Beratungspsychologie [1 ed.] 3540790608, 9783540790600, 9783540790440

Ob Ehe- oder Laufbahnberatung – der Wunsch nach Beratung scheint kennzeichnend für unsere Gesellschaft zu sein. Es ist k

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Beratungspsychologie  [1 ed.]
 3540790608, 9783540790600, 9783540790440

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Petra Warschburger (Hrsg.) Beratungspsychologie

Petra Warschburger (Hrsg.)

Beratungspsychologie Mit 24 Abbildungen und 29 Tabellen

K

Prof. Dr. Petra Warschburger Universität Potsdam Institut für Psychologie, Abt. Beratungspsychologie Karl-Liebknecht-Straße 24/25, 14476 Potsdam E-mail: [email protected]

ISBN-13 978-3-540-79060-0 Springer Medizin Verlag Heidelberg Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes.

Springer Medizin Verlag springer.de © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2009 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Planung: Dr. Svenja Wahl Projektmanagement: Michael Barton Lektorat: Dr. Christiane Grosser, Viernheim Layout und Umschlaggestaltung: deblik Berlin Satz: Crest Premedia Solutions (P) Ltd., Pune, India SPIN: 11529057 Gedruckt auf säurefreiem Papier

2126 – 5 4 3 2 1 0

V

Vorwort Beratungspsychologie ist in Deutschland – im Vergleich zu vielen anderen Ländern – kein eigenständiges Lehr- und Forschungsgebiet. Dies spiegelt sich auch darin wieder, dass Lehrstühle für Beratungspsychologie an psychologischen Instituten oftmals an die Pädogogische, Klinische oder Arbeits- und Organisationspsychologie gekoppelt sind und kein expliziter Bestandteil der Denomination darstellen. Dies lässt den Eindruck entstehen, dass Beratung gar kein orginär psychologisches oder für die Psychologie relevantes Thema ist, sondern ein »Ableger« der Klinischen, respektive Pädagogischen oder Arbeits- und Organisationspsychologie. Demgegenüber findet man in verwandten Disziplinen wie der Sonder- oder Sozialpädagogik wie auch der Medizin viel häufiger Beratung als eigenständiges Berufsfeld. Gesellschaftliche Entwicklungen in den letzten Jahrzehnten haben gezeigt, dass Beratung und Beratungsstellen innerhalb der psychosozialen Versorgungsstrukturen nicht nur nicht wegzudenken sind, sondern auch zunehmend an Bedeutung gewinnen. Dennoch ist »Berater« kein geschützter Titel und – gerade im kommerziellen Bereich – ist schwer sicherzustellen, dass stets eine empirisch fundierte, effektive und effiziente Beratungsarbeit angeboten wird. Daher ist es besonders wichtig, Strukturen aufzubauen, die eine qualitätsgesicherte Versorgung sicherstellen und befördern helfen. In den letzten Jahrzehnten hat es vermehrt Versuche gegeben, die orginären Ansätze innerhalb der Beratung darzustellen und den Stellenwert gerade der Psychologie für die Beratungsarbeit und -forschung herauszustellen. Die Zusammenschau und der Austausch gerade zwischen den verschiedenen Anwendungsfeldern innerhalb der Psychologie ist dabei oftmals nicht erfolgt. Ich danke allen Autoren, die mit ihren Ausführungen dazu beigetragen haben, Beratung im Lichte der unterschiedlichen Anwendungsfelder der Psychologie zu beleuchten und zur Diskussion über den aktuellen Forschungsstand innerhalb der Beratungspsychologie beigetragen haben. Neben den unterschiedlichen Entwicklungen zeigen sich doch auch viele parallele Entwicklungen und mögliche Synergieeffetke. Mein Dank gilt auch Frau Dr. Wahl und Herrn Michael Barton vom Springer-Verlag für ihre Unterstützung des Vorhabens sowie Frau cand. psych. Anja Wusterhausen und Frau cand. psych. Madlen Winkler für ihre akribische Bearbeitung aller Texte. Potsdam, im Juli 2008 Petra Warschburger

VII

Mitarbeiterverzeichnis Eva Bamberg, Prof. Dr.

Fritz Mattejat, Prof. Dr.

Universität Hamburg FB Psychologie Von-Melle-Park 11, 20146 Hamburg

Universitätsklinikum Marburg Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie Hans-Sachs-Str. 4-6, 35039 Marburg

Petra Buchwald, Prof. Dr. Bergische Universität Wuppertal Bildungs- und Sozialwissenschaften Fachbereich G, Gaussstr. 20, 42097 Wuppertal

Holger Domsch, Dipl.-Psych. Universität Bielefeld Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft Postfach 10 01 31, 33501 Bielefeld

Jan Pauschardt, Dipl.-Psych. Universitätsklinikum Marburg Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie Hans-Sachs-Str. 4-6, 35039 Marburg

Christine Schwarzer, Prof. Dr. Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Abt. für Weiterbildung und Beratung Universitätsstrasse 1, 40225 Düsseldorf

Norbert R. Krischke, PD Dr. Carl von Ossietzky Universität Oldenburg Fakultät V, Abt. Gesundheitsund Klinische Psychologie 26111 Oldenburg

Arnold Lohaus, Prof. Dr. Universität Bielefeld Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft Postfach 10 01 31, 33501 Bielefeld

Petra Warschburger, Prof. Dr. Universität Potsdam Institut für Psychologie Abt. Beratungspsychologie Karl-Liebknecht-Str. 24/25, 14476 Potsdam

IX

Inhaltsverzeichnis I

Theoretischer Hintergrund . . . . .

1

5

Mediengestützte Beratungskommunikation . . . . . . . . . . 107

1

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

5.1 5.2 5.3 5.4 5.5

Definitionsversuch und Einteilung . . . . . Vor- und Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Telefonberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Internetbasierte Beratung . . . . . . . . . . . . . Herausforderungen für die Zukunft . . . .

108 110 116 120 124

II

Anwendungsfelder . . . . . . . . . . . . . .

129

6

Beratung in der Pädagogischen Psychologie . . . . . . . . 131 Chr. Schwazer, P. Buchwald

6.1 6.2

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was ist Beratung in der Pädagogischen Psychologie? . . . . . . . . . . . Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung der drei großen psychologischen Schulen für die Beratung . . . . Systemisch orientierte Ansätze . . . . . . . . Ressourcenorientierte Beratung . . . . . . . Beratung von Lehrern und Lehrerinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rolle des Lehrenden in der Schule – Eine sich wandelnde Aufgabe . Stress in der Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . LehrerInnen-SchülerInnen-Verhältnis . . Burnout von Lehrern und Lehrerinnen . Individuelle Beratung von Lehrenden . . Beratung von Lehrerkollegien . . . . . . . . . . Institutionsberatung Schule . . . . . . . . . . . Beratung von Jugendlichen . . . . . . . . . . . . HIV/AIDS-Prävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schulangst und Prüfungsangst . . . . . . . . Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.1

Problemfelder in der Beratung/ Beratungsanlässe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.1 Zeitliche Trends . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.2 Beratungspsychologie – Eigenständig oder Anhängsel? . . . . . . . . . . 1.2 Aufbau des Buches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4 5 8 8

2

Theoretischer Hintergrund . . . . . . . . . . . 11

2.1

2.5 2.6

Rahmenbedingungen professioneller Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . Felder psychosozialer Beratung . . . . . . . . . Definitionsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abgrenzung von Psychotherapie und Erziehung . . . . . . . . . . Besondere Beratungsformen . . . . . . . . . . . Kennzeichen von Beratung . . . . . . . . . . . . .

3

Beratungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

3.1 3.2 3.3 3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4 3.5

Inanspruchnahme von Beratung . . . . . . . . Beratungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirksamkeit von Beratung . . . . . . . . . . . . . . Wirkfaktoren der Beratung . . . . . . . . . . . . . . Spezifische Therapiefaktoren . . . . . . . . . . . Klientenvariablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beratervariablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berater-Klient-Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . Modelle allgemeiner Wirkfaktoren . . . . . .

40 46 57 68 68 69 70 72 75

4

Neuere Modelle zur Veränderung . . . . Transtheoretisches Modell . . . . . . . . . . . . . . Kernannahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stufen der Veränderung . . . . . . . . . . . . . . . . Veränderungsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . Stufenspezifische Intervention . . . . . . . . . . Empirische Evidenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kritik und Implikationen des TTM . . . . . . . Motivational Interviewing . . . . . . . . . . . . . . Abgrenzung zu anderen Beratungsansätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Wirksamkeit des Motivational Interviewing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Motivational Interviewing – Für wen? . . .

83

4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4 4.1.5 4.1.6 4.2 4.2.1

84 85 85 88 91 92 93 94

2.2 2.3 2.4

12 20 21 23 33 36

97 100 101

6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.4 6.4.1 6.4.2 6.4.3 6.4.4 6.4.5 6.4.6 6.4.7 6.5 6.5.1 6.5.2 6.6

132 133 135 135 138 139 140 140 141 141 142 143 144 145 146 146 148 151

7

Gesundheitsberatung . . . . . . . . . . . . . . . 155 H. Domsch, A. Lohaus

7.1 7.2 7.3

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 Eingrenzung des Begriffes . . . . . . . . . . . . . 156 Von der Patientenaufklärung zur Gesundheitsberatung . . . . . . . . . . . . . . 157

X

7.4 7.5 7.5.1 7.5.2 7.6 7.6.1 7.6.2 7.6.3 7.6.4 7.6.5 7.7 7.8 7.9

Inhaltsverzeichnis

Ziele einer Gesundheitsberatung . . . . . . . . 157 Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 Zielgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 Gesundheitsberater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Theoretischer Hintergrund und neuere Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Modelle der Gesundheitspsychologie . . . 160 Subjektive Krankheitstheorien . . . . . . . . . . 161 Beratungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 Empowerment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 »E-Health«: Beratung im Internet . . . . . . . . 164 Gesundheitsberatung bei Kindern und Jugendlichen . . . . . . . . . . . . . . 166 Beispiel einer Gesundheitsberatung an chronisch Kranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Anforderungen und Effektivität . . . . . . . . . 169

8

Beratung in der Klinischen Psychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 F. Mattejat, J. Pauschardt

8.1 8.2

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 Theoretisch-konzeptuelle Aspekte: Was bedeutet »Beratung« in der Klinischen Psychologie? . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 Klinisch-psychologische Beratungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 Psychodynamische Beratung . . . . . . . . . . . 178 Kognitiv-behaviorale Beratung . . . . . . . . . 182 Personzentrierte Beratung . . . . . . . . . . . . . . 185 Systemische Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 Aktuelle Entwicklungen: Neuere Beratungsmodelle in der Klinischen Psychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Psychoedukation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Eltern- und Familienberatung nach dem Familien-Kooperations-Modell . . . . . 198 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204

8.3 8.3.1 8.3.2 8.3.3 8.3.4 8.4

8.4.1 8.4.2 8.5

9

Beratung in der Arbeits- und Organisationspsychologie . . . . . . . . . . . . 207 E. Bamberg

9.1 9.1.1 9.1.2 9.1.3 9.2

Handlungsfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 Suchtberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 IT-Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Outplacementberatung . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Merkmale von Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . 210

9.3 9.3.1 9.3.2 9.3.3 9.4 9.4.1 9.4.2 9.4.3 9.5 9.5.1 9.5.2 9.6 9.7 9.7.1 9.7.2 9.7.3 9.7.4 9.8

Beratung als Arbeitstätigkeit . . . . . . . . . . . . 211 Interaktionsbezogene Anforderungen . . 212 Arbeitsaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Organisationaler Kontext . . . . . . . . . . . . . . . 213 Konzepte zu Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Beratung von Individuen . . . . . . . . . . . . . . . 214 Organisationsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Direktivität – Nondirektivität . . . . . . . . . . . . 217 Akteure in der Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . 218 Klienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 Beraterinnen und Berater . . . . . . . . . . . . . . 220 Anforderungsorientierte Beratung . . . . . . 222 Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Coaching . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 Mentoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 Supervision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 Gemeinsamkeiten und Unterschiede . . . . 231 Status quo und Entwicklungsperspektiven – Ein Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231

10

Beratung bei Psychischen Krisen . . . . . 235 N. R. Krischke

10.1 Primat ambulanter Hilfen bei Psychischen Krisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 10.2 Begründungszusammenhänge für Beratung im Verlauf Psychischer Krisen . . 237 10.3 Kommunale Strukturen der Beratung bei Psychischen Krisen . . . . . . . . 237 10.4 Häufigkeit und Charakteristika von Menschen in Psychischen Krisen . . . . . . . . 239 10.5 Kennzeichnung Psychischer Störungen im Verlauf Psychischer Krisen . . . . . . . . . . . 240 10.6 Theoretische Grundannahmen zu Psychischen Krisen und Krisen im Lebensvollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 10.7 Beratung bei schweren Psychischen Krisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 10.8 Grundhaltungen, Aufgaben und Funktion von Beratung in Psychischen Krisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 10.8.1 Grundhaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 10.8.2 Aufgaben als Berater bei Psychischen Krisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 10.8.3 Funktion von Beratung für Menschen in Psychischen Krisen . . . . . . . . 251

XI Inhaltsverzeichnis

III

Integration

11

Zusammenfassende Betrachtung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255

11.1 Beratung – Ein dynamisches Anwendungsfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Differenzierung und Spezialisierung in der Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3 Beratung in den etablierten Anwendungsfächern der Psychologie – Konvergenzen und Divergenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4 Qualitätssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.5 Science-Practioner-Modelle . . . . . . . . . . . . . 11.6 Beratungspsychologie – Ein eigenständiges Anwendungsund Forschungsfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

258 259

260 261 263

264

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 Ethische Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Psychologie . . . . . . . . . . . . . . . 267 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271

1

I Theoretischer Hintergrund 1

Einführung – 3

2

Theoretischer Hintergrund – 11

3

Beratungsprozess – 37

4

Neuere Modelle zur Veränderung – 81

5

Mediengestützte Beratungskommunikation – 105

1 Einführung 1.1

Problemfelder in der Beratung/Beratungsanlässe

1.1.1 1.1.2

Zeitliche Trends – 5 Beratungspsychologie – Eigenständig oder Anhängsel? – 8

1.2

Aufbau des Buches – 8 Literatur

– 9

– 4

4

1

Kapitel 1 . Einführung

Wendet man sich der Thematik »Beratung« zu, dann stellt man sehr schnell fest, dass es sich dabei um kein spezifisch psychologisches Feld handelt, sondern im Gegenteil »Beraten« ein alltägliches Phänomen, fast schon ein Schlagwort ist. So sind Rat-Suchen und Rat-Geben in allen Gesellschaften zu allen Zeiten zu finden: Die Älteren und/oder Erfahrenen lassen die Jüngeren an ihrem Erfahrungsschatz teilhaben. Diese »Form der Beratung« erfolgt in der Regel in sozialen Verbänden und herrscht in traditionellen Gesellschaften immer noch stark vor. Auch heute noch finden rund 70% aller Beratungsgespräche in Alltagssituationen (z.B. Austausch mit Freunden etc.) statt. Hier geht es in der Regel aber »nur« um den Austausch von Informationen und dies muss daher von professioneller Beratung (7 Kap. 2) abgegrenzt werden. Psychologisch-fundierte, professionelle Beratung ist hingegen ein relativ junger Bereich, der sich mit Beginn der zunehmenden Industrialisierung und Spezialisierung in der modernen Gesellschaft etabliert hat. Die Geschichte der Beratung ist dabei sehr eng mit der Entwicklung in der Psychotherapie verbunden und über weite Strecken von dieser nicht zu trennen. Der Ursprung von Beratung und Psychotherapie kann bereits auf das 18. Jahrhundert zurückverfolgt werden, als die ersten Heime für geistig minderbegabte Menschen gegründet wurden. Diese Menschen galten als »unproduktiv« und durch die zunehmende Industrialisierung brachen familiäre und soziale Versorgungsnetzwerke zusammen; staatliche Versorgungssysteme mussten an ihre Stelle treten. Diese Einrichtungen, sog. »workhouses«, beinhalteten aber keineswegs eine psychiatrische oder psychologische Versorgung der Insassen, sondern waren mehr oder weniger reine Arbeits- oder auch Verwahrorte. Dies galt auch für die später gegründeten psychiatrischen Anstalten für psychisch kranke Menschen. Langsam »entdeckte« die Medizin die psychischen Störungen; sie postulierte medizinische und biologische statt dämonische Ursachen und entwickelte erste Behandlungsformen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts bildete sich innerhalb der Medizin ein neues Spezialgebiet heraus: die Psychotherapie, die sich mit der Heilung des Körpers durch die Psyche beschäftigte. Sigmund Freud gilt als einer der ersten Vertreter der Psychotherapie, indem er sich von der Hypnose als Behandlungstechnik abwandte

und sein Konzept der Psychoanalyse entwickelte. Gerade in den USA fand die Psychoanalyse regen Anklang und viele »amerikanische Adaptationen« sowie neue Theorierichtungen formierten sich (wie in den 50er Jahren die Gesprächspsychotherapie von Rogers oder in den 60er Jahren die Verhaltenstherapie). Gerade der humanistische Ansatz von Rogers (2001) hat die psychologische Beratung entscheidend geprägt. Erst ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts begann sich Beratung als spezifisches Berufsfeld zu etablieren. Die Wurzeln dafür liegen im Bereich des Erziehungs- und Bildungswesens sowie im ehrenamtlichen Sektor. Bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts wurden an verschiedenen amerikanischen Schulen und Hochschulen Berufsbildungsprogramme aufgebaut. Erste Bücher zur Thematik erschienen, Fachzeitschriften wurden gegründet. Die ehrenamtliche Beratungstätigkeit wurde (und wird) stark von kirchlichen Einrichtungen geprägt und steht eher in der Tradition der Pädagogik. So wurden nach und nach – erst private und dann zunehmend auch staatliche – Beratungseinrichtungen aufgebaut, die sich vor allem aktuellen gesellschaftlichen Problemen (wie Jugenddelinquenz, Kindesmissbrauch, Ehekonflikte etc.) zuwandten. Beiden Richtungen ist gemeinsam, dass sie – im Gegensatz zur psychotherapeutischen Tradition von Beratung – betonen, dass es sich um »normative« Orientierungs-, Entscheidungs-, Planungsund Handlungsanforderungen »normaler« Personen in ihrem Lebenslauf mit seinen kritischen Übergängen und problemträchtigen Phasen handelt. Damit rückt auch die entwicklungsbezogene Perspektive von Beratung in den Vordergrund.

1.1

Problemfelder in der Beratung/Beratungsanlässe

Die Problemfelder, die innerhalb einer Beratung behandelt werden, sind sehr breit gestreut. In einer Studie von Mellor-Clark, Connell, Barkham und Cummins (2001) zeigte sich zum einen, dass in der Regel mehr als ein Problembereich als Anlass genannt wurde, zum anderen die Fokussierung auf bestimmte Themenbereiche. Am häufigsten wurden Ängste/Stress, Depression, Beziehungsschwierigkeiten, Selbstwertprobleme und Verlusterlebnisse

1

5 1.1 . Problemfelder in der Beratung/Beratungsanlässe

. Tab. 1.1. Beratungsanlässe der 2004 beendeten Beratungen in der BR Deutschland. (Kinder- und Jugendhilfestatistik, 2004) Beratungsanlass

Weiblich [%]

Männlich [%]

Insgesamt [%]

Beziehungsprobleme

41,3

39,0

40,0

Entwicklungsauffälligkeiten

24,5

29,8

27,6

Schul-/Ausbildungsprobleme

19,6

30,2

25,7

sonstige Probleme in der Familie

21,5

18,1

19,5

Trennung/Scheidung der Eltern

27,1

23,2

24,8

Anzeichen von sexuellem Missbrauch

4,6

1,2

2,6

Straftat Jugendlicher

0,5

1,1

0,9

Suchtprobleme

1,1

1,3

1,2

Wohnungsprobleme

0,6

0,5

0,5

Anzeichen für Kindesmisshandlungen

1,7

1,1

1,3

* Mehrfachnennungen möglich, Beratungsanlass bezüglich der angemeldeten Kinder und Jugendlichen

genannt. Immerhin bei mehr als 10% ihrer Klienten spielten Traumata/Missbrauch, Probleme am Arbeitsplatz und in der allgemeinen Lebensführung eine Rolle. Psychosen wurden nur von 1,1% genannt, hier vor allem in einer milden Form. Diese Studie verdeutlicht das breite Spektrum, das mit Beratung abgedeckt wird (vgl. Hemmings, 2000; Nettleton et al., 2000; Setiawan, 2006). Diese Breite der Fragestellungen und Anlässe gilt auch für den Bereich der Institutionellen Beratung. . Tab. 1.1 zeigt die Daten der Kinder- und Jugendhilfestatistik aus dem Jahre 2004. Hinter den Oberkategorien wie z.B. Entwicklungsauffälligkeiten können sich sehr unterschiedliche Erscheinungen wie Ängste, Enuresis oder Störungen des Sozialverhaltens verbergen. Gerade im Bereich der professionellen Beratung können wir in der jüngeren Zeit eine beinahe explosionsartige Verbreitung von Beratungsangeboten und -konzepten beobachten. Nicht nur, dass sich immer mehr Professionen mit Fragen der Beratung auseinandersetzen (sei es nun die Wirtschaftswissenschaften oder die Sozialwissenschaften), sondern auch innerhalb der »pädagogisch-psychologischen Beratungsprofessionen« (wie Psychologie, Pädagogik oder Medizin) hat sich sowohl eine Ausweitung

und enorme Spezialisierung der Beratungsfelder (z.B. HIV-Beratungsstellen; Beratungsstellen für MigrantInnnen etc.) und Beratungswege (wie z.B. Mediation oder Intervision) ergeben, als auch eine zunehmende Nachfrage nach Beratungsangeboten. So berichtet beispielsweise das Statistische Bundesamt für den Bereich der Erziehungsberatung, dass im Jahre 2005 307.800 junge Menschen (im Alter bis 27 Jahren) eine erzieherische Beratung in Anspruch genommen haben. Das waren 1% mehr als 2004 und sogar 42% mehr als 1994. Damit wächst der Bedarf seit einigen Jahren stetig.

1.1.1

Zeitliche Trends

Ob dies Ausdruck eines Anstiegs der psychischen Störungen und der psychosozialen Probleme innerhalb der Bevölkerung oder Ergebnis eines verstärkten Aufmerksamkeitsfokus oder einer verbesserten Versorgungslage ist, lässt sich nur schwer beantworten. Generell lässt sich wohl festhalten, dass zumindest bei einigen Störungsbildern wie beispielsweise der Suchtproblematik ein leichter Anstieg in der Verbreitung über die letzten Jahre zu finden ist.

1,8

1,6

1,43

0,8

Suchtprobleme

Straftaten des Jugendlichen/ jungen Volljährigen

Wohnungsprobleme

Anzeichen für Kindesmisshandlung

13,22

Sonstige Probleme in und mit der Familie

2,98

18,62

Schul-/Ausbildungsprobleme

Anzeichen für sexuellen Missbrauch

23,75

Entwicklungsauffälligkeiten

9,99

26,67

Beziehungsprobleme

Trennung/Scheidung der Eltern

1991

0,72

1,59

2,01

1,80

2,90

11,10

12,66

18,25

23,02

25,91

1992

0,81

1,36

2,07

1,65

3,31

11,81

12,86

17,76

22,37

25,96

1193

0,79

1,22

2,09

1,58

3,05

12,49

13,23

17,24

21,83

26,43

1994

0,75

1,09

2,40

1,72

2,91

12,96

13,58

17,09

21,05

26,40

1995

0,71

1,17

1,85

1,74

2,83

13,70

13,96

17,05

20,67

26,27

1996

0,67

0,93

1,72

1,78

2,78

14,04

14,13

17,48

19,91

26,50

1997

0,71

0,94

1,57

1,85

2,56

14,20

13,97

17,80

19,55

26,80

1998

0,76

0,85

1,61

1,83

2,49

14,68

13,57

18,51

18,95

26,69

1999

0,90

0,85

1,36

1,71

2,34

14,44

13,14

19,34

18,71

27,17

2000

0,89

0,65

1,37

1,65

2,25

14,90

13,69

19,09

18,28

27,16

2001

1,11

0,79

1,38

1,73

2,62

17,36

15,53

21,37

21,08

31,04

2002

0,98

0,66

1,26

1,65

2,30

15,55

13,51

18,23

18,25

27,56

2003

1,00

0,55

1,17

1,62

2,17

15,97

13,77

17,62

18,29

27,80

2004

1,10

0,54

1,22

1,52

2,20

16,42

14,10

17,48

17,75

27,62

2005

1

Beratungsanlass

. Tab. 1.2. Ranking der Beratungsanlässe in der Kinder- und Jugendhilfe von 1991 bis 2005 (Angaben in %)

6 Kapitel 1 . Einführung

1

7 1.1 . Problemfelder in der Beratung/Beratungsanlässe

. Tab. 1.3. Beratungsanlässe zwischen 1988 und 2001 (Häufigkeiten in %). (Nach Benton et al., 2003) Problembereiche

1988–92 (=1; in %)

1992–96 (=2; in %)

1996–2001 (=3; in %)

Post-hocVergleich

Beziehungsprobleme

46,54

57,25

56,16

2,3 > 1*

Stress/Angst

36,26

63,42

62,87

2,3 > 1*

Familienprobleme

32,87

42,85

44,82

3,2 >1*

Situationsbezogen

21,91

43,19

58,24

3 > 2 > 1*

Bildungs-/berufsbezogen

21,76

17,12

21,74

1,3 >2*

Depression

21,10

34,49

40,67

3 > 2 > 1*

Entwicklungsbezogen

18,98

28,99

41,41

3 > 2 > 1*

Missbrauch

11,70

15,40

12,31

2 > 1,3

Medikamentengebrauch

8,97

12,04

22,22

3 > 2 > 1*

Akademische Fähigkeiten

8,50

24,66

34,46

3 > 2 > 1*

Körperliche Probleme

6,58

11,79

13,52

2,3 > 1*

Substanzmissbrauch

6,38

6,39

6,64

Essstörung

5,26

6,00

5,59

Persönlichkeitsstörung

2,61

6,12

7,23

2,3 > 1*

Suizidal

4,80

9,01

8,98

2,3 > 1*

Trauer

4,41

8,01

10,23

Chronisch psychische Störung

2,90

2,44

3,49

Juristische Probleme

2,12

3,06

3,00

Sexuelle Nötigung

0,17

3,66

3,45

Das Ranking der einzelnen Beratungsanlässe hat sich jedoch nicht verändert (. Tab. 1.2): Demnach gaben über die letzten 15 Jahre am häufigsten Beziehungsprobleme, gefolgt von Entwicklungsauffälligkeiten und Schul- bzw. Ausbildungsproblemen Anlass zur Beratung. Zu einem etwas anderen Ergebnis gelangen Benton, Robertson, Tseng, Newton und Benton (2003), die über den Zeitraum von 13 Jahren die Beratungsanlässe innerhalb einer Studienberatungsstelle dokumentierten. Sie fanden vor allem für die Bereiche entwicklungsbezogene Probleme, situationsbezogene Probleme, Depression, Trauer, Medikamentengebrauch und akademische Fertigkeiten einen stetigen

3 > 2 > 1*

2,3 > 1*

Anstieg, während sich in den Bereichen Substanzabusus, juristische Probleme, Essstörungen oder chronische psychische Störungen keinerlei zeitliche Veränderungen ergaben (. Tab. 1.3). Kontrovers wird diskutiert, ob die Schwere der psychosozialen Belastung angestiegen ist. Die Daten sind hierbei oftmals schwer zu interpretieren, da eine retrospektive Erfassung, z.B. der Sichtweise der Berater, nicht aussagekräftig genug ist. Es finden sich allerdings Hinweise darauf, dass sich der Anteil der stark auffälligen Studierenden, die Beratung nachfragen, in den letzten Jahrzehnten erhöht hat (vgl. Cornish, Kominars, Riva, McIntosh & Henderson, 2000; Kitzrow, 2003).

8

1

Kapitel 1 . Einführung

Beratung und Beratungsbedarf scheinen ein kennzeichnendes Merkmal unserer modernen Gesellschaft zu sein. Die Hintergründe hierfür sind sicherlich vielfältig: Wir erleben in jüngster Zeit eine sehr schnelle Veränderung sämtlicher Lebens- und Arbeitsbedingungen; die wissenschaftlichen Fortschritte und Erkenntnisse sind enorm gestiegen. Viele Informationen, auch wenn diese durch die neuen Medien schnell vielen Personen zugänglich sind, erfordern spezialisiertes Hintergrundwissen, um überhaupt Handlungsrichtlinien davon ableiten zu können. Die Informationsfülle, aber auch Widersprüchlichkeit der verfügbaren Informationen, stellen viele Menschen vor Herausforderungen, denen sie nicht gewachsen sind. Die genaue Zahl der psychosozialen Beratungsstellen (privater und öffentlicher Trägerschaft) in Deutschland ist schwer zu bestimmen. Nach den Angaben der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugend- und Eheberatung e. V. (DAJEB) sind 11.777 Beratungsstellen online abfragbar (Stand: 30.07.2007).

1.1.2

Beratungspsychologie – Eigenständig oder Anhängsel?

Auch wenn die Entwicklung der Beratung in Deutschland und den USA in vielen Punkten sehr ähnlich verlaufen ist, gibt es doch entscheidende Unterschiede. Während in Amerika, wie zum Beispiel auch in Kanada und England, sich »Counselling Psychology« als eigenständiges Anwendungsfeld etabliert und institutionalisiert hat (mit mehr als 100 akkreditierten Instituten in den USA und eigenen Gesellschaften wie der American Counseling Association mit mehr als 45.000 Mitgliedern), führt die Beratungspsychologie in Deutschland ein Schatten- und Zwitterdasein. Neuere Entwicklungen zur Beratung finden sich in allen Anwendungsgebieten der Psychologie wie der Pädagogischen, Klinischen und Gesundheitspsychologie, Arbeits- und Organisationspsychologie, aber auch in neueren Spezialisierungen wie der Rechtspsychologie und Kriminologie, der Umwelt- oder Sportpsychologie. Dabei ist die Beratung in Deutschland ein dynamisches Forschungsfeld der Psychologie. Krampen und Schui (2006) überprüften den Anteil beratungsbezogener Literatur – identifiziert über das Schlagwort »counseling« – in einer deutschen (»PSYNDEX«)

und internationalen (»PsycINFO«) psychologischen Literaturdatenbank von 1967 bis 2003. Während in der internationalen Literatur der Anteil der Beratungsliteratur sich mehr oder minder konstant bei 1,5% hielt, ist er in der deutschsprachigen Literatur mit ca. 3-4% deutlich höher. Beratungsrelevante Literatur macht innerhalb der Klinischen Psychologie und Gesundheitspsychologie etwa 3-4% des Gesamtliteraturaufkommens aus, zählt man die Aus- und Weiterbildungsliteratur hinzu erreicht man einen Anteil von 9%. Vergleichbar hoch liegen die Anteile in der Pädagogischen respektive A&O-Psychologie mit jeweils rund 7%. Diese Analyse verdeutlicht, dass psychologische Beratung Schnittstellen zu einer Vielzahl von Anwendungsbereichen aufweist. Im deutschsprachigen Raum – entgegen dem internationalen Trend – befassten sich die Publikationen v.a. mit psychotherapeutischer Beratung (international: Berufsberatung), Partner- und seelsorgerischer Beratung. Neue Bereiche wie genetische oder interkulturelle Beratung weisen steigende, wenn auch absolut betrachtet, geringe Literaturaufkommen auf. Ein Problem dieser Schnittstellenfunktion ist sicherlich, dass kein Austausch zwischen den einzelnen Fachdisziplinen erfolgt und sich in den jeweiligen Fachrichtungen voneinander unabhängige Entwicklungen ergeben.

1.2

Aufbau des Buches

Das vorliegende Buch versteht sich weder als »Handanweisung« für Beratungstechniken oder praktische Beratungsarbeit noch als umfassender Überblick zu Theorien und Anwendungsfeldern der Beratung. Für beide Bereiche liegen mittlerweile national und international zahlreiche Publikationen vor. Es soll vielmehr der Versuch unternommen werden, aktuelle Fragen und Themen in der Beratung zu beleuchten und dabei aktuelle Trends, Konvergenzen und Divergenzen in ausgewählten Anwendungsgebieten der Psychologie aufzuzeigen. Dabei konzentriert sich das Buch auf die »klassischen Anwendungsbereiche« der Klinischen, der Pädagogischen, der A&O-Psychologie, der Gesundheitspsychologie sowie im Anwendungsfeld der Psychiatrie bei Psychischen Krisen. Für jeden dieser Bereiche wird die aktuelle Diskussion von ausgewiesenen Experten auf diesem Gebiet dargestellt. Eingerahmt werden diese

9 Literatur

Darstellungen von einer allgemeinen theoretischen Einführung in den Bereich der Beratung und einer abschließenden Synopsis. Im zweiten Kapitel wird daher eine Begriffsbestimmung vorgenommen, um Beratung genauer gegenüber verwandten Begriffen und Anwendungsgebieten abzugrenzen. Im dritten Kapitel werden der Beratungsprozess und der Problemlöseprozess als Metakonzept der Beratung dargestellt. Im Rahmen der Diskussion der Veränderungsprozesse werden neuere Ansätze in der Beratungslandschaft – das transtheoretische Modell und das Konzept des Motivational Interviewing – vorgestellt. Als eine aktuelle Entwicklung werden Fragen der mediengestützten Beratung diskutiert. Abschließend erfolgt eine kurze Darstellung der Ergebnisse von Beratung und Maßnahmen zur Qualitätssicherung.

Literatur Benton, S. A., Robertson, J. M., Tseng, W. - C., Newton, F. B. & Benton, S. L. (2003). Changes in counseling center client problems across 13 years. Professional Psychology: Research and Practice, 34, 66-72. Cornish, J. A., Kominars, K. D., Riva, M. T., McIntosh, S. & Henderson, M. C. (2000). Perceived distress in university counseling center clients across a six-year period. Journal of College Student Development, 41, 104-109. Hemmings, A. (2000). Counselling in primary care: A review of the practice evidence. British Journal of Guidance & Counselling, 28, 233-252. Kitzrow, M. A. (2003). The mental health needs of today‘s college students: Challenges and recommendations. NASAPA Journal, 41, 167-181. Krampen, G. & Shui, G. (2006). Beratung im Spiegel wissenschaftlicher Information und Dokumentation. In C. Steinebach (Hrsg.), Handbuch psychologischer Beratung (S. 134-146). Stuttgart: Klett-Cotta. Mellor-Clark, J., Connell, J., Barkham, M. & Cummins, P. (2001). Counselling outcome in primary health care: A CORE system data profile. European Journal of Psychotherapy, Counselling and Health, 4, 65-86. Nettleton, B., Cooksey, E., Mordue, A., Dorward, I., Ferguson, J., Johnston, J. & Jones, L. (2000). Counselling: Filling a gap in general practice. Patient Education and Counselling, 41, 197-207. Rogers, C. R. (2001). Die nicht-direktive Beratung. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag. Setiawan, J. L. (2006). Willingness to seek counselling, and factors that faciliate and inhibit the seeking of counselling in Indonesian undergraduate students. British Journal of Guidance & Counselling, 34, 403-419.

1

Statistisches Bundesamt (2007). Statistik der Kinder- und Jugendhilfe: Institutionelle Beratung 2004. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt.

2 Theoretischer Hintergrund 2.1

Rahmenbedingungen professioneller Beratung

2.2

Felder psychosozialer Beratung

2.3

Definitionsversuche – 18

2.4

Abgrenzung von Psychotherapie und Erziehung – 21

2.5

Besondere Beratungsformen

2.6

Kennzeichen von Beratung Literatur

– 34

– 12

– 17

– 29 – 32

12

2

Kapitel 2 . Theoretischer Hintergrund

Im ersten Teil soll nun der inhaltliche und formale Rahmen von Beratung und Beratungspsychologie gesteckt werden. Dabei soll kurz auf die Definition von Beratung und deren Abgrenzung von anderen Formen der Intervention eingegangen werden.

2.1

Rahmenbedingungen professioneller Beratung

Beratungstätigkeit findet sich in vielen Kontexten, am häufigsten im Alltag. Rund 80% der Beratungsgespräche finden im Alltag statt. Die ratsuchende Person sucht sich – in der Regel in ihrem unmittelbaren Freundes- und Bekanntenkreis – eine oder mehrere Personen, die sie für geeignet hält – oder aber auch, die zurzeit gerade verfügbar sind ihr bei der Lösung ihres Problems zu helfen. Professionelle Beratung unterscheidet sich jedoch in wesentlichen Punkten von der Beratung im Alltag: die gefragte Person (=Ratgebende) muss weder über besondere Kompetenzen in Bezug auf Beratungsverhalten, noch unbedingt über besondere theoretische Kenntnisse bezogen auf das Problem verfügen, der Ratgebende kann i.d.R. nicht rechtlich belangt werden, um nur einige Unterschiede zu benennen. In Abgrenzung zum »Ratgeben« im Alltag ist professionelle Beratung an einen Beratungsvertrag gebunden. Dieser »Beratungsvertrag«, der formell oder auch informell geschlossen werden kann, hat eine Reihe von rechtlichen Implikationen, in erster Linie für den Berater, aber es ergeben sich auch eine Reihe von relevanten rechtlichen Vorschriften für den Ratsuchenden (▶ Kasten »Rechtliche Rahmenbedingungen professioneller psychosozialer Beratung«). »Ratgeber« im Alltag ist in der Regel eine dem Ratsuchenden aus anderen Kontexten bekannte Person, die dann auch meist keine finanzielle Entlohnung für ihre »Beratungstätigkeit« erhält, sondern Beratung wird hier als »Freundschaftsdienst« verstanden. Professionelle psychosoziale Beratung ist eine Dienstleistung: Während eine institutionalisierte Beratung (z.B. in Institutionen zur Ehe- und Familienberatung, Schwangerschaftskonflikt- oder Suchtberatung) in der Regel kostenfrei ist, gibt es auch eine Reihe von »gewerblichen« Beratungsangeboten, die kostenpflichtig sind (vgl. z.B. Online-Beratung, ▶ Kap. 5). Bei einer professionellen Beratung nimmt der Berater in Bezug auf den Klienten keine weiteren

Rollen (z.B. beste Freundin, Arbeitskollege) ein. Die Professionalität der Beratung ergibt sich aber nicht nur aus der klaren Trennung zwischen verschiedenen Funktionen, sondern im Wesentlichen aus der fachlichen Expertise des Beraters. Damit rekrutiert der professionelle Berater nicht nur auf sein Erfahrungswissen, sondern v.a. auch auf empirisch gesicherte Erkenntnisse zur spezifischen Problemlage des Ratsuchenden (in diesem Fall »Klienten«). Auch in der Vermittlung dieser Erkenntnisse, in der Interaktion mit dem Klienten, greift er auf seine fachliche Kompetenz zurück. Ein wesentliches Kriterium für eine professionelle psychosoziale Beratung ist, dass es sich bei den Beratern um speziell ausgebildete Personen handelt, die einerseits über theoretisches Wissen zur Entstehung und Aufrechterhaltung des der Beratung zugrunde liegenden Problems verfügen sowie zu potentiellen Lösungsansätzen, gleichzeitig aber operative Kompetenzen in der Interaktion mit dem Klienten aufweisen (beispielsweise Gesprächstechniken; Strategien zum Beziehungsaufbau; Diagnosefertigkeiten; Handlungsstrategien; sog. »Doppelverortung der Beratung«; ▶ Kap. 11.2). McLeod (2004) spricht in diesem Zusammenhang auch von so genannten »Beraterqualitäten« und nennt folgende notwendige Fähigkeiten und Fertigkeiten: 4 Interpersonelle Fertigkeiten (wie Zuhören, Kommunikationsaufbau und -aufrechterhaltung, Empathie, Präsenz, Bewusstsein über nonverbale Kommunikationsstrategien, Ausdruck von Gefühlen, etc.), 4 Persönliche Überzeugungen (wie Fähigkeit andere zu akzeptieren, Glaube an das Veränderungspotenzial von Menschen, Bewusstsein über ethische und moralische Wahlmöglichkeiten, etc.), 4 Konzeptionelle Fähigkeiten (wie Fähigkeit, Probleme des Klienten einzuschätzen und verstehen zu können (diagnostische Kompetenzen), kognitive Flexibilität, Problemlösefähigkeit, etc.), 4 Persönliche Integrität (darunter versteht er, dass der Berater keine persönlichen Bedürfnisse verfolgt, (möglichst) keine Vorurteile gegenüber bestimmten gesellschaftlichen Gruppen aufweist; Fähigkeit, unangenehme Gefühle gegenüber dem Klienten zu tolerieren; keinen

13 2.1 . Rahmenbedingungen professioneller Beratung

persönlichen Nutzen aus der Beratung zu ziehen, keine persönlichen Ziele verfolgen, etc.),

oftmals auch die kulturelle Sensibilität von Beratern gezählt, die besonders in der Arbeit mit Personen mit Migrationshintergrund oder bei der Beratung von internationalen Firmen (Zusammenarbeit mit sehr unterschiedlichen Nationen) eine zunehmend wichtige Rolle spielt.

4 Beherrschung der therapeutischen bzw. Beratungstechniken (dies umfasst auch das

Wissen über die Effektivität von verschiedenen Interventionsstrategien inklusive deren differentielle Indikation, Erfahrung und Übung in der konkreten, sachgerechten Umsetzung von verschiedenen Interventionsstrategien, etc.), 4 Fähigkeit soziale Systeme zu verstehen und mit ihnen zu arbeiten (wie Kenntnis der rele-

vanten Familien- und Arbeitsbeziehungen; Fähigkeit für seine eigene Arbeit auch Unterstützungsnetzwerke und Supervision in Anspruch zu nehmen; Sensibilität gegenüber der sozialen Welt des Klienten, etc.). Zu diesem Punkt wird

Rogers (1971, 2001) hat sich sehr ausführlich mit den Anforderungen an den Berater beschäftigt und fokussiert hier vor allem auf den Bereich der interpersonellen Kompetenzen. Er definierte Basisqualitäten von Beratern/Therapeuten, die sich in allen Theorien zur Beratung und Therapie als Grundelemente zum therapeutischen/beraterischen Handeln wieder finden (▶ Exkurs »Basisqualitäten von Beratern nach Rogers«).

