Benjamin-Studien 3
 9783770557820

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Daniel Weidner · Sigrid Weigel (Hg.) Benjamin-Studien 3

Daniel Weidner · Sigrid Weigel (Hg.)

Benjamin-Studien 3

Wilhelm Fink

Die Drucklegung dieses Werkes wurde unterstützt mit den Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter den Förderkennzeichen 1UG0712 und 01UG1412.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten. Dies betrifft auch die Vervielfältigung und Übertragung einzelner Textabschnitte, Zeichnungen oder Bilder durch alle Verfahren wie Speicherung und Übertragung auf Papier, Transparente, Filme, Bänder, Platten und andere Medien, soweit es nicht §§ 53 und 54 UrhG ausdrücklich gestatten. © 2014 Wilhelm Fink, Paderborn (Wilhelm Fink GmbH & Co. Verlags-KG, Jühenplatz 1, D-33098 Paderborn) Internet: www.fink.de

Lektorat: Bettina Moll, Berlin; www.texttiger.de Satz: Tilo Lothar Rölleke, Berlin Einbandgestaltung: Evelyn Ziegler, München Printed in Germany Herstellung: Ferdinand Schöningh GmbH & Co. KG, Paderborn ISBN 978-3-7705-5782-0

Inhaltsverzeichnis GESCHICHTE Stefano Marchesoni Zur Vorgeschichte des Eingedenkens. Über Ernst Blochs »motorisch-phantastische Erkenntnistheorie« in Geist der Utopie und ihre »Umfunktionierung« bei Benjamin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Stephanie Baumann »Here goes B. wrong«. Siegfried Kracauers Anmerkungen zu Benjamins »Über den Begriff der Geschichte« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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GENRES Rolf J. Goebel »Wortloses Lied das Worte nicht ermessen«. Schrift, Bild und Musik in Walter Benjamins Sonetten auf Christoph Friedrich Heinle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Sabine Schiller-Lerg In der Aura ihrer Aktualität. Walter Benjamins Interviews und Mediengespräche . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Brian Britt Identity and Survival in Deutsche Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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BILDDENKEN Tamar Avishai Shock and Aura. Benjamin on Dada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Andrea Pinotti The Painter through the Fourth Wall of China. Benjamin and the Threshold of the Image . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

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INHALTSVERZEICHNIS

SCHMERZ Björn Quiring Pain and Memory in Benjamin’s Mourning Play . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Ilit Ferber »Schmerz war ein Staudamm«. Benjamin on Pain . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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SCHREIBVERFAHREN Heinz Brüggemann Überschreibungen. Transtextualität und Figuraldeutung in Walter Benjamins Geschichtsdenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Jens Birkmeyer Mikrozeiten und Zeitreserven. Temporalität in Walter Benjamins Berliner Kindheit um neunzehnhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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REZEPTIONEN Vivian Liska »Eine gewichtige Pranke«. Walter Benjamin und Giorgio Agamben zu Erzählung und Gesetz bei Kafka . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Hyowon Cho A Cloud of Words. A Reflection on (Dis)appearing Words of Benjamin and Wittgenstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 MISZELLEN Peter Fenves Benjamin’s Early Reception in the United States. A Report. . . . . . . . . . . .

253

Walter Benjamins »Erfahrung und Armut«. Drei Lektüren Burkhardt Lindner Zweimal Erfahrungsarmut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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INHALTSVERZEICHNIS

Detlev Schöttker Gedankensprung ins Nebulöse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Helmut Lethen Cliffhanger der Unzeit. Drei Zeiten, drei Transformationen . . . . . . . . . . . 280 Abbildungsnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Zu den Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293

Editorial In den letzten Jahrzehnten ist Walter Benjamin auch international zu einem der wichtigsten Referenzautoren der Theoriediskussion geworden. Seine Analysen der ästhetischen, politischen und medialen Wirklichkeiten der Moderne samt ihrer Genealogien, seine Untersuchungen zur Verschränkung von Mythos und Gegenwart, von Kapitalismus und Religion oder von Bildmagie und neuen Medien, seine Reflexionen über die intellektuelle Politik wie über die Methode der Geschichtsschreibung erweisen sich immer wieder und in den verschiedensten Kontexten als höchst fruchtbar; ihr Potenzial als Quelle und Bezugspunkt kritischen Denkens scheint noch längst nicht erschöpft. Darüber hinaus wird Benjamin zunehmend zu einer Schlüsselfigur, um die intellektuelle Geschichte des 20. Jahrhunderts zu verstehen. Seine Texte situieren sich am Schnittpunkt wichtiger und scheinbar disparater Denklinien wie etwa dem lebensphilosophischen Gestaltdenken, den ästhetischen Avantgarden und der jüdischen Tradition. Dabei sind es gerade die enorme Präzision und Sensibilität, mit denen Benjamin solche theoretischen Konstellationen in seinen Texten aufruft, die es erlauben, deren epistemische Bedeutung zu erhellen. Man kann die Komplexität der intellektuellen Debatten unter Benjamins Zeitgenossen gewissermaßen aus seinen Kommentaren und Zitaten herauslesen; seine Texte sind wie ein Archiv vergangener Problemstellungen. Das gilt besonders für den historischen Index seines Denkens: für die Prägung von Benjamins Schreiben und Arbeiten zunächst vom Untergang der bürgerlichen Welt angesichts des Ersten Weltkrieges und dann – angesichts der Totalitarismen – vom drohenden Untergang der europäischen Welt mitsamt den linken Entwürfen politischer Alternativen. Bis in den Duktus ihrer Argumentation sind seine Schriften von dieser historischen Situation bestimmt; sie hat deren Überlieferungslage ihre zerstreute Gestalt gegeben, und sie ist konstitutiv für seinen frühen Nachruhm: Es war das mühsam und umsichtig gerettete Projekt, auch und gerade im Angesicht der Katastrophe zu denken. Heute, im Normalbetrieb der Forschung über einen einst in mehrfachem Sinne exilierten Autor, der inzwischen längst kanonisiert ist und dessen Schriften durch verschiedenste Schulmeinungen und theoretische Schulen überblendet worden sind, droht im Zuge des um sich greifenden nahezu entropischen historischen Gedächtnisses dieser Ursprung von Benjamins Denken in Vergessenheit zu geraten.

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EDITORIAL

Auch methodenpolitisch ist Benjamin weiterhin aktuell und paradigmatisch: für die Verbindung systematischer Fragen mit historischen Materialien ebenso wie für die Überschreitung disziplinärer Grenzen wie etwa diejenigen zwischen Philosophie, Geschichte, Literaturwissenschaft – und dies stets im Hinblick auf je spezifische Fragestellungen. Zugleich stehen die Komplexität der Benjamin’schen Schreibweise wie der offene Charakter seines Werkes und nicht zuletzt der erwähnte historische Index seines Denkens den Versuchen entgegen, eine bestimmte, exklusive Lesart seiner Texte als schulbildende zu etablieren. Vielmehr werden, trotz intensiver Rezeption seit den 1970er-Jahren, von neuen Generationen von Benjamin-Lesern immer wieder neue, überraschende Lektüren entwickelt; dennoch sind noch viele Fragen offen, etliche Texte unentdeckt, wichtige Korrespondenzen und Beziehungen unerforscht. Die Benjamin-Studien, deren dritte Ausgabe hier vorliegt, verstehen sich als Forum der aktuellen Forschung zu und mit Walter Benjamin. Sie veröffentlichen Beiträge zum Werk, zur intellektuellen Biographie und zu intellektuellen Begegnungen und Korrespondenzen sowie zur Rezeptionsgeschichte; auch die Diskussion aktueller Probleme mit Benjamin’schen Kategorien soll hier ihren Platz haben. Explizit sollen dabei die verschiedenen methodischen Richtungen, disziplinären Ausrichtungen und intellektuellen Strömungen ins Gespräch kommen. Denn so breit die Forschung auch ist, so sollte sie sich nicht in unverbundene Milieus zerstreuen oder gar in unterschiedliche Lager zerfallen. Eine profane Voraussetzung dafür ist die institutionelle Verstetigung des Austausches, die mithilfe der International Walter Benjamin Society (IWBS) ermöglicht und durch die regelmäßigen zweijährlich stattfindenden großen Tagungen der Gesellschaft realisiert wird: Nach der Tagung »Script« im Herbst 2011 in Princeton traf sich die Gesellschaft Dezember 2013 in Frankfurt a. M. und Mannheim zum Thema »Geschichte«, die nächste Tagung wird voraussichtlich Ende 2015 in Jerusalem und Tel Aviv zum Thema »Space« stattfinden. Darüber hinaus wird die Gesellschaft in Zukunft ein Nachwuchskolloquium veranstalten, um den internationalen intellektuellen Austausch zwischen den zahlreichen jungen Wissenschaftler/innen zu intensivieren, die zu Benjamin arbeiten. Informationen zu diesen Tagungen sowie zu weiteren Veranstaltungen und Publikationen zu Benjamin sowie zur IWBS finden Sie regelmäßig auf der gerade erneuerten Website der Gesellschaft www.walterbenjamin.org. Die vorliegende Ausgabe der Benjamin-Studien geht zum Teil auf Beiträge der letzten Tagung der Gesellschaft in Frankfurt und Mannheim zurück, auf der Benjamins Geschichtsdenken in seinen historischen und systematischen Kontexten wie auch in seiner Aktualität diskutiert wurde. Die Vielzahl von Beiträgen von renommierten, aber auch jungen Forscher/innen aus verschiedenen

EDITORIAL

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Nationen hat eine höchst lebendige Diskussion hervorgerufen, von der auch die drei hier abgedruckten Beiträge einer Podiumsdiskussion über »Erfahrung und Armut« zeugen. Den größeren Teil der hier vorliegenden Beiträge stellen jedoch eingesandte Manuskripte dar, die von der Schriftleitung (Vivian Liska, Gerhard Richter, Detlev Schöttker, Uwe Steiner, Daniel Weidner, Sigrid Weigel) kritisch gelesen und ausgewählt wurden. Wir danken für das Interesse der Autoren und laden alle Interessierten, insbesondere die jüngeren, auch weiterhin zu Einsendungen ein. Zuletzt danken wir Bettina Moll (texttiger) für die redaktionelle Bearbeitung und Einrichtung der Manuskripte. Daniel Weidner/Sigrid Weigel

Geschichte

Stefano Marchesoni

Zur Vorgeschichte des Eingedenkens Über Ernst Blochs »motorisch-phantastische Erkenntnistheorie« in Geist der Utopie und ihre »Umfunktionierung« bei Benjamin [A]ber eines Tages öffnet sich die stets verschlossene Kommode, in der das Geheimnis unserer Herkunft versteckt ist. So zeigt sich hier eine gewaltige und unabgeschlossene Willens- und Apperzeptionsmasse des Tendierens am Werk. (Ernst Bloch: Geist der Utopie)1

»Wirklich notwendig scheint nur das Vergangene, daran eben nicht mehr zu rütteln ist. Aber ist denn das Vergangene wirklich notwendig?« – so fragt Georg Lukács in seiner »Metaphysik der Tragödie«, mit der die Essay-Sammlung Die Seele und die Formen (1911) zu ihrem Abschluss kommt.2 Man kann Blochs Geist der Utopie (1918)3 als den Versuch ansehen, eine breit angelegte negative Antwort auf diese Frage zu geben: Nein, das Vergangene ist keineswegs wirklich notwendig. Denn im Mittelpunkt von Blochs schwungvoll-pathetischen Überlegungen steht die Entdeckung eines Vermögens, dem es gelingt, die im Vergangenen schlummernde Zukunft zu befreien. Um diese ganz besondere Erfahrung zu bezeichnen, erfindet Bloch einen spezifischen Terminus: Eingedenken. Hiermit führt er ein Konzept ein, das im deutsch-jüdischen Denken des 20. Jahrhunderts eine wichtige Rolle spielen wird, die noch nicht angemessen beleuchtet wurde. 1 Faksimile der Ausgabe von 1918, Gesamtausgabe, Bd. 16, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 1971, S. 417. 2 Georg Lukács: Die Seele und die Formen, Berlin (Egon Fleischel & Co.) 1911, S. 337. 3 Zwischen 1915 und 1916 verfasst, wurde Geist der Utopie gegen Blochs Hoffnungen erst nach Kriegsende 1918 – viel später als geplant – veröffentlicht. Vgl. Blochs Brief an Lukács vom 1. Dezember 1916: »Mein Buch wird jetzt begonnen zu drucken. Vertraglich ist ausgemacht, daß die Sache, mag Krieg sein oder nicht, unbedingt Herbst 1917 erscheinen wird« (ders.: Briefe 1903–1975, 2 Bde., hg. v. Karola Bloch u. a., Frankfurt a. M. [Suhrkamp] 1985, S. 185). 1923 folgte eine zweite, stark überarbeitete Fassung, die schließlich 1964 nach einer weiteren Bearbeitung als Band 3 in Blochs Gesamtausgabe bei Suhrkamp aufgenommen wurde. Im Folgenden werde ich mich aber stets auf die erste Ausgabe (Anm. 1) beziehen und diese mit der Sigle GdU nebst Seitenzahl abkürzen.

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STEFANO MARCHESONI

Bei ›Eingedenken‹ handelt es sich um ein ungewöhnliches Verbalnomen, dessen Ursprünge bis dato im Dunkel bleiben. Tatsächlich ist dieses Wort in keinem deutschen Wörterbuch ausfindig zu machen. Was man z. B. im Grimm-Wörterbuch findet, ist das Adjektiv ›eingedenk‹ oder ›eindenk‹: »memor, memoria fixus, bald ohne casus eingedenk sein, werden, bleiben, bald mit zugefügtem genitiv, bald unpersönlich, mir ist eingedenk, memini«.4 Mit ›eingedenk‹ eng verwandt ist das seltene Verb ›Eindenken‹: »meminisse, eingedenken, nnl. indenken. […] reflexiv, sich eindenken, hinein denken, in eine sache denken, animum intendere ad aliquid: ich habe mich in deine lage vollends eingedacht, versetzt, versenkt«. Es kommen schließlich die Ausdrücke ›eindenkig‹, ›eindächtig‹ und ›Eindenkmachung‹ vor. Wenn Bloch als der Urheber jener Tradition des Eingedenkens betrachtet werden kann, die in Walter Benjamin und Theodor W. Adorno ihre berühmtesten Nachfolger findet, so erweist sich eine eingehende Lektüre seiner frühen Schriften als unumgänglich, um Herkunft und Semantik dieses Konzeptes zu erhellen. Was die Herkunft angeht, hat Bloch ein halbes Jahrhundert nach dem Erscheinen von Geist der Utopie auf Meister Eckhart hingewiesen: »Eingedenken stammt vermutlich von Eckhardt [sic!], kommt dann vor in der Romantik. […] Natürlich steckt in dem Wort Eingedenken nicht das numerische ›eins‹, sondern die mystische Innewohneschaft seiner selbst: das ist auch ein Ausdruck von Eckhardt [sic!]«.5 Neben Eckharts Metaphysik der Innerlichkeit, die in Blochs nachträglicher Selbstdarstellung privilegiert wird, sollte allerdings auch der Einfluss von Richard Wagner nicht unterschätzt werden. Im letzten der Fünf Gedichte für eine Frauenstimme und Klavier (WWV 91) – der sogenannten »WesendonckLieder« 6 – stößt man nämlich auf das rare Wort ›Eingedenken‹: Träume, die wie hehre Strahlen In die Seele sich versenken, Dort ein ewig Bild zu malen: Allvergessen, Eingedenken!

4 Vgl. Stichwort »eingedenk« und »eindenken«, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, 16 Bde. in 32 Teilbänden (Verlag von S. Hirzel) Leipzig 1854–1961, Quellenverzeichnis Leipzig 1971 (verfügbar unter: http://woerterbuchnetz.de/DWB/?lemid=GA00001; abgerufen am 07.07.2014). 5 Michael Landmann: »Gespräch mit Ernst Bloch (Tübingen, 22. Dezember 1967)«, in: BlochAlmanach 4 (1984), S. 27 f. 6 Die fünf von Mathilde Wesendonck geschriebenen Gedichte wurden von Wagner 1857–1858 vertont, um 1862 uraufgeführt zu werden. Im Abschnitt über Wagners ›transzendente Oper‹ aus Geist der Utopie erwähnt Bloch beiläufig das dritte der Wesendonck-Lieder: »›Wie die Sonne froh sich scheidet aus des Tages leerem Schein‹, dichtet die Freundin im dritten der fünf Gedichte mit sonderbarer Dialektik« (GdU, 148).

ZUR VORGESCHICHTE DES EINGEDENKENS

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In diesem Zusammenhang geht es um eine selige Entrückung, um die ekstatische Kontemplation von Traumbildern, die für einige Momente alle Aufmerksamkeit für sich in Anspruch nehmen und dem verträumten Subjekt reeller als die umgebende Wirklichkeit erscheinen. Was die Bedeutung des Eingedenkens angeht, wäre es vergeblich, in Geist der Utopie nach eindeutigen Definitionen zu suchen. Der Terminus begegnet an verschiedenen Stellen, um jeweils von einer besonderen Perspektive betrachtet zu werden. Demzufolge lässt sich eine komplexe, teilweise spannungsreiche Semantik entfalten, in der Ästhetik (insb. in Bezug auf die Theorie des Ornaments und auf die Musikphilosophie), Phänomenologie, Geschichtsphilosophie, Religion und Politik zusammentreffen. Allerdings stößt man im Kapitel über die »Gedankenatmosphäre dieser Zeit« auf einen außerordentlich dichten Passus, an dem Bloch die Grundgedanken seiner »motorisch-phantastischen Erkenntnistheorie« bündig darstellt, indem er das Wesen des Eingedenkens als Akt ans Licht bringt.7 Bereits aus der abrupten einleitenden Frage – »Wie wirkt das ein, das jetzt ist?« (GdU, 332) – geht deutlich hervor, dass das Ziel von Blochs erkenntnistheoretischen Bestrebungen darin besteht, sich einen Zugang zur Gegenwart zu erschließen, um in ihr eine Wirkung entfalten zu können. Derjenige, der tätig werden will, der »schöpferische Kopf«, müsse »zum kanonischen Träumer werden, dem das, was den anderen bestenfalls sehnsüchtig und noch nicht bewußt anklingt, zum Eingedenken wird; zuerst nur mitwissend oder ›weltlich‹, enzyklopädisch, dann, mit wiederkehrender, völlig reif gewordener Ahnung, zum Eingedenken der eigenen Tiefe« (333). Mit dem Eingedenken geht man über die bloße Sehnsucht hinaus, um eine reife Ahnung des Noch-nicht-Bewussten zu gewinnen. Hier spricht Bloch auch den eigentümlichen Zusammenhang von Eingedenken und Traum an, den Mathilde Wesendonck lyrisch heraufbeschwört hatte. Offensichtlich ist er auf der Suche nach Wahrnehmungsformen, die sich nicht darauf beschränken, das Gegebene oder das Vorhandene in seiner bloßen Gegebenheit festzustellen. Das Träumen, besonders die Tagträume, und die Phantasie können durchaus mit wahrgenommenen Gegenständen arbeiten bzw. spielen, allerdings um in ihnen ein Potenzial an nicht auf der Hand liegenden Be- und Andeutungen zu befreien, die zunächst eben »nicht bewußt« anklingen, obwohl sie irgendwie schon immer da waren. So bleibt der »kanonische[] Träumer« seiner Träume stets eingedenk, weil er in ihrer Tiefe keine mit Sehnsucht zu

7 Vgl. auch den 1922 in Die Argonauten veröffentlichten Aufsatz Über motorisch-mystische Intention in der Erkenntnis (jetzt veröffentlicht in: Ernst Bloch: Tendenz-Latenz-Utopie, Frankfurt a. M. [Suhrkamp] 1978, S. 108–121), der die messianische Theorie des Eingedenkens bündig zusammenfasst.

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betrachtende Täuschung, keinen tröstenden Ersatz erlebt, sondern einen weiter zu verfolgenden Riss im Gegebenen ahnt, der sich als tätig zu verwirklichender Weg erweisen kann. Ein Umweg ist aber erforderlich, um in der Gegenwart einzuwirken: der Umweg durch die Vergangenheit. Was passiert, fragt Bloch, »wenn sich das Geschehene unmerklich mit dem Geschehenden mischt«, wenn man »dem wieder gegenwärtig Werden« des Geschehenen ausgeliefert ist? (Ebd.) Als Antwort auf diese Frage formuliert Bloch eine »motorisch-phantastische Erkenntnistheorie«, deren Grundforderung folgendermaßen ausgedrückt wird: »Wir werden doch nicht nur geboren, um hinzunehmen oder aufzuschreiben, was war und wie es war, als wir noch nicht waren, sondern alles wartet auf uns, die Dinge suchen ihren Dichter und wollen auf uns bezogen sein« (334 f.).8 Mit jeder neuen Geburt erweitert sich nicht nur die Quantität der gegenwärtig lebenden Menschen, sondern wird auch die Vergangenheit in gewisser Weise neu geboren. Anders gesagt, es ist nicht so, dass das Gegenwärtige dem Vergangenen folgt. Die sogenannte Folge der Generationen zwingt uns dazu, die Chronologie auszuschalten, um ein vollkommen anderes Kriterium anzuwenden. Da jeder neue Mensch die Vergangenheit neu interpretieren kann, erweist sich eine Auffassung als viel angemessener, die in einem klaren Gegensatz zur chronologischen Zeitfolge steht: Die Vergangenheit, die vor jeder Gegenwart irgendwie schon da war – obwohl sie eigentlich nicht mehr ist –, erhält von dieser Gegenwart ihre Bedeutung, d. h. aber: Sie wird durch Gegenwart hervorgebracht. Gleichzeitig geht die Vergangenheit über die Gegenwart hinaus, denn erst in der Aktualisierung eines Vergangenen erschließt sich eine Zukunft. Erst jetzt, im gegenwärtigen Augenblick, kommt das Gewesene zu sich selbst, da es auf uns wartete, es auf uns wollte bezogen werden.9 Bloch interpretiert die Welt als unübersichtliches, unerschöpfliches Netz von Beziehungen, von Korrespondenzen, die stark an Baudelaires correspondances erinnern: »[D]ie Dinge suchen ihren Dichter« (ebd.). In diesem Kosmos von sich vielfältig überschneidenden, aufeinander wirkenden Beziehungen transzendiert jedes Ereignis sich selbst. Sinn entsteht

8 Vgl. Benjamins zweite These über den Begriff der Geschichte: »Dann sind wir auf der Erde erwartet worden« (GS I, 694). 9 Demzufolge verfehlt Anson Rabinbach m. E. den Kern von Blochs Theorie des Eingedenkens, indem er schreibt: »History for Bloch is predicated on a future-oriented knowledge that transcends the empirical order of things, that does not take flight in false images or fall prey to naturalism, but is directed beyond the existing world toward a yet unrealized ›messianic goal‹« (ders.: In the Shadow of Catastrophe. German Intellectuals between Apocalypse and Enlightenment, Berkeley [University of California Press] 1997, S. 44). Eigentümlich an Blochs bahnbrechendem Frühwerk ist dagegen seine Umkehrung der messianischen Ausrichtung auf die Zukunft: Das noch nicht verwirklichte »messianische[] Ziel« (GdU, 322), von dem er redet, liegt gewissermaßen nicht vor, sondern hinter uns.

