. Entsprechende Verbote finden sich für das G e brauchsmuster in § 11 1 2 G e b r M G . In Bezug auf das Verfahrenspatent verbietet § 9 P a t G Dritten, das Verfahren anzuwenden oder - bei Kenntnis des Verbots der Anwendung mangels Zustimmung des Rechtsinhabers - zur Anwendung anzubieten. Ferner dürfen Erzeugnisse, die durch die verbotene Anwendung eines patentrechtlich geschützten Verfahrens unmittelbar hergestellt worden sind, nicht angeboten, in Verkehr gebracht oder gebraucht werden. D a r ü b e r hinaus verbieten § § 1 0 P a t G , 11 II G e b r M G die mittelbare Benutzung geschützter Erfindungen. Von einer mittelbaren Benutzung des Patents- und des Gebrauchsmusters wird dann gesprochen, wenn ein Dritter ohne Zustimmung des Rechtsinhabers Personen, die zur N u t z u n g des Rechts nicht befugt sind, Mittel liefert, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen und die Empfänger damit patentverletzende Handlungen begehen 1 6 . D e r Schutzbereich eines konkreten Patents bzw. eines bestimmten Gebrauchsmusterrechts richtet sich nach den eingetragenen Schutzansprüchen, § § 1 4 P a t G , 12 a G e b r M G .

b) Die Vermögensberechtigung Gebrauchsmusterrecht

des Inhabers von Patent- und

Es ist die F u n k t i o n der Vermögensberechtigung, den Vermögenswert eines rechtlich geregelten Sachverhalts dem Berechtigten ausschließlich zuzuweisen 17 . Eine Vermögensberechtigung ist dann gegeben, wenn dem Berechtigten der Vermögenswert des Sachverhalts gebührt. 16 Siehe zu den patentverletzenden Handlungen Bernhardt/Kraßer, Lehrbuch des Patentrechts, § 33 (auf S. 533 f.); Hubmann/Gotting, Gewerblicher Rechtsschutz, 171 ff. 17 ]. Schmidt, Aktionsberechtigung und Vermögensberechtigung, 57ff.

5 21 Zuweisungsgehalt

von Patent- und

Gebrauchsmusterrecht

681

Patent- und Gebrauchsmusterrecht schaffen in dem Umfang, der gesetzlich vorgesehen ist, ein Alleinrecht des Rechtsinhabers zur Benutzung seiner Erfindung. Die Rechte dienen dazu, den Erfinder für seine Leistung zu belohnen und ihm die Möglichkeit zu geben, die von ihm für die Erfindung gemachten Aufwendungen durch die Nutzung zu erwirtschaften. Auch soll auf diesem Wege ein Anreiz für die Schaffung neuer Erfindungen gesetzt werden. Ebenso wichtig ist aber auch die Wirkung des Patents für die Allgemeinheit, daß der Erfinder seine Erfindung durch die Patenterteilung bekannt macht und damit anderen die Möglichkeit zur (gestatteten) Nutzung und Weiterentwicklung gibt. Das Gesetz räumt dem Rechtsinhaber neben der Aktionsberechtigung auch die Vermögensberechtigung an den geschützten Erfindungen ein. So wird der Erfinder in die Lage versetzt, seine Kosten und Mühen durch eine Verwertung seiner Erfindung zu amortisieren. Die Vermögensberechtigung ergibt sich aus den Vorschriften, die dem Berechtigten die alleinige Befugnis zur wirtschaftlichen Verwertung seines Rechts vorbehalten. Nach § 15 I PatG, § 2 2 1 G e b r M G sind die Rechte vererblich und veräußerlich. Im Unterschied zum Urheberrecht können das Recht auf das Patent, der Patenterteilungsanspruch und das Recht aus dem Patent mit translativer Wirkung übertragen werden. U m ihr Ausschließlichkeitsrecht wirtschaftlich zu verwerten, sind die Rechtsinhaber aber nicht gezwungen, das Patent- oder Gebrauchsmusterrecht mit translativer Wirkung auf einen an der Nutzung des geschützten Gegenstandes Interessierten zu übertragen. Vielmehr kann der Inhaber eines Patent- oder Gebrauchsmusterrechts nach § § 1 5 II PatG, 22 II G e b r M G einem Dritten durch ausschließliche oder einfache Lizenz die Erlaubnis erteilen, den Gegenstand des Patents oder Gebrauchsmusters in der in dem Lizenzvertrag festgelegten und begrenzten Weise zu nutzen 1 8 . Dabei unterscheidet das Gesetz zwischen der einfachen und der ausschließlichen Lizenz. Mit der ausschließlichen Lizenz ist eine Verfügung über die Rechte des Inhabers aus dem Patent verbunden: Der Rechtsinhaber überträgt einen Ausschnitt seiner Berechtigung über das Patent auf den Lizenznehmer. Da der Lizenznehmer durch die Verfügungswirkung der ausschließlichen Lizenz eine unmittelbare Rechtsbeziehung zum immateriellen Rechtsobjekt des Patents erlangt, spricht man von der „dinglichen Wirkung der ausschließlichen Lizenz" 1 9 . D e r Lizenznehmer einer ausschließlichen Lizenz erwirbt ein Ausschließlichkeitsrecht für die ihm zugestandene Nutzung des Gegenstandes des Patentoder Gebrauchsmusterrechts. Dies bedeutet, daß er Dritten und dem Patentinhaber die Nutzung des Patent- oder Gebrauchsmustergegenstandes verbieten kann, sobald ihm das Nutzungsrecht auf Grund des Lizenzvertrages zusteht 2 0 . Daneben darf allein der Lizenznehmer weitere Lizenzen an Dritte erteilen 21 . 18 19 20 21

Siehe dazu Bernhardt/Kraßer, Bernhardt/Kraßer, Lehrbuch Bernhardt/Kraßer, Lehrbuch Bernhardt/Kraßer, Lehrbuch

Lehrbuch des Patentrechts, § 40 V. des Patentrechts, § 40, V c) aa) 1. des Patentrechts, § 40, V c) aa) 1. des Patentrechts, § 40, V d) 2.

Kapitel

682

V: Rechte an

Informationen

Demgegenüber verschafft die einfache L i z e n z ihrem Inhaber lediglich einen Anspruch gegen den Inhaber des Patents oder des Gebrauchsmusterrechts auf die Duldung der N u t z u n g des Rechtsobjekts durch den Lizenznehmer in dem U m f a n g , der im Lizenzvertrag vereinbart wurde 2 2 . Verletzt ein Dritter den Schutzbereich des Patents oder Gebrauchsmusterrechts, soweit der L i z e n z nehmer einer einfachen L i z e n z zur N u t z u n g befugt ist, so kann dieser gegen den Rechtsverletzer nicht unmittelbar einen Anspruch geltend machen. Dies kann nur der Rechtsinhaber selbst. D e r Lizenznehmer muß sich von ihm entsprechende Ansprüche abtreten lassen, bzw. der Lizenznehmer müßte dessen Interessen im gerichtlichen Verfahren im Wege der gewillkürten P r o z e ß standschaft wahrnehmen.

3. Grenzen

des Zuweisungsgehalts von Patent- und Gebrauchsmusterrecht

A k t i o n s - und Vermögensberechtigung des Inhabers von Patenten und G e brauchsmustern werden nicht nur durch die positive Nutzungsbefugnis des Rechtsinhabers und das negative Nutzungsverbot für Dritte bestimmt; der Inhalt des Zuweisungsgehalts an dem Gegenstand dieser Rechte, nämlich der Erfindung, wird auch durch die Schranken und Begrenzungen der Rechte festgelegt, die das Gesetz zur Wahrung gewisser Interessen vorsieht und die hier kurz dargestellt werden sollen.

a) Zeitliche Grenzen der Rechte Wie schon oben erwähnt, handelt es sich bei Erfindungen, die immateriellen Charakter tragen, um öffentliche Güter, die erst durch die Schaffung eines gesetzlichen Schutzsystems zum Gegenstand privater Ausschließlichkeitsrechte gemacht werden. Ein Z w e c k dieser Rechte liegt darin, dem Erfinder durch die Gewährung eines exklusiven Rechts zu ermöglichen, die Kosten und Mühen, die er für seine erfinderische Leistung aufwenden mußte, durch die wirtschaftliche Verwertung seiner Erfindung, d. h.: durch den marktlichen Tauschmechanismus, zu erwirtschaften. D i e Allgemeinheit hat ein Interesse daran, daß zum einen ein Anreiz zur Schaffung innovativer Erfindungen gegeben wird und zum anderen dann, wenn der Erfinder einen angemessenen Zeitraum zur Erwirtschaftung seiner A u f wendungen gehabt hat, der Allgemeinheit die Erfindungen zur N u t z u n g frei zur Verfügung stehen. D a h e r begrenzt das Gesetz die zeitliche D a u e r der Ausschließlichkeitsrechte an Patent und Gebrauchsmuster. G e m ä ß § 16 P a t G beträgt die Schutzdauer des Patents zwanzig Jahre seit der Anmeldung. D e r

22

Bernhardt/Kraßer,

Lehrbuch des Patentrechts, § 40, V c) bb).

5 21 Zuweisungsgehalt

von Patent- und

Gebrauchsmusterrecht

683

Gebrauchsmusterschutz dauert hingegen nur drei Jahre, kann aber durch Verlängerung auf maximal zehn Jahre ausgedehnt werden.

b) Erschöpfungsgrundsatz Soweit sich die Erfindung, die Gegenstand eines Patent- oder Gebrauchsmusterrechts ist, in einer Sache verkörpert, ergibt sich zwischen der Wirkung des Immaterialgüterrechts und dem Herrschaftsrecht des Eigentümers an der Sache ein Konflikt. Der Inhaber des Patent- oder Gebrauchsmusterrechts soll den vollen wirtschaftlichen Nutzen aus seiner Erfindung ziehen können. Dazu gehört auch, daß er auf Grund seiner Nutzungsbefugnisse auf Gegenstände zugreifen kann, die rechtswidrig in den Verkehr gelangt sind und die bereits mehrere Verwertungsakte durchlaufen haben. Allerdings spricht das Verkehrsinteresse dafür, daß ein Gegenstand, der eine durch Patent- oder Gebrauchsmuster geschützte Erfindung verkörpert und der rechtmäßig, d.h. mit Zustimmung des Inhabers des Patent- oder Gebrauchsmusterrechts in den Verkehr gelangt ist, verwendet werden darf, ohne daß der Rechtsinhaber für jede neue Nutzungshandlung, etwa: Weiterveräußerung, vom Sacheigentümer ein Entgelt verlangen kann. Anderenfalls würde der Rechtsverkehr mit solchen Gegenständen unzumutbar belastet. Die Entwicklung dieses sogenannten Erschöpfungsgrundsatzes geht auf J. Kohler23 zurück. Bei Erzeugnispatenten tritt nach der Rechtsprechung die Erschöpfung ein, wenn die dem Schutzrecht unterliegenden Gegenstände rechtmäßig in den Verkehr gelangt sind. Der Erwerber darf den Gegenstand nutzen, weiter veräußern etc. 24 . Denn mit dem Inverkehrbringen hat der Inhaber des Schutzrechts seinen Erfinderlohn erhalten. Bei Verfahrenspatenten wirkt sich der Erschöpfungsgrundsatz dahingehend aus, daß die Nutzung der unmittelbar auf Grund des Verfahrens hergestellten Erzeugnisse ohne Entgelt an den Erfinder möglich ist, wenn die betreffenden Gegenstände rechtmäßig, d.h. mit Billigung des Rechtsinhabers, in Verkehr gelangt sind 25 .

c)

Vorbenutzung

Eine weitere Beschränkung des Zuweisungsgehalts des Patent- und Gebrauchsmusterrechts ist die Vorbenutzung gemäß § 12 PatG, § 13 III GebrMG. Danach tritt die Wirkung des Patents bzw. des Gebrauchsmusters nicht gegenüber einem Nutzer der Erfindung ein, der die Erfindung bereits vor der Anmeldung im Inland benutzt oder die zur Zeit der Nutzung erforderlichen Vorkehrungen getroffen hatte. 23

452 f.

Kohler, Lehrbuch des Patentrechts, 131 ff.; ders., Handbuch des deutschen Patentrechts,

24 Siehe B G H 8.3.1973, G R U R 1973, 520 (Spielautomat II); B G H 24.9.1979, G R U R 1980, 38 (39) (Fullplastverfahren). 25 R G 26.3.1902, R G Z 51, 139 (140).

684

Kapitel V: Rechte an

d) Weitere Beschränkungen

Informationen

zugunsten privater

Interessen

§§ 11 Nr. 1-3 PatG, § 12 Nr. 1 und 2 GebrMG sehen einige Beschränkungen von Patent- und Gebrauchsmusterrecht zugunsten privater Nutzungsinteressen vor. So entfalten Patent- und Gebrauchsmuster keine Wirkung auf Nutzungen, die im privaten Bereich zu nicht gewerblichen Zwecken oder zu Versuchszwecken vorgenommen werden. Diese Handlungen können also ohne Entgeltpflicht des Nutzers gegenüber dem Rechtsinhaber ausgeführt werden. Das Patentrecht erfaßt darüber hinaus nach § 11 Nr. 3 PatG auch nicht die unmittelbare Einzelzubereitung von Arzneimitteln in Apotheken nach ärztlicher Verordnung.

e) Beschränkungen von Patent- und im öffentlichen Interesse

Gebrauchsmusterrecht

§§13 PatG, 13 III GebrMG gestatten es der Bundesregierung anzuordnen, daß eine Erfindung im Interesse der öffentlichen Wohlfahrt benutzt werden soll. Eine solche Anordnung kann etwa dann ergehen, wenn die Patentnutzung z.B. zur Seuchenabwehr oder in ähnlichen Notfällen geboten erscheint 26 . Diese Befugnis ist Ausdruck der Sozialbindung von Patent- und Gebrauchsmusterrecht gemäß Art. 14 II GG. Allerdings steht dem Inhaber von Patent- und Gebrauchsmusterrecht in einem solchen Fall der Inanspruchnahme seines Rechts im öffentlichen Interesse eine angemessene Vergütung gemäß § 13 III PatG zu. Eine Beschränkung von Patent- und Gebrauchsmusterrecht liegt auch in der nach §§ 24 I PatG, 20 GebrMG zulässigen Erteilung einer Zwangslizenz im öffentlichen Interesse. Auch diese Vorschriften sind als Ausdruck der Sozialbindung nach Art. 14 II G G aufzufassen 27 . Abschließend ist festzustellen, daß Patent- und Gebrauchsmusterinhaber ein umfassendes Nutzungsrecht ihrer Erfindung besitzen, welches allerdings durch die genannten Beschränkungen begrenzt ist. In diesen Grenzen steht dem Rechtsinhaber die Benutzung seines Rechts und der Wert dieser Nutzung zu; nimmt ein Dritter eine Benutzungshandlung vor oder realisiert er den Wert einer Benutzung, so hat er die Benutzung zu unterlassen bzw. den erlangten Wert an den Rechtsinhaber herauszugeben.