Exkurs Basisqualitäten von Beratern nach Rogers Rogers beschäftigte sich sehr intensiv mit der Frage, was eine erfolgreiche Beratung ausmacht. Er kritisierte in erster Linie, dass Beratung in vielen Fällen zu direktiv, zu ermahnend, zu suggestiv, zu interpretativ sei. Rogers (1971) geht davon aus, dass jeder Mensch das Bedürfnis nach einer positiven Auseinandersetzung mit sich selbst und seiner Umwelt hat (sog. Selbstexploration). Der Mensch strebt laut Rogers nach Selbstverwirklichung sowie nach Liebe und Wertschätzung durch andere. Diese Tendenz zur Selbstverwirklichung umfasst Elemente wie Unabhängigkeit, Wachstum, Komplexität, aber auch Bedürfnisbefriedigung und Spannungsreduktion. Wichtige Motoren für das Verhalten sind der Wunsch nach Konsistenz, d.h. mein Verhalten sollte mit dem Bild, was ich selbst von mir habe, übereinstimmen, und Kongruenz, d.h. mein wahrgenommenes Selbst und aktuelle Erfahrungen sollten übereinstimmen. Probleme entstehen, wenn Erfahrungen ausgeblendet, nicht mehr in das Selbstbild integriert werden, verzerrt werden, um dem Selbstbild angepasst zu werden, oder sich als inkongruent erweisen. Die Gesprächssituation sollte daher nach Rogers einige Qualitäten aufweisen, damit der Klient aktiv und eigenständig

2

sich weiterentwickeln kann. Rogers (2001; S. 28) sieht eine erfolgreiche Beratung wie folgt: »Wirksame Beratung besteht aus einer eindeutig strukturierten, gewährenden Beziehung, die es dem Klienten ermöglicht, zu einem Verständnis seiner selbst in einem Ausmaß zu gelangen, das ihn befähigt, auf Grund dieser neuen Orientierung positive Schritte zu unternehmen.« Die therapeutische Beziehung und damit das Verhalten des Beraters ist eine notwendige, wie auch hinreichende Bedingung, damit der Klient sich verändert. Die dafür erforderlichen Basisqualitäten sind Empathie, Echtheit und Wärme. 4 Empathie (Einfühlung) meint in die persönliche Erfahrungswelt einer anderen Person einzutauchen und völlig in ihr zu Hause zu sein. Die unterschiedlichen Gefühlsbedeutungen werden empfindsam wahrgenommen. Empathie meint Verstehen, nichtwertendes Eingehen auf die Person und ihre Empfindungen und Verbalisierung emotionaler Erlebnisinhalte. Der Gegenpol hierzu ist wertendes, beurteilendes Verhalten, das eigene Maßstäbe anlegt. 4 Echtheit (Kongruenz) bedeutet, dass der Berater nichts »vorspielt«, sondern auf allen Kommunikationskanälen (verbal, nonverbal, paraverbal etc.) die gleiche Botschaft

6

14

2

Kapitel 2 . Theoretischer Hintergrund

sendet, die auch »gemeint« ist. Dies setzt voraus, dass der Berater sich seiner eigenen Gefühle bewusst ist. Der Gegenpol hierzu ist Unaufrichtigkeit oder Fassadenhaftigkeit. 4 Wärme (Akzeptanz, unbedingte positive Wertschätzung) bedeutet Sorge und Respekt für den Klienten ausdrücken und die Person, nicht unbedingt das konkrete Verhalten, wertzuschätzen, ohne dass daran Bedingungen geknüpft werden. Gegenpol ist eine sachliche, distanzierte, oder gar abwertende Atmosphäre. Alle drei »Ingredienzien« tragen zu einer erfolgreichen Beratung bei, sind notwendig für eine erfolgreiche Beratung. Wärme sichert eine angstfreie Atmosphäre und steigert das Selbst-

Psychosoziale Beratung ist damit eine Dienstleistung, die bestimmten Qualitätskriterien genüge zu leisten hat. Der Berater hat nicht nur eine ethischmoralische, sondern auch eine rechtliche Verantwortung, dass die angebotene Dienstleistung, d.h. die Beratung, definierten Qualitätskriterien entspricht (Barabas, 2004a, b; Joussen, 2004). Neben entsprechenden gesetzlichen Grundlagen (▶ Kasten »Rechtliche Rahmenbedingungen professioneller psychosozialer Beratung«) regeln auch Fachgesell-

schaften die Anforderungen, die eine professionelle psychosoziale Beratung erfüllen muss. Die Berufsordnung der Diplom-Psychologen ist im ▶ Kasten »Ethische Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Psychologie« (▶ Anhang) in Auszügen beispielhaft für solche Reglements dargestellt. Für den Bereich der Beratung gibt es keinen einheitlichen Dachverband, sondern es finden sich sehr viele verschiedene Organisationen – auch je nach zugrunde liegender Profession. Die formulierten Richtlinien sind jedoch in ihren Grundaussagen mit denen für die Diplom-Psychologen (wie z.B. Vertraulichkeit, sorgsamer Umgang mit Daten sowie Abstinenz

akzeptanz, Empathie, Kongruenz

wertempfinden. Empathie wirkt anregend und erlebnisaktivierend, Echtheit baut Vertrauen auf. Das Modell Rogers’ ist in . Abb. 2.1 dargestellt.

Akzeptanz

Empathie

angstfreie Atmosphäre

Kongruenz

Vertrauen

Anregung Erlebnisaktivierung Steigerung des Bereicherung Selbstwerts Selbstexploration aktive Auseinandersetzung

⊡ Abb. 2.1. Rogers’ Modell der Basisqualitäten der Beratung/Therapie.

bezogen auf persönliche Beziehungen mit den Klienten) vergleichbar. Als allgemeine ethische Richtlinien, die sich in vielen ethischen Leitlinien finden lassen, sind zu nennen: 4 durch die Beratung keinen Schaden zufügen, 4 Recht des Klienten auf Selbstbestimmung anerkennen, 4 Ehrlichkeit im Umgang mit Klienten, aber auch der eigenen Person, 4 gerechtes, nicht-diskriminierendes Verhalten gegenüber allen Klienten, 4 Klienten mit Respekt und Würde behandeln, 4 aufrichtiges Bemühen um die Belange des Klienten, 4 qualitativ-hochwertige Dienstleistung erbringen sowie 4 Professionalität durch Wahrung der Grenzen. Moralische Fragestellungen (wie z.B. in welchem Interesse gehandelt wird oder wie lenkend oder manipulierend das eigene Verhalten sein darf) sind zentrale Aspekte, mit denen sich jeder professionelle Berater intensiv auseinander setzen sollte.

15 2.1 . Rahmenbedingungen professioneller Beratung

Exkurs Rechtliche Rahmenbedingungen professioneller psychosozialer Beratung

te von Kindernottelefonen (Telefonseelsorge etc.).

Rechtsanspruch auf Beratung So regelt das Sozialgesetzbuch (SGB) für verschiedene Sozialleistungsanbieter, dass unentgeltliche Beratung angeboten werden muss. Dies gilt u.a. für: 4 Arbeitsämter (SGB III; §3 und §§29ff ), 4 Krankenkassen (SGB V; §1), 4 Rehabilitationsträger (SGB IX; §23, 60, 61), 4 Unfallkassen (SGB VII; §17), 4 …

Haftung für unsachgemäße Beratungen Professionelle Beratung unterliegt einem zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch. Dies wird im Rahmen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB §280) geregelt. Demnach haftet der Berater für eine fehlerhafte, unvollständige oder pflichtwidrig überlassene Beratung. Das bedeutet, dass mangelnde Fachkenntnisse und mangelnde Sorgfalt (fahrlässiges Verhalten, z.B. wenn die diagnostische Abklärung unzureichend war) einen Haftungsgrund darstellen, nicht jedoch beispielsweise das in den Augen des Ratsuchenden unzufriedenstellende Ergebnis der Beratung. Daneben haftet der Berater auch, wenn beispielsweise Informationen wie Tonbandmitschnitte ohne Zustimmung des Klienten weitergegeben werden (»Bruch des Beratungsgeheimnisses«).

Im Rahmen dieser Gesetze wird geregelt, dass eine persönliche Betreuung und allgemeine Lebenshilfe zu den Aufgaben der jeweiligen Leistungsträger gehört. Auch Kinder und Jugendliche haben einen Rechtsanspruch auf Beratungsangebote und weitere unterstützende Maßnahmen in unterschiedlichen Lebens- und Krisensituationen. Dies ist im Rahmen des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG) geregelt, das beispielsweise auch präventive Beratung vorsieht. Das KJHG von 1991 umfasst 20 Paragraphen zum Thema Beratung; es sind neben Beratungen aber auch andere Hilfemaßnahmen wie beispielsweise Psychotherapie oder eine Familienhilfe vorgesehen. Demnach sollen Kinder, Jugendliche sowie deren Erziehungsberechtigten Hilfe erhalten: 4 zur Klärung und Bewältigung individueller und familienbezogener Probleme, 4 bei Erziehungsfragen oder 4 in Trennungs- und Scheidungssituationen. Die konkrete Art der Hilfestellung muss fallbezogen entschieden werden. Wichtig ist hier die Sonderstellung von Kindern: Eine Beratung ohne Kenntnis der Sorgeberechtigten ist nur dann möglich, wenn eine besondere Konflikt- oder Notlage vorliegt (z.B. sexueller Missbrauch, aber auch Alkoholismus der Eltern). Solche Einschränkungen gelten beispielsweise nicht für die (in der Regel anonymen) Angebo-

Abstinenzgebot – Haftung bei Sexualdelikten Innerhalb von Beratungsgesprächen und therapeutischen Settings wird ein besonderes Vertrauensverhältnis zum Berater/Therapeuten aufgebaut. Bedingt durch die doch recht asymmetrische Beziehung benötigen die Klienten in einer solchen Beziehung besonderen Schutz. Strafrechtlich relevant sind nach §§174ff StGB sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung sowie sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen. Persönliche, emotionale Beziehungen des Beraters zu seinem Klienten sind nicht strafbar, fallen jedoch unter das Abstinenzgebot (▶ Kasten »Ethische Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Psychologie«) und sollten aufgrund der asymmetrischen Beziehung zwischen Klient und Berater und der besonderen Machtposition des Beraters unterlassen werden.

6

2

16

2

Kapitel 2 . Theoretischer Hintergrund

Garantie der Vertraulichkeit (sog. Schweigepflicht) Eine der zentralsten rechtlichen Regelungen betrifft die Garantie der Vertraulichkeit, die im Strafgesetzbuch (StGB) geregelt ist. Nach § 203 StGB gilt: »Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis (...), offenbart, das ihm als 1. Arzt, (...) oder Angehörigen eines anderen Heilberufes, der für die Berufsausübung oder für die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, 2. (...) anvertraut war oder sonst bekannt geworden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.« Als Geheimnis werden Informationen sowohl aus dem privaten als auch dem geschäftlichen Bereich verstanden, von denen der Betroffene nicht will, dass sie weitererzählt werden sowie Tatsachen, die nur einem beschränkten Personenkreis bekannt sind und an denen der Betroffene ein schützenswürdiges Interesse hat. Die Garantie der Vertraulichkeit endet nicht mit dem Tod. Als »Geheimnisträger« werden neben Berufspsychologen explizit auch Berater (Ehe-, Jugend-, Suchtberater etc.) genannt. Die »Schweigepflicht« darf nur in eng geregelten Ausnahmefällen gebrochen werden. Hierzu gehört beispielsweise die Verhinderung eines Offizialdeliktes (z.B. Mord), der nicht auf andere Weise hätte verhindert werden können. Vergangene Straftaten unterliegen der Schweigepflicht.

Zeugnisverweigerungsrecht Der Schweigepflicht steht aber kein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht gegenüber. Das Zeugnisverweigerungsrecht bezeichnet das Recht, vor Gericht nicht auszusagen. Hier unterscheidet der Gesetzgeber zwischen Zivil- und Strafrechtsprozessen. Während dies in Zivilrechtsprozessen in der Regel gegeben ist, ist die Auslegung bei Strafrechtsprozessen enger. Hier werden explizit aus dem Bereich der psychosozialen Beratung nur Berater einer Drogenberatungsstelle, Berater inSchwangerschaftsberatung sowie Psychologische Psychotherapeuten genannt. Dokumentationspflicht Vom Gesetzgeber werden genauestens auch die Regelung zur Dokumentation der Arbeit und Aufbewahrung von Notizen geregelt (Regelungen zur Strukturqualität von Beratung). So müssen beispielsweise persönliche Notizen bzw. die Dokumentation des Beraters über den Beratungsverlauf von den Sozialdaten getrennt aufbewahrt werden. Sie dienen v.a. der Diagnosestellung und sollten danach vernichtet werden. Generell besteht die Verpflichtung nur relevante Sozialdaten zu erheben und zu speichern; diese sollten nach Abschluss der Beratung oder im Falle eines Beratungsabbruchs sechs Monate nach dem letzten Gesprächstermin vernichtet werden. Statistische Daten zum Tätigkeitsnachweis müssen anonymisiert werden.

Definition Definition zur psychosozialen Beratung Beratung ist ein zwischenmenschlicher Prozess, in welchem eine Person oder eine Gruppe, d.h. die Ratsuchenden/Klienten in der und durch die Interaktion mit einer anderen Person, dem sog. Berater/ Team, mehr Klarheit gewinnt über eigene Probleme und deren Bewältigungsmöglichkeiten. Die Hilfe zur Selbsthilfe, d.h. die Steigerung der Problemlösefertigkeiten seitens des Ratsuchenden, ist ein entscheidendes Element von Beratung. Psychosoziale Beratung soll damit nicht nur bei der »Lösung« eines aktuellen, spezifischen Problems stehen bleiben, sondern den Klienten Möglichkeiten aufzeigen, wie ähnlich gelagerte Probleme in Zukunft zu bewältigen sind.

17 2.2 . Felder psychosozialer Beratung

In weiterer Abgrenzung zur Alltagsberatung, die als aufsuchender freiwilliger Prozess beschrieben werden kann, muss für die professionelle Beratung hervorgehoben werden, dass Freiwilligkeit wünschenswert ist, dass es jedoch dennoch Fälle unfreiwilliger Beratung gibt. Zu nennen sind hier beispielsweise Beratungen im Rahmen der Schwangerschaftskonfliktberatung, im Rahmen von Insolvenzverfahren zur Restschuldbefreiung oder auch gerichtlich angeordnete Beratungen (z.B. vom Jugendgericht für einen straffällig gewordenen Jugendlichen). Beratungsgespräche im Alltag sind nicht mit professionellen Beratungen vergleichbar und auch nicht austauschbar. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass professionelle Beratung ein rationaler, strukturierter Prozess ist, der auf theoretischem, empirisch-fundiertem Grundlagenwissen zur jeweiligen Thematik und einem besonderen Methodenrepertoire bezogen auf die Problemeinschätzung (Diagnose), die Problembehandlung (Intervention) und Bewertung (Evaluation) beruht. »Beratungskompetenz« und »Beratungsqualität« sind zentrale, kennzeichnende Merkmale jeglicher professionellen Beratung.

2.2

Felder psychosozialer Beratung

Beratung(skompetenz) wird als eine »Schlüsselkompetenz« in vielen verschiedenen psychologischen und gesundheitsbezogenen Berufsfeldern (wie Sozialarbeit, Medizin, Seelsorge, Pädagogik, etc.) angesehen. Der Zugang zur professionellen psychosozialen Beratung steht – mit einer angemessenen Ausbildung und Supervision – damit vielen verschiedenen Berufsgruppen offen. Diese Heterogenität im jeweiligen beruflichen Hintergrund der Berater ist ein wichtiges Kriterium zur Abgrenzung von Therapie und anderen Interventionsformen (▶ Kap. 2.4). Dennoch hat Beratung als Interventionsform gerade innerhalb der Psychologie eine herausragende Stellung: So gehört Beratung nicht nur in die Ausbildung der Klinischen Psychologie, der Pädagogischen und Arbeits- und Organisationspsychologie, sondern natürlich auch in die »neuen« Anwendungsbereiche der Psychologie wie Gesundheits-, Medien-, Sportoder Umweltpsychologie, um nur einige Beispiele

2

zu nennen. Selbst in Lehre und Forschung werden von den dort Tätigen »Beratungskompetenzen« und »Beratungstätigkeit« erwartet. Das Feld der Beratungsarbeit und der damit verfolgten Beratungsthemen ist somit sehr weit gesteckt. Neben der groben Kategorisierung nach den Anwendungsfeldern der Psychologie kann natürlich auch eine Einteilung nach den Themenbereichen, die Inhalt der Beratungsarbeit sind, erfolgen. So beschäftigt sich die Klinische Psychologie, deren Gegenstand vor allem die psychischen Störungsbilder sind, u.a. mit der Beratung von Familienangehörigen von schizophrenen, alkoholkranken oder depressiven Patienten, die Gesundheitspsychologie mit der Beratung von Rauchern oder übergewichtigen Personen, die Medizinische Psychologie mit der Beratung von krebskranken oder asthmakranken Menschen, die Arbeits- und Organisationspsychologie u.a. mit der Beratung von einzelnen Personen wie zum Beispiel Managern oder ganzen Systemen zur Optimierung der Arbeitsabläufe, um nur einige Beispiele zu nennen. Es finden sich hinsichtlich der Themen jedoch auch deutliche Überschneidungen: So werden Beratungen zur Stressbewältigung beispielsweise in der Medizinischen Psychologie (z.B. Stressbewältigungskompetenzen zur Linderung der Krankheitssymptomatik), der Pädagogischen und Arbeits- und Organisationspsychologie (für Führungskräfte) eingesetzt (auch ▶ Kap. 11). Konzepte der Personalentwicklung finden sich innerhalb der Pädagogischen wie der Arbeits- und Organisationspsychologie. Eine Kategorisierung nach Beratungsanlässen ist sehr schwierig, da im Prinzip hier der Vielfalt von möglichen Problembereichen keine Grenzen gesetzt sind (▶ Kap. 1.1 zu Beratungsanlässen). Es gibt jedoch häufig auftretende Themenkomplexe, die sich auch in den Benennungen der Beratungsstellen niederschlagen wie: 4 Ehe-, Familien- und Erziehungsberatungen, 4 Schuldner- und Insolvenzberatung, 4 Alkohol- und Suchtberatungsstellen, 4 Schwangerschaftskonfliktberatung, 4 Beratungsstellen für Studierende, 4 Opferberatungsstellen, 4 Beratungsstellen für Frauen, 4 Beratungsstellen für Migranten, 4 AIDS-Beratungsstellen, 4 Beratungsstellen für Essstörungen, 4 Beratung für todkranke Menschen,

18

Kapitel 2 . Theoretischer Hintergrund

4 Krebsberatungsstellen, etc.

2

Generell kann man sagen, dass gesellschaftliche Entwicklungen (seien es Fortschritte in der Medizin, der Technologie oder wachsende Spezialisierungen in einzelnen Berufsbildern, zunehmende Mobilität, aber auch hohe Arbeitslosigkeit) neuen Beratungsbedarf und damit neue Beratungsfelder entstehen lassen. So sind in den letzten Jahrzehnten neue Felder wie »Medienberatung« oder auch genetische Beratung erst dadurch entstanden, dass die Entwicklungen in der Technologie einen neuen Bedarf »erzeugt« haben. Weiterhin trägt eine pluralistische Gesellschaft, die viele individuelle Lebensformen und –entscheidungen toleriert, auch dazu bei, dass Entscheidungsbedarf entsteht, der zu früheren Zeiten noch nicht vorhanden war. Wir leben zudem in einer Zeit der zunehmenden Individualisierung und Fragmentisierung von Wissen. Wissen ist zwar leicht (z.B. über das Internet) zugänglich, aber die vertretene Meinungsvielfalt ist ohne fundiertes Grundwissen zu deren Bewertung nur verwirrend. Durch den starken Wandel der Lebensformen und gesellschaftliche Veränderungen stehen ältere Generationen nicht mehr als »erfahrene Berater« zur Verfügung. All diese Faktoren tragen dazu bei, dass der Beratungsbedarf wächst, was anhand der steigenden Zahl von Beratungsangeboten und deren immer stärker werdenden Spezialisierung zu beobachten ist. Dabei darf auch nicht vergessen werden, dass das Vorhandensein eines Beratungsangebots selbst wieder Nachfrage erzeugen kann. In ihrem »Handbuch der Beratung« unterscheiden Nestmann, Engel und Sickendieck (2004) 26 verschiedene Beratungsfelder ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Psychosoziale Beratung ist damit in nahezu jedem Bereich der Angewandten Psychologie (aber auch der Medizin, Soziologie, Pädagogik und Seelsorge) zu finden. Beratung ist zielgruppenspezifisch, d.h. die besonderen Belange und Möglichkeiten der jeweiligen Zielgruppen müssen in besonderer Weise berücksichtigt werden. Kategorisiert man psychosoziale Beratung nach den Adressaten der Beratung, kann man beispielsweise danach unterscheiden, ob sich die Beratung an: 4 Angehörige (als potentielle Mediatoren oder als Selbst-Belastete) oder Betroffene, 4 Kinder, Jugendliche oder Erwachsene, 4 Männer oder Frauen,

4 Menschen unterschiedlicher sozialer Herkunft (Bildungsniveau, ökonomische Verhältnisse), 4 an bestimmte kulturelle und ethnische Gruppen, 4 an Einzelpersonen, Gruppen oder Systeme (wie Familien oder Arbeitseinheiten), 4 … richtet. Damit gehen nicht nur andere Anforderungen an das Methodenrepertoire (z.B. bezogen auf die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen oder bezogen auf die Arbeit mit Gruppen) einher, sondern die Inhalte der Beratung und vor allem auch die Ziele, die mit der Beratung verfolgt werden, können sich sehr deutlich unterscheiden. Beratung ist aber kein genuin psychologisches Handlungsfeld; Beratungsarbeit spielt auch eine zentrale Rolle in (sozial-)pädagogischen und medizinischen Berufsbildern. Deutliche Überschneidungen zeigen sich beispielsweise im Bereich der Schuldnerund Insolvenzberatung, die in aller Regel von Steuerfachkräften oder Juristen durchgeführt werden oder der Betreuung von todkranken Menschen, die klassisch sehr stark in den Bereich der Seelsorge fällt. Veränderungen in diesen Berufsfeldern tragen ihrerseits natürlich nicht nur zur Ausweitung der Anwendungsbereiche der psychosozialen Beratung bei, sondern auch zur Spezifizierung und Erweiterung der Beratungsgrundlagen. Die Erkenntnisse dieser Professionen prägen das Berufsbild des Beraters mit. Damit ist eine wesentliche Kennzeichnung der psychosozialen Beratung gegeben: Beratung ist ein interdisziplinäres Anwendungs- und Forschungsfeld. Nestmann et al. (2004) sprechen in diesem Kontext von verschiedenen Beratungsdisziplinen. So ist beispielsweise eine Trennungs- und Scheidungsberatung ohne Berücksichtigung der rechtlichen Grundlagen nicht denkbar; Erziehungsberatung muss auch immer die sozialen Bezüge und die entwicklungspsychologischen Erkenntnisse berücksichtigen. Dies bringt auch mit sich, dass sich oftmals die Arbeitsfelder der einzelnen Berufsgruppen nicht mehr so klar voneinander abgrenzen lassen (Kühnl, 2000; Kurz-Adam, 1997).

2.3

Definitionsversuche

Angesichts der vielen verschiedenen Handlungsfelder, in denen Beratung stattfindet, mit ihren diversen Aufgabenstellungen und Zielsetzungen, ist es nicht verwun-

19 2.3 . Definitionsversuche

2

Definition Definitionen zur Beratung »Beratung ist in ihrem Kern jene Form einer interventiven und präventiven helfenden Beziehung, in der ein Berater mittels sprachlicher Kommunikation und auf der Grundlage anregender und stützender Methoden innerhalb eines vergleichsweise kurzen Zeitraums versucht, bei einem desorientierten, inadäquat belasteten oder entlasteten Klienten einen auf kognitiv-emotionale Einsicht fundierten aktiven Lernprozess in Gang zu bringen, in dessen Verlauf seine Selbsthilfebereitschaft, seine Selbststeuerungsfähigkeit und seine Handlungskompetenz verbessert werden können.« (Dietrich, 1983, S. 2) »Beratung ist eine freiwillige, kurzfristige, oft nur situative, soziale Interaktion zwischen Ratsuchenden (Klienten) und Berater mit dem Ziel, im Beratungsprozess eine Entscheidungshilfe zur Bewältigung eines vom Klienten vorgegebenen aktuellen Problems durch Vermittlung von Informationen und/oder Einüben von Fertigkeiten gemeinsam zu erarbeiten.« (Schwarzer & Posse, 1986, S. 634) »Beratung ist eine professionelle, wissenschaftliche fundierte Hilfe, welche Rat- und Hilfesuchenden Einzelnen und Gruppen auf der Basis des kommunikativen Miteinander vorbeugend, in Krisensituationen sowie in sonstigen Konfliktlagen aktuell und nachbeteuend, dient. Somit darf Beratung keinesfalls bestimmte Entscheidungen dem Ratsuchenden aufdrängen bzw. diese durch offenen oder verdeckten Machtmissbrauch erzwingen. Kennzeichnend [...] ist, dass die Probleme des Ratsuchenden den Mittelpunkt bilden.« (Brem-Gräser, 1993, S. 15) »Counselling is a principled relationship characterised by the application of one or more psychological theories and a recognised set of communication skills, modified by experience, intuition and other interpersonal factors, to clients' intimate concerns, problems or aspirations. Its predominant ethos is one of facilitation rather than advice giving or coercion.« (Feltham & Dryden, 2004, p. 51)

derlich, dass es keine allgemeinverbindliche Definition von Beratung gibt. Beratung wird im deutschsprachigen Raum oft als Oberbegriff für eine Vielzahl, teilweise stark divergierender Angebote gesehen. Diese divergierenden Angebote sind z.T. davon abhängig, in welchem Handlungsfeld die Beratung stattfindet, mit welcher Klientel gearbeitet wird und natürlich welche

theoretische Orientierung der professionelle Berater hat. In der Literatur liegen zahlreiche Versuche zur Definition von Beratung vor. Dabei werden, je nach Autor und dessen inhaltlichen Schwerpunkten, theoretischer Orientierung etc., unterschiedliche Aspekte in den Vordergrund gestellt. Generell lässt sich festhalten, dass Beratung zu den so genannten »interventi-

Exkurs Kompetenzwahrnehmung von Beratern Die Befragung von Sharpley et al. (2004) zeigt, dass die persönliche Hemmschwelle für den Kontakt mit einem Berater geringer ist als die für den Kontakt mit einem Psychologen, Sozialarbeiter oder Psychiater. Auch in dieser Reihung würden die Berufsgruppen einem Freund empfohlen, der Hilfe für ein persönliches Problem braucht. Allerdings zeigte sich hier eine leichte Differenzierung der Berufsgruppen in Abhängigkeit von der Problemstellung, aber auch die

große Überlappung, die zwischen den einzelnen Berufsgruppen wahrgenommen wird. Generell deutet sich an, dass Berater für »normale Krisen und Problemlagen« im Alltag (wie Trauer oder Probleme in der Ehe) als kompetent und zuständig (⊡ Tab. 2.1), während schwerere psychiatrische Probleme eher als Aufgabenbereich von Psychologen und Psychiater wahrgenommen werden. Diese Einschätzung in der Bevölkerung deckt sich damit im Wesentlichen mit der wissenschaftlichen Literatur.

20

Kapitel 2 . Theoretischer Hintergrund

⊡ Tab. 2.1. Kompetenzwahrnehmung von Spezialisten in der Bevölkerung. (Nach Sharpley et al., 2004) Problemkategorie

2

Gesundheitsspezialist, den die Teilnehmer aufsuchen würden* Berater

Psychologe

Psychiater

Sozialarbeiter

Trauer und Verlust

82,7%

27,0%

10,2%

29,2%

Eheprobleme

74,8%

25,2%

3,5%

28,3%

Alkoholprobleme

73,9%

32,7%

17,3%

40,3%

Drogenprobleme

73,0%

33,2%

21,7%

44,7%

Mentale Gesundheit

19,0%

43,8%

69,9%

9,3%

Vergewaltigung

69,5%

33,2%

24,8%

45,1%

Finanzielle Schwierigkeiten

66,4%

9,7%

2,2%

48,7%

Sexueller Missbrauch

65,9%

35,4%

25,2%

45,1%

Stress

65,5%

42,0%

16,4%

14,2%

häusliche Gewalt

64,6%

15,0%

13,3%

30,1%

Verhalten des Kindes

58,0%

50,4%

27,0%

34,1%

Depression

52,7%

49,1%

41,6%

11,5%

Ängste

49,1%

50,9%

34,5%

8,8%

Phobien

17,7%

50,0%

49,6%

4,0%

Essstörungen

28,3%

47,4%

43,4%

8,4%

Panikattacken

38,9%

45,6%

39,4%

9,3%

Berufliche Probleme

40,3%

31,4%

9,3%

23,0%

Sexuelle Dysfunktion

39,8%

43,8%

36,3%

10,6%

Lernschwierigkeiten

38,5%

37,2%

11,1%

24,7%

* fett gedruckt ist jeweils die am häufigsten angesprochene Berufsgruppe

ven Maßnahmen« zählt. Unter Intervention wird jede Form planvollen, psychologisch begründeten eingreifenden Handelns gefasst, das das Ziel verfolgt, seelischen Störungen vorzubeugen, diese zu beheben oder zu lindern. Im folgenden ▶ Kasten sind einige gängige Definitionen zusammengestellt.

Diese Definitionen rücken verschiedene Aspekte in den Vordergrund, die für den Beratungsansatz immer wieder betont werden. Sie zeigen auch sehr deutlich die Vielfalt von Beratungsansätzen. Hier die Definition, die diesem Buch zugrunde gelegt wurde.

21 2.4 . Abgrenzung von Psychotherapie und Erziehung

Beratung ist somit mehr als eine externe Ressource, die in einer »Konfliktsituation« aufgesucht wird, sondern sie soll auch dazu beitragen, die personalen (wie z.B. Selbstwirksamkeit, Problemlösekompetenz) und sozialen Ressourcen (wie z.B. soziales Netzwerk) zu stärken und ihre Aktivierung/Nutzung zu ermöglichen. Beratung ist »Hilfe zur Selbsthilfe« (Hofer, 1996). Lenz (2003, 2004) spricht in diesem Zusammenhang von »ressourcenorientierter Beratung«, ein Konzept, das sämtliche Beratungsangebote kennzeichnen sollte. Auch Grawe (1998; Grawe & Grawe-Gerber, 1999) sieht in der Ressourcenaktivierung das wesentliche Wirkelement der Psychotherapie und der Beratung. Fiedler (1996) betont den Prozess der vernetzten Hilfestellung, die sich eben nicht nur auf den Therapeuten / Berater, sondern auch z.B. auf weitere Familienmitglieder oder andere professionelle Helfer erstrecken müsse, um die verfügbaren Ressourcen zu nutzen, aber auch weiter anzureichern. Gerade diese allgemeine Zieldefinition (»Ressourcenaktivierung« statt »Linderung von Symptomen«) grenze Beratung von einer »kurzen Verhaltenstherapie« ab (▶ Kap. 2.2). Die Betonung der sozialen Bezüge (auch als Gründe für die Entstehung von Problemen) heben Berater – im Gegensatz zu Therapeuten – besonders hervor (Brehms & Johnson, 1997). Angesichts der Verwirrung über die Begrifflichkeiten und Zuständigkeiten der Berufsgruppen, die sich auch für Professionelle zeigen, ist es nicht verwunderlich, dass auch in der Bevölkerung relativ große Verwirrung darüber herrscht, wie beispielsweise Sozialarbeiter, Psychologen, Berater oder Psychiater von einander zu trennen sind – selbst in Ländern, in denen Beratung ein eigenständiges Berufsfeld ist. Welches Bild in der allgemeinen Bevölkerung von Beratern vorherrscht, untersuchten Sharpley, Bond und Agnew (2004). Die Berater wurden von den Befragten als jemand gekennzeichnet, der vor allem zuhört (56,2%), unterstützend ist (40,3%) und Probleme löst (25,2%). Empowerment – ein wichtiger und zentraler Ansatz in der psychosozialen Beratung – wurde nur von rund ein Zehntel der Befragten (9,7%) genannt. Der Nutzen wurde vor allem für die eigene Person gesehen und auch hier wieder die Rolle des Beraters als Zuhörer, Unterstützer und Problemlöser hervorgehoben.

2.4

2

Abgrenzung von Psychotherapie und Erziehung

Die Abgrenzung der Beratung gegenüber anderen Formen des interventiven Eingreifens ist recht schwierig. So stellt sich z.B. die Frage, was ein kurzfristiger Kontakt ist und wie sich die soziale Interaktionssituation zwischen Berater vs. Therapeut und Klient vs. Patient in Beratung und Psychotherapie unterscheiden. Im Folgenden soll eine Abgrenzung der Beratung gegenüber den Begriffen Erziehung und Psychotherapie erfolgen. Ausführlich wird dies nochmals in ▶ Kap. 6 und ▶ Kap. 8 thematisiert. Die meisten Probleme bereitet sichtlich die Abgrenzung zwischen Beratung und Psychotherapie. So wird oftmals Beratung als die »kleine Therapie« benannt oder von einem »beraterischen Anteil« gesprochen, wenn innerhalb der psychotherapeutischen Arbeit Psychoedukation betrieben wird. Dryden und Feltham (1994) sprechen davon, dass es keinen wesentlichen Unterschied zwischen psychologischer Beratung und Psychotherapie gebe. Die Autorinnen führen aus, dass beide Verfahren zum Ziel hätten »… menschliches Leiden zu lindern, Probleme zu lösen, und den Menschen zu einem zufriedeneren Leben zu verhelfen« (S. 10). Daher verwundert nicht, dass »Beratung« in vielen Lehrbüchern zur Klinischen Psychologie – als Interventionsverfahren (primär i. S. einer Informationsvermittlung; vgl. z.B. Borg-Laufs & Schmidtchen, 2005; Fiedler, 1996) diskutiert wird. Psychotherapie wird als »… besondere Form zwischenmenschlicher Interaktion …« gesehen, bei der ein Therapeut »… versucht, mit Mitteln der verbalen und nonverbalen Kommunikation … »Patienten« … in ihrem Verhalten, ihren Einstellungen oder Denkweisen zu beeinflussen« (Hoffmann, 2005, S. 3). Zur Anwendung kommen dabei verschiedene psychologische Theorien. Nimmt man diese Definition, so zeigen sich keine Unterschiede zu den gängigen Definitionen zur Beratung. Ein wesentlicher Unterschied ist jedoch die rechtliche Seite. Das psychotherapeutische Setting ist aufgrund seiner juristischen wie theoretischen Rahmenbedingungen von anderen Formen der professionellen (Arbeits-) Beziehung und kontrollierter Interaktion deutlich zu unterscheiden. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich beim Berater um einen Diplompsychologen handelt.

22

2

Kapitel 2 . Theoretischer Hintergrund

Die Begriffe »Beratung« und »Berater« sind nicht rechtlich geschützt, während »Psychotherapeut« und damit »Psychotherapie« rechtlich geschützte Begriffe darstellen. Beratung und Therapie müssen daher voneinander abgegrenzt werden. Durch das Psychotherapeuten-Gesetz (PsychThG) vom 16.06.1998 ist diese Unterscheidung formalrechtlich vollzogen worden. Im Rahmen des Psychotherapeuten-Gesetzes wird klar zwischen Psychotherapie und Beratung unterschieden. Dabei wird der juristische Rahmen für die Ausübung der »heilkundlichen Psychotherapie« geregelt. Nach § 3 des PsychThG ist Psychotherapie »… jede mittels wissenschaftlich anerkannter psychotherapeutischer Verfahren vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung und Linderung von Störungen mit Krankheitswert…«. Psychotherapeutische Tätigkeit bedarf demnach der Approbation als Psychologischer / Medizinischer Psychotherapeut oder als »Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut«. Psychotherapie ist nur dann indiziert, wenn Störungen mit Krankheitswert vorliegen. Ausgeschlossen sind damit normative Lebenslagen mit damit einhergehenden Entscheidungskonflikten (wie z.B. Entscheidung über den weiteren beruflichen Werdegang) oder psychosoziale Belastungsreaktionen in nicht normativen Lebenslagen (z.B. in Reaktion auf eine medizinische Diagnose), die nicht die Kriterien einer psychischen Störung erfüllen. Hierzu werden i. d. R. die Kriterien der ICD-10 herangezogen. Im Gesetzestext heißt es weiter: »Zur Ausübung von Psychotherapie gehören nicht psychologische Tätigkeiten, die die Aufarbeitung und Überwindung sozialer Konflikte oder sonstige Zwecke außerhalb der Heilkunde zum Gegenstand haben.« Auch wenn Beratung zu den primären Aufgaben von Psychologen zählt, wird Beratungstätigkeit nicht aufgenommen. Im Gegenteil, es werden explizit »soziale Konflikte« und deren Aufarbeitung ausgeschlossen – und damit ein wesentliches Tätigkeitsfeld von Beratung. Psychotherapie – als wesentlicher Teil des Gesundheitswesens – bezieht sich damit auf die Linderung und/oder Behebung bereits vorhandener psychischer Probleme. Die Förderung von Kompetenzen im Sinne einer Ressourcenstärkung zur präventiven Abwendung von psychischen Störungen gehört nicht in den engeren Bereich der Psychotherapie. So sprechen beispielsweise auch Dietzfelbinger, Oetker-Funk, Struck und Volger (2003) davon, dass die methodischen Heran-

gehensweisen innerhalb von Beratung und Therapie sich weniger zur Abgrenzung eignen, sondern vielmehr die Trennungslinie anhand der subjektiven Selbstdefinition verlaufe. Ein ähnliches Kriterium hatte bereits Dietrich (1991) vorgeschlagen. Lueger (1995) integriert Beratung in ein Phasenmodell der Veränderung innerhalb einer Psychotherapie, indem er davon ausgeht, dass Beratung bei Klienten mit einer Verschlechterung des subjektiven Wohlbefindens ohne Symptomatik bei allgemein gutem Funktionsniveau angezeigt sei, da diese auch ihre Bewältigungsressourcen gut mobilisieren könnten (s. ressourcenorientierte Sichtweise von Beratung). In der Literatur herrscht Einigkeit darüber, dass die Grenzen zwischen den verschiedenen Interventionsformen sehr stark verwischen, dies gilt vor allem für die Unterscheidung zwischen Psychotherapie und Beratung im klinischen Setting (hier in erster Linie für die Berufsgruppen der Mediziner und Dipl. Psychologen bzw. approbierten (Kinder- und Jugendlichen)-Psychotherapeuten). Man kann davon ausgehen, dass es einen gewissen Überlappungsbereich gibt und eine Beratung durchaus in eine Therapie übergehen kann und umgekehrt. Kriterien wie das Methodenrepertoire oder die Aufgaben/Ziele sind in der Regel nicht zur Abgrenzung von psychosozialer Beratung und Therapie geeignet. In Anlehnung an die Einteilung von Dietrich (1991) erscheint es sinnvoll zur Abgrenzung verschiedene Kriterien heranzuziehen. Dietrich empfiehlt hierzu vor allem die folgenden sechs Kriterien: 4 den Anlass bzw. Grund für die Inanspruchnahme, 4 die an der jeweiligen Interventionsform beteiligten Personen, 4 das Ziel der Intervention, 4 die Zeitdauer, die für die Intervention normalerweise veranschlagt wird, 4 die eingesetzten Hilfsmittel bzw. Interventionsmethoden sowie die jeweilige Rollenbeziehung. Hierzu soll allerdings kritisch angemerkt werden, dass die von ihm vorgeschlagenen Kriterien in vielen Fällen keine Abgrenzung von Beratung und Therapie erlauben. So ist beispielsweise fraglich, ob die Dauer des Kontaktes, die rein arbiträr als kurzoder längerfristig definiert werden kann, ein gutes

23 2.4 . Abgrenzung von Psychotherapie und Erziehung

Entscheidungskriterium ist: Eine Psychotherapie kann auch nach bereits wenigen Sitzungen beendet werden, beispielsweise wenn die Intervention bereits zu diesem Zeitpunkt erfolgreich war und sich kein weiterer Behandlungsbedarf ergibt. Auf der anderen Seite kann eine Erziehungsberatung eines Elternpaares mit einem verhaltensauffälligen Jugendlichen durchaus mehr als 5 oder 10 Kontakte erfordern und u.U. über ein Jahr lang erfolgen, bis das Ziel der Beratung erreicht ist. Über den Abbruch bzw. Verlängerung einer Beratung oder Psychotherapie entscheidet nicht ein Zeitkriterium, sondern ob die jeweiligen Beratungsbzw. Therapieziele erreicht wurden. Nicht jedes Kriterium eignet sich gleichgut zur Abgrenzung. Rein formal betrachtet ist durch die Regelung des Psychotherapeutengesetztes die trennschärfste Abgrenzung erreicht: Psychotherapie ist nur bei Problemen mit Krankheitswert, d.h. Störungen indiziert. Ist der Krankheitswert nicht gegeben oder auch eine Linderung der Symptomatik bzw. eine Verhinderung einer weiteren Verschlimmerung infolge einer Therapie nicht zu erwarten, kann nicht von Psychotherapie gesprochen werden. In ⊡ Tab. 2.2 sind – ohne Anspruch auf Vollständigkeiteinige der wichtigsten Kriterien zur Abgrenzung zwischen psychosozialer Beratung und Psychotherapie aufgelistet. Dabei zeigt sich nochmals sehr deutlich wie groß die Überschneidungen zwischen psychosozialer Beratung und Psychotherapie sind, da eine eindeutige Zuordnung zur Beratung bzw. Psychotherapie nicht immer erfolgen kann. Diagnostische, interventive und evaluative Aspekte spielen sowohl bei der professionellen Beratung als auch der Psychotherapie eine zentrale Rolle. Die konkreten Methoden, die herangezogen werden, um den jeweiligen Auftrag zu erfüllen, überschneiden sich sehr stark. Hier greift gerade die Beratung auf das große Repertoire der Psychotherapie zurück. Beratung und Psychotherapie unterliegen zudem einem historischen Wandel: So werden beispielsweise präventive Aspekte auch in der Psychotherapie betont; in der Beratung finden sich auch zunehmend eigene interventive Strategien, die nicht aus der Psychotherapie entstanden sind. Problematisch wird die Abgrenzung der Beratung und Therapie innerhalb von Beratungssettings, wie z.B. der Erziehungsberatung (vgl. Hundsalz, 1996). Diese Unterscheidung wird anhand der