ZUR VORGESCHICHTE DES EINGEDENKENS

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durch Aktualisierung von potenziellen Beziehungen, die letzten Endes auf der absoluten Kontingenz einer neuen Geburt beruhen. Lesen wir weiter: »Es ist immer nur halb geschehen, was geschehen ist, und die Kraft, die es geschehen ließ, die sich in ihm ungenügend genug heraussetzte, treibt in uns fort und wirft auch noch weiter ihren Schein auf all das Halbe und Weghafte, immer noch Zukünftige hinter uns« (335). Das Geschehene hört nicht auf zu geschehen. Gerade deswegen wird man mit der Vergangenheit nie fertig, weil sie sich durch ihr gespenstisches Sein jedem festen Griff entzieht. Es stellt sich dann aber eine weitere Frage: Was ist diese »Kraft«, von der Bloch redet? Naheliegend wäre eine theologisch-transzendente Deutung, d. h. die Gleichstellung dieser Kraft mit einem göttlichen Wesen, die allerdings irreführend scheint. Die Kraft, die das Geschehene geschehen ließ, ist ihm immanent. Diese Einsicht wird übrigens von einem etymologischen Befund bestätigt: Das Verb ›geschehen‹ geht auf die indoeuropäische Wurzel *(s)kek- zurück, die ›springen, lebhafte Bewegung‹ bedeutet, ›schnell vor sich gehen, eine schnelle Wendung machen‹.10 Beim Geschehen handelt es sich um ein Springen, das auch unserer Vorstellung von Ursprung zugrunde liegt. Dementsprechend könnte man Blochs Passus so übersetzen: Die rätselhafte »Kraft«, die das Geschehene geschehen ließ, fällt mit seinem Ursprung zusammen, der seinerseits als ein Springen, als eine schnelle Wendung gedacht werden muss. Darüber hinaus bleibt in jedem Geschehenen ein Rest an Ursprung, der unterschwellig in uns fort- oder vorwärtstreibt. Das zwingt zur Einsicht, im Vergangenen steckt Zukünftiges, dessen Verwirklichung allerdings keineswegs automatisch vor sich geht, weil es auf die Kontingenz des gegenwärtigen Handelns eines neuen Menschen angewiesen ist. Das halb Geschehene kann insofern vollendet werden, als wir in ihm ein Weghaftes erschauen, d. h. einen weiter in die Zukunft zu verfolgenden Weg. So haben sich auch die »Kreuzzüge« – behauptet Bloch – »doch gewandelt«, denn das Gewesene kann nicht als »von uns unabhängig« (335) angesehen werden. Dieses neue Verhältnis zum Vergangenen setzt aber auch ein destruktives Moment voraus, wie Bloch explizit bemerkt: »Was niemals vergehen konnte, muß zerschlagen werden, was niemals ganz zu sich kam, muß gelöst und das nie ganz Geschehene in neuen Atemzügen vollendet werden« (ebd.). Keine Vollendung des Geschehenen demnach ohne das Zerschlagen des Tradierten! Zunächst muss die verkrustete, nicht vergehen wollende Gegenwart gesprengt, wie auch die als starr und unveränderlich erscheinende Vergangenheit in eine produktive Unruhe versetzt werden. Erst danach wird man sich dem unfertigen Geschehenen zuwenden können. Um diesen Prozeß näher zu begreifen, arbeitet Bloch ein besonderes

10 Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, hg. v. Wolfgang Pfeifer, Berlin (Akademie Verlag) 1993, S. 436.

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Bild heraus, das auch in Benjamins Passagenarbeit nicht zufällig eine zentrale Rolle spielen wird: das Bild des Erwachens. Freilich scheint das Vergangene fest geworden, eingeschlafen zu sein, da es sich, je länger wir daraus herausgetreten sind, mit zunehmendem Dunkel bedeckt. Aber das alles kann wieder erwachen, es ist fließend und schillernd geblieben und läuft unterirdisch weiter, es hat nichts Unveränderliches an sich wie Grabstätten oder bloße Unwiederbringlichkeiten oder auch wie irgend ein fertig Logisches, nur zu begreifen. Es besitzt als Vergehendes trotz der scheinbaren Fixierung zur Vergangenheit noch ein Heimliches, ein Element des Zukünftigen in sich, genau so wie auch die Fixierungen der Zukunft zur ruhenderen Gegenwart des Überblicks oder Werts noch immer Unentschiedenheiten, Alternativen, auf uns wartende, unbekannte Götter über sich haben. (Ebd.)

Hier arbeitet Bloch eine Dialektik heraus, die um die polaren Spannungen ›festfließend‹ und ›eingeschlafen-erwacht‹ kreist. Das Eingeschlafene kann deshalb wieder erwachen, weil es unterirdisch weiterläuft. Das heißt aber, es gibt keinen unmittelbaren Zugang zu ihm: Sein unterirdisches Weiterlaufen verweist auf einen Seinsmodus, der weder subjektiv noch objektiv, vielmehr dynamisch und unsichtbar ist. Keine Fixierung kann das Potenzial des Geschehenden vollständig erschöpfen. Daraus ergibt sich eine sehr anspruchsvolle Aufgabe für die Geschichtsphilosophie, die Bloch wie folgt bündig formuliert: Dieses weiter zu treiben, das Pochende, Unterdrückte, Zukünftige, das nicht werden konnte in all dem zähen Teig des Gewordenen, es reumütig zu lockern, in immer noch lebendiger, besserwissender Mitverantwortlichkeit, es vor allem auch wertgemäß zu beziehen, zu erleichtern und einzuschließen, ist die denkerische, geschichtsphilosophische Arbeit. (Ebd.)

Von einer geschichtsphilosophischen Arbeit ist hier die Rede, die allerdings der modernen Vorstellung von Geschichtsphilosophie zuwiderläuft, bedenkt man, dass ihr Hauptgeschäft von Vico und Hegel bis hin zu Kojève und Fukuyama darin besteht, dem Geschehenen einen normativen Sinn zu verleihen, die vergangenen Ereignisse – von jeder Spur an Kontingenz gereinigt – einem übersichtlichen begrifflichen Raster zu unterziehen, schließlich das geschichtliche Werden teleologisch – ohne Rest! – in eine bestimmte, keine Alternativen zulassende Richtung fließen zu lassen.11 Gerade diesen drei Operationen widersetzt sich Blochs mes11 »In der Geschichtsphilosophie wiederholt sich, was im Christentum geschah: das Gute, das in Wahrheit dem Leiden ausgeliefert bleibt, wird als Kraft verkleidet, die den Gang der Geschichte bestimmt und am Ende triumphiert. Es wird vergöttert, als Weltgeist oder doch als immanentes Gesetz. […] Die als Macht verkannte Ohnmacht wird durch solche Erhöhung noch einmal verleugnet, gleichsam der Erinnerung entzogen« (Max Horkheimer/Theodor W. Adorno: Dialektik der Aufklärung [1947], Frankfurt a. M. [Fischer] 1988, S. 236).

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sianische Geschichtsauffassung. Bei seiner motorisch-phantastischen Erkenntnistheorie handelt es sich also tatsächlich um eine kopernikanische Wendung der Geschichte, die – wie er selber schreibt – dem politischen Urteil zu einem klaren Vorrang vor dem historischen verhilft. Dieser geschichtsphilosophischen Arbeit hat sich Bloch in seiner 1921 veröffentlichten Studie über Thomas Münzer gewidmet. Hier experimentiert er mit einer ganz besonderen Art der Geschichtsschreibung, in deren Mittelpunkt »das produktive Schema des Eingedenkens«12 steht. Bevor wir auf das Münzer-Buch eingehen, müssen allerdings noch zwei weitere Facetten des Eingedenkens in Geist der Utopie erinnert werden: die phänomenologische und die religiöse. Bloch plädiert nämlich dafür, Husserls phänomenologische Methode mit einem besonderen Akt zu ergänzen, der deren Rahmen sprengt: [E]s [gibt], wobei allerdings eine ganz andere als die übliche, leidenschaftslos betrachterische Haltung einzunehmen wäre, irgendwie eine Beziehung der Phänomenologie zu dem Eingedenken, dem Gesolltsein, den ethisch-ontologischen Begriffen. (GdU 259)

Das Eingedenken wird damit mit einem ethisch-ontologischen Begriff gleichgesetzt, in dem eine Beziehung auf die eigentümliche Sphäre des Gesolltsein hergestellt wird.13 Bloch verwendet den ungewöhnlichen Ausdruck ›Gesolltsein‹ statt ›Sollen‹. Warum? Die Annahme liegt nahe, Bloch wollte damit auf ein bereits in der Vergangenheit angelegtes, seiner Einlösung noch harrendes Sollen anspielen. Das Vergangene begnügt sich nicht damit, ontologisch als Gegenstand der Archäologie, der Philologie oder der Geschichtswissenschaft betrachtet zu werden. Als noch nicht eingelöstes Gesolltes verlangt es, ethisch aufgewertet zu werden. Ein paar Seiten später bekräftigt Bloch seine These folgendermaßen: Das wäre dann, wobei also die übliche, leidenschaftslos betrachterische Haltung einer Liebeskraft sondergleichen gewichen wäre, die vollendete Beziehung der Phänomenologie zu dem Eingedenken, dem Gesolltsein, den ethisch-ontologischen Begriffen als der eigentümlichen Schicht keineswegs nur privat reflexiver Akte, obwohl ihnen die objektiv reale Erfüllung, zutiefst auch Erfüllbarkeit überhaupt noch fehlt. […] Auch das Eingedenken ist ohne vorheriges Denken und ohne die leidenschaftliche, Kierkegaardsche Lebenssorge des Subjekts nicht zu erreichen. (261) 12 Ernst Bloch: Thomas Münzer als Theologe der Revolution (1921), Gesamtausgabe, Bd. 2, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 1969, S. 14 f. 13 Kein Wunder, dass Bloch im weiteren Verlauf desselben Kapitels mit Vehemenz den Kantischen Vorrang des Sollens gegen Hegels Kritik verteidigt, besonders die These, nach der »das theoretische Sein abhängig sei von dem ethischen« (GdU, 288).

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Bloch, der den fruchtbaren Ertrag der phänomenologischen Analysen vor allem für eine gründliche Bedeutungsanalyse und angemessene Begriffsklärung zu schätzen weiß, steht allerdings der einseitigen Verabsolutierung der reinen, voraussetzungslosen Beschreibung der Sache selbst bei Husserl sehr kritisch gegenüber. Er hält eine Überwindung dieser Einseitigkeit für notwendig, und zwar durch eine »Revolution aller Erkenntnistheorie« (260): die Einbeziehung des ethischen Strebens in seinen paradigmatischen Gestalten, der »Liebeskraft« und der leidenschaftlichen »Lebenssorge«. Anders gewendet: Husserl muss um Kierkegaard ergänzt werden. Bedeutsam ist der zitierte Passus zudem wegen seines Bezugs auf Erfüllung bzw. Erfüllbarkeit: Gerade weil das Eingedenken als ein Sich-Besinnen auf das Gesolltsein oder auch als das »sich Vernehmen des Utopischen« (ebd.) bestimmt wird, stellt sich die phänomenologische Frage nach dem in jedem Erlebnis waltenden Verhältnis von Intention und Erfüllung.14 Diese Dialektik erweist sich angesichts des Eingedenkens als besonders kompliziert, da sie sich nicht einfach auf die ontologische Polarität ›Abwesenheit-Präsenz‹ zurückführen lässt. Im Eingedenken erlebt man nämlich so etwas wie eine Erfüllung in absentia. Das Gesollte löst sich nicht einfach in der Aufweisung eines Gegenwärtigen ein (sei es eines Gegenstandes oder einer Handlung), sondern eher in der Eröffnung einer Perspektive auf die Zukunft, die in Blochs Frühwerk apokalyptischen Charakter hat.15 Mit dieser utopischen Perspektive erschließt sich ein Übergang von der Phäno-menologie zur religiösen Erfahrung des Gebets, wie Bloch in Anlehnung an Malebranche beobachtet. Denn das Eingedenken erscheint als »das sich entgegen Sehen, bis das Ding sich darin entgegen sieht, oder wie Malebranche es ausdrückt, [als] die Aufmerksamkeit als das natürliche Gebet der Seele, […] die Entdeckung einer ontischen Phänomenologie, wie sie lediglich auf das keimende Innere der Dinge, auf eine universale Selbstbegegnung, Christusbegegnung in allen Teilen der Welt, zutiefst auf das moralische Innere, gerichtet wäre« (260).16 Schließlich

14 Den engen Zusammenhang von Eingedenken und Erfüllung betont Bloch noch 1967 mit folgenden Worten: »Zu dem Denken mit seinen logischen Formen kommt das Eingedenken hinzu, das sie füllt. […] Über den Inbegriff und den phänomenologischen neuen Akt des Eingedenkens unterhielt ich mich mit Husserl in Göttingen. Vielleicht hat er es verstanden, weil bei ihm apokryph Religiöses hereinspielte« (Landmann: »Gespräch mit Ernst Bloch« [Anm. 5], S. 27 f.). 15 Mit Geist der Utopie zielte Bloch darauf ab, »die im Tod vorgebildete und in alle Weissagungen eingeschlossene Apokalypse überhaupt noch in die Zeit ein[zu]beziehen« (GdU, 312), denn »die Apokalypse ist das Apriori aller Politik und Kultur, die sich lohnt so zu heißen« (341). 16 Genau denselben Ausdruck Malebranches zitiert bekanntlich Benjamin in seinem KafkaEssay: »Wenn Kafka nicht gebetet hat – was wir nicht wissen – so war ihm doch aufs höchste eigen, was Malebranche ›das natürliche Gebet der Seele‹ nennt – die Aufmerksamkeit« (GS II, 432). Es könnte sich dabei um eine unwillkürliche Erinnerung an seine Lektüre von Geist der Utopie handeln.

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bestimmt Bloch das Eingedenken als eine Art säkularisierte Form des Gebets, dessen Einsatz nichts anderes als die mystisch gefärbte »Selbstbegegnung« wäre. Kein Wunder, dass Geist der Utopie mit der Gleichstellung von Wahrheit und Gebet zu seinem Abschluss kommt. Die religiöse Erfahrung mit ihrem revolutionären Potenzial steht auch im Vordergrund von Blochs Münzer-Buch, für dessen Niederschrift gerade das Eingedenken die wesentliche Voraussetzung darstellte: [D]ie Geschichte [ist] mit Erinnerung allein nicht heraufzubringen, gesellt sich den Kategorien der Wirksamkeits- oder noch innerhistorischen Wertbeziehung nicht auch noch das Weiterleben, das schließliche Selbst- und Allbetroffensein, der eigentlichste »Neudruck«, das produktive Schema des Eingedenkens hinzu: als unbetrügliches, essentielles Gewissen für all das Ungeschehene, uns ewig Gemeinte, Unbetretene, geschichtsphilosophisch wohl zu Betretende im bereits Geschehenen […]. Die Toten kehren, wie im neuen Tun, so im neuanzeigenden Sinnzusammenhang wieder, und begriffene Geschichte […] ist keineswegs, wie bei Spengler, zerfallene Bilderfolge, keineswegs auch, wie im säkularisierten Augustinismus, ein festes Epos des Fortschritts und der heilsökonomischen Vorsehung, sondern harte, gefährdete Fahrt, ein Leiden, Wandern, Irren, Suchen nach der verborgenen Heimat; voll tragischer Durchstörung, kochend, geborsten von Sprüngen, Ausbrüchen, einsamen Versprechungen, diskontinuierlich geladen mit dem Gewissen des Lichts.17

Um Geschichte »im fruchtbaren Sinn«18 zu betreiben, erweist sich der Rekurs auf die Erinnerung aus Blochs messianischem Standpunkt als unzulänglich. Erinnerung ist nämlich Vergegenwärtigung dessen, was sich ereignet hat, d. h. des Gewesenen, während es Bloch dagegen darauf ankommt, »das Ungeschehene […] im bereits Geschehenen«19 heraufzubeschwören. Nun ist Eingedenken der Name jenes sich der Psychologie entziehenden Vermögens, welches das im Geschehenen Ungeschehene aufspüren und zum Ausdruck bringen kann. Ja, »die Toten kehren […] wieder«,20 jedoch nicht so, wie sie waren, also nicht, um feierlich in ein Museum der Niedergeschlagenen aufgenommen oder als Gegenstand andenkender Veranstaltungen rehabilitiert zu werden. Denn das würde letztlich – und trotz der gutgemeinten Absichten der sich dafür Engagierenden – auf eine verharmlosende Versöhnung mit vergangenem Unrecht hinauslaufen. Nein, die Toten kehren lediglich in den aktuellen Kämpfen wieder, zu Blochs Zeiten zuerst

17 18 19 20

Bloch: Thomas Münzer (Anm. 12), S. 14. Ebd., S. 9. Ebd., S. 14. Ebd.

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in der russischen, dann in der deutschen Revolution.21 Dementsprechend erweist sich die Erinnerung als unzureichend. Wie Bloch am Anfang seiner Studie schreibt: Wir »blicken […] hier keineswegs zurück«.22 Keine Erinnerung als Aufbewahrung des Vergangenen ist hier im Spiel, als ob das Gedächtnis an sich zum Rang eines unantastbaren Wertes erhoben würde, sondern die Freilegung eines im Geschehenen auf Erlösung wartenden Potenzials, denn, wie es in Geist der Utopie heißt, »wir werden erwartet« (GdU 345). Bezeichnenderweise redet Bloch von dem nicht innergeschichtlichen Beschlossen-Sein des Gewesenen. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, jedes Ereignis müsse als unabgeschlossen betrachtet werden, weil es in sich ein Potenzial bewahrt, das auf zukünftige Aktualisierungen verweist. Es gibt Zukunft in der Vergangenheit, wie Bloch in einem 1966 gehaltenen Vortrag behauptet.23

Walter Benjamins »Umfunktionierung« von Blochs Konzept des Eingedenkens Um Benjamins äußerst problematische Bloch-Rezeption angemessen zu würdigen, ist es hilfreich, mindestens zwei Phasen zu unterscheiden, die zueinander in einem nicht aufzuhebenden Spannungsverhältnis stehen. Die erste Phase beginnt Ende 1919 mit der aufmerksamen Studie von Geist der Utopie und der intensiven Arbeit an der leider verschollenen Rezension.24 Über diese Phase sowie über die entscheidende Rolle Blochs für Benjamins Hinwendung zu politischen Fragen ist bereits relativ viel recherchiert worden.25 Es gibt aber auch eine zweite, eher 21 »Nun stehen, großgewachsen, die Erben der Münzerschen Webergesellen und Tuchknappen auf dem revolutionären Plan, nicht mehr zu vertreiben. […] die Sprengung des Klassen- und Machtprinzips, die letzte irdische Revolution steht in Geburt. […] Aber strahlend erscheint uns daran Thomas Münzer in Bild und Absicht wieder, Liebknecht mannigfach verwandt, als unerbittlicher Organisator deutlich genug, um selbst Lenin und seinem Geschlecht nicht fernzustehen« (ebd., 110). 22 Ebd., S. 9. 23 Vgl. Ernst Bloch: »Gibt es Zukunft in der Vergangenheit?«, in: ders.: Tendenz-Latenz-Utopie (Anm. 7), S. 286–300, wo es u. a. heißt: »Die echte Tradition […] hat eine besondere Verwandtschaft und Affinität zu dem Werdenden, dem Heraufkommenden, dem Nichtvollendeten, dem Gestörten, dem durch äußere Umstände vor allem Mißratenen, dem Unabgegoltenen; in der Vergangenheit hat sie eine besondere Beziehung zu dem, was ich mögliche Zukunft in der Vergangenheit genannt habe« (ebd., S. 294). 24 Zu Benjamins persönlicher Begegnung mit Bloch im März oder April 1919 in der Schweiz (dank Hugo Balls Vermittlung) vgl. den Bericht von Gershom Scholem: Walter Benjamin. Geschichte einer Freundschaft, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 1975, S. 101–104. 25 In seinem Brief an Ernst Schoen vom 19. September 1919 gesteht Benjamin ein, dass Bloch – »der einzige Mensch von Bedeutung […], den ich in der Schweiz bisher kennen lernte« – ihn »endlich zur Vertiefung« in die Politik genötigt hatte. Über Geist der Utopie bemerkt er: »Ungeheure Mängel liegen zu Tage. Dennoch verdanke ich dem Buch Wesentliches und zehnfach

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untergründige Phase in Benjamins Bloch-Rezeption, die 1927 mit den ersten Notizen zur Passagenarbeit einsetzt und noch nicht angemessen untersucht wurde,26 vielleicht auch aufgrund der etlichen brieflichen Äußerungen Benjamins darüber, Bloch wäre ein unverschämter Plagiator.27 Dieses strenge Urteil erweist sich jedoch als ungerecht, wenn man berücksichtigt, wie viel Benjamin angesichts des Eingedenken-Motivs Bloch schuldet. Ungefähr sieben Jahre nach seiner Lektüre von Geist der Utopie erinnert sich also Benjamin an den Terminus ›Eingedenken‹, um es zum zentralen erkenntnistheoretischen Begriff seines neuen Unternehmens emporzuheben, wie eine Notiz aus den frühen Entwürfen über die Pariser Passagen belegt: »Was hier im Folgenden gegeben wird, ist ein Versuch zur Technik des Erwachens. Die dialektische, die kopernikanische Wendung des Eingedenkens (Bloch).« (GS V, 1006) Was Benjamin mit dieser »Wendung« meint, wird an einer anderen Stelle näher erläutert, die sich als eine ziemlich genaue Zusammenfassung von Blochs motorisch-phantastische Erkenntnistheorie deuten lässt: Die kopernikanische Wendung in der geschichtlichen Anschauung ist dies: man hielt für den fixen Punkt das ›Gewesene‹ und sah die Gegenwart bemüht, an dieses Feste die Erkenntnis tastend heranzuführen. Nun soll sich dieses Verhältnis umkehren und das Gewesene seine dialektische Fixierung von der Synthesis erhalten, die das Erwachen mit den gegensätzlichen Traumbildern vollzieht. Politik erhält den Primat über die Geschichte. (1057)28

Wie erklärt sich aber diese siebenjährige Latenzphase (1920–1927), in der Benjamin niemals das Eingedenken erwähnt? Warum taucht plötzlich der Termibesser als sein Buch ist der Verfasser« (GB II, 46 f.). Über den entscheidenden Einfluss Blochs auf Benjamin bemerkt Anson Rabinbach: »That it was Bloch who influenced Benjamin to reflect on the nature of politics is evident from his correspondence of 1919/1920. […] This [d. h. seine Bekanntschaft mit Bloch; S. M.] marks the beginning of his writings about politics – and not, as so often is claimed, his 1924 ›conversion‹ to Marxism. […] After his meeting with Bloch Benjamin was engaged in a constant preoccupation with politics – especially revolutionary politics« (»Between Enlightenment and Apocalypse. Benjamin, Bloch, and Modern German Jewish Messianism«, in: New German Critique 34 [1985], S. 115). 26 So schreibt z. B. Jean-Michel Palmier: »Für diese revolutionäre Dimension des Buches [das Thema des noch nicht bewussten Wissens in Geist der Utopie; S. M.] scheint Benjamin nicht empfänglich gewesen zu sein« (Walter Benjamin. Lumpensammler, Engel und bucklicht Männlein. Ästhetik und Politik bei Walter Benjamin, hg. u. mit einem Vorwort versehen v. Florent Perrier, Frankfurt a. M. [Suhrkamp] 2009, S. 262). 27 In seinem Brief an Scholem vom 24. Juni 1929 schreibt Benjamin z. B.: »Demnächst erscheinen zwei neue Bücher von Bloch ›Spuren‹ und ›Essays‹, in denen ein nicht geringer Teil meiner unsterblichen Werke, z. T. etwas ramponiert, der Nachwelt überkommt« (GB III, 469). Am 28. Oktober 1931 beklagt sich Benjamin bei Scholem darüber, dass seine Schriften für Bloch »eine Art Klau-Kammer« darstellen (GB IV, 61). 28 Diese sowie die vorhergehende Aufzeichnung wurden später von Benjamin ins Konvolut K (GS V, 490 f.) aufgenommen.