26 27

Siehe dazu Benkard(-Bruchhausen), Patentgesetz, § 13 Rz. 3. Siehe Hubmann/Gotting, Gewerblicher Rechtsschutz, 186.

§ 21 Zuweisungsgehalt

von Patent- und

685

Gebrauchsmusterrecht

II. Der Schutz des Zuweisungsgehalts von PatentGebrauchsmusterrecht im Spiegel der hoch strich terlich en Rech tsprechung 1. Die anfängliche Ablehnung bereicherungsrechtlichen durch die Rechtsprechung des Reichsgerichts

und

Schutzes

Wie oben 2 8 bereits ausgeführt, lehnte das R G die Anwendung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion zum Zweck der Herausgabe von Vermögensvorteilen, die aus der unbefugten Inanspruchnahme eines fremden Patent- oder G e brauchsmusterrechts vom Rechtsverletzer entstanden waren, ab. Diesen Ausschluß begründete das R G damit, daß das Patentgesetz die Folgen einer Verletzung dieses Rechts abschließend habe regeln wollen 2 9 . Im Patentgesetz vom 25.5.1877 und auch im Gebrauchsmustergesetz vom 1.10.1891 waren ausschließlich Entschädigungsansprüche, nicht aber Bereicherungsansprüche gegen den Rechtsverletzer geregelt. Daß das R G den Ausschluß des Anspruchs aus Eingriffskondiktion dennoch mit dem Hinweis auf die Ausschließlichkeit der in den Gesetzen enthaltenen Schadensersatznorm(!) rechtfertigte, ist nur so erklärlich, daß für den Anspruch aus Eingriffskondiktion auf der dogmatischen Grundlage der Vermögensverschiebungstheorie das Erfordernis des Schadens des Kondizienten galt, und der Bereicherungsanspruch daher als ein so enger Verwandter des Schadensersatzanspruchs angesehen wurde, daß er von der Ausschließlichkeit der Schadensersatznorm des Patentund Gebrauchsmusterrechts mitumfaßt sein sollte. Als diese Entscheidung getroffen wurde (1886), war das B G B noch nicht in Kraft getreten. Es steht zu vermuten, daß der Ausschluß der Bereicherungsansprüche, die Teil des Partikularrechts bzw. des in den Staaten des Deutschen Reichs geltenden gemeinen Rechts waren, von der Befürchtung des R G getragen war, daß ihre Zulassung die reichsrechtliche Vereinheitlichung des Immaterialgüterrechts wieder - jedenfalls für den Bereich der Rechtsverletzungen - in Frage stellen könnte. U b e r seine Motive hat das Gericht aber keine Aufklärung gegeben. Anders als beim Urheberrecht hat das R G auch nach dem Inkrafttreten des B G B - als keine Gefahr der „Auflösung" reichseinheitlichen Rechts durch die partikularrechtlichen Bereicherungsansprüche mehr bestand - an dem Ausschluß der Eingriffskondiktion bei den sonstigen Immaterialgüterrechten festgehalten 30 . Als Begründung zieht das R G in einer Entscheidung zur Zulassung des Bereicherungsanspruchs im Urheberrecht ein systematisches Argument heran: Es weist darauf hin, daß nach § 18 V I U r h G vom 11.6.1870 der Rechtsverletzer „für den entstandenen Schaden nur bis zur H ö h e seiner Bereicherung" haftet. Siehe oben Kapitel V § 191. R G 5.2.1886, R G Z 15,171 (132) (Flaschenverschlüsse); R G 31.12.1898, R G Z 43, 56 (58) (Maischevergährung). 30 R G 22.12.1913, J W 1914, 406, Nr. 8; R G 6.11.1929, MuW 1930, 24. 28

29

686

Kapitel V: Rechte an

Informationen

Diese Vorschrift war im Urhebergesetz vom 19.6.1901 weggefallen. Da aber bereits im alten Gesetz eine Bezugnahme auf den Bereicherungsanspruch vorhanden gewesen sei, könne aus dessen Fortfall nicht der Schluß gezogen werden, daß die allgemeinen Bereicherungsvorschriften des bürgerlichen Rechts keine Anwendung finden sollten. Diese seien vielmehr nicht ausgeschlossen 31 . Da im Patent-, Gebrauchsmuster- und Warenzeichenrecht vor Inkrafttreten des BGB ein solcher Bezug auf das Bereicherungsrecht nicht vorhanden gewesen war, konnte die Ausdehnung des Bereicherungsanspruchs im Immaterialgüterrecht auf das Urheberrecht beschränkt bleiben. N u r am Rande sei darauf hingewiesen, daß es sich bei dem Anspruch aus § 18 VI des U r h G vom 11.6.1870 überhaupt nicht um einen Bereicherungsanspruch handelte, sondern um einen Schadensersatzanspruch, bei dem lediglich die Höhe des Schadens auf die beim Rechtsverletzer eingetretene Bereicherung beschränkt war. Der Funktion der Eingriffskondiktion wurde - was die Rechtsfolgen anging - durch die zweite Schadensberechnungsmethode im Rahmen der DSB übernommen; allerdings stand die Gewährung einer angemessenen Lizenzgebühr im Rahmen des Schadensersatzanspruchs unter der Voraussetzung schuldhaften Handelns des Rechtsverletzers. Die Rechtsprechung des RG traf auf ein überwiegend kritisches Echo im Schrifttum, welches im Laufe der Zeit immer weniger bereit war, diese Rechtsprechung von Begründung und Ergebnis her mitzutragen. Kritik am Ausschluß des Bereicherungsanspruchs bei Verletzungen des Patent- und Gebrauchsmusterrechts wurde sowohl im patentrechtlichen Spezialschrifttum 32 als auch im bereicherungsrechtlichen Schrifttum geübt. Insbesondere auf der Grundlage der neueren dogmatischen Grundansätze der Rechtswidrigkeit des Verletzerhandelns 33 und des Zuweisungsgehalts absoluter subjektiver Rechte 34 wurde die Anwendung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion gefordert, wenn eine unbefugte Inanspruchnahme eines fremden Patent31

RG 9.6.1928, R G Z 121, 248 (260f.) (Frauenberufe). Stern, Der Bereicherungsanspruch gegen den Patentverletzer, GRUR 1910,316 ff.; Riezler, Deutsches Urheber- und Erfinderrecht, 137ff.; Callmann, Der unlautere Wettbewerb, 123 ff.; Isay, Patentgesetz, Vorbemerkung vor § 35 Rz. 5; Pinzger, Der Bereicherungsanspruch im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, G R U R 1927, 269 ff. (270 f.); Sterner, Zum Bereicherungsbegriff des neuen Patentgesetzes (§ 48 Satz 2 BG.), G R U R 1937, 339ff. A.A. Allfeld, Patentgesetz, Vorbem. 5 zu § 35 Patentgesetz; Seligsohn, Die Bereicherung im Patentrecht, G R U R 1928, 642 ff. (675 f.); Kisch, Schadensersatz und Bereicherung bei Patentverletzung, LZ 1927, 667 ff.; ders., Bereicherungsanspruch bei gutgläubiger Patentverletzung, FS zum 50jährigen Bestehen des Reichspatentamtes, 92 ff.; Hoepffner, Haftung des Patentverletzers wegen ungerechtfertigter Bereicherung?, G R U R 1972, 237ff.; Busse, Patentgesetz, § 47, Anm. 18; Klauer/Möhring, Patentrecht II, § 47, Rz. 26. 33 Schulz, System der Rechte auf den Eingriffserwerb, AcP 105 (1909), 49ff.; Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung in der Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 67 ff. 34 Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 40 ff.; v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubter Handlung, FS Rabel I, 354 f. 32

§ 21 Zuweisungsgehalt

von Patent- und

Gebrauchsmusterrecht

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oder Gebrauchsmusterrechts zu Vorteilen auf der Seite des Rechtsverletzers geführt hat. Selbst Autoren, die auf dem Boden der alten Vermögensverschiebungstheorie standen, votierten für die Anwendung der Eingriffskondiktion im Bereich von Patent- und Gebrauchsmusterrecht 3 5 .

2. Die Integration des Patent- und Gebrauchsmusterrechts in den Schutzbereich der Eingriffskondiktion Trotz dieser Kritik an einem Ausschluß des Anspruchs aus Eingriffskondiktion bei Patent- und Gebrauchsmusterverletzungen hat der B G H erst im Jahre 1976 durch seine Kunststoffhohlprofil I-Entscheidung die Rechtsprechung des R G aufgegeben und den Bereicherungsanspruch bei schuldloser Rechtsverletzung auf dem Gebiet des Patent- und Gebrauchsmusterrechts zugelassen 36 . D e r B G H stellt dabei fest, daß die Argumente für den Ausschluß des Bereicherungsrechts auf dem Gebiet des Patent- und Gebrauchsmusterrechts nicht haltbar sind. So weist das Gericht richtig darauf hin, daß hinsichtlich des Tatbestands, der Rechtsfolgen und der Funktionen vom Deliktsrecht einerseits und Eingriffskondiktion andererseits so tiefgreifende Unterschiede bestehen, daß ein Ausschluß des Bereicherungsanspruchs deshalb, weil das Gebrauchsmustergesetz mit dem in ihm geregelten Schadensersatzanspruch alle zivilrechtlichen Ansprüche wegen Verletzung des Gebrauchsmusterrechts abdecke, unzutreffend sei 37 . D e r B G H setzt sich in großer Ausführlichkeit mit den gesetzessystematischen Argumenten gegen die Bereicherungshaftung im Patent- und Gebrauchsmusterrecht auseinander und widerlegt sie auf überzeugende Weise. Darüber hinaus hält er aber auch rechtspolitische Einwände für nicht stichhaltig, die gegen die Anwendung der Eingriffskondiktion erhoben werden 3 8 . So könne dem Bedenken, der Rechtsinhaber sei in der Lage, den Bereicherungsanspruch dadurch zu mißbrauchen, daß er ruhig zusehe, wie ein anderer sein Recht nutze, um dann das auf diese Weise Erlangte herauszuverlangen, mit den Grundsätzen unzulässiger Rechtsausübung begegnet werden. Auch die Befürchtung, der mit dem Bereicherungsanspruch verbundene Anspruch auf Rechnungslegung könne zu Geschäftsspionage führen, sei nicht begründet: Die Geschäftsunterlagen der beklagten Partei könnten von einer zur Verschwiegenheit verpflichteten Vertrauensperson geprüft werden. 35 v. Mayr, Der Bereicherungsanspruch des deutschen bürgerlichen Rechts, 80 f.; Orth, Die Bereicherung im Patentrecht, 57 ff.; Kreßner, Der Bereicherungsanspruch des Patentinhabers, 35 ff.; Bickenbach, Bereicherungsansprüche bei Verletzung von Urheber- und Patentrechten, 9 ff.; Guilleaume, Ungerechtfertigte Bereicherung, die nicht durch eine Leistung bewirkt ist und auch keine Änderung der Rechtslage zur Folge hat, 22 ff. 36 B G H 30.11.1976, B G H Z 68, 90 (Kunststoffhohlprofil I). 37 B G H 30.11.1976, B G H Z 68, 94 f. 38 B G H 30.11.1976, B G H Z 68, 99.

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Kapitel V: Rechte an

Informationen

Insgesamt k o m m t der B G H zu folgendem Ergebnis: „Andererseits ist es mit Recht und Billigkeit nicht zu vereinbaren, daß der Schutzrechtsverletzer unangefochten behalten soll, was er durch eine widerrechtliche Verletzungshandlung erlangt hat. Das Patent- und Gebrauchsmusterrecht weist die gewerbliche Nutzung allein dem Schutzrechtsinhaber zu. Wer ohne Einwilligung des Berechtigten dessen Schutzrecht gewerblich nutzt, handelt rechtswidrig; er ist gemäß §§ 812 ff. B G B zur Herausgabe der ihm aus der Verletzungshandlung erwachsenen Bereicherung verpflichtet" 39 . In der Kunststoffhohlprofil I-Entscheidung klingt zwar bereits die Heranziehung der Lehre v o m Zuweisungsgehalt des Patent- bzw. Gebrauchsmusterrechts an; der B G H vermeidet es jedoch, sich zu einer bestimmten dogmatischen Grundlage des Bereicherungsanspruchs zu bekennen. Erst in einer weiteren (ebenfalls grundlegenden) Entscheidung in derselben Sache 4 0 stellt sich der B G H für die Bestimmung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion auf den Boden der Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte 4 1 . Zugleich macht das Gericht deutlich, daß als das Erlangte bei der Verletzung von Immaterialgüterrechten der G e b r a u c h des Immaterialrechts selbst anzusehen ist 4 2 . D e r Anspruch des Kondizienten sei nach § 818 II B G B auf die Zahlung einer angemessenen Lizenz zu begrenzen, erstrecke sich aber nicht auf den v o m Verletzer erzielten Gewinn 4 3 . D e r Anspruch auf Eingriffskondiktion bei der unbefugten Inanspruchnahme von fremden Patent- und Gebrauchsmusterrechten ist heute in Rechtsprechung und Literatur anerkannt. In der Kunststoffhohlprofil I-Entscheidung ging es u m die unbefugte Inanspruchnahme eines fremden Gebrauchsmusterrechts. In einem wenig später ergangenen U r teil erkannte der B G H nunmehr auch ausdrücklich den bereicherungsrechtlichen Schutz des Patentrechts an 4 4 . Aus der Sicht der Zuweisungsgehaltslehre ist die Einbeziehung von Patentund Gebrauchsmusterrechten in den Schutzbereich der Eingriffskondiktion zwingend. D e n n diese Rechte gewähren ihrem Inhaber ausschließliche Befugnisse, den Gegenstand des Rechts zu nutzen und den wirtschaftlichen Wert der Erfindung zu realisieren. N i m m t ein nichtberechtigter Dritter Handlungen vor, die diese ausschließlichen Befugnisse des Rechtsinhabers verletzen, so hat er dem Rechtsinhaber gemäß § 812 I 1, 2. Alt. B G B das Erlangte, nämlich die N u t z u n g des jeweiligen Immaterialgutes herauszugeben. In §§ 139 II P a t G , 24 II G e b r M G ist der Schadensersatzanspruch des Rechtsinhabers gegenüber schuldhaft handelnden Rechtsverletzern geregelt. Anders als in §§ 97 I I I U r h G , 14a II G e s c h m M G sehen diese Vorschriften nicht vor, daß Ansprüche aus 39 40 41 42 43 44

B G H 30.11.1976, B G H Z 68, 99. B G H 24.11.1981, B G H Z 82, 299 (Kunststoffhohlprofil II). B G H 24.11.1981, B G H Z 82, 299 (306) (Kunststoffhohlprofil II). B G H 24.11.1981, B G H Z 82, 307. B G H 24.11.1981, B G H Z 82, 305. B G H Z 21.9.1978, G R U R 1978, 48 (50) (Straßendecke).