2

Dauer der Intervention, weniger nach Form und Inhalt, getroffen (Kühnl, 2000). Kurz-Adam (1997) weist hier allerdings auch darauf hin, dass gerade im Zuge der Entwicklung von Kurzzeittherapien diese Unterscheidung nach Anzahl der Sitzungstermine nicht haltbar ist. Generell lässt sich festhalten, dass anhand eines einzigen Kriteriums – wie der Zeit – die Abgrenzung sehr schwierig ist. Psychotherapie hat auch beraterische Anteile und bezieht soziale Aspekte mit ein. Der normative Charakter der Problemlagen und die stärkere Ressourcenbetonung auf Seiten der Beratung eignen sich wohl mit am besten zur Abgrenzung. Im konkreten Fall kann die Abgrenzung jedoch sehr schwierig sein. Mattejat und Pauschardt (▶ Kap. 8) gehen in ihrem Beitrag nochmals ausführlich auf die Abgrenzung ein und verdeutlichen vor allem auch, dass nicht nur im Rahmen der Beratung Therapie erfolgt, sondern dass auch umgekehrt die Psychotherapie starke beraterische Elemente enthält. Schwierig gestaltet sich auch die Abgrenzung von Psychotherapie und Beratung im Kontext körperlicher Erkrankungen. Entwickeln sich im Verlauf einer chronischen Erkrankung psychische Störungen, dann ist eine Psychotherapie zur Linderung dieser Probleme indiziert, welches sich dann auch positiv auf die Bewältigung der chronischen Erkrankung auswirken sollte. Steht jedoch die emotionale Bewältigung der veränderten gesundheitlichen Situation, die Re-Organisation des Alltags, etc. im Vordergrund, spricht man in der Regel von Beratung. Patientenschulungsprogramme bzw. Patientenberatung fokussieren auf eine Verbesserung der Krankheitsbewältigung, der Lebensqualität und Compliance von chronisch Kranken und deren Familien und reihen sich damit in die Gruppe der besonderen Formen von Beratung (hier im medizinischen Kontext) ein. Diese Form wird in ▶ Kap. 7 und ▶ Kap. 2.5 näher erläutert. Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass Beratung und Psychotherapie als ergänzende, nicht als konkurrierende psychologische Interventionsformen verstanden werden sollten. Im klinischen Setting konzentriert sich psychosoziale Beratung eindeutig auch auf psychische Gesundheitsprobleme, wobei jedoch hier der normative Charakter betont wird. Im deutschen Sprachraum wird Beratung – vor allem im klinischen Setting nicht im Sinne einer allgemeinen Bewusstseins-

4 Störung mit Krankheitswert 4 Leidensdruck 4 Chronische Probleme Person mit Störungsbild steht im Vordergrund der Betrachtung

4 Handlungsfähigkeit kann beim Klienten/Patienten eingeschränkt sein 4 Autonomie kann eingeschränkt sein 4 freiwilliger Charakter für den Erfolg von Therapie betont; dennoch auch bei Selbst- und Fremdgefährdung ohne Zustimmung des Patienten 4 je nach theoretischer Ausbildung unterschiedliche Herangehensweisen zur Linderung der Symptomatik 4 diagnostische Kompetenzen 4 interventive Kompetenzen 4 evaluative Kompetenzen 4 Strategien sollen konkret zum Abbau unangemessenen und Aufbau angemessenen Verhaltens beitragen 4 Linderung/Heilung der psychischen Störung (kurativer Charakter) 4 Prävention von sekundären Folgeerscheinungen 4 Unmittelbare Veränderungen der Lebenssituation nicht angestrebt 4 Persönlichkeits- und Verhaltensänderung

Vielfalt von Beratungsanlässen wie 4 »normative« Entwicklungsprobleme 4 Probleme im alltäglichen Lebensvollzug 4 Entscheidungsanforderungen (z.B. weitere schulische Laufbahn) 4 Umgang mit veränderten Lebensbedingungen (z.B. neue Arbeitsstelle; Verlust der Arbeitsstelle; Krankheit, etc.) 4 eher: akuter Charakter Ausschluss: Störung mit Krankheitswert (a Therapie)

4 man geht von einer generellen Handlungsfähigkeit der Klienten/Ratsuchenden aus 4 supportiver Charakter betont: zeitweilige Unterstützung in einer Problemsituation 4 starke Betonung von Autonomie und Freiwilligkeit der Inanspruchnahme (Ausnahmen möglich; z.B. Schwangerschaftskonfliktberatung)

4 je nach theoretischer Ausbildung unterschiedliche Herangehensweise zur Beseitigung des Problems 4 diagnostische Kompetenzen 4 interventive Kompetenzen (hier steht der informative Aspekt im Vergleich zur Psychotherapie stärker im Vordergrund) 4 evaluative Kompetenzen 4 Strategien haben eher anregenden, unterstützenden Charakter

4 entwicklungsorientierter Charakter 4 Stärkung des Selbsthilferepertoires (unterstützender Charakter) 4 Aktivierung von Ressourcen Je nach Beratungsanlass sehr unterschiedlich: 4 Beheben eines Informationsdefizits 4 Orientierungshilfe geben

Anlass

Inanspruchnehmende

Methodenrepertoire

Ziel/Aufgabe

Psychotherapeut mit einem oder einer Gruppen von Klienten oder Patienten

Berater (i.d.R . psychosozialer Profession) mit einem oder einer Gruppe von Klienten oder Ratsuchenden

Beteiligte

Psychotherapie

Beratung

2

Merkmal

⊡ Tab. 2.2. Gegenüberstellung von Beratung und Psychotherapie

24 Kapitel 2 . Theoretischer Hintergrund

4 Linderung/Behebung von Störung im Vordergrund 4 präventiver Charakter tritt in den Hintergrund Starke Betonung/Zentrierung auf Person mit Störung sowie deren unmittelbares soziales Umfeld

4 i.d.R. längerfristig (25 Sitzungen und mehr; je nach therapeutischer Orientierung) 4 höhere zeitliche Verdichtung; regelmäßige Treffen in zeitlich engen Abständen 4 nicht unbedingt notwendig 4 Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen erfolgt (u.a. Diagnostik) 4 4 4 4

4 keine eindeutige Fokussierung nur auf den interventiven Bereich 4 zahlreiche präventive Angebote (indizierte sowie universelle Prävention)

Starke Betonung von: 4 Ressourcenorientierung (personale wie soziale Ressourcen) 4 Entwicklungsorientierung 4 sozialer, lebensweltlicher Bezug/unmittelbarer Alltagsbezug

4 i.d.R. eher kurzfristig (5-10 Sitzungen) 4 »lockerer« Rhythmus je nach Problemlage und Unterstützungsbedarf

4 Interdisziplinarität explizit gefordert 4 in institutionalisierten Beratungseinrichtungen in Form von interdisziplinären Teams realisiert

4 staatliche Einrichtungen (wie z.B. Erziehungs-, Sucht-, Schwangeren-, Arbeitslosenberatungsstellen) 4 karitative Einrichtungen

Einsatzbereich

Fokus

Dauer und Intensität

Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen

Institutionalisierung

private Praxen universitäre Ambulanzen Krankenhäuser Rehabilitationseinrichtungen

i.d.R. formaler Behandlungsvertrag

oftmals informelle Beratungsverträge

Regelungen zur Zusammenarbeit

Unterstützung bei Entscheidungsfindung Bewältigungskompetenzen/Problemlösefertigkeiten steigern Veränderung der sozialen Bedingungen Prävention des Auftretens psychosozialer Hindernisse im Entwicklungsverlauf Anstoßcharakter: Weitervermittlung zu anderen Interventionsangeboten/ Dienstleistungsangeboten

4 4 4 4 4

Ziel/Aufgabe

Psychotherapie

Beratung

Merkmal

⊡ Tab. 2.2. Fortsetzung

2.4 . Abgrenzung von Psychotherapie und Erziehung 25

2

4 i.d.R. Kostenübernahme durch (gesetzliche bzw. private) Krankenkassen 4 selten: Selbstzahler 4 Psychotherapeut stellt nach Eingangsdiagnostik Antrag auf Kostenübernahme 4 »hochschwelliges« Angebot

4 Ausbildung an einem erkannten Ausbildungsinstitut (nach definierten Curricula, s. Approbationsordnung) zum Erwerb der Approbation ( = Zulassung) auf der Basis eines anerkannten Richtlinienverfahrens (verhaltenstherapeutisch; tiefenpsychologisch)

4 kostenfreie, institutionalisierte Beratungsangebote (a Recht auf Beratung in bestimmten Bereichen; staatliche Finanzierung) 4 kostenpflichtige, private Angebote

4 in vielen Bereichen (z.B. Schulen; Beratungsstellen) Angebote vor Ort verfügbar; kein spezielles Antrags- und Bewilligungsverfahren 4 kostenpflichtige und –freie anonyme und sehr kurzfristig verfügbare Angebote (z.B. Internetforen; Telefonhotlines) 4 niedrigschwelliges Angebot

4 zahlreiche Ausbildungsinstitute, die beispielsweise in verschiedenen Beratungsformen wie z.B. Coaching oder lösungsorientierte Beratung ausbilden; keine offizielle Anerkennung 4 oftmals: eklektizistische Orientierung 4 Ausbildung in Verfahren humanistischer Orientierung (Gesprächspsychotherapie; systemische Beratung) häufig anzutreffen

Finanzierung

Zugangswege für Inanspruchnehmende

Zugangswege für Professionelle

Beratung und Psychotherapie teilen sich gemeinsame Wurzeln

Historische Wurzeln

4 i.d.R. auf face-to-face Kontakte mit einer oder mehreren Personen begrenzt

4 Enge Verzahnung mit der Entwicklung in der Medizin

Vielfalt von Interaktionsformen: 4 face-to-face Kontakte 4 technologie-basierte Beratung (Te-lefonberatung; Online-Beratung) 4 Informationsmaterial

Interaktionsformen

Psychotherapie

2

Wurzeln aus: 4 Psychotherapie 4 Erziehung 4 ehrenamtliche Tätigkeiten 4 psychosozialen Berufsfeldern (wie Pädagogik; Sozialpädagogik)

Beratung

Merkmal

⊡ Tab. 2.2. Fortsetzung

26 Kapitel 2 . Theoretischer Hintergrund

4 Klinische Psychologie

4 4 4 4 4 4

4 Keine Begrenzung; »Beratung« findet in allen Berufsgruppen statt; psychosoziale Beratung in allen Berufsgruppen, die sich mit den psychosozialen Problemlagen von Menschen befassen; wie z.B. Psychologie, Medizin, Sozialarbeit, Sozialpädagogik, Seelsorge, etc.

Zuordnung zu Anwendungsfeldern in der Psychologie

Verortung in Berufsfeldern / Berufsprofil

Sehr eng begrenzt und vom Gesetz klar geregelt; im Wesentlichen: 4 Psychologie 4 Medizin 4 Pädagogik 4 Sozialpädagogik

4 staatlich geschützte Titel: Psychologischer Psychotherapeut sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut

4 kein staatlich geschützter Titel

Rechtliche Aspekte

Klinische Psychologie Gesundheitspsychologie Rehabilitationspsychologie/ Medizinische Psychologie Arbeits- und Organisationspsychologie Pädagogische Psychologie neuere, sich gerade etablierende Felder wie bspw. Medien- oder Sportpsychologie

Psychotherapie

Beratung

Merkmal

⊡ Tab. 2.2. Fortsetzung

2.4 . Abgrenzung von Psychotherapie und Erziehung 27

2

28

2

Kapitel 2 . Theoretischer Hintergrund

erweiterung verstanden, sondern der Fokus auf eine zugrunde liegende Problemstellung gelegt. Der komplementäre Charakter zeigt sich wie bereits dargestellt einerseits daran, dass Beratung als niedrigschwelliges, jeder Person offen stehendes, (potentiell) kostenfreies Angebot den Weg für die Inanspruchnahme einer Psychotherapie ebnen kann (z.B. indem informiert wird über Zugangsmöglichkeiten; Ängste durch Verdeutlichen der Herangehensweise reduziert werden), andererseits Beratungsangebote auch psychotherapeutische Maßnahmen begleiten und unterstützen können, z.B. durch spezielle Beratungsangebote für Angehörige (vgl. auch Mattejat & Pauschardt, in diesem Buch). Hier kann Psychotherapie gerade von dem lebensweltlichen Bezug von Beratung profitieren, um die Erfolge der Behandlung zu stabilisieren und in den Lebensalltag des Patienten zu transferieren. Auf der anderen Seite darf nicht außer acht gelassen werden, dass psychosoziale Beratung nicht nur auf den Kontext der Klinischen Psychologie und deren Historisch/aktuelle Einflüsse

Ehrenamt

Fragestellungen beschränkt ist, sondern auch in weiteren Anwendungsbereichen der Psychologie – im Gegensatz zur Psychotherapie – verankert ist und eine zentrale Interventionsform darstellt. Eine weitere Abgrenzung ist laut Dietrich (1991) in den pädagogisch-psychologischen Kontexten gegenüber der Erziehung notwendig. Bei Erziehung geht es allgemein darum, die zu Erziehenden, i.d.R. Kinder und Jugendliche, an gesellschaftlich gültige Normen und Werte heranzuführen und auf das Leben in der Gesellschaft vorzubereiten. Erziehungsinstanzen sind oftmals Eltern oder Lehrer. Eine professionelle Ausbildung ist nicht zwingend erforderlich. In der Erziehung finden wir damit – wie in der Beratung – eine Verzahnung zwischen »professionellen« und »nichtprofessionellen« Angeboten. In Abgrenzung zur Beratung ist auch auf den deutlichen Alters- und Machtunterschied zwischen »Erzieher« und »Erziehendem« hinzuweisen. Erziehung erfolgt »lebensbegleitend und kontinuierlich«, wird nicht sporadisch bei Bedarf wie eine Beratung

Soziologie/ Sozialarbeit

Pädagogik

Psychologie

Medizin

Wirtschaft

Anwendungsfelder der Psychologie

A- & OPsychologie

Medizinische Psychologie/ Gesundheitspsychologie

Pädagogische Psychologie

Erziehung Schulung Interventionsformen

Beratung Coaching/Supervision/ Intervision/Mentoring/ Consulting/Mediation/ Patientenberatung etc.

Psychotherapie

⊡ Abb. 2.2. Abgrenzung der Beratung von anderen Interventionsformen

Klinische Psychologie

29 2.5 · Besondere Beratungsformen

(oder auch Psychotherapie) in Anspruch genommen. Schwarzer (▶ Kap. 9) geht in ihrem Beitrag auf Beratung in pädagogischen Kontexten ein und berührt dabei auch Fragen nach Erziehung. In ⊡ Tab. 2.3 sind die wichtigsten Kennzeichen von Erziehung und Beratung nochmals kurz gegenübergestellt. Auch bei dieser Gegenüberstellung wird deutlich, dass eine solche Charakterisierung nur verkürzt erfolgen kann und die Aspekte nicht stets als allgemeingültig für die jeweilige Interventionsform betrachtet werden sollten. Erziehung, Beratung und Psychotherapie ist gemeinsam, dass es sich um Formen der Lebens- und Entwicklungshilfe handelt. Dietrich (1991) sieht Beratung in einer Mittelstellung auf einem Kontinuum von Erziehung zur Therapie verankert. Diese Sichtweise bezieht sich sicherlich nur auf bestimmte Anwendungskontexte der Beratungspsychologie: eine Anwendung auf den arbeits- und organisationspsychologischen Kontext kann hier nicht erfolgen. Generell scheint die Abgrenzung gegenüber der Psychologie im Setting der Klinischen Psychologie erforderlich, während die Abgrenzung gegenüber der Erziehung im Kontext der Pädagogischen Psychologie erforderlich erscheint. Insofern erscheint es nicht gerechtfertigt von einer Mittelstellung der Beratung zu sprechen. In ⊡ Abb. 2.2 sind nochmals die verschiedenen Quellen von Beratung und deren Überschneidung mit anderen Interventionsformen dargestellt. Nicht einbezogen wurden Einflüsse aus dem rechtlichen Bereich, die als »Grundrahmen« für alle Bereiche gelten. 2.5

Besondere Beratungsformen

Beratung kann sehr unterschiedlichen Facetten annehmen wie 4 reine Informationsvermittlung, 4 direkte Anweisung, 4 Hilfe zur Verhaltensänderung, 4 Hilfe zur Problemlösung, 4 nicht-direktive Intervention, 4 Deutung und Aufdeckung verdrängter Bedürfnisse, 4 Notfallbremse, 4 »Weichensteller« für weitere Unterstützungsangebote, 4 etc.

2

Die Vielfalt der Beratungsformen macht die Abgrenzung sehr schwierig – was sich bereits bei der Abgrenzung von Beratung und Psychotherapie sowie Erziehung gezeigt hat. Die Methoden gelten als wenig trennscharf, wenn auch immer wieder mit einem »besonderen Methodenrepertoire« argumentiert wird. Vor allem im Bereich der Arbeitsund Organisationspsychologie zeigt sich, dass unabhängig von den Entwicklungen im Bereich der Psychotherapieforschung bzw. Theorien aus der Klinischen Psychologie sich spezielle Formen für den diesen Anwendungsbereich ergeben (▶ Kap. 9). So werden spezielle Methoden der Beratung wie Coaching, Mentoring und Supervision von Bamberg in ihrem Beitrag zur Beratung in arbeits- und organisationspsychologischen Kontexten dargestellt. Im Folgenden sollen kurz nochmals einige zentrale Beratungsformen vorgestellt werden.

Mediation Unter Mediation versteht man die (Unterstützung bei der) Vermittlung zwischen Konfliktparteien durch eine neutrale Person mit dem Ziel, eine konstruktive, konfliktfreie Einigung zwischen den (beiden) Parteien herbeizuführen. Der Mediationsprozess läuft nach einem strukturierten Schema ab. Klassische Mediationsfelder sind zum Beispiel die Schlichtung von Tarifkonflikten. Innerhalb der Pädagogischen Psychologie sind häufige Anwendungsgebiete Trennungs- und Scheidungsprozesse, Mobbing in der Schule oder Gewaltanwendung. Beim Mediator handelt es sich um eine besonders ausgebildete Person (vgl. auch Montada &, Kals, 2007). Es gibt aber auch Sonderformen wie »PeerMediation«, in denen Schüler als Streitschlichter ausgebildet werden. Mediation wird von vielen Autoren als eine Sonderform der Beratung (Bastine, 2006; Bastine & Theilmann, 2004) aufgefasst.

Coaching Der Begriff des Coaching wird vor allem in der Arbeits- und Organisations-Psychologie benutzt. Beim Coaching handelt es sich um eine professionelle Beratung und Begleitung einer Person (des sog. Coachee) durch einen Coach (»Trainer«) bei der Ausübung von komplexen Handlungen (z.B. Unternehmensführung; sportliche Wettkampfleis-

Ehrenamt, Sozialarbeit, pädagogik, Medizin, Erziehung, Psychotherapie

30

Kapitel 2 . Theoretischer Hintergrund

⊡ Tab. 2.3. Gegenüberstellung von Beratung und Erziehung

2

Merkmal

Beratung

Erziehung

Anlass

4 Vielfalt von Beratungsanlässen 4 kein direkter Bezug zum Entwicklungsstand der Person 4 »akuter« Anlass

4 »Unmündigkeit« des jungen Menschen Æ Entwicklungsbedarf, um verantwortliche Position innerhalb der Gesellschaft zu übernehmen 4 Anlass durch Entwicklungssituation bestimmt

Zielgruppe

4 alle Altersgruppen 4 in der Kindheit richtet sich die Beratung aus rechtlichen Gründen sowie aufgrund des Entwicklungspotential v.a. an die Erziehungspersonen

4 Kinder und Jugendliche 4 erwachsene Personen mit Entwicklungseinschränkung

Beteiligte

Berufsgruppen aus dem psychosozialen Bereich (wie Psychologen, Mediziner, (Sozial-) Pädagogen, Seelsorger, etc.)

4 i.d.R. alle Mitglieder einer Gesellschaft als potentielle Erziehende 4 Eltern als »private Erziehungsinstanzen« 4 »staatliche Erziehungsinstanzen«, v.a. Schulen, Kindergärten, Heime etc.

Ziel

4 Hilfe zur Selbsthilfe 4 Hilfe zur Lösung eines aktuellen Problems, das nicht alleine bewältigt werden kann

4 Aufbau erwünschter und Abbau unerwünschter Verhaltensweisen, um Leben in der Gesellschaft zu sichern 4 Vermitteln von Normen und Wertdispositionen einer Gesellschaft 4 Erlangen von Mündigkeit und Selbstbestimmung

Zeitraum

4 eher kurzfristig 4 bedarfsorientiert – diskontinuierlich

4 sehr langfristig 4 i.d.R. bis zur Volljährigkeit 4 kontinuierlich andauernd

Mittel

4 4 4 4

4 Unterrichtung 4 Unterweisung 4 Erziehungsmaßnahmen wie Lob/Tadel, Übung, Vorbild, Strafen etc. Æ positive wie negative Rückmeldungen

Rollenbeziehung

4 partnerschaftliches Verhältnis 4 eher symmetrisch 4 Klient/Ratsuchender soll aktiv Entscheidungen treffen

4 Autoritätsverhältnis 4 eher asymmetrische Beziehung 4 wenig Freiräume für den zu Erziehenden

Institutionen

4 öffentliche Beratungsstellen 4 private Beratung

4 staatliche Erziehungsinstanzen 4 private Erziehungsinstanzen (= Eltern)

Finanzierung

4 kostenfreie wie kostenpflichtige Beratungsangebote

4 Eltern 4 staatliche kostenpflichtige (z.B. Kindergärten) wie kostenlose (z.B. Schulen) Angebote 4 (meist kostenpflichtige) Fort- und Weiterbildung in der Erwachsenenbildung

anregende, stützende Strategien Informationsvermittlung direkte Anweisungen Reflektion etc.

31 2.5 · Besondere Beratungsformen

tungen). Oftmals wendet sich Coaching an Menschen in beruflichen Veränderungssituationen. Das konkrete Ziel wird vom Coachee vorgegeben. Das Coaching soll ihn dazu befähigen, optimale Ergebnisse hervorzubringen (vgl. Schreyögg, 2004). Der Coach hilft beispielsweise die unterschiedlichsten beruflichen Problemfelder zu klären, er dient als Katalysator und Förderer, um Neuorientierungsprozesse, Persönlichkeits- und Verhaltensveränderungen anzuregen und diese punktuell zu trainieren. Als Themenbereiche sind beispielsweise Karriereplanung, Klärung persönlicher Ziele, Zeitmanagement, effizientes Kommunizieren oder Gestaltung der Führungsrolle zu nennen. Manche Autoren verstehen Coaching als eine Form der Einzelsupervision, wobei beim Coaching – in Abgrenzung zur Supervision und Beratung – die Begleitung der Person im Alltag im Vordergrund stehen kann und damit der Kontext der Beratungs- und Supervisionsarbeit überschritten wird. Im Englischen wird auch häufig vom guidance gesprochen. Im Gegensatz zur Supervision findet sich Coaching vor allem im Profitbereich (mittleres bis höheres Management). Der »Coach« ist eine vom »Coachee« persönlich ausgewählte und ihm zugeordnete Person.

Mentoring Wie Coaching kann Mentoring als Personalentwicklungsinstrument bezeichnet werden und richtet sich vor allem an Menschen zu Beginn ihrer beruflichen Entwicklung. Ein Mentor bezeichnet einen väterlichen Freund, Ratgeber oder auch Beschützer. Es geht also darum, dass eine erfahrene Person (Mentorin bzw. Mentor), ihr Wissen und ihre Fähigkeiten an eine noch unerfahrene Person (Mentee) weitergibt, um diese in ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung innerhalb eines Unternehmens zu fördern. Im Gegensatz zum Coach ist die Mentorin bzw. der Mentor nicht neutral und unabhängig, sondern engagiert sich in besonderem Maße für die Belange ihres Mentee. Mentoren verfügen über keine besondere Ausbildung; ihre Beratungsarbeit erfolgt ehrenamtlich. Es besteht eine klare Hierarchie innerhalb der Beziehung. Mentorenprogramme werden zum Beispiel im wissenschaftlichen Bereich aufgelegt, um Frauen den Einstieg in eine wissen-

2

schaftliche Karriere zu erleichtern. Mentoring kann damit als eine Form der Alltagsberatung aufgefasst werden.

Supervision Supervision kann als besondere Form der Beratung bezeichnet werden, die der Sicherung und Verbesserung der Qualität beruflicher Arbeit dient. Supersvision dient der systematischen Reflexion des eigenen beruflichen Handelns und versteht sich als Entscheidungshilfe. Supervision kann sowohl kontinuierlich (z.B. einmal monatlich) oder bei besonderen Anlässen (z.B. Problemsituationen, Konfliktlagen, zur Klärung und Gestaltung von Aufgaben bzw. Aufträgen) in Anspruch genommen werden. Supervision ist vor allem im Bereich der psychosozialen Arbeit (z.B. für Therapeuten, Berater oder Erzieher) weit verbreitet, wo ein direkter Kontakt mit Klienten/Patienten besteht. In Abgrenzung zum Coaching wird der Begriff der Supervision vor allem für den »Non-Profit«-Sektor gebraucht. Supervisor ist in der Regel eine Person, die neben einer umfangreichen Erfahrung auch über eine spezielle Supervisionsausbildung verfügt. Die Supervision kann in Form von Einzel- wie auch Gruppensupervision durchgeführt werden. Eine Sonderform stellt die Intervision dar, die als kollegiale Supervision verstanden werden kann.

Patientenschulung Patientenschulung oder auch –beratung ist ein Beratungskonzept, das sich im Rahmen der Medizin und Medizinischen Psychologie etabliert hat. Wie bereits ausgeführt fokussiert Patientenschulung auf die Gruppe der Chronisch Kranken und deren Angehörigen und zielt in erster Linie darauf ab, die Krankheitsbewältigung und den Gesundheitszustand zu verbessern. Wie breit das Konzept der Patientenschulung ist, soll anhand von drei Definitionen exemplarisch verdeutlicht werden. Die Delphi-Group (1985) versteht unter Patientenschulung eine geplante Lernerfahrung, die eine Kombination von verschiedenen Methoden wie Beratung, Informationsvermittlung oder Verhaltensmodifikationstechniken benutzt, um das Wissen des Patienten über seine Erkrankung, aber auch sein Krankheitsverhalten zu beeinflus-

32

2

Kapitel 2 . Theoretischer Hintergrund

sen. Damit wird das breite Spektrum von Patientenschulung betont: von einer reinen »Edukation« in Form von Vorträgen oder Informationsbroschüren bis hin zu persönlichen Beratungen und dem Einsatz verschiedener, v.a. verhaltenstherapeutischer Strategien wie Schließen von Verträgen, klassische Konditionierung oder Verhaltensübungen. Barlett (1985) grenzt Patientenschulung auf interaktive Konzepte ein, die Patienten dabei unterstützen sollen, eine aktive Rolle in ihrer Gesundheitsversorgung einzunehmen. Der direkte Austausch mit den Betroffenen und die Konfrontation mit deren Anliegen spielt in seinen Augen eine zentrale Rolle. Warschburger (2000, S. 248) definiert Patientenschulung als »…einen geplanten, strukturierten Lern- und Erfahrungsprozess, der die Betroffenen in die Lage versetzen soll, eigenverantwortlich mit der Erkrankung und den Behandlungsanforderungen umzugehen.« Wie für die psychosoziale Beratung wird auch hier die theoretische Fundierung besonders hervorgehoben (▶ Kap. 2.3) sowie die aktive Mitarbeit der Betroffenen mit dem Ziel, deren Selbstmanagementfertigkeiten zu steigern.

Training Der Begriff des Trainings wird in vielen verschiedenen Kontexten gebraucht und muss eher als Oberbegriff verstanden werden, der vor allem den Übungscharakter von Maßnahmen herausstellt. So finden sich in der Klinischen und Gesundheitspsychologie beispielsweise Raucherentwöhnungstrainings, AntiDiättrainings oder Stressbewältigungstrainings. Auch in der Pädagogischen und Arbeits- und Organisations-Psychologie wird häufig von Trainings (Trainingsprogramme für aufmerksamkeitsgestörte oder aggressive Schüler; Trainings für Eltern und Lehrer; Trainings für Führungskräfte) gesprochen. Betont wird mit diesem Begriff auch der interventive Charakter, d.h. das aktive Eingreifen in das aktuelle Geschehen. (Diese Abgrenzung ist sehr schwierig, da in vielen Definitionen Intervention als der Oberbegriff verwendet wird und Beratung als eine besondere Interventionsform aufgefasst wird, die sich nicht auf die Kommunikation zwischen zwei Parteien begrenzen lässt).

Psychoedukation Psychoedukation kann innerhalb der Klinischen Psychologie als eine besondere Form der Beratung verstanden werden. Innerhalb der Psychoedukation werden Patienten und ihre Angehörigen über das Störungsbild aufgeklärt, indem z.B. ein Störungskonzept vermittelt wird. Hierzu gehören aber auch grundlegende Informationen zur Symptomatik und Behandlungsmöglichkeiten (vgl. auch Mattejat & Pauschardt, in diesem Buch).

Krisenintervention Krisenintervention bezeichnet eine oftmals kürzere, manchmal auch einmalige Soforthilfe, mit dem Ziel die akute Belastung zu reduzieren, autonomes Funktionieren wieder herzustellen, sicheren Rahmen zu geben und Verstehen zu erleichtern. Krisenintervention ist auf krisenhafte Situationen (z.B. traumatische Ereignisse wie Unfall, Todesfälle oder Vergewaltigung) begrenzt, wo die betroffene Person die Situation nicht mehr angemessen bewältigen kann. Gekennzeichnet ist die Krisenintervention häufig auch durch den aktiv eingreifenden Charakter und eine starke Verantwortungsübernahme für die Betroffenen in der aktuellen Situation. Eine ausführliche Darstellung findet sich auch in ▶ Kap. 10. Natürlich könnte man noch zusätzlich nach der jeweiligen theoretischen Orientierung Beratungsformen unterscheiden. Dies würde jedoch den Rahmen des Buches sprengen und wurde an vielen anderen Stellen bereits ausführlich dargestellt (z.B. Brown & Srebalus, 2003; Gibson & Mitchell, 2003, McLeod, 2004; Nestmann et al., 2004; Seligman, 2001).

2.6

Kennzeichen von Beratung

Angesichts der Vielfalt von Beratungsformen erscheint es sinnvoll, die wesentlichen Elemente von professioneller psychosozialer Beratung zusammenzufassen. Im Folgenden sollen einige Prinzipien formuliert werden, die für alle Beratungskonzepte – unbelassen der theoretischen Ausrichtung – gelten sollten. Beratung sollte 4 vertrauensvoll sein. Die Vertraulichkeit der Klient-Berater-Beziehung spielt eine zentrale

33 2.6 . Kennzeichen von Beratung

4

4

4

4

Rolle für das Beratungsgeschehen und ist ein wesentliches Element professioneller Beratung. Sollte die Vertraulichkeit nicht gegeben sein, ist dies transparent zu machen. theoretisch fundiert sein: Das Vorgehen, das zur Lösung des Problems angestrebt wird, sollte auf Theorien (z.B. zur psychosozialen Entwicklung, zur Entstehung von Konflikten in Arbeitskontexten oder adaptiven vs. maladaptiven Stressreaktionen) beruhen. evidenzbasiert sein. Die eingesetzten Techniken und Strategien in der Beratungssituation sollten aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Lösung des der Beratung zugrunde liegenden Problems entsprechen. Dies schließt mit ein, dass für das gewählte Vorgehen und die herangezogene Theorie empirische Belege vorliegen sollten. problem- und lösungsorientiert sein. Problemorientierung beinhaltet, dass eine Konzentration auf die als problematisch erlebte Situation, die damit in Zusammenhang stehenden auslösenden und kausalen Bedingungen sowie deren Konsequenzen erfolgt. Beratung konzentriert sich auf das Hier und Jetzt. Die Beratung darf aber nicht bei der Analyse des Problems stehen bleiben, sondern soll ganz bewusst mögliche Problemlösungen in den Vordergrund rücken. ressourcenorientiert sein. Jede Analyse der Problemsituation sollte auch die jeweiligen Ressourcen der Person und ihrer Umwelt mit berücksichtigen. Die Analyse der Ressourcen sollte über das konkrete Problem hinausgehen und andere Bereiche beinhalten, die dem Klienten verdeutlichen, über welche – u. U. kompensatorischen– Ressourcen er verfügt.

4 Handlungskompetenzen aufzeigen und erweitern. Ein wesentliches Ziel von Beratung ist

es, das Selbsthilfepotential der Ratsuchenden zu stärken, zu erweitern oder gar aufzubauen. Die Betroffenen sollen nicht nur in die Lage versetzt werden, das aktuell anstehende Problem zu lösen, sondern auch ähnlich gelagerte Probleme in der Zukunft. 4 partizipativ gestaltet sein. Es geht in vielen Fällen nicht nur darum, dass auf Seiten des Klienten Informationsdefizite oder fehlerhafte Informationen bestehen, sondern v.a. psycho-

2

soziale Faktoren die Lösung des Problems behindern. Im kommunikativen Austausch zwischen Ratsuchenden und Berater bemühen sich beide gemeinschaftlich um eine Problemlösung. Die aktive Rolle des Klienten wird in der Beratung sehr stark betont. Damit zeichnet sich zugleich ab, dass besondere Anforderungen an den Klienten gestellt werden: Er muss eine gewisse Reflexionsfähigkeit besitzen und in der Lage sein, die gemeinsam erarbeiteten Schritte zur Lösung oder Linderung der Problemlage in die Realität umzusetzen. 4 planvoll sein. Beratung ist ein prozesshaftes Geschehen. Dabei kann zwischen der Mikrostruktur (= Ablauf einer konkreten Beratungssitzung) und der Makrostruktur (= Ablauf der gesamten Beratung über u.U. mehrere Termine) des Beratungsgeschehens unterschieden werden. Der Ablauf ist damit nicht dem Zufall überlassen, sondern die einzelnen Schritte bauen auf einander auf. 4 zielgerichtet sein. Herausgearbeitet wird mit dem Klienten die Bearbeitung eines (oder gestuft mehrerer) Problems (Probleme). Das weitere Vorgehen richtet sich dann nach dieser Vorgabe. 4 klientenspezifisch (zielgruppenspezifisch) und differenziert sein. Die konkreten Inhalte

und Methoden der Beratung müssen dem Klienten und der Fragestellung angepasst werden, generell ist entwicklungspsychologischen Aspekten (betrifft v.a. die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, aber auch mit älteren Menschen) Rechnung zu tragen. 4 die Lebenswelt der Betroffenen berücksichtigen. Das bedeutet, dass der Berater genaues-

tens eruieren muss, welche Barrieren, aber auch Ressourcen in der unmittelbaren (z.B. Familie), aber auch mittelbaren (z.B. Schule, Arbeitsstelle) Umwelt vorliegen, die zur Aufrechterhaltung des Problems, aber auch zu dessen Lösung beitragen können. So weit möglich, sollten zentrale Personen aus dem Umfeld direkt in die Arbeit einbezogen werden. 4 interdisziplinär sein. Ein wesentliches Bestimmungsstück von Beratung ist die Vernetzung mit anderen Berufsgruppen, sei es konkret in einem multiprofessionellen Team, oder aber

34

2

Kapitel 2 . Theoretischer Hintergrund

in Form einer Zusammenarbeit mit anderen Hilfseinrichtungen. 4 qualitätskontrolliert sein. Das bedeutet, dass die Wirksamkeit der Beratungsarbeit überprüft wird. Die evaluative Begleitung der eigenen Arbeit sollte den wissenschaftlichen Standards genügen und quantifizierbar sein. 4 offen für neue Formen der Beratung sein.

Unsere Gesellschaft unterliegt einem ständigen Wandel, was neue Anforderungen an die Beratungsarbeit mit sich bringt (s. z.B. neue Erkrankungen; andere Bevölkerungsgruppen). Darüber hinaus ermöglicht der technologische Fortschritt aber auch immer wieder neue Formen der Kommunikation, die berücksichtigt werden sollten. Zu denken ist hierbei an das Internet oder die Mobiltechnologie. Auch hier gilt, dass die Effektivität und Effizienz dieser neuen Angebotsstruktur stets empirisch geprüft werden sollte. 4 niedrigschwellig sein. Beratungen sollten – gerade auch in Abgrenzungen zu psychotherapeutischen Angeboten – eine niedrige Schwelle für die Inanspruchnahme aufweisen. Dies bedeutet nicht nur eine strukturelle Anbindung in sozialen Brennpunkten, sondern auch Formen der aufsuchenden Hilfeleistung zu realisieren.

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35 Literatur

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2

3 Beratungsprozess 3.1

Inanspruchnahme von Beratung

3.2

Beratungsprozess

3.3

Wirksamkeit von Beratung

– 55 – 64

– 44

3.4

Wirkfaktoren der Beratung

3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4

Spezifische Therapiefaktoren – 66 Klientenvariablen – 67 Beratervariablen – 67 Berater-Klient-Beziehung – 70

3.5

Modelle allgemeiner Wirkfaktoren Literatur

– 74

– 38

– 72

38

3

Kapitel 3 . Beratungsprozess

Der Begriff »Prozess« weist sehr unterschiedliche Bedeutungsebenen auf: Zum einem bezeichnet er eine sequentielle Abfolge von Ereignissen. Diese Veränderungen können auf einer Makro- und einer Mikroebene beschrieben werden. Die Makroebene betrachtet die gesamte Beratung und beschreibt deren Prozesscharakter. Hierzu werden verschiedene Beratungsphasen unterschieden und entsprechende Aktivitäten von Klient und Berater zugeordnet (z.B. das »Skilled Helper Model« von Egan (Val Wosket, 2006); das Modell integrativer Beratung von Culley, 2002). Auf der Mikroebene können einzelne Sitzungen in ihrem Ablauf oder einzelne Sequenzen innerhalb von Sitzungen analysiert und beschrieben werden. In der Forschungsliteratur wird oft von Prozessvariablen im Sinne von Faktoren gesprochen, die beim Klienten zu einer Veränderung beitragen, und in diesem Zusammenhang zum Beispiel auf die Beziehung zwischen Berater und Klient fokussiert. In der humanistischen Tradition bezeichnet der Begriff Prozess eher wichtige menschliche Fähigkeiten zur Entwicklung. Im Folgenden soll der Begriff des Prozesses im Sinne einer Sequenz von einzelnen Schritten betrachtet werden. Mit Hilfe des Problemlösemodells soll ein metatheoretisches Modell zum Verständnis des Beratungsgeschehens vorgestellt werden. Dabei wird im ersten Schritt untersucht, wie die Inanspruchnahme von Beratung abläuft. In die Darstellung fließen auch die Erkenntnisse aus der Psychotherapieforschung und Gesundheitspsychologie mit ein, da davon ausgegangen wird, dass die grundlegenden Mechanismen vergleichbar sind.