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nus ›Eingedenken‹ in Benjamins Texten auf, um sich zu einer charakteristischen Denkfigur herauszukristallisieren? Hier ist auf seine intensive Beschäftigung mit Proust Mitte der 1920er-Jahre einzugehen.29 Offenkundig hatte die leidenschaftliche Lektüre von Geist der Utopie in Benjamin tiefe Spuren hinterlassen. Eine dieser Spuren – diejenige, die mit dem Eingedenken assoziiert war – wurde von der Begegnung mit Prousts Idee der mémoire involontaire plötzlich reaktiviert. Benjamins Verwendung des Terminus Eingedenken ließe sich somit als ein exemplarischer Fall von unwillkürlicher Erinnerung betrachten! Gerade an Benjamins Umgang mit dem Eingedenken kann man überdies genau beobachten, wie Blochs motorisch-phantastische Erkenntnistheorie bestätigt wird. Denn was macht Benjamin Anderes, als das Eingedenken von seiner verkrusteten Gestalt bei Bloch zu befreien, um in ihm ein noch uneingelöstes Potenzial an geschichtsphilosophischen Kräften freizulegen? Der Zusammenhang zwischen Bloch und Proust wird übrigens von Benjamin explizit hergestellt: Was Proust mit dem experimentierenden Umstellen der Möbel meint, Bloch als das Dunkel des gelebten Augenblicks erkennt, ist nichts anderes als was hier in der Ebene des Geschichtlichen und kollektiv gesichert wird. Es gibt »noch nicht bewußtes Wissen« vom Gewesenen, dessen Förderung die Struktur des Erwachens hat. (1057 f.)

Blochs Eingedenken und Prousts mémoire involontaire gehen hier eine gegenseitige Synthese ein, deren Ergebnis eine eigentümliche Denkfigur ist, auf die Benjamin an entscheidenden Stellen seiner Schriften immer wieder zurückkommt. In dieser ersten Phase des Passagenprojekts war Benjamin bekanntlich noch auf der Suche nach einer Methode, in der vielfältige Ansätze zu einer originellen Perspektive zusammenschießen, die sich mitnichten auf die bloße Summe ihrer Ingredienzien reduzieren lässt: zu diesen Ansätzen zählen u. a. der Surrealismus, die Freud’sche Psychoanalyse, der historische Materialismus, Goethes Morphologie (durch die wesentliche Vermittlung Simmels) – und eben die messianische Geschichtsphilosophie Ernst Blochs. Ihr verdankt Benjamin jene wesentliche Stellungnahme, nach der die »Politik […] das Primat über die Geschichte [erhält]« und »die historischen ›Fakten‹ zu einem uns soeben Zugestoßenen« werden: »[S]ie festzustellen ist die Sache der Erinnerung« (1057).

29 Neben Proust hat auch die Freud-Lektüre – allerdings erst seit Anfang der 1930er-Jahre – einen wesentlichen Einfluss auf Benjamins Ausarbeitung eines topographischen Gedächtniskonzeptes gehabt. Vgl. Sigrid Weigel: Entstellte Ähnlichkeit, Frankfurt a. M. (Fischer) 1997, S. 27–51.

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Allerdings handelt es sich bei Benjamin nicht einfach darum, sich Blochs Begriff anzueignen, sondern vielmehr darum, diesen Begriff ›umzufunktionieren‹, ihn in einem heterogenen Gedankenzusammenhang fruchtbar zu machen. Auf den von Brecht geprägten Begriff der »Umfunktionierung« beruft sich Benjamin in seinem 1934 niedergeschriebenen Vortrag Der Autor als Produzent (GS II, 683–701). Damit meint er »die Veränderung von Produktionsformen und Produktionsinstrumenten im Sinne einer fortschrittlichen – daher an der Befreiung der Produktionsmittel interessierten, daher im Klassenkampf dienlichen – Intelligenz« (691). Benjamins Aneignung des Bloch’schen Eingedenkens kann insofern als ein Beispiel von Umfunktionierung angesehen werden, als er diesen Begriff von jeder Spur an zweideutiger Verstrickung mit einer Metaphysik der Innerlichkeit zu reinigen versucht. Hinter der Passagenarbeit verbirgt sich also eine weitgehende Abrechnung Benjamins mit Bloch, die seine nur unzulänglich überlieferte Kritik der frühen 1920er-Jahre vertieft und weiterführt. Ein wesentlicher Punkt dieser Abrechnung betrifft die Frage der Gnosis. Wie aus einem Brief an Ernst Schoen von Anfang Februar 1920 hervorgeht, war Benjamin sich dessen bewusst, dass Blochs Idee der Philosophie der seinigen »diametral entgegengesetzt«30 sei. Dieser fundamentale Gegensatz beruht auf Benjamins strenger Verwerfung von Blochs Gnostizismus. Denn es ist mit Jacob Taubes naheliegend, Geist der Utopie als eines der radikalsten Zeugnisse des Fortlebens gnostischer Vorstellungen im 20. Jahrhundert zu betrachten.31 Bloch gilt das Eingedenken als das entscheidende Medium jener Selbstbegegnung der Seele, die einen Akt der höchsten Gnosis ausmacht. Nicht von ungefähr erreicht Geist der Utopie seinen theoretischen Höhepunkt in einem Abschnitt mit dem Titel »Zur Metaphysik der Innerlichkeit«. Dass Benjamin diesem Ansatz kritisch

30 »Denn meinen eigenen Überzeugungen entspricht es [Blochs Geist der Utopie; S. M.] zwar in einigen wichtigen Darlegungen, […] nirgends aber meiner Idee der Philosophie. Zu ihr verhält es [sich] diametral entgegengesetzt. Aber der Autor steht, mehr als er weiß, über dem Buch. […] Was ich positiv diesem Buch verdanke, werden Sie aus der Kritik ersehen, auch in welchem Sinne mein Denken sich schleunig von ihm entfernt.« (GB II, 72 f.). 31 »Marcion als Impuls bleibt bis ins Spätwerk von Ernst Bloch erhalten. Schon bei Ernst Bloch ist das Interesse an Marcion durch den spezifischen Index seiner ›Modernität‹ geprägt. Modern ist an Marcion zuerst jener merkwürdige Gegensatz eines Innen, dem kein Außen, und eines Außen, dem kein Innen entspricht« (Jacob Taubes: Vom Kult zur Kultur, München [Fink] 1996, S. 175). »Ernst Bloch versteht sein Werk als ›Zeugnis revolutionärer Gnosis‹ – im Geiste des Urketzers Marcion, diesem bedeutendsten Interpreten des Apostel Paulus« (ders.: Der Preis des Messianismus, hg. v. Elettra Stimilli, Würzburg [Königshausen & Neumann] 2006, S. 54). Für einen hilfreichen Überblick auf die Diskussion um den schillernden Begriff der Gnosis vgl. Daniel Weidner: Gershom Scholem. Politisches, esoterisches und historiographisches Schreiben, München (Fink) 2003, S. 346–351.

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gegenüberstand, belegt nicht zuletzt seine dezidierte Zustimmung zu Salomo Friedlaenders heftiger Kritik gegen Blochs Buch.32 Im Unterschied zu Bloch versucht Benjamin, das Eingedenken vom Primat der Innerlichkeit zu befreien, indem er einerseits seinen unwillkürlichen Charakter in den Vordergrund stellt – damit aber mit einer deutlich surrealistischen Stellungnahme die metaphysische Bedeutung des Willens radikal infrage stellt –, andererseits aber auf seinen anthropologisch-materialistischen Zusammenhang mit dem Leib hinweist, wobei dieser Leib auch einen kollektiven Charakter haben kann. Das Eingedenken wird damit auf die Ebene des Kollektivs übertragen, mit einer Geste, die die Grenzen der Innerlichkeit rigoros sprengt33 und einen Zugang zur Welt und zur Politik erschließt. Während Blochs Frühwerk dazu neigt, den Körper, die Materie und die Welt als das Böse zu betrachten, damit aber dem Bösen einen eigenen ontologischen Bestand verleiht, vollzieht Benjamin eine komplexe doppelte Bewegung: Einerseits entwirft er schon 1917 eine Auffassung der Gerechtigkeit als Zustand der Welt. Demnach wäre die Welt keineswegs zu verwerfen, sondern als Manifestation der Gerechtigkeit zu bejahen.34 Andererseits aber spricht Benjamin dem Bösen jegliches Sein ab, und zwar sowohl im Sprach-Aufsatz als auch im Trauerspielbuch: Die Erkenntnis, zu der die Schlange verführt, das Wissen, was gut sei und böse, ist namenlos. Es ist im tiefsten Sinne nichtig, und dieses Wissen eben selbst das einzige Böse, das der paradiesische Zustand kennt. […] Geschwätz war die Frage nach dem Gut und Böse in der Welt nach der Schöpfung. (GS II, 152 u. 154)

Ein weiterer, hier nur kurz vermerkter Aspekt in Benjamins Abrechnung mit Bloch betrifft die Frage des Messianismus. Benjamins Auffassung setzt sich derjenigen Blochs insofern diametral entgegen, als er nicht von einer apokalyptischen Erwartung ausgeht, sondern das Apokalyptische geradezu ausblendet. Diese Geste hatte schon der junge Benjamin vollzogen, wie aus Scholems Tagebüchern

32 Über Friedlaenders Rezension (»Der Antichrist und Ernst Bloch«, in: Das Ziel 4 [1920], S. 103–116) schreibt Benjamin in seinem Brief an Scholem vom 1. Dezember 1920: »Eine höchst beachtenswerte, wesentliche Besprechung von Blochs Buch, welche dessen Schwächen mit großer Strenge an den Tag legt ist im letzten Ziel erschienen. Von S. Friedländer. Zu dieser werde ich mich wahrscheinlich im dritten Teil meiner ›Politik‹, welches die philosophische Kritik des Lesabéndio ist, äußern« (GB II, 109). Über Benjamins geplante Arbeit über Politik vgl. Uwe Steiner: Walter Benjamin, Stuttgart (Metzler) 2004, S. 74–81. 33 Man denke an den Begriff ›Leibraum‹ im Surrealismus-Aufsatz (GS II, 309). 34 Walter Benjamin: »Notizen zu einer Arbeit über die Kategorie der Gerechtigkeit«, in: Frankfurter Adorno Blätter 4 (1995), S. 41–51.

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hervorgeht: »Walter sagte einmal: ›Das messianische Reich ist immer da‹«35. Dieser Auffassung ist Benjamin bis zum Ende treu geblieben, wie der berühmte Anhang B zu den Geschichtsthesen belegt, nach dem jede Sekunde »die kleine Pforte« wäre, »durch die der Messias treten« kann (GS I, 704). Aus diesem schematischen Vergleich zwischen Benjamin und Bloch ergibt sich, dass sich Benjamin den Bloch’schen Grundgedanken einer Aktualisierung der im Vergangenen schlummernden Potenzialitäten zwar aneignet, jedoch ihn einer kritischen Umfunktionierung unterwirft, die einer fruchtbaren Rettung gleichkommt. Demzufolge wäre die These vielleicht nicht zu gewagt, »das größte Verdienst von Blochs Geist der Utopie« bestehe wohl nicht so sehr darin, »die politische Bedeutung der Theokratie mit aller Intensität« (GS II, 203) zu leugnen, als vielmehr darin, das Eingedenken als originelles erkenntnistheoretisches Konzept eingeführt zu haben.

35 Gershom Scholem: Tagebücher nebst Aufsätzen und Entwürfen bis 1923, Bd. 2, hg. v. Karlfried Gründer/Herbert Kopp-Oberstebrink/Friedrich Niewöhner, unter Mitwirkung von Karl E. Grözinger, Frankfurt a. M. (Jüdischer Verlag) 2000, Eintrag v. 3. November 1917, S. 70 (vgl. auch ebd., S. 203).

Stephanie Baumann

»Here goes B. wrong« Siegfried Kracauers Anmerkungen zu Benjamins »Über den Begriff der Geschichte«1 Walter Benjamins Name taucht in Kracauers fragmentarisch gebliebenem Spätwerk History – The Last Things before the Last (1969)2 nur wenige Male auf, jedoch finden sich unter den Materialien und Vorarbeiten zu diesem Werk, die in seinem Nachlass im Deutschen Literaturarchiv in Marbach aufbewahrt werden, einige Lektürenotizen zu Benjamins Thesen »Über den Begriff der Geschichte«. Ein Briefumschlag mit Karteikarten versammelt eine Reihe von Kommentaren, die es erlauben, Kracauers Blick auf diesen Text zu rekonstruieren. Dies erscheint umso interessanter, als es sich hier um die Rezeption eines sehr gut informierten zeitweiligen Weggefährten und Schicksalsgenossen handelt, der sich als Überlebender in den 1960er Jahren, etwas mehr als zwei Jahrzehnte nach der Entstehung von »Über den Begriff der Geschichte«, manchen ihrer einst gemeinsamen Fragestellungen erneut zuwendet. In seinen Lektürenotizen zeigt sich Kracauer kritisch gegenüber einigen Aspekten der Benjamin’schen Historismuskritik, welche dieser unter dem Eindruck des Hitler-Stalin-Paktes formulierte. In der publizierten Fassung von History wird Benjamin von Kracauer hingegen in erster Linie zustimmend zitiert, insbesondere dessen Zweifel an einem überkommenen Fortschrittsbegriff, die Kracauer im Wesentlichen teilt. Trotz dieser Übereinstimmung unterscheiden sich Kracauers und Benjamins Zeitkonzeptionen, die dieser Fortschrittskritik zugrunde liegen, in entscheidenden Punkten. Kracauers Geschichtsdenken, das er in History entwickelt, wirkt so wie eine eigentümliche Profanisierung der Benjamin’schen Geschichtskonzeption. Die legendarische Figur des Ahasver, des »ewigen Juden«, die in Kracauers Reflexionen über das »Rätsel der Zeit« in History aufgerufen wird, setzt diese, gleich einer Art Antwort auf Benjamins Angelus Novus, eindrucksvoll ins Bild. 1 Dem Suhrkamp-Verlag danke ich für die Zitiergenehmigung aus dem Kracauer-Nachlass (Deutsches Literaturarchiv Marbach), künftig zitiert als KN-DLM. Daniel Weidner danke ich für seine Anmerkungen. 2 Siegfried Kracauer: Geschichte – Vor den letzten Dingen, Werke, Bd. 4, hg. v. Inka MülderBach/Ingrid Belke, unter Mitarbeit v. Sabine Biebl, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 2009. (Ders.: History – The Last Things before the Last, New York [Oxford University Press] 1969; fortan mit der Sigle H u. Seitenzahl abgekürzt).

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»Hence the need for critical history« Kracauers Anmerkungen zu Benjamins »Über den Begriff der Geschichte« beziehen sich in erster Linie auf dessen Kritik am sogenannten »Historismus«, mit der Kracauer zwar einverstanden ist, die er jedoch an einigen Stellen, gemäß seiner eigenen, filmisch orientierten Geschichtstheorie zu differenzieren sucht. Ein zentrales Argument Benjamins gründet auf dessen Überzeugung, dass sich der ›Historist‹ grundsätzlich mit der Tradition der Herrschenden gemein mache, wenn er sich, um ›die‹ Geschichte zu erzählen, in diese einfühle. (GS I, 696) Kracauer ist mit der Grundannahme nicht einverstanden, wonach die Einfühlung in eine vergangene Epoche, wie Fustel de Coulanges sie dem Historiker nahelegt, unausweichlich eine Einfühlung in die Herrschenden zur Folge haben müsse. Benjamin führt die kontemplative Haltung des positivistischen Historikers, der sich einer angeblichen methodologischen Unschuld verpflichtet sieht, auf dessen »Trägheit des Herzens« zurück, auf eine Passivität, die sich in der prinzipiellen Akzeptanz der Gegenwart wiederholt. (Ebd.) »Here goes B. wrong«, notiert Kracauer in den Vorarbeiten dazu auf einer Karteikarte und fordert stattdessen für den Historiker eine Haltung der »aktiven Passivität«. Sein Idealhistoriker nimmt in History nicht nur die Gestalt des Photographen an, der gleich einer Kamera eine »registrierende« Funktion hat, sondern auch (in Anlehnung an Alfred Schütz »The Stranger«) die des hellsichtigen Fremden oder Exilanten, der seine Neutralität aus der Nicht-Verbundenheit mit der jeweiligen Gesellschaft oder Epoche bezieht, in die er sich begibt, und so einen Zuwachs an Objektivität verbuchen kann.3 Der Historiker bedarf dazu allerdings auch der gesteigerten Rezeptivität eines »Mystikers«, der sich auf seiner Reise in die Vergangenheit seines Selbst vorrübergehend zu entledigen vermag, um unvoreingenommen aufnehmen zu können, was das historische Material an Botschaften zu vermitteln hat.4 Erst in einem zweiten Schritt, wenn er wie Orpheus aus der Unterwelt zurückkehrt, muss er zu sich selbst zurückfinden und das Neue in das Bekannte integrieren, von der passiven Selbstaufgabe zu einer aktiven Selbsterweiterung gelangen, um (auf der Grundlage nunmehr informierter Subjektivität) im Heute etwas von der Vergangenheit mitteilen zu können, das noch nicht bekannt ist.

3 Siegfried Kracauer: Vorarbeiten, Entwürfe, Materialien, KN DLM (72.3525/5). Alfred Schütz: »The Stranger«, in: The American Journal of Sociology 49 (1944) 6, S. 499–507. Kracauer: Geschichte (Anm. 2), S. 96. (H, 84). 4 Auch der Photograph oder Filmregisseur bedient sich der Einfühlung, wenn er seine Bildausschnitte auswählt, wie Kracauer schreibt. Es gibt keine neutrale Wiedergabe der Wirklichkeit. Die Fähigkeit zur Selbstentfremdung eignet jedoch besonders dem Melancholiker, der gegenüber fremden Erscheinungen so durchlässig ist, weil er sich von ihnen eine Erleichterung seiner düsteren Stimmung erhofft. Vgl. Siegfried Kracauer: Theorie des Films, Werke, Bd. 3, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 2005, S. 82 f.

»HERE GOES B. WRONG«

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Benjamin und Kracauer legen also ein unterschiedliches Verständnis davon zugrunde, auf welche Gegenstände sich die Einfühlung des Historikers richtet und was er mit dieser bewirkt. Dennoch nuanciert Kracauer seinen Einwand dahingehend, dass Benjamin zwar die Nichtbeachtung der Ausgebeuteten und Schwachen durch die Historiker übertreibe. Er gibt ihm aber Recht darin, dass die Geschichtsschreibung nur dann zu Essenziellem vorzudringen vermöge, wenn sie sich abseits der »highways« bewege und sich nicht-»offiziellen« Sichtweisen der Geschichte öffne.5 Wie Benjamin fordert er besondere Aufmerksamkeit für das Vergessene, die unbeachteten Möglichkeiten, für eine Sichtweise, die in Rechnung stellt, dass die Geschichte auch anders hätte verlaufen können und dass dieses Andere der Rettung bedarf. »Consider also that, if the past demands to be saved & preserved for the day of final reckoning, it is the forgotten rather than triumphant events which call for resurrection.«6 Er deutet nichtsdestotrotz auf einen Widerspruch in Benjamins Argumentation hin, wenn er ein Zitat aus der dritter These zu der Figur des Chronisten notiert: »Der Chronist, welcher die Ereignisse hererzählt, ohne große und kleine zu unterscheiden, trägt damit der Wahrheit Rechnung, daß nichts, was sich jemals ereignet hat, für die Geschichte verloren zu geben ist.« (694) Kracauer kommentiert: »This is also an adequate defense of historism which B. repudiates.«7 Ein weiterer Einwand betrifft Benjamins »Stillstellung« der Geschichte im dialektischen Bild. Benjamins historiographisches Programm gründet bekanntlich nicht auf großen Zusammenhängen, die sich aus dem Fluss der homogenen Zeit ergeben, sondern stellt zwei isolierte Zeitpunkte ins Zentrum, die der Historiker zueinander in Beziehung setzt. Wenn Benjamin von dem Historiker fordert, sich der Bedeutung der »Jetztzeit« gewahr zu werden, die »von einem bestimmten historischen Ereignis ›gemeint‹ ist«, benutzt er die berühmte Metapher des Aufblitzens, die in Anhang A der Thesen auf das messianische Element seines Denkens verweist (vgl. GS V, 576 f.). Kracauer bezieht sich nun auf die 14. These, in der Benjamin die Idee einer Stillstellung der historischen Zeit illustriert: »So war für Robespierre das antike Rom eine mit Jetztzeit geladene Vergangenheit, die er aus dem Kontinuum heraussprengte.« (GS I, 701) Kracauer notiert dazu einen zweiten Passus, aus der 16. These: »Der Historismus stellt das ›ewige‹ Bild der Vergangenheit, der historische Materialist eine Erfahrung mit ihr, die einzig dasteht.« (702) Wie sein Kommentar zeigt, ist für ihn keinesfalls erwiesen, dass Robespierres Konzeption des alten Roms eine historische Wahrheit

5 Kracauer: Vorarbeiten (Anm. 3). 6 Ebd. 7 Ebd. Der Widerspruch löst sich auf, wenn man die theologische Wendung des Gedankens berücksichtigt: »Freilich fällt erst der erlösten Menschheit ihre Vergangenheit vollauf zu.« (GS I, 694).