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von Patent- und

Gebrauchsmusterrecht

689

anderen gesetzlichen Vorschriften unberührt bleiben. Trotz des Fehlens einer ausdrücklichen Verweisung auf die allgemeinen Bereicherungsvorschriften rechtfertigt der Umstand, daß es sich bei Patent- und Gebrauchsmusterrecht um Positionen mit Zuweisungsgehalt handelt, die Anwendbarkeit von § 81211,2. Alt. BGB. Zu Recht beschränkt der B G H den Gegenstand des Herausgabeanspruchs nach § 812 I 1, 2. Alt., § 818 II BGB auf die Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr 45 . Aus dieser Beschränkung ergibt sich eine gewisse Begrenzung der Anwendbarkeit des Anspruchs aus Eingriffskondiktion insgesamt. Die Lizenzanalogie stellt auf eine Situation ab, in der der Eingreifer das Patent- und Gebrauchsmusterrecht nicht nur durch die Herstellung der geschützten Gegenstände, sondern durch deren Veräußerung am Markt beeinträchtigt hat. Liegt eine Vermarktung der Gegenstände noch nicht vor, hat der Eingreifer aber die Gegenstände bereits hergestellt, so wird das Recht des Patent- oder Gebrauchsmusterrechtsinhabers ausreichend durch den Unterlassungsanspruch (§§ 139 I PatG, 24 I GebrMG) davor geschützt, daß sein Interesse an der ausschließlichen Wahrnehmung der mit der Vermarktung verbundenen Erwerbschancen beeinträchtigt wird. Darüber hinaus hat der Patent- oder Gebrauchsmusterrechtsinhaber einen Anspruch auf Vernichtung der Sachen, die unter Verletzung seines Rechts hergestellt worden sind, es sei denn die Rechtsverletzung kann auf andere Weise beseitigt werden oder die Vernichtung stellt im Einzelfall für den Verletzer eine unverhältnismäßige Belastung dar 46 . Mit der Herstellung des patent- oder gebrauchsmusterrechtlich geschützten Gegenstandes greift der Rechtsverletzer zwar in die Aktionsberechtigung des Rechtsinhabers ein. Da die Herstellung der geschützten Gegenstände dem Rechtsinhaber vorbehalten ist und er diese Befugnis gegen Entgelt auf Dritte übertragen kann, liegt in der Herstellung der Gegenstände auch ein Eingriff in die Vermögensberechtigung des Rechtsinhabers. Allerdings ist die Rechtsfolge der Eingriffskondiktion in den Fällen des Eingriffs in Immaterialgüterrechte nach §§ 812 11, 2. Alt., 818 II BGB, nämlich die analoge Lizenzgebühr, darauf ausgerichtet, daß der Rechtsverletzer über den reinen Prozeß der Herstellung des Gegenstands hinaus - die im wesentlichen Kosten verursacht - Verwertungshandlungen vornimmt. Das aufgrund der Rechtsverletzung Erlangte kann entweder in der Eigennutzung oder in der Veräußerung der hergestellten geschützten Gegenstände an Dritte liegen. Die Herstellung stellt sich als Vorbereitungshandlung zu den genannten Nutzungsformen dar. Die bereicherungsrechtliche Lizenzanalogie setzt voraus, daß es entweder zur Eigennutzung oder zur Vermarktung der patentverletzend hergestellten Gegenstände gekommen ist. Es wird versucht, die Situation herzustellen, die bestehen würde, wenn der Rechtsverletzer durch Rechtsgeschäft vom Rechtsinhaber die

45 46

B G H 24.11.1981, B G H Z 82, 305. § 140a PatG; § 24a GebrMG.

690

Kapitel V: Rechte an

Informationen

Befugnis erworben hätte, die geschützten Gegenstände zu benutzen bzw. an Dritte zu veräußern. Ist es jedoch über die Herstellung hinaus noch nicht zu einem Nutzungsvorgang gekommen, so kann der Rechtsverletzer nach der Rechtslage die Gegenstände nicht mehr zur Eigennutzung oder zur Veräußerung an Dritte verwenden. In solchen Fällen ist dem Rechtsschutz mit einem Unterlassungs- bzw. Vernichtungsanspruch genüge getan. Ein Anspruch aus Eingriffskondiktion auf Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr besteht nicht, da Nutzungshandlungen, die die Zahlung einer Lizenz auslösen könnten, vom Rechtsverletzer noch nicht vorgenommen wurden.

§ 22 Der Zuweisungsgehalt des Geschmacksmusterrechts Das Patent- und Gebrauchsmusterrecht schützen Erfindungen auf technischem Gebiet; darüber hinaus besteht aber auch ein Interesse von Urhebern ästhetischer Formgebungen am Schutz ihrer Schöpfungen. Diese werden nicht vom Patent- und Gebrauchsmusterschutz erfaßt, weil sie keine technischen Erfindungen darstellen. Vom Urheberrecht werden die gewerblich-ästhetischen Formschöpfungen aber auch nicht geschützt, weil sie häufig nicht den Grad an Individualität aufweisen, die ein Werk der Kunst voraussetzt. Für gewerbliche Muster und Modelle, die oft unter erheblichem Aufwand von Kosten und Mühen geschaffen werden, sieht daher das Geschmacksmustergesetz einen Schutz vor.

I. Gegenstand und Entstehung des

Geschmacksmusterrechts

Aufgabe des Geschmacksmusterrechts ist der Schutz von Urhebern, die ästhetische Formgebungen zu gewerblichen Zwecken schaffen. Es kann sich bei solchen Schöpfungen z.B. um Kleiderschnitte, Stoff- und Tapetenmuster, Schmuckstücke, Formgebungen von Flaschen, Vasen etc. sowie sonstiger Glasund Keramikgegenstände handeln 1 . § 1 GeschmMG spricht von Mustern und Modellen, wobei unter Mustern zweidimensionale Flächenformen, unter Modellen dreidimensionale Raumformen verstanden werden. Gelegentlich wird allerdings der Begriff des Musters als Oberbegriff verwendet. Die Schutzfähigkeit eines Musters oder Modells nach dem GeschmMG setzt zunächst voraus, daß es sich bei dem zu schützenden Gegenstand um - ein Objekt mit einer bestimmten Formgebung handelt, die äußerlich als Flächen- oder Raumform in Erscheinung tritt - und dieses Modellfähigkeit besitzt, d.h. als Vorlage für Nachbildungen dienen kann. Anders als das Urheberrecht will das Geschmacksmusterrecht nicht das künstlerische Wirken, sondern das Gewerbewesen fördern. Die Schutzfähigkeit eines Musters oder Modells setzt daher voraus, daß es gewerblich nutzbar ist. Das Muster muß einen gewissen ästhetischen Gehalt aufweisen; Gegen1

Siehe Hubmann/Gotting,

Gewerblicher Rechtsschutz, 230.

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Kapitel V: Rechte an

Informationen

stände, die ihrer N a t u r nach einen solchen Gehalt nicht besitzen, sind nicht als Geschmacksmuster schutzfähig 2 . D i e Schutzfähigkeit eines Musters oder Modells setzt weiterhin nach § 1 II des G e s c h m M G seine Neuheit voraus. Schließlich verlangt § 1 II G e s c h m M G , daß das Muster oder Modell eigenartig ist. Während die Neuheit dann gegeben ist, wenn sich alle Muster und Modelle von bereits bekannten unterscheiden, erfordert die Eigenartigkeit, daß die Gestaltung des Musters oder Modells über das hinausreicht, was der Durchschnittsmensch erschaffen kann. D i e Gestaltung des Musters oder Modells m u ß auf eine individuelle Leistung zurückgehen, deren geringere Ausprägung das Gebrauchsmuster v o m künstlerischen Werk unterscheidet. D i e Leistung, auf der der ästhetische Gehalt des Musters beruht, muß selbständig sein, wobei die Ü b e r n a h m e fremder F o r m e n der Schutzfähigkeit nicht schadet, wenn im Ergebnis ein Muster oder Modell mit neuer und eigenartiger ästhetischer Gestaltung entsteht 3 . M i t der Schaffung des Musters oder Modells erwirbt der U r h e b e r bereits eine Anwartschaft auf das Geschmacksmuster. D i e Vollendung des Rechts tritt jedoch erst ein, wenn das R e c h t im Musterregister eingetragen ist. D i e Eintragung erfolgt gemäß § 7 1 G e s c h m M G auf Antrag des Urhebers. Mit der Anmeldung hat der U r h e b e r eine fotografische oder sonstige graphische Darstellung des Musters zu hinterlegen, § 7 II Nr. 2 G e s c h m M G . In bestimmten Fällen ist gemäß § 7 V I G e s c h m M G auch die Einreichung eines Musters oder Modells zugelassen. Aufgrund der Anwendung trägt das Patentamt das Muster in das Musterregister ein und macht es durch Veröffentlichung im Geschmacksmusterblatt nach § 8 II G e s c h m M G bekannt.

II. Der Zuweisungsgehalt 1.

des

Geschmacksmusterrechts

Aktionsberechtigung

§ 1 1 G e s c h m M G weist dem Urheber des Geschmacksmusters ein ausschließliches Recht an dem Muster oder Modell zu. D e r Inhalt des Rechts wird durch § 5 G e s c h m M G in der Weise näher bestimmt, daß festgelegt wird, welche Handlungen Dritte nicht in Bezug auf das Muster oder Modell vornehmen dürfen. Grundsätzlich ist Dritten verboten, geschützte Muster oder Modelle in der Absicht herzustellen, diese zu verbreiten. Verboten ist auch die Verbreitung der Nachbildungen. Nachbildungen sind auch dann untersagt, wenn sie durch ein anderes Verfahren erzeugt worden sind als das Original. U m eine verbotene Nachbildung handelt es sich gemäß § 5 Nr. 2 G e s c h m M G ebenfalls dann, wenn die Nachbildung zwar Abweichungen aufweist, diese aber unerheblich sind oder sich Original und Nachbildung nur durch die Abmessungen unterschei2

3

B G H 16.10.1986, G R U R 1987, 518 (519) (Kotflügel). Hubmann/Gotting, Gewerblicher Rechtsschutz, 234 f.

5 22 Zuweisungsgehalt

des

Geschmacksmusterrechts

693

den. Schließlich gilt auch als verbotene Nachbildung, wenn diese nach einer Kopie und nicht nach einem Originalwerk hergestellt wurde.

2.

Vermögensberechtigung

Dem Urheber steht an seinem Geschmacksmuster auch die Vermögensberechtigung zu. Er ist exklusiv, d.h. unter Ausschluß aller anderen Rechtssubjekte befugt, den wirtschaftlichen Nutzen aus seinem Geschmacksmusterrecht zu ziehen. Das Geschmacksmusterrecht ist gemäß § 3 G e s c h m M G veräußerlich und vererblich. Es kann beschränkt oder unbeschränkt durch Vertrag oder letztwillige Verfügung auf andere übertragen werden. Der Umfang der Übertragung kann - je nach den Bedürfnissen der Beteiligten und ihren Vereinbarungen - unterschiedlich ausgestaltet sein. In Betracht kommt eine Übertragung des Rechts mit translativer Wirkung, d. h., das Recht geht vom Veräußerer auf den Erwerber in der Weise über, daß der Veräußerer das Recht verliert. Die Veräußerung erfolgt nach §§ 398, 413 B G B durch Abtretung. Daneben kommt aber auch eine zeitlich, räumlich oder inhaltlich beschränkte Übertragung des Rechts in Betracht. Der Rechtsinhaber kann im Wege der einfachen oder ausschließlichen Lizenz die einzelnen Nutzungsrechte oder die gesamte Nutzung auf einen Lizenznehmer übertragen 4 . Die Befugnisse zur wirtschaftlichen Verwertung des Geschmacksmusters stehen seinem Inhaber allein zu.

3. Grenzen des a) Zeitliche

Zuweisungsgehalts

Grenze

Der Schutz des Geschmacksmusterrechts ist zeitlich begrenzt. Die Schutzdauer beträgt nach § 9 1 G e s c h m M G fünf Jahre ab Anmeldung und kann gemäß § 9 Abs. 2 G e s c h m M G auf höchstens 20 Jahre verlängert werden.

h) Weitere Grenzen des Rechts Nach § 4 G e s c h m M G ist die freie Benutzung eines Musters oder Modells zum Zweck der Herstellung eines neuen Musters oder Modells nicht als Nachahmung anzusehen; ein Muster oder Modell kann demnach als Inspiration zur Schaffung eines neuen Musters oder Modells gebraucht werden. Verbotene Nachbildungen liegen gemäß § 6 G e s c h m M G ebenfalls nicht vor, wenn eine Einzelkopie eines geschützten Musters oder Modells im Privatbereich ohne die Absicht der gewerblichen Verbreitung hergestellt wird oder 4

Hubmann/Gotting,

Gewerblicher Rechtsschutz, 249.