3.1

Inanspruchnahme von Beratung

Nicht jede beratungsbedürftige Person sucht tatsächlich professionelle Hilfe auf. So gehen Schätzungen davon aus, dass nur ein Drittel der psychisch auffälligen und damit behandlungsbedürftigen Personen professionelle Hilfe aufsuchen – ein gut dokumentierter Effekt in der Literatur (vgl. Greenberg, Constantino & Bruce, 2006). Noch etwas höher liegen die Nicht-Inanspruchnahme-Raten, wenn es um Gesundheitsthemen bei bestimmten Gruppen, z.B. Jugendlichen, oder bestimmte Störungsbereiche geht (Andrews, Issakidis & Carter, 2001; Hyun,

Quinn, Madon & Lustig, 2006; Joffe, Radius & Gall, 1988; Pirkis et al., 2003; Vessey & Howard, 1993; Witt, Kasper & Riley, 2003). Damit erhalten oder ersuchen viele, die von einer Beratung profitieren könnten, keinerlei Hilfestellung (Versorgungslücke oder »service gap«). Generell ist die Bereitschaft, eine Beratung aufzusuchen, eher gering ausgeprägt – ein Ergebnis, das sich für verschiedene Gruppen zeigt (z.B. Davidson, Yajushka & Sanford-Martens, 2004; Setiawan, 2006). Die Hilfsbedürftigkeit alleine kann damit die Inanspruchnahme von Beratungsangeboten nicht erklären. Diese Diskrepanz hat dazu beitragen, genauer zu analysieren, wer welche Angebote in Anspruch nimmt und welche Faktoren diesen Prozess beeinflussen. Wie kann der Prozess der Inanspruchnahme am besten beschrieben werden? Die meisten Beratungsmodelle beginnen mit dem Kontakt des Klienten mit einem Berater und lassen den Prozess bis zur Inanspruchnahme (»Vor-Beratung«) außen vor. Dabei wird aber nicht der Tatsache Rechnung getragen, dass die Entscheidung eine Beratung aufzusuchen, bereits das Ergebnis eines vielschichtigen Prozesses ist, der zahlreichen Einflussfaktoren unterliegt, und Klienten, die eine Beratung aufsuchen, eine selektive Stichprobe darstellen. Systematische Modellvorstellungen zum zeitlichen Verlauf der Inanspruchnahme liegen in der Literatur kaum vor; die vorliegenden Studien sind zudem, was die Zielpopulationen und Settings angeht, sehr unterschiedlich, so dass allgemeine Schlussfolgerungen nur sehr schwer zu ziehen sind. Einigkeit besteht darin, dass das Inanspruchnahmeverhalten in verschiedenen Schritten abläuft. Der Vorschlag von Saunders (1993) eignet sich sehr gut, um diesen schrittweisen Prozess der Inanspruchnahme zu beschreiben. Er unterscheidet vier disjunkte Stufen, die von den Klienten in der Regel durchlaufen werden: 4 die Problemwahrnehmung und damit einhergehende Versuche, das Problem eigenständig zu lösen (»Selbstheilung« im weitesten Sinne), 4 Akzeptanz, dass Beratung ein nützlicher Weg zur Problemlösung darstellt, 4 Entscheidung eine Beratung aufzusuchen und 4 Kontaktaufnahme mit einem Berater oder einer Beratungsstelle. Dieser Prozess kann sehr langwierig sein: Die Mehrzahl der Ratsuchenden berichten über

39 3.1 . Inanspruchnahme von Beratung

Probleme, die seit mehr als zwei Jahren bestehen (Saunders, 1993). Auf jeder Stufe des Prozesses werden eine Reihe von Informationsverarbeitungsschritten relevant. In einem ersten Schritt muss die Person ein Problem als solches erkennen. Probleme werden als Ist-Soll-Diskrepanz verstanden: Der jetzige Zustand weicht in einem als unangenehm und belastend erlebten Maße von dem angestrebten Zielzustand ab. Diese Diskrepanz kann durch verschiedene Aspekte entstanden sein: der Ist-Zustand hat sich verändert, indem zum Beispiel neue Anforderungen hinzu getreten sind (z.B. Eröffnen einer medizinischen Diagnose; Verlust des Arbeitsplatzes; Kind kommt in die Pubertät; etc.); Wegfall von Bewältigungsmöglichkeiten, die vorher zu einer Angleichung von Ist- und Zielzustand zur Verfügung standen (z.B. verändertes soziales Netzwerk; veränderte finanzielle Ressourcen) oder die Ziele haben sich verändert. Die Problem- und Zieldefinition muss dabei nicht konkret sein, sondern es handelt sich oftmals um diffuse, unpräzise Beschreibungen der Problemlage. Die Betroffenen haben ihre eigenen Theorien darüber wie das Problem entstanden ist (»Ursachenattribution«), welche Konsequenzen damit verbunden sind, ob eine Änderung der Situation möglich ist, wer darauf Einfluss hat, um nur einige interne Informationsverarbeitungsschritte zu nennen. Diese Einschätzungsprozesse nehmen Einfluss darauf, ob professionelle Hilfe aufgesucht wird. Eine »reine« Ist-Soll-Diskrepanz ist nicht ausreichend, um einen professionellen Berater in Betracht zu ziehen, sondern sie muss in ihrer Valenz (positive oder negative Abweichung) und Relevanz (»Handelt es sich um eine für mich bedeutsame Veränderung?« »Bin ich davon im meinen Wohlbefinden und Funktionsniveau betroffen?«) eingeschätzt werden. In den gesundheitspsychologischen Modellen wird hier oftmals von der Risikowahrnehmung gesprochen, die als Funktion der Schwere und Vulnerabilität gesehen wird; in der psychotherapeutischen Literatur spricht man vom subjektiven Leidensdruck, der entscheidend die Inanspruchnahme von Angeboten bestimmt. Dieser erste Schritt der Problemwahrnehmung wird als der schwierigste Schritt beschrieben - mehr als die Hälfte der Betroffenen tun sich damit schwer (Saunders, 1993). Vor allem jüngere Menschen berichten, dass die soziale Unterstützung (von Freun-

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den, Familie, etc.) ganz wichtig bei der Problemwahrnehmung sei (Saunders, 1996). Es werden nach Saunders (1993, 1996) zuerst eine Reihe von Problemlöseversuchen (»Selbstheilungsversuchen«) unternommen, um die festgestellte Ist-Soll-Diskrepanz wieder auszugleichen. Freunde und Familienmitglieder spielen hier eine wichtige Rolle als erste Anlaufstelle (Manthei, 2005, 2006; Saunders, 1996). Weitere »Selbsthilfeversuche« sind, das Problem alleine mit sich auszutragen, sich Material zur Problematik zu besorgen (z.B. im Internet) oder sich abzulenken. Solche Selbsthilfeversuche liegen bei ca. 99% der Ratsuchenden vor und sind oftmals der Suche nach einem professionellen Berater vorgeschaltet. Kommt es zu keiner Problemlösung oder verschärft sich die Problemlage noch, werden weitere Schritte unternommen. Allerdings berichtet nicht jeder Klient, der eine Beratung aufsucht, über fehlgeschlagene Selbstbehandlungsversuche, auch wenn dieser Anteil größer ist als der Anteil derer, die erste »Vor-Behandlungserfolge« (ca. 25%) berichten (Manthei, 2005). Das Fehlschlagen eigener Lösungsversuche motiviert professionelle Hilfe aufzusuchen. Die überwiegende Zahl nennt jedoch einen spezifischen Auslöser für die Beratung (wie z.B. auch der Rat von anderen, eine Beratung aufzusuchen) oder gab an, dass sie merkten, mit dem Problem alleine nicht mehr klar zu kommen. Externer Druck (z.B. von der Familie; Freunden; Arbeitgeber oder auch gesetzliche Auflagen) kann auch eine Motivation zur Beratung darstellen (Manthei, 2006). Damit lassen sich hier grob zwei Wege unterscheiden: der eigene Entschluss (u.U. mit Unterstützung von außen) oder aber das widerwillige Nachgeben auf den Druck von außen. Die Einschätzung der professionellen Beratung als nützliche, hilfreiche oder notwendige Strategie zur Problemlösung (»positive Ergebniserwartungen«) gilt als zentraler Einfluss für die Entscheidung, eine Beratung aufzusuchen. Weitere Einflussfaktoren in dieser Phase sind die Erfahrungen mit Beratungsangeboten, die Erwartungen an den Berater, die Kosten, die mit einer Beratung verbunden sind, sowie die Normen in der Subgruppe bezüglich Beratungsangeboten. Erst auf der Basis dieser Überlegungen wird die Entscheidung getroffen, einen Berater aufzusuchen, und letztendlich der Kontakt zu einer Beratungsstelle hergestellt. Hier bietet es sich

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Kapitel 3 . Beratungsprozess

an von einer individuellen Kosten-Nutzen-Bilanz zu sprechen, die intern von den Klienten aufgestellt wird (vgl. auch die Ausführungen zum Transtheoretischen Modell). In diese Überlegungen fließen neben rationalen Aspekten auch die emotionalen mit ein. Die Entscheidung für eine Beratung wird mit der Kontaktierung einer Beratungsstelle oder eines Beraters abgeschlossen. Zwischen Problemwahrnehmung und Kontaktaufnahme vergehen bei vielen Betroffenen ein Jahr und mehr (Hemmings, 2000), allerdings ist die Variabilität sehr groß (Manthei, 2005). Für die konkrete Wahl eines Beraters scheinen vor allem die Empfehlungen aus dem sozialen Umfeld entscheidend zu sein, aber auch die örtliche Lage sowie finanzielle Aspekte (Manthei, 2005, 2006). Die meisten Entscheidungen einen konkreten Termin zu vereinbaren beruhen auf Empfehlungen von professionell im Gesundheitswesen Tätigen (z.B. Ärzten; Saunders, 1996). Die sequentielle Darstellung soll nicht suggerieren, dass alle Klienten diesen Prozess komplett durchlaufen: Ein Ausstieg ist zu jedem Zeitpunkt möglich, z.B. zwischen Schritt 3 (Entscheidung für Beratung) und Schritt 4 (Kontaktaufnahme), weil z.B. kein geeigneter Berater für das Anliegen gefunden wurde. Mit jedem Informationsverarbeitungsschritt vermindert sich die Zahl derer, die den weiteren Prozess durchlaufen. Man muss auch davon ausgehen, dass diese Informationsverarbeitungssequenzen wiederholt durchlaufen werden bis letztendlich dann eine Beratung aufgesucht wird oder das Problem nicht mehr besteht. Die empirische Erforschung des Inanspruchnahmeverhaltens hat eine lange Tradition – gerade auch in der Gesundheitspsychologie. Die Forschung steht hierbei immer vor dem Problem, dass entweder mit hypothetischen Szenarien gearbeitet wird oder in erster Linie mit Klienten, die bereits eine Beratung aufgesucht haben und damit eine selektive Stichprobe darstellen. Die Zielgruppe derer, die Probleme aufweisen, aber nicht in Beratung gehen, ist nur schwer zu erreichen. Dies gilt v.a. für diejenigen, die noch keine Problemwahrnehmung aufweisen und damit für sich selbst keinen Beratungsbedarf definieren. Einer objektiven Definition des Beratungsbedarfs – wie dies im Rahmen der Psychotherapie anhand der Kriterien für eine psychische Störung oder in der Medizin anhand der Definition von Krankheiten oder Risikofaktoren für

die Entwicklung solcher geschieht – sind in der Beratungspsychologie deutliche Grenzen gesetzt. Die Selektivität der Stichproben und die eingeschränkte Validität der Ereignisse sind bei der folgenden Darstellung stets zu beachten. So ergaben sich Hinweise, dass die generelle Nachfrage nach Hilfe in der Bevölkerung und die in der Untergruppe der besonders stark Belasteten durch andere Faktoren vorhergesagt werden (Rickwood & Braitenwait, 1994). Auch wenn von einer Sequenz von Informationsverarbeitungsschritten ausgegangen wird, sind in der Literatur zumeist nur die Eckpunkte wie »Kontakt mit einer Beratungsstelle« untersucht worden. Welche Faktoren zu welchem Zeitpunkt Einfluss nehmen, ist aufgrund der empirischen Befundlage nur sehr schwer zu beantworten. Grob wird bei den Einflussfaktoren zwischen erschwerenden und erleichternden Bedingungen unterschieden. Diese können nach Fischer, Winter und Abramowitz (1983; zitiert nach Setiawan, 2006) wieder in drei Kategorien unterteilt werden: 4 personenbezogene Faktoren (wie demographische Variablen; Persönlichkeitsvariablen), 4 soziokulturelle Faktoren (wie z.B. subgruppenspezifische Normen) und 4 organisatorische Faktoren (wie Bekanntheit des Angebots, Wissen über den Zugang zur Beratung, Kosten etc.). Gerade die Klientenvariablen – demographische wie Einstellungsvariablen - wurden in vielen Studien thematisiert. Eine herausragende Stellung nimmt dabei natürlich das zugrunde liegende Problem ein. Im Rahmen von gesundheitspsychologischen Modellen wird v.a. die wahrgenommene Schwere der Erkrankung als eine zentrale Größe für die Motivation, gesundheitsbewusstes Verhalten zu zeigen oder eine professionelle Unterstützung anzunehmen, empirisch unterstützt (vgl. Conner & Norman, 1995; Schwarzer, 1997), im Rahmen der Psychotherapieforschung erwies sich der subjektive Leidensdruck als wichtiger Prädiktor für die Psychotherapiemotivation (Drieschner, Lammers & van der Staak, 2004; Maercker, Enzler, Grimm, Helfenstein & Ehlert, 2005). Die Relevanz des Problems scheint damit eine wichtige Rolle bei der Inanspruchnahme von Angeboten zu spielen. Studenten, die Hilfe nachsuchen und solche, die es nicht tun, unterscheiden sich signifikant in ihrem

41 3.1 . Inanspruchnahme von Beratung

psychischen Wohlbefinden (Sharkin, Plageman & Coulter, 2005), die Belastungen, die von Klienten berichtet werden liegen über denen in der Allgemeinbevölkerung (Hemmings, 2000), aber unterhalb der Werte von ambulanten Psychotherapiepatienten (Green, Lowry & Kopta, 2003). Damit nehmen die Beratungsklienten die postulierte Mittelposition gegenüber der Psychotherapie ein. Es stellt sich die Frage, ob zwischen dem Erleben der Symptomatik und Ersuchen von professioneller Hilfe eine lineare Beziehung besteht. Bekannt ist, dass bei geringer Schwere des Problems eher keine Hilfe aufgesucht wird (vgl. Setiawan, 2006) und nicht immer die besonders schwer belasteten Personen professionelle Hilfe aufsuchen (Rickwood & Braithwait, 1994). Hier spielen unterschiedliche Faktoren eine Rolle. Zum einen ist aus der Forschung zur Risikowahrnehmung bekannt, dass viele Menschen einen optimistischen Bias aufweisen, d.h. ihr persönliches Risiko im Vergleich zu anderen unterschätzen (Leventhal & Crouch, 1997; Renner & Schwarzer, 2003; Scharloo & Kaptein, 1997; Weinstein, 1993). Hilfe wird nicht als notwendig erachtet und daher auch nicht nachgefragt. Ein besonderes Problem stellt dies im Rahmen der Prävention dar, bei der möglichst noch vor dem ersten Auftreten von Risikofaktoren angesetzt werden soll. Präventive Angebote werden generell sehr schlecht angenommen. Zum anderen ergibt sich ein Ranking der Probleme, für die Behandlung nachgefragt wird. Im Rahmen der Psychotherapie unterscheiden sich die Behandlungsquoten in Abhängigkeit vom Störungsbild sehr stark. So weisen die Panikstörungen/Agoraphobie mit 67,4% die höchste Behandlungsquote auf, gefolgt von der Affektiven Störung mit 50,1%; das Schlusslicht bilden Missbrauch sowie Abhängigkeit von psychotropen Substanzen mit 29% (Wittchen & Jacobi, 2001). In diesen Daten drückt sich nicht nur der unterschiedliche Leidensdruck aus, sondern auch die befürchtete Stigmatisierung, die je nach Störungsbild unterschiedlich stark ausgeprägt ist. So fanden auch andere Autoren eine unterschiedlich stark wahrgenommene Dringlichkeit in Abhängigkeit von der Problemstellung: Einschränkungen der psychischen Gesundheit wurden am ehesten als behandlungsbedürftig erachtet, Fragen der beruflichen Karriere oder Studienplanung weniger (Setiawan, 2006; Uffelman & Hardin, 2002).

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Zahlreiche Einstellungsvariablen wurden in ihrem Einfluss untersucht. Vor allem die Wahrnehmung der Wirksamkeit von Beratung beeinflusst das Inanspruchnahmeverhalten (und den Beratungsprozess) zu einem nicht unerheblichen Anteil und hat seit den 50er Jahren sehr viel Forschungsinteresse erfahren. Während die meisten Studien sich mit der Frage beschäftigt haben, ob und wie die Behandlungserwartungen der Klienten sich auf die Wirksamkeit auswirken, liegen doch einige Studien vor, die Auswirkungen auf den Beratungsprozess thematisieren (Dew & Bickman, 2005; Greenberg et al., 2006). Personen, die eine Beratung aufsuchen, scheinen eine geringere Schwelle zu haben, was die Definition eines beratungsrelevanten Problems angeht (Sharkin et al., 2005). Negative oder geringe Behandlungserwartungen scheinen nur selten vorzuliegen (ca. bei 20-25%) (z.B. Setiawan, 2006; Sharpley, Bond & Agnew, 2004; Tinsley, Bowman & Barich, 1993). Geringe Erwartungen über die Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit von anderen wirkt sich negativ auf die Beratungsbereitschaft aus (Lopez, Melendez, Sauer, Berger & Wyssmann, 1998). Gerade dieser Gruppe muss in Zukunft vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt werden. Das Wissen darüber, welche Gruppen welche Form von Beratungsangeboten annehmen, kann helfen, maßgeschneiderte Angebote zu etablieren. Dabei sollten sicherlich neben den Vorteilen einer Beratung auch die kognitiven und emotionalen Barrieren erfasst werden, die letztendlich Klienten an einer Inanspruchnahme einer Beratung hindern können. Generell zeigte sich, dass Frauen eher bereit sind einen Berater aufzusuchen als Männer und mit dem Alter die Akzeptanz steigt (z.B. Cusack, Deane, Wilson & Ciarrochi, 2004; Davidson et al., 2004; Flisher, De Beer & Bokhorst, 2002; Sharpley et al., 2004; Tinsley, Hinson, Holt & Tinsley, 1990; Vogel & Wester, 2003; Yoo, Goh & Yoon, 2005). Der Einfluss des Geschlechts ist vielschichtig: So fanden Albizu-Garcia, Alegria, Freeman und Vera (2001) – entgegen den Berichten in der Literatur – zwar keine unterschiedlichen Daten in der Nutzung von Serviceleistungen bei Männern und Frauen, aber einen unterschiedlichen Stellenwert der psychischen Symptomatik zur Vorhersage der Inanspruchnahme: Bei beiden Geschlechtern ist die Symptomatik der wichtigste Faktor, bei Männern aber wesentlich stärker ausgeprägt. Männer mit

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Kapitel 3 . Beratungsprozess

einer ausgeprägten Symptomatik waren eher bereit als Frauen Hilfe aufzusuchen. Andere Autoren berichteten, dass v.a. das weibliche Geschlecht bei Vorliegen einer Symptomatik zwar die Nachfrage nach informeller Hilfe vorhersagte, sich aber nicht als relevant für die Vorhersage zum Aufsuchen der professionellen Hilfe erwies (Rickwood & Braithwaite, 1994). Auch ergeben sich Unterschiede in den Zugangswegen zur Beratung: Männer geben sehr häufig an, von anderen Personen stark beeinflusst worden zu sein bzw., dass die Beratung überhaupt nicht ihre eigene Entscheidung war (Cusack et al., 2004). Dies unterstreicht den Einfluss, den die Variable Geschlecht auf andere Faktoren, z.B. Einstellung gegenüber Beratung, hat. Daher wird Geschlecht – wie auch Alter oder soziodemographischer Status - oft als Hintergrundvariable konzipiert. Auch in Abhängigkeit vom Bildungsstand fanden sich unterschiedliche Inanspruchnahmeraten von Beratung: diese sind in den höheren Bildungsschichten in der Regel höher (z.B. Flisher et al., 2002; Howard, Cornille, Lyons, Vessey, Lueger & Saunders, 1996; Vessey & Howard, 1993). Auch steigt mit der Erfahrung früherer Beratung die Akzeptanz einer Beratung an (Ciarrochi & Deane, 2001; Cusack et al., 2004; Kuhl, Jarkon-Horlick & Morrissey, 1997; Vogel & Wester, 2003). Als Hinderungsgründe werden oftmals Aspekte wie Angst vor Konfrontation und dem Ausdruck/ Wiedererleben unangenehmer Erfahrungen, aber auch die Tatsache, dass man einen Berater braucht und sich dadurch inkompetent fühlt, sowie Angst vor negativen Bewertungen bzw. Reaktionen und Angst zu scheitern genannt (Roddy, Antoniak, Britton, Molyneux & Lewis, 2006; Sharpley et al., 2004; Setiawan, 2006). Vogel und Wester (2003) fanden einen negativen Zusammenhang zwischen der Einstellung gegenüber Beratung sowie der Absicht eine Beratung aufzusuchen mit der Tendenz, Informationen über die eigene Person nicht preiszugeben. Generell ist zu beachten, dass bis zu zwei Drittel der Klienten Informationen für sich behalten (Farber, 2003; Kelly, 1998). Der Aspekt der als notwendig erachteten Selbstöffnung und der Angst vor einer negativen Bewertung scheint ein wichtiger Hinderungsgrund zu sein – vor allem für Personen, die über eine geringe emotionale Kompetenz verfügen. So beobachteten Ciarrochi und Deane (2001) einen signifikanten Zusammenhang zwischen der

emotionalen Kompetenz und der Bereitschaft, eine professionelle (Arzt; Psychologe; Berater) und nicht-professionelle Beratung (Familie; Freunde) in Anspruch zu nehmen. Der Wunsch, anonym zu bleiben, macht beispielsweise auch die Attraktivität von telefonischen Beratungen aus (Reese, Conoley & Brossart, 2006). Die Bedeutung der Angst vor Selbstöffnung wird durchaus kontrovers diskutiert: Es fanden sich Hinweise auf eine höhere Bedeutsamkeit gegenüber dem Leidensdruck (Yoo et al., 2005), aber auch Befunde, die dies in Frage stellen (Cepeda-Benito & Short, 1998). Die Wechselwirkungen sind sehr vielfältig: Personen, die ungern persönliche Informationen preisgeben, erleben eher mehr Stress und weniger soziale Unterstützung (Cramer, 1999). Die erwartete negative Wahrnehmung von Beratung im sozialem Umfeld stellt einen weiteren wichtigen Hinderungsgrund dar, ebenso die vorhandene soziale Unterstützung als Alternative zu einer professionellen Beratung (Setiawan, 2006; Watson, 2006). Sharkin et al. (2005) fanden Hinweise dafür, dass die subjektiv wahrgenommenen Gruppennormen für die Inanspruchnahme von Beratungsangeboten bei Personen, die Beratung in Anspruch nehmen, positiver ausgeprägt sind als bei denen, die keine Beratung in Anspruch nehmen. Dies würde dafür sprechen, dass im Vorfeld bereits viel Aufklärungsarbeit erfolgen muss, um die Normen in spezifischen Gruppen zu verändern. In diesen Bereich fallen auch die vielfältigen kulturellen Unterschiede, die für die Inanspruchnahme, aber auch Einstellung gegenüber Beratung berichtet wurden (z.B. Gonzales, 2001; Kuhl et al., 1997). In eine ähnliche Richtung deuten die Ergebnisse zum Einfluss organisatorischer Aspekte. Erschreckend viele Betroffene sind nicht sehr gut über mögliche Anlaufstellen für eine professionelle Beratung oder auch die konkreten Bedingungen informiert (Hyun et al., 2006; Roddy et al., 2006; Winickoff, Tanski, McMillen, Hipple, Friebely & Healey, 2006). So nannten Studierende als förderliche Faktoren für die Inanspruchnahme einer Beratung innerhalb bzw. außerhalb des universitären Settings in erster Linie Informationen über das Serviceangebot (wie Öffnungszeiten, Lage, Angebote und Ablauf; 47 bzw. 46,6%), strenge Vertraulichkeit durch den Berater (37,1 bzw. 46,2%), Verständnis für ihre Sichtweise (36,7 bzw. 41,4%), kostenloser

43 3.1 . Inanspruchnahme von Beratung

Service bzw. Anpassung der Gebühren an ihre finanziellen Verhältnisse (33 bzw. 42,1%) sowie Informationen über den Nutzen und die Funktion von Beratung (29,2 bzw. 34%). Interessanterweise werden als förderliche Faktoren oftmals eher organisatorische Aspekte genannt, während die Hindernisse eher im persönlichen (wie Scheu sich anderen mitzuteilen; Zweifel an der Nützlichkeit der Beratung) oder sozialen Bereich (mangelnde Akzeptanz von Beratung in der Gruppe; ausreichende Unterstützung durch andere) liegen (Le Surf & Lynch, 1999; Watson, 2006). Klienten scheinen zudem je nach Problemlage zu differenzieren, welche Beratungsstelle angemessen ist (Setiawan, 2006). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Entscheidung für und das Aufsuchen einer Beratung ein schrittweiser Prozess ist, der entscheidend von sozial-kognitiven Variablen bestimmt wird. Die Rolle der sozial-kognitiven Faktoren wird gerade in den gesundheitspsychologischen Modellen (vgl. Renner & Schwarzer, 2003; Schwarzer, 1997) sowie in den neueren transtheoretischen Ansätzen

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(Prochaska, DiClemente & Norcross, 1992) besonders betont. Als wesentliche Determinanten wurden die Problemwahrnehmung, der Leidensdruck, der wahrgenommene Nutzen der Beratung, die damit verbundenen Kosten (soziale Aspekte; finanzielle Aspekte) und der Druck von außen herausgestellt (vgl. auch Drieschner et al., 2004; Meichenbaum & Turk, 1987). In ⊡ Abb. 3.1 ist das vierstufige Prozessmodell der Inanspruchnahme von professioneller Hilfe nochmals kurz zusammengefasst. Die Zuordnung der Einflussfaktoren zu einzelnen Stufen ist an einigen Stellen sicherlich etwas willkürlich, da echte längsschnittliche Untersuchungen, die Klienten begleiten, nicht existieren. Die soziodemographischen Variablen wie Alter, Geschlecht oder Bildungsstand wurden als Hintergrundvariablen konzipiert, die auch Einfluss auf andere Variablen wie z.B. die Einstellung gegenüber Beratung nehmen. Auch wenn Beratung als »Komm-Struktur« verstanden wird, bedeutet dies nicht, dass bei Kontaktaufnahme eine intrinsische Beratungsmotivation vorhanden sein muss – die Entscheidung kann auch extrinsisch mo-

Hintergrundvariablen Wahrgenommener Nutzen einer Beratung Externer Druck Kulturelle/ethnische Zugehörigkeit

Aufmerksamkeitsfokus

Problemwahrnehmung

Relevanz? Leidensdruck

Emotionale Kompetenz

Externe Ressourcen Verfügbarkeit & Zugänglichkeit von Beratung

Auslöser

Akzeptanz des Problems/ Selbsthilfeversuche Freunde Familie Selbsttherapie …

Einstellung gegenüber Beratung

Entscheidung, Berater aufzusuchen (Beratungsmotivation)

Kontaktaufnahme

Fehlgeschlagene Versuche/Krisen

Optimistischer Bias

Wahrgenommene Passung

Sozioökonomischer Status

Soziales Netzwerk

Selbstwirksamkeitserleben

Kosten einer Behandlung (ökonomisch/sozial) Alter

Geschlecht

Bildungsstand

⊡ Abb. 3.1. Inanspruchnahme von Beratung als vierstufiger Prozess und diskutierte Einflussvariablen

Problemwahenehmung, Akzeptanz des Problems, Beratungmotivation, Ressourcen, Leidensdruck, Optimistischer Blas, Selbstwirksamkeitserleben,

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3

Kapitel 3 . Beratungsprozess

tiviert sein. Das gleiche Ereignis – Aufsuchen einer Beratung - ist damit das Ergebnis sehr unterschiedlicher Informationsverarbeitungsprozesse und deren individueller Gewichtung. In ⊡ Tab. 3.1 sind die wichtigsten Einflussfaktoren in ihrer Wirkungsrichtung nochmals kurz zusammengefasst (ohne Anspruch auf Vollständigkeit). Zwischen den einzelnen Faktoren ergeben sich vielfältige Interaktionen – die Wirkungsrichtung kann oftmals nur im spezifischen Kontext bestimmt werden. So zeigt beispielsweise die empirische Forschung zur sozialen Unterstützung, dass sozialer Rückhalt im Sinne eines informellen Hilfesystems die Bereitschaft zur Inanspruchnahme von Beratungsangeboten reduziert (vgl. auch Klauer, 2005), während eine deutlich herabgesetzte Qualität der sozialen Unterstützung bei späteren Klienten einer Beratungsstelle zu finden ist. Die verminderte soziale Unterstützung geht oftmals mit einem erhöhten Leidensdruck einher. Zudem kann aber auch soziale Unterstützung im Sinne eines Kompetenzmodells dazu beitragen, dass Hilfebedürftige

Hinweise auf professionelle Angebote erhalten. Aus den Studien zur Inanspruchnahme von Beratungsangeboten wird zudem deutlich, dass viele Personengruppen, bei denen von einem Beratungsbedarf auszugehen ist, Barrieren in der Inanspruchnahme aufweisen. Im medizinischen Bereich haben sich Patientenratgeber bedingt bewährt, um das Hilfesucheverhalten zu verändern (Milewa, Calman, Almond & Hunter, 2000). Zusätzlich ist an Maßnahmen zu denken, die auf eine Veränderung der Einstellung gegenüber Beratung in spezifischen Gruppen abzielt, wobei sicherlich ein wichtiger Aspekt ist, über die ethischen Aspekte der Beratung (wie Vertraulichkeit) aufzuklären. Auch neue Beratungskonzepte wie die mediengestützte Beratung (▶ Kap. 5) mögen die Lücke schließen.

3.2

Beratungsprozess

Das Beratungsgeschehen ist ein hoch strukturierter Prozess, der einer inneren Logik folgt. Um Bera-

⊡ Tab. 3.1. Einflussfaktoren auf die Inanspruchnahme von Beratungsangeboten

Soziodemographische/personenbezogene Faktoren

Förderlich

Hinderlich

4 4 4 4 4

4 4 4 4

weibliches Geschlecht mittleres Alter hohes Bildungsniveau positive Erwartungen Veränderbarkeit des Problems 4 hohe emotionale Kompetenz 4 positives Selbstkonzept

4 4 4 4 4 4 4

männliches Geschlecht geringes oder hohes Alter geringes Bildungsniveau Angehöriger einer kulturellen Minorität negative Erwartungen keine Veränderbarkeit geringe Selbstöffnung Probleme, die als stigmatisierend erlebt werden zu geringe Problemschwere optimistischer Bias Problemleugnung

Soziokulturelle Faktoren

4 unterstützende Normen 4 soziale Unterstützung (zur Aufnahme prof. Beratung)

4 erwartete Stigmatisierung in der Gruppe 4 soziale Unterstützung (informelle Beratung nutzbar)

Organisatorische Bedingungen

4 Schutz der Privatsphäre 4 Vertraulichkeit 4 kostenloser bzw. kostengünstiger Service

4 zeitliche Einschränkung 4 bekannter Ort (keine Privatheit) 4 fehlende Informationen über Angebote und deren Struktur 4 fehlende Information über Ablauf einer Beratung

45 3.2 . Beratungsprozess

tungsprozesse zu beschreiben, eignet sich am besten ein Problemlöseansatz. Ganz allgemein gesprochen geht man dabei davon aus, dass ein Problem eine Ist-Soll-Diskrepanz darstellt, die es zu »beheben« gilt. Dies geschieht in einem komplexen Prozess der Interaktion zwischen dem Klienten und dem Berater (⊡ Abb. 3.2), der sich in verschiedene Teilschritte unterteilen lässt. Diese Schritte werden innerhalb einer Beratung sukzessive durchlaufen. Von Klient zu Klient können die einzelnen Phasen in ihrer Dauer und subjektiven Bedeutsamkeit variieren. Wird eine Phase nicht zufrieden stellend durchlaufen, dann wird der Prozess wieder an der Stelle aufgenommen, wo eine Klärung stattfinden soll. Allgemein – und grob vereinfacht - lassen sich vier Phasen unterscheiden, die auch ineinander übergehen können: 4 Problemdefinition, 4 Zieldefinition, 4 Intervention, 4 Evaluation. Die Problemdefinition ist die erste Phase des Problemlöseprozesses. Ziel der Diagnostik ist es u.a. Problemlagen zu klären und Entscheidungen über weitere, erforderliche Hilfe zu fällen (z.B. Überweisung an weitere Stellen; Beratungsangebot; Angebot über zusätzliche Hilfeleistungen) und das konkrete Vorgehen planen zu können (z.B. welche Strategien zur Veränderung eingesetzt werden sollen, wo soll angesetzt werden; vgl. Exkurs zur Aufgabe der Diagnostik und ihre Rolle während des Beratungsprozesses). Das diagnostische Herangehen beinhaltet nicht nur standardisierte Testverfahren zur Selbst- und Fremdbeschreibung, sondern auch (un-, halb- und standardisierte) Interviews, psychophysiologische wie somatische Verfahren sowie (systematische) Beobachtungen. Auch die unterschiedlichen Informationsquellen sind denkbar wie der Klient selber, bedeutsame Personen aus seinem Umfeld, die Sichtweise des Beraters und/oder weiterer Experten (wie Kollegen, Supervisoren), um nur einige Beispiele zu nennen. Die Anforderungen an das diagnostische Vorgehen in der Beratung als multimodale, multimethodale Praxis sind Teil der psychologischen Ausbildung und werden in diagnostischen Lehrbüchern umfassend dargestellt. Eine besondere Herausforderung innerhalb des Beratungssettings ist der unter Umständen kurze Zeitraum, der für die Diagnostik zur Verfügung steht, da – im Gegensatz

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zur Therapie – oftmals nicht ein konkreter Zeitrahmen (wie 5 Sitzungen für die erste diagnostische Abklärung) festgelegt ist. Auch die Rahmenbedingungen können hier klare zeitliche Restriktionen auferlegen (s. z.B. Krisenintervention, Telefonberatung). Der Klient stellt sein Problem dar und gleichzeitig können zusätzliche Datenquellen bei der genaueren Hypothesenbildung zum Problem und dessen Hintergrund notwendig und hilfreich sein. Der theoretische Hintergrund des Beraters, sein Bedingungs-, Vergleichs- und Änderungswissen (vgl. Kaminski, 1970) spielen hier eine wichtige Rolle. Im Austausch mit dem Klienten kommt es zu einer gemeinsamen Problemdefinition (= Ist-Zustand). Dieser erste Schritt der gemeinsamen Problemdefinition kann als entscheidend für das weitere Beratungsgeschehen betrachtet werden. Dabei muss beachtet werden, dass die subjektive Sicht des Klienten nicht unbedingt mit der »objektiven« Sichtweise des Beraters übereinstimmen muss. Die Sichtweise des Klienten kann durch Ängste oder auch selbstwertdienliche Kausalattributionen verzerrt sein, er kann aber auch wichtige Informationen bewusst oder unbewusst verschweigen. Gerade in dieser Phase zeigt sich ganz deutlich der interaktive Aspekt der Beratung. Im zweiten Schritt wird die Zielentwicklung auf Seiten des Klienten angesprochen: Der Klient soll – mit Unterstützung des Beraters – ein Ziel für die Beratung formulieren. In vielen Fällen handelt es sich nicht um ein Ziel, sondern es werden mehrere Ziele genannt, die konkretisiert – und damit später auch überprüfbar sind – werden müssen und in eine Zielhierarchie gebracht werden sollten. Dabei sollte jedoch auch beachtet werden, dass die Beratungsziele in einem konflikthaften Verhältnis zu anderen Lebenszielen des Klienten stehen, und sich dadurch negativ auf die Motivation zur Mitarbeit auswirken können. So zeigten beispielsweise Michalak und Schulte (2002), dass ein höheres Ausmaß an Zielkonflikten mit einer geringeren Mitarbeit, weniger Selbstöffnung, stärkerem Widerstand und einer geringeren Bereitschaft zur Erprobung neuer Verhaltensweisen verbunden ist. Die Berücksichtigung der Änderungsmöglichkeiten ist eine der zentralen Aufgaben des Beraters. In der dritten Phase werden die Schritte zur Problemlösung eingeleitet. Auf

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Kapitel 3 . Beratungsprozess

Exkurs Aufgabe der Diagnostik in der Beratung

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Leider wird der Aspekt der Diagnostik in der Beratungsliteratur oftmals stiefmütterlich behandelt, obwohl der Diagnostik – auch in der Praxis – eine sehr hohe Bedeutung zukommt. Die Beratungsdiagnostik ist unverzichtbar und erfüllt zahlreiche Aufgaben (vgl. auch Laireiter, 2000): 4 deskriptive Funktion: Diese gilt als die grundlegende Aufgabe von Diagnostik auf der alle weiteren Funktionen basieren. Hierzu zählen die umfassende Beschreibung der jeweils aktuellen Problemlage, der angestrebten Ziele und deren Erreichbarkeit. 4 erklärende Funktion: Hierbei geht es darum, dass Diagnostik dazu beitragen soll, die Entstehung und den Verlauf eines Problems zu erklären. 4 indikative (adaptive) Funktion: Auswahl geeigneter Beratungsstrategien und –vorgehensweisen für die aktuelle Problemlage und den betroffenen Klienten (unter Berücksichtigung der relevanten Kontextvariablen), Diagnostik zur Feinsteuerung des Beratungsprozess (adaptive Funktion). Der Berater erhält beispielsweise Informationen darüber, in welchen Bereichen die bislang initiierten Beratungsstrategien noch nicht die erwünschte Wirkung erzielt haben und kann sich im folgenden mit diesem Themenfeld intensiver beschäftigen. 4 prognostische Funktion: Diagnostik soll dazu beitragen, den Beratern Informationen an die Hand zu geben, welche Interventionen (z.B. Ratschläge oder Informationen, die erteilt bzw. gegeben werden) mit welchen Konsequenzen verbunden sind. 4 evaluative Funktion: Die Messung von Veränderungen, die mit dem Beratungsgeschehen assoziiert sind, ist ein weiterer wesentlicher Bestandteil von Diagnostik. Eine empirisch-fundierte psychosoziale Beratung impliziert, dass der Berater die Ergebnisse seiner beraterischen Arbeit

ständig überprüft. Dabei ist sicherlich zu fordern, dass dies nicht nur mit Hilfe von direkten Erhebungen nach Beratungsende (z.B. bezogen auf die Zufriedenheit mit dem Beratungsprozess und dessen Ergebnissen) erfolgt, sondern ein breites, an die jeweilige Fragestellung angepasstes Spektrum an direkten und indirekten Veränderungsmaßen beinhaltet und dabei unerwünschte Nebenwirkungen von Beratung nicht außen vor gelassen werden. Weiterhin sollte das Beratungsergebnis nicht nur direkt nach Beratungsende, sondern auch dessen Transfer in den Alltag und zeitliche Persistenz geprüft werden. 4 therapeutische Funktion: Diagnostik ist kein Selbstzweck; diagnostische Erkenntnisse werden vom Berater gemeinsam mit dem Klienten gewonnen. Die Rückmeldung und Besprechung der Ergebnisse oder die Diagnostik selbst (z.B. das Ausfüllen der jeweiligen Fragebögen) kann bereits Veränderungen in die angestrebte Richtung (z.B. Abbau von Hilflosigkeit und Gefühle des Kontrollverlusts) erzielen. Dadurch kann beispielsweise auch die Motivation des Klienten gesteigert werden. 4 qualitätssichernde und dokumentative Funktion: Diese ist eng mit der deskriptiven Funktion von Diagnostik verbunden. Soll Diagnostik jedoch eine qualitätssichernde Funktion besitzen, ist darauf zu achten, dass beispielsweise die erhobenen Maße den Gütekriterien (Objektivität, Reliabilität, Validität) entsprechen und ein enger Bezug zu den Ergebnisparametern der Beratung besteht. Auch sollten sie veränderungssensitiv sein, um Veränderungen abbilden zu können. 4 transparenzsichernde Funktion: Durch die beispielsweise beratungsbegleitende Diagnostik wird das beraterische Handeln des Beraters gegenüber dem Klienten transparent. Auch der Berater erhält aktuelle Informationen darüber, in welchen Bereichen

6

47 3.2 . Beratungsprozess

von Seiten des Klienten noch mehr Unterstützungsbedarf gewünscht wird oder wie sein beraterisches Handeln vom Klienten erlebt wird. Rolle der Diagnostik in der Beratung Diagnostik ist ein inkrementeller Bestandteil jeder Beratung. Die oben skizzierten Funktionen von Diagnostik werden in einem schrittweisen, rekurrenten Abklärungsprozess bearbeitet. Nach Krapp (1979; zitiert nach Wild & Krapp, 2001) sind rational gesteuerte Handlungen – wie eine Beratung zum Beispiel – in ihren verschiedenen Phasen direkt wie indirekt mit diagnostischen Prozessen verbunden. Krapp unterscheidet eine: 4 treatmentvorbereitende Diagnostik, 4 treatmentbegleitende Diagnostik und 4 treatmentabschließende Diagnostik. In der vorbereitenden Diagnostik geht es darum, die Ist-Soll-Diskrepanz zu bestimmen. Dies geschieht durch eine genaue Beschreibung der aktuellen Situation des Klienten, aber auch seiner Ziele und Vorstellungen. Damit umfasst diese Phase den Bereich der Problemdefinition und Zieldefinition im Problemlöseprozess. Es sind in einem ersten Schritt nach einer ersten Sichtung des Beratungsanlasses und Screenings auch all jene Informationen zu sammeln, die zu einer begründeten Entscheidung bezogen auf die Indikation (z.B. Beratung durchführen; an andere Stellen überweisen) notwendig sind. Im weiteren Verlauf folgt das Sammeln diagnostischer Informationen, die erlauben das Problem und dessen Entstehung einzuschätzen sowie solche, die die Entscheidung ermöglichen, welche Beratungsstrategie wohl am ehesten im konkreten Fall erfolgreich sein wird. Damit kommt im Bereich der Beratung neben einer problemfokussierten Diagnostik (z.B. mit Hilfe von störungsspezifischen Messinstrumenten (Fragebögen; Interviews) oder allgemeineren Problemfragen) auch der ressourcenorientierten Diagnostik – wie beispielsweise auch von Klemenz (2003) für Kinder und Jugend-

liche gefordert – eine zentrale Bedeutung zu (z.B. bezogen auf die soziale Unterstützung; die personalen Ressourcen). Hier zeigt sich beispielsweise auch der reaktive Effekt der Diagnostik, da den Klienten bereits von Beginn an ihre eigenen Möglichkeiten rückgemeldet werden können. Die starke Ressourcenorientierung in der Diagnostik ist nicht nur ein wichtiges kennzeichnendes Element von Beratung in Abgrenzung zu anderen Hilfeformen (wie Erziehung oder Therapie), sondern auch bereits im frühen Stadium notwendig, um das Selbsthilfepotential der Klienten zu stärken (s. Beratung als Hilfe zur Selbsthilfe). Diagnostik und Beratung lassen sich – gerade bezogen auf die Diagnostik von vorhandenen Ressourcen – kaum voneinander trennen und gehen ineinander über. Das Ende dieser Phase bildet eine so genannte »terminale Treatmententscheidung«. Der Weg zu dieser Entscheidung ist oftmals spiralförmig und wird als investigatorische Entscheidung bezeichnet. Während der so genannten interventiven Phase sollten zeitnah und regelmäßig Informationen zu den Wirkungen der ausgewählten Beratungsstrategie erhoben werden; dies wird unter dem Begriff der begleitenden Diagnostik (Verlaufsdiagnostik) subsumiert. Das berücksichtigte Wirkungsspektrum sollte sich an den angestrebten Zielen und jeweiligen Problemlagen orientieren und auch unerwünschte Nebenwirkungen berücksichtigen. Diese Informationen sind notwendig, um den aktuellen Beratungsprozess immer wieder an die Situation adjustieren zu können. Wild und Krapp (2001) sprechen hier von einer formativen Evaluation. In der abschließenden Diagnostik, auch summative Evaluation genannt, soll systematisch geprüft werden, ob die angestrebten Beratungsziele auch erreicht wurden bzw. ob die erzielten Veränderungen als inhaltlich bedeutsam bezeichnet werden können. Neben positiven Wirkungen sollte auch hypothesengeleitet nach möglicherweise aufgetretenen negativen Wirkungen geschaut werden.

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3

Kapitel 3 . Beratungsprozess

Seiten des Beraters können dies die Vermittlung von notwendigem Wissen zur Lösung des Problems (z.B. bei bestehendem Informationsdefizit) oder in der Vermittlung von notwendigen Kompetenzen (z.B. kritische Reflexion; Problemlösestrategien) sein, um nur zwei Beispiele zu nennen. In Abgrenzung zur Therapie stehen das Selbsthilfepotential und der »Anstoßcharakter von Beratung« im Vordergrund. Vorhandene Ressourcen sollen aufgedeckt werden, um dem Klienten eine möglichst eigenständige Umsetzung der Lösungsschritte zu ermöglichen. Auch zeigen sich in Beratungsprozessen nicht die stark individuumszentrierten Sicht- und Herangehensweisen bei der Betrachtung von Lösungswegen. Diese Phase ließe sich nochmals in verschiedene Teilschritte wie die Erarbeitung von verschiedenen Lösungswegen, die Entscheidung für einen Lösungsweg gemeinsam mit dem Klienten – wenn es über eine reine Informationsvermittlung hinausgeht–, die Planung der Umsetzung des konkreten Verhaltens verbunden mit der Prüfung, ob die notwendigen

KlientIn

Fertigkeiten und Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Problemlösung vorliegen und natürlich dessen Umsetzung unterteilen. Im letzten Schritt erfolgt die Evaluation. Haben die durchgeführten Interventionen zu einer Behebung oder mindestens Besserung des Problems beigetragen? Hier ist neben den subjektiven Sichtweisen des Klienten und Beraters auch eine Objektivierung (z.B. durch Außenstehende; standardisierte Verfahren) notwendig. Sollte keine Besserung erfolgt sein, muss u.U. der gesamte Problemlöseprozess wieder von vorne durchlaufen werden. Wie bereits anhand der Interaktionspfeile angedeutet findet im Beratungsprozess ein ständiger Austausch zwischen den Sichtweisen von Berater und Klient statt, die zunehmend in Einklang gebracht werden sollen, um eine Arbeitsbeziehung herzustellen. ⊡ Abb. 3.2 konzentriert sich dabei auf das unmittelbare Beratungsgeschehen in der Situation – lässt dabei die zahlreichen Einflussfaktoren auf das Beratungsgeschehen und dessen Ergebnis außen vor.