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transportierte. Er fürchtet hier vielmehr das Umkippen eines solchen Gebrauchs der Geschichte in Apologetik oder gar Propaganda: »Benjamin’s notion of history runs the risk of resulting in a misuse of history rather than its redemption. On this view, the historism he scorns – who would not? – is quite justified. At least historism really tries to rescue the past from oblivion.«8 Eine letzte Anmerkung von Kracauer zielt in dieselbe Richtung, d. h. gegen Benjamins Kritik an Rankes Diktum des ›erkennen, wie es eigentlich gewesen‹ in der 6. These: »Vergangenes historisch artikulieren heißt [...] sich einer Erinnerung bemächtigen, wie sie im Augenblick einer Gefahr aufblitzt.« (695) Kracauer äußert Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit solcher Erinnerungsblitze, da sie in die Irre führen können: »But the memory flash at a moment of danger may or may not lead one astray.«9 Benjamin scheint sich des Einwands bezüglich der Unzuverlässigkeit des Gedächtnisses bewusst gewesen zu sein, ist eine Übertragung der Proust’schen (und Freud’schen) Erinnerungstheorie von der individuellen auf die kollektive Geschichte doch nicht unproblematisch, wenn offen bleibt, wie die historiographische Konstruktion des historischen Materialisten und das sprengende Eingreifen der unterdrückten Klasse im Geschichtsverlauf zusammenhängen.10 Konsequenz ist für Kracauer eine Bekräftigung des Ranke’schen Diktums und die Forderung nach einer kritischen Geschichtswissenschaft: »In order to find out about its truth, one will have to learn, ›wie es eigentlich gewesen ist‹. Hence the need for critical history.«11

Zwei antichronologische Zeitmodelle Benjamin lehnt nicht nur die positivistische Methode ab, als deren Vertreter er Ranke oder Fustel de Coulanges nennt, er stößt sich auch an einem »sturen« Fortschrittsbegriff, der die Politiker der deutschen Sozialdemokratie gegenüber dem Aufstieg des Nationalsozialismus blind gemacht habe. Ihrem Fortschrittsdenken liegt nach Benjamin eine lineare Vorstellung von Zeit zugrunde, die mit einer chronologischen, an Kausalitäten orientierten Geschichtskonzeption einhergeht. Kracauer ist damit vollkommen einverstanden und evoziert 8 Kracauer: Vorarbeiten (Anm. 3). Vgl. dazu auch ders.: Geschichte, S. 85. (H, 75). Diesen Einwand entkräftete Michael Löwy mit dem Hinweis, dass es sich bei Benjamin nicht zufällig um ein fragiles, nur einen Moment lang sichtbares Bild handelt. (Michael Löwy: Walter Benjamin. Avertissenment d’ incendie. Une lecture des thèses ›Sur le concept d’ histoire‹, Paris [PUF] 2001, S. 50). 9 Kracauer: Vorarbeiten (Anm. 3). 10 Vgl. Jeanne Marie Gagnebin: »Über den Begriff der Geschichte«, in: Burkhardt Lindner (Hg.): Benjamin-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung, Stuttgart/Weimar (Metzler) 2006, S. 284–299, hier S. 291 u. 294. 11 Kracauer: Vorarbeiten (Anm. 3).

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Benjamin in dem Kapitel über »Das Rätsel der Zeit«: »Wie Walter Benjamin scharfsinnig bemerkt, ist die Idee eines Fortschritts der Menschheit vor allem deshalb unhaltbar, weil sie unlöslich verbunden ist mit der Idee der chronologischen Zeit als Matrix eines bedeutungsvollen Prozesses.«12 Im Guide to History13 notiert er zusätzlich folgendes Zitat aus Benjamins 8. These: »Die Kritik an der Vorstellung dieses Fortgangs muss die Grundlage der Kritik an der Vorstellung des Fortschritts überhaupt bilden.« (GS I, 701) Benjamin wie Kracauer lehnen die Vorstellung von kontinuierlicher Zeit als Voraussetzung des Fortschrittdenkens zwar beide ab, jedoch setzen sie ihr jeweils Unterschiedliches entgegen: Benjamin das Konzept der messianisch aufgeladenen »Jetztzeit«, Kracauer die paradoxe Vorstellung von einer unauflöslichen »Antinomie der Zeiten«. Wenn Kracauer in History seine Kritik an der Chronologie entfaltet, greift er auf Positionen zurück, die zuerst von Henri Focillon in der Kunstgeschichtsschreibung entwickelt wurden: in La vie des formes (1943), ein Werk, das auch in Benjamins Manuskripten zu »Über den Begriff der Geschichte« auftaucht. (WuN 19, 149) Focillons Thesen wurden von George Kublers Schrift The Shape of Time weiterentwickelt, die Benjamin nicht mehr kennen konnte, da sie erst 1962 erschien. Sie hat jedoch Kracauers Kritik am homogenen Zeitfluss als Ausgangspunkt historischer Sinnbildung entscheidend geprägt, und er beruft sich in History so ausführlich auf die beiden Kunsthistoriker, dass einige Bemerkungen zu ihren Zeitkonzeptionen zum Verständnis seiner Position notwendig sind. Focillon fragt in La vie des formes, wie die Entwicklung künstlerischer Formen in der Zeit erfasst werden kann. Sie durchlaufen ihm zufolge, wie es der Titel seines Werkes suggeriert, eine Reihe von »Altern«, die jedoch nur auf den ersten Blick an Spengler erinnern. Denn Focillon hält die Idee einer »Evolution« für »gefährlich«, da sie einen einförmigen Verlauf der (Kunst)geschichte suggeriert und der revolutionären Energie der Künstler keinen Platz einräumt.14 Unterschiedliche Stile können nach Focillon gleichzeitig existieren, in ein und derselben geographischen Region. Sie entwickeln sich, je nach Kunsttechnik, nicht auf die gleiche Weise. Das »Leben« eines Stils, das die Geschichtsschreibung abbildet, ist für ihn ein dialektischer, experimenteller Prozess, der jedoch nicht dem Zufall unterworfen ist, sondern Regeln folgt, die den Stilen selbst innewohnen, oder jenen Regionen des »Geistes«, in denen sie ihren Sitz und ihr Zentrum haben.15 12 13 14 15

Ders.: Geschichte (Anm. 2), S. 166. (H, 149 f.). Ders.: Guide to History, KN DLM (72.3525/1). Henri Focillon: La vie des formes (1943), Paris (PUF) 2010, S. 12. Ebd., S. 16. Die vier Alter (das experimentelle und das klassische Alter, das Alter der Verfeinerung und das barocke Alter) beschreiben keine aufsteigende Linie, sondern ein Stil endet, während ein neuer beginnt. Der menschliche ›Geist‹ ist nach Focillon gezwungen, dieselbe Suchrichtung stets aufs Neue zu beginnen. Je nachdem, ob sich ein Stil in der römischen, gothischen oder humanistischen Kunst wiederfindet, durchläuft er Metamorphosen, er ist plastische Materie.

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Benjamin zitiert in einem Manuskript zu »Über den Begriff der Geschichte« Focillons Definition des ›klassischen Stils‹, der für ihn eine »mögliche Definition der messianischen Stillstellung des Geschehens« darstellt. Focillon beschreibt diesen Stil als kurzen, wundergleichen Moment des Glücks, in dem sich die Formen in vollkommenem Gleichgewicht befinden, die Waage sich nicht im Zustand der absoluten Fixiertheit befindet, sondern in jenem zögerlicher Immobilität, und mit kaum wahrnehmbarem Zittern anzeigt, dass sie »lebt«. Ein zweites Zitat folgt in Benjamins Entwurf, das auf die aktive Unterbrechung des geschichtlichen Verlaufs abhebt. Focillon spricht von dem Entstehungsmoment eines Kunstwerks, der ein Phänomen der Unterbrechung darstelle und verweist dabei auf den französischen Ausdruck faire date (Epoche machen, Geschichte machen), der Benjamin für die Konzeption der Jetztzeit wichtig erschien: »A l’instant où elle [l’œuvre d’art] naît, elle est phénomème de rupture. Une expression courante nous le fait vivement sentir: ›faire date‹, ce n’est pas intervenir passivement dans la chronologie, c’est brusquer le moment.«16 Das letzte Kapitel von Focillons Abhandlung handelt von den Formen in der Zeit. Focillon schreibt dort über den »Zeitpunkt«, über ein historisches »Datum«: Une même date étreint l’extrême diversité des lieux, l’extrême diversité de l’action et, dans le même lieu, des actions très diverses encore, l’ordre politique, l’ordre économique, l’ordre social, l’ordre des arts. L’historien qui lit en succession lit aussi en largeur, en synchronisme, comme le musicien lit une partition d’orchestre […].17

Der Zeitfluss wird von Focillon also mit einer Partitur verglichen, die dem Historiker zu entziffern aufgegeben ist. Dieses Bild stach nun wiederum Kracauer ins Auge, verweist es doch auf seine Konzeption einer morphologischen, d. h. nicht homogenen Geschichtszeit, in der sich die unterschiedlichen historischen »Bereiche« nach unterschiedlichen Zeitplänen entwickeln. Die Zeit ist bei Focillon mal beschleunigt, mal gestaucht. Chronologie dient nicht dazu, die Gleichförmigkeit der zeitlichen Bewegungen zu messen, sondern ihre unterschiedliche Länge.18 Gleichzeitigkeit ist für ihn eine irrelevante Kategorie, da gleichzeitige Kunstereignisse verschiedenen Altern angehören können.

16 Ebd., S. 24. 17 Focillon: La vie des formes (Anm. 14), S. 86. 18 »[T]antôt à ondes courtes, tantôt à ondes longues, et la chronologie sert, non à prouver la constance et l’isochronie des mouvements, mais à mesurer la différence de longueur d’ondes.« Ebd., S. 87.

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Kracauer stützt sich zur Erläuterung seiner eigenen Zeitkonzeption in History aber zusätzlich auf George Kublers The Shape of Time.19 Auch Kubler stellt die Frage, ob das Kunstwerk, das durch singuläre Formqualitäten bestimmt ist, als Ausdruck einer allgemeinen Zeitströmung verstanden werden könne. Ausgehend von der Idee, dass einzelne Kunstwerke oder deren Teile als Lösungsketten bestimmter Probleme oder Antworten auf Bedürfnisse gedeutet werden müssen, die auch anderen Werken eigentümlich sind, tauchen sie in (formalen) Sequenzen, Werkgruppen oder Werkfolgen auf. Wie bei Focillon ist bei Kubler weniger das Datum des Auftauchens, als das Alter eines Kunstwerkes innerhalb einer solchen Sequenz, die Position innerhalb der Kette von »Lösungen« von Bedeutung. Damit zieht er eine zweite Zeitebene in den diachronen Ablauf der Sequenzen ein, die diskontinuierlich sind, unterbrochen oder neu aufgegriffen werden. Kublers Entwicklungsgedanke gründet nicht auf einer Fortschrittskonzeption, sondern auf der Beziehung zwischen Problem und Sequenz. Probleme können verschieden gestellt und gelöst werden, sie können ruhen und zu neuer Aktivität gelangen.20 Somit gibt es im Geschichtsverlauf nicht nur eine Art der Temporalisation, sondern Kontinuitäten wie Diskontinuitäten. Kracauer überträgt diese Ideen aus der Kunstgeschichte auf die allgemeine Geschichte. Ereignisse, denen man zu einem gegebenen Zeitpunkt begegnet, sind seiner Auffassung nach gemeinhin nur »im formalen Sinn gleichzeitig«. Der gleichförmige Zeitfluss einer homogenen Zeit wird von »geformten Zeiten« der verschiedenen Bereiche »überschattet«.21 Er vergleicht Zeiträume mit der Beschaffenheit des menschlichen Individuums, das sich, so zitiert er Gustave Lenôtre, erstaunlich oft zum Familienvater wie zum Terroristen gleichermaßen eigne. Chronologie vermag daher nichts über die Beziehungen zwischen einzelnen Ereignissen auszusagen. Kracauer schlussfolgert, »dass der Zeitraum sozusagen vor unseren Augen zerfällt«. An die Stelle einer »sinnerfüllten raumzeitlichen Einheit« tritt der Zeitraum als eine »Art Treffpunkt für Zufallsbegegnungen – wie etwa der Wartesaal eines Bahnhofes«.22 Jenseits der gemeinsamen Fortschrittskritik geht es Kracauer bei seiner AntiChronologie also um anderes als Benjamin. Wird bei diesem die chronologische

19 George Kubler: The Shape of Time, Remarks on the History of Things, New Haven/London (Yale University Press) 1962. 20 In den Vorarbeiten zu History äußert Kracauer durchaus auch Kritik an Kubler, so etwa an der Vorstellung, wonach künstlerische Innovationen stets Antworten auf spezifische »Bedürfnisse« oder Probleme seien, die bestimmte Lösungen forderten. Auch kritisiert er Kublers Idee von »Werkketten«, bzw. den Vergleich von historischen Prozessen mit »Eisenbahnnetzen«, welche dem Künstler unterschiedliche Einstiegsmöglichkeiten bieten ab »a faint trace of Hegelianism«. Kracauer: Vorarbeiten (Anm. 3). 21 Ders.: Geschichte (Anm. 2), S. 163. (H, 147). 22 Ebd., S. 166. (H, 150).

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Erzählung durch das »dialektische Bild« abgelöst, betont Kracauer die Rolle des Zufalls, die Diskontinuitäten im Geschichtsverlauf und propagiert ein räumlich bestimmtes Geschichtsbild.23 Jakob Burckhardt wird als Beispiel eines an Querdurchschnitten interessierten Historikers genannt. Laut Kracauer versucht dieser, in seinen Renaissance-Studien die Flut der Zeit gleichsam anzuhalten, wenn er die Sphären des Staates, der Kunst oder der Religion als Bereiche mit jeweils ganz eigenen zeitlichen Entwicklungen vorstellt. Kracauer weist jedoch schließlich auf das Scheitern dieses Vorhabens hin: Letztlich sei Burckhardt doch von dem Wunsch beseelt, eine gewisse Idee zur Anschauung zu bringen – die Renaissance als Geburt des säkularen Individuums. Damit strebe auch bei ihm Chronologie wieder »im Verein mit dem totalen Geschichtsprozess nach Signifikanz«.24 So sieht er sich gezwungen, seine Ablehnung eines linearen, homogenen Zeitflusses, die ihn mit Benjamin verbindet, zu nuancieren: Gleichzeitige Ereignisse, räumt er ein, können sich sehr wohl zu dem »gemeinsamen Muster« einer Epoche vereinen, auch wenn der Zufall sie zusammenbringt.

Ahasver, eine Antwort auf den Angelus Novus? Diesen Einwand erhebt Kracauer in einem zweiten Schritt seiner Argumentation gegen den – wie er sagt – undialektischen Ansatz Benjamins, der die Chronologie verwerfe, ohne ihre mögliche Bedeutsamkeit in Betracht zu ziehen. In »Über den Begriff der Geschichte« konzentriere sich Benjamin ausschließlich auf das »Unwesen« der chronologischen Zeit, ohne zu berücksichtigen, dass sie unter Umständen auch bedeutsam sein könne.25 Problematisch erscheint Kracauer, dass diese grundsätzliche Ablehnung der Chronologie Zeit nur als sich selbst gleichgültige Chronologie reproduziere. Es sei zutreffender, von der »Koexistenz des Gleichzeitigen und des Ungleichzeitigen« auszugehen.26 Kracauers Vorstellung von Zeiträumen als antinomischen Wesenheiten verbindet also widersprüchliche Zeitvorstellungen: Auch wenn in Zeiträumen Ereignisse zusammentreffen, die unterschiedlichen Zeitplänen zugeordnet werden

23 Vgl. dazu Arnd Hoffmann: Zufall und Kontingenz in der Geschichtstheorie, Frankfurt a. M. (Vittorio Klostermann) 2005. Hans Blumenberg zeigte sich in einem Brief mit Kracauers Konzept einer morphologischen Geschichtszeit sehr einverstanden und brachte sie mit Giordano Brunos kosmologischen Reflexionen in Verbindung. Vgl. Hans Blumenberg an Siegfried Kracauer, 22.12.1964, KN DLM (ohne Zugangsnummer). 24 Kracauer: Geschichte (Anm. 3), S. 168. (H, 152). 25 Ebd., S. 171. (H, 155). 26 Vgl. dazu Johann Kreuzer: »Augenblick und Zeitraum. Zur Antinomie geschichtlicher Zeit«, in: Michael Kessler/Thomas Y. Levin (Hg.): Siegfried Kracauer. Neue Interpretationen, Tübingen (Stauffenburg) 1990, S. 159–170, hier S. 160.

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können, wie Henri Focillon und George Kubler hinsichtlich der Kunststile vorschlagen, sind sie dem homogenen Zeitfluss nicht völlig enthoben. Entscheidend ist für Kracauer, dass in jedem Zeitraum Zeitlichkeit auf eine ihm eigene Weise erfahren wird, die sich von den Zeiterfahrungen in anderen Zeiträumen unterscheidet. »Konfigurationen von Ereignissen« treten in einem Raum zusammen, die unterschiedlichen Reihen mit verschiedenen Zeitplänen angehören.27 Neuralgischer Punkt dieser Zeitkonzeption sind die Übergänge zwischen den Zeiträumen – nur durch Sprünge von einem zum anderen sind nach Kracauer die Kluften zwischen ihnen zu überwinden. Damit kann er (wie Benjamin) von der so wichtigen Erfahrung »absoluter Neuheit«, von der spontanen Erzeugung von Gedanken und Ideen sprechen. Ein Zeitraum als auftauchendes »Ereignis« in Henri Focillons Sinne kann tatsächlich »aus dem Nichts« entstehen. Historische Brüche spielen damit in Kracauers Geschichtsdenken eine genauso große Rolle wie bei Benjamin. Er fragt sich jedoch, ob und wie die Antinomien der Zeit theoretisch und praktisch zur Aussöhnung gebracht werden könnten. In Benedetto Croces Teoria e storia della storiografia (1917) sieht er den gescheiterten Versuch eines solchen Unternehmens, wenn dieser den absoluten, transzendenten Weltgeist, wie Hegel ihn postuliert, durch eine Reihe disparater Geister ersetzt, die (ähnlich wie bei Kubler) auf spezifische historische Konstellationen »antworten«. Die Frage nach der Verbindung der separaten Zeiträume wird jedoch bei Croce nicht aufgeworfen.28 Eine wichtigere Rolle spielt daher für Kracauer Proust. Er zeigt anhand von A la recherche du temps perdu, wie Chronologie und Anti-Chronologie in Übereinstimmung gebracht werden können. An die Stelle des kontinuierlichen Geschichtsprozesses tritt laut Kracauer durch Prousts Erzähltechnik eine diskontinuierliche Ansammlung von Zeiträumen, die sich wie »Wolken« »auf zufällige Weise ballen und zerstreuen«.29 Sie entsprechen den Projektionen des jeweiligen Ichs, an das sich Marcel erinnert. In diesem Kontext befasste sich Kracauer mit Hans Robert Jauß’ Dissertationsschrift Zeit und Erinnerung,30 derzufolge das Kompositionsprinzip der Recherche in der Verschränkung zweier Erzählrichtungen gründet: dem »Weg vorwärts« des erinnerten Ichs und dem »Weg zurück« der Wieder-Erinnerung durch das erinnernde Ich in die Vergangenheit. So entsteht nach Jauß eine zirkuläre Erzählstruktur, bei der die unwillkürlich im Erzähler

27 28 29 30

Kracauer: Geschichte (Anm. 2), S. 172. (H, 155). Ebd., S. 175 f. (H, 159). Ebd., S. 177. (H, 160). Hans Robert Jauss: Zeit und Erinnerung in Marcel Prousts »A la recherche du temps perdu«. Ein Beitrag zur Theorie des Romans, Heidelberg (Carl Winter) 1955. Zu Kracauers Kontakten zur Forschungsgruppe Poetik und Hermeneutik vgl. meine Dissertation: Stephanie Baumann: Im Vorraum der Geschichte. Siegfried Kracauers History – The Last Things before the Last, Paderborn (Konstanz University Press) 2014, S. 53–61.

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aufsteigenden Erinnerungsbilder, wie nun Kracauer schreibt, als »Großaufnahmen« zur Darstellung gelangen.31 Die lineare Zeit erscheint so kaleidoskopisch als Mosaik destruiert, um dann jedoch in einen neuen übergeordneten Zusammenhang eingebunden zu werden: Die evozierten Einzelsituationen werden »in eine Erzählung eingeblendet, die Marcels aufeinanderfolgende Identitäten in chronologischer Ordnung spiegelt.«32 Diese Kontinuität wird erst am Schluss des Romans hergestellt, wenn deutlich wird, dass die einzelnen Erinnerungen Teil des Individuationsprozesses des Künstlers waren, der die separaten »Wesen [der Zeit] einem Kunstwerk einverleibt.«33 Die Aussöhnung der Antinomien der Zeit findet also wohlweislich in der Literatur statt. Der Widerspruch, den er mit seiner Zeitkonzeption entfaltet, ist im Bereich der Geschichte letztlich nicht auflösbar. So taucht in History schließlich eine legendarische Figur auf, welche die Antinomien der Zeit ins Bild setzt. Ahasver, der »ewige Jude«, der sich weigerte, Jesus auf dem Kreuzweg Rast zu gewähren, ist seitdem dazu verdammt, für alle Ewigkeit durch die Zeiten und Räume zu wandern. »Er wüsste über die Entwicklungen und Übergänge aus erster Hand Bescheid, denn er allein in der gesamten Geschichte hatte unfreiwillig Gelegenheit, den Prozess des Werdens und Vergehens an sich zu erfahren.«34 Als Verkörperung der geschichtlichen Zeit wird er zur Inkarnation des oben beschriebenen Dilemmas35 und wirkt gleichzeitig in seiner Eindrücklichkeit wie eine Antwort auf Benjamins Angelus Novus. Beide Figuren verweisen auf eine katastrophische Geschichte. Bei Benjamin fixiert der Engel mit seinen vor Entsetzen aufgerissenen Augen die Trümmer, welche ihm vor die Füße geschleudert werden. Ebenso ist bei Kracauer das Gesicht Ahasvers eines, das Grauen erregt: Wie unsagbar schrecklich er aussehen muß! Gewiß, sein Gesicht kann nicht durch den Prozess des Alterns gelitten haben, aber ich denke es mir aus vielen Gesichtern zusammengesetzt, von denen jedes einen der Zeiträume spiegelt, die 31 Kracauer: Geschichte (Anm. 2), S. 178. Das Phänomen der mémoire involontaire taucht bereits in Kracauers frühen Straßentexten auf, vgl. ders.: »Erinnerung an eine Pariser Straße«, in: ders.: Aufsätze, Schriften, Bd. 5.2, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 1990, S. 243–247. (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 09.11.1930). 32 Kracauer: Geschichte (Anm. 2), S. 178. (H, 162). 33 Ebd., S. 179. (H, 163). 34 Ebd., S. 174. (H, 157). 35 Motivgeschichtlich transportiert sie ganz unterschiedliche, zunächst christliche Zeitvorstellungen. In der anti-jüdischen Variante des Motivs geht es häufig um Geschichtskonzeptionen, die eine Feindseligkeit gegenüber der Moderne zum Ausdruck bringen. Bei jüdischen Autoren, die sich das Motiv im Verlauf des 19. Jahrhunderts aneigneten, wird der »ewige Jude« hingegen zum Symbol einer unvollendeten Moderne. Vgl. dazu Jonathan Skolnik: »Le juif errant et le temps historique, Images littéraires des temps modernes«, in: Le juif errant, un témoin du temps. Catalogue du Musée d’art et d’ histoire du Judaïsme, Paris (Adam Biro) 2001, S. 141–149, hier S. 142.