694

Kapitel V: Rechte an

Informationen

wenn Nachbildungen einzelner Muster oder Modelle in ein Schriftwerk aufgenommen werden.

c) Anwendbarkeit

der

Eingriffskondiktion

Bei dem Geschmacksmusterrecht handelt es sich um ein Recht mit bereicherungsrechtlich relevantem Zuweisungsgehalt. Demnach kann der Rechtsinhaber nach §§ 812 I 1, 2. Alt., 818 II BGB herausverlangen, was ein Nichtberechtigter durch eine unbefugte Inanspruchnahme eines Geschmacksmusters, nämlich eine verbotene Nachahmung desselben, erlangt hat. Das Erlangte besteht in der Nutzung des Geschmacksmusters; dessen Wert ist als angemessene Lizenzgebühr an den Rechtsinhaber zu zahlen. § 14a GeschmMG regelt lediglich Unterlassungs-, Schadensersatz- und Gewinnherausgabeansprüche. Der Anspruch aus Eingriffskondiktion findet in § 14a GeschmMG keine Erwähnung. Nach § 14a II GeschmMG bleiben neben den Ansprüchen aus § 14a I Ansprüche aus anderen gesetzlichen Vorschriften unberührt. Wie in der entsprechenden Vorschrift des § 97 III U r h G sind damit vor allem die Ansprüche aus §§ 812 ff. BGB gemeint. Im Ergebnis ist daher festzustellen, daß bei Verletzungen des Geschmacksmusters die Eingriffskondiktion Anwendung findet 5 .

5

So auch Hubmann/Gotting, Gewerblicher Rechtsschutz, 252; Reuter/Martinek, rechtfertigte Bereicherung, 270; Loewenheim, Bereicherungsrecht, 69.

Unge-

§ 23 Der eingriffsbereicherungsrechtliche Schutz der Marke I. Der Zuweisungsgehalt des Warenzeichenrechts eine umstrittene Frage in der Dogmatik der Eingriffskondiktion Am 25.10.1994 ist das neue Markengesetz 1 verabschiedet worden. Dieses Gesetz setzt die Erste Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken vom 21.12.19882 in deutsches Recht um. Das Markengesetz löste das bis zu seinem Inkrafttreten geltende Warenzeichengesetz vom 5.5.19363 i.d.F. der Bekanntmachung vom 2.1.19684 ab. Die neue Kodifizierung des Markenrechts führt zu einem tiefgreifenden Wandel des deutschen Rechts auf dem Gebiet der geschäftlichen Kennzeichen und zu einer Anpassung an gemeinschaftsrechtliche und internationale Vorgaben. Der früher verstreut geregelte Kennzeichenschutz der Marken, der geschäftlichen Kennzeichen und geographischen Herkunftsangaben wird durch das Gesetz auf eine einheitliche Grundlage gestellt. Im Vergleich zur rechtlichen Ausgestaltung des Warenzeichens im alten Recht wird die Marke des neuen Rechts mit allen Eigenschaften eines Immaterialgüterrechts ausgestattet: Das Recht wird durch Aufhebung der Akzessorietät verkehrsfähig ausgestaltet, es ist frei übertragbar und zwar auch mit translativer Wirkung. Die Fixierung des alten Rechts auf die Herkunftsfunktion des Warenzeichens wird aufgegeben. Auch andere Funktionen der gewerblichen Kennzeichen werden durch das Markenrecht erfaßt, etwa der Werbewert, der nach dem alten Recht durch das Wettbewerbsrecht gewährleistet wurde 5 . Die fundamentalen Veränderungen im Markenrecht haben auch Auswirkungen auf die hier interessierende Frage der Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion im Bereich des Markenrechts. Die Unterschiede zwischen der alten und der neuen Rechtslage bezüglich dieser Frage werden deutlich, wenn die Entwicklungslinien der Anwendung der Eingriffskondiktion im alten Warenzeichenrecht schärfer herausgearbeitet werden. 1 Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (MarkenG) vom 25.10. 1994, BGBl. 1994 I, 3082; geändert am 24.7.1996, BGBl. 1996 I, 1014. 2 Richtlinie 89/104/EWG, ABl. E G Nr. L 40 vom 11.12.1989, 1. 3 Warenzeichengesetz, RGBl. 1936 II, 134. 4 BGBl. 1968 1,1,29. 5 B G H 9.12.1982, B G H Z 86, 90 (Rolls Royce); B G H 29.11.1984, B G H Z 93, 96 (Dimple).

696

Kapitel

V: Rechte an

Informationen

Das Reichsgericht lehnte eine Bereicherungshaftung bei Warenzeichenverletzungen - analog zu seiner Haltung bei den anderen gewerblichen Schutzrechten - schon deshalb ab, weil die zivilrechtlichen Ansprüche für Rechtsverletzungen im Warenzeichengesetz, das eine Schadensersatzhaftung zunächst nur bei wissentlicher oder grob fährlässiger Verletzungshandlung vorsah, als abschließend anzusehen seien6. Zu dieser - eher formalen - Begründung fügte das RG aber auch noch ein materielles, auf den Inhalt des Warenzeichenrechts gestütztes Argument zur Ablehnung des Bereicherungsanspruchs hinzu. Es ging in diesen Fällen um einen Ausgleich für einen behaupteten Vermögensnachteil des Warenzeicheninhabers, der dadurch entstanden sein sollte, daß der Rechtsverletzer eigene Waren mit dem fremden Warenzeichen (oder einem diesen zum Verwechseln ähnlichen Zeichen) ausgestattet hatte. Hier wies das RG darauf hin, daß der Gewinn des Rechtsverletzers auf die Veräußerung ihm gehörender Waren zurückzuführen sei. Hinsichtlich der Veräußerung handele es sich bei dem Gewinn um einen Vorteil, den der Rechtsverletzer in erlaubter Ausübung eigener Rechte erlangt habe7. Das Warenzeichen begründe lediglich ein Verbot für den Konkurrenten, durch das der redliche Geschäftsverkehr vor unlauterer Konkurrenz geschützt werden solle. Ein selbständiges Genußgut, ein absolutes und ausschließliches Recht zur Benutzung einer Ausstattung für eine bestimmte Art von Waren werde durch das Warenzeichenrecht nicht eingeräumt 8 . Das RG sah im Recht zum Gebrauch eines Warenzeichens oder einer Ausstattung kein absolutes subjektives Recht, welches seinem Inhaber einen ihm allein zustehenden positiven Handlungsspielraum gewährleistete, sondern ein Recht, das seinem Inhaber lediglich einräumte, den Gebrauch des Zeichens anderen zu verbieten. Einflußreiche Stimmen im Schrifttum schlössen sich der Ablehnung des Bereicherungsanspruchs bei Warenzeichenverletzungen an9. Kohler begründete seine Ansicht folgendermaßen: „Ein Bereicherungsanspruch gegen den gutgläubigen oder gegen den einfach fahrlässigen Verletzer besteht nicht und zwar aus denselben Gründen wie im Immaterialgüterrecht, wo der gutgläubige Verletzer von der Bereicherungsersatzpflicht frei bleibt; es handelt sich hier um Gebiete, wo das Privatrecht so sehr mit dem öffentlichen zusammenfließt, daß ein derartiger Bereicherungsanspruch zu streng wäre und einen zu scharfen Eingriff in den ruhigen Verkehrsbetrieb zur Folge hätte. Es wäre auch im höchsten Grade unbillig, wenn der Markenberechtigte einen, der seine Marke verletzte, sich recht und schlecht im Handel bewegen ließe, um ihm dann, wenn sich dieses als gewinnbringend erwies, die Bereicherung .abzuschnappen'"10. RG 4.5.1923, RGZ 108, 1 (6). RG 24.6.1904, RGZ 58, 321 (323). 8 RG 30.11.1900, RGZ 47, 100(101). 9 Siehe etwa Kohler, Warenzeichenrecht, 160 f.; offen bei Baumbach /Hefermehl, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht II, § 24 WZG Rz. 35; a. A. Pinzger, Das deutsche Warenzeichenrecht, § 24, Anm. 29. 10 Kohler, Warenzeichenrecht, 160 f. 6

7

§ 23 Zuweisungsgehalt

des

Markenrechts

697

Mit den Versuchen einer Neubegründung der dogmatischen Grundlagen der Eingriffskondiktion im Rahmen der Rechtswidrigkeitstheorie und der Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte wurde verstärkt die Auffassung vertreten, daß auch das Warenzeichenrecht durch den Schutzbereich der Eingriffskondiktion erfaßt sei. Den Vertretern der Rechtswidrigkeitstheorie fiel die Begründung für diese Ansicht nicht schwer: Ein Vermögensvorteil, der durch rechtswidrigen Eingriff in ein Warenzeichenrecht erlangt worden ist, muß deshalb an den Berechtigten herausgegeben werden, weil die Handlung rechtswidrig11 war bzw. es sich beim Warenzeichenrecht um Normen mit individualschützendem Charakter handelt 12 . Soweit das Schrifttum der Lehre vom Zuweisungsgehalt folgt, besteht keine Ubereinstimmung zu der Frage, ob das Warenzeichen einen bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt besitzt. Ein gewichtiger Teil der Lehre votierte gegen den eingriffsbereichungsrechtlichen Schutz des Warenzeichens. So greift Mestmäcker die Erwägungen auf, die das R G dazu geführt hatten, den Bereicherungsschutz bei unbefugter Inanspruchnahme eines fremden Warenzeichens abzulehnen. Das Warenzeichen sei kein selbständiges Genußgut, sondern ein mit der Kraft eines absoluten Rechts ausgestatteter Kennzeichnungsschutz. Die Zuweisung beschränke sich auf die rechtlich geschützte Möglichkeit des Warenzeicheninhabers, die mit dem Zeichen verbundene Wertschätzung seiner Waren dadurch zu schützen, daß er die Nachahmung des Zeichens und die darin liegende Ausnutzung des guten Rufes der fremden Marke unterbinde13. Einen „spezifischen" Zuweisungsgehalt weise das Warenzeichenrecht nicht auf. Dieser Befund werde - so Mestmäcker - durch den Umstand bestätigt, daß das Warenzeichenrecht nur in außerordentlich engen Grenzen Gegenstand des Rechtsverkehrs sein könne. Nach § 8 I W Z G war die Übertragung des Warenzeichens nur in Verbindung mit der Übertragung des Unternehmens möglich. Damit war auch die Erteilung einer dinglichen Lizenz ausgeschlossen. Der Zulässigkeit einfacher (schuldrechtlicher) Lizenzen war durch die Rechtsprechung 14 enge Grenzen gezogen: Die Erteilung einer solchen Lizenz war nichtig, wenn sie zu Irreführung über die Herkunft einer Ware beim Publikum führte. Im Ergebnis habe das Warenzeichen die Funktion, bloß den Ruf eines Unternehmens und damit seine Chance im Wettbewerb zu schützen, nicht aber dem Unternehmer einen Tätigkeitsbereich zur ausschließlichen Nutzung zuzuweisen 15 . Dieser Auffassung hat sich Raiser angeschlossen. Auch er lehnt bei Schulz, System der Rechte auf den Eingriffserwerb, AcP 105 (1909), 205 ff. Haines, Bereicherungsansprüche bei Warenzeichenverletzungen und unlauterem Wettbewerb, 89 ff. 13 Mestmäcker, Eingriffserwerb und Rechtsverletzung in der ungerechtfertigten Bereicherung, J Z 1958, 525. 14 R G 11.10.1939, G R U R 1940,106 (109); R G 6.7.1920, R G Z 100,22 (25); B G H 6.3.1951, B G H Z 1, 241 (246); B G H 12.1.1966, B G H Z 44, 372 (375) (Meßmer-Tee II). 15 Mestmäcker, a.a.O., 525. 11

12

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Kapitel V: Rechte an

Informationen

Warenzeichen-, Firmen- und gewerblichem Namensrecht einen bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt ab. Zwar verschaffe das Kennzeichenrecht seinem Inhaber eine Monopolstellung bei der Verwendung des Zeichens. Diese Vorzugsstellung diene der Verbesserung der Marktchancen für den Unternehmer. Der Inhalt der genannten Rechte umfasse aber nicht das positive Haben und Nutzen eines Gutes, sondern sei auf den bloßen Ausschluß Dritter von der Nutzung der Kennzeichen gerichtet 16 . Die Kennzeichenrechte seien in das Konzept des Wettbewerbs zu integrieren: sie gewährten zwar die rechtlich gesicherte Chance auf Erwerb eines Besitzstandes; dieser Besitzstand werde durch die Rechte dem Rechtsinhaber aber nicht zum endgültigen und sicheren Haben zugeordnet. Vielmehr müsse die im Wettbewerb erworbene Stellung vom Unternehmen permanent neu erworben und verteidigt werden17. Als reines Ausschlußrecht genieße das Warenzeichenrecht nach Auffassung Raisers nicht den Schutz der Eingriffskondiktion. Bei diesen Argumentationen wird - und dies ist bemerkenswert - der Zusammenhang von Ausschlußrecht und Wettbewerbsfreiheit problematisiert und als Kriterium für die Abgrenzung des Bereicherungsschutzes herangezogen; dieser Zusammenhang ist jedoch nicht nur für das Warenzeichenrecht von Bedeutung, sondern stellt für den gesamten Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes die Kernfrage dar: Inwieweit müssen Vermögenswerte Besitzstände gegen den Zugriff von jedermann geschützt werden und einem Rechtssubjekt exklusiv zugeordnet werden, damit dieses Rechtssubjekt in der Lage ist, die Kosten und Mühen zu erwirtschaften, die die Schaffung des Besitzstandes verursacht hat? Wieweit muß demgegenüber die Handlungsfreiheit der Gewerbetreibenden gewährleistet sein, damit der Wettbewerb funktionsfähig bleibt? Die Zuordnung im Wettbewerb errungener Stellungen, Positionen und Besitzstände, die z.B. als Goodwill, Kundenbeziehung, Bekanntheitsgrad etc. in Erscheinung treten, birgt die Gefahr in sich, daß der Zugang zu den Märkten selbst und das Tätigwerden auf den Märkten zum Gegenstand ausschließlicher Rechte gemacht wird. Dann ist die Möglichkeit der am Markt tätigen Individuen, ihre individuellen Nutzenpräferenzen in die Tauschprozesse einfließen zu lassen, so beschränkt, daß der Wettbewerb seiner Funktion, eine optimale Allokation knapper Ressourcen herbeizuführen, nicht mehr gerecht werden kann. Fikentscher weist eindringlich darauf hin, daß die Diskussion um das Verhältnis von Immaterialgütern als Ausschließlichkeitsrechten und der Wettbewerbsfreiheit in der deutschen Rechtswissenschaft abgebrochen worden sei, nachdem sich die von Kohler entwickelte Lehre vom Immaterialgüterrecht durchgesetzt hatte 18 . Die Problematik ist - jedenfalls in Umrissen - von Mestmäcker und Raiser in Bezug auf die Frage des bereicherungsrechtlichen Schutzes 16

Raiser, Der Stand der Lehre vom subjektiven Recht im Deutschen Zivilrecht, J Z 1961,

468. 17 18

Raiser, a.a.O., 468. Fikentscher, Wettbewerb und gewerblicher Rechtsschutz, 143 f.