BeraterIn plant Diagnostik und stellt Hypothesen zum Problem und dessen Hintergrund auf

entwickelt Ziel

entwickelt Hypothesen zu Ziel & Änderungsumständen

entscheidet, führt Schritt aus, reagiert auf Intervention

interveniert; schlägt Interventionen vor

vergleicht „Ist“ - mit „Sollzustand“

überprüft Wirkung der Intervention

Ende

Ende

Erfassen/ Definieren des Problems („Ist-Zustand“)

Formulieren des Ziels/ der Lösung („Soll-Zustand“)

Intervenieren (Schritte vom Problem zur Lösung)

Evaluieren

⊡ Abb. 3.2. Der problemzentrierte Beratungsprozess als Interaktion zwischen Berater und Klient

Aufbau

Schrittweiser Aufbau einer Arbeitsbeziehung

exponiert Problem

3

49 3.2 . Beratungsprozess

Der ökosystemische Ansatz von Bronfenbrenner (1981) eignet sich gut, um die verschiedenen Einflussfaktoren zu verdeutlichen. Bronfenbrenner (1981) strukturiert die Umwelt in vier Systeme – das Mikro-, Meso-, Exo- und Makrosystem. Das Mikrosystem beschreibt die Interaktionen zwischen Personen – wie auch im Rahmen von Beratungsprozessen. Zusätzlich beschreibt das Chronosystem die zeitliche Veränderung in den einzelnen Systemen. Jede der beiden handelnden Personen ist jedoch selbst wieder in verschiedene Systeme eingebunden, die ihre aktuelle Sichtweise und ihr Handeln erklären (⊡ Abb. 3.3). Neben diesem vierstufigen Modell gibt es zahlreiche weitere Ansätze. Lampropoulos (2001) schlägt auf der Basis der Theorie der gemeinsamen Faktoren innerhalb von Psychotherapie und Beratung ein neunstufiges Prozessmodell vor, das folgende Stufen umfasst: 1. Der Klient stellt ein Problem vor. 2. Der Berater baut eine therapeutische Arbeitsbeziehung auf. 3. Emotionale Erleichterung und »Katharsis« stellen sich infolge der Unterstützung und des empathischen Verhaltens des Beraters ein.

4. Es kommt zum Aufbau/Bearbeiten von Erwartungen und dem Vermitteln von Hoffnung. 5. Selbstexploration und Einsicht in das Problem werden aufgebaut. 6. Der Berater erarbeitet mit dem Klienten eine theoretische Erklärung (Rational) für das problematische Verhalten und dessen Veränderung. 7. Es folgt die Phase der aktiven Problembearbeitung, die in 8. dem Erlernen neuer Sicht- und Verhaltensweisen mündet, die innerhalb und außerhalb des therapeutischen Settings getestet werden. 9. Der Prozess endet, wenn eine Lösung erreicht wurde und das neue Wissen und Verhalten gemeistert wird. Lueger (1995, 1998) geht im Sinne des Dosis-EffektModells davon aus, dass sich Verbesserungen im Verlauf von Interventionen als negativ beschleunigte Kurven darstellen lassen, wobei sich unterschiedliche Bereiche im Erleben und Verhalten des Patienten in unterschiedlichem Ausmaß verändern. Unterschieden werden drei Phasen, die sequentiell aufeinander aufbauen:

Berater

Klient

Makrosystem

Makrosystem Religion

Normen

Religion

Normen

Mesosystem

Freunde/ Bekannte

Arbeitskollegen Freunde

Freunde

Mikrosystem Familie

Klienten

Institutionen

Klienten

Be

Freunde/ Bekannte

Arbeitsplatz Familie

Mikrosystem

ra te tra us b ild un g

A

Arbeitskollegen

Arbeitskollegen

er eb itg e rb

Freunde

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Familie

Medien

Familie

W i Hi ssen nt erg scha ru ftli nd ch er Arbeitskollegen

Medien

Mesosystem

Exosystem

Exosystem

Gesetze

Gesetze Ideologien Kultur

⊡ Abb. 3.3. Beratungsgeschehen unter ökosystemischer Perspektive

Ideologien Kultur

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Kapitel 3 . Beratungsprozess

4 Die Remoralisierung beinhaltet die Verbesserung des subjektiven Wohlbefindens und wird als allgemeine Wirkgröße jeder hilfreichen Beziehung betrachtet. 4 Die Remediation beschreibt die Verbesserung der Symptome und die Lösung aktueller Probleme. Hier werden vorhandene Bewältigungsmöglichkeiten mobilisiert, alternative Bewältigungsstrategien erlernt und dann auch dauerhaft angewandt. 4 Die Rehabilitation bezeichnet die Verbesserung des Funktionsniveaus in bestimmten Lebensbereichen (wie Schule/Beruf; Partnerschaft etc.). Die Bedeutung der Evaluation im Beratungsgeschehen wird in der Praxis oft unterschätzt. Dabei gibt es viele gute Gründe für den Praktiker seine praktische Arbeit ständig zu evaluieren. Es hilft ihm, seine Behandlung zu verbessern, klinisch bedeutsame wissenschaftliche Erkenntnisse zu sammeln und seiner ethischen Verantwortung gegenüber dem Klienten und der Gesellschaft gerecht zu werden. Ein wichtiges Element ist dabei sicherlich, die Sichtweise des Klienten (z.B. seine Zufriedenheit mit dem Beratungsgeschehen und dessen Ergebnis) zu berücksichtigen. Berater und Klient unterscheiden sich nicht nur in ihrer Sichtweise des Therapeutenverhaltens, sondern auch ihrer Sicht, welche Ereignisse in der Beratung bedeutsam waren oder welche Hausaufgabe vorgeschlagen wurde. Darüber hinaus ist darauf zu achten, dass objektive, möglichst standardisierte Messinstrumente zum Einsatz kommen. Dies ist besonders schwierig im Beratungssetting, da sehr unterschiedliche Problemstellungen berücksichtigt werden müssen. Eine weitere Anforderung ist sicherlich, dass die Instrumente ökonomisch und hoch sensitiv sind. Im ▶ Kasten »Clinical Outcome in Routine Evaluation« und im ▶ Kasten »Outcome Rating Scale« werden beispielhaft zwei Herangehensweisen aus dem internationalen Setting vorgestellt, die diesen Kriterien entsprechen und zudem in Kooperation mit Praktikern entstanden sind.

Exkurs Clinical Outcome in Routine Evaluation (CORE; vgl. Evans, Mellor-Clark, Barkham & Mothersole, 2006a, b) Das CORE besteht aus 34 Items, die vom Klienten beratungsbegleitend (ca. 5 – 10 Minuten) ausgefüllt werden sollen. Das Instrument fokussiert auf folgende Bereiche: 4 subjektives Wohlbefinden (4 Items), 4 Symptome/Probleme (12 Items), 4 Leben/soziale Funktion (12 Items), 4 Selbstgefährdung (4 Items), 4 Gefährdung anderer (2 Items). In Befragungen mit mehr als 2000 Klienten ergaben sich gute psychometrische Kennwerte bezogen auf die Reliabilität und Validität. Es konnten Normwerte für klinische und nicht-klinische Stichproben vorgelegt werden ebenso Daten zur Berechnung klinisch relevanter Veränderungen (vgl. Barkham et al., 2001; Mellor-Clark, Connell, Barkham & Cummins, 2001). Zusätzlich stehen den Beratern je ein Instrument zur Protokollierung der Eingangsdiagnostik (zur Feststellung des Kontextes) und eines zum Abschluss der Therapie/Beratung zur Verfügung. Die Testautoren entwickelten auch eine PC-Version, die es den Anwendern erlauben soll, die notwendigen Auswertungen (z.B. Vergleich mit Referenzdaten) selbst vorzunehmen. Ein Benchmarking wurde anhand der ersten Daten entwickelt, das den Vergleich mit anderen Serviceeinrichtungen erlaubt.

Auch im deutschsprachigen Raum haben sich mittlerweile einige Messinstrumente etabliert. Zu unterscheiden sind hier einerseits allgemeine Fragebögen zur Qualitätssicherung im Beratungssetting, die eher auf die Beurteilung einzelner Beratungstermine oder die Beratung insgesamt abzielen, als auch allgemeine und störungsspezifische Verfahren. Einen guten Überblick zu ausgewählten Verfahren – vor allem aus dem Bereich der Ehe-, Familien- und Lebensberatung

51 3.2 . Beratungsprozess

3

Exkurs Outcome Rating Scale (Miller, Duncan, Brown, Sparks & Claud, 2003) Hierbei handelt es sich um eine Kurzversion des Outcome Questionnaire von Lambert, der mit Hilfe einer visuellen Analogskala (0-10) aus Sicht des Klienten die Veränderungen in relevanten Lebensbereichen erfasst: 4 allgemeines Wohlbefinden, 4 individuelles, symptombezogenes Funktionsniveau, 4 interpersonelle Beziehungen (Familie; enge Beziehungen), 4 soziales Funktionsniveau (Arbeit, Schule; Freundschaften). Die Autoren stellten eine hohe interne Konsistenz und zufrieden stellende Konstruktvalidität (Vergleich mit dem Q-45.2; Vergleich klinischer und nicht-klinischer Gruppen) fest (vgl. auch Lambert et al., 1996). Obwohl ursprünglich im psychiatrischen Kontext entwickelt, liegen mittlerweile auch Daten zur Anwendung in Beratungssettings vor (Vermeersch, Whipple, Lambert, Hawkins, Burchfield & Okiishi, 2004). Eine online und PC-Version erlauben es, dass der Berater die Daten schnell auswerten kann und zusätzlich ein kurzes Feedback über die

– bieten Klann, Hahlweg und Heinrichs (2003). Die Autoren stellen verschiedene Verfahren zusammen, die in diesem Bereich zur Anwendung kommen können. Viele der Erhebungsverfahren sind klassische Prä-Post-Verfahren, d.h. es wird beispielsweise zu Beginn und gegen Ende das Ausmaß der Problembelastung oder die Einschränkung der Lebensqualität erfragt und mittels statistischer Analysen berechnet, ob es im Verlauf der Beratung zu einer signifikanten und vor allem auch klinisch bedeutsamen Veränderung kam. Mittlerweile liegen jedoch auch normierte und validierte Verfahren vor, die eine Beurteilung des Behandlungsprozesses erlauben. Hier sollen beispielhaft jeweils ein Verfahren für den Bereich der Arbeit mit Kindern und eines für die Arbeit mit Erwachsenen vorgestellt werden. Beiden Verfahren ist gemeinsam, dass sie nicht störungsspezifisch ausgerichtet

Entwicklung seines Klienten und Feedback bei möglichen Problemen (z.B. sehr geringe Veränderungswerte in den ersten Sitzungen) erhält (Miller, Duncan, Sorrell & Brown, 2005). Diese Skala kann zusammen mit der »Session Rating Scale« (SRS; Duncan et al., 2003), die die vom Klienten wahrgenommene therapeutische Beziehung – ein wesentlicher Prädiktor für den Beratungserfolg – erfasst, eingesetzt werden. Die Skala beruht auf der »Kliententheorie der Veränderung« und besteht aus vier visuellen Analogskalen: Grad der Übereinstimmung mit dem Berater in Bezug auf Ziele und Themen, Grad der Übereinstimmung mit dem Berater in Bezug auf Methoden und den allgemeinen Ansatz, Bewertung der therapeutischen Beziehung, allgemeine Bewertung der zurückliegenden Sitzung. Die Skala erwies sich als reliabel, valide und prognostisch relevant. Studien zeigen zudem, dass durch die kontinuierliche Auswertung der Bewertungen und deren Feedback an den Therapeuten der erzielte Behandlungserfolg gesteigert und die Abbrecherquote reduziert werden können (Lambert, Whipple, Hawkins, Vermeersch, Nielsen & Smart, 2003; Miller et al., 2005; Miller, Duncan & Hubble, 2004).

sind und zentrale Elemente des Beratungsgeschehens mit erfassen. Abschließend soll ein bereichsspezifisches Instrument für die Erziehungs- und Familienberatung vorgestellt werden (▶ Kästen). Exkurs Fragebögen zur Beurteilung der Behandlung (FBB; Mattejat & Remschmidt,1999) Die Fragebögen zur Beurteilung der Behandlung (FBB) sind ein Instrumentarium zur Beurteilung der Behandlung im kinderpsychiatrischen und psychotherapeutischen Kontext. 6

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Kapitel 3 . Beratungsprozess

Sie lassen sich jedoch auch gut in Beratungssettings anwenden, die über zwei Beratungstermine hinausgehen. Die Qualität der Behandlung soll aus der Sicht des Behandlers, dem behandelten Kind und dessen Eltern eingeschätzt werden. Die Skalendefinitionen sind für die einzelnen Berichterstatter angepasst. Für jeden Bereich wird zusätzlich ein Gesamt-Skalenwert ermittelt. 4 Kinderversion (3 Skalen): Die Kinder sollen den Erfolg der Behandlung einschätzen, sowohl für sich selbst als auch bezogen auf die familiären Beziehungen, die Beziehung zum Behandler, sowie die Rahmenbedingungen der Behandlung bewerten. 4 Elternversion: Die Eltern sollen differenziert den Erfolg der Behandlung einschätzen. Hier wird nicht nur der Erfolg der Behandlung für das Kind erfragt, sondern auch bezogen auf die Beziehung des Elternteils zum Kind, den Erfolg bezogen auf die eigene Person und schließlich auch hinsichtlich der Familienbeziehungen. Auf einer zweiten Skala soll der Behandlungsverlauf eingeschätzt werden. 4 Behandlerversion: Die Behandlerversion umfasst 5 Skalen: Skala 1 - Therapieerfolg hinsichtlich des Patienten, Skala 2 - Therapieerfolg hinsichtlich der Familie, Skala 2.1 - Erfolg bezüglich der Mutter, Skala 2.2 - Erfolg bezüglich des Vaters, Skala 2.3 - Erfolg Familienbeziehungen, Skala 3 - Kooperation mit dem Patienten, Skala 4 - Kooperation mit der Mutter, Skala 5 - Kooperation mit dem Vater. Die Testbearbeitung dauert in der Regel rund 15 Minuten. Die Angaben zu Reliabilität und Validität sind zufrieden stellend. Es liegen Angaben aus einer umfangreichen klinischen Stichprobe vor, die sich als Vergleichsgruppe für die eigenen Erhebungen eignet. Mittlerweile liegen auch von den Autoren Kurzversionen vor, die mit 7 bis 15 Fragen in wenigen Minuten zu beantworten sind und sich in

vielen Beratungssituationen als deutlich angemessener erweisen. Am Beispiel der Evaluation eines präventiven Beratungskonzepts für Kinder körperlich kranker Eltern (Paschen et al., 2007) soll der Einsatz des FBB kurz vorgestellt werden. Der Ansatz baut darauf auf, dass Kinder körperlich kranker Eltern offen über die Erkrankung ihres Elternteils informiert werden sollten, dies gilt auch für Erkrankungen mit infauster Prognose. Die offene Kommunikation innerhalb der Familie gilt als ein wichtiger protektiver Faktor. Ziele der Beratung für Eltern und deren Kinder sind daher unter anderem, das elterliche Kompetenzerleben zu steigern, eine aktivere Bewältigung zu ermöglichen, die innerfamiliäre Kommunikation zu verbessern, die emotionale Verfügbarkeit des gesunden Elternteils zu erhöhen, das kognitive Verständnis von Seiten des Kindes herbeizuführen wie auch antizipierende Trauerarbeit anzubahnen. Das Konzept umfasst psychoedukative und therapeutisch-orientierte Elemente; der Ablauf ist halb-standardisiert. Auf eine diagnostische Phase (1-2 Sitzungen) folgt eine Interventionsphase (2-6 Sitzungen), in der spezifische Beratungsziele verfolgt werden. Die Fragebögen wurden sechs Monate nach Beratungsende eingesetzt. Die Eltern und Kinder (N = 25) beurteilten die Beratung als überwiegend erfolgreich, die Berater waren kritischer und kamen zu zurückhaltenderen Urteilen (sie sprachen nur von einem »mäßigen Fortschritt«). Besser fielen die Urteile für die Bewertung der Prozessqualität aus; es zeigte sich jedoch auch hier das Gefälle zwischen Familienmitgliedern und Beratern. Die Prozessqualität wurde von den Eltern und Kindern sehr positiv bewertet. Zusätzlich schätzen die Berater die Prozessqualität nicht nur für die Responder, sondern auch für die Abbrecher ein. Dabei zeigte sich, dass diese nicht schlechter eingeschätzt wurden. Die zusätzlich eingesetzten Zielerreichungsskalen zeigten wieder eine sehr positive Einschätzung der Familienmitglieder, während die Therapeuten dies etwas kritischer sahen.

53 3.2 . Beratungsprozess

Exkurs Bonner Fragebogen für Therapie und Beratung (BFTB; Fuchs, Sidiropoulou, Vennen & Fisseni, 2003) Der Bonner Fragenbogen für Therapie und Beratung dient der Erfassung von Ergebnis und Prozess einer Beratung und wurde als katamnestisches Instrument entwickelt. Der Einsatzbereich ist breit gestreut und nicht auf bestimmte Störungsbilder bezogen. Der Fragebogen ist für erwachsene Klienten entwickelt worden; hierfür liegen auch Vergleichswerte vor. Der Fragebogen setzt sich aus zwei Teilbereichen zusammen: 4 Ergebnisskala: Diese besteht aus 31 Items, die Veränderungen im Selbstbild nach der Therapie im sozialen Bereich (z.B. Kontaktfähigkeit), im emotionalen Erleben (z.B. Selbstwertgefühl) und auf der Verhaltensebene (z.B. Leistungsfähigkeit) erfassen. 4 Zehn Prozessskalen: Diese sollen das therapeutische Verhalten erfassen. Hierbei orientierten sich die Autoren an dem allgemeinen Wirkmodell der Psychotherapie (▶ Kap. 3.5) und wollten die Wirkprinzipien der Therapeut-Klient-Beziehung (3 Skalen: Echtheit, Empathie, Wertschätzung), Einsicht/Klärung (4 Skalen: Deutung, Bewusstheit, Strukturierung, Konfrontation) sowie Integration/Verhaltensänderung (3 Skalen: Durcharbeiten, emotionszentriertes Arbeiten, Verstärkung) berücksichtigen. Dies soll auch gewährleisten, dass das Instrument in verschiedenen Therapie- bzw. Beratungsschulen einsetzbar ist.

Die durchschnittliche Bearbeitungszeit liegt bei 25 Minuten und ist daher oftmals für die sehr kurzen Beratungssettings nur bedingt geeignet. Die beiden Teilbereiche können jedoch getrennt zur Anwendung kommen. Gerade der Einsatz der Prozessskalen kann im Rahmen von Wirksamkeitsanalysen wichtige Erkenntnisse liefern. Kritisch muss der Umfang des Bogens und die ausschließliche Itemformulierung bezogen auf »Therapie« angemerkt werden. Zwar liegen Normierungswerte vor; die Stichprobe ist jedoch mit nur sehr niedrigen Rücklaufquoten als selektiv zu bezeichnen. Auch für den BFTB liegt eine aktuelle Evaluationsstudie aus dem Beratungssetting vor. Kühnl (2007) berichtet über den Einsatz des BFTB im Rahmen eines SOS-Beratungs- und Familienzentrums. Die Ergebnisse von acht Klienten, die mindestens an drei Sitzungen teilgenommen hatten, werden vorgestellt. Weitere Angaben zu den Klienten und den Rahmenbedingungen seitens des Autors liegen nicht vor. Verglichen werden die Einschätzungen der Klienten mit den Werten in der Normierungsstichprobe. Hier zeigte sich beispielsweise, dass die Klienten die Veränderung im Bereich der Ergebnisqualität als durchschnittlich bezeichnen, allerdings sich auch in einem Fall eine Verschlechterung nach der Beratung ergeben hatte. Aus Sicht einer Praxiseinrichtung wurde kritisiert, dass der Fragebogen einen sehr elaborierten Sprachcode aufweist, mit dem viele Klienten nicht zurechtkommen und der damit schlecht anwendbar ist.

Exkurs Fragenbogen zur Erziehungs- und Familienberatung (Vossler, 2001, 2003) Die Instrumentenentwicklung erfolgte vor dem Hintergrund der Notwendigkeit einer Dokumentation der Prozess- und Outcomequalität

von Beratung unter Einbezug der Klienten, wobei die Spezifika von Beratung wie Heterogenität der Problemlagen, stark fluktuierende Rahmenbedingungen, unterschiedliche Zielkriterien etc. berücksichtigt werden sollten, aber

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Kapitel 3 . Beratungsprozess

gleichzeitig ein normiertes und standardisiertes Instrumentarium zur Verfügung gestellt werden sollte. Der Fragenbogen besteht aus vier Hauptskalen, die den gesamten Prozess der Beratung berücksichtigen. Deren Einsatz kann nach dem »Baukastenprinzip« erfolgen, d.h. es werden nur die Skalen eingesetzt, die gerade im Vordergrund stehen. 4 Die Skala FEF-1: Zugang zur Beratung besteht aus einer offenen Eingangsfrage zum Beratungsanlass sowie weiteren Fragen, die aus dem Bereich der Psychotherapieforschung abgeleitet wurden. Hierbei handelt es um Fragen zur Motivation zu und Vorerfahrung mit einer Beratung, den Erwartungen und Bedenken, zum Leidensdruck in der Familie, zur Zufriedenheit mit den Rahmenbedingungen. 4 Die Skala FEF-2: Beratungsprozess erfasst mit 14 Items wesentliche Aspekte der Berater-Klient-Beziehung (wie hilfreiche Beratervariablen) und des Vorgehens in der Beratung (wie Beratungstechniken). 4 Die Skala FEF-3: Beratungszufriedenheit beinhaltet acht Items der deutschen Übersetzung des«Client Satisfaction Questionnaire« ergänzt durch eine Unterskala zur Organisationszufriedenheit. 4 Die Skala FEF-4: Beratungseffekte beschreibt sechs relevante Bereiche (Problemsituation und -sicht, Emotionen, Situation des Kindes, Familie, Selbsthilferessourcen) für die im Sinne einer direkten Veränderungsmessung Einschätzungen abgegeben werden sollen. Zusätzlich kann angegeben werden, inwieweit diese auf die Beratung zurückgeführt werden. Die Daten zur Reliabilität und Validität sind zufrieden stellend. Zusätzlich liegt auch ein Fragebogen für BeraterInnen vor. Hervorzuheben ist, dass es sich beim FEF um ein Instrumentarium handelt, das speziell für den Bereich der Be-

Evaluation sollte jedoch nicht bei der Erhebung des Beratungserfolgs (hier nicht nur retrospektiv, sondern auch prä-post) stehen bleiben, sondern mög-

ratung entwickelt wurde, und anstrebt den Beratungserfolg multidimensional zu erfassen, indem nicht nur Zufriedenheitsmaße, sondern auch Einschätzung der Veränderungen im intra- und interpersonalen Bereich vorgenommen werden. Vossler (2003) selbst setzte den Fragebogen im Rahmen einer Evaluationsstudie zur Erziehungsberatung ein. Elf Beratungsstellen der Caritas nahmen an der Studie teil; jeweils 20 Fälle wurden per Zufall ausgewählt und die Eltern kontaktiert. Die Rücklaufquote betrug 59%. Aus der Vielzahl der Ergebnisse sollen nur beispielhaft einige Aspekte vorgestellt werden. So zeigte sich beispielsweise, dass die Eltern der Diagnostik einen hohen Stellenwert bei den Veränderungen zumessen, während beispielsweise Settings, in denen sie aktiv einbezogen werden, als weniger veränderungsintensiv erlebt werden. Eltern erleben neben der Beratung vor allem auch die Unterstützung durch die soziale Umgebung wie auch altersbedingte Entwicklungen (Reifeprozesse) als häufige Einflüsse auf erzielte Veränderungen. Insgesamt wurden als besonders hilfreiche Aspekte die Klärung der Problemlage (wie die Diagnostik, Ursachenklärung), Tipps und Ratschläge des Beraters, das Reden über die Schwierigkeiten, die Hinweise auf eine Re-Interpretation der Problemsicht, das Einüben von Verhaltensweisen oder konkrete Anregungen zur eigenständigen Reflexion genannt. Ein hoher Prozentsatz der Eltern (70 – 82%) sahen positive Veränderungen in der Problemsituation, der Problemsicht, im emotionalen Bereich, der Situation des Kindes, der familiären Situation sowie im Bereich der Ressourcen. Zwischen 6-10% der Eltern gaben in diesen Bereichen allerdings auch Verschlechterungen an. Die Eltern waren zum größten Teil zufrieden mit der Beratung und kritisierten in erster Linie die fehlende Kooperation mit anderen Stellen.

lichst prozessbegleitend erfolgen. Hierzu eignen sich besonders kurze Stundenbeurteilungen oder Feedbackbögen im Sinne von »goal attainment

55 3.3 . Wirksamkeit von Beratung

scales«, die eine globale Einschätzung der aktuellen Befindlichkeit und des Zielerreichungsgrades erlauben. Solche Instrumente können leicht der jeweiligen Beratungssituation angepasst werden und lassen sich unproblematisch auswerten (▶ Kasten »Stundenbeurteilungsfragebogen für die Allgemeine und Differentielle Einzelpsychotherapie«). Exkurs Stundenbeurteilungsfragebogen für die Allgemeine und Differentielle Einzelpsychotherapie (Krampen, 2002) Stundenbeurteilungsfragebögen dienen einer detaillierten Analyse der jeweiligen Beratungssitzung. Sie sind zeitökonomisch und liefern Berater und Klient Hinweise zum Verlauf und dem Ergebnis in der Sitzung und eignen sich u.a. auch dazu diskrepante Einschätzungen von Berater und Klient aufzuzeigen. Krampen (2002) hat einen Stundenbeurteilungsbogen für den psychotherapeutischen Kontext entwickelt, der auf dem allgemeinen Wirkfaktoren-Modell von Grawe (▶ Kap. 3.5) beruht und aus jeweils drei Subskalen (getrennt für Therapeut und Patient) besteht: 4 motivationale Klärung auf Seiten des Patienten (z.B. Einsicht in die Charakteristika der Schwierigkeiten; 5 Items), 4 aktive Hilfe zur Problembewältigung (z.B. Fortschritte bei der Bewältigung der Schwierigkeiten im Alltag; 4 Items), 4 therapeutische Beziehung (z.B. sich verstanden fühlen; dem Prozess folgen können; 3 Items). Die Auswertung erfolgt auf Skalenebene – die Einschätzung von Therapeut und Patient können gegenübergestellt werden. Normwerte aus einer größeren Stichprobe liegen vor. Allerdings sollte darauf hingewiesen werden, dass der Bogen für den psychotherapeutischen Bereich entwickelt und die Übertragbarkeit für das Beratungssetting nicht getestet wurde. Die Anwendung solcher Skalen bei Beratungen im klinisch-gesundheitspsychologischen Bereich ist sicherlich gegeben, v.a. wenn mehrere Beratungssitzungen erfolgen.

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Wie anhand der vorgestellten Studien gezeigt werden konnte, sind die begleitenden Informationen zur Bewertung der Beratung seitens des Klienten besonders wichtig, da dadurch Missverständnisse und Unstimmigkeiten rechtzeitig angesprochen werden können. So ließ sich der Therapieerfolg anhand von Beobachtungen der ersten Sitzungen relativ gut vorhersagen und Rückmeldungen zur therapeutischen Allianz erwiesen sich als hilfreich, um die Angemessenheit der aktuellen Beratungsarbeit/therapeutischen Strategie zu bestimmen (Howard et al., 1996; Lambert, Hansen & Finch, 2001; Lambert et al., 2001; Lueger, 1998; Lueger et al., 2001; Miller, Duncan, Sorrell & Brown, 2005). Zusätzlich bieten solche Verfahren den Vorteil, die Selbstreflexion des Klienten zu steigern und damit auch die Selbsthilfekräfte zu aktivieren. (7 Kasten »Wirksamkeitsforschung – Evaluationsforschung«) 3.3

Wirksamkeit von Beratung

Die Wirksamkeitsforschung innerhalb der Beratungspsychologie steht sicherlich noch sehr am Anfang, trotz der Tatsache, dass Beratung in unserer Gesellschaft eine sehr hohe Bedeutung zukommt. Da Beratung in Deutschland nicht als eigenständige Profession aufgefasst wird, gehen die Beratungsansätze – das gilt vor allem in der klinischen Forschung – unter. In wohl keinem Bereich zeigt sich hier die Kluft zwischen Wissenschaft und Praxis stärker. Viele Angebote haben sich in der Praxis bewährt, können aber keine wissenschaftlichen Daten aufweisen, die dies untermauern. Viele Evaluationsansätze genügen wissenschaftlichen Kriterien nicht. Viele wissenschaftliche Ansätze – so auf der anderen Seite die Meinung der Praktiker – sind nicht praktikabel und nicht ökologisch valide. Von verschiedenen Seiten werden immer wieder so genannte »Science-Practitioner-Modelle« gefordert, die auf einer Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis, gerade auch auf dem Gebiet der Wirksamkeitsüberprüfung, basieren (Carter, 2002; Lampropoulos, Goldfried, Castonguay, Lambert, Stiles & Nestoros, 2002).

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Kapitel 3 . Beratungsprozess

Exkurs Wirksamkeitsforschung – Evaluationsforschung

3

Die wissenschaftliche Fundierung des praktischen Beratungshandelns ist eine Grundvoraussetzung der psychosozialen Beratung. Neben der Forderung, dass jeder Berater die Wirksamkeit seiner Arbeit auch wissenschaftlich überprüfen sollte, bezieht sich dieser Aspekt auch auf die Forderung nach Belegen für die Wirksamkeit einer bestimmten Beratungsstrategie, die im aktuellen Fall eingesetzt werden soll. Evaluation dient damit auch der Optimierung und Planung von Beratungsmodellen und soll den Nutzen einer bestimmten Beratungsstrategie wissenschaftlich dokumentieren. Evaluation ist damit immer ziel- und zweckorientiert; sie bedient sich des Methodenrepertoires der Sozialwissenschaften, um diese Beurteilung leisten zu können. Psychosoziale Berater sollen – im Interesse des Wohls ihrer Klienten – die Beratungsstrategie einsetzen, für die es die beste empirische Unterstützung gibt und die für den konkreten Fall (Beratungssetting; Klientel) als am erfolgversprechendsten angesehen wird. Es gibt nicht die Wirksamkeit oder den Nutzen einer Beratungsstrategie, sondern der Begriff muss weiter präzisiert werden. Nach Hager (2000) sollte ein Verfahren nur dann als wirksam bezeichnet werden, wenn es nachweislich: 4 eine hinreichend intensive Veränderung der angestrebten Ziele erreicht (Aspekt der klinischen Bedeutsamkeit) und 4 diese Veränderungen auf den Alltag übertragen werden können (»Transfer«) und zeitlich persistieren (»Nachhaltigkeit«). Nachweislich bedeutet, dass mögliche Störeinflüsse, die eine Veränderung herbeiführen könnten, als Erklärung ausgeschlossen werden können. Generell werden in der Forschung unterschieden zwischen: 4 »efficacy«: Hierbei handelt es sich um den Nachweis der Wirksamkeit einer Beratungsstrategie in einem kontrollierten Setting. Dies bedeutet, dass unter in der

Regel optimalen Rahmenbedingungen die Wirksamkeit belegt werden konnte. Dieser Wirksamkeitsnachweis kann immer nur im Vergleich mit einer geeigneten Vergleichsgruppe (unbehandelte Kontrollgruppe, Vergleich mit anderer Beratungsstrategie etc.) und bezogen auf ein vorher definiertes Ziel erfolgen. Zu wünschen ist der Einsatz von Randomisierungsstrategien. 4 »effectiveness« beschreibt die Einsetzbarkeit und Brauchbarkeit in der klinischen Praxis. Dies bedeutet, dass die Verfahren sich auch unter weniger optimalen Bedingungen als wirksam erweisen, wenn beispielsweise die Klientel multiple Problemlagen aufweist oder der Berater sich die Technik durch Fortbildungen oder Bücher angeeignet hat. 4 »Effizienz« betrifft das Kosten – Nutzen – Verhältnis der eingesetzten Beratungsstrategie – auch unter Einbezug von alternativen Herangehensweisen. In manchen Bereichen – dies gilt in erster Linie für die Psychotherapieforschung - liegen mittlerweile so viele Studien vor, dass man die Ergebnisse nur noch schwer rezipieren kann. Meta-Analysen fassen die Ergebnisse von verschiedenen kontrollierten Primärstudien zu einer Fragestellung zusammen, indem die statistischen Ergebnisse zu einem Gesamtergebnis aggregiert werden. Damit sollen Aussagen darüber getroffen werden, wie groß und wie wahrscheinlich der postulierte Effekt ist. Als Gesamtwert werden in der Regel Effektstärkenmaße angegeben, die eine Aussage darüber erlauben, wie stark sich Kontroll- und Experimentalgruppe voneinander unterscheiden. Diese werden in der Regel als δ angegeben. Folgende Klassifikation der Effektgrößen hat sich durchgesetzt: 4 δ= 0,2 a kleiner Effekt 4 δ= 0,5 a mittlerer Effekt 4 δ= 0,8 a großer Effekt

57 3.3 . Wirksamkeit von Beratung

Wirksamkeitsforschung in Beratungssettings gestaltet sich schwierig; als relevante Barrieren sind die folgenden Aspekte zur berücksichtigen: 4 Berater rekrutieren sich aus sehr unterschiedlichen Berufsgruppen mit sehr unterschiedlichem Hintergrund. So wurden Studien mit Medizinern, Krankenschwestern, Sozialarbeiter und/oder Psychologen durchgeführt. 4 Unterschiedliche Definition von Beratung, die herangezogen wurde: So wurde in einigen Arbeiten eindeutig auf die non-direktive Beratung fokussiert und auch nur solche Ansätze als Beratungsansätze akzeptiert. Viele Untersuchungen (z.B. die Arbeiten zum Motivational Interviewings ▶ Kap. 4) werden nicht explizit unter dem Begriff Beratung geführt. 4 Vielzahl von Erhebungsinstrumenten, die die Vergleichbarkeit von Studien einschränken. Froyd, Lambert und Froyd (1996) kamen in ihrer Analyse zu dem Schluss, dass in 334 Wirksamkeitsstudien insgesamt 1430 Messinstrumente verwandt wurden, davon alleine 851, die in keiner anderen Studie zum Einsatz kamen. 4 Mangelnde Abgrenzung zwischen Beratung und Psychotherapie; die Grenzen zwischen Beratung und Psychotherapie verschwimmen oftmals. Gerade im Bereich der klinischen Beratungsarbeit ist die Trennung zwischen Beratung und Psychotherapie sehr schwierig und beide Formen sind auf vielfältige Art miteinander verwoben (z.B. Beratung der Eltern, aber Therapie mit dem Kind), so dass die Effekte der Beratung schwer herauszurechnen sind bzw. nicht getrennt betrachtet wurden. In vielen Übersichtswerken und Studien zur Therapieforschung werden – u.U. unter dem Begriff der Kurzzeittherapie – auch Beratungsansätze mit betrachtet, so dass auch hier eine Unterscheidung sehr schwer ist. 4 Unterschiedliche Definition der Effektebenen. Evaluation der Wirksamkeit von Beratung darf nicht nur auf den klassischen Bereich der Wirksamkeitsanalysen beschränkt werden. Beratung hat einen viel umfassenderen Ansatz, der sich nicht auf den Begriff der Symptomreduktion begrenzen lässt. Während für den Bereich der Symptombesserung mittlerweile zahlreiche, auch für den Beratungskontext

3

hinreichend valide Messinstrumente vorliegen (▶ Kasten »Clinical Outcome in Routine Evaluation« und ▶ Kasten »Outcome Rating Scale«), sind weitere Zielebenen der Beratung wie z.B. zunehmende Netzwerkunterstützung, Vermittlung an weitere, für den individuellen Fall angemessene Serviceangebote, Förderung des Problembewusstseins, gesteigerte Akzeptanz für Hilfsangebote oder Ressourcenaktivieriung schwieriger zu erfassen. 4 Unterschiedliche Beratungssettings mit sehr unterschiedlicher Zeitdauer. Im Rahmen von telefonischen Beratungsangeboten ist es oftmals nicht möglich, die Anrufer katamnestisch nachzubefragen, da die entsprechenden Daten zur Kontaktaufnahme nicht vorliegen. Die Kontakte sind hier auch nur von sehr kurzer Dauer, was Wirksamkeitsanalysen zusätzlich einschränkt. Hier ist oftmals ein hoher Dropout in den Nachbefragungen festzustellen, da zwischen Berater und Klient keine intensive Arbeitsbeziehung aufgebaut werden konnte, die eine nachfolgende Befragung erleichtert. Andererseits können die Drop-out Quoten auch Ausdruck fehlender Effekte sein (s. intention-to-treat-Analysen in der Medizin, um diesen Effekt auszugleichen). Diese Faktoren mögen erklären, warum sich bislang keine starke Beratungsevaluationsforschung etabliert hat, vor allem im deutschsprachigen Raum. Da im Rahmen der Psychotherapie-Forschung auch Beratungsansätze mit evaluiert worden sind, soll kurz auf die Befundlage in diesem Bereich hingewiesen werden. Die empirische Psychotherapieforschung ist sehr umfangreich und aufgrund der Vielzahl der Studien fast unüberschaubar (Grawe, Donati & Bernauer (1994) recherchierten mehr als 4.000 kontrollierte Studien – Tendenz steigend). Meta-Analysen fassen die Ergebnisse dieser Arbeiten zusammen. Die wohl bekannteste Arbeit zur Wirkung von Psychotherapie legten Smith und Glass im Jahre 1977 vor. Sie analysierten 375 Arbeiten und gelangten zu dem Schluss, dass Psychotherapie wirksam ist. Die durchschnittliche Effektstärke betrug .68, d.h. 75% derer, die behandelt wurden, hatten einen besseren Outcome als der durchschnittliche Kontrollgruppenpatient. Sie fanden erstaunlich geringe Unterschiede zwischen den einzelnen Therapieformen; die höchsten Werte

58

3

Kapitel 3 . Beratungsprozess

wiesen die systematische Desensibilisierung (δ = .91), die Verhaltensmodifikation (δ = .76) und die rationalemotive Therapie (δ = .71) auf. Die Höhe der Effektstärken variierte in Abhängigkeit des betrachteten Outcomes (mit hohen Werten bei Angstreduktion und Selbstwertsteigerung und niedrigeren Werten bei Anpassung und Leistungen in Schule und Beruf). Sie fanden keine Zusammenhänge mit dem Setting (Einzel- vs. Gruppentherapie), der Dauer, der Erfahrung des Therapeuten, der Diagnose und Alter des Klienten; geringe zum Veröffentlichungsjahr und IQ des Klienten (positiv), zum Katamnesezeitraum und Ähnlichkeit zwischen Therapeut und Klient (negativ) sowie etwas höhere (r= .3) mit der Reaktivität des verwandten Outcomes. Zahlreiche weitere Arbeiten folgten mit vergleichbarem Ergebnis (vgl. Übersicht bei Lambert & Bergin, 1994; Lambert & Ogles, 2004). Meta-Analysen im Bereich der Kinder- und Jugendpsychotherapie unterstützen die Wirksamkeit auch für diesen Altersbereich (Beelmann & Schneider, 2003; Casey & Berman, 1985; Kazdin, Bass, Ayers & Rodgers, 1990; Weisz, Weiss, Alicke & Klotz, 1987; Weisz, Weiss, Han, Granger & Morton, 1995). Neben diesen »allgemeinen« Meta-Analysen, die sich eher auf Psychotherapie konzentriert haben, gibt es unzählige Arbeiten, die sich speziellen Störungsbildern (wie z.B. Depression,

Angst oder Substanzabhängigkeit) zugewandt haben. Mittlerweile liegen auch speziell zum Bereich der Beratung Meta-Analysen vor, allerdings oftmals bezogen auf spezielle Felder. So untersuchte die Arbeitsgruppe um Bower (Bower & Rowland, 2006; Bower, Rowland & Hardy, 2003) den Einsatz von Beratung in der ärztlichen Versorgung bei psychischen Problemen (wie Angst; Depression). So verglichen Bower et al. (2003) ärztliche Beratungsangebote mit der üblichen medizinischen Versorgung. Ihre Daten unterstützen die prinzipielle Wirksamkeit von Beratung bezogen auf einen kurzfristigen Zeitraum (δ = 0.28), nicht jedoch bezogen auf eine längerfristige Stabilisierung (δ = 0.07). Die Autoren konnten zur Thematik insgesamt nur sieben kontrollierte Studien lokalisieren. Dieser Ansatz erwies sich allerdings auch langfristig als Kosten sparend. Gerade im medizinischen Kontext liegen weitere Studien vor, die sich mit dem Einsatz von Beratung (z.B. im telefonischen Kontakt; ▶ Kap. 5) beschäftigen (auch ▶ Kap. 4 zum Einsatz des Motivational Interviewing). Beispielhaft sollen in den folgenden ▶ Kästen einzelne Meta-Analysen vorgestellt werden, die sich mit dem Einsatz von Beratung in verschiedenen Settings und bei unterschiedlichen Altersgruppen beschäftigen.