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er durchquerte, und die alle immer neue Muster ergeben, während er auf seiner Wanderung ruhelos und vergeblich versucht, aus den Zeiten, die ihn formten, jene Zeit zu rekonstruieren, die er zu verkörpern verdammt ist.36

Kracauer denkt sich Ahasver als monströses Wesen, in dessen Gesicht sich unaussprechliches Leid widerspiegelt; er ist keine utopische Figur, die auf eine »versöhnte« Geschichte hinweist. Ahasver steht für das Bild einer Geschichte, die Kracauer als diskontinuierlich denkt, es sind viele Zeiträume, die einander überlagern, die vielfach gebrochen in unterschiedlichsten Beziehungen zueinander stehen und keine Einheit ergeben. Ahasver selbst scheint von der Möglichkeit einer Rekonstruktion der Zeit, von der Aussicht einer Aufhebung ihrer Diskontinuitäten angetrieben. Diese erweist sich jedoch als unmöglich. Wie der Engel, der aufgrund des Sturmes, dem ›Fortschritt‹, der ihn in die Zukunft treibt, nicht verweilen kann, obwohl er es möchte, ist Ahasver dazu verurteilt, weiter durch die einzelnen Zeiträume zu irren. Es gibt für Kracauer mithin keine einheitliche Geschichte, die erzählt werden kann, und auch keine Befreiung in der Kunst. Wo Benjamins Geschichtskonzeption mit dem Engel ins Messianische verweist, bleibt Kracauer im ›Peribolos‹ des Profanen. Sein Vorschlag hinsichtlich des Fortschrittsbegriffs, den er im letzten Kapitel von History über den »Vorraum« formuliert, wirkt ebenso nüchtern wie bewusst vorläufig. Kracauer stellt hier eine Definition zur Diskussion, welche die Offenheit des Geschichtsprozesses betont und seine Vorsicht gegenüber »abgeschlossenen Wahrheiten« zum Ausdruck bringt: »Die Idee des Fortschritts stellt sich zu verschiedenen Zeiträumen, deren Abfolge auf einen Fortschritt hinauslaufen mag oder nicht, verschieden dar.« Und er fährt fort: »Ideen und philosophischen Wahrheiten gelingt es noch am ehesten, die Leinwand zu durchlöchern, die uns von dem, was wir als Wahrheit ergründen, trennt. Die coincidentia oppositorum, die Cusanus in ›De visione Dei‹ die ›Mauer des Paradieses‹, hinter der Gott wohnt, nannte, manifestiert sich nicht diesseits der Leinwand.«37

Vom dialektischen Bild zur historischen Idee Bei Kracauer trennt den Historiker eine »Leinwand« von der zu ergründenden historischen Wahrheit – ein Passus, der Assoziationen an Benjamins 5. These zum dialektischen Bild weckt, in dessen Kontext dieser sich neben der oben zitierten Metapher des »Aufblitzens« auch der des »Vorbeihuschens« der »wahren« Bilder bedient. Wenn er das Ende kontinuierlicher Erfahrungen in der Moderne

36 Kracauer: Geschichte (Anm. 2), S. 174. (H, 157). 37 Ebd. S. 222. (H, 202).

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diagnostiziert, treten an deren Stelle Ketten unverbundener Erlebnisse, wie er in »Über einige Motive bei Baudelaire« schreibt. In der photographischen Technik manifestiert sich seiner Auffassung nach das Ende der Fähigkeit, isolierte Bilder in einen Zusammenhang zu bringen.38 Diese Veränderung im Bereich der Wahrnehmung lässt jedoch auch ein Modell historischen Erzählens obsolet erscheinen, das auf der Aneinanderreihung kontinuierlicher Bilder gründet. In »Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit« geht auch der Film in diese Richtung: Zwar reiht er die Bilder aneinander, allerdings wird »der Assoziationsablauf dessen, der diese Bilder betrachtet, sofort durch ihre Veränderung unterbrochen. Darauf beruht die Chockwirkung des Films…« (GS I, 503) Die moderne Historiographie muss also laut Benjamin mit der Vereinzelung und Isolation der Ereignisse rechnen. In History evoziert Kracauer einige Metaphern, die stark an diese Formulierungen erinnern, aber er verändert sie dabei so, dass seine Reflexion eine andere Stoßrichtung gewinnt als dessen Thesen »Über den Begriff der Geschichte«. Er spricht hier von »Blitzen« im Geiste des Historikers, welche das Ergebnis einer Schockwirkung sind. Bei ihm entsteht der Schock jedoch nicht durch die Aneinanderreihung von Bildern, sondern durch das Zusammentreffen zweier unterschiedlicher Abstraktionsebenen. Historische Ideen [...] ähneln [...] Blitzen, die die Nacht erhellen. Daher wurde ihr Auftauchen im Geist des Historikers eine »historische Sensation« genannt und gesagt, daß sie »dem ganzen System einen Schock versetzt…, den Schock… des Wiedererkennens«. Sie sind Knotenpunkte – [...] an denen das Konkrete und Abstrakte zusammentreffen und eins werden. Wann immer dies geschieht, wird der Strom der unbestimmten historischen Ereignisse plötzlich angehalten, und alles, was dann sichtbar ist, wird im Licht eines Bildes oder einer Vorstellung gesehen, die es dem fließenden Strom entheben, um es auf das eine oder andere der gewichtigen Probleme und Fragen zu beziehen, die uns ewig begleiten.39

Auch hier findet man die Metapher der Stillstellung, das Motiv des Ausstiegs aus dem Fluss der Zeiten und das einer Helligkeit, welche die im Dunkel liegende Vergangenheit einen Moment lang beleuchtet. Die Kracauer’sche Variante des 38 Vgl. dazu auch Nicolas Pethes: »›Die gerettete Nacht‹. Zur medialen Transformation von Zeit und Geschichte in Walter Benjamins Programm einer destruktiven Historiographie«, in: Annette Simonis/Linda Simonis (Hg.): Zeitwahrnehmung und Zeitbewusstsein der Moderne, Bielefeld (Aisthesis) 2000, S. 259–286, hier S. 266. 39 Kracauer: Geschichte (Anm. 2), S. 114. (H, 101). Kracauer bezieht sich auf Isaiah Berlin, die Idee der »historischen Sensation« findet sich jedoch auch bei Johan Huizinga. Vgl. Christoph Strupp: »Johan Huizinga (1872–1945)«, in: Lutz Raphael (Hg.): Klassiker der Geschichtswissenschaft. Von Edward Gibbon bis Marc Bloch, Bd. 1, München (Beck) 2006, S. 190–211, hier S. 201.

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historischen Blitzes entsteht nicht aus dem Zusammentreffen von Vergangenheit und Gegenwart, sondern aus der Berührung unterschiedlicher Ebenen der historischen Wirklichkeit. Historische Ideen, Marx Basis-Überbau-Theorie oder das erwähnte Renaissance-Konzept von Burckhardt sind das Produkt einer historischen Sensation, die keine Verallgemeinerungen sind, sondern »Schneisen« im »Reich der allgemeinen Wahrheiten, die absolute Gültigkeit haben, gleichgültig ob sie leer oder erfüllt von Ewigkeit sind wie Irrlichter«.40 Kracauer räumt ein, dass historische Ideen auch Verallgemeinerungen seien, insofern »als sie von einem harten Kern zutage geförderter Daten abgeleitet sind und auf ihn zurückweisen«.41 Es geht ihm jedoch darum, die Legitimität der Erklärungsprinzipien von Historikern zu verteidigen, die sich ihnen beim Umgang mit dem Material der historischen »Grundschicht« als plötzliches Moment der Eingebung enthüllen. Sie sind ein »Produkt informierter Intuition«42 , die sich von bloßen Verallgemeinerungen dadurch unterscheidet, dass sie von einem Saum von Konnotationen umgeben sind, die in der Erfahrung des Historikers wurzeln und nicht im Material auffindbar sind. In dem Maße, wie es ihm gelingt, sich des ihm innewohnenden Erfahrungsschatzes zu bedienen, kann er historische »Entdeckungen« machen. Mit diesem Argument begegnet Kracauer dem Vorwurf einer allzu positivistischen Herangehensweise, der etwa durch seine Einwände gegen Benjamins Historismuskritik provoziert werden könnte, die zu Anfang des Artikels vorgestellt wurden. Es ist laut Kracauer jedoch unmöglich, von der historischen »Grundschicht«, der Kamera-Realität oder dem »Fluss des Lebens« auf direktem Weg nach oben zu einer Idee zu gelangen: »Man muss hoch springen, um sie zu erfassen.«43 Mit dem Theologen Rudolf Bultmann formuliert Kracauer das Paradox, wonach die größte Subjektivität einer historischen Interpretation zugleich die höchste Objektivität erreichen könne, eine Objektivität, die allein durch die Aktivität des Historikers erzielt wird. Auf diese Weise transzendiert sich Subjektivität »in höchster Spannung selbst«.44 Liest man Kracauers History mit Blick auf Benjamins »Über den Begriff der Geschichte«, ergeben sich zahlreiche Korrespondenzen, auch was die hier nur angedeutete medientheoretische Komponente ihrer Reflexionen anbelangt.45 Gleichwohl existieren bedeutsame Unterschiede, wie Kracauers Anmerkungen zu Benjamin sowie seine Konzeption von der Antinomie der Zeit verdeutlichen.

40 41 42 43 44 45

Kracauer: Geschichte (Anm. 2), S. 115. (H, 101 f.). Ebd., S. 111. (H, 98). Ebd. (H, 98). Ebd., S. 112. (H, 99). Ebd., S. 116. (H, 103). Vgl. dazu Günter Butzer: »MedienRevolution. Zum utopischen Diskurs in den Medientheorien Kracauers und Benjamins«, in: Frank Grunert/Dorothee Kimmich (Hg.): Denken durch die Dinge, Siegfried Kracauer im Kontext, München (Wilhelm Fink) 2009, S. 153–168.

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Dabei spielt gewiss die jeweilige Entstehungsgeschichte ihrer Texte eine Rolle, wurde Kracauers Spätwerk doch nicht in einem »Moment der Gefahr«, sondern mehr als zwei Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges verfasst. Jenseits dieser historischen Verortung ist jedoch zu betonen, dass Kracauer ein anti-metaphysisches Geschichtsbild zu verteidigen sucht. Nur einen Moment lang bleibt die »Philosophie des Vorläufigen«, die Kracauer in History formulieren wollte, in diesem Punkt zweideutig. Die legendarische Figur des Ahasver erlaubt es ihm, seine Reflexion über Zeitlichkeit, die Arbeit des Historikers und das Motiv des Exils, des Herumirrens und des wundersamen Überlebens über die Zeitenbrüche hinweg miteinander zu verbinden. Ein beständiger Wunsch nach Einheit treibt Ahasver, den Chronisten oder Historiker, der Wunsch nach der Beendigung der Erfahrung des Exils in den Zeiten und Räumen der Geschichte. An dieser Stelle kommt bei Kracauer die Theologie unvermittelt »um die Ecke geschlichen«, wie er sich in den Notizen seines Guide to History ausdrückt (»theology lurking around the corner«). Auch in dem 19-seitigen Gesamtentwurf zu History verweist er auf die Vorstellung vom Ende der Zeit. »All history is provi-sional. It can be written only on the Day of Judgment. What meanwhile prompts us to expose past events to view is the urge to put them on record for the future – i. e., the end of time.«46 Das Zeitkapitel endet mit einer erneuten Aufrufung Ahasvers, die in eine ähnliche Richtung zielt: Prousts Versöhnung der Antinomie der Zeiten könne als ein »Vorschein« gedeutet werden, schreibt Kracauer hier, auf das »undenkbare Ende – der imaginäre Augenblick, in dem Ahasver, ehe er sich auflöst, das erste Mal imstande ist, auf seine Wanderungen durch die Zeiträume zurückzublicken«.47 Damit ist die Erlösung durch die Konstruktion eines Sinns in der Geschichte angesprochen, die jedoch erst am tatsächlichen Ende der Zeit vorgestellt werden kann. Was in der Literatur plausibel erscheint, kann es laut Kracauer im Bereich der Geschichte nicht geben. Die mögliche »Aktualisierung« eines solchen Momentes, wie Benjamin ihn fordert, sucht man bei Kracauer vergebens. Und dennoch scheint sein historiographisches ›Programm‹ dem Benjamins in vielerlei Hinsicht sehr nah, wie ein Zitat aus dem unausgeführten Fragment zeigt, das in History »Statt eines Epilogs« fungiert. Dort heißt es: »eine Tradition der verlorenen Dinge (lost causes) begründen; dem bislang Namenlosen Namen geben«.48

46 Siegfried Kracauer: Gesamtentwurf, 19 Seiten, S. 5, in: ders.: Vorarbeiten (Anm. 3). 47 Ders.: Geschichte (Anm. 2), S. 180. (H, 163). 48 Ebd., S. 239. (H, 219).

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Rolf J. Goebel

»Wortloses Lied das Worte nicht ermessen« Schrift, Bild und Musik in Walter Benjamins Sonetten auf Christoph Friedrich Heinle1 Von allen wichtigen Texten Benjamins sind seine Sonette auf seinen Dichterfreund Christoph Friedrich Heinle, der seit 1913 mit ihm in der Jugendbewegung aktiv war und am 9. August 1914 verzweifelt über den Ausbruch des Ersten Weltkriegs mit seiner Verlobten Rika Seligson Selbstmord verübt hatte, verhältnismäßig wenig von der Kritik gewürdigt worden.2 Entstanden sind die Gedichte vermutlich zwischen 1915 und 1925, mit Handschriften-Datierungen von vor Ende 1917 und nach Anfang 1918;3 ihr Manuskript befindet sich unter den Papieren Benjamins, die im Juli 1981 von Giorgio Agamben in der Bibliothèque nationale in Paris gefunden wurden.4 Sie sind in einer komplexen Sprache verfasst, die verschiedene Vorbilder – darunter den Duktus Stefan Georges und den Spätstil Hölderlins – höchst eigenwillig weiterführt. Esoterische, oft rätselhafte Metaphern und willkürlich-kryptische Bilder, eine preziös-archaisierende Stilhöhe, grammatikalische Brüche und das syntaktische Zusammenhänge verschleiernde Fehlen der Interpunktion5, durch diese Merkmale verweigern sich die Sonette einer hermeneutischen Entschlüsselung, die sich durch den Nachvollzug 1 Der vorliegende Aufsatz ist die veränderte und erweiterte Fassung meines in den Weimarer Beiträgen 59 (2013) 1, S. 65–78 erschienenen Artikels »Einschreibungen der Trauer. Schrift, Bild und Musik in Walter Benjamins Sonetten auf Christoph Friedrich Heinle«. 2 Genannt seien: Bernhild Boie: »Dichtung als Ritual der Erlösung. Zu den wiedergefundenen Sonetten von Walter Benjamin«, in: Akzente 31 (1984) 1, S. 23–39 und Reinhold Görling: »Die Sonette an Heinle«, in: Burkhardt Lindner (Hg.): Benjamin-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung, unter Mitarbeit v. Thomas Küpper/Timo Skrandies, Stuttgart/Weimar (Metzler) 2006, S. 585–591. 3 Die genauere Datierung erscheint problematisch; vgl. den kritischen Bericht GS VII, 573 f. 4 Vgl. GS VII, 525 f., 568–582. Dort findet man auch weitere Details zur Entstehungsgeschichte der Sonette. Zum geschichtlich-biographischem Hintergrund vgl. Rolf Tiedemanns »Nachwort« und den »Anhang« in seiner Separat-Edition: Walter Benjamin: Sonette, hg. v. Rolf Tiedemann, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 1986, S. 85–96 und 97–126. Vgl. auch Görling: »Sonette« (Anm. 2), S. 585 f. Zu der Entstehung der Sonette im Kontext von Jugendbewegung, Erstem Weltkrieg und Stefan Georges poetischer Apotheose von dessen jugendlichen Opfern vgl. jetzt auch die umfassende Studie von Johannes Steizinger: Revolte, Eros und Sprache. Walter Benjamins Metaphysik der Jugend, Berlin (Kulturverlag Kadmos) 2013, S. 38–45 u. S. 213–229. 5 Zur fehlenden Interpunktion vgl. auch GS VII, 577.

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der Einzelheiten im Gesamtzusammenhang das Verständnis kohärenter Sinntotalität erhofft.6 Stattdessen sind die Leser darauf angewiesen, die sich immer wieder selbst verschleiernde Beziehung des lyrischen Ichs zu dem Verstorbenen durch ein Nachbuchstabieren bestimmter Textdetails so zu rekonstruieren, dass deren Inkonsistenzen, Sinnbrüche und Mehrdeutigkeiten nicht beseitigt, sondern als das Medium erkannt werden, in dem eine poetisch-erotische Liebe die Möglichkeiten und Grenzen ihrer eigenen Versprachlichung reflektiert. Diese performative Selbstreflexion – so meine Kernthese – geschieht vorrangig im Rahmen einer intermedialen Beziehung zwischen Schrift, Bild bzw. Blick und Musik. Dabei soll gerade der letzteren Kunstform besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, ist sie doch erst in jüngster Zeit systematisch von der Kritik behandelt worden.7 Obwohl Benjamin – im Gegensatz zu seinen Analysen anderer Medien, Genres und Diskurspraktiken – keine umfassende Philosophie der Musik geliefert hat, enthalten viele seiner Texte Spekulationen nicht über bestimmte Komponisten oder Werke, sondern, durchaus im Geiste der romantischen Musikphilosophie seit Schopenhauer, über das metaphysische ›Wesen‹ der Tonkunst und ihre Beziehung zu den anderen Künsten. Die verstreuten Äußerungen vereint Benjamins durchgehende These, dass Musik dialektisch entweder als Supplement oder als subversives Gegengenre zur Texualität bzw. Schriftlichkeit und zur visuellen Wahrnehmung wirkt und ihren autonomen Status nur in der Differenz zu diesen Positionen definieren kann.8 Gerade die Heinle-Sonette spiegeln diese Konstellationen immer wieder an entscheidenden Stellen. Der folgende Versuch einer Interpretation zielt bewusst auf keine Gesamtdeutung, sondern beschränkt sich darauf, einige ausgewählte Textpassagen explizierend zu einem Netzwerk zusammenzustellen, das diese Intermedialität der trauernden Liebeserinnerung im Kontext anderer Schriften Benjamins zu erhellen versucht.9 Dadurch zeigt 6 Rolf Tiedemann charakterisiert den Stil dieser Gedichte als einen, der – in Nachfolge der »harten Fügung« Hölderlins (Norbert von Hellingrath) – darauf zielt, »den Dingen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen; nicht Konkretes zuzurichten zum bloßen Exempel für den abstrakten Begriff; die subordinierende Sprache durch eine koordinierende zu ersetzen, in der alles gleiches Recht zu beanspruchen hätte« (ders.: »Nachwort« [Anm. 4], S. 92). 7 Vgl. jetzt Tobias Robert Klein (Hg.): Klang und Musik bei Walter Benjamin, München (Fink) 2013. Eine der ersten Studien, die sich dem Komplex Sprache – Musik bei Benjamin angenommen haben, ist Uwe Steiner: Die Geburt der Kritik aus dem Geiste der Kunst. Untersuchungen zum Begriff der Kritik in den frühen Schriften Walter Benjamins, Würzburg (Königshausen & Neumann) 1989, insb. S. 80–90. 8 Vgl. auch Asmus Trautsch: »Die abgelauschte Stadt und der Rythmus des Glücks. Über das Musikalische in Benjamins Denken«, in: Klein: Klang und Musik (Anm. 7), S. 17–46, insb. S. 45: »Das Andere von Bild und Sprache ist […] das Akustische, in dem die Gefühle wahrnehmbar werden« (ebd.). 9 Diese Verweise verstehe ich, wegen der unsicheren Datierung der einzelnen Sonette, als intertextuelle, weniger als chronologisch fixierbare Bezüge. Zutreffend meint Boie in: »Dichtung als Ritual« (Anm. 2), S. 23 f., dass sich die Sonette und die theoretischen Schriften Benjamins oft gegenseitig illuminieren, wenn auch mit deutlichen Verschiebungen und Umänderungen.