§ 23 Zuweisungsgehalt

des

Markenrechts

699

des Warenzeichens und sonstiger gewerblicher Schutzrechte wieder zum Gegenstand der Diskussion gemacht worden. Vielleicht am schärfsten weist Joerges auf die problematischen Wechselwirkungen zwischen Ausschließlichkeitsrechten im gewerblichen Bereich einerseits und der Wettbewerbsfreiheit andererseits hin. Er sieht keine ökonomische Rechtfertigung, die hinter dem Warenzeichenrecht stehenden Vermögensinteressen durch ein Ausschließlichkeitsrecht zu schützen. Das Argument der Rechtsprechung des BGH, das Warenzeichen diene dem Interesse des Publikums, indem der Zeicheninhaber einen guten Ruf seiner Produkte begründe, sei nicht haltbar. Die Werbewirkung des „guten Rufes" bestehe in der Erzeugung „irrationaler" Vorstellungen beim Verbraucher. Dies laufe dem Leitbild der Konsumentensouveränität zuwider, die den Zugang des Verbrauchers zur Information über Qualität, Preis und Nutzwert von Produkten zur Kaufentscheidung voraussetze19. Kritisch zum Bereicherungsschutz des Warenzeichenrechts führt Joerges darüber hinaus aus: „Der Warenzeichenschutz rechtfertigt sich, wie allgemein betont wird, vor allem aus der H e r k u n f t s - und Qualitätsfunktion des Zeichens. D i e damit verbundene E i n schränkung der Handlungsfreiheit von Konkurrenten gilt als unbedenklich, weil der Informationsgehalt des Zeichens den K o n s u m e n t e n zugute k o m m e und eine Voraussetzung rationaler Kaufentscheidungen bilde. Bekanntlich stimmen die ö k o n o m i schen F u n k t i o n e n des Zeichens für die Absatzplanung der Unternehmungen mit solchen Vorstellungen nicht überein. D a s Warenzeichen ist Bezugspunkt von Werbeinvestitionen, die sich nicht auf Informationen über die H e r k u n f t oder Qualität von Waren beschränken, sondern Kaufentscheidungen suggestiv beeinflussen sollen. I m Wettbewerb bedeutet diese suggestive Wirkung eine Eintrittsschranke für Außenseiter. Diese monopolrechtliche Wirkung ist weder von der zeichenrechtlichen F u n k tionenlehre abgesichert, n o c h mit den Zielen des Kartellrechts ohne weiteres vereinbar. Sie nötigt deshalb zu wettbewerbspolitischen Stellungnahmen. Dabei mag es gerechtfertigt sein, einen v o m Patentrecht nicht abgedeckten Innovationswettbewerb mit Hilfe des Warenzeichens zu schützen. F ü r einen darüber hinausgehenden Schutz sind bislang keine wettbewerbspolitischen Gesichtspunkte ins Feld geführt worden. Schon diese Überlegungen sprechen gegen die Ergebnisse des B G H . D e r B G H hat in der Vitasulfal-Entscheidung die Gleichstellung von Warenzeichen und Patent durch den vereinfachenden Hinweis auf den ,Kapitalwert' des Zeichens und dessen .bedeutende G e w i n n m ö g l i c h k e i t e n ' begründet. D i e Schutzwürdigkeit solcher G e w i n n m ö g lichkeiten steht jedoch gerade in Frage. D i e Argumentation des B G H begnügt sich mit einer Gleichbehandlung von Werbeinvestitionen und Eigentumspositionen, die schon deshalb nicht haltbar ist, weil sie ohne jede wettbewerbstheoretische Legitimation monopolistische Wirkungen des Warenzeichens rechtlich absichert. In der E n t scheidung M e ß m e r - T e e I I hat der B G H sich auf die zusätzliche Behauptung gestützt, es diene ,dem Interesse des Publikums', wenn der Zeicheninhaber einen ,guten R u f seiner Waren' begründe und ihm darin Schutz gewährt werde. In dieser Allgemeinheit ist die Überlegung des B G H nicht haltbar. D i e Werbungswirkung des .guten R u f s ' besteht in der Erzeugung irrationaler Vorstellungen beim Verbraucher. D i e A r g u m e n tation des B G H wird deshalb unzutreffend, wenn das ,Interesse des Publikums', dem 19

Joerges,

Bereicherungsrecht als Wirtschaftsrecht, 73.

700

Kapitel

V: Rechte an

Informationen

Leitbild der Konsumentensouveränität entsprechend, als legitimes Bedürfnis nach einer Orientierung der Kaufentscheidung und Qualität, Preis und Gebrauchswert von Produkten interpretiert. Der BGH hätte mithin darzulegen gehabt, daß seine Entscheidung einem so verstandenen Verbraucherinteresse entsprach oder er hätte seine Entscheidung auf eine wirtschaftspolitische Alternative zur Idee der Konsumentensouveränität stützen müssen"20. Diese Argumente mögen durchaus einen zutreffenden Kern aufweisen; sie betreffen allerdings die Legitimation des Warenzeichens und der anderen Immaterialgüterrechte unter wettbewerblichen Gesichtspunkten insgesamt. Sie gehen in der Allgemeinheit, in der sie gefaßt sind, nicht auf das spezifische Problem ein, ob das Warenzeichenrecht einen Zuweisungsgehalt besitzt oder nicht. In ökonomischer Hinsicht geht es um die Frage, ob ein Gut, welches bisher keinem Rechtssubjekt exklusiv zugeordnet war, einem Property Right unterworfen werden soll oder nicht. Die Begründung eines Property Rights für ein Gut, das noch nicht eigentumsförmig zugeordnet war, ist dann sinnvoll, wenn die Gewinne aus der Internalisierung der externen Effekte, die sich aus der Nutzung des Gutes ergeben, höher sind als die Kosten, die diese Internalisierung verursacht. Diese Zusammenhänge sind oben näher expliziert worden 21 . Die Entscheidung, ob die Voraussetzungen der Internalisierung der mit dem freien Zugriff auf eine Ressource verbundenen externen Effekte vorliegen, kann außerordentlich komplex sein. Wenn aber der Gesetzgeber ein solches Property Right normiert und seinen Inhalt und seine Grenzen fixiert hat, so kann man rechtspolitisch die Opportunität und ökonomisch die Berechtigung der Begründung des Ausschließlichkeitsrechts in Frage stellen. Nicht zu hinterfragen ist indes die Geltung der gesetzlichen Grundlage des Ausschließlichkeitsrechts. Im Hinblick auf die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion bleibt damit nur zu prüfen, ob die in Frage stehende Position die Eigenschaften aufweist, die einen bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt begründen. Die Argumente von Joerges stellen das Warenzeichenrecht in rechtspolitischer Weise in Frage. Eine Ablehnung der Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion läßt sich auf diese Argumente nicht stützen. Andererseits hat sich ein anderer Teil der Literatur, die auf der Grundlage der Lehre vom Zuweisungsgehalt der Rechte steht, für den Schutz des Warenzeichenrechts durch die Eingriffskondiktion ausgesprochen. Dazu gehören auch die Begründer dieser Lehre, Wilburg22 und v. Caemmerei21. Allerdings verzichten beide auf eine nähere Begründung des bereicherungsrechtlichen Schutzes des Warenzeichens und gehen auch nicht auf die Besonderheiten ein, die das Warenzeichen im Vergleich zu anderen Immaterialgüterrechten aufweist. Joerges, Bereicherungsrecht als Wirtschaftsrecht, 72 f. Siehe oben Kapitel II § 11 III 2. 22 Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 40. 23 v. Caemmerer, Grundprobleme des Bereicherungsrechts, in: Leser (Hrsg.), E. v. merer - Gesammelte Schriften I, 370ff. (382). 20

21

Caem-

§ 23 Zuweisungsgehalt

des

Markenrechts

701

Im neueren Schrifttum gewinnt die Auffassung, daß das Warenzeichenrecht trotz seiner beschränkten Verkehrsfähigkeit einen bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt besitzt, stark an Boden 2 4 . Erleichtert wurde die Ausdehnung der Eingriffskondiktion auf die unbefugte Inanspruchnahme fremder Warenzeichen durch die sich in der Literatur durchsetzende Erkenntnis, daß dem Warenzeichen nicht nur eine reine Unterscheidungsfunktion zukommt, sondern eine ganze Anzahl weiterer Aufgaben, wie etwa Herkunftsfunktion, Garantie-, Qualitäts- und Vertrauensfunktion sowie eine Werbefunktion 2 5 . Als rechtlich geschützt wurde vor der Rechtsprechung (neben der Unterscheidungsfunktion) nur die Herkunftsfunktion des Warenzeichens 2 6 . Dennoch erklären die vielfältigen Funktionen des Warenzeichens, warum diesem im Rechtsverkehr ein Vermögenswert zugebilligt wird. Dieser Umstand kann nicht allein auf die Unterscheidungskraft des Zeichens zurückgeführt werden. Es war schließlich der wirtschaftliche Wert von Warenzeichen, wie er sich im Rechtsverkehr entwickelt hatte, welcher den B G H dazu veranlaßte, trotz aller Unterschiede des Warenzeichens zu den sonstigen Immaterialgüterrechten den bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt des Warenzeichens anzuerkennen. Die Vorbereitung für diese Anerkennung lieferte der B G H in seiner Rechtsprechung zur D S B , die bereits seit längerem als Sanktionsinstrument bei der Verletzung von Warenzeichenrechten akzeptiert war 2 7 . Nachdem bereits bei schuldhaft begangenen Warenzeichenverletzungen die Herausgabe des Verletzergewinns durch den B G H sanktioniert worden war 28 , entschied das Gericht im Meßmer-Tee II-Fall, daß der Warenzeicheninhaber die Schadensberechnung auch auf der Grundlage der Lizenzanalogie vornehmen könne 2 9 . Der B G H begründete die Anwendbarkeit der D S B im Bereich des Warenzeichenrechts mit Argumenten, die deutlich machten, daß das Gericht dem Warenzeichen einen Zuweisungsgehalt zuerkannte. Der B G H kam zu diesem Ergebnis, weil er über die traditionell für das Warenzeichenrecht anerkannte Herkunftsfunktion hinausging und - zwar nicht als Bestandteil des Warenzeichenrechts, aber doch als erhebliche wertbildende Faktoren in Bezug auf ein Warenzeichen - den guten Ruf der Ware und die Qualitätsvorstellung des Publikums berücksichtigt, die auf das engste mit dem Warenzeichen zusammen24 Siehe etwa Reuter/ Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 275 ff. mit ausführlicher Begründung; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 80 f.; MüKo(-Lieb), § 812, Rz. 212; Reeb, Grundprobleme des Bereicherungsrechts, 41 ;Rümker, Das Tatbestandsmerkmal „ohne rechtlichen Grund" im Bereich der Eingriffskondiktion, 56 ff.; StaudingerlLorenz), Vor § 812, Rz. 69; Erman(-Westermann), Vor § 812, Rz. 15; Hüffer, Die Eingriffskondiktion, JuS 1981, 263 ff. (265). 25 Siehe zu den Warenzeichenfunktionen Vanzetti, Funktion und Rechtsnatur der Marke, G R U R Ausl. 1965, 128 ff., 185 ff.; Henning-Bodewig/Kur, Marke und Verbraucher I, 4 ff.; Fezer, Markenrecht, MarkenG-Einleitung, Rz. 30 ff. 2 6 B G H 2 2 . 1 . 1 9 6 4 , B G H Z 4 1 , 8 4 ( 8 7 ) ( M a j a ) ; B G H 8 . 7 . 1 9 6 4 , B G H Z 4 2 , 1 5 1 (155)(Rippenstreckmetall II); B G H 25.2.1973, B G H Z 60, 185 (Cinzano). 27 Siehe z.B. R G 30.11.1900, R G Z 47, 100; B G H 14.1.1977, G R U R 1977, 491 (Allstar). 28 B G H 24.2.1961, B G H Z 34, 320 (Vitasulfal). 2 9 B G H 12.1.1966, B G H Z 44, 372 (Meßmer-Tee II).