Exkurs Schulbasierte Beratung – Meta-Analyse von Prout und Prout (1998) Im schulischen Rahmen werden von Psychologen in der Regel kurze Interventionen, oftmals individuelle Beratungsgespräche – meist mit kognitiv-verhaltenstherapeutischer Orientierung – durchgeführt. Als Beratungsanlässe werden zumeist familiäre Probleme und schulische Angelegenheiten (unter dem Leistungsniveau bleiben; Lernschwierigkeiten; mangelnde Motivation) genannt. Die Autoren untersuchten Studien aus dem Jahr 1985 – 1994 (bis 1984 gibt es bereits eine Meta-Analyse), die sie in den psychologischen Datenbanken »Psychlit« und »ERIC« suchten. Der Interventionsbegriff war breit: Es sollte sich um geplante Anwendungen von Techniken handeln, die auf psychologischen Prinzipien beruhen, von einer speziell ausgebildeten Person angewandt

werden und darauf abzielen, Gefühle, Werte, Einstellungen und Verhaltensweisen, die als maladaptiv eingeschätzt werden, zu verändern. Damit werden eher therapeutisch-orientierte, aber auch trainings- und beratungsorientierte Ansätze mit berücksichtigt. Die Intervention musste in der Schule stattfinden oder sich auf ein schulisches Problem beziehen. Eine Veröffentlichung musste in einer Fachzeitschrift erfolgt sein und die Studie eine Kontrollgruppe beinhalten. 17 Studien mit 74 Outcome-Maßen wurden auf diese Weise in die Studie einbezogen – leider erfährt der Leser nicht, wie viele und mit welcher Begründung ausgeschlossen wurden. Die Effektstärke insgesamt – über alle Studien und Variablen – betrug .97. Wurden die Outcome-Maße pro Studie gemittelt, ergab sich eine Effektstärke von .95. Die meisten Studien waren

66

59 3.3 . Wirksamkeit von Beratung

Gruppeninterventionen. Die höchsten Effektstärken zeigten sich für die kognitiv-behavioralen Ansätze (ES = 1.45 bzw. ES = 1.55), gefolgt von Entspannung (ES = .84 bzw. ES = .92) und Fertigkeitsansätzen (ES = .50 bzw. ES = .49). Bei den jüngeren Kindern wurden die besseren Ergebnisse erzielt (Grundschule vs. weiterführende

Schule: ES = 1.31 bzw. ES = 1.35 vs. ES =.73 bzw. ES =.68). In ⊡ Tab. 3.2. sind die Ergebnisse je nach Outcome-Maß und Erfassungsstrategie zusammengefasst. Die unterschiedlichen Effekte für die verschiedenen Datenquellen verdeutlichen noch einmal die Wichtigkeit einer multimethodalen Ergebnismessung und -dokumentation.

⊡ Tab. 3.2. Mittlere Effektstärken nach Art des Outcomes. (Zit. nach Prout & Prout, 1997; p. 129; dtsch. Übersetzung durch die Autorin) Art der Variablen

Anzahl der Studien

Effektstärken

Standardabweichung

Selbstbericht

51

1.18

1.08

Informantenrating

12

.52

.39

Leistung

6

.00

.24

Verhalten

5

.88

.32

Angst

18

.74

.54

Depression

15

1.96

1.04

Selbstwert/-konzept

14

.74

.79

Soziale Fertigkeiten

9

.38

.34

Performanz

6

.00

.24

Einstellung

5

.85

.79

Datenquelle

Interessierende Variable

Exkurs Ernährungsbezogene Beratung zur Gewichtsreduktion (Dansinger, Tatsioni, Wong, Chung & Balk, 2007) Aufgrund der hohen Verbreitung von Übergewicht und Adipositas sind effektive Maßnahmen zur Gewichtsreduktion notwendig. Die Autoren bezogen in ihre Meta-Analyse kontrollierte Studien der Jahre 1980 – 2006 ein. Durch ihre Suchkriterien, die sich vor allem auf verhaltenstherapeutische und lebensstilbezogene Interventionen bezogen, konnten sie

13.732 Studien finden, von denen 46 in die Studie einbezogen wurden, wobei 6.386 Personen eine Ernährungsberatung erhielten und 5.467 Personen die übliche Versorgung (= Kontrollgruppe). Die Studie bezog nur Erwachsene ein. Als Ergebnisvariable wurde die Veränderung im BMI für die unterschiedlichen Messzeitpunkte (auch bezogen auf aktive Phase vs. Aufrechterhaltung) getrennt untersucht. Dabei zeigten sich insgesamt viel versprechende Ergebnisse. Die Daten zur BMI-Veränderung während der

6 6

3

60

3

Kapitel 3 . Beratungsprozess

aktiven Phase variierten zwischen den jeweiligen Messzeitpunkten relativ stark; die geringsten Veränderungen bzw. sogar Anstiege ließen sich für die Zeitpunkte 18., 24. und 30. Monat feststellen; es ergaben sich sowohl für die früheren wie auch die späteren Zeitpunkte BMI-Veränderungen um einen Punkt bis zu maximal 2.89 Punkten. Für die Phase der Aufrechterhaltung zeigten sich ab dem 48. Monat keine bedeutsamen BMI-Verringerungen mehr; zuvor lagen jedoch deutliche Veränderungen um einen bis zu 2.87 Punkten vor. Diabetiker scheinen insgesamt von

Mittlerweile liegen im psychotherapeutischen Bereich so viele Meta-Analysen vor, dass Meta-Analysen von Meta-Analysen durchgeführt werden. So stellten Lipsey und Wilson (1993) 302 Meta-Analysen nicht nur aus dem Bereich der Psychotherapie, sondern auch aus den Bereichen Beratung (hier vor allem für den medizinischen Bereich) und edukative Maßnahmen zusammen. Nur sechs der Arbeiten wiesen negative Effektstärken auf (▶ Kasten »Die Meta-Analyse der Meta-Analysen«).

den Ernährungsberatungen profitiert zu haben. Die Analyse der BMI-Anstiege lässt schlussfolgern, dass während der aktiven Behandlung im Schnitt 0.1 BMI-Punkte pro Monat (dies gilt für das erste Jahr) verloren werden, während in der Aufrechterhaltungsphase zwischen 0.02 und 0.03 BMI-Punkte dazu gewonnen werden. Dieses Ergebnis zeigt auch, wie schwer eine Veränderung des Lebensstils ist und wie leicht die Betroffenen wieder in ihre alten Verhaltensmuster fallen.

Bei diesen Studien handelte es sich in erster Linie um so genannte »efficacy«-Studien. Diese Studien wurden von zahlreichen Forschern – u.a. auch von Seligman (1995) – kritisiert, da sie die interne Validität zu Kosten der externen Validität optimieren. Die Frage, ob solche Verfahren auch in der Praxis wirken (»effectiveness«), konnte ebenfalls bejaht werden. Einer der einflussreichsten und kontroversesten Studien ist die »Consumer Report Study« von Seligman (1995), die die »effectiveness« von

Exkurs Die Meta-Analyse der Meta-Analysen: Lipsey und Wilson (1993) Lipsey und Wilson (1993) hatten sich zum Ziel gesetzt, die Literatur zu psychologischen Interventionen zu sichten. Sie bezogen die Meta-Analysen ein, deren Ziel es war psychische Variablen wie Einstellungen, Verhalten, Kognitionen oder Emotionen zu verändern. Zudem sollte es sich um Interventionen handeln, die eine praktische Relevanz aufwiesen (z.B. aufgrund der einbezogenen Problemlagen). Die Vielzahl der Studien wurden Kategorien zugeordnet: 4 psychische Gesundheit (hier u.a. Psychotherapie – allgemein; VT, Beratung; gesundheitsbezogene Interventionen), 4 Intervention im Arbeitsfeld, 4 Edukation.

Um die Vielzahl der Studien zu verdeutlichen ist in ⊡ Abb. 3.4. ein Ausschnitt der berücksichtigten Studien mit den erzielten Effektstärkenmaßen dargestellt (Lipsey & Wilson, 1993, p. 1184-1185). Die Effektstärken variierten von Studie zu Studie enorm: Sie lagen im Schnitt bei .50, variierten zwischen -0.2 (und damit kein Effekt) bis zu 1.6 (in einer Studie); der Median lag bei .47. Die meisten Studien berichteten mittlere Werte zwischen 0.3 und 0.4, gefolgt von 0.4-0.5. Die Autoren untersuchten im Folgenden einige Moderatoren, die dieses Ergebnis erklären könnten. In ⊡ Tab. 3.3. sind einige der Ergebnisse zusammengestellt. Diese deuten darauf hin, dass reine prä-post-Studien die Effektstärken überschätzen sowie groß angelegte Studien zu geringeren Effektstärken gelangen.

61 3.3 . Wirksamkeit von Beratung

⊡ Abb. 3.4. Überblick zu den untersuchten Studien und deren Effektstärkenmaße. (Nach Lipsey & Wilson, 1993, p. 1184f )

3

62

Kapitel 3 . Beratungsprozess

⊡ Abb. 3.4. Fortsetzung

3

⊡ Tab. 3.3. Zusammenstellung einiger untersuchter Einflussgrößen in der Meta-Analyse von Lipsey und Wilson (1993) Vergleich

Effektstärke

Standardabweichung

Anzahl der Studien

Randomisierung Keine Randomisierung

0.46 0.41

0.28 0.346

74 74

Kontrollgruppe/ Vergleichsgruppe Ein-Stichproben-Vergleich

0.47 0.76

0.29 0.40

45 45

Hohe methodische Qualität Geringe methodische Qualität

0.40 0.37

0.27 0.29

27 27

Publizierte Studie Nicht-publizierte Studie

0.53 0.39

0.30 0.28

92 92

N geringer als 50 N 51 – 100 N > 100 Keine aktive Behandlungsgruppe

0.58 0.52 0.35 0.67

0.32 0.43 0.30 0.44

39 39 39 30

Placebokontrolle

0.48

0.26

30

63 3.3 . Wirksamkeit von Beratung

Exkurs Die »Consumer Report Study« (Seligman, 1995) Seligman kritisierte an den »efficacy«-Studien vor allem die damit verbundenen Ein- und Ausschlusskriterien: 4 In kontrollierten Wirksamkeitsstudien werden klare Kriterien für die zu behandelnden Personen aufgestellt. Dabei werden in der Regel vor allem auch Komorbiditäten ausgeschlossen. Dieser Ausschluss entspricht aber nicht der Realität in Beratung und Therapie, wo ein Großteil der Patienten unter multiplen Problemen leidet. Dadurch lassen sich die Zielkriterien nicht so genau beschreiben (Wirksamkeit für welchen Problembereich?). 4 Vorgesehen ist eine klar fixierte Dauer der Behandlung, die in der Realität aber oftmals so nicht gegeben sei, da die vorgeschriebene Dauer nicht unbedingt mit den Fortschritten der Patienten übereinstimmen muss. 4 Die Entscheidung für eine bestimmte Therapie- oder Beratungsform ist ein aktiver Prozess, der durch die Randomisierung in eine aktive Behandlungsgruppe und eine Kontrollgruppe (oder auch eine andere Interventionsform) nicht gut abgebildet werden kann. 4 »Efficacy«-Studien werden dem adaptiven Charakter von Psychotherapie und Beratung nicht gerecht. Ein Wechsel der Behandlungsmodalitäten wird vorgenommen, wenn der Berater feststellt, dass die vorgesehene Strategie bei einem Patienten nicht wirkt. In der Praxis werde eher eklektizistisch gearbeitet und Behandlungsmanuale selten eingesetzt. 4 Psychotherapie (und Beratung) konzentriert sich auch auf eine Verbesserung der allgemeinen Befindlichkeit, ein Aspekt, der in den »efficacy«-Studien häufig zugunsten der Erfassung störungsspezifischer Symptomreduktionen vernachlässigt wird. All diese Aspekte gefährden die ökologische Validität von Studien. Seligman erfasste die Ergebnisse von Beratung, indem eine unausgelesene Stichprobe von Lesern einer Zeitschrift »Consu-

mer Reports« einen Fragebogen erhielt, der sie zu ihrem Umgang mit psychischen Problemen befragte. Von mehr als 7.000 Befragten, die angaben solche Probleme in der Vergangenheit erlebt zu haben, gaben rund 2.900 an mit einem Psychologen, Psychiater, Sozialarbeiter oder (Ehe-) Berater gesprochen zu haben. Die 26 Fragen konzentrierten sich unter anderem auf die subjektive Zufriedenheit und die erlebte Unterstützung bei der Lösung des Problems, die Kompetenz des Therapeuten und die Gründe für die Beendigung des Kontakts. Die Wirksamkeit der Intervention sollte anhand eines zusammengesetzten Scores aus drei Maßen festgestellt werden: 4 Besserung des spezifischen Problems, das Anlass für die Inanspruchnahme der Hilfe war, 4 Zufriedenheit mit der erfahrenen Hilfestellung durch den Therapeuten, 4 Einschätzung der globalen Verbesserung. Die meisten Patienten erlebten eine Besserung ihrer Symptomatik und waren zufrieden mit der Unterstützung. Von denen, die sich zu Beginn sehr schlecht fühlten, erlebten 87% jetzt eine Besserung ihres Zustandes. Von denen, die sich zu Beginn schlecht fühlten, erlebten 92% eine Besserung ihres Zustandes. Mit zunehmender Dauer der Intervention (von einem Monat bis zu mehr als zwei Jahren) wurde auch eine größere Besserung der Befindlichkeit berichtet. Zwischen den Berufsgruppen gab es leichte Unterschiede, die darauf hindeuten, dass die Eheberater »die schlechtesten Ergebnisse« erzielten. Patienten, die sich freiwillig für eine professionelle Hilfe entschieden, schnitten in der Regel besser ab. Einige ausgewählte Ergebnisse sollen das nochmals verdeutlichen. In ⊡ Abb. 3.5. (zitiert nach Seligman, 1995, p. 970) ist der prozentuale Anteil der Befragten wiedergegeben, die eine deutliche Besserung in der Symptomatik angaben, die Anlass der Beratung/Therapie war, in ⊡ Abb. 3.6. (zitiert nach Seligman, 1995, p. 970) der Anteil, die eine deutliche Besserung in den Bereichen der Arbeit und des sozialen Lebens erlebten, in ⊡ Abb. 3.7. (zitiert nach Seligman, 1995,

6

3

64

3

Kapitel 3 . Beratungsprozess

p. 971) im persönlichen Bereich (Leben mehr genießen, persönlicher Wachstum, Selbstwert und Zutrauen, Besserung der Stimmung). Eingeteilt wurde stets nach Behandlungsdauer: unter bzw. über sechs Monate. Die Kritik am Vorgehen und den Interpretationen von Seligman (1995) ist mannigfaltig. Seligman selbst verweist unter anderem auf die fehlende Kontrollgruppe, das retrospektive Vorgehen, die mangelnde Repräsentativität der Stichprobe sowie die alleinige Fokussierung auf den

Beratung unterstrich (▶ Kasten: Die »Consumer Report Study«). In eine ähnliche Kategorie fallen die Nachbefragungen der Beratungsstellen, die bei anfallenden Patientenstichproben – allerdings mit Hilfe von begleitenden Messungen ‒ positive Effekte einer Beratung in den unterschiedlichsten Kontexten fanden (z.B. Draper, Jennings, Baron, Erdur & Shankar, 2002; Klann & Hahlweg, 1994; Mellor-Clark et al., 2001; Vossler, 2003). Untersuchungen zur Zufriedenheit mit den Beratungsangeboten, die zur Verfügung gestellt werden, unterstreichen die Akzeptanz (z.B. Huber, Brandl, Henrich & von Rad, 2003; Thompson, Coll, Wilkinson, Uitenbroek & Tobias, 2003), sind aber zur Beurteilung der Wirksamkeit wenig aussagekräftig. Problematisch sind hier der retrospektive Charakter der Studien sowie die hohe Drop-out-Rate: In der Studie von Klann und Hahlweg (1994) standen für die Post-Messung der Beratungserfolges nur noch 51% der ursprünglichen Stichprobe, für den 6-Monats-Follow-up nur noch 24% zur Verfügung. Die hohen Ausfallraten stellen damit ein deutliches Problem in der Forschung im Rahmen natürlicher Settings dar, da nicht bekannt ist, ob es sich um einen selektiven Drop-out handelt. Allerdings unterschieden Shadish et al. (1997, 2000) in ihrer Meta-Analyse nach der klinischen Repräsentativität des Settings und fanden keine signifikanten Unterschiede in der Wirksamkeit. Diese Ergebnisse sind ermutigend für die Praxis, da sie dafür sprechen, dass die Ergebnisse aus kontrollierten Studien auf den »Beratungsalltag« übertragen werden können.

Selbstbericht der Leser. Der Vorteil der Studie ist sicherlich, dass nicht nur unter Studienbedingungen, die zu einer Verzerrung der Motivation des teilnehmenden Klienten und Berater wie auch eine Selektion der behandelten Probleme führen können, positive Effekte gefunden wurden. Solche Studien ergänzen die Daten aus »efficacy«-Studien, Sie ersetzen Sie nicht. Beide Varianten haben ihre Spezifische Aussagekraft und Berechtigung.

3.4

Wirkfaktoren der Beratung

Wenn Beratung bzw. Therapie prinzipiell wirksam ist, was sind dann die Faktoren, die zu einer Veränderung beitragen? Das genaue Verständnis der Wirkfaktoren ist grundlegend für die Etablierung einer evidenzbasierten Beratungspraxis. In den meisten theoretischen Modellen wird vor allem auf den Input des Beraters (im Sinne von spezifischen Interventionen) als Wirkelement fokussiert. Wie die empirischen Untersuchungen aber zeigen, spielt dieser Faktor eine weniger wichtige Rolle als allgemein postuliert. Weiterhin sind auch die Klienten- (wie soziodemographische Merkmale, Erwartungen, Leidensdruck, soziale Unterstützung, Motivation, etc.) und Beratermerkmale (wie dessen theoretische Orientierung, Glaubwürdigkeit, soziodemographische Variablen, Erwartungen, etc.) untersucht worden. Mittlerweile hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass viele Variablen nicht einseitig auf Seiten des Klienten oder Beraters betrachtet werden dürfen, sondern das Ergebnis einer komplexen Interaktion darstellen (z.B. die Klient-Berater-Beziehung, aber auch die Erwartungen, Glaubwürdigkeit des Beraters, etc.). Solche Analysen können nur im Rahmen komplexer Interaktionsmodelle durchgeführt werden. Bei der Untersuchung der Einflüsse wurden verschiedene Einteilungen vorgenommen. Im Folgenden wird zwischen spezifischen Therapiefaktoren, Klienten- und Beratervariablen und deren Interaktion unterschieden. Diese Einteilung ist sicherlich nicht trennscharf, da vielfältige Wechselwirkungen zu beachten sind. Eingegangen wird in erster Linie auf die Ergebnisse groß angelegter Meta-Analysen

65 3.4 · Wirkfaktoren der Beratung

% derjenigen mit Besserung

60 < 6 Monate > 6 Monate

50 40 30 20 10 0 Psychiater Psychologen Sozialarbeiter Eheberater (n=639) (n=1052) (n=381) (n=250)

Ärzte (n=616)

⊡ Abb. 3.5. Besserung der Symptomatik. (Zit. nach Seligman, 1995, p. 970)

% derjenigen mit Besserung

35 < 6 Monate > 6 Monate

30 25 20 15 10 5 0

Psychiater Psychologen Sozialarbeiter Eheberater (n=639) (n=1052) (n=381) (n=250)

Ärzte (n=616)

⊡ Abb. 3.6. Besserung in den Bereichen der Arbeit und des sozialen Lebens. (Zit. nach Seligman, 1995, p. 971)

40 < 6 Monate > 6 Monate

% derjenigen mit Besserung

35 30 25 20 15 10 5 0 Psychiater (n=639)

Psychologen Sozialarbeiter Eheberater (n=1052 ) (n=381) (n=250)

Ärzte (n=616)

⊡ Abb. 3.7. Besserung im persönlichen Bereich. (Zit. nach Seligman, 1995, p. 971)

3

66

Kapitel 3 . Beratungsprozess

und Reviews (Lambert, 2004; Norcross, 2002). Zuerst erfolgt die Betrachtung, welchen Einfluss die theoretische Orientierung auf die Wirksamkeit hat: Hierbei wurden in erster Linie verschiedene Therapieverfahren miteinander verglichen.

3 3.4.1

Spezifische Therapiefaktoren

Konsistent wurde gezeigt, dass ein kognitiv-behaviorales Vorgehen, gerade bei Ängsten und affektiven Störungen, gegenüber anderen, Vorgehensweisen, vornehmlich psychodynamischen Therapien, vorteilhaft ist und die verhaltenstherapeutischen Ansätze die meisten Wirksamkeitsstudien aufweisen (Grawe et al., 1994; Lambert & Bergin, 1994). Allerdings sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Herangehensweisen weniger stark ausgeprägt als erwartet. Dies hat zur Formulierung des so genannten »Dodo-Bird«-Prinzips geführt, das besagt, dass Psychotherapie generell wirksam ist und die Unterschiede zwischen den einzelnen Therapieformen vernachlässigbar sind (vgl. Wampold, 2000). Neuere Untersuchungen zu den wirksamen Therapieformen extrahieren in der Regel allgemeinere Wirkfaktoren, die in verschiedenen Therapieformen – teils in unterschiedlichem Maße – realisiert werden (Beutler et al., 2006; Critchfield & Smith Benjamin, 2006). Diese Beobachtung konnten Ahn und Wampold (2001) nochmals bestätigen. Das Bild homogener Effekte und der Wirkungsäquivalenz verschiedener Therapieverfahren wird allerdings auch von vielen Autoren kritisiert, die darauf hinweisen, dass gerade für den psychoanalytischen und tiefenpsychologischen Bereich kaum Studien vorliegen (z.B. Beelmann & Schneider, 2003; Weisz et al., 1995), so dass auch keine letztendliche Beurteilung erfolgen kann. Allerdings sollte das »Dodo-Bird«- Prinzip auch nicht so verstanden werden, dass die Herangehensweise irrelevant ist, aber ihr Einfluss ist im Vergleich zu den persönlichen Einflüssen begrenzt. Wampold (2000) geht noch weiter und sieht den Stellenwert der therapieschulen-spezifischen Elemente innerhalb von Beratung und Therapie als vernachlässigbar an. Allgemeine theorienschulenübergreifende Modelle und Wirkfaktoren seien für die Effekte von Beratung entscheidend. Sexton und Whiston (1991) fassen den Forschungsstand

treffend mit folgenden Worten zusammen: »It does seem, however, that it is not the school of thought but the skillfulness of the counselor and a number of aspects of the counseling process common to all approaches that may be most important in successful counseling.« In diesem Zusammenhang werden von verschiedenen Autorengruppen in der Literatur allgemeine Wirkfaktoren diskutiert: So postulierten Grencavage und Norcross (1990), dass Gemeinsamkeiten in fünf verschiedenen Bereichen vorherrschen: 4 Klientenvariablen: positive Erwartungen/Hoffnung; Klient gestresst oder im Zustand der Inkongruenz; Klient sucht aktiv Hilfe. 4 Beraterqualitäten: allgemein positive Beschreibungen; unterstützt Erwartungen/Hoffnung; Wärme und positive Wertschätzung. 4 Veränderungsprozess: Möglichkeit zur emotionalen Erleichterung/Katharsis; Erwerb und Einüben neuer Verhaltensweisen; Erklärungsmodell anbieten. 4 Behandlungsstruktur: Einsatz von Techniken/ Ritualen; Fokussierung auf die innere Welt/Exploration emotionaler Inhalte; theoriegeleitetes Vorgehen. 4 Beziehung: Aufbau einer therapeutischen Beziehung/Allianz; Engagement; Übertragung. Zu einer vergleichbaren Schlussfolgerung gelangen auch Goldfried und Davila (2005), die folgende Prinzipien postulieren: 4 Aufbau von positiven Ergebniserwartungen bezüglich der Therapie, 4 Aufbau einer optimalen therapeutischen Beziehung, 4 Anbieten von Rückmeldung, die zu einer Bewusstseinssteigerung bezüglich der Problemsicht führt, 4 Aufforderung zu korrektiven Erfahrungen, 4 Betonen kontinuierlicher Realitätstestung. Auch von anderen Autoren werden vergleichbare Aspekte genannt (Lambert & Bergin, 1994; McLeod, 2004; Prochaska & Norcross, 2003). Aus dieser Diskussion hat sich eine Arbeitsgruppe gegründet, die empirisch-basierte Prinzipien der Veränderung bei verschiedenen Störungsbildern abgeleitet hat (Beutler, Castonguay & Follette, 2006; Critchfield & Smith Benjamin, 2006; Newman & Stiles, 2006).

67 3.4 . Wirkfaktoren der Beratung

3.4.2

Klientenvariablen

Bei den Klientenvariablen kann wiederum eine Einteilung in unterschiedliche Klassen vorgenommen werden. In den großen Meta-Analysen wurden in der Regel die soziodemographischen Variablen wie Alter, Geschlecht und soziale Schicht untersucht. Diese Variablen nehmen – wie bereits herausgestellt – Einfluss auf die Inanspruchnahme von Beratungsangeboten. Die Studien zum Alter und Geschlecht des Klienten deuten auf keine signifikanten Einflüsse auf das Therapieergebnis hin – die Ergebnisse sind allerdings sehr widersprüchlich (Garfield, 1994). Zu beachten sind in diesem Kontext sicherlich auch kulturelle Unterschiede. In einer Analyse von Newman und Stiles (2006) zu wirksamen Faktoren bei der Behandlung von Ängsten erwies sich ein geringer soziökonomischer Status als negativer Prädiktor, aber auch hier sind die Ergebnisse sind eindeutig (Clarkin & Levy, 2004). Generell handelt es sich hierbei jedoch um nichtveränderbare Größen auf Seiten des Klienten, auf die sich der Berater sensibel in seinem Vorgehen einstellen muss. Solche Fähigkeiten werden im Rahmen von Ausbildungsprogrammen auch systematisch trainiert. Kontrovers wird die Rolle der Schwere der Störung diskutiert: Hier wurden sehr widersprüchliche Ergebnisse gefunden, die in ihrer Gesamtheit darauf hindeuten, dass der Schweregrad der Störung nicht per se einen negativen Behandlungsverlauf vorhersagt. Generell sind die Einstellungen und Mitarbeit des Klienten bedeutsamer. Hier ergibt sich stets das Problem der sehr unterschiedlichen Operationalisierungen. So handelt es sich beispielsweise bei der Mitarbeit des Klienten um ein sehr heterogenes Konstrukt, das unter sehr verschiedenen Begrifflichkeiten untersucht wird. Während in medizinisch-gesundheitspsychologischen Kontexten oft von Compliance oder Therapiemitarbeit (»Adherence«) die Rede ist, wird in der psychotherapeutischen und Beratungsliteratur von Behandlungsmotivation, Therapiemotivation oder von subjektivem Leidensdruck gesprochen. Behandlungsmotivation wurde einerseits zur Bezeichnung der Motivation, eine Behandlung in Anspruch zu nehmen, andererseits sich innerhalb einer Behandlung aktiv zu engagieren, verwandt. Hier sind dringend konzeptuelle Klärungen erforderlich. Insgesamt deutet sich

3

jedoch an, dass Variablen auf Seiten des Klienten wie Engagement, Zusammenarbeit, Zustimmung zum Therapeuten oder Expressivität in der Kommunikation zu einem positiven Prozess und Ergebnis beitragen (Hill & Williams, 2000; Orlinsky et al., 1994), ihr Gesamtbeitrag jedoch eher gering erscheint (Garfield, 1994). Clarkin und Levy (2004) weisen in ihrer Übersicht darauf hin, dass einige methodische Aspekte bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden sollten: So sind die meisten Studien nicht so angelegt, dass die Vielzahl der möglichen Einflussfaktoren systematisch und mit ausreichender Power untersucht werden kann; die Analyse der Einflussfaktoren ist ein Nebeneffekt. Zudem werden oftmals nur Klientenvariablen vor der Behandlung berücksichtigt – Variablen wie Offenheit oder Engagement sollten sich aber im Verlauf der Beratung verändern. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass eine systematische und theoriegeleitete Forschung in diesem Kontext oftmals fehlt und die Rolle der Klientenvariablen – als Mediator oder Moderator – nicht spezifiziert wird. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Klientenvariablen nicht separat betrachtet werden sollten, sondern Muster von Variablen untersucht werden, damit den vielfältigen Interdependenzen Rechnung getragen wird. Zudem muss berücksichtigt werden, dass sich Klientenvariablen auch auf das Beraterverhalten auswirken und es sich bis auf wenige Ausnahmen nicht um stabile Größen handelt.

3.4.3

Beratervariablen

In der Literatur ist relativ gut belegt, dass die Erfolgsrate zwischen einzelnen Therapeuten sehr stark variiert (z.B. Crits-Christoph, Baranackie & Kurcias, 1991; Luborsky, McLellan, Diguer, Woody & Seligman, 1997). Dies wirft die Frage nach möglichen Einflussfaktoren und den Merkmalen eines effektiven Beraters auf. Zu den untersuchten Variablen auf Seiten des Beraters zählen u.a. soziodemographische Variablen wie Alter, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, die therapeutische Orientierung, persönliche Überzeugungen oder Variablen des sozialen Einflusses. Die Befundlage ist mittlerweile so umfassend, dass nur noch anhand von

68

3

Kapitel 3 . Beratungsprozess

Meta-Analysen Aussagen getroffen werden können. In verschiedenen Reviews (Beutler, Machado &Neufeldt, 1994; Beutler et al., 2004; Orlinsky, Grawe & Parks, 1994) wurde die umfangreiche Literatur gesichtet und aufbereitet. So scheint weder das Alter (konfundiert mit der Erfahrung) noch das Geschlecht des Therapeuten einen signifikanten Einfluss auf die Wirksamkeit der Beratung zu haben. Bei der ethnischen Zugehörigkeit zeigt sich tendenziell, dass eine Ähnlichkeit zwischen Berater und Klient vorteilhaft ist (s. aktuelle Diskussionen zur multikulturellen Beratung). Hier scheint es im Vorfeld bereits zu einem selektiven Zuweisungseffekt im Sinne einer Passung zwischen Klient und Berater zu kommen – ein Effekt, der allerdings bislang nicht systematisch untersucht wurde. Andere Variablen, die oft als so genannte persönliche Beraterqualitäten bezeichnet werden, wie sich seiner selbst bewusst sein und hohes Ausmaß an Verständnis, eine hohe seelische Gesundheit, Sensitivität und Verständnis für ethnische und kulturelle Faktoren, Offenheit und Objektivität (vgl. Cornier & Hackney, 2005), zeigten nur geringe oder gar keine Zusammenhänge. Einschränkend muss hier darauf hingewiesen werden, dass sich die Forschung nur auf wenige Variablen wie seelische Gesundheit oder Kontrollüberzeugung konzentriert hat. Zusätzlich sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass sich diese persönlichen Qualitäten oftmals in der Interaktion mit dem Klienten entfalten und möglicherweise eine Passung zwischen Berater und Klient entscheidend ist. Orlinsky et al. (1994) verweisen allerdings auf den förderlichen Aspekt einer hohen Selbstakzeptanz beim Berater hin. Auch hier sollte die Interpretation der Ergebnisse vorsichtig erfolgen: Allgemein ist davon auszugehen, dass die Gruppe der Berater und Therapeuten eine sehr homogene Gruppe darstellt, einerseits durch Selbstselektion, andererseits aufgrund der Anforderungen, die an Berater in den Ausbildungs- und Akkreditierungsprogrammen gestellt werden. Hier spielt neben den fachlichen Aspekten auch die persönliche Eignung eine wichtige Rolle. Dies führt dazu, dass sich die Therapeuten nur sehr wenig voneinander unterscheiden und sich daher in den Studien zur Wirksamkeit keine signifikanten Wirkungen ergeben. Daraus darf jedoch nicht geschlossen werden, dass diese Variablen unwichtig sind, da positive Zusammenhänge mit beratungsspezifischen Variablen wie

den interpersonellen Fertigkeiten berichtet wurden. Diese haben generell einen höheren Einfluss als die betrachteten persönlichen Einstellungen, zumal sie näher am Beratungsgeschehen sind. Auch der therapeutische Stil wurde immer wieder als Wirkgröße thematisiert. So kommt Pope (1977) in seiner Übersicht zu der Schlussfolgerung, dass die therapeutischen Stilmerkmale nicht als schmückendes Beiwerk des Therapieprozesses zu betrachten sind, sondern als wichtige Elemente desselben. Dabei muss vor einer einseitigen Sichtweise – ein bestimmter therapeutischer Stil ist per se hilfreich – gewarnt werden. Er weist ferner darauf hin, dass die Reziprozität zwischen Klient und Therapeut berücksichtigt werden muss (vgl. Gelso, 2005). Zu den beraterspezifischen Fertigkeiten gehören interpersonelle Fertigkeiten wie Zuhören, Fragen stellen, Verständnis für nonverbale Kommunikation, Sensibilität, Empathie, zeitliche Strukturierung, aber auch konzeptuelle Fertigkeiten wie Fähigkeit die Probleme des Klienten einzuordnen, Problemlösefertigkeiten und kognitive Flexibilität sowie das Wissen um und der effektive Einsatz von Interventionstechniken (vgl. McLeod, 2004). Diese basalen beraterischen Fertigkeiten werden in entsprechenden Trainingsprogrammen den zukünftigen Beratern vermittelt (z.B. Cornier & Hackney, 2005; Culley, 2002; Val Wosket, 2006; Young, 2001). Anders als bei den bereits vorgestellten Variablen gibt es in diesem Bereich zahlreiche Studien, die den Einfluss auf unterschiedlichen Beschreibungsebenen unterschiedlich differenziert untersucht haben (z.B. auf das Auftreten innerhalb kürzerer Satzsequenzen; innerhalb einer Sitzung; die retrospektive Beurteilung im Rückblick auf die Sitzung oder gesamte Beratung). Orlinsky et al. (1994) haben einen umfangreichen Überblick über die Studienlage – bezogen auf den Einfluss auf Prozess und das Outcome einer Beratung/Therapie – zusammengestellt. In einer Zusammenschau des Einflusses der verschiedener Beratertechniken kommen Hill und Williams (2000) zu folgenden Schlussfolgerungen: 4 Interpretationen können als eine hilfreiche Intervention angesehen werden, solange sie vorsichtig angewandt, spezifisch für den Klienten formuliert werden, in ihrer Tiefe ein mittleres Niveau erreichen, oft wiederholt werden und sich auf verschiedene Situationen bezie-

69 3.4 . Wirkfaktoren der Beratung

hen. Interpretationen zur Gegenübertragung erscheinen hingegen nicht hilfreich. 4 Konfrontationen können zu negativen Reaktionen und Verteidigungshaltung auf Seiten des Klienten führen, was wiederum die Konfrontationsbereitschaft beim Berater erhöht. Hier entsteht eher ein negativer Interaktionszyklus. 4 Mitteilungen des Beraters über seine eigene Person können hilfreich sein. Neuere Untersuchungen zeigen vor allem, dass die weniger privaten Informationen (die sich zum Beispiel auf die berufliche Erfahrung beziehen) oder solche, die dem Klienten Hinweise auf alternative Lösungswege geben, hilfreich sind. Einigkeit besteht darüber, dass sich der Berater mit selbstenthüllenden Aussagen eher zurückhalten sollte. Weitere differenzierende Untersuchungen (welche Klientel; zu welchem Zeitpunkt; was wurde von wem enthüllt; etc.) stehen noch aus. 4 Hausaufgaben sollten sich vor allem auf die Stärken der Klienten konzentrieren (s. ressourcenorientiertes Vorgehen) und dadurch die Selbstwirksamkeit steigern. Bei der Mitarbeit bei Hausaufgaben spielt die Veränderungsbereitschaft des Klienten eine wichtige Rolle; standardisierte Vorgehensweisen haben sich bewährt. Aus den Untersuchungen wird insgesamt deutlich, dass die so genannten Beraterfertigkeiten nicht einseitig als eine Fähigkeit auf Seiten der Person konzipiert werden dürfen, sondern in Interaktion mit dem Klienten sich unterschiedlich entfalten und eine unterschiedliche Wirksamkeit aufweisen können. Daher sind die neueren mikroanalytischen Prozessuntersuchungen hilfreich und notwendig. Hier deuten sich bereits die vielfältigen Interaktionen zwischen Klienten- und Beratervariablen an, die eine Betrachtung des Einflusses der Beraterfertigkeiten auf globaler Ebene als unangemessen erscheinen lassen. Bei globalen Analysen werden oftmals retrospektiv oder begleitend die Ausrichtung und Fertigkeiten des Beraters betrachtet, ohne jedoch die konkrete Realisierung in der Situation zu berücksichtigen. Dadurch erhält man ein sehr grobes Maß, das Unterschiede zwischen Therapeuten und solche im Interaktionsverlauf mit dem Klienten verdeckt. Ein wesentlicher Nachteil der mikro-

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analytischen Studien ist, dass es sich in der Regel um Analogiestudien mit eingeschränkter Validität für die reale Beratungssituation handelt. Als eine weitere Erklärungsvariable wurde auch die Expertise des Beraters diskutiert. Entgegen den Erwartungen weisen verschiedene Untersuchungen keine Unterschiede zwischen erfahrenen und unerfahrenen Therapeuten auf (z.B. Stein & Lambert, 1984; Strupp & Hadley, 1979; gegenteiliger Befund: Crits-Christoph et al., 1991) und auch die Unterschiede zwischen professionellen und paraprofessionellen Helfern sind gering bzw. nicht existent (Beutler et al., 2004; Hattie, Sharpley & Rogers, 1984; Lambert & Bergin, 1994). Die oftmals fehlenden Unterschiede sind umso erstaunlicher, da in der Literatur durchaus Unterschiede zwischen erfahrenen und unerfahrenen Therapeuten zum Beispiel bezogen auf den Aufbau einer therapeutischen Beziehung gefunden wurden (Auerbach & Johnson, 1977). Wenn auch keine oder nur geringe Zusammenhänge zwischen den therapeutischen Richtungen und der Wirksamkeit gefunden wurden, zeigte sich ein Zusammenhang zwischen der Manualtreue bzw. Therapietreue des Therapeuten und der Wirkung der Beratung (Beutler et al., 1994; Luborsky, Diguer & Seligman, 1999; Moncher & Prinz, 1991; Orlinsky et al., 1994). Die Therapietreue kann sich auf unterschiedliche Art und Weise auswirken: Verfahren, die gegenübergestellt werden, werden sich ähnlicher, es werden in den Verfahren unterschiedlich erfahrene Therapeuten eingesetzt, etc. Moncher und Prinz (1991) empfehlen zum Beispiel den Einsatz von Therapiemanualen, Supervision, ein Training der Therapeuten in dem interessierenden Verfahren und eine Dokumentation, wie sehr sich die Therapeuten an die Vorgaben gehalten haben, um den konfundierenden Einfluss auszuschließen. Die Verwendung von Manualen, die in der Regel mit besseren Ergebnissen einhergeht, wird von Praktikern durchaus ambivalent gesehen (Addis & Krasnow, 2000). Während in der psychotherapeutischen Praxis hier ein Trend zu einer verstärkten Publikation von Therapiemanualen zu beobachten ist, findet sich Vergleichbares für die Beratungspsychologie nicht. Dies mag unter anderem an der etwas anderen Struktur der Dienste (Kurzzeitberatung) und der sehr vielfältigen Problemfelder liegen.

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70

Kapitel 3 . Beratungsprozess

3.4.4

Berater-Klient-Beziehung

Gerade die Beziehung zwischen Therapeut/Berater und Klient wurde besonders intensiv untersucht, sicherlich auch vor dem Hintergrund, dass die Unterschiede zwischen den einzelnen Therapieschulen weniger groß waren, als man zu Beginn erwartet hatte. Die therapeutische Beziehung wird zu den so genannten allgemeinen Wirkfaktoren gezählt, die einen Großteil der Varianz in den Effekten von Therapie und Beratung aufklären. Die therapeutische Beziehung hat sich in allen MetaAnalysen als sehr wichtige und vielleicht auch bedeutsamste Einflussgröße erwiesen (z.B. Ahn & Wampold, 2001; Lambert & Barley, 2002; Lambert & Bergin, 1994; Martin, Garske & Davies, 2000; Orlinsky et al., 1994); dies gilt im gleichen Maße auch für den Bereich der Kinder und Jugendlichen (Karver, Handelsman, Fields & Bickman, 2006; Shirk & Karver, 2003). Obwohl sich die Sichtweise zur Bedeutung und die Operationalisierung der therapeutischen Beziehung in den verschiedenen Therapieschulen stark unterscheiden, lassen sich über die einzelnen Therapieschulen hinweg keine Unterschiede im Ausmaß der therapeutischen Beziehung noch in ihrer Prädiktionskraft für den Outcome finden (Kruppnick et al., 1996). Die genaue Untersuchung des Einflusses der therapeutischen Beziehung gestaltet sich jedoch sehr schwierig, da nicht nur unterschiedliche Begriffe für teils identische Konzepte genutzt werden, sondern sich diese konzeptuelle Vielfalt auch in den Messinstrumenten widerspiegelt (international z.B. die »Penn Helping Alliance Scales« – Alexander & Luborsky, 1986; »Relationship Inventory« – Barrett-Lennard, 1986; »Therapeutic Alliance Rating System« – Marmar, Horowitz, Weiss & Marziali, 1986; »Therapy Process Observational Coding System – Alliance Scale« – McLeod & Weisz, 2005; »Vanderbildt Process Measures« – Suh, Strupp & O’Malley, 1986; »Working Alliance Inventory« – Horvath & Greenberg, 1986, 1989; sowie national z.B. Bonner Fragebogen für Therapie und Beratung – Fuchs et al., 2003; Fragenbogen zur therapeutischen Arbeitsbeziehung – Faller & Rudolf, 1998; »Therapeutic Alliances Scales for Children« – Kronmüller, Hartmann, Reck, Vicotr, Horn & Winkelmann, 2003; um nur einige Beispiele zu nennen), die teils auch die Einflussfaktoren auf die therapeutische Beziehung mit einbeziehen.