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sich, dass die Sonette einerseits Themenbereiche in poetisch kondensiertem Stil ansprechen, die Benjamin anderenorts in seinen literaturkritischen und philosophischen Texten analytisch-diskursiv ausgeführt hat, andererseits aber von diesen anderen Schriften interpretatorische Schlaglichter empfangen, die das Verständnis der Gedichte auf eine Weise prägen, die eine rein immanente Lektüre nicht ermöglichen dürfte. Der emphatisch selbstreflexiven, oft an Hermetik grenzenden Sprache der Sonette ist es auch zu verdanken, dass ihnen die »Sättigung mit historischer Erfahrung« weitgehend fehlt, die man etwa in der Berliner Chronik und der Berliner Kindheit um neunzehnhundert findet.10 Diese Tilgung expliziter historisch-autobiographischer Spuren mag das nicht bewältigte Trauma der konfliktreichen Beziehung zwischen Benjamin und Heinle ex negativo spiegeln, verweist aber auch auf die eminent sprachliche Natur, die zumindest für Benjamin den Umgang mit dem Freund schon zu dessen Lebzeiten schmerzlich prägte: »Er stellte sich mir gegenüber im Namen der Liebe und ich setzte ihm das Symbol entgegen.«11 Wie Reinhold Görling betont, drückt sich hier der Gegensatz zwischen einer von Heinle möglicherweise anvisierten (intellektuell-erotischen?) »Verschmelzungsvorstellung« und dem von Benjamin dagegen gesetzten »Insistieren auf der Sprachlichkeit und damit auch der Vermittlung oder Medialität von Wissen«12 aus, die für dessen erotisch-emotionale Haltung zum Freund, aber auch für die nachfolgende Trauer- und Erinnerungsarbeit, wesentlich ist. Deshalb verbietet sich auch der Rekurs auf die realen Bedingungen der Freundschaft zwischen Benjamin und Heinle als interpretatorischer Schlüssel, denn diese Lebensumstände erscheinen in den Sonetten fast vollständig aufgehoben in der Transfiguration des Toten in ein ideales Objekt des Begehrens, der Trauer und der Erinnerung durch ein rein poetisches Subjekt. Wie Klaus Garber richtig betont hat, verabschieden diese Texte radikal die ästhetischen Normen der Erlebnislyrik: »Sie sind nicht stilisiertes Abbild einer wie auch immer gearteten Befindichkeit eines lyrischen Ich, sondern im strengsten, erhabensten, schönsten Sinn des Wortes Gedankenlyrik.«13 10 Görling: »Sonette« (Anm. 2), S. 586. 11 Brief Benjamins an Carla Seligson vom 17. November 1913; GB I, 181. Diese kryptische Bemerkung bezieht sich unmittelbar auf einen politisch-ideologischen Konflikt zwischen Heinle und Benjamin nach einem Vortrag des letzteren auf einem Autorenabend der Zeitschrift Die Aktion, scheint über diesen Anlass hinaus aber auch auf die poetische Darstellung Heinles in den späteren Sonetten zuzutreffen. Vgl. GS II, 870–872. Dort gibt es auch viele Dokumente und biographische Einzelheiten zur Beziehung Benjamins zu Heinle und ihrem Engagement in der Jugendbewegung und Freien Studentenschaft (852–888). Auch in der Berliner Chronik widmet Benjamin der Freundschaft zu Heinle einige Seiten seiner auf der Topographie Berlins begründeten Erinnerung (GS VI, 475–480). 12 Görling: »Sonette« (Anm. 2), S. 588. 13 Klaus Garber: »Walter Benjamin als Lyriker. Zur Veröffentlichung seiner Sonette«, in: ders.: Zum Bilde Walter Benjamins: Studien – Porträts – Kritiken, München (Fink) 1992, S. 93.

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Dementsprechend thematisieren einige der Gedichte ihr eigenes poetologisches Programm, besonders das Sonett [51]: Wie karg die Maße der gehäuften Klagen Wie unerbittlich das Sonett mich bindet Auf welchem Weg die Seele zu ihm findet Von alledem will ich ein Gleichnis sagen (GS VII, 52)

Unter Verweis auf den klassischen Dichtermythos von Orpheus und Eurydike wird die strenge Form des Sonetts als prädestinierte Verankerung von Benjamins Eintauchen in die Unterwelt des Suchens, Erinnerns und Trauerns ausgewählt, eine Welt allerdings, die immer schon vom nicht mehr zu erfüllenden Begehren nach Wiederholung und Wiederkehr des Verlorenen gezeichnet ist.14 In den Sonetten erscheint die Gestalt Heinles dementsprechend als melancholisch beschworenes, sich dem diskursiven Zugriff aber immer wieder entziehendes Objekt erotischer Sublimierung, trauernder Gedächtnisarbeit und poetischer Selbstreflexion. In ihnen verwirklicht sich keine unmittelbar subjektive Erlebnis-Aussprache eines autonomen lyrischen Subjekts, das sich den Verstorbenen authentisch vergegenwärtigt. Vielmehr inszeniert sich das lyrische Ich als poetisches Medium für die wie immer vergebliche Suche nach einer absoluten Wahrheitssprache, in der die Gestalt des Freundes als sprachlich-ästhetische Erscheinung in einem idealen Raum der Erinnerung gebannt wird. Gleich die erste Zeile von Sonett [1] lautet: »Enthebe mich der Zeit der du entschwunden« (GS VII, 27). Der Erinnerungsraum wird also vom Verstorbenen selbst jenseits der realen Zeit eröffnet und kann, wie Görling betont, auf die »Lösung oder Verflüchtigung einer Nähe, die nicht als Distanzierung verstanden werden« sollte,15 bezogen werden. Hier erkundet das Gedicht das spannungsreiche Verhältnis zwischen Bild und Sprache, das bekanntlich im Zentrum besonders des frühen Benjamin steht: Und auch das Abbild mag sich mir versagen Von Zorn und Loben wie du sie mir botest Des Gangs in dem du herzoglich getragen Die Fahne deren Sinnbild du erlotest Wenn nur in mir du deinen heilgen Namen Bildlos errichtest wie unendlich Amen. (GS VII, 27 f.) 14 Mehr zur Form des Benjamin’schen Sonetts bietet Boie, in: »Dichtung als Ritual« (Anm. 2), S. 35–39. 15 Görling: »Sonette« (Anm. 2), S. 587. Görling spricht sogar davon, dass hier die »Entbindung aus der Tätigkeit, ja man könnte sagen, aus dem Amt des Andenkens eine Erfüllung der Liebe« sei (ebd.).

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Während das sich dem Dichter versagende »Abbild« die Nachahmungspoetik der traditionellen Mimesis zurückweist, ähnelt das »Sinnbild« Benjamins dem im Ursprung des deutschen Trauerspiels (1923–1925/1928)16 entwickelten Begriff der Allegorie. Wie der melancholische Deuter dieser barocken Schriftfigur soll im Sonett der Verstorbene – gleichsam geleitet durch den melancholischen Blick Benjamins – die sinnbildliche »Fahne« als das emblematische Zeichen der in sich rätselhaften, sich einem eindeutigen Sinn entziehenden Freundschaft entschlüsseln. Während aber bei der Allegorie die profane, willkürliche BuchstabenSchrift, will sie »sich ihres sakralen Charakters versichern«, quasi-hieroglyphisch »zum Bilde« drängt (GS I, 351), muss im Sonett umgekehrt die Entzifferung der Freundschaft durch die Annäherung des Bildhaften an eine sakrale Sprache, die bildlos ist, geschehen. Damit ähnelt die Aussage des Sonetts Benjamins früher Sprachmetaphysik,17 für die »[i]m Namen [...] das geistige Wesen, das sich mitteilt, die Sprache« selbst ist (GS II, 144). Dementsprechend soll das Sinnbild der Freundschaftsfahne durch die Einschreibung der bildlosen Namenssprache des Toten in das Dasein des Dichters gedeutet werden. Diese wesenhafte, reine Sprache des Namens, die im Gegensatz zur allegorischen eben nicht nur »bloße[s] Zeichen« (153) ist, offenbart sich wie ein Amen, also wie die sakrale Bestätigung einer dem Signifikanten immanenten Bedeutung, hinter der freilich der poetische Diskurs des lyrischen Ichs selbst immer schon als mangelhaft und unvollkommen zurückbleibt.18 Gerade weil er sich seiner Einschränkungen bewusst ist, ist dieser Diskurs intermedial zwischen Schriftlichkeit und musikalischem Ausdruck angesiedelt. Auf die allegorischen Anspielungen des Sonetts [1] folgt in Sonett [3] die Koppelung der schriftlichen an eine musikalische Ausdruckform: »Geschrieben stand daß nimmer sich beschwinge / Mein Mund wenn nicht in seinem Lied er stiege«, wobei das Pronomen »er« vieldeutig ist und sich sowohl auf den Verstorbenen als auch auf den »Strahl« des lyrischen Sprechers, »den er im Blick vernimmt« beziehen kann (GS VII, 28). Komplementär zur liedhaft-lyrischen Beschwörung

16 GS I, 203–430, insb. 336–365. Vgl. zum Folgenden: Burkhardt Lindner: »Allegorie«, in: Michael Opitz/Erdmut Wizisla (Hg.): Benjamins Begriffe, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 2000, Bd. 1, S. 50–94, insb. S. 53–69; Bettine Menke: Das Trauerspiel-Buch. Der Souverän – das Trauerspiel – Konstellationen –Ruinen, Bielefeld (transcript) 2010, insb. S. 176–195 und Suk Won Lim: Die Allegorie ist die Armatur der Moderne. Zum Wechselverhältnis von Allegoriebegriff und Medientheorie bei Walter Benjamin, Würzburg (Königshausen & Neumann) 2011, S. 59–69. 17 Vgl. »Über Sprache überhaupt und über die Sprache des Menschen«, 1916; GS II, 140–157. 18 Zur »Anstrengung, sich im Bilde dem Bildlosen zu nähern« und zu ihrer Beziehung zur Namensprache, in der »Zeichen und Bedeutung« zusammenfallen, vgl. Boie: »Dichtung als Ritual« (Anm. 2), S. 32–35, hier S. 33. Benjamins Ideal, so ähnlich Tiedemann, ist das »einer reinen, absoluten Sprache«, in der der Name »Begriff eines Einzelnen, Unwiederholbaren« ist (Tiedemann: »Nachwort«, [Anm. 4], S. 93).

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kommt die als hermeneutischer Einschreibungsprozess imaginierte, aber nie vollendbare Vergegenwärtigung des Toten besonders im programmatischen Sonett [7] zum Tragen. Hier klagt das vom Freund verlassene Ich über das erstarrte, denaturierte Dasein, das nicht mehr vom beseligenden Blick des Entschwundenen belebt erscheint: Wie soll mich dieses Tages Glänzen freuen Wenn du nicht mit mir in die Wälder trittst Wo Sonne in den schwarzen Ästen blitzt Die konnte einst dein tiefer Blick erneuen (30)

Gerade als abgestorbene Welt wird diese bildhafte natura morta zum melancholischen Erinnerungsschauplatz für die sprachliche Einschreibung einer zunächst nicht näher entzifferbaren aber autoritativen (Selbst-)Manifestierung des Toten mit unverhülltem Wahrheitsanspruch: Indes der Lehre Wort dein Finger ritzt In meines Denkens Tafel die in Treuen Die Zeichen wahrte – (ebd.)

Hier erfährt sich das lyrische Ich als der trauernden Gedächtnisarbeit dienendes Schriftlichkeitsmedium, als Schreibtafel, die dem hermeneutischen Treueprinzip verhaftet ist und die körperlich-direkt vermittelte Botschaft des Freundes geistig bewahrt – im doppelten Sinne von Speicherung und der durch sie mutmaßlich garantierten Bewahrheitung. Interessant ist, dass in diesem Gedicht der Inhalt der »Lehre« noch völlig unbestimmt bleibt; sie nimmt eine gedanklichstrukturelle Leerstelle ein, die, wie wir sehen werden, erst im Sonett [29] ausbuchstabiert wird. Hinsichtlich der Einschreibungsmetaphorik weisen die vorliegenden Verse auf Benjamins Kafka-Essay von 193419 voraus, wo Schrift und Erinnerung im introspektiven Studium verortet erscheinen. Benjamin liest die groteske Bilderwelt der Kafka’schen Figuren als Repräsentation der Entstellungen, »die die Dinge in der Vergessenheit annehmen« (GS II, 431), und die erst vom einstigen Erscheinen des Messias zurechtgerückt werden können (433). In diesem Sinne meint Benjamin, dass das Vergessen immer die »Möglichkeit der Erlösung« betreffe (434). Das Studium der Bücher bzw. der Schrift eröffnet die Möglichkeit eines der Erinnerung dienenden »Rittes« in die Vergangenheit, nämlich gegen den »Sturm,

19 »Franz Kafka. Zur zehnten Wiederkehr seines Todestages«, GS II, 409–438. Vgl. Bernd Müller: »Denn es ist noch nichts geschehen.« Walter Benjamins Kafka-Deutung, Köln u. a. (Böhlau) 1996, insb. S. 185–204.

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der aus dem Vergessen herweht« (436) mit dem Ziel einer authentischen SelbstWiedererkennung, während das unselige Drängen in die Zukunft nur hoffnungsloses Verirren bringt: »Umkehr ist die Richtung des Studiums, die das Dasein in Schrift verwandelt« (437). Ähnlich verbindet schon das Heinle-Sonett das verschriftete Dasein – des toten Freundes wie des Dichters selbst – mit der Hoffnung auf eine der Erinnerung förderlichen Sprache, die allerdings, zumindest in diesem Gedicht, weder zur geistigen Vergegenwärtigung des Verstorbenen noch zur Aussicht auf Erlösung führt. Indem es sich als Schreibtafel der Botschaft des Freundes erfährt, findet das lyrische Ich zwar seine Trauer- und Erinnerungsarbeit legitimiert, aber nur um den Preis der realen Vereinsamung in der vom Verstorbenen verlassenen Gegenwart, deren visuelle Signifikanten nichts als Öde, Verfall und Leere bezeichnen. Auch hier ähnelt die poetische Szene des Sonetts dem Schauplatz des barocken Trauerspiels, in dessen Allegorie »die facies hippocratica der Geschichte als erstarrte Urlandschaft dem Betrachter vor Augen« liegt: »Die Geschichte in allem was sie Unzeitiges, Leidvolles, Verfehltes von Beginn an hat, prägt sich in einem Antlitz – nein in einem Totenkopfe aus« (GS I, 343). Der gleiche abgrundtief melancholische Blick eignet dem lyrischen Ich des Sonetts. Von dem kontemplativen Erinnerungsstudium des in sein Denken eingeschriebenen Heinle-Wortes schaut der Dichter auf, aber nur um statt des Freundes den Tod am Wegrand sitzen zu sehen. »Verlassener als Busch und Baum zur Nacht« fühlt sich das lyrische Ich in dieser windigen, »entblößte[n] Halde«, auf der des »Mittags Helle« blendend »[w]ie eines rätselvollen Auges Trauer« erscheint und so die kryptisch-unlesbare Visualität gegenüber der erhofften Wahrheitssprache metaphorisch betont (GS VII, 30 f.). Ähnlich wie das Wort Heinles in Benjamins Dasein eingeschrieben ist, so wird umgekehrt dessen erotisches Begehren und menschliche Zuneigung im Körper des Verstorbenen durch materielle Signifikanten festgehalten: »In deinen Leib mein Lieben ist gemeißelt« (Sonett [8], 31). Sonett [10] erklärt diese geheime, früher sich selbst uneingestandene, aber nach dem Tode des Freundes durchbrechende Erotik als zentrales Moment der erinnernden Wiederholung. Das lyrische Ich stellt sich vor, der Verstorbene träte wieder in sein Leben ein, so wie Heinle Benjamin zu Lebzeiten in seinem Zimmer besucht hat: Da wagte ich das Wort: o wär ich dein Und also innig ward dir umgeben Mein Dasein gleich den leichtesten Geweben Daß du’s gewährtest denn du bliebst allein (32)

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Obwohl die werbende Anrede eine gefühlmäßige Intimität beschwört, bleibt der Freund isoliert und das liebende Wort vermag die Beziehung zum Freund nicht zu fixieren. Im Gegenteil, die körperhafte Intimität (oder der phantasmatische Wunsch nach ihr) führt paradoxerweise dazu, dass die Liebessprache zu scheitern droht. Der Verstorbene entzieht sich dem Begehren, indem sein Charisma sich in eine Phantasmagorie auflöst, die auch das Illusionäre des Werbens bloßstellt: »Mich suchst du nicht um dich nicht will ich weinen / Vor deinen Schein vergangen ist mein Scheinen« (ebd.). Entsprechend drückt Sonett [36] diesen Sprachverlust im Zentrum des körperlichen Liebesverlusts dadurch aus, dass es syntaktisch ungewöhnlich das Wort des Dichters betont ans Ende des Verses verbannt: Beim Freund wacht Freundschaft die nicht forschet welche Gefühle leiser im Geliebten tauschen Denn von der offnen Lippe weht sie fort Das nächtlich haust bei Liebenden das Wort. (45)

Die erotische Beschwörung des Toten erscheint in Sonett [35] deutlich als Moment, das die dichterische Inspiration und Wortschöpfung auslöst. »Ob ich den Freund so fragtest du mich liebe?« heißt es gleich zu Beginn, und des Freundes Stimme, »erlösend was sich jahrlang staute«, verwandelt durch ihr Wort »die Brust zur Laute / Die unter deiner süßen Frage taute« (44). Während des Dichters »Lippe im Bekennen träge« ist, bewirkt die körperliche Berührung die Befreiung des poetischen Diskurses: Die Hand die zagt ob sie dem Freund sich schenkt Hat er ergriffen der sie härter lenkt Daß sie das Herz das liebte im Geheimen Nun aller Welt verschütten muß in Reimen. (44 f.)

Diese subjektive Selbst-Aussprache ist zwar in Reimen fixiert, empfindet sich aber auch als verschüttet und verschwendet. Letztlich droht das dichterische Wort wegen der unnachgiebig verstreichenden Zeit der Erinnerung immer wieder zu verstummen und schlägt um in ein Lied, das gerade, weil es jenseits der Sprache erklingt, mehr bedeutet als die fixierenden Buchstaben und linguistischen Laute. Wird hier des Dichters Brust zur Laute, so heißt es schon in Sonett [12]: Einst wird von dem Gedenken und Vergessen Nichts bleiben als ein Lied an seiner Wiege Das nichts verriete und das nichts verschwiege Wortloses Lied das Worte nicht ermessen (33)

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In diesem Lied, das »Hoffen«, »Trost« und »Traurigkeit« gleichermaßen beheimatet, »lebt ein jedes Ding / Dieweil der Schritt des Schönsten in ihm ging« (ebd.).20 Die Sprache der Liebe ist also eine, die gerade in dem trauernden Beschwören des verstorbenen Geliebten das Scheitern ihrer eigenen Signifikationsversuche dramatisiert und ihre Aufgabe an ein Konkurrenzmedium, nämlich die wortlose Musik, abtreten will. Hier evoziert Benjamins musikalische Poetik den historisch wichtigen Übergang gegen Ende des 18. Jahrhunderts von der Ästhetik der Empfindsamkeit zur romantischen Theorie der absoluten Musik als reiner Instrumentalmusik.21 Wie Carl Dahlhaus dargestellt hat, bot erstere eine »schwärmerische Psychologie« der Sympathie und Herzen, der »Verschmelzung der Seelen«,22 die Benjamin, trotz der von ihm benutzten Sprache des liebenden Herzens, ablehnt. Die romantisch absolute Musik dagegen erhebt »sich über die Begrenztheit des Endlichen zur Ahnung des Unendlichen« (D 63). Diese metaphysische Ästhetik – »über irdisch greifbare Gefühle erhaben« – versteht sich dezidiert als »Sprache über der Sprache« (D 64) und damit auch jenseits bildhafter Mimesis und konzeptioneller Diskurse. Sie tönt nach in Benjamins Wendung vom wortlosen Lied, das Worte nicht konzeptionell, darstellungsästhetisch, mimetisch erfassen können. Insofern stehen die Sonette auch dem Trauerspiel nahe, wie Benjamin es in dem kurzen Aufsatz »Die Bedeutung der Sprache in Trauerspiel und Tragödie« (1916; GS II, 137–140) skizziert.23 Während die klassische Tragödie bzw. das Tragische auf die »Gesetzlichkeit der gesprochenen Rede zwischen Menschen« angewiesen ist (137), bedarf das Traurige weder des dramatischen Wortes der Tragödie, noch des Wortes überhaupt. Deshalb liefert das Trauerspiel als Gegenpol der Tragödie die Antwort auf die Frage, »wie Trauer als Gefühl in die Sprachordnung der Kunst den Eintritt findet«, indem es »den Weg vom Naturlaut über die Klage zur Musik« (138) beschreibt, wobei die Musik als »Sprache des reinen Gefühles« wirkt (139). Benjamin betrachtet das Trauerspiel aber nur als eine der möglichen Genres, um dem Traurigen Ausdruck zu geben, denn »das Trauerspiel ist [...] nicht das traurigste auf der Welt Sein, trauriger kann ein Gedicht sein, eine Erzählung, ein Leben« (137) – wie eben die Heinle-Sonette und das Leben

20 Zur Bedeutung des Wiegenlieds in diesem Gedicht vgl. Trautsch: »Die abgelauschte Stadt« (Anm. 8), S. 33. 21 Dass Benjamin mit der Musikphilosophie der Romantiker bekannt war, zeigt sich explizit im Trauerspiel-Buch, wo er auf deren Wahlverwandtschaft mit dem »allegorischen Drama« verweist, einer Gattung, der Musik »innig vertraut« sei (GS I, 387). 22 Carl Dahlhaus: Die Idee der absoluten Musik, Kassel u. a. (Bärenreiter) 31994, S. 65. (Weitere Nachweise mit der Sigle D u. Seitenzahl direkt im Text.) 23 Vgl. zum Folgenden auch: Trautsch: »Die abgelauschte Stadt« (Anm. 8), S. 38–41, Elio Matassi: »Trauerspiel und Oper bei Walter Benjamin«, in: Klein: Klang und Musik (Anm. 7), S. 69–74 sowie Sigrid Weigel: »Die Geburt der Musik aus der Klage. Zum Zusammenhang von Trauer und Musik in Benjamins musiktheoretischen Thesen«, in: Klein: Klang und Musik (Anm. 7), S. 85–93.