702

Kapitel V: Rechte an

Informationen

hängen 30 . Da es sich bei Warenzeichen insoweit um Vermögenswerte Ausschließlichkeitsrechte handelte, wurde trotz der Unterschiede zu den übrigen Immaterialgüterrechten die Lizenzanalogie im Rahmen der DSB zugelassen. Bereits in einer Entscheidung aus dem Jahre 1979 hatte das O L G Karlsruhe die Zulässigkeit der Eingriffskondiktion bei Warenzeichenverletzungen vorausgesetzt; eine ausdrückliche Entscheidung dieser Frage traf es jedoch nicht, weil der Kläger nicht nachgewiesen hatte, daß der Beklagte gerade durch die unbefugte Ausnutzung des fremden Warenzeichens bereichert war 3 1 . Der Durchbruch kam mit der Entscheidung im Fall Chanel No. 5 32 . In diesem Fall ging es um die Haftung des Beklagten, eines Großmarktunternehmens für gewerbliche Kunden, aus Eingriffskondiktion. Die Klägerin vertreibt ein Parfüm der Marke Chanel No. 5. Die Beklagte hatte von einem dritten Unternehmen Parfüm dieser Marke bezogen und davon mehrere Einheiten an Kunden verkauft. Bei dem von der Beklagten erworbenen Parfüm handelte es sich um eine Fälschung, wobei das Parfüm, das Flacon und die Verpackung dem Original sehr ähnlich waren. Die Klägerin nahm die Beklagte auf die Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr in Anspruch. Der B G H gab der Klage aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung statt, weil es sich bei dem Warenzeichenrecht um ein Ausschließlichkeitsrecht handele. Zusätzlich verwies das Gericht darauf, daß für Warenzeichenverletzungen bereits die schadensersatzrechtliche Lizenzanalogie im Rahmen der DSB anerkannt sei. Insoweit könne für den Anspruch aus Eingriffskondiktion nichts anderes gelten. Im einzelnen führt das Gericht aus: „Zwar bestehen zwischen dem Warenzeichenrecht als einem Kennzeichnungsrecht und den genannten Immaterialgüterrechten gewisse Unterschiede auch in dem Umfang des Ausschließlichkeitsrechts. Sie rechtfertigen es jedoch nicht, dem Warenzeichenrecht einen substantiellen, wirtschaftlich verwertbaren Inhalt abzusprechen und die Möglichkeit einer Bereicherung durch Verletzung eines Warenzeichenrechts zu verneinen. Dem steht entgegen, daß der Rechtsinhaber, wenn auch in Grenzen, Dritten entgeltlich jedenfalls eine obligatorische Lizenz gewähren kann, und daß davon im Rechtsverkehr in nicht unerheblichem Maße Gebrauch gemacht wird. In der Rechtsprechung des Senats ist daraus bereits gefolgert worden, daß bei schuldhafter Verletzung von Warenzeichenrechten der Verletzer zur Entrichtung einer angemessenen Lizenzgebühr als Schadensersatz verpflichtet ist, weil er zu unrecht eine dem Rechtsinhaber ausschließlich vorbehaltene Befugnis in Anspruch genommen habe (...). Unter dem Gesichtspunkt des Zuweisungsgehalts im Sinne des Bereicherungsrechts kann das in Übereinstimmung mit der in der genannten Literatur vertretenen Meinung nicht anders beurteilt werden" 33 . Zusammenfassend ist danach festzustellen, daß nach langem Zögern die Rechtsprechung letztlich doch die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion bei unbefugter Inanspruchnahme eines fremden Warenzeichenrechts anerkannt hat. 30 31 32 33

BGH OLG BGH BGH

12.1.1966, BGHZ 44, 372 (377f.) (Meßmer-Tee II). Karlsruhe 28.2.1979, G R U R 1979, 473 (MOKLI). 18.12.1986, GRUR 1987, 520 (Chanel No. 5). 18.12.1986, GRUR 1987, 523.

§ 23 Zuweisungsgeha.lt des Markenrechts

703

II. Die Anwendbarkeit des Anspruchs aus Eingriffskondiktion bei Verletzung einer Marke nach dem MarkenG Wie bereits oben dargelegt, hat das 1994 verabschiedete M a r k e n G zu einer tiefgreifenden R e f o r m des Rechts der gewerblichen Kennzeichen von Waren und Dienstleistungen geführt. Wie sich im folgenden zeigen wird, betreffen die durch die Neukodifizierung des Schutzes der Kennzeichnungsrechte eingeführten Änderungen gerade auch die Aspekte des Kennzeichnungsschutzes, die die Anwendung des Bereicherungsrechts bei unbefugter Inanspruchnahme eines Warenzeichens problematisch erscheinen ließen, beispielsweise die nur beschränkte Verkehrsfähigkeit des Warenzeichens.

1. Gegenstand und Entstehung der Marke nach dem MarkenG Das neue Markengesetz führt zu einer umfassenden Novellierung des Rechts der gewerblichen Kennzeichnung. D e r Kreis der durch das Markengesetz zugeordneten und geregelten Rechte geht weit über die bloße gesetzliche Fassung des Markenschutzes hinaus. G e m ä ß § 1 Markengesetz werden nicht nur Marken, sondern auch geschäftliche Kennzeichen und geographische Herkunftsangaben in den Schutz des Gesetzes einbezogen. I m R a h m e n dieser Untersuchung geht es im wesentlichen um den bereicherungsrechtlichen Schutz der Marke; daher konzentrieren sich die folgenden Ausführungen darauf.

a) Begriff der Marke Eine Bezeichnung kann gemäß § 3 I M a r k e n G dann als Marke geschützt werden, wenn sie geeignet ist, die Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer U n t e r n e h m e n zu unterscheiden. F ü r die Schutzfähigkeit eines Kennzeichens als Marke k o m m t es also vor allem auf die Unterscheidungsfähigkeit des Zeichens an 3 4 . D i e Kennzeichnung der Produkte eines Unternehmens kann sich sowohl auf Waren wie auch auf Dienstleistungen beziehen. In der Einbeziehung der Dienstleistungsmarke liegt eine bedeutsame Erweiterung des Markenschutzes im Vergleich zum vorherigen R e c h t s zustand. Das alte Warenzeichengesetz schützte lediglich Warenzeichen für Waren, nicht aber für Dienstleistungen. E i n gewisser Schutz von Dienstleistungsmarken bestand nach § 16 I U W G a.F., allerdings nur soweit als ein Unternehmenskennzeichen als Dienstleistungsmarke verwandt wurde 3 5 . Als Beispiele für Zeichen, die als M a r k e geschützt werden können, nennt das Gesetz „ W ö r t e r einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, 34 35

Siehe zur Unterscheidungsfunktion der Marke Fezer, Markenrecht, § 3, Rz. 9 ff. Fezer, Markenrecht, § 3, Rz. 16.

704

Kapitel V: Rechte an

Informationen

Zahlen, Hörzeichen, dreidimensionale Gestaltungen einschließlich der F o r m einer Ware oder ihrer Verpackung sowie sonstige Aufmachungen einschließlich Farben und Farbzusammenstellungen . . . " . Allerdings schränkt § 3 II M a r k e n G die Schutzfähigkeit von Kennzeichen ein, die aus einer Warenform bestehen. Besteht das Zeichen ausschließlich aus der F o r m der Ware, so ist es nicht als M a r k e schutzfähig, wenn die F o r m durch die Art der Ware bedingt ist, zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist oder der Ware einen wesentlichen Wert verleiht.

b) Die Funktionen

des

Markenschutzes

Es ist heute weitgehend anerkannt, daß die Aufgabe der Marke weit über die reine Unterscheidungsfunktion hinausgeht, die in § 3 I M a r k e n G genannt ist. I m Unterschied zum früheren Warenzeichengesetz, durch das die H e r k u n f t s funktion des Warenzeichens als zentraler G r u n d des rechtlichen Schutzes gesehen wurde 3 6 , wohingegen der rechtliche Schutz von Vertrauens- 3 7 und Werbefunktion abgelehnt wurde, wird die Aufgabe der Marke nach dem M a r k e n G stärker unter Beachtung ökonomischer Kriterien festgelegt. Zur Unterscheidungsfunktion der Marke tritt unter ökonomischen Gesichtspunkten als vielleicht wichtigste F u n k t i o n der Marke die Kommunikationsfunktion hinzu. Marke und Unternehmenskennzeichen sind für die produzierenden und vermarktenden U n t e r n e h m e n unverzichtbare Mittel der K o m m u n i k a t i o n mit ihren Kunden. D i e K o m m u n i k a t i o n der U n t e r n e h m e n mit ihren (potentiellen) A b n e h m e r n bildet eine der grundlegenden Voraussetzungen für ein erfolgreiches Tätigwerden auf den Produktmärkten. Dabei ist für viele Produktmärkte eine Vielfalt des Angebots homogener Produkte kennzeichnend. Eine Absatzstrategie ist hier nur dann erfolgversprechend, wenn sie über eine reine Informationswerbung hinausgeht und das Produkt als etwas „Besonderes" unter den übrigen weitgehend gleichartigen Produkten hervorhebt und es als nicht substituierbar erscheinen läßt 3 8 . Die Kommunikationsfunktion der Marke weist zwei unterschiedliche Aspekte auf: D i e Marke deutet einerseits auf den Gegenstand der K o m m u n i k a t i o n hin, sie kann aber auch selbst eine Botschaft enthalten und ist dadurch in der Lage, ohne B e z u g auf eine bestimmte Ware oder Dienstleistung zur Übermittlung beliebiger Nachrichten eingesetzt zu werden 3 9 . Es ist die umfassende Kommunikationsfunktion der Marke, die den wirtschaftlichen Wert des Zeichenrechts entscheidend beeinflußt und die es zu einem nunmehr voll verkehrsfähigen Immaterialgut macht. So stellt Fezer im H i n b l i c k auf die F u n k t i o n der Marke nach dem neuen Markengesetz fest: „Die Marke macht ein Wirtschaftsgut eines Unternehmens identifizierbar und auf diese Weise von Wirtschaftsgütern anderer Unternehmen auf den Markt differen36 37 38 39

Fezer, Markenrecht, Ein]. MarkenG, Rz. 31 m. w. N. Fezer, Markenrecht, Einl. MarkenG, Rz. 32 und 33 m.w. N. Henning-Bodewig/Kur, Marke und Verbraucher I, 11. Henning-Bodewig!Kur, a.a.O., 9.

§ 23 Zuweisungsgehalt

des

Markenrechts

705

zierbar. ... Die Marke ist ein produktidentifizierendes Unterscheidungszeichen im Marktwettbewerb. ... Diese Identifizierungsfunktion der Marke weist über die bloß ordnende Unterscheidungsfunktion der Marke auf den Markt hinaus. Die Marke als Produktname kommuniziert wie der Personenname das Charakterbild einer Person in der Öffentlichkeit das Image eines Produkts auf dem Markt. Die Marke identifiziert und kommuniziert. Eine solche Markenkommunikation ist zugleich Marketingbestandteil einer mehrdimensionalen und multimedialen Kommunikation durch Werbung. Die weiteren ökonomischen Funktionen der Marke wie die Vertrauensfunktion, die Werbefunktion oder die Verbraucherschutzfunktion stellen Konkretisierungen der Identifizierungsfunktion verbunden mit der Kommunikationsfunktion dar" 40 . Die K o m m u n i k a t i o n s f u n k t i o n der Marke kann von dem ursprünglichen P r o d u k t zu dessen Identifizierung die Marke diente, völlig losgelöst sein. Die Marke ist daher auch zur K o m m u n i k a t i o n von Botschaften zu anderen Waren oder Dienstleistungen einsetzbar. Aus diesem U m s t a n d hat der Gesetzgeber die Konsequenz gezogen, die Marke im Rechtsverkehr frei übertragbar auszugestalten; darin liegt ein wesentlicher Unterschied zur nur sehr eingeschränkten Verkehrsfähigkeit des Warenzeichens nach dem alten Warenzeichengesetz.

c) Die Entstehung der Marke Das Markengesetz sieht in § 4 drei Entstehungstatbestände f ü r eine nach dem Gesetz geschützte Marke vor, nämlich: 1. die Eintragung der Marke in das vom Patentamt geführte Register; 2. die Benutzung eines Zeichens im geschäftlichen Verkehr, soweit das Zeichen innerhalb der beteiligten Verkehrskreise Verkehrsgeltung erlangt hat u n d schließlich 3. die notorische Bekanntheit einer Marke nach Art. 6 bls der Pariser Verbandsübereinkunft z u m Schutz des gewerblichen Eigentums. Von überwiegender praktischer Bedeutung ist die eingetragene Marke 4 1 . Die Eintragung erfolgt gemäß § 32 M a r k e n G auf Antrag beim Patentamt. Das Patentamt p r ü f t nach § 36 M a r k e n G , ob die gemäß §§ 7 u n d 32 M a r k e n G aufgestellten formellen Erfordernisse der A n m e l d u n g eingehalten sind. G e m ä ß § 37 M a r k e n G erstreckt sich die Tätigkeit des Patentamts in materieller H i n sicht auf die P r ü f u n g der in § § 3 , 8 u n d 10 M a r k e n G genannten absoluten Schutzhindernisse. Diese unterscheiden sich von den relativen Schutzhindernissen dadurch, daß sie im Anmeldeverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen sind, während die relativen Schutzhindernisse Löschungsansprüche eines Dritten gegenüber dem Markeninhaber auslösen 42 . Absolute Schutzhindernisse sind u. a. in § 8 M a r k e n G geregelt. So ist etwa ein Zeichen von der Eintra40

Fezer, Markenrecht, Einl. M a r k e n G , Rz. 39, 40. Hubmann/Gotting, Gewerblicher Rechtsschutz, 275. 42 Siehe dazu Hubmann /Gotting, a.a.O., 267; relative Schutzhindernisse sind etwa angemeldete oder eingetragene Marken, die zeitliche Priorität zu einem eingetragenen gleichen Zeichen aufweisen, siehe § 9 Nr. 1 M a r k e n G . 41

706

Kapitel V: Rechte an

Informationen

gung als Marke ausgeschlossen, wenn ihm zur Kennzeichnung für Waren oder Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt.