Die therapeutische Beziehung soll im Folgenden in Anlehnung an Gelso und Carter (1994) als ein multidimensionales Konstrukt verstanden werden, das nicht nur die »reale Beziehung« als Ergebnis der gegenseitigen Gefühle, Wahrnehmungen, Handlungen und Einstellungen beinhaltet, sondern auch irreale Beziehungen, die auf Übertragung und Gegenübertragungsmechanismen beruhen, sowie die Arbeitsbeziehung zwischen Berater und Klient. Als nachweislich wirksame Elemente der therapeutischen Beziehung gelten nach Schmidt-Traub (2003) die therapeutische Allianz, die Empathie des Therapeuten, der Zielkonsens und die Kooperation sowie im Gruppensetting die Kohäsion. Betont wird, dass Klient und Berater/Therapeut gemeinsam zum erfolgreichen Aufbau einer therapeutischen Allianz beitragen (der Berater durch die Gewährleistung von förderlichen Therapiebedingungen; der Klient z.B. durch das Hinarbeiten auf vereinbarte Therapieziele) und die Qualität der therapeutischen Beziehung sich im Verlauf einer Beratung/Therapie auch verändern kann. Als wahrscheinlich wirksame Elemente der therapeutischen Beziehung werden Wertschätzung, Kongruenz und Echtheit, das Geben von Feedback und persönliche Mitteilung des Beraters/Therapeuten bezeichnet. Die Zusammenhänge sind auch hier sehr komplex. So unterscheiden sich persönliche Mitteilungen in Ziel und Form. Persönliche Mitteilungen sollten eher dann gemieden werden, wenn der Berater sich aus eigenem Bedürfnis heraus äußern will, sie vom Augenmerk des Patienten weglenken, der Sitzungsverlauf gestört, der Patient belastet oder verwirrt oder die Grenze zwischen Nähe und Distanz verwischt wird. Generell sollte sich der Berater eher seltener persönlich mitteilen und am ehesten, um für den Klienten Normalität herzustellen oder ein Modell anzubieten. Zudem lässt sich festhalten, dass die therapeutische Beziehung im Verbund mit Berater- und Klienteneigenschaften unabhängig von der Therapie-/Beratungsrichtung substanziell und konsistent zur Wirksamkeit der Intervention beiträgt. Es deutet sich an, dass die Sicht des Patienten und sein Beitrag zur Arbeitsbeziehung wichtiger zur Prädiktion des Outcomes sind als die Sicht des Therapeuten (Kruppnick et al., 1996). Sexton und Whiston (1994) betonen in einer Übersicht zum Status der Berater-Klient-Be-

71 3.4 . Wirkfaktoren der Beratung

ziehung, dass bislang kein Modell die therapeutische Beziehung adäquat beschreibt. Sie fordern, dass andere theoretische Einflüsse wie zum Beispiel das Modell der sozialen Einflussnahme mitberücksichtigt werden. Strong (vgl. Corrigan, Dell, Lewis & Schmidt, 1980; Heppner & Clairborn, 1989) postulierte ein zweistufiges Modell des Beratungseinflusses, das Beratung als einen Prozess der sozialen Einflussnahme sieht, der so strukturiert werden sollte, dass die soziale Machtposition des Beraters gesteigert und der Widerstand auf Seiten des Klienten gemindert wird, um das gewünschte Beratungsziel zu erreichen. Dieses doch sehr autoritäre und hierarchische Beratungskonzept entspricht nicht mehr den aktuellen Konzeptionen von Beratung, hat aber dennoch die Forschungspraxis nachhaltig beeinflusst. In einem ersten Schritt soll der Berater erreichen, dass er als Experte, als attraktiver und vertrauenswürdiger Gesprächspartner wahrgenommen wird. Diese Merkmale seien darauf angelegt, dass der Berater vom Klienten nicht diskreditiert wird, um seine erlebte Dissonanz zu mindern. Darauf aufbauend sollten die spezifischen Wirkelemente der Beratung zum Tragen kommen. Die meisten sozialpsychologisch orientierten Untersuchungen (vgl. Corrigan et al., 1980; Heppner & Clairborn, 1989; Heppner & Dixon, 1981) haben sich mit dem Thema der Expertise, Attraktivität und Vertrauenswürdigkeit befasst. Dabei ergab sich relativ konsistent, dass Hinweise für Erfahrung und Statusmerkmale (wie z.B. ein Doktortitel), positive selbstbezogene Äußerungen des Beraters sowie responsives nonverbales Verhalten mit einer stärkeren Attribution von Expertise, Attraktivität und Vertrauenswürdigkeit verbunden sind. Bei den persönlichen Merkmalen des Beraters wie ethnische Zugehörigkeit oder sexuelle Orientierung ergaben sich keine konsistenten Befunde. Generell zeigt sich, dass den Beratern ein deutlicher Vertrauensvorschuss gewährt wird und vor allem die Klienten eine positive Einschätzung abgeben, die weniger intime Probleme präsentierten. Mit dem Beratungsprozess verändern sich aber auch die Einschätzungen der Klienten – eine Dynamik, der in den meisten Untersuchungen nicht ausreichend Rechnung getragen wurde. Unklar ist bislang auch, welche Relevanz die einzelnen untersuchten Faktoren im Gesamtbild einer Beratung haben.

3

Heppner und Clairborn (1989) kritisieren, dass sich die bisherigen Untersuchungen meist nur auf Analogiestudien oder Vignetten mit sehr kurzen Interaktionssequenzen beziehen, die den vielschichtigen Beratungsprozess nicht angemessen widerspiegeln. Sexton und Whiston (1994) sehen in einer sozial-konstruktivistischen Sichtweise eine sinnvolle Erweiterung. Diese geht davon aus, dass interaktionale Muster nur im Kontext der einzelnen Beziehung, in der sie auftreten, Bedeutung erhalten. Als konstruiertes Phänomen sei damit die Beraterbeziehung eine dynamisch entstehende behaviorale, kognitive und verbale Interaktion, die sich durch Sprache und Diskussion entwickelt. Damit wird der Fokus von der Beziehung auf die Interaktion, den Dialog zwischen Berater und Klient, als wesentliches Element für eine Veränderung gelegt. Wie auch generell in der Diskussion zur Beratung mit Ansätzen zum Empowerment, muss auch in der Diskussion zur Arbeitsbeziehung der aktive Beitrag des Klienten stärker betont werden. So zeigen Untersuchungen, dass der Aufbau einer Arbeitsbeziehung zwischen Klient und Berater auch von den Erwartungen des Klienten mit beeinflusst wird (Dew & Bickman, 2005; Greenberg et al., 2005). Hill (2005) postuliert u.a., dass die Arbeitsbeziehung stärker als Prozessvariable gesehen wird, und Veränderungen über den Verlauf einer Intervention berücksichtigt werden. Sie sieht eine deutliche Wechselwirkung zwischen den Klientenvariablen, den Techniken des Beraters und der Arbeitsbeziehung und geht auf die Unterscheidung von Gelso und Carter zwischen realer und Arbeitsbeziehung ein. In ⊡ Abb. 3.8 ist ihr Modell – angepasst auf die Situation in der Beratung – dargestellt. ⊡ Abb. 3.8 verdeutlicht, dass je nach Phase unterschiedliche Beratermerkmale zum Aufbau einer Arbeitsbeziehung beitragen und die Interaktion zwischen Berater und Klient ganz entscheidend ist. Der Berater wirkt in vielem nur als Katalysator. Die konkrete Rolle der Arbeitsbeziehung wird kontrovers diskutiert: Es wird sowohl die These vertreten, dass die Beziehung und die spezifischen Techniken zu einer Veränderung beitragen, die Beziehung als eine Technik betrachtet werden kann oder die Beziehung die Wirksamkeit von spezifischen Techniken verändert (Goldfried & Davila, 2005).

72

3

Kapitel 3 . Beratungsprozess

Stufe 1: initialer Eindruck

Stufe 2: Therapiebeginn

Unterstützende/ informierende Techniken

Explorative Techniken

Theoriespezifische Techniken

Abschlusstechniken

Einbindung Klient (Vertrauen)

Stärkere Einbindung des Klienten (berichten)

Stärkere Einbindung des Klienten (Verpflichtung zu Therapieaufgaben)

Stärkere Einbindung des Klienten (Aufarbeitung Beziehung und Planung der Zukunft)

Beginn der therapeutischen Beziehung

Tiefere Arbeitsbeziehung

Tiefere Arbeitsbeziehung

Reale Beziehung wächst

Stufe 3: Aufgaben der Therapie

Stufe 4: Abschluss

⊡ Abb. 3.8. Aufbau der Arbeitsbeziehung als schrittweiser Interaktionsprozess zwischen Klient und Berater. (Mod. nach Hill, 2005, p. 432)

3.5

Modelle allgemeiner Wirkfaktoren

Anhand der Ausführungen wurde deutlich, dass die so genannten allgemeinen Wirkfaktoren, die den Beratungs- bzw. Therapieansätzen unterschiedlicher theoretischer Provenienz zugeschrieben werden, zu den stärksten Prädiktoren des Beratungsergebnisses zählen und mehr Varianz aufklären als die spezifischen Techniken. Der wichtigste allgemeine Wirkfaktor ist die therapeutische Beziehung – dies gilt nicht nur für die oftmals länger andauernden Therapien, sondern auch für die Beratungen. Auch in diesem Bereich wurde immer wieder von Beratern und Klienten sowie in empirischen Untersuchungen die besondere Rolle der BeraterKlient-Beziehung herausgestellt. Lambert und Barley (2002) versuchten den Beitrag der verschiedenen Faktoren zum Behandlungserfolg zu schätzen, und kamen zu folgendem Ergebnis: 4 15% der Veränderungen lassen sich durch Placeboeffekte (z.B. positive Erwartungen), 4 15% durch die Anwendung von spezifischen therapeutischen Techniken, 4 30% durch allgemeine Wirkfaktoren (wie eine gute Arbeitsbeziehung; Wärme; etc.) und weitere

4 40% durch Veränderungen außerhalb des therapeutischen Settings (z.B. Mobilisierung des sozialen Stützsystems) erklären. Auch wenn man über den konkreten Beitrag einzelner Faktoren sicherlich streiten kann, deuten die Ergebnisse auf die Bedeutung der so genannten allgemeinen Wirkfaktoren hin. Orlinsky und Ko-Autoren (1994, 2004) haben auf der Basis ihrer Meta-Analysen ein allgemeines Wirkmodell der Therapie entwickelt. Die Autoren weisen darauf hin, dass das therapeutische Geschehen nur auf der Grundlage der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen betrachtet werden kann. Die Akteure – Berater und Klient – sind auch Teil dieser funktionalen Umgebung, auch wenn ihre Interaktionen den therapeutischen Kontext konstituieren. Gesellschaft, Berater und Klient bilden zusammen die Gruppe der so genannten Inputvariablen und stehen in Wechselwirkung zueinander sowie zu anderen Wirkvariablen. Sie unterscheiden auf der Prozessebene sechs verschiedene Kategorien: 4 Organisatorischer Aspekt: der Kontrakt, der die Rahmenbedingungen (Rollen, finanzielle Aspekte, Rollenbeziehung, etc.) regelt.

3

73 3.5 . Modelle allgemeiner Wirkfaktoren

4 Technischer Aspekt: die therapeutischen Ope-

4 4

4

4

rationen, bestimmt durch das rollenspezifische Wechselspiel zwischen Klient und Berater (Problempräsentation – Experteneinordnung – Interventionsstrategie – Kooperation des Klienten). Interpersoneller Aspekt: die Arbeitsbeziehung. Intrapersonaler Aspekt: die »Selbst-Bezogenheit« von Patient und Berater. Darunter verstehen die Autoren die Aufnahmebereitschaft oder Offenheit als reflexives Moment für die eigene Selbstwirksamkeit, Selbstwert und Selbstkontrolle. Klinischer Aspekt: Einfluss innerhalb der Sitzung wie Realisieren von Problemlösungen oder Veränderung des Selbstwirksamkeitserlebens. Zeitlicher Aspekt: die Mikromuster innerhalb einer Therapiesitzung.

Patient • soziodemographischer Status • persönlicher Stil, Entwicklung, Selbstsystem • Adaption an aktuelle Lebenssituation

Nach ihrem Modell wirken die Arbeitsbeziehung und die Einflüsse innerhalb der Sitzung direkt auf den Behandlungserfolg, während der therapeutische Kontrakt vermittelt über die therapeutischen Operationen auf die Arbeitsbeziehung wirkt. Das Modell ist in einer vereinfachten Version in ⊡ Abb. 3.9 dargestellt. Auch Grawe hat sich der Frage nach allgemeinen Wirkfaktoren verschiedener Therapieschulen gewidmet. Grawe et al. (1994) unterscheiden vier therapieschulenübergreifende Wirkmechanismen: 4 Erhöhen von Bewältigungskompetenzen: Der Therapeut unterstützt den Patienten mit geeigneten Maßnahmen aktiv darin, mit einem bestimmten Problem besser fertig zu werden. 4 Klärung, Veränderung von Bedeutungen:

Hierbei geht es darum, dass der Therapeut dem Patienten dabei hilft, sich über die Bedeutungen seines Erlebens und Verhaltens im

Therapeut • soziodemographischer Status • persönlicher Stil • aktuelle Lebenssituation • beruflicher Status & Erfahrung

Gesellschaft • Kultur, Normen…

Versorgungssystem • Setting

Soziales Netzwerk

Berufliches Umfeld

Behandlungsmodell Patientenrolle

Therapeutischer Vertrag

Problempräsentation

Therapeutenrolle

Problemverständnis Therapeutische Maßnahmen

Kooperation

Patient:

Intervention

Therapeut:

Therapeutische Beziehung

Beziehungsverhalten

Beziehungsverhalten Therapeut: Selbstbezogenheit

Patient: Selbstbezogenheit Therapeut: Auswirkung der Sitzung

Patient: Auswirkung der Sitzung Psychische Anpassung Ergebnis der Sitzung Alltagsleben Soziales Netz des Patienten Langzeitergebnis

Setting - Versorgungssystem Gesellschaft

⊡ Abb. 3.9. Allgemeines Psychotherapie-Modell. (Nach Orlinsky et al., 1994, p. 362)

74

3

Kapitel 3 . Beratungsprozess

Hinblick auf seine Ziele und Werte klar(er) zu werden. 4 Problemaktualisierung: Probleme werden am besten in einem Setting behandelt, in dem eben diese Probleme real erfahren werden. Dann ist mit den höchsten Effekten zu rechnen. 4 Ressourcenaktivierung: Eine Fülle von Forschungsergebnissen weist darauf hin, dass man Patienten besonders gut helfen kann, indem man an ihre positiven Möglichkeiten, Fähigkeiten und Motivationen anknüpft, d.h. der Patient sich seiner Stärken und positiven Seiten bewusst werden kann. Die Rezeption dieser Modelle (auch ▶ Kap. 4) in der Beratungsforschung kann dazu beitragen, dass auch in diesem Bereich eine Forschungstradition erwächst, die sich über die generellen Wirkfaktoren von Beratung – und nicht über die Unterschiede zwischen verschiedenen Beratungsansätzen – Gedanken macht. Dies soll nicht missverstanden als ein Plädoyer für das Unterlassen von Evaluationsstudien für Beratungsansätze, – etwas, was in der Vergangenheit im Gegenteil eher sträflich vernachlässigt wurde und wozu in der Beratungspsychologie ein enormer Nachholbedarf besteht – sondern als Anregung im Rahmen systematischer Untersuchungen genauer zu eruieren, welche Aspekte genau Beratung zu einer erfolgreichen Beratung werden lassen.

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3

4 Neuere Modelle zur Veränderung 4.1

Transtheoretisches Modell

– 82

4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4 4.1.5 4.1.6

Kernannahmen – 83 Stufen der Veränderung – 83 Veränderungsprozesse – 86 Stufenspezifische Intervention – 89 Empirische Evidenz – 90 Kritik und Implikationen des TTM – 91

4.2

Motivational Interviewing

– 92

4.2.1 Abgrenzung zu anderen Beratungsansätzen – 95 4.2.2 Wirksamkeit des Motivational Interviewing – 98 4.2.3 Motivational Interviewing – Für wen? – 99

Literatur

– 100

82

4

Kapitel 4 · Neuere Modelle zur Veränderung

Das Ziel von Beratung ist es, Klienten bei der Lösung von Problemen zu unterstützen und Veränderungsprozesse (beim Klienten, im sozialen Umfeld etc.) in Gang zu setzen. Eine der wichtigsten Fragen in der Beratung (wie auch der Therapie) ist damit die Frage danach, wie inhaltlich bedeutsame Veränderungen beim Klienten stattfinden und wie Beratung dazu beitragen kann, diesen Veränderungsprozess bei möglichst vielen Klienten verlässlich zu initiieren. In der Klinischen und Beratungspsychologie versuchen verschiedene Schulen diesen Veränderungsprozess bei Menschen zu erklären (▶ Kap. 8). Je nach therapeutischer/ beraterischer Ausbildung kommen auf Seiten des Beraters unterschiedliche Techniken zum Tragen, um diesen Veränderungsprozess beim Klienten einzuleiten und zu unterstützen. Die Zahl der verschiedenen Theorien ist mittlerweile fast unüberschaubar. Einige Autoren sprechen von mehreren Hundert verschiedenen Erklärungsmodellen (McLeod, 2004; Prochaska & Norcross, 2003; Seligman, 2001), wobei die meisten dieser Erklärungsansätze nicht empirisch geprüft sind. In der Praxis ergibt sich dann wieder eine Konzentration auf einige wenige prominente Ansätze. In amerikanischen Umfragen zeigte sich beispielsweise, dass psychologische Berater in erster Linie eine eklektische/integrative Orientierung angaben (29%), 26% bezeichnen sich als kognitiv orientiert und 13% geben eine psychodynamische Orientierung an. Die Berater (nicht psychologischer Profession) geben zu 37% eine eklektische/integrative Orientierung an, zu 10% eine kognitive, gefolgt von 13%, die sich als existentiell/humanistisch beschreiben. Insgesamt lassen sich ca. 16 verschiedene theoretische Orientierungen beschreiben, die von mehr als 1% der Professionellen im Gesundheitssystem genutzt wurden (vgl. Prochaska & Norcross, 2003). Generell scheint eine Kombination von verschiedenen theoretischen Ansätzen von Therapeuten bevorzugt zu werden (Mellor-Clark, Connell, Barkham & Cummins, 2001). Trotz der Vielfalt der Modelle, die zur Erklärung von Veränderungen vorliegen, ist unser Wissen darüber, wie sich Personen oder Organisationen verändern können, ohne dass es gleichzeitig zu einer Gefährdung ihrer Stabilität kommt, nur sehr lückenhaft. Wird von verhaltenstherapeutischer Seite vor allem die Bedeutung des Verhaltens als Motor von Veränderungen betont, stellen humanistische

Ansätze vor allem die Rolle des Beraters in den Vordergrund. Dabei mehren sich in der jüngeren Zeit national und international die Versuche integrative Modelle der Veränderung zu definieren, die sich den Konvergenzen und Ergänzungen der verschiedenen theoretischen Ansätze widmen. In der jüngeren Literatur ist jedoch als ein wesentlicher Trend erkennbar, dass sich die einzelnen – teilweise doch sehr konträren Sichtweisen – aufeinander zu bewegen und versucht wird, integrative Modelle der Verhaltensänderung zu formulieren. Diese finden gerade in der klinischen und gesundheitspsychologischen Literatur eine sehr hohe Verbreitung (vgl. Grawe, 1998). Gesucht werden allgemeine Wirkprinzipien der Beratung. In den letzten Jahren wurden eine Reihe von Modellen entwickelt, die versuchen Verhaltensänderungen zu erklären und daraus abzuleiten, wie der Berater diese Prozesse erkennen und darauf differenziert reagieren kann. Diese Modelle besitzen einen unterschiedlichen Geltungsbereich: All diese Modelle in ihrer Gänze darzustellen, würde den Rahmen sprengen. Die folgende Darstellung konzentriert sich daher auf das sicherlich bekannteste und zurzeit auch am stärksten rezipierte, wie auch diskutierte Modell, das Transtheoretische Modell.

4.1

Transtheoretisches Modell

Das Transtheoretische Modell (TTM) von Prochaska und DiClemente (1983) stellt einen Versuch dar, die Wirkelemente der einflussreichsten Schulen zu identifizieren und so genannte allgemeine Wirkfaktoren der Psychotherapie herauszuarbeiten. Der dieser Arbeit zugrunde liegende PsychotherapieBegriff ist ein sehr weiter: »Psychotherapy is the informed and intentional application of clinical methods and interpersonal stances derived form established psychological principles for the purpose of assisting people to modify their behaviors, cognitions, emotions, and/or other personal characteristics in directions that the participants seem desirable« (Prochaska & Norcross, 2003, p. 4-5). Psychologische Beratungsangebote erfüllen diese Definitionskriterien und werden explizit mit in die Analyse einbezogen. Der theorie-/schulenübergreifende und der stark prozessorientierte Ansatz des TTM haben zur hohen Verbreitung im Rahmen der

83 4.1 · Transtheoretisches Modell

psychologischen Forschung beigetragen. Bevor die Nützlichkeit für beratungspsychologische Fragen diskutiert wird, soll das Konzept detaillierter vorgestellt werden.

4.1.1

Kernannahmen

Beim Vergleich von 16 verschiedenen Psychotherapieformen identifizierten die Autoren 10 verschiedene Veränderungsprozesse (»processes of change«), die erklären, wie Veränderung stattfindet. Zum anderen unterscheiden die Autoren sechs (fünf) verschiedene Stadien der Veränderung (»stages of change«); diese erläutern, wann Veränderung stattfindet. Als weitere zentrale Konzepte stellen sie die Entscheidungsbalance (Pro- und Contra-Argumente für die Veränderung und deren Verhältnis) und die Selbstwirksamkeit (Vertrauen, Veränderungen in schwierigen Situationen umzusetzen und beizubehalten) als zentrale Variablen heraus. Das Modell ist durch die folgenden sieben Kernannahmen gekennzeichnet: 4 Keine einzelne Theorie kann die Komplexität von Verhaltensänderungen erfassen. Praktikable Modelle müssen daher integrativ sein. 4 Verhaltensänderung ist ein zeitlicher, stufenförmiger Prozess. 4 Diese Stufen sind gleichzeitig stabil und offen für Veränderungen. 4 Ohne eine gezielte Intervention kommt es nicht zu einer Veränderung, die über die ersten Stufen hinausgeht. Eine inhärente Motivation, die einzelnen Stufen zu durchlaufen, liegt nicht vor. 4 Gesundheitsförderungsmaßnahmen sollen sich von einer handlungsorientierten Sichtweise zu einer stufenspezifischen Sichtweise bewegen, da die meisten Menschen noch nicht zu einer Veränderung bereit sind, und daher nicht von solch traditionellen Maßnahmen profitieren. 4 Interventionsmaßnahmen müssen stufenspezifisch angepasst werden. 4 Die Interventionsmaßnahmen richten sich vor allem auf die Steigerung der Selbstkontrolle. Diese Kernannahmen finden sich in den wesentlichen theoretischen Konzepten des TTM wieder. Begonnen wird im Folgenden mit den Stufen der Veränderung.

4.1.2

4

Stufen der Veränderung

Eine wesentliches organisierendes Element des TTM sind die Stufen der Veränderung. Sie stellen die zeitliche und motivationale (Bereitschaft zur Veränderung) Dimensionen des Veränderungsprozesses dar. Die Autoren (Prochaska, Norcross & DiClemente, 1994a) unterscheiden in der Regel fünf bis sechs verschiedene Stufen der Veränderung, wobei sie darauf hinweisen, dass die letzte Stufe kaum nachweisbar bzw. oftmals nicht erreichbar ist. Das Kriterium für die einzelnen Stufen ist ein zeitliches: Für welchen Zeitpunkt wird eine zukünftige Verhaltensänderung erwogen oder wie lange wird diese neue Verhaltensweise bereits umgesetzt. Die Bereitschaft aktiv zu werden ist das entscheidende Element. Die einzelnen Stufen sollen nacheinander durchlaufen werden; wie lange jemand in einer Stufe »verharrt«, ist von der jeweiligen Person abhängig. Essentiell ist aber für den Erfolg einer Verhaltensänderung, dass die den Stufen zugeordneten Veränderungsprozesse auch umgesetzt werden. Stufen können nicht übersprungen, wohl aber sehr schnell durchlaufen werden. Rückfälle gehören zum Stufenkonzept dazu, sie sind integraler Bestandteil des Modells. Sie können auf jeder Stufe erfolgen, ereignen sich aber besonders häufig auf den Handlungs- und Aufrechterhaltungsstufen. Eine Person auf der Stufe der Sorglosigkeit hat noch keinerlei Absicht in den nächsten sechs Monaten, das – von anderen als problematisch angesehene - Verhalten zu ändern. Die Phase der Sorglosigkeit wird als eine sehr stabile Phase betrachtet, die ohne aktive Intervention nicht verlassen wird. Als Gründe für die Sorglosigkeit werden genannt: 4 Mangel an Informationen und/oder 4 Mangel an Problembewusstsein bezüglich negativer Konsequenzen, 4 Resignation nach erfolglosen Versuchen. Das Verhalten werde nicht als Problemverhalten erkannt und Personen in dieser Phase tendieren dazu, andersartige Informationen auszublenden oder sich nicht damit auseinander zu setzen. Ein hoher sozialer Druck in Richtung Verhaltensänderung führe daher oft zu Reaktanz. Bezogen auf das Beispiel des Rauchens bedeutet dies, dass das Aufgeben nicht in Betracht gezogen wird; Rauchen

84

4

Kapitel 4 · Neuere Modelle zur Veränderung

wird nicht als Problem, nicht als gesundheitsschädlich angesehen (»Die Nichtraucher liegen ja auch auf dem Friedhof.«). Ist man in der Beratung überhaupt mit Personen in der Stufe der Sorglosigkeit konfrontiert? Man könnte ja argumentieren, dass der Schritt aktiv ein Beratungsangebot aufzusuchen, egal wie niedrigschwellig das Angebot auch sein mag, bereits eine bestimmte Änderungsbereitschaft und ein Problembewusstsein erkennen lässt. Auf der anderen Seite zeigen beispielsweise Arbeiten mit alkoholkranken Menschen, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der Patienten, obwohl sie sich zur Behandlung im Krankenhaus befanden (5,9% in der Studie von John, Hapke, Rumpf, Meyer, Schumann & Bischof, 1999), nicht in absehbarer Zeit zu einer Verhaltensänderung bereit waren. Zu denken ist auch an die »Sonderform« der so genannten unfreiwilligen Beratung (z.B. im Rahmen einer Straftat), wo nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Betroffenen ihr Verhalten als problematisch und veränderungsbedürftig ansehen. In ▶ Kap. 3 wurde detailliert auf die Möglichkeit, der verschiedenen Zugangswege zur Inanspruchnahme einer Beratung eingegangen. Weiterhin muss der in der Beratung vorgebrachte Anlass für die Konsultation nicht unbedingt der endgültige Beratungsgegenstand sein. Im Rahmen der diagnostischen Abklärung kann sich durchaus herausstellen, dass andere, schwerwiegendere Probleme vorhanden sind, der Klient jedoch nicht unbedingt bereit ist, diese Lebensbereiche zu verändern. Gerade im Bereich der Gesundheitsberatung sowie generell in den präventiven Arbeitsfeldern der Beratung sind die Berater mit Klienten auf der Stufe der Sorglosigkeit konfrontiert. Viele psychologische Konzepte setzen eine Veränderungsbereitschaft oder zumindest Leidensdruck voraus, da die aktive Mitarbeit des Klienten erforderlich ist. Dem expliziten Aufbau von Veränderungsmotivation wird zu wenig Raum eingeräumt. Dabei ist es sicherlich ein Fehler, die Inanspruchnahme von Beratungsangeboten mit dem Vorhandensein von Veränderungsbereitschaft gleichzusetzen. In der nächsten Stufe, der Bewusstwerdung, beginnen sich die Personen bewusst und ernsthaft mit dem Problemverhalten auseinanderzusetzen. Sie erkennen jetzt das Verhalten als problematisch an, ohne unmittelbar eine Verhaltensänderung ein-

leiten zu wollen. Die Situation, in der sie sich befinden, ist durch eine hohe Ambivalenz geprägt: Auf der einen Seite gibt es eine Reihe von Handlungserwartungen, die für eine Verhaltensänderung sprechen, auf der anderen Seite gibt es jedoch mindestens genau so viele Gründe, die gegen eine solche Änderung sprechen. Das Verhältnis von Pro- und Contra-Argumenten ist mehr oder minder ausgeglichen; der Zeiger der Waagschale pendelt mal zu der einen, mal zu der anderen Seite. Der Raucher in dieser Phase ist sich erster negativer Konsequenzen seines Verhaltens bewusst geworden (z.B. beim Sport nicht mehr so gut wie die Nichtraucher mithalten zu können) und sieht auch die positiven Konsequenzen, wenn er das Rauchen aufgibt. Andererseits werden aber auch Gegenargumente, die eine Verhaltensänderung behindern, gesehen (z.B. »Dann nehme ich ganz sicher zu, weil ich dann viel Süßes esse.«). Sie fühlen sich noch nicht bereit für eine Veränderung. Rein kognitiv wissen sie um die Notwendigkeit einer Veränderung, aber die mit einer Änderung verbundenen Kosten (wie Anstrengung, Verzicht auf lieb gewonnene Gewohnheiten) sowie die positiven Aspekte des problematischen Verhaltens lassen sie zurückschrecken. Gerade die Konfrontation mit negativen Ereignissen im näheren sozialen Umfeld (z.B. ein guter Freund, selbst Raucher, erhält die Diagnose Lungenkrebs) scheint den Übergang von der Phase der Sorglosigkeit in die Phase der Bewusstwerdung einzuleiten. Von dieser Stufe der Bewusstwerdung bewegen sich die Personen in die Phase der Vorbereitung. Sie äußern die feste Absicht, innerhalb des nächsten Monats, das neue, angestrebte positive Verhalten zu zeigen (z.B. mit dem Rauchen aufzuhören). Während sich in der Phase der Bewusstwerdung die Gedanken um das neue Zielverhalten eher auf der Ebene eines generellen »Wunsches« konzentrierten, wird in dieser Phase ein klarer Entschluss zur Verhaltensänderung gefasst. Dieser Entschluss ist mit einer Selbstverpflichtung (»commitment«) zur Zielerreichung verbunden. Konkrete Pläne zur Verhaltensänderung liegen vor. Damit werden in dieser Phase zum ersten Mal Intention und Handlung miteinander kombiniert. Bezogen auf das Beispiel des Rauchens hat sich die betreffende Person mittlerweile über die verschiedenen Methoden zur Raucherentwöhnung informiert und sich für eine Herangehensweise entschieden. Sie hat vielleicht

85 4.1 · Transtheoretisches Modell

auch bereits ausprobiert, wie es ist, morgens nicht gleich nach dem Aufstehen die erste Zigarette anzuzünden. In der Stufe der Handlung wird die geplante Handlung dann konkret initiiert. Die Person zeigt aktiv das neue Zielverhalten und bemüht sich (z.B. durch Veränderungen in ihrer Umgebung) dieses auch beizubehalten. Während in den vorherigen Phasen die Bereitschaft zur Verhaltensänderung eher auf der affektiv-kognitiven Ebene beobachtbar war, ist sie jetzt direkt am Verhalten feststellbar. Der Raucher hat nun das Rauchen aufgegeben und fährt jetzt beispielsweise nicht mehr im Raucher-, sondern im Nichtraucherabteil. Personen werden dann dieser Gruppe zugeordnet, wenn sie erfolgreich ein Problemverhalten für einen Tag (bis zu einem Zeitraum von sechs Monaten) verändert haben. Der Übergang von der Phase der Handlung zur Phase der Stabilisierung ist vor allem zeitlich gekennzeichnet: Das Zielverhalten muss mindestens sechs Monate beibehalten werden, damit man von einer Aufrechterhaltung spricht. Diesen Zeitpunkt wählten die Autoren, weil sich in Studien zur Raucherentwöhnung dieser Zeitraum als stabile Raucherentwöhnung erwiesen hat. Das Zielverhalten wird weiter stabilisiert und es werden Maßnahmen ergriffen, um nicht wieder in alte Verhaltensmuster zurückzufallen (z.B. werden die Aschenbecher aus der Wohnung entfernt). Bei einigen Verhaltensweisen ist der Veränderungsprozess mit dieser Stufe abgeschlossen: Das neue Zielverhalten muss ein Leben lang gegen den Rückfall in alte Verhaltensmuster verteidigt werden. Zu denken ist hierbei zum Beispiel an die Stabilisierung von Gewichtsabnahmen oder die Umsetzung regelmäßiger körperlicher Aktivität. Gerade anhand der Untersuchungen aus dem Suchtbereich, wo es primär um die Aufgabe – das Nicht-Zeigen – eines problematischen Verhaltens geht, wurde eine weitere Stufe, die der Beendigung postuliert. Diese Stufe ist dadurch gekennzeichnet, dass keinerlei Gefahr mehr besteht in alte Verhaltensmuster zurückzufallen. Die Person sieht in dem alten Verhalten keinerlei Versuchung mehr und ist sich absolut sicher, dass dies auch in Zukunft so bleiben wird. Im folgenden ▶ Kasten sind die Stufen der Veränderung nochmals kurz zusammengefasst.

4

Die sechs Stufen des Transtheoretischen Modells und deren Operationalisierung 4 Sorglosigkeit/Absichtslosigkeit (»precontemplation«) − Keine Intention, das problematische Verhalten in den nächsten sechs Monaten zu verändern. 4 Bewusstwerden/Absichtsbildung (»contemplation«) − Es wird erwogen, das problematische Verhalten in den nächsten sechs Monaten zu verändern. − Abwägen von positiven und negativen Handlungserwartungen (Ambivalenzphase). 4 Vorbereitung einer Handlung (»preparation«) − Erste Schritte zur Veränderung wurden eingeleitet, Zielverhalten wird in den nächsten 30 Tagen angestrebt. 4 Handlung (»action«) − Zielverhalten wird seit weniger als sechs Monaten gezeigt. 4 Aufrechterhaltung (»maintenance«) − Zielverhalten wird seit mehr als sechs Monaten beibehalten (bis zu 5 Jahren). 4 Beendigung (»termination«) − wie Aufrechterhaltung, keine situative Versuchung bzw. Rückfallgefahr mehr vorhanden.

Diese Ebene des Modells wird auch die deskriptive Ebene genannt; die Stufen beschreiben lediglich den Prozess des Fortschreitens in fünf bzw. sechs von einander abgegrenzten Stufen. Den zeitlichen Ablauf sollte man sich nicht linear vorstellen, sondern wird von den Autoren (Prochaska et al., 1994a) als Spirale dargestellt. Rückfälle führen zwar dazu, dass eine Person auf eine frühere Stufe zurückfällt, aber nicht wieder »bei Null beginnen« muss. Wichtig ist hierbei, dass die Rückfälle konstruktiv verarbeitet werden. Sieht die betroffene Person alle ihre bisherigen Versuche als komplett misslungen an, steigt die Gefahr, dass sie wieder in der Stufe der Sorglosigkeit »landet«. Allerdings – so die Untersuchungen der Arbeitsgruppe bei Rauchern – treffe dies nur auf 15% der »Rückfaller« zu. In

86

Kapitel 4 · Neuere Modelle zur Veränderung

Beendigung

Aufrechterhaltung

4

Sorglosigkeit

Sorglosigkeit

Bewusstwerden/ Vorbereitung Absichtsbildung einer Handlung

Bewusstwerden/ Absichtsbildung

Vorbereitung einer Handlung

Handlung

Handlung

. Abb. 4.1. Spiralförmiger Veränderungsprozess im TTM

. Abb. 4.1 ist die spiralförmige Entwicklung des Veränderungsprozesses dargestellt. Je nach Stufe – so argumentieren die Autoren – verändern sich die Balance zwischen Pro- und Contra-Argumenten sowie das Ausmaß der erlebten Selbstwirksamkeit. Prochaska et al. (1994b) stellten in Querschnittsanalysen für 12 verschiedene Verhaltensweisen fest, dass in der Phase der Sorglosigkeit die Argumente gegen eine Verhaltensänderung stärker ausgeprägt waren als die Argumente dafür. Bei vielen Verhaltensweisen (wie Gewichtskontrolle, sicherer Geschlechtsverkehr, Rauchen, Benutzen eines Kondoms, Einstellen des Kokainkonsums und Vereinbaren von regelmäßigen Nachuntersuchungsterminen) hatte sich das Verhältnis in der Phase der Bewusstwerdung/ Absichtsbildung bereits umgekehrt, spätestens ab der Phase der Vorbereitung bzw. Handlung (wie Fettreduktion, Gebrauch von Sonnenmilch, körperliche Aktivität, Delinquenz, Mammographie). In einer früheren Studie (Velicer, DiClemente, Prochaska & Brandenburg, 1985) ergaben sich schon unterschiedliche Pro- und Contra-Muster in Abhängigkeit der verschiedenen Stufen. Zusätzlich lagen hier längsschnittliche Daten vor, die die Entscheidungsbalance als Prädiktor für die zukünftige Gruppenzugehörigkeit auswies. Diese Zusammenhänge zwischen Entscheidungsbalance sowie Selbstwirksamkeit bzw. Gruppenzugehörigkeit wurden auch von anderen Autoren gefunden (z.B. Basler, Jäle, Keller & Baum, 1999; Berry, Nay-

lor & Wharf-Higgins, 2005; Schumann, Rumpf, Meyer, Hapke & John, 2003).

4.1.3

Veränderungsprozesse

Die Veränderungsprozesse bilden das zweite Kernkonstrukt des TTM. Sie charakterisieren wie Veränderung stattfinden kann und beschreiben damit therapeutische Wirkprinzipien. Diese Veränderungsprozesse helfen den Klienten, die nächst höhere Stufe zu erreichen. Sie können von den Betroffenen selbst eingesetzt werden, aber auch von Beratern und Therapeuten systematisch angewandt werden, um diesen Veränderungsprozess zu unterstützen. Im ▶ Kasten »Veränderungsprozesse im TTM« sind die Strategien kurz zusammengefasst. Anhand dieser Auflistung wird der transtheoretische Charakter des Modells deutlich: Es finden sich Strategien, die sich verschiedenen Therapieschulen zuordnen lassen: beispielsweise die Stimuluskontrolle den verhaltenstherapeutischen Ansätzen oder die Strategie des emotionalen Erlebens eher den dynamischen Ansätzen. Grob werden die Strategien in kognitive und verhaltensorientierte eingeteilt. Die kognitiv-affektiven Strategien beziehen sich im Wesentlichen auf die subjektiven Bewertungen und das emotionale Erleben des problematischen Verhaltens, die verhaltensorientierten Strategien zielen stärker auf die Veränderung des manifesten Verhaltens ab.

87 4.1 · Transtheoretisches Modell

Das Steigern des Problembewusstseins beinhaltet, dass die Person sich der Gründe und Ursachen für das problematische Verhalten, der damit verbundenen Konsequenzen, aber auch der möglichen Behandlungs-/Lösungswege bewusst wird. Hierzu werden Konfrontieren mit dem eigenen Verhalten (sowie den defensiven Verhaltensstrategien), aber auch Rückmeldungen und Aufklärung (Edukation) sowie die Erarbeitung von alternativen Interpretationen gezählt. Im Gegensatz zu diesen eher kognitiv-orientierten Strategien stehen beim »emotionalen Erleben« die Affekte im Vordergrund: Es soll ein emotionaler Bezug zum problematischen Verhalten und persönliche Betroffenheit erzielt werden. Hierunter subsumieren die Autoren Techniken wie Rollenspiele, Psychodrama oder die Vergegenwärtigung des problematischen Verhaltens und dessen negativen Konsequenzen im unmittelbaren sozialen Umfeld. Bei zunehmender Bewusstheit über die eigene Person und die Art des Problems kann ein Prozess der Neubewertung (bezogen auf die eigene Person und die Umwelt) einsetzen. Bei der Selbstneubewertung geht es um eine bewusste Wahrnehmung des eigenen Selbstbildes: Welches Selbstbild ist mit dem Problem-, welches ist mit dem Zielverhalten verbunden? Es sollen die positiven und negativen Konsequenzen sowohl des eigenen Problem- als auch Zielverhaltens analysiert werden. Hervorgehoben wird, dass die Analyse der eigenen Wertvorstellungen diesen Prozess unterstützen kann. Die Neubewertung der persönlichen Umwelt umfasst im Wesentlichen die Konsequenzen des eigenen Verhaltens auf die Umwelt, vor allem auf nahe stehende Personen. Das kann durch den bewussten Austausch mit Familienmitgliedern oder die Steigerung der Empathie geschehen. Das Wahrnehmen förderlicher Umweltbedingungen

beschreibt, dass man aktiv und bewusst die förderlichen, unterstützenden Umweltbedingungen wahrnimmt: Wer oder was kann mich bei meinem Veränderungsvorhaben unterstützen? Zu denken ist nicht nur an die unmittelbare Umgebung (z.B. die Nichtraucher in der Familie und im Freundeskreis), sondern auch an größere gesellschaftliche Zusammenhänge (z.B. zunehmende Ächtung von Rauchern, Verfügbarkeit von Nichtraucher-Bereichen in Zügen und Restaurants).

4

Zu den verhaltensorientierten Strategien zählen die Selbstverpflichtung, die Kontrolle der Umwelt, die Gegenkonditionierung, die Nutzung hilfreicher Beziehungen und die (Selbst-)Verstärkung. Wenn die Personen sich auf die Umsetzung der Verhaltensintentionen vorbereiten, dann ist es wichtig, dass sie einen hohen Grad an Selbstverpflichtung aufweisen. Diese beinhaltet nicht nur das Gefühl, an dieses gesteckte Ziel, an den Verhaltensplan gebunden zu sein, sondern auch die Überzeugung, dass eine solche Umsetzung des Plans möglich ist. Die Selbstverpflichtung kann dadurch gefördert werden, indem das eigene Tun öffentlich kundgetan (Herstellen von sozialer Kontrolle) oder die Verbindung zu so genannten Ankerpunkten (z.B. einen bestimmten Tag für die Verhaltensänderung auswählen) hergestellt wird. Generell gilt das Bereitstellen von verschiedenen Handlungsalternativen und die aktive Beteiligung des Klienten bei der Auswahl einer Handlungsalternative (s. Partizipationsprinzip der Beratung) als selbstverpflichtungsstärkend. Die Kontrolle der Umwelt stellt eine klassische verhaltenstherapeutische Strategie (»Stimuluskontrolle«) dar. Die diskriminativen Reize für die Auslösung des problematischen Verhaltens sollen systematisch abgebaut (z.B. alle Aschenbecher entfernen) und gleichzeitig die unterstützenden Reize für das Zielverhalten hergestellt werden. Bei der Gegenkonditionierung sollen ungünstige Verhaltensweisen durch günstige ersetzt werden (z.B. Entspannungstechniken in angstbesetzten Situationen einsetzen). Beim Nutzen hilfreicher Beziehungen wird auf die Rolle der sozialen Unterstützung als instrumentelle und emotionale Hilfestellung fokussiert. Mit Hilfe von Kommunikationstrainings, Rollenspielen etc. soll vermittelt werden, wie man um soziale Unterstützung bitten kann, wie man vertrauensvolle Beziehungen aufbaut und aufrechterhält. Die (Selbst-)Verstärkung beschreibt das Prinzip der Operanten Konditionierung, dass Verhalten dann aufrechterhalten wird, wenn man dafür positive Konsequenzen erfährt. Durch Selbstbelohnungsprogramme kann der Aufbau neuer Verhaltensweisen nach dem Prinzip der Kleinen Schritte unterstützt werden (Bsp.: sich für eine Woche nicht rauchen mit einem besonderen Essen belohnen; Erfolgskurve der abstinenten Tage sichtbar im Zimmer aufhängen).