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des beklagten Toten. Deshalb kann die Sprache der Sonette als untragische, nicht auf den mündlichen Dialog der beiden Freunde angelegte Klagerede verstanden werden, die immer wieder an die sprachlose oder übersprachliche Klangwelt der absoluten Musik grenzt. Für Benjamin vermag nur in der wortlosen Musik die von Vergessen bedrohte Erinnerung an den Freund als etwas zu residieren, das sich den zerbrechenden, fragwürdigen und flüchtigen Metaphern der dichterischen Sprache immer wieder entzieht. Görling meint, dass dieses Sonett auf Benjamins Ideal der »rein[en] Sprache« verweist, auf eine »Ebene der Kommunikation, in der die Fetischisierung der Sprache, der Mythos der Repräsentation aufhört zu wirken«, also auf die »Möglichkeit einer Sprache, die dem anderen keine Gewalt antut, die ihn nicht zu repräsentieren vorgibt.«24 Aber Benjamin geht, wie ich meine, noch einen entscheidenden Schritt weiter: Nicht eine Sprache jenseits der als Gewalt eindeutiger Signifizierung verurteilten Repräsentation intendiert er hier, sondern paradoxerweise eine Sprachbewegung, die gerade in der scheiternden Aussprache der erinnernden Trauer ihre eigene Auslöschung inszeniert. Diese SelbstDekonstruktion führt die poetische Sprache an eine Grenze, eben an die zur wort- und programmlosen, also absoluten Musik, die im dichterischen Wortzusammenhang zwar anvisiert, aber wegen der Unmöglichkeit einer intermedialen Grenzüberschreitung innerhalb des Sprachlichen im Gedicht selber nicht realisiert werden kann. Auch insofern radikalisiert Benjamin hier die romantische Ästhetik der absoluten Musik, als diese, wie Dahlhaus zeigt, »aus dem dichterischen Unsagbarkeits-Topos hervorgegangen« ist: »Musik drückt aus, was Worte nicht einmal zu stammeln vermögen« (D 66). Und wenn Dahlhaus betont, dass es Romane wie Karl Philipp Moritz’ Andreas Hartknopf und Jean Pauls Hesperus waren, die das Paradox der Musik als Sprache über oder jenseits der Sprache gerade in der Sprache der Dichtung thematisieren (ebd.), so schreibt Benjamin dieses Paradox als selbstreflexives Moment der erinnernden Trauerarbeit in seine lyrische Produktion ein. Seine Sonette erscheinen deshalb als eine Art Meta-Medium, das nicht bestimmte Musikstücke oder musikhermeneutische Inhalte, sondern die intermediale Transposition der absoluten Musik – eines Typus, den die Romantik als Ausdruck des ›Wesens‹ der Musik überhaupt feiert (D 13) – in den poetischen Diskurs thematisiert. Weil bei Benjamin nur das wortlose Lied, also die absolute Musik, den Verstorbenen auf Dauer betrauern und erinnern kann, kann die poetische Sprache diese rein musikalische Fähigkeit nur utopisch, jenseits des Hier und Jetzt des menschlichen Wortes, beschwören, diese nicht aber selbst vollbringen. Wie Sonett [17] verdeutlicht, ertönt diese Musik deshalb auch nicht als Ausdruck der ans reale 24 Görling: »Sonette« (Anm. 2), S. 590.

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Leben gebundenen dichterischen Subjektivität, sondern wird unmittelbar durch die Absenz des Verstorbenen ausgelöst: »Die Harfe hängt im Wind sie kann nicht wehren / Daß deines Todes Hauch die Saiten rührt« (GS VII, 35). Die Musik überdauert selbst das Instrument, das sie erzeugt: »Den Klang vernimmst du den ersterbend warfen / Im letzten Schmerz zerspringend meine Harfen« (36). Wie eine Zurücknahme dieser Utopie liest sich allerdings das Sonett [58]. Hier entzieht sich der Verstorbene selbst noch dem Lied. In seinem Aufsatz zu »Goethes Wahlverwandtschaften« (1921–1922; GS I, 123–201),25 »wenden« Goethes Liebende, geführt von ihrer Neigung zueinander, »einer Schönheit sich zu, die nicht mehr dem Schein verhaftet ist, und sie stehen im Bereich der Musik« (191). Mit Verweis auf Goethes »Trilogie der Leidenschaften« postuliert Benjamin: »Versöhnung [...], die im Weltlichen blieb, mußte schon dadurch als Schein sich enthüllen und wohl dem Leidenschaftlichen, dem er endlich sich trübte«, nämlich durch die Tränen beim Hören von Musik, die dem Auge die »sichtbare Welt« entziehen (ebd.). Musik wirkt hier also subversiv dadurch, dass ihre Töne, wenn auch nicht eigentlich durch ihren immanenten Kunstanspruch, sondern physiologisch durch die tränenvollen Affekte den falschen Schein von an die sichtbare Welt gebundener Versöhnung durchbrechen. Dieser der täuschenden Visualität entgegengesetzte Authentizitätsanspruch kommt allerdings in Sonett [58] dem Lied nicht zu: Wenn ich ein Lied beginne So hält es ein Und werd ich deiner inne Es ist ein Schein (GS VII, 56)

Im erinnernden Inne-Werden des Verstorbenen kann hier das Lied nicht die Opposition zum Schein der sichtbaren Welt einnehmen, sondern es enthüllt sich selbst als etwas Scheinhaftes. Folglich wird auch die Liebe, die andere Sonette im Lied idealisiert haben, an das Realitätsprinzip zurückverwiesen und erweist sich als zutiefst mangelhaft: So wollte dich die Minne Gering und klein Auf daß ich dich gewinne Mit Einsamsein (ebd.)

Außerhalb der scheinhaften Liedkunst stellt sich Liebe als Machtanspruch an den Anderen dar, der vergeblich dadurch erobert werden soll, dass der Liebende

25 Vgl. zum Folgenden auch Matassi: »Trauerspiel und Oper« (Anm. 23), S. 71–73.

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seine Einsamkeit hervorkehrt. Das Erheischen von Mitleid aber ist dieser stets gefährdeten Liebe völlig abträglich, weshalb die Wirkung auch fatal ist: Drum bist du mir entglitten Bis ich erfuhr Nur fehlerlosen Bitten Verrät Natur Und nur entrückten Tritten Die selige Spur (ebd.)

Nicht dem Einschreibungsdiskurs, selbst nicht dem fordernden Lied, sondern nur den unterwürfigen, nicht mit dem Makel des Scheins behafteten Bitten kann Natur die Erinnerung an die Liebe bzw. den Geliebten »verraten«, also – moralisch durchaus zweideutig – enthüllen, aber auch ihr Geheimnis verraten. Sprache, Bildlichkeit, Tonkunst, alle diese Medien können sich nicht an der Körperlichkeit des Geliebten messen; ihre Repräsentationsstrategien können deren »seliger« Aura nicht gerecht werden. So bleibt der Erinnerung an den Toten nur noch die materiale Spur seiner Tritte, die allein seine Abwesenheit verdeutlichen. Letztlich verweist das Versagen der Sprache darauf, dass besonders die erotisch besetzte Schönheit, die nur im wortlosen Lied existiert, sich diesem dann aber ebenfalls verweigert, dem Betrachter und sich selbst undurchschaubar bleibt. Sonett [52] entwirft deshalb eine Theorie der Schönheit, die radikal mit der klassischen Definition des symbolisch Schönen bricht. Hier postuliert das lyrische Ich, dass nicht versöhnliche Harmonie, sondern Trauer, also der Verlust einstigen Glücks, Teil der Schönheit ist und zur Unbegreiflichkeit des Ästhetischen führt: In aller Schönheit liegt geheime Trauer Undeutlich nämlich bleibt sie immerdar Zwiefach und zwiefach unenträtselbar Sich selbst verhüllt und dunkel dem Beschauer (53)

Mit dieser Definition verweist auch dieses Sonett auf den Wahlverwandtschaften-Aufsatz, in dem Benjamin gegen die verflachende Rezeption von Hegels Diktum – das Schöne sei das sinnliche Scheinen der Idee bzw. der Wahrheit – behauptet: »Nicht Schein, nicht Hülle für ein anderes ist die Schönheit [...]. Mag daher Schein sonst überall Trug sein – der schöne Schein ist die Hülle vor dem notwendig Verhülltesten. Denn weder die Hülle noch der verhüllte Gegenstand ist das Schöne, sondern dies ist der Gegenstand in seiner Hülle.« Deshalb fordert Benjamin von der Kunstkritik, diese wesenhafte Verhüllung des schönen Gegenstandes nicht aufzuheben, sondern »vielmehr durch deren genaueste Erkenntnis als Hülle erst zur wahren Anschauung des Schönen sich zu erheben« (GS I, 195).

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Wenn der Schein also nicht etwas die Schönheit Eröffnendes, sondern ein sie Verschleierndes ist, dann, so folgert das Sonett, entzieht sich die Schönheit der Wahrnehmung als etwas, von dem der Schein gleichsam abprallt, je mehr er sich der Schönheit angleichen will: Sie [die Schönheit] gleicht nicht Lebenden in ihrer Dauer Kein Lebender nimmt sie im Letzten wahr An ihr bleibt Schein wie Tau und Wind im Haar Je näher nahgerückt je ungenauer (GS VII, 53)

Deshalb bleiben die im ersten Quartett genannten Sprachen, also die des Betrachters und die der Schönheit selbst, dem ästhetisch-erotischen Objekt unangemessen: Sie steht wie Helena im Dämmerlicht Der beiden Welten Sprache taugt ihr nicht Es sei denn blendend ihr Geflecht zu trennen (ebd.)

Aus dieser allgemeinen Nichtsprachlichkeit des Schönen allerdings steigt die besondere Schönheit des Freundes als etwas unvergleichlich Anderes hervor. Diese Differenz zwischen abstrakter und individueller, an den Leib des Verstorbenen gebundener Schönheit besteht darin, dass letztere gerade durch den Tod des Leibes zu sich selbst kommt und durch diese Apotheose erst ihre eigene Selbstartikulation erreicht. Ganz im Sinne von Benjamins Bestimmung des Namens, der als »innerste[s] Wesen der Sprache selbst« dasjenige ist, »in dem die Sprache selbst und absolut sich mitteilt« (GS II, 144), heißt es abschließend: Doch war es deiner Schönheit nicht gegeben Als offner Tod aus deinem Jugendleben Zu wachsen und sich selber zu benennen? (GS VII, 53)

Wird hier der Verstorbene zur Vergeistigung einer idealen, außerhalb der ungenügenden Kunstsprache des Überlebenden angesiedelten Schönheit stilisiert, so verlagert Sonett [29] diese ästhetische Mythologisierung ins HeilgeschichtlicheReligiöse. Dies ist im Sinne der Schönheits-Theorie des WahlverwandtschaftenAufsatzes durchaus folgerichtig, denn dort schließt Benjamin aus dem Verhülltsein des Schönen, dass man »zur Anschauung des Schönen als Geheimnis« gelangen müsse. Dieses Geheimnis des Kunstschönen aber verweist für Benjamin auf dessen religiösen Grund: »Weil nur das Schöne und außer ihm nichts verhüllend und verhüllt wesentlich zu sein vermag, liegt im Geheimnis der göttliche

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Seinsgrund der Schönheit« (GS I, 195).26 Während die melancholisch erstarrte Trauerlandschaft in Sonett [7] keine Erlösungshoffnung zulässt, obwohl diese in der »Lehre« des Verstorbenen bereits angelegt ist, transfiguriert Sonett [29] die erotisch besetzte Schönheit des Verstorbenen im Prozess der trauernden Erinnerung explizit zu einer göttlichen Erlösungsmacht: Du Schlummernder doch Leuchte des Erwachens Trauriger du doch der Betrübten Tröster Verstummter dennoch Jubelruf Verlöster Weinender du heilender Gott des Lachens (GS VII, 41)

Die Verlagerung vom Bereich der Ästhetik ins Reich des Religiösen wird explizit ausgesprochen: »Bote der Schönheit du in Not entblößter // Engel des Friedens den das Schwert zerschnitten. / [...] Retter der winkt aus der Vernichtung Mitten.« Auch ähnelt dieser Sinnspruch Benjamins Charakterisierung des Dichters in dem Heinle gewidmeten Aufsatz »Zwei Gedichte von Friedrich Hölderlin: ›Dichtermut‹ – ›Blödigkeit‹« (1914–1915; GS II, 105–126): »Mut ist das Lebensgefühl des Menschen, der sich der Gefahr preisgibt, dadurch sie in seinem Tode zur Gefahr der Welt erweitert und überwindet zugleich« (123). Letztlich gilt auch für die Sonette, was Benjamin über das »Gedichtete«, also die »fundamentale ästhetische Einheit von Form und Stoff« (106), sagt: »Die Umwandlung der Zweiheit von Tod und Dichter in die Einheit einer toten dichterischen Welt, ›mit Gefahr gesättigt‹, ist die Beziehung, in der das Gedichtete der beiden [Hölderlin’schen] Gedichte steht« (124). Neben dieser erlösenden Aufhebung des toten Dichters in seiner poetischen Welt zeichnen sich hier auch komplizierte Beziehungen Benjamins zu Stefan Georges poetisch-erotisch inspirierter Vergottung des Leibes des als Maximin verklärten jungen Dichters Maximilian Kronberger ab, der als Sechzehnjähriger an Meningitis starb.27 Zwar widersteht Benjamin, wie Görling es formuliert, der von George vorgeführten Versuchung, den Tod des Geliebten »gewissermaßen in einem Selbstschöpfungsmythos als Opfer zu stilisieren, das in die Unsterblichkeit des Kunstwerkes transformiert wird.«28 Nicht zustimmen aber kann man Rolf Tiedemanns Formulierung, bei Benjamin werde der Tote »weder als Leib vergottet noch als Gott verleibt«.29 In einem ekstatisch-hymnischen Beschwörungs26 Zum Schönheitsbegriff des Wahlverwandtschaften-Aufsatzes im Kontext von Benjamins theologischen Denken vgl. Andreas Pangritz: »Theologie«, in: Opitz/Wizisla (Hg.): Benjamins Begriffe, Bd. 2 (Anm. 16), S. 774–825, hier S. 778–781. 27 Zu Benjamins fasziniert-distanzierter Beziehung zu George vgl. Geret Luhr: »Diese unzeitgemäße und undankbare Aufgabe: eine ›Rettung‹ Georges. Zur Bedeutung Stefan Georges für das Werk von Walter Benjamin«, in: George-Jahrbuch 2 (1998), S. 85–106. 28 Görling: »Sonette« (Anm. 2), S. 589. 29 Tiedemann: »Nachwort« (Anm. 4), S. 94. Er gesteht freilich zu, dass Benjamins Anrede des Toten als Gott, Heiland, Herr und Held noch Georges Geist atmet (ebd.).

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anruf, der die George’sche Mythisierung zwar auslöschen will, sie aber in vielerlei Hinsicht noch übertrifft,30 erscheint der Freund in seiner heilgeschichtlichen Apotheose als Inkarnation einer dialektischen Denkfigur, bei der gerade dem Scheitern und Zerstörten des Lebenden eine rettende Antithese eingeschrieben ist.31 Diese Dialektik antizipiert Benjamins spätere materialistisch-messianische Geschichtstheologie: »Die Vergangenheit führt einen heimlichen Index mit, durch den sie auf die Erlösung verwiesen wird«, heißt es in »Über den Begriff der Geschichte« (1940; GS I, 691–704), denn jedem Geschlecht ist »eine schwache messianische Kraft mitgegeben, an welche die Vergangenheit Anspruch hat« (693 f.). In dem Sonett freilich ist diese messianische Erlösungshoffnung aus dem jüdischen Vokabular in das christliche übersetzt. In den geschichtsphilosophischen Thesen »fällt erst der erlösten Menschheit ihre Vergangenheit vollauf zu« (694); den Juden wurde laut Benjamin »die Zukunft [...] darum [...] nicht zur homogenen und leeren Zeit«, weil »in ihr [...] jede Sekunde die kleine Pforte« war, »durch die der Messias treten konnte« (704). Dagegen hofft das Sonett schon hier und jetzt, nicht erst am Ende aller Tage, die Möglichkeit oder Verheißung einer Erlösungstat des Angebeteten zu erfahren.32 Unmissverständlich wird der Verstorbene als endzeitlicher Nachfahr archaischer Gottheiten gefeiert, der einer schuldbeladenen Gegenwart die Gnadenbotschaft zu bringen verspricht: Beter vertrieben von der tauben Schwelle Ergreister Götter Bringer neuer Huld Sei Heiland du und Löser unsrer Schuld. (GS VII, 42)

Wie immer man diese Verse verstehen will – als dubiose Mystifizierung eines von persönlicher Qual und politischen Umständen in den Suizid Getriebenen oder als ekstatisch-religiöse Vision mit rational nicht zu beurteilbarem Wahrheitsanspruch – in jedem Fall zeigen sie, wieweit sich Benjamins dichterische Einbildungskraft in Gebiete vorwagt, die seine theoretisch-kritischen Schriften natürlich breiter und ausführlicher, aber nicht unbedingt so radikal zugespitzt bearbeiten. Die Sonette machen einmal mehr deutlich, wie sehr sein Denken im Wesentlichen einem Sprechen in poetischen Bildern verpflichtet ist: Abstrakte Begriffsbildung und verallgemeinernde, oft apodiktische Theoriesetzungen gehen bruchlos in Metaphern, Metonymien, Allegorien und Gleichnisse über und lassen die Grenze zwischen Poetik und Philosophie bzw. Kulturkritik fließend 30 Dies als Modifizierung der Meinung Tiedemanns, der zwar zugesteht, dass Georges Mythisierung des Toten auch noch auf Benjamins Versen lastet, aber meint, dass »Benjamin gerade den Bereich des Mythischen als einen des blinden Zwanges verlassen« wollte (ebd.). 31 Vgl. zu diesem antithetischen »Zusammenfallen der Gegensätze« Boie: »Dichtung als Ritual« (Anm. 2), S. 26 f. 32 Vgl. auch ebd., S. 29–31 zum Verhältnis zwischen messianischer Zukunft, Gewalt und Heilsgeschehen in der Gestalt des Toten.

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werden. Wenig allerdings scheinen die Sonette gemeinsam zu haben mit dem historisch-materialistischem Duktus des Kunstwerk-Aufsatzes, der BaudelaireArbeiten, des Passagen-Werks und anderen kanonisch gewordenen Arbeiten, die noch immer einseitig das gängige Bild des Autors prägen. Haben diese Werke nachhaltig Benjamins zentrale Stellung in den gegenwärtigen Kulturwissenschaften gefestigt, so könnten die Sonette mit ihrer intermedialen Reflexion auf Verschriftung, Visualität und Musik das kritische Methodenbewusstsein aber gerade wieder zurücklenken auf Benjamins sprachmetaphysische, dichtungstheoretische und ästhetische Ursprünge. Deren Postulate, Kategorien und Interpretationsstrategien sind aus der Perspektive der Hochmoderne und der Avantgarde weitgehend dem klassisch-romantischen Kunstverständnis verpflichtet, das sie auf seine innere Dynamik, Widersprüche und Voraussetzungen überprüfen und in eigenen Fragestellungen fortführen. Weil dieses Kunstverständnis aber nicht mehr das unsrige ist, lassen sich Benjamins metaphyische Spekulationen zwar nicht mehr unmittelbar aus ihrem einstigen Entstehungskontext heraus in die Paradigmen heutiger Literatur- und Kulturwissenschaft transponieren, könnten ihr aber eben aus diesem unzeitgemäßen Abstand heraus vielleicht neue Anstöße zur selbstreflexiven Kritik und Revision ihrer eigenen Voraussetzungen, Ziele und Vorgehensweisen geben. Insofern gibt es in der sicherlich irritierenden Befremdlichkeit der Sonette ein Impuls zu entdecken, der gerade in Benjamins radikaler Inkommensurabilität, in der Differenz und Verweigerungsattitüde seiner Texte, die Chance seiner unerwarteten und unvorhersehbaren Aktualität zu erkennen erlaubt.

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In der Aura ihrer Aktualität Walter Benjamins Interviews und Mediengespräche Wir dagegen fragen allerdings handfest. Aber von Antworten werden nur die dreimal gesiebten durchgelassen. Präzise und klare Antworten, in denen nicht nur der Sachverhalt, sondern die Haltung des Sprechenden durchsichtig ist. Soweit Herr Keuner. (GS II, 664)

Im journalistischen Kontext sind die Schriften Walter Benjamins keine übliche Referenz. Die Information, die im Journalismus die gültige Währung ist, deren Kurs sich nach Aktualität, Attraktivität und Exklusivität richtet und deren Gebrauchswert nach »Neuigkeit, Kürze, Verständlichkeit« (GS I, 610) taxiert wird, hat für Benjamin keinen Wert. Er spricht ihr jede Anlage auf Nachhaltigkeit ab (GS II, 445). Dennoch besteigt Walter Benjamin mit seinen Beiträgen für Zeitung, Zeitschrift und Rundfunk die »journalistische Lokalbahn«, ebenso wie er den »literarischen Fernverkehr« (GB III, 253) für seine publizistische Strategie zu nutzen weiß, und dabei hat er auch Interviews und Gespräche im Gepäck. Journalistische Interviews und Gespräche sind eine spezielle Herangehensweise, deren Impetus an einer Vermittlung des Dialogs durch indirekte Partizipation des Publikums ausgerichtet ist. Diese Darstellungsform lebt, wenn sie nicht direkt übermittelt wird, von ihrer schriftlichen Wiedergabe.1 Für diese Aufgabe sieht Benjamin den Journalisten als Autor mit einer »gestaltende[n], formende[n], umbildende[n] Kraft« (GS II, 673) ausgestattet. Er ist Berichterstatter und mit seinem Erfahrungspotenzial jenem Erzähler verwandt, mit dem »die Kunde von fernher kommt« (444). Im Unterschied zu der pädagogischen Nuancierung seiner Rundfunkarbeiten haben Benjamins Mediengespräche einen ritualisierten und inszenatorischen Charakter. Mit diesen auf Gesprächen basierenden Artikeln kann er Mitte bis Ende der 1920er-Jahre seine publizistische Präsenz in der Literarischen Welt (LW ) dokumentieren und sich in der kulturjournalistischen Szene ausweisen. Sie gehören zu den kommunikativen Medienarbeiten, die sowohl einem mündlichen als auch einem schreibenden Produktionsprozess verpflichtet sind. Mit der schriftlichen (Re-)Inszenierung seiner Interviews gelingt es Benjamin, die Spannbreite journalistischer Anforderung und erzählerischer 1 Die Möglichkeit der Bearbeitung und Montage von Interviews in Hörfunk und Fernsehen entspricht der Autorenleistung einer schriftlichen Wiedergabe.