2. Zuweisungsgehalt

der Marke -

Aktionsberechtigung

N a c h § 14 I M a r k e n G gewährt die Marke ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Es handelt sich dabei u m ein absolutes subjektives Recht, das seinem Inhaber einerseits einen Handlungsspielraum eröffnet, in dem er allein in B e zug auf den Gegenstand seines Rechts handeln darf und andererseits ein Verbot begründet, das es dem Rechtsinhaber ermöglicht, alle anderen daran zu hindern, Handlungen in Bezug auf den Gegenstand seines Rechts vorzunehmen. D e r Inhalt des Markenrechts ist in § 14 I - I V M a r k e n G näher konkretisiert, indem dort die Handlungen festgelegt werden, die Dritte in Bezug auf die Marke nicht vornehmen dürfen. Zugleich wird dadurch der positive exklusive Handlungsbereich des Rechtsinhabers abgegrenzt. Hinsichtlich des Schutzumfangs der M a r k e lassen sich drei Bereiche unterscheiden, bei denen der Schutz jeweils differenzierten Voraussetzungen unterliegt. Dabei dient der Grad der Ubereinstimmung des v o m Dritten benutzten Zeichens mit der geschützten Marke als Kriterium für die Unterschiedlichkeit der Ausgestaltung des Schutzumfanges. Zu unterscheiden sind demnach: 1. Identitätsschutz gemäß § 14 II Nr. 1 M a r k e n G : E i n e m Dritten ist es verboten, ohne Zustimmung des Inhabers im geschäftlichen Verkehr ein mit der M a r k e identisches Zeichen für die Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die die Marke Schutz genießt. 2. Ähnlichkeitsschutz nach § 14 II Nr. 2 M a r k e n G : Ein Dritter darf im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen nicht benutzen, wenn wegen der Ähnlichkeit oder Identität des Zeichens mit den durch die Marke und das Zeichen erfaßten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, daß das Zeichen mit der M a r k e gedanklich in Verbindung gebracht wird. D e r Identitätsschutz nach § 14 I Nr. 1 M a r k e n G wäre zu einer effektiven Gewährleistung des Markenrechts nicht ausreichend: Es wäre für Dritte ein Leichtes, die Verbotsnormen dadurch zu umgehen, daß er zwar kein identisches, aber - im Verhältnis zur geschützten Marke - leicht abweichendes Zeichen verwendete. Diese Umgehungsmöglichkeit, die die Gefahr der Publikumstäuschung durch Verwechslung begründet, wird durch § 14 I Nr. 2 M a r k e n G ausgeschlossen. I m R a h m e n dieser Vorschrift bildet die Verwechslungsgefahr das zentrale Tatbestandsmerkmal; von seiner Auslegung hängt der Schutzumfang der Marke ab. Es handelt sich um einen Rechtsbegriff, der abstrakt die Gefahr einer Verwechslung anspricht. Es k o m m t nicht darauf an, ob eine Verwechslung tatsächlich bereits stattgefunden hat 4 3 . Zur Konkretisierung des 43

Hubmann/Gotting,

Gewerblicher Rechtsschutz 289.

§ 23 Zuweisungsgehalt

des

Markenrechts

707

Merkmals der Verwechslungsgefahr ist es auf die Warenähnlichkeit zu beziehen. Dabei handelt es sich bei Verwechslungsgefahr, Produktähnlichkeit und Markenähnlichkeit um ein „bewegliches System wechselseitiger Beurteilungskriterien" 44 , d. h., diese Kriterien beeinflussen sich gegenseitig hinsichtlich ihrer Konkretisierung. Die Beeinflussung erfolgt in der Weise, daß etwa bei großer Produktähnlichkeit bzw. Produktidentität die Marken sich erheblich voneinander unterscheiden müssen, während bei schwacher Produktähnlichkeit sich die Marken stärker annähern dürfen, weil dann die Verwechslungsgefahr als geringer einzuschätzen ist45. 3. Bekanntheitsschutz der Marke nach § 14 II Nr. 3 MarkenG: Danach ist es einem Dritten im geschäftlichen Verkehr nicht erlaubt, ein mit der Marke identisches oder ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die dem nicht ähnlich sind, für die die Marke Schutz genießt, wenn es sich bei der Marke um eine im Inland bekannte Marke handelt. Dieses Verbot gilt allerdings nur dann, wenn die Verwendung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise beeinträchtigt oder ausnutzt. § 14 II Nr. 3 MarkenG nennt zwei Tatbestände, bei denen eine verbotene Benutzung einer bekannten Marke im Fall von Waren- und Dienstleistungsverschiedenheit vorliegen kann: nämlich bei Verwässerungsgefahr und bei Rufausbeutung. Von Verwässerungsgefahr ist zu sprechen, wenn die Unterscheidungskraft der älteren Marke beeinträchtigt wird. Eine Rufausbeutung liegt dann vor, wenn durch die Nutzung die Wertschätzung der bekannten Marke ausgenutzt wird. Die Nähe dieser Vorschrift zum bereits aus Wettbewerbs- und Deliktsrecht bekannten besonderen Schutz der bekannten und berühmten Marke ist unverkennbar. Berühmte Marken mit überragender Kennzeichnungskraft und großem Werbewert werden über §§ 823 1,12 BGB dagegen geschützt, daß ihre überragende Unterscheidungskraft durch die Nutzung Unbefugter verwässert wird. Demgegenüber richtet sich der Schutz der bekannten Marke im Rahmen von § 1 U W G gegen die Rufausbeutung dieses Zeichens 46 . Ein Schutz gegen eine solche Ausnutzung fremder Kennzeichnen kam nach dem früheren Warenzeichengesetz nicht in Betracht, weil dessen § 15 I den Schutzbereich des Warenzeichens auf den Bereich der Warengleichartigkeit beschränkte. Die Verwendung eines eingetragenen Warenzeichens für andere, nicht gleichartige Waren fiel demnach nicht in den Anwendungsbereich des Warenzeichengesetzes. In dem Rahmen, der dem Schutzbereich der Marke durch § 14 II Nr. 1-3 gezogen ist, nennen die Absätze III und IV eine Reihe von Benutzungshandlungen, die Dritten in Bezug auf die Marke untersagt sind. Verboten ist etwa 44

Fezer, Markenrecht, § 14, Rz. 103. Hubmann/Gotting, Gewerblicher Rechtsschutz, 289. 46 Siehe etwa die bekannt gewordenen Entscheidungen B G H 19.11.1984, B G H Z 93, 96 (Dimple); B G H 9.12.1982, B G H Z 86, 90 (Rolls-Royce). 45

708

Kapitel V: Rechte an

Informationen

- das Zeichen auf Waren oder ihrer Aufmachung anzubringen; - unter dem Zeichen Waren anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu genannten Zwecken zu besitzen; - unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen; - das Zeichen in Geschäftspapieren oder in der Werbung zu nutzen. Weiterhin ist es Dritten verboten, ein mit der Marke identisches Zeichen oder ein ähnliches Zeichen auf Aufmachungen, Verpackungen, Etiketten etc. anzubringen und die Gegenstände anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen. Die in § 14 III, IV genannten verbotenen Handlungen sind nicht abschließend, sondern sie umreißen beispielhaft den Schutzbereich der Marke. Sollten in der Vorschrift nicht genannte Handlungen den Schutzbereich des Markenrechts verletzen, so sind auch diese untersagt. Die Dritten verbotenen Handlungen im Hinblick auf eine Benutzung der Marke im geschäftlichen Verkehr sind exklusiv dem Inhaber des Markenrechts vorbehalten: er allein darf das Zeichen im Rahmen seines gesetzlichen Schutzbereiches benutzen.

3. Zuweisungsgehalt

des Markenrechts -

Vermögensberechtigung

Eine Rechtsposition weist dann einen bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt auf, wenn ihr Inhaber nicht nur über eine ausschließliche Handlungsberechtigung, sondern auch über die exklusive Vermögensberechtigung über den vom Recht erfaßten Tatbestandsbereich verfügt. Die Vermögensberechtigung setzt voraus, daß ein Recht veräußert oder zumindest Dritten gegen Entgelt die Nutzung an einem Recht übertragen werden kann. Hinsichtlich der gesetzlich geregelten Eigenschaften des Kennzeichnens als Gegenstand des Vermögens und des Rechtsverkehrs hat das neue Markengesetz im Vergleich zu § 8 I des alten Warenzeichengesetzes wesentliche Änderungen herbeigeführt. Das Markengesetz hat die Marke als ein voll verkehrsfähiges Immaterialgüterrecht ausgestaltet. Die Aufgabe des Akzessorietätsgrundsatzes des § 8 I W Z G durch das Markengesetz führt zu einer umfassenden Veräußerlichkeit der Marke. Nach § 27 I MarkenG kann das durch die Marke begründete Recht für alle oder einen Teil der Waren oder Dienstleistungen, für die die Marke Schutz genießt, auf Dritte übertragen werden. Die Ubertragungsfähigkeit kommt allen Arten der Marke zu: der eingetragenen Marke, aber auch der durch Benutzung oder durch notorische Bekanntheit entstandenen Marke. Die Wirkung einer Rechtsübertragung nach § 27 I MarkenG liegt darin, daß der Veräußerer das Recht verliert und der Erwerber es erwirbt. Es handelt sich also um eine translative Übertragung. Die Übertragung einer Marke wird durch Vertrag bewirkt. Die Verfügung über die Marke erfolgt gemäß §§ 398,413 BGB im Wege der Abtretung. Vom Verfügungsvertrag zu unterscheiden ist die schuldrechtliche Verpflichtung zur Übertragung, die den Rechtsgrund für die Verfü-

§ 23 Zuweisungsgehalt

des

Markenrechts

709

gung bildet 47 . Nicht nur hinsichtlich des Ob der Übertragung, sondern auch für das Wie gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Der Markeninhaber kann die Marke mit ihrem gesamten Schutzbereich auf den Erwerber übertragen. Er kann die Übertragung aber auch auf einen Teil der Waren oder Dienstleistungen beschränken, wenn dies seinem Interesse bzw. dem des Vertragspartners entspricht. Bei Übertragung eines Geschäftsbetriebs oder eines Teils eines Unternehmens wird vermutet, daß Marken, die zu dem Unternehmen oder dem Unternehmensteil gehören, von der Übertragung des Unternehmens mitumfaßt werden. Das Markenrecht ist vererblich 48 , kann gemäß § 29 I verpfändet werden und Gegenstand der Zwangsvollstreckung sein. Gemäß § 27 III MarkenG wird der Rechtsübergang des Markenrechts auf Antrag eines Beteiligten in das Markenregister eingetragen, wenn der Übergang dem Patentamt nachgewiesen wird. Die Eintragung in das Register nach § 27 III MarkenG ist für den Rechtsübergang nicht konstitutiv; dessen Wirksamkeit richtet sich nach den rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen zwischen den Parteien bzw. nach dem Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des Übergangs 4 9 . Neben der Befugnis zur Übertragung des Markenrechts selbst bzw. eines Teils davon gewährt § 30 MarkenG dem Rechtsinhaber auch die Möglichkeit, Dritten im Wege der Erteilung einer Lizenz Benutzungsrechte an der Marke einzuräumen. Wie auch bei den anderen Immaterialgüterrechten stehen zwei Arten der Lizenz zur Verfügung: die ausschließliche (dingliche) Lizenz und die nicht-ausschließliche (schuldrechtliche) Lizenz, § 301 MarkenG. Die dingliche Lizenz stellt eine Verfügung des Markeninhabers über sein Recht dar 50 . Manche sehen in der dinglichen Lizenz eine gebundene Rechtsübertragung 5 1 . Die „Dinglichkeit" der ausschließlichen Lizenz liegt darin, daß der Markenrechtsinhaber dem Lizenznehmer die ausschließliche Ausübung seines Markenrechts für alle oder einen Teil der Waren oder Dienstleistungen überträgt. Der Lizenznehmer erwirbt ein dingliches Benutzungsrecht an der Marke in dem im Lizenzvertrag vereinbarten Umfang. Verletzt ein Dritter das Markenrecht des Lizenznehmers einer dinglichen Lizenz, so ist der Lizenznehmer befugt, aus eigenem Recht Markenverletzungsansprüche gegen den Dritten geltend zu machen, allerdings gemäß § 30 III MarkenG nur mit Zustimmung des Rechtsinhabers 52 . Bei der dinglichen Lizenz bleibt der Lizenzgeber Rechtsinhaber des Markenrechts; allerdings kann er gemäß § 30 II MarkenG seine Rechte gegen einen Lizenznehmer einer dinglichen Lizenz nur insoweit geltend machen, als der Lizenznehmer gegen die in § 30 II Nr. 1 - 5 MarkenG genannten Aspekte des Lizenzvertrages verstößt. 47 48 49 50 51 52

Siehe dazu Fezer, Markenrecht, § 27 Rz. 14. Fezer, Markenrecht, § 27, Rz. 18. Fezer, Markenrecht, § 27, Rz. 20. Fezer, Markenrecht, § 30, Rz. 7. Forkel, Gebundene Rechtsübertragungen, 51 ff. Siehe dazu Fezer, Markenrecht, § 30, Rz. 31.

710

Kapitel

V: Rechte an

Informationen

Die sog. nicht-ausschließliche Lizenz stellt eine schuldrechtliche Gebrauchsüberlassung hinsichtlich der Befugnisse aus der Marke dar, die durch Vertrag zwischen Markeninhaber und Lizenznehmer vereinbart wird. Eine solche schuldrechtliche Lizenz erzeugt lediglich Rechtsbeziehungen zwischen Markenrechtsinhaber und Lizenznehmer. Der Lizenznehmer einer schuldrechtlichen Lizenz kann bei Verletzungen des Markenrechts durch Dritte, die sich auf seine Benutzungsrechte auswirken, nicht unmittelbar gegen den rechtsverletzenden Dritten vorgehen. Markenrechtliche Ansprüche - etwa nach § 14 V, VI MarkenG - gegen den Dritten stehen nur dem Inhaber des Markenrechts zu. Will der Lizenznehmer solche Ansprüche geltend machen, muß er sie sich vom Markeninhaber einräumen lassen 53 . Im Ergebnis ist festzustellen, daß der Inhaber des Markenrechts eine bereicherungsrechtlich relevante Vermögensberechtigung besitzt. Das Markenrecht ist durch die Befugnis zur Übertragung des Rechtes nach § 27 MarkenG und zur Erteilung von Lizenzen nach § 30 MarkenG vollkommen verkehrsfähig ausgestaltet. Die das alte Warenzeichenrecht kennzeichnende Akzessorietät von Unternehmensübergang und Ubergang des Warenzeichens gemäß § 8 1 W Z G ist im neuen Warenzeichenrecht beseitigt.