88

Kapitel 4 · Neuere Modelle zur Veränderung

Veränderungsprozesse im TTM

4

Kognitiv-affektive Strategien (»experiental processes«) 4 Steigern des Problembewusstseins (»consciousness raising«) − Aktives Aufnehmen von Informationen über sich selbst und das Problemverhalten. − Beispiel: Lesen von Broschüren zu gesunder Ernährung. 4 Emotionales Erleben (»dramatic relief«, »emotional arousal«) − Bewusstes Erleben und Ausdrücken der Gefühle bzgl. des Problemverhaltens und möglicher Lösungen. − Beispiel: Ausdrücken von Besorgnis über Folgen der eigenen ungünstigen Ernährung. 4 Neubewertung der persönlichen Umwelt (»environmental reevaluation«) − Wahrnehmen und Bewerten, in welcher Weise das Problemverhalten die persönliche Umwelt und andere Personen betrifft. − Beispiel: Wahrnehmen der (positiven) Modellfunktion günstiger Essgewohnheiten für die Kinder. 4 Selbstneubewertung (»self-reevaluation«) − Emotionale und rationale Analyse, in welcher Form das Problemverhalten oder die Änderung des Verhaltens die eigene Person und das Selbstbild betrifft. − Beispiel: Sich selbst mit günstigem Verhalten vorstellen. 4 Wahrnehmen förderlicher Umweltbedingungen (»social liberation«) − Wahrnehmen von Umweltbedingungen, die die Veränderung des Problemverhaltens erleichtern. − Beispiel: Das Angebot fettarmer Lebensmittel sehen.

Verhaltensorientierte Strategien (»behavioral processes«) 4 Selbstverpflichtung (»self-liberation«, »commitment«) − Fassen eines festen Vorsatzes, Selbstverpflichtung zur konsequenten Veränderung des Problemverhaltens. − Beispiel: Andere über den Vorsatz der Verhaltensänderung informieren. 4 Kontrolle der Umwelt (»stimulus control«) − Kontrolle von Situationen, Personen oder anderen Stimuli, um das Auftreten des Problemverhaltens zu verringern und das Zielverhalten zu erleichtern. − Beispiel: Obst an häufig frequentierten Stellen bereitlegen. 4 Gegenkonditionierung (»counterconditioning«) − Ersetzen ungünstiger Verhaltensweisen im Sinne einer Problemlösung durch günstiges Verhalten. − Beispiel: Spazieren gehen statt Schokolade essen. 4 Nutzen hilfreicher Beziehungen (»helping relationships«) − Aktives Nutzen von sozialer Unterstützung zur Erleichterung der Verhaltensänderung. − Beispiel: Andere um fettarme Rezepte bitten. 4 (Selbst-) Verstärkung (»reinforcement management«, »reward«) − Gezieltes Nutzen von (Selbst-) Belohnungsstrategien zur Erreichung und Stabilisierung des Zielverhaltens. − Beispiel: Wenn Vorsätze eine Woche durchgehalten wurden, ins Kino gehen.

89 4.1 · Transtheoretisches Modell

Neben den Stufen und Prozessen der Veränderung enthält das Modell zwei ergänzende Konstrukte: die Entscheidungsbalance (»decisional balance«) und die Selbstwirksamkeitserwartung. Die Selbstwirksamkeitserwartung beschreibt – in Anlehnung an Bandura (1977, 1998) die wahrgenommene Fähigkeit einer Person, trotz Hindernissen ein bestimmtes Verhalten zu zeigen. Die Entscheidungsbalance beinhaltet motivationale und kognitive Aspekte der Entscheidungsfindung, indem die Vor- und Nachteile einer Verhaltensänderung bzw. des bestehenden Problemverhaltens erfasst werden (vgl. O’Connell & Velicer, 1988).

4.1.4

Stufenspezifische Intervention

Die Veränderungsprozesse und Stufen der Veränderung werden dann im Weiteren miteinander verbunden. Die Grundlage hierfür waren Untersuchungen mit Rauchern, die sich ohne Hilfe das Rauchen abgewöhnen wollten (Prochaska & DiClemente, 1983). Das TTM geht davon aus, dass Interventionsmaßnahmen stufenspezifisch erfolgen müssen, um optimal wirksam zu sein. Beklagt wird, dass gerade im Bereich der Gesundheitsprävention oftmals handlungsorientierte Strategien bevorzugt werden, die jedoch von den Betroffenen nicht umgesetzt werden können, weil beispielsweise die

Änderungsbereitschaft noch gar nicht vorhanden oder noch nicht stabil genug ist. Wie in . Tab. 4.1 dargestellt, sollten die kognitiv-affektiven Strategien vorwiegend in den ersten drei Stufen des Veränderungsprozesses zur Anwendung kommen, verhaltensorientierte Strategien vor allem ab der Stufe 4. Diese Zuordnung der Interventionen zu den einzelnen Stufen ist nicht immer gleich; es finden sich hier verschiedene, wenn auch recht ähnliche Darstellungen. Rosen (2000) hat in einer Meta-Analyse die Beziehung zwischen den Stufen und den Veränderungsprozessen bei körperlicher Aktivität untersucht und fand durchweg hohe Effektstärken für den Zusammenhang (δ = 0,70 – 0,80). Diese Zuteilung von Strategien zu den einzelnen Stufen soll dem Berater helfen, diese systematischer und theoriegeleitet einzusetzen. So weisen Prochaska und Norcross (2003) darauf hin, dass empirische Untersuchungen zu Personen im Stadium der Sorglosigkeit zeigen, dass diese weniger Informationen zu ihrem Problem verarbeiten, weniger Zeit damit verbringen, ihre eigene Situation zu überdenken, weniger offen mit Bekannten und Freunden über das Problem reden, ihre Aufmerksamkeit nicht in Richtung einer Problemlösung verlagern, die Folgen des Problems als geringer einschätzen und emotional weniger belastet sind. Hier hilft es nicht, mit handlungsorientierten Strategien das Problemverhalten zu verändern,

. Tab. 4.1. Verhaltensstrategien und Stufenzuordnung im TTM Sorglosigkeit

Bewusstwerden/ Absichtsbildung

4

Vorbereitung einer Handlung

Handlung

Aufrechterhaltung

Steigern des Problembewusstseins :DKUQHKPHQI¸UGHUOLFKHU8PZHOWEHGLQJXQJHQ Emotionales Erleben Selbstneubewertung Selbstverpflichtung (Selbst-)Verstärkung Gegenkonditionierung Kontrolle der Umwelt Nutzen hilfreicher Beziehungen

90

Kapitel 4 · Neuere Modelle zur Veränderung

sondern es geht in erster Linie darum, Problembewusstsein zu etablieren.

4.1.5

4

Empirische Evidenz

Das TTM hat im Bereich der Gesundheitsforschung eine enorme Rezeption erfahren. Hintergrund des Modells sind zwar in erster Linie die Studien der Autoren im Bereich der Raucherentwöhnung, aber der spezifizierte Prozess der Verhaltensänderung wird als unabhängig vom Verhaltensbereich betrachtet. Dementsprechend findet sich auch eine Ausbreitung auf viele verschiedene Risikoverhaltensweisen wie Fragen der Ernährung und des Essverhaltens, der Inanspruchnahme von Untersuchungen zur Krebsvorsorge, der Zahnvorsorge, der Prävention und Behandlung des Alkoholkonsums, des Umgangs mit Schmerzen, der fehlenden medikamentösen Compliance, um nur einige Beispiele zu nennen. Mittlerweile finden sich alleine in medizinischen Datenbanken über 500 Publikationen, die sich direkt auf das TTM beziehen. Die Arbeiten konzentrieren sich entweder auf die Umsetzung des damit verbundenen Beratungsansatzes (»tailored interventions«), die Erfassung der Veränderungsbereitschaft ihrer Klientel oder auf methodische Aspekte bei der Operationalisierung des Stufenkonzepts. Da die methodischen Herangehensweisen zwischen den einzelnen Studien sehr variieren, ist eine Zusammenschau oft schwierig. Für den Bereich der körperlichen Aktivität legten Marshall und Biddle (2001) eine Meta-Analyse vor. Sie konnten 71 Publikationen extrahieren, die mindestens eine der Kernvariablen des TTM erhoben hatten. Generell kamen sie zu der Schlussfolgerung, dass die Ergebnisse die Anwendung des TTM unterstützen, da sich Unterschiede in der Ausprägung dieser Variablen zwischen den Stufen fanden und die Veränderungen zumeist theoriekonform waren. Allerdings weisen die Autoren darauf hin, dass die vorliegenden Daten keine Schlussfolgerungen darüber zulassen, ob es sich um diskrete Stadien oder ein zugrunde liegendes Kontinuum handele. Die fehlende Standardisierung der Messinstrumente und deren teilweise unbefriedigende Reliabilität sind Probleme, die die zukünftige

Forschung angehen sollte. Besonders betonen sie, dass die Zuordnung von Strategien zu den Stufen nochmals genauer untersucht werden sollte, da diese häufig nicht den theoretischen Annahmen entsprechen. Zu dieser Schlussfolgerung gelangt auch Rosen (2000), die 47 Studien für verschiedene Verhaltensbereiche berücksichtigte. Sie konnte zeigen, dass beim Rauchen der Einsatz von verhaltensbezogenen Strategien deutlich früher auftrat als postuliert, während im Bereich der Ernährung und körperlichen Aktivität der Gebrauch von kognitiven und verhaltensbezogenen Strategien gemeinsam anstieg. Grimshaw und Stanton (2006) analysierten die Wirksamkeit von verschiedenen Raucherentwöhnungsprogrammen für junge Menschen unter 20 Jahren. Unter den 15 kontrollierten Studien, testeten drei explizit das TTM. Die Untersuchungen zum TTM wiesen eine moderate EinJahres-Wirksamkeit auf, deren Werte bis zwei Jahre danach leicht abfielen. Im Gegensatz dazu erwiesen sich die pharmakologischen Ansätze als unwirksam; Ansätze, die Motivational Interviewing beinhalteten (▶ Kap. 4.2), wiesen die höchsten Effektstärken auf. Das TTM erhielt aber nicht nur Zustimmung, sondern es finden sich auch zunehmend Stimmen, die vor einer unkritischen Ausweitung warnen. So sehen Spencer, Pagell und Adams (2005) die empirische Evidenz im Bereich des Mammographie-Screenings trotz erster positiver Resultate als noch nicht ausreichend an, während Wilson und Schlam (2004) sowie Sutton (2001) zu der Schlussfolgerung gelangen, dass es keine hinreichenden Belege dafür gibt, dass therapeutische Interventionen den Stadien angepasst werden müssten und die bisherigen Studien zur prädiktiven Validität des TTM nicht überzeugend sind. So fand beispielsweise die Project Match Research Group (1998a, b), in dem nach elf verschiedenen Klientenvariablen, u.a. der Veränderungsbereitschaft der Klienten, eine Zuweisung zu bestimmten Behandlungsmodalitäten erfolgte, keinen überzeugenden Effekt hinsichtlich der stadienan- und unangepassten Interventionsstrategien (»readiness to change«). Zwar erwiesen sich die Selbstwirksamkeit und die Veränderungsbereitschaft als wichtige Prädiktoren für den längerfristigen Interventionserfolg, aber es ergaben sich keinerlei Wechselwirkungen.

91 4.1 · Transtheoretisches Modell

4.1.6

Kritik und Implikationen des TTM

Beim TTM handelt es sich um einen »Grenzgänger«: Das Modell postuliert einerseits allgemeine Prozesse der Veränderung im Leben von Menschen, andererseits steht die Übertragung auf psychotherapeutische Prozesse im Vordergrund. Viele der Arbeiten finden sich klar im gesundheitspsychologischen Bereich (z.B. Raucherentwöhnung oder HIV-Prävention durch Kondomnutzung). Dies spiegelt sich dann in den Prozessen der Veränderung wieder. Das TTM hat bereits Eingang in die praktische Arbeit von Beratern gefunden und sich als »Wegweiser« für die Durchführung von Beratungsgesprächen oder im Rahmen der Beschreibung von Veränderungen in Organisationen bewährt (z.B. Levesque, Prochaska & Prochaska, 1999; Levesque, Prochaska, Prochaska, Dewart, Hamby & Weeks, 2001). Die besondere Stärke des TTM liegt einerseits im dynamischen Charakter des Modells, das neben der prä- auch eine aktionale und post-aktionale Phase umfasst, andererseits in der Herausarbeitung der vormotivationalen Stufen und deren Relevanz für die Effizienz therapeutischer Arbeit. Das TTM liefert dem Berater einen theoretischen Rahmen für die Auswahl von Interventionsschritten/-maßnahmen. Das TTM betont nicht nur im besonderen Maße die vormotivationale Phase, sondern es verbindet mit den einzelnen Stufen der Veränderungen auch konkrete Hinweise zur praktischen Arbeit. Kritisch muss allerdings angemerkt werden, dass die Überprüfung und die Konzeption des Modells sich auf diskrete, oftmals gut operationalisierbare Probleme (z.B. Rauchen) konzentriert. Gerade die Operationalisierung der Stadien der Veränderung wirft noch viele methodische Fragen auf. Eine Definition der Zielverhaltensweisen zum Beispiel im Bereich der Ernährung, wo es nicht einfach um die Reduktion eines Verhaltens geht, sondern eine qualitative Veränderung, gestaltet sich deutlich schwieriger als im Bereich des Drogenkonsums. Auch im Beratungsalltag, wo oftmals miteinander verwobene, teilweise sehr diffuse Probleme eine Rolle spielen, fällt die Erfassung der Stadien der Veränderung und die damit verbundenen theoretischen Ansatzpunkte sicherlich sehr viel schwerer.

4

Auch finden sich bislang im Modell noch keine Hinweise wie mit vielfältigen Problemkonstellationen umzugehen sei, da sich ja Personen in verschiedenen Bereichen auf unterschiedlichen Stufen der Veränderung befinden können: Werden dann für jeden einzelnen Bereich einzelne »Modelle« konzipiert, gibt es ein Globalmodell? Welche Auswirkungen haben einzelne Problembereiche aufeinander (z.B. Rauchen und Probleme in der Partnerschaft)? Die volle Komplexität beraterischen Handelns stellt eine Herausforderung für die Zukunft dar. Hinreichend geklärt werden konnte bislang auch nicht, ob es sich wirklich um diskrete Stadien oder um kontinuierliche Abläufe handelt. Es finden sich in der Literatur immer wieder Hinweise, die für eine Betrachtung der Veränderungsbereitschaft als ein Kontinuum sprechen (z.B. Budd & Rollnick, 1996). Dies trifft auch auf eine der zentralen Annahmen des Modells zu, dass die Passung zwischen motivationspsychologischer Grundposition und der vom Berater angewandten Verhaltensstrategien gegeben sein muss. Für diese – für jeden Berater implizit nachvollziehbare Forderung, wie sie auch von anderen Autoren gestellt wird (z.B. Grawe, 1998; Kanfer, Reinecker & Schmelzer, 1996) – fehlen bislang überzeugende experimentelle Belege. Die konkrete Stufeneinteilung scheint schwierig. So unterscheidet sich in vielen Studien beispielsweise die Entscheidungsbalance nicht über alle Stadien hinweg, sondern zwischen den ersten und letzten Stufen (z.B. Prochaska et al., 1994b). Wie viele Stufen sich konkret unterscheiden lassen, muss Gegenstand weiterer Untersuchungen sein. Zieht man das Rubikon-Modell der Handlungsphasen zu Rate, dann werden vier verschiedene Handlungsphasen unterschieden: 4 Prädezisionale Phase: Hier spielen vor allem motivationale Aspekte eine wichtige Rolle. Wünsche und Vorstellungen werden gegeneinander abgewägt. 4 Präaktionale Phase: Diese bezeichnet die erste Phase nach Überschreiten des Rubikons und beinhaltet die Zielentscheidung, die Absichtsbildung, die Selbstverpflichtung und die Handlungsplanung. 4 Die Handlungsinitiierung kennzeichnet den Übergang zur aktionalen Phase, die sich durch zielgerichtetes Handeln charakterisieren lässt.

92

Kapitel 4 · Neuere Modelle zur Veränderung

4 Die postaktionale Phase bildet den Abschluss, in der die Zielrealisierung nochmals bewertet wird.

sprächsführungstechniken in der Arbeit mit alkoholabhängigen Patienten entwickelt. Definition

4

Diese Sichtweise, die von Phasen statt von Stufen spricht, ist kompatibel mit aktuellen Modellen der Gesundheitspsychologie (vgl. Schwarzer, 1997) und gibt u.U. den kontinuierlich fortschreitenden Prozess der Veränderung besser wieder. Eine der wichtigen Fragen für die zukünftige Forschung wird zudem sein, welche Faktoren den Übergang zwischen den Stadien mediieren und moderieren. Rosen (2000) schlägt hierzu vor, Variablen wie Verpflichtung eingehen, neue Verhaltensweisen aufnehmen oder Belohnung zu erfahren genauer zu untersuchen, da diese zwischen den Stufen am stärksten variierten.

4.2

Motivational Interviewing

Das »Motivational Interviewing« (MI) ist zugleich eine Sinneshaltung und therapeutische Strategie, ein Gesprächsstil, der sich zwar gerade im Zusammenhang mit dem TTM etabliert hat, allerdings eine eigenständige Strategie und theoretische Konzeption darstellt. Das MI bindet viele theoretische Richtungen wie die Attributionstheorie und die Theorie der kognitiven Dissonanz, der Selbstwirksamkeit und die Empathie ein. Viele Probleme, die mit Verhaltensstilen wie mangelnde Bewegung, Stress, Rauchen etc. verbunden sind, sind nur sehr schwer behandelbar, sie erfordern viel Zeit und auch Motivation seitens des Klienten. Die klassische Herangehensweise ist oft, dass der Berater Ratschläge erteilt oder Informationen zum Gefahrenpotential des Verhaltens gibt – die Erfolge sind hier sehr gering. Als Ursache hierfür werden die mangelnde Motivation und der Widerstand des Klienten gesehen. Eine ausreichende Motivation des Klienten muss erst im Gespräch mit dem Klienten geschaffen werden. Eine wesentliche Grundannahme des MI ist, dass Motivation keine intrapersonelle Eigenschaft ist, sondern ein interpersoneller Prozess. Die Motivation muss in der Interaktion mit dem Klienten erarbeitet werden. Das Konzept des »Motiviational Interviewing« wurde als Alternative zu eher konfrontativen Ge-

Miller und Rollnick (2002, p. 25) definieren »… motivational interviewing as a clientcentered, directive method for enhancing intrinsic motivation to change by exploring and resolving ambivalence«.

Die Autoren betonen damit wesentliche Kernelemente des MI: Es handelt sich um einen patienten-zentrierten Ansatz, wie er auch einheitlich in der Beratungsarbeit immer wieder betont wird, grenzt sich aber von vielen personenzentrierten Ansätzen (wie z.B. dem Konzept von Rogers) dadurch ab, indem die Direktivität des Ansatzes betont wird. Zwar greift das MI die individuellen Bedürfnisse und Sichtweisen des Klienten auf, verfolgt aber bei der Exploration der Ambivalenz das klare Ziel, die Wahrscheinlichkeit für eine Verhaltensänderung des Klienten zu erhöhen. Dabei sollte jedoch Direktivität nicht im Sinne von Anweisung oder Überzeugung verstanden werden; in neueren Arbeiten sprechen Rollnick und Kollegen (Rollnick, Butler, Cambridge, Kinnersley, Elwyn & Resnicow, 2005) von »guidance«, um zu betonen, dass es darum geht, die Klienten zu ermutigen, ihre eigenen Motive und Wünsche zu untersuchen. Die Motivation einer Person kann auch intraindividuell variieren - über die Zeit und verschiedene Situationen – und sie ist beeinflussbar. Die Veränderungsbereitschaft einer Person wird aus drei Komponenten gespeist: 4 »willing« (Bereitschaft): »Möchte/Wünsche ich mir eine Veränderung?« Hier geht es vor allem um die Bedeutung, die der Diskrepanz zwischen einem jetzigen Zustand und einem Ziel zugemessen wird. 4 »ready«: In vielen Kontexten kann nicht von einer ausreichenden Änderungsbereitschaft der Klienten ausgegangen werden, sondern diese befinden sich noch in der Phase der »Sorglosigkeit« oder maximal der »Absichtsbildung«. Welche Priorität hat dieser Verhaltensbereich im Vergleich zu anderen Angelegenheiten, die als wichtig erachtet werden (= Rangplatz in der Hierarchie)?

93 4.2 · Motivational Interviewing

4 »able«: »Welches Vertrauen setze ich in meine eigenen Fähigkeiten zur Veränderung?« »Glaube ich, dass eine Veränderung auch wirklich mit positiven Aspekten verbunden ist?« Hier zeigen sich klare Überschneidungen zu Banduras (1977, 1998) Konzept der Selbstwirksamkeits- und Ergebniserwartungen. Fehlende Verhaltensänderung ist demnach zu beobachten, wenn die persönliche Bedeutung der Thematik für den Klienten gering ist, aber auch wenn er nur eine geringe Zuversicht aufweist, eine solche Verhaltensänderung zu realisieren. Ambivalenz (wie Annäherungs-Annäherungskonflikte oder Annäherungs-Vermeidungskonflikte) werden als Schlüsselelement fehlender Veränderung angesehen. Ambivalenz stellt jedoch kein Hindernis dar, sondern ist der erste Schritt einer Veränderung. Wesentliche Ziele des MI sind den Klienten zu ermutigen: 4 seine Sorgen und Sichtweise auszudrücken, 4 sich selbst aktiv einzubringen, 4 Informationen einzufordern, 4 aktiv über Verhaltensänderungen nachzudenken (Rollnick, Mason & Butler, 1999).

Hauptcharakteristika des MI im Überblick 4 »Motivational Interviewing« basiert auf der Identifikation und Mobilisierung der intrinsischen Werte und Ziele des Klienten, um eine Verhaltensänderung zu bewirken. 4 Die Motivation zur Veränderung wird durch den Klienten hervorgebracht und nicht von Außen erzeugt. 4 Motivational Interviewing soll Ambivalenz hervorbringen, diese klären und auflösen, sowie die damit verbundenen Vor- und Nachteile wahrnehmbar machen. 4 Die Bereitschaft zur Veränderung ist keine Eigenschaft einer Person, sondern ein sich veränderndes Produkt zwischenmenschlicher Interaktion.

4

Die Kernelemente des Motivational Interviewing sind nochmals kurz im folgenden ▶ Kasten zusammengefasst. Die Entscheidungen über mögliche Ansatzpunkte sollten demnach beim Klienten liegen. Miller und Rollnick (2002) benennen vier Basisprinzipien des MI, um diese Ziele zu erreichen: 4 Ausdruck von Empathie, 4 Entwicklung von Diskrepanz(erleben), 4 Umgang mit Widerstand und 4 Unterstützen des Selbstwirksamkeitserlebens. Empathie wird als Fundament des MI betrachtet und beinhaltet die Akzeptanz für die Sicht des Klienten und dessen Ambivalenz. Die Steigerung des Diskrepanzerlebens wird als Hauptmotor einer Veränderung betrachtet – zentral ist, dass der Klient selbst die Argumente für eine Veränderung präsentiert (»change talk«). Der Berater hat nur die Funktion, die vom Klienten bereits empfundene Diskrepanz bewusster zu machen und zu verdeutlichen. Ist die Person sich eines Problems überhaupt nicht bewusst, sind auch keine Schritte angeraten (Miller, 1994). Diskrepanzerleben wird

4 Widerstand und »Verleugnung« sind häufig ein Zeichen dafür, motivierende Strategien zu verändern. 4 Das Hervorbringen und Verstärken des Glaubens an die Fähigkeit ein bestimmtes Ziel zu erarbeiten und erfolgreich zu erreichen (Selbstwirksamkeitserleben) ist wesentlich. 4 Die therapeutische Beziehung ist eine Partnerschaft, welche die Autonomie des Klienten akzeptiert. 4 Motivational Interviewing ist sowohl eine Sammlung von Techniken, als auch ein Beratungsstil. 4 Motivational Interviewing ist eine direktive und klientenzentrierte Beratung, die sich auf das Verstehen und Hervorrufen von Verhaltensänderungen konzentriert.

94

4

Kapitel 4 · Neuere Modelle zur Veränderung

v.a. aufgebaut, indem die aktuellen Verhaltensweisen mit den zentralen Zielen und Werten der Klienten kontrastiert werden. Widerstand auf Seiten des Klienten wird als »Warnsignal« dafür gesehen, dass der Berater nicht ausreichend die patienten-zentrierte Vorgehensweise berücksichtigt und einen zu »ratschlagenden oder konfrontierenden« Gesprächsstil praktiziert. Hier ist es wichtig, dass der Berater ausgewogen beide Seiten reflektiert und die persönliche Kontrolle auch betont. Er sollte auf keinen Fall mit zu vielen Ratschlägen den Klienten überfordern. Die Selbstwirksamkeit wird als eine wichtige Motivationsquelle gesehen (s. »able«). Der Berater sollte an frühere Erfolge anknüpfen, gemeinsam Möglichkeiten zum Umgang mit dem Problem erarbeiten oder auch Reframing einsetzen. Insgesamt kann die Rolle des Beraters beim MI wie folgt beschrieben werden: Der Berater gibt Struktur, Unterstützung, Richtungshilfe und auch notwendige Informationen, er arbeitet die Sicht des Klienten heraus, respektiert dessen Sichtweise und »verhandelt« die Veränderungsbereitschaft. Der Klient ist der aktive Entscheidungsträger. Der Berater sollte sich immer wieder versichern, ob er Themen ansprechen darf, ob er Vorschläge machen soll, um so die Entscheidungsfreiheit beim Klienten zu belassen und die aktive Rolle des Klienten bei der Entscheidungsfindung zu betonen. In . Tab. 4.2 sind einige Anzeichen für Widerstand, wie sie von

Miller und Rollnick (2002) systematisiert wurden, zusammengefasst. Das Ausmaß des Widerstands auf Seiten des Klienten erwies sich als Prädiktor für eine geringere Wirksamkeit einer Kurzintervention und steht im engen Zusammenhang mit einem konfrontativen Beratungsstil (Miller, Benefield & Tonigan, 1993). Der Berater erkennt die zunehmende Veränderungsbereitschaft an einer verstärkten Verbalisierung der Nachteile des Status quo und Vorteile einer Veränderung, Äußerungen von Optimismus bezogen auf einen solchen Schritt (»change talk«), einer selteneren Diskussion über das Problem oder an konkreten Fragen zur Änderung. Der Klient zeigt dann auch deutlich höhere Redeanteile, denkt über die Situation nach und entdeckt neue Seiten oder fragt ganz direkt um Hilfestellung oder nach Informationen. Die Gesprächsführung sollte die folgenden fünf allgemeinen Techniken beachten: 4 Offene Fragen als Einstieg in die Thematik und Herausarbeiten der Patientensicht, 4 Reflektierendes Zuhören, 4 Bestätigen und Unterstützen, 4 Zusammenfassen der wichtigsten Informationen und deren Bündelung, 4 selbstmotivierende Äußerungen herausarbeiten. Offene Fragen sollen die Klienten dazu motivieren, ihre eigene Position darzustellen. Dies löst

⊡ Tab. 4.2. Kategorien von Widerstand. (Nach Miller & Rollnick, 2002, p. 48) Kategorie

Beschreibung

Streiten/Diskutieren

Der Klient testet die Genauigkeit, Expertise, oder die Integrität des Beraters. Hierzu zählen Verhaltensweisen wie Herausfordern, Herabwürdigen der Aussagen des Beraters oder feindseliges Verhalten.

Unterbrechen

Der Klient unterbricht den Berater in Abwehrhaltung, d.h. er redet, während der Berater noch spricht oder unterbricht den Berater mit einer Wortwahl, die darauf abzielt, ihn zum Schweigen zu bringen.

Negativieren

Der Klient zeigt sich nicht willens das Problem einzusehen, zu kooperieren, die Eigenverantwortung zu akzeptieren, oder auch nur einen Ratschlag anzunehmen. Hierzu gehören Beschuldigen anderer, Ablehnen von Berateräußerungen, sich für das eigene Verhalten entschuldigen, Probleme verleugnen oder verharmlosen, pessimistische Äußerungen (selbst- und fremdbezogen), Ratschläge werden widerstrebend angenommen, Veränderungsnotwendigkeit wird verneint.

Ignorieren

Der Klient weist Verhaltensmerkmale auf, die andeuten, dass er den Ratschlägen des Beraters nicht nachkommen wird. Zu nennen sind hier Unaufmerksamkeit, das Wechseln des Themas, Nicht-Beantworten von Fragen.

95 4.2 · Motivational Interviewing

einen Reflektionsprozess aus. Reflektierendes Zuhören ist im Sinne des empathischen Zuhörens von Rogers (2001) zu verstehen. Es soll dem Klienten das Gesagte/seine Lebenswelt widerspiegeln, ein Sicherheitsgefühl beim Klienten aufbauen, das Gespräch vertiefen und dem Klienten dabei helfen, sich selbst zu verstehen. Damit spiegelt der Berater dem Klienten wider, dass er sich in seine Welt einfühlen kann. Als kontraindiziert gelten konfrontatives Verhalten, das Erteilen von direkten Anweisungen oder Ratschlägen, moralisierende Bemerkungen oder Schuldzuweisungen. Es geht darum, die aktive Rolle des Klienten bei der Bearbeitung und Interpretation seiner Lebenssituation zu unterstützen. Diese Techniken werden von Rollnick, Heather und Bell (1992) als »Mikroskills« bezeichnet und kennzeichnen generell die Gesprächsführung. Zusätzlich kommen verschiedene Strategien zur Anwendung, die sich nach dem Grad der Veränderungsbereitschaft des Klienten richten. Zur Eröffnung des Gesprächs kann beispielsweise allgemein über den Lebensstil und erlebten Stress gesprochen werden, um dann das jeweilige Thema einzuleiten; alternativ kann ein Zusammenhang mit der Gesundheit im Allgemeinen hergestellt werden. Weitere Strategien sind: 4 einen typischen Tag beschreiben lassen, 4 die guten und weniger guten Dinge beschreiben lassen, 4 Informationen geben, 4 die Gegenwart mit der Zukunft kontrastieren lassen, 4 Gründe für Besorgnis explorieren, 4 Hilfestellung bei der Entscheidungsfindung geben. So bedeutet die Hilfe bei der Entscheidungsfindung beispielsweise, dem Klienten Zeit zu lassen, verschiedene Alternativen für die Zukunft aufzuzeigen, die Verhaltensweisen anderer Personen in der gleichen Situation zu beschreiben, den Klienten in seiner Expertenrolle zu stärken, die Informationen neutral, nicht wertend darzubieten, eine nicht-erfolgte Entscheidung nicht als fehlgeschlagene Beratung zu betrachten, Akzeptanz für sich verändernde Entscheidungen und für gebrochene Vorsätze. Angestrebt wird ein ressourcenorientiertes, partnerschaftliches Beratungsverhältnis.

4.2.1

4

Abgrenzung zu anderen Beratungsansätzen

Es gibt in der Literatur zahlreiche unterschiedliche Beratungsansätze. Die Abgrenzung der einzelnen Ansätze ist teils sehr schwierig. Miller und Rollnick (2002) haben anhand verschiedener Kriterien versucht, das MI von einer Kurzberatung und einer verhaltensorientierten Beratung abzugrenzen. In . Tab. 4.3 sind die Ergebnisse zusammengefasst. Die Abgrenzungen sind im konkreten Fall oftmals sehr schwierig; die Autoren des MI betonen, dass gerade der Beraterstil, der Einsatz des reflektierenden Zuhörens, eine wichtige Komponente des MI darstellt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass zum Beispiel eine Kurzberatung bei einem klaren Infodefizit und vorliegender Motivation des Klienten nicht die Methode der Wahl sein kann. Ethisch kann es u.U. zentral sein, wichtige Informationen an den Klienten weiterzugeben. Bei der Kurzberatung ist die asymmetrische Beziehung besonders ausgeprägt, weniger stark bei der verhaltensorientierten Beratung. Auch ansonsten finden sich viele Gemeinsamkeiten mit dem MI, der Fokus liegt jedoch nicht so sehr auf dem reflektierendem Zuhören und der Anregung des Change Talk, wie er beim MI im Mittelpunkt steht. Lewis und Osborn (2004) betonen die Gemeinsamkeiten zwischen MI und lösungsorientierter Beratung (Bamberger, 2001). Diese Gemeinsamkeiten sehen sie in folgenden Aspekten: 4 Nicht-pathologischer, salutogener Fokus: Konzentration der Arbeit richtet sich auf die Bereiche, die positiv verlaufen, um dann die Erkenntnisse und Ressourcen auf die weniger positiven Bereiche zu übertragen. Diagnosen werden i.d.R. nicht vergeben. 4 Sozial-konstruktivistische Perspektive, die das Vorhandensein von verschiedenen Sichtweisen, »Realitäten« und Möglichkeiten betont und anerkennt. 4 Verankerung in der Veränderung: Beide Modelle betonen sehr stark die Veränderung, die bei der lösungsorientierten Beratung v.a. durch neue Verhaltens- und Denkweisen erreicht wird. In beiden Ansätzen werden Veränderungen in Stufenmodellen dargestellt. 4 Veränderte Sichtweisen von Widerstand: In beiden Ansätzen wird Widerstand nicht als

96

Kapitel 4 · Neuere Modelle zur Veränderung

⊡ Tab. 4.3. Gegenüberstellung der Kurzberatung, der verhaltensorientierten Beratung und des MI

4

Kurzberatung

Verhaltensorientierte Beratung

MI

Sitzungszeit

5-15 Minuten

5-30 Minuten

30-60 Minuten

Sitzungsanlass

Informationsbedürfnis/ Infodefizit

von außen, aber auch hilfeorientiert

hilfeorientiert

Ziele

4 Respekt zeigen 4 Risiko verdeutlichen 4 Informationen anbieten

Zusätzlich: 4 Rapport herstellen 4 Ziele des Klienten identifizieren 4 Informationsaustausch 4 Strategien auf der Grundlage der Bereitschaft des Klienten auswählen

Zusätzlich zu den ersten beiden: 4 Beziehung herstellen 4 Ambivalenz auflösen 4 Diskrepanzerleben aufbauen

Beratungsziel

Gedanken über eine Verhaltensänderung in Gang setzen

Motivationsaufbau für eine Verhaltensänderung

Verpflichtung für eine Verhaltensänderung

Beziehung Klient –Berater

aktiver Experte – passiver Klient

Klient als aktiver Teilnehmer

Partnerschaftliches Verhältnis

Empathie

manchmal

in der Regel

stets

Konfrontation

manchmal

selten

nie

Information

wird zur Verfügung gestellt

ausgetauscht

ausgetauscht, um Diskrepanzerleben zu stärken

offene Fragen stellen

teils/teils

teils/teils

notwendig

Bestätigen

teils/teils

teils/teils

notwendig

Zusammenfassen

nicht notwendig

notwendig

notwendig

um Erlaubnis bitten

teils/teils

notwendig

notwendig

aktive Entscheidungsfindung des Klienten

teils/teils

notwendig

notwendig

Rat anbieten

notwendig

teils/teils

nicht notwendig

Reflektieren

nicht notwendig

teils/teils

notwendig

Gezielter Einsatz reflektierenden Zuhörens

nicht notwendig

teils/teils

notwendig

Beraterstil

97 4.2 · Motivational Interviewing

4

⊡ Tab. 4.3. (Fortsetzung) Kurzberatung

Verhaltensorientierte Beratung

MI

Reflektion auf unterschiedlichem Niveau

nicht notwendig

teils/teils

notwendig

Change Talk anregen

nicht notwendig

teils/teils

notwendig

Umgang mit Widerstand

nicht notwendig

notwendig

notwendig

Unterstützung bei der Formulierung von Werten

nicht notwendig

nicht notwendig

notwendig

Merkmal der Person betrachtet, das durch konfrontatives Verhalten abgebaut werden soll. Beim MI ist der Widerstand ein Zeichen dafür, dass der Berater wichtige Anzeichen beim Klienten übersehen hat, bei der lösungsorientierten Beratung ist es ein Zeichen, dass der Berater die idiosynkratische Sicht des Klienten noch nicht richtig berücksichtigt hat. 4 Starke Betonung der Kooperation seitens des Klienten. Die aktive Mitarbeit des Klienten ist zentraler, unabdingbarer Bestandteil des Herangehens. 4 Betonen der Ressourcen und Stärken des Klienten. Der Fokus liegt auf den bereits vorhandenen Lösungsmöglichkeiten und dem –repertoire des Klienten. 4 Klar zeitlich begrenzte Ansätze (wenn auch unterschiedliche Dauer). Es handelt sich in beiden Fällen um Kurzzeitinterventionen, wobei das MI die deutlich geringere Zeitdauer aufweist. Diese Auflistung ist sicherlich noch durch das humanistische Weltbild, das beiden Ansätzen gemeinsam ist, zu ergänzen. Die Unterschiede werden v.a. darin gesehen, dass: 4 die lösungsorientierte Beratung Sprache dazu nutzt, um eine neue Realität, eine neue Perspektive zu erschaffen, während es im MI eher darum geht, Empathie auszudrücken, 4 die lösungsorientierte Beratung davon ausgeht, dass Klienten eine Veränderung herbeiführen

wollen, wenn sie eine Beratung in Anspruch nehmen, 4 die lösungsorientierte Beratung eher zukunftsorientiert ist, 4 das MI zielorientierter als die lösungsorientierte Beratung ist. Insgesamt lässt sich festhalten, dass das MI zahlreiche empirische Untersuchungen nach sich gezogen hat, während die lösungsorientierte Beratung weniger empirische Evidenz aufweisen kann. Anhand dieser Abgrenzungsversuche zeigt sich eine große Überschneidung des MI zu anderen Beratungsansätzen: Nicht die Einzelelemente, wohl aber deren Kombination und Ausprägungsgrad grenzen das MI gegenüber anderen Ansätzen wie einer verhaltensorientierten Beratung ab. Das MI setzt reflektierendes Zuhören viel häufiger und direkter ein, der Klient soll ganz bewusst zu selbstmotivierenden Äußerungen und zum Nachdenken über Werte (und deren Passung mit dem aktuellen Verhalten) angeregt werden. Informationen werden nicht nur mit dem Ziel angeboten, dass eine Entscheidungsgrundlage vorhanden ist, sondern dass dadurch Diskrepanzerleben erzeugt wird. Mittlerweile liegen auch verschiedene Messinstrumente vor, die das Beraterverhalten (Genauigkeit in der Umsetzung) beim MI erheben (vgl. Madson & Campbell, 2006 für einen Überblick; Lane, HiwsThomas, Hood, Rollnick, Edwards & Robling, 2005). Da die »Umsetzung des Geistes von MI« als zentrale Wirkvariable betrachtet wird, kommt der

98

Kapitel 4 · Neuere Modelle zur Veränderung

Messung des Beraterverhaltens eine zentrale Bedeutung zu.

4.2.2

4

Wirksamkeit des Motivational Interviewing

Die Verbreitung des MI ist gerade in gesundheitsbezogenen Beratungskontexten sehr groß, ebenso die empirische Datenlage zur Wirksamkeit. Allein die Homepage des amerikanischen Gesellschaft (motivationalinterview.org) listet für das Jahr 2004 mehr als 60 Ergebnisstudien auf. Die berichteten Ergebnisse sind sehr viel versprechend und betreffen die unterschiedlichsten Bereiche. Dabei wird MI teilweise als einzige Intervention angeboten (z.B. Monti et al., 1999) oder mit klassischen VT-Behandlungen kombiniert (z.B. Smith, Heckenmeyer, Kratt & Mason, 1997). Die Anwendung erfolgte in vielen verschiedenen Bereichen. So liegen beispielsweise Studien bei Typ 2 Diabetes (Clark & Hampson, 2001; Smith, Heckemeyer, Kratt & Mason, 1997), bei Essstörungen (Treasure, Katzman, Schmidt, Troop, Todd & de Silva, 1999) oder Typ 1 Diabetes bei Jugendlichen (Knight et al., 2003) vor. Das MI wird dabei nicht nur im face-to-face Kontakt, sondern auch über

telefonische Beratung realisiert (z.B. Resnicow et al., 2000). Eine erste Meta-Analyse aus dem Jahre 2001 (Dunn, DeRoo & Rivara, 2001) analysierte 29 kontrollierte, randomisierte Studien: 69% der Studien wiesen mindestens einen Verhaltensparameter auf, der das MI unterstützte. Burke, Arkowitz und Menchola (2003) grenzten ihre Analyse auf 30 kontrollierte Studien mit Einzelgesprächen ein. In den meisten Fällen handelte sich um eine sog. adaptierte Form des MI (kurz: AMI), in dem den Klienten im Rahmen der Beratungssitzung ein Feedback zum individuellen Risikoprofil im Stil des MI gegeben wurde. Sie fanden eine gute Unterstützung der Wirksamkeit in den Bereichen Alkoholkonsum, Drogenabhängigkeit sowie Ernährung und Bewegung (. Tab. 4.4). Die positiven Wirkungen zeigten sich dabei nicht ausschließlich in Form einer Symptomreduktion, sondern auch im sozialen Lebensbereich der Betroffenen. Wie aus . Tab. 4.4 ersichtlich wurde das MI selten mit einer aktiven Behandlungsgruppe verglichen; hier zeigte sich bislang keine höhere Wirksamkeit des MI. In einer jüngeren Meta-Analyse von Hettema, Steele und Miller (2005) mit 72 Ausgangsstudien konnten diese Aussagen im Wesentlichen bestätigt werden. Die Autoren fanden eine hohe Variation der Wirksamkeit in Abhängigkeit vom Problembereich,

. Tab. 4.4. Kombinierte Effektgrößen zum Motivational Interviewing (MI) unterteilt nach Problembereichen. (Zit. nach Burke et al., 2003, p. 854) Problembereiche

MIs verglichen mit einer unbehandelten oder PlaceboKontrolle

MIs verglichen mit aktiver Behandlung

d (95% CI)

TA d (95% CI)

d (95% CI)

Alkohol (SEC)

0,25 (0,13, 0,37)

0,21 (0,09, 0,22)

0,09 (- 0,04, 0,23)

Alkohol (BAC)

0,53 (0,20, 0,86)





Rauchen

0,11 (- 0,05, 0,27)

0,11 (-0,06, 0,27)



Drogenabhängigkeit

0,56 (0,31, 0,82)



- 0,01 (-0,25, 0,25)

HIV-Risikoverhalten

0,01 (-0,29, 0,31)

- 0,01 (- 0,30, 0,29)



Ernährung & Bewegung

0,53 (0,32, 0,74)

0,57 (0,33, 0,81)



Anmerkung: Effektgrößen sind signifikant bei p