4. Die Grenzen des Zuweisungsgehalts

des

Markenrechts

Das Markengesetz sieht eine Reihe von Begrenzungen des Markenrechts vor, die auch den bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt des Rechts beschränken.

a) Zeitliche Grenzen des

Markenschutzes

Nach § 47 I MarkenG beträgt die Schutzdauer einer eingetragenen Marke 10 Jahre seit Anmeldung. D e r Schutz der Marke endet, wenn seine Geltungsdauer nicht verlängert wird. Gemäß § 47 II MarkenG umfaßt die Verlängerung jeweils eine Dauer von zehn Jahren. Der Markeninhaber kann die Verwendung eines prioritätsjüngeren eingetragenen Zeichens nicht untersagen, wenn er sein Recht wegen Nichtbenutzung gemäß § 21 MarkenG verwirkt hat. Die Verwirkung tritt nach § 21 I MarkenG ein, wenn eine eingetragene Marke in einem ununterbrochenen Zeitraum von fünf Jahren vom Berechtigten nicht genutzt wird. Eine Ausnahme gilt dann, wenn die Eintragung des jüngeren Zeichens bösgläubig erfolgte. Die Nichtbenutzung der Marke kann dem Inhaber des Markenrechts gemäß § 25 MarkenG einredeweise entgegengehalten werden, wenn er Ansprüche nach §§ 24, 8, 19 MarkenG geltend macht. Die Voraussetzungen der rechtswahrenden Benutzung sind in § 26 MarkenG geregelt. 53

Fezer, Markenrecht, § 30, Rz. 10.

5 23 Zuweisungsgehalt

b) Verjährung der

des

Markenrechts

711

Rechtsverletzungsansprüche

Die Ansprüche der §§ 14-19 MarkenG wegen Verletzung von Markenrechten verjähren in drei Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt zu dem Zeitpunkt, zu dem der Berechtigte von der Verletzung und der Person des Verletzers Kenntnis erlangt; ansonsten tritt Verjährung nach dreißig Jahren ein.

c) Bestandskraft

einer eingetragenen

jüngeren

Marke

Der Inhaber einer eigentlich prioritären Marke kann die Nutzung einer Marke, die einen jüngeren Zeitrang aufweist, nicht untersagen, wenn ein Antrag auf Löschung der jüngeren Marke zurückgewiesen worden ist oder zurückzuweisen gewesen wäre. Nach § 22 I Nr. 2 MarkenG ist dies etwa der Fall, wenn die ältere Marke zur Zeit der Eintragung der jüngeren Marke noch keinen hinreichenden Bekanntheitsgrad aufwies.

d) Nutzung von Namen und Anschrift (§ 23 MarkenG) Der Inhaber einer Marke kann es einem anderen nach § 23 Nr. 1 MarkenG nicht untersagen, dessen Namen und Anschrift im geschäftlichen Verkehr zu benutzen. Ferner darf er die Marke oder geschäftliche Bezeichnung als Hinweis auf die Bestimmung einer Ware, etwa als Ersatzteil verwenden (§ 23 Nr. 3 MarkenG).

e) Erschöpfung

des

Markenrechts

Gemäß § 24 MarkenG gilt für die Marke der Erschöpfungsgrundsatz und bildet eine Beschränkung des Markenrechts. Nach § 24 I MarkenG kann der Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung einem Dritten nicht untersagen, die Marke für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die vom Markeninhaber oder mit seiner Zustimmung im Inland, in dem Gebiet der EU oder des EWR in den Verkehr gebracht worden sind. Allerdings gilt der Erschöpfungsgrundsatz nicht einschränkungslos. Die Erschöpfung tritt nicht ein, wenn sich der Rechtsinhaber der Benutzung der Marke oder der geschäftlichen Bezeichnung aus berechtigtem Grund widersetzen kann, obwohl er die Ware oder die Dienstleistung in den Verkehr gebracht hat. Ein solcher berechtigter Grund liegt etwa nach § 24 II MarkenG vor, wenn der Zustand von Waren verändert oder verschlechtert wurde, nachdem sie in Verkehr gebracht worden sind. Im Rahmen dieser Schranken gewährt das Markengesetz dem Rechtsinhaber ein absolutes subjektives Recht an der Benutzung der Marke als positive Handlungsbefugnis. Andererseits schließt dieses Recht alle Dritten von der Nutzung der Marke aus, soweit die Exklusivität des Rechts reicht. Es handelt sich damit beim Markenrecht um ein Recht mit bereicherungsrechtlich relevantem Zu-

712

Kapitel

V: Rechte an

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weisungsgehalt. Demgemäß hat ein Dritter, der unbefugt eine fremde Marke nutzt, den Vorteil, den er aus der Nutzung erlangt, an den Rechtsinhaber herauszugeben. § 14 V und V I MarkenG gewähren dem Rechtsinhaber bei Verletzung seines Markenrechts einen Anspruch auf Unterlassung und - bei schuldhafter Rechtsverletzung - einen Anspruch auf Schadensersatz. § 14 MarkenG erwähnt den Anspruch aus Eingriffskondiktion nicht. Aus dem Schweigen des Gesetzes kann nicht der Schluß gezogen werden, daß der Anspruch aus Eingriffskondiktion nach § 812 I, 2. Alt. B G B ausgeschlossen sein soll. Bei Vorliegen der Voraussetzungen der Eingriffskondiktion ist der Rechtsinhaber befugt, vom Rechtsverletzer die Herausgabe des Erlangten zu beanspruchen. Wie oben dargelegt, handelt es sich bei der Marke um ein absolutes subjektives Recht, das den Schutz der Eingriffskondiktion genießt.

5. Eingriffsbereicherungsrechtlicher Schutz von geschäftlichen Kennzeichen Neben der Marke umfaßt der Anwendungsbereich des Markengesetzes gemäß § 1 Nr. 2 auch den Schutz von geschäftlichen Kennzeichen und nach § 1 Nr. 3 von geographischen Herkunftsangaben. Der Schutz geschäftlicher Kennzeichen umfaßt Unternehmenskennzeichen und Werktitel 5 4 . Der Begriff des Unternehmenskennzeichens wird in § 5 II 1 MarkenG definiert: Es handelt sich dabei um Zeichen, die als Name, Firma oder besondere Bezeichnung eines Geschäftsbetriebs oder eines Unternehmens im geschäftlichen Verkehr benutzt werden. Die Marke bezieht sich auf eine Ware oder Dienstleistung, also ein Produkt und weist nur mittelbar auf das produzierende Unternehmen hin. Demgegenüber bezieht sich das Unternehmenskennzeichen auf das Unternehmen und deutet nur mittelbar auf die Produkte des Unternehmens hin 55 . Die Unternehmenskennzeichen, der Name, Firma und besondere Bezeichnung eines Geschäftsbetriebes haben damit eine unternehmensidentifizierende Funktion. Der besonderen Bezeichnung eines Geschäftsbetriebs stehen Geschäftsabzeichen oder sonstige Unterscheidungszeichen von Geschäftsbetrieben gleich, die innerhalb beteiligter Verkehrskreise als Kennzeichen des Geschäftsbetriebs gelten. Voraussetzungen des markenrechtlichen Schutzes von Name, Firma und besonderer Bezeichnung eines Geschäftsbetriebs sind Unterscheidungskraft und Namensfunktion der Zeichen 5 6 . Der Kennzeichnungsschutz beginnt mit der Aufnahme der Zeichennutzung durch den Berechtigten bzw. - bei Fehlen der Unterscheidungskraft des Zeichens - zu dem Zeitpunkt, zu dem die beteiligten Verkehrskreise dem Zeichen Unterscheidungskraft zuerkennen 5 7 . 54 55 56 57

§ 5 I MarkenG. Hubmann/Gotting, Gewerblicher Rechtsschutz, 315. Fezer, Markenrecht, § 5, Rz. 3. Fezer, Markenrecht, § 5, Rz. 3.

§ 23 Zuweisungsgehalt des Markenrechts

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a) Name D e r Schutz des N a m e n s durch § 5 M a r k e n G beschränkt sich auf die Verwendung des N a m e n s als Identifizierungsmittel im geschäftlichen Verkehr. E i n darüber hinausgehender Namensschutz kann § 5 M a r k e n G entsprechend der F u n k t i o n der Vorschrift nicht entnommen werden. Insoweit hängt die R e i c h weite des Namensschutzes von den Regeln des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ab. D e r N a m e wird von natürlichen Personen, juristischen Personen und Personenvereinigungen ohne Rechtspersönlichkeit (etwa Personengesellschaften wie G b R , O H G ) benutzt. D e r durch § 5 M a r k e n G gewährleistete Namensschutz erfaßt nicht nur den gesetzlichen N a m e n , sondern auch gewählte N a m e n wie etwa Künstlernamen 5 8 . A u c h der N a m e öffentlich-rechtlicher Körperschaften, wie etwa der einer Universität, ist geschützt 5 9 .

b) Firma D i e Firma ist nach § 17 H G B der N a m e des Vollkaufmanns unter dem er im Handel seine Geschäfte betreibt und unter der er die Unterschrift abgibt. D i e Firma ist damit der Handelsname des Kaufmanns. B e i m Rechtssubjekt, das Namensträger ist, kann es sich um eine natürliche Person, eine juristische Person oder eine Personenvereinigung ohne eigene Rechtssubjektivität handeln. D i e Rechtsnatur der Firma ist umstritten. Z u m Teil wird argumentiert, die Firma sei als N a m e Persönlichkeitsrecht 6 0 . D a n a c h wäre eine Übertragung des Firmenrechts auf einen Erwerber nicht möglich. § 22 I H G B erlaubt dem E r w e r b e r eines Handelsgeschäfts die Fortführung des Geschäfts unter der bisherigen Firma nur dann, wenn der bisherige Geschäftsinhaber oder seine E r b e n ausdrücklich in die Fortführung der Firma einwilligen. Sieht man das Firmenrecht als Persönlichkeitsrecht an, so wäre dieser Vorschrift zu entnehmen, daß mit der Übertragung des Handelsgeschäfts nicht auch die Ü b e r t r a gung der Firma erfolgt; als Persönlichkeitsrecht ist die Firma nicht übertragbar. D u r c h die Einwilligung des vorherigen Geschäftsinhabers oder seiner E r b e n würde dann lediglich die schuldrechtliche Erlaubnis zum Gebrauch der Firma erteilt, ohne daß die Firma selbst übertragen würde 6 1 . Als Teil des N a m e n s rechts besitzt das R e c h t an der Firma auch eine persönlichkeitsrechtliche K o m ponente. Darin erschöpft sich aber der Bedeutungsgehalt dieses Rechtes nicht. Siehe dazu Hubmann/Gotting, a.a.O., 315; Fezer, Markenrecht, § 15, Rz. 26. Siehe BGH 23.9.1992, BGHZ 119,237 (Universitätsemblem); Fezer, Markenrecht, § 15, Rz. 32. 60 RG 14.9.1938, RGZ 158, 226 (230). 61 So RG 29.5.1923, RGZ 107, 31; Großkommentar zum HGB {-Würdinger), % 22 HGB, Anm. 3b. 58

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Kapitel V: Rechte an

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Vielmehr kommt dem Firmenrecht auch ein vermögensrechtliches Element zu. Dies wird durch § 23 H G B deutlich, wonach das Firmenrecht nicht ohne das Handelsgeschäft, für das sie geführt wird, veräußert werden darf. Die Vorschrift schließt eine Leerübertragung der Firma aus, um eine Täuschung des Publikums zu verhindern, welches nicht mehr wissen könnte, wer hinter einer Firma steht 62 . Dennoch ist die Vorschrift dahin zu verstehen, daß die Firma mit dem Handelsgeschäft zusammen mit translativer Wirkung übertragen werden kann. Daß das Firmenrecht auch vermögensrechtliche Aspekte aufweist, zeigen auch die Vorschriften der §§ 255 IV, 266 II A. Nr. 2 HGB, wonach die Firma als vermögenswertes Recht in die Bilanz eines Unternehmens aufgenommen werden kann. Es handelt sich bei der Firma also um ein aus Persönlichkeits- und vermögensrechtlichen Elementen zusammengesetztes Mischrecht 63 und ist als Immaterialgüterrecht zu qualifizieren. Der Rechtsschutz des Firmenrechts ist partiell in § 37 H G B geregelt. Bei unzulässigem Firmengebrauch durch einen anderen hat der Berechtigte nach § 37 II H G B einen Anspruch auf Unterlassung gegen den Rechtsverletzer. Nach § 37 II 2 H G B bleibt ein Anspruch auf Schadensersatz, der nach anderen Vorschriften begründet ist, unberührt. Ein deliktsrechtlicher Schutz gegen den unbefugten Gebrauch einer fremden Firma ist z.B. nach §§ 823 I, II, 826 BGB begründet 64 . Zu klären ist, ob der Schutz der Eingriffskondiktion, der sich auf die Marke erstreckt, auch die in § 5 II MarkenG genannten Unternehmenskennzeichen Name und Firma erfaßt.

c) Der Zuweisungsgehalt Name und Firma

der geschäftlichen

Bezeichnungen

Voraussetzung des eingriffsbereicherungsrechtlichen Schutzes von Name und Firma, die im geschäftlichen Verkehr als Unternehmenskennzeichen gebraucht werden, ist, daß diese Rechte einen bereicherungsrechtlich relevanten Zuweisungsgehalt besitzen. Für die Zuweisungsgehaltsfähigkeit dieser Rechte spricht, daß gemäß § 15 I MarkenG dem Inhaber einer geschäftlichen Bezeichnung ein ausschließliches Recht daran gewährt wird. Dieses ausschließliche Recht verschafft seinem Inhaber die Befugnis, im geschäftlichen Verkehr den Namen bzw. die Firma zu benutzen und andere von der Nutzung derselben oder einer ähnlichen Bezeichnung auszuschließen, soweit eine solche Nutzung zu einer Verwechslungsgefahr mit dem Geschäftsbetrieb des Namens oder Firmeninhabers führen könnte. Der Ausschluß der Dritten ergibt sich aus § 15 II MarkenG. Gemäß § 15 III MarkenG gilt für bekannte geschäftliche Bezeichnungen das Benutzungsverbot für Dritte unabhängig von einer Verwechs62 63 64

Baumback/Hopt, HGB, § 23, Rz. 1. UWG-Großkommentar(-H«j7