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Technik auszuloten, um sie passgenau zusammenzuführen und Aktualität mit Erlebtem zu verschmelzen. Die Autorität, die Benjamin für den traditionellen Erzähler aus dessen Erfahrungstiefe ableitet, nimmt er in der Konstellation der wiedergegebenen Begegnung auch für sich in Anspruch (438).2 Interviews im Allgemeinen nehmen den gesamten kommunikativen Prozess auf: Ein Zweiergespräch, unter dem Vorzeichen einer Veröffentlichung geführt, wird im Anschluss allein aus der Sicht des Journalisten vom mündlichen Austausch in eine schriftliche Form transformiert. Dieser Struktur, die alle medientypischen Bedingungen und ihre Komponenten berücksichtigen muss, gilt es bei Benjamin nachzugehen. Wie wird das dialogische Prinzip, das Benjamin in seinen Rundfunksendungen konsequent anwendet und das generell für jedes Interview geradezu formgebend ist, zu einem tauglichen Schema der gedruckten Vermittlung? Kann die schriftlich fixierte Form Aufschluss darüber geben, wie Benjamin seine Interviews geführt hat? Eine geplante Begegnung mit dem Ziel, Fragen und Antworten gegeneinander zu halten, birgt für Benjamin einen besonderen Erlebnis- und Erkenntniswert. Er ist die Matrix für die authentische Situation. Im Interview kann Benjamin einer breiten, aber auch spezialisierten Öffentlichkeit eine Gedankenwelt, die für sich selber spricht, präsentieren, deren Deutung zudem nicht zwingend ist. Die Dinge in der Aura ihrer Aktualität zu zeigen, ist mehr wert, ist weit, wenn auch indirekt, fruchtbarer, als mit den letzten Endes sehr kleinbürgerlichen Ideen der Volksbildung aufzutrumpfen. (GS IV, 449)

Basierend auf dieser Prämisse lassen sich Walter Benjamins Mediengespräche nach aktualitätsbezogenen Interviews einerseits und Vor-Ort-Gesprächen andererseits typisieren. Die journalistische Praxis sowie Benjamins taktisches Vorgehen stehen dabei im Fokus. Wenn Benjamin das Interview benutzt, offenbart er in den Antworten die Haltung, die Einstellung des jeweiligen Partners. Einer informierenden Aktualität dagegen entzieht er sich lieber, um stärker narrative Komponenten nutzen zu können, um eben nicht »die alte Genauigkeit in Handlung, Ortsbeschreibung und Zeitenfolge« (GS II, 1284) zu demolieren. Kein journalistisches Genre ist derart in einen performativen Prozess eingebunden wie das Interview und das Mediengespräch mit seiner Atmosphäre, dem Ineinandergreifen von Frage und Antwort in ihren inszenatorischen Ritualen und rhetorischen Finten.3 All das gehört zum stilistischen Besteck Benjamins. Die

2 Vgl. auch Alexander Honold: »Erzählen«, in: Michael Opitz/Erdmut Wizisla (Hg.): Benjamins Begriffe, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 2000, S. 363. 3 Erika Fischer-Lichte: Performativität. Eine Einführung, Bielefeld (transcript) 2012.

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wörtlich übernommenen Ausführungen beider Gesprächsteilnehmer verstärken den Eindruck einer erlebbaren Realität, sie erscheinen als verschrifteter Originalton und erhalten so als Zitate ihre Autorität und die Aura von Authentizität. Dennoch dienen sie allein einer narrativen Konstruktion des Autors.4 Er ist der glaubwürdige Zeuge einer Begegnung, die dem Urteil der Leser anheimgestellt wird. Benjamin braucht folglich für ein solches Konzept eine verlässliche Gesprächsführung. Viel ist angeboren, aber viel tut das Training. [...] Denn, was auch in der großen Verhandlung das Wichtigste ist, lernt er nur so: die Freude am Verhandeln, die bis zur sportlichen Freude am Partner geht, die große Fähigkeit, für einen Augenblick das Ziel aus den Augen zu lassen […] und endlich und vor allem: Liebeswürdigkeit. Nicht die weichende, plane, bequeme, sondern die überraschende, dialektische, schwungvolle, die, ein Lasso, mit einem Ruck sich den Partner gefügig macht. (GS IV, 350)

Den Effekt dieser Technik kann Benjamin mehrfach erfolgreich erproben und die Methode seiner Fragetechnik erweist sich immer dann als erfolgversprechend, wenn er die dahinter liegende Taktik offenlegt und den Leser an seinen Zielen und Absichten teilhaben lässt. Dieser transparente Stil einer Anschaulichkeit ist für seine gesamte Medienarbeit charakteristisch.

1. Gegen Boulevard und Konvention (Anne May Wong) »Meine Fragen waren das laue Bad«, heißt es gleich zu Beginn seines Berichts über die Begegnung mit Anne May Wong (GS IV, 523). So wie sich Wong präsentiert, personalisiert als Eine Chinoiserie aus dem alten Westen, akzeptiert Benjamin ihre Inszenierung und transformiert sie mit anverwandelter Bildlichkeit. Aus Frage und Antwort macht sich May Wong eine Schaukel: sie legt sich zurück und taucht auf, versinkt, taucht auf, und ich komme mir vor, als gäbe ich ihr von Zeit zu Zeit einen Stoß. Sie lacht, das ist alles. (525)

Zugleich liegt in dem Bild des Anstoßens das Hin und Her einer leichtgängigen Konversation. Alle konventionellen Fragen einer Interviewroutine verändern sich mit dieser Dynamik. Das laue Bad meint dezentes Fragen, das zwar ein Interesse

4 Manfred Voigt: »Zitat«, in: Opitz/Wizisla (Hg.): Benjamins Begriffe (Anm. 2), S. 826. Voigt macht darauf aufmerksam, dass der aktive Teil nicht allein das Zitat ist, sondern der Zitierende, der auch außersprachliche Zwecke verfolgt.

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der Leser mitführt, aber eher nebenbei stattfindet, behutsam, fast konspirativ, als wolle der Frager signalisieren, Wong sei sicher vor Indiskretion, verbaler Zudringlichkeit oder einfach auch vor konventionellen Stereotypen. Die Frage ist im Interview und Mediengespräch der zentrale Mechanismus. Ihr wird ein rhetorischer Auftritt bereitet, der Aufmerksamkeit binden soll. In der Frage wird die Form selber Inhalt. Die Vielfalt ihrer zielgerichteten Gestaltung steht für das angestrebte Ergebnis einer aussagestarken Antwort. Sie wiederum ist der Originalton, dem seine Eignung als Zitat beigegeben sein muss. Erst in Relation zur Frage erscheint die Antwort präzise, pointiert und klar oder ausweichend und verschwommen. Benjamin lenkt das Interesse bewusst auch auf sich als Frager. Seine Fragen, die er wörtlich in die spätere verschriftete Form übernimmt, sind seine Art sich zu inszenieren. Er gibt seine Führung zu erkennen. Er hält die Schaukel in Schwung und kann mit der Frage die thematischen Aspekte und die Nachdrücklichkeit des Gesprächs vorgeben oder verändern. Anne May Wong, ein amerikanischer Filmstar, gerade 23 Jahre alt, hält sich zu Dreharbeiten ihres neuen Films Schmutziges Geld (1928) in Berlin auf.5 Auf den ersten Blick also ein altbekanntes Sujet des Boulevards, das mit Routine alle konventionellen Erwartungen bedienen könnte. Das Interview wäre Quelle für »Stadtklatsch«, mit jener »eigene[n] billige[n] Eleganz, die für das Feuilleton so bezeichnend« (GS I, 529) ist. Aber Benjamin bürstet die Situation gegen den Strich, die kleine Pressekonferenz, die anderen anwesenden Journalisten, darunter auch der Pressezeichner B[enedikt]. F[red]. Dolbin,6 ebenso wie ihre Fragen und ihr »unnützes Geplauder«. Wongs Antworten nimmt Benjamin auf, ergänzt sie mit eigenen Einlassungen, reflektiert die Inszenierung der Schauspielerin in seiner eigenen. Von ihrem Glanz und Glamour lässt er sich nicht blenden. Er möchte die junge Frau vorstellen, nicht den Star in seiner Attitude, sondern das »brave, gesunde Mädchen«, dem die Rolle einer Mutter lieber ist als die der Flatterhaften, und sie zugleich einbetten in die bildhaft exotische Sprache ihrer eigentlichen Herkunft. So verweist das assoziative Spiel mit ihrem fremd klingenden Namen als Einstieg in seinen Bericht indirekt auf Wongs Pseudonym, ohne es zu lüften. »May Wong – der Name klingt farbig gerändert, markig und leicht wie die winzigen Stäbchen es sind, die in einer Schale Tee sich zu mondvollen duftlosen Blüten entfalten.« (GS IV, 525)7 Natürlich ist es auch Benjamins Ziel möglichst viel Persönliches über May Wong zu erfahren, jedoch nicht aus voyeuristischem Interesse, sondern in der Hoffnung, dass sich daraus ihr Denken und Handeln von selbst erklären ebenso wie ihre Schauspielkunst. Eine These, die Benjamin später als Theorie

5 Schmutziges Geld, Regie Richard Eichberg, Uraufführung 21.08.1928 in Berlin. 6 B. F. Dolbin (1831–1971) illustriert den Artikel Benjamins mit einer Zeichnung von Wong. 7 Eigentlich: Wong Liu Tsong (03.01.1905–02.02.1961).

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des Erzählens entwickelt, stellt er hier praktisch auf die Probe. »Es ist nämlich schon die halbe Kunst des Erzählens, eine Geschichte, indem man sie wiedergibt, von Erklärungen freizuhalten.« (GS II, 445) Einem »Verzicht auf psychologische Schattierung« jedoch, wie er ihn im Kapitel VIII seines Erzähleraufsatzes anempfiehlt (446), kann er in dem Wong-Artikel nicht ganz nachkommen. »Ihr Weinen ist unter Kollegen berühmt. Man fährt nach Neubabelsberg heraus, um es zu sehen. Nun errate ich schon, dass ihr ungetrübtes, heiteres Sichgeben nicht trügt, und dass, je inniger ihre Vorliebe für das Traurige, desto ausgeglichener und heiterer ihr Alltag ist.« (GS IV, 524) Auch dem journalistischen Effekt eines Human Touch versagt er sich bei diesem Bericht nicht und führt die emotionale Komplexität von Fremde und Verlassenheit mit einem Satz in die Aktualität. Die beiden [Wong und ihre Schwester] sind ganz allein von Amerika herübergekommen, und als sie auf dem Hamburger Bahnhof standen, blieb ihnen nichts übrig, als aufzuhorchen, in welcher der vielen Gruppen das Wort »Berlin« fiel und der zu folgen. So verlassen waren sie noch. Inzwischen ist das Gegenteil ihre Sorge geworden. (ebd.)

Am Ende nimmt Benjamin dann doch ein bisschen Glamour zu Hilfe, denn wie bei jedem Interview mit einem Prominenten fällt ein wenig vom Flair der Attraktivität auch auf den Interviewer, der allem so nah kommen darf und der als Stellvertreter seiner Leser dafür steht, womit diese sich identifizieren: »Ich weiß, ich werde sie wiedersehen, in einem Film, der dem Gewebe unserer Zwiesprache ähnlich sein möge« (527). Die typischen Fragen aus der Konvention, wie sie zum Boulevard gehören, etwa wie Wong zum Film kam, wie sie ihre Rollen vor dem Spiegel probe, nach ihrem Lieblingskleid, einem Vorbild, ihrem Umgang mit freundlichen und unfreundlichen Kritiken stehen im Raum, aber wir wissen nicht, ob Benjamin eine von ihnen gestellt hat, denn keine davon ist zitiert belegt. Vielleicht hat er für den Artikel eine Auswahl seiner Fragen getroffen, die er explizit offeriert und in ihrer strategischen Absicht transparent macht: »Lieben die Chinesen den Film? Gibt es chinesische Regisseure? Filmt man in China?« Antworten, die er auf diese Weise gewinnt, weisen weit über die Konvention hinaus und lassen sich mit eigenen kenntnisreichen Ausführungen zu einer Art Zwiegespräch zusammenführen (525). Asiatische Kultur mit ihrem exotischen Reiz erfreut sich in der Weimarer Republik großen Interesses.8 Benjamin kennt chinesische Novellen, zum chinesischen Theater hat er eine Rundfunksendung für Kinder gemacht (GS VII, 226)

8 Vgl. Essad-Bay: »Die indische Literatur der Gegenwart. Gespräch mit Frau Naidu, der ›indischen Nachtigall‹«, in: LW (1928) 43, S. 1.

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und auch in diesem Artikel über Wong flicht er Zitate aus der chinesischen Literatur ein, wie sie zuvor im Gespräch gefallen sein könnten. Dann mögen sie, ähnlich wie das laue Bad der Fragen, der Annäherung und Beziehung zwischen Benjamin und seiner Interviewpartnerin gedient haben. Einige könnte er auch erst später in seine schriftliche Wiedergabe implantiert haben als eine dezente intellektuelle Selbstinszenierung, allzumal in Abgrenzung zu anderen, allein auf verwertbare Informationen fokussierte Journalisten.

2. Aktualität und Akteure (Crémieux, Bragaglia, Granowski, Schoen,9 Benjamin10) Für aktuelle Anlässe, wie etwa Besuche prominenter Persönlichkeiten in der Stadt, bietet sich das Interview als besondere Mitteilungsform an. Die Nähe zu den Akteuren einer weitgefassten kulturellen Szene, ihren aktuellen Aussagen und die direkten schnellen Informationen sind der publizistische Mehrwert dieses Formats. Damit empfiehlt es sich seinerzeit in der LW für die Titelseite.11 Ein medienwirksamer Auftritt hat darüber hinaus für die Interviewten und den Interviewer selbst einen nicht zu unterschätzenden Effekt, der sich mit der Aktualität verstärkt. Den aktuellen Bezug verleugnet Benjamin in keinem seiner Interviews. Wir wissen allerdings nicht, zu welchem dieser Interviews er direkt einen Auftrag erhalten hat und welche er eigeninitiativ führt oder ob sie sich zufällig ergeben haben und er ihre öffentliche Wirkung unmittelbar erkennt. Die Gesellschaftsnachricht aber, die sich als Zweck dieser Interviews aufdrängt, ist nicht Benjamins Sache; ein Persönlichkeitsporträt dagegen, möglicherweise sogar in Verbindung mit eigenen aktuellen oder prospektierten Arbeitszusammenhängen, entspricht durchaus seinem virulenten Interesse. Die überlieferten Interviews lassen vermuten, dass sich Benjamin seine Interviewpartner gezielt aussucht, aber er sieht sich auch selbstironisch in der Pressemeute auf der Jagd nach schneller, aktueller Beute:

9 Walter Benjamin: »Ein bedeutender französischer Kritiker in Berlin. Gespräch mit Benjamin Crémieux« (GS IV, 496); »Bragaglia in Berlin« (522); »Granowski erzählt« (518); »Gespräch mit Ernst Schoen« (548). 10 P-Ro: »Europäische und sowjetische Kunst« (GS VII, 879) sowie Detlev Schöttker: »Der Nachlass von Walter Benjamin«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 06.10.2010, Nr. 232, S. 4. 11 Walter Benjamin sieht bis 1930 die meisten seiner Interviews und Gespräche auf der Titelseite platziert. Von den fünf Gesprächen 1927 führt Benjamin vier. Im Jahr darauf teilen sich vorwiegend Benjamin und Essad-Bey Gespräche auf der Titelseite.

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Gestern gab es eine Pariser Enklave in dem neuen Berliner Dasein. Es wurde ein welscher Literat abgefangen und interviewt. Dieses Jagdwild hört aber nachgerade auf, edel zu sein; sie kommen vielmehr in Scharen her um sich vor den armen Deutschen auszuquatschen. (GB III, 300)

Zur journalistischen Arbeitsweise Benjamins gehört es offenbar, dass er sich mit einer thematischen Agenda vorbereitet, die im späteren Artikel teilweise nachvollziehbar ist. Als 1927 Ein bedeutender französischer Kritiker in Berlin weilt, interessiert ihn an Crémieux12 nicht dessen völkerverständigende Mission, sondern vielmehr seine eindeutige Stellungnahme zu der Frage, welche französischen Bücher am dringlichsten übersetzt werden sollten, und er schont seinen Unterredner nicht. »Diese Frage gefällt meinem Partner gar nicht.« (GS IV, 496) Der ausweichenden, unpräzisen Antwort setzt Benjamin in journalistischer Manier nach und lässt sie eben nicht durch das Keuner’sche Sieb13 fallen. Auch der aktuelle Informationsbesuch des italienischen Theater- und Filmkünstlers Anton Giulio Bragaglia 1928 in Berlin ist Anlass für ein Interview. Walter Benjamin trifft ihn als Experten zu einem Thema, mit dem er selbst seit seinem Aufenthalt in Russland umgeht: die nationalen Unterschiede der Theaterpraxis (481). Außerdem – und das ist wieder ein journalistischer Coup – gibt er geschickt fragend mit Bragaglias Expertenmeinung einer aktuell schwelenden Debatte um Erwin Piscator, die auch in der LW geführt wird, indirekt neue Nahrung.14 Die Information als Meinung führt ihre Plausibilität in sich und lässt sich zugleich mit autoritativem Gestus zu einem Appell rhetorisch aufwerten: »Deutschland hat allen Grund, auf die Versuche dieses ernsten, fanatischen, bis ins Utopische sich selber treuen Künstlers aufmerksam zu sein.« (523) Ein anderer Theaterkünstler, mit dem Benjamin 1928 zu einer »Unterhaltung« zusammentrifft, ist Alexander Granowski. Die beiden sind sich schon einmal in Moskau begegnet und nun bietet sich anlässlich eines Berliner Gastspiels des Jüdischen Akademischen Theaters aus Moskau in Berlin die Gelegenheit für ein Interview – oder vielleicht doch für ein längeres Gespräch? Souverän legt Benjamin die persönliche Beziehung zu seinem Gesprächspartner offen, ungewöhnlich für ein Interview, in dem eine gewisse Distanz die Unabhängigkeit des Interviewers garantieren soll. Zwar ist das Treffen dem aktuellen Anlass zu verdanken,

12 Benjamin Crémieux (1888–1944), Schriftsteller und Literaturkritiker mit Schwerpunkt französischer und italienischer Literatur, war zeitweise auch diplomatischer Mitarbeiter des französischen Außenministeriums. 13 Vgl. das Motto, Anm. 1. 14 Das Stichwort Bragaglias der »technische Überbau über dem unverletzten Text« bezieht sich auf die anhaltende Kritik um die Bearbeitung Piscators u. a. der Dramatisierung von »Die Abenteuer des braven Soldat Schwejk« durch Max Brod und Hans Reimann, aufgeführt an der Piscator-Bühne am 23.01.1928; vgl. LW (1928) 2, S. 7 sowie S. 3–4.

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aber schon der Titel, den Benjamin seinem Artikel gibt, Granowski erzählt, zeigt, dass er anderes im Sinn hat. »Was ich damals [in Moskau] versäumte, verspreche ich mir durch verdoppelte Gewandtheit heut nachzuholen.« (518) Der Berichterstatter macht sich hier eine erzählerische Stimme und Stimmung zu eigen, um sich in lockerer Form in einem zweistündigen Gespräch über Theatertheorien, Traditionen und neue Entwicklungen auszutauschen. Einige von Benjamins Interviews geben folglich selbst in ihrer Aktualität und journalistischen Einengung ganz gezielt der Freiheit des Gesprächs wieder Raum. Einer besonderen Variante des Interviews, die in der Presse und schnell auch im Rundfunk gebräuchlich wird, haftet der haut-goût der Gefälligkeit an, umso mehr, wenn damit ein aktueller Anlass verknüpft werden kann. Das Gespräch mit Ernst Schoen (548) ist ein solches Interview. Ernst Schoen hat 1929 gerade seine neue Position beim Frankfurter Rundfunk übernommen und erhält nun im Gespräch mit Benjamin die Gelegenheit, sich der Leserschaft der LW vorzustellen. Hilfreich von seinem Freund Benjamin eingeleitet, wirbt der »wichtige Mann beim Rundfunk« (GB III, 466) für seine Pläne und seine Programmphilosophie.15 Bei einem solchen Interview benötigen Fragen keinen eigenen Auftritt, sie genügen sich als Stichworte. Es zählen allein die prominent veröffentlichten Antworten. Noch bevor Benjamin als Interviewer selber dieses journalistische Genre anwendet, hat er als Gesprächspartner die andere Seite des Interviews kennengelernt. Im Dezember 1926 wird er in Moskau für die Večernjaja Moskva (Moskau am Abend) befragt. Dreispaltig, auf einer halben Seite, wird der »berühmte Kunstwissenschaftler Dr. Walter Benjamin« angekündigt. Das Interview ist »sehr groß aufgemacht« (GS VI, 372), wie Benjamin hervorhebt, trotzdem ist er, wie die meisten Interviewten, nicht mit allen Antworten zufrieden, er ärgert sich über seine »unsichere und unpräzise Art« (ebd.). Zudem moniert sein Übersetzer und Begleiter, Bernhard Reich16 »überflüssige theoretische Auseinandersetzungen«, mit denen er sich »gefährliche Blößen gegeben« habe (313). Der Wissenschaftler, der mit diesem journalistischen Format nicht vertraut ist, verfängt sich leicht in theoretischer Ausführlichkeit, jeglicher Verkürzung misstrauend. Der »Reporter« (ebd.), der das Interview führt, paraphrasiert in seinem Artikel Benjamins Äußerungen ohne direkte Zitate, aber Benjamin scheint mit der Wiedergabe einigermaßen zufrieden, »es bleibt im ganzen doch nützlich, dass es erschienen

15 Ernst Schoen vermittelt Benjamin immer wieder Aufträge für den Rundfunk. Vgl. Sabine Schiller-Lerg: »Ein Freund überlebt. Erste biographische Einblicke in seinen Nachlass«, in: Klaus Garber/Ludger Rehm (Hg.): global benjamin, München (Wilhelm Fink) 1999 und dies.: »Ernst Schoen vertont sechs Gedichte von Christoph Heinle«, in: Tobias Robert Klein (Hg.): Klang und Musik bei Walter Benjamin, München (Wilhelm Fink) 2013, S. 131. 16 Bernhard Reich (1894–1972), Theaterregisseur und späterer Ehemann von Asja Lācis.

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ist« (372). Den Nutzen sieht er zweifelsfrei in der öffentlichen Wahrnehmung seiner Person und den Möglichkeiten, die sich aus diesem Umstand ergeben könnten. Bei einem zweiten Interview, das Benjamin ein Jahr später einem polnischen Journalisten in Paris für die Zeitschrift Wiadomsci Literacki (Literarische Nachrichten) gibt, ist er bereits geschickter und nutzt die öffentliche Darstellung, um selbst ausführlich auf sein neues Buch Einbahnstraße hinzuweisen, »das in Kürze erscheinen soll und ich habe den Eindruck, dass ich dieses Buch nicht hätte schreiben können, ohne in Paris zu sein«. Dabei ist der »vorzügliche[] Übersetzer« der eigentliche Anlass. »Proust auf Deutsch: Artur Prędski im Gespräch mit Walter Benjamin. Paris, im Oktober 1927«17 lautet der ausführliche Titel des Artikels, in dem Benjamin knapp und präzise Stellung nimmt zu seiner ProustÜbersetzung. Obwohl dieses Interview in einer Zeit erscheint, als Benjamin jede öffentliche Präsenz wichtig gewesen sein dürfte, erwähnt er es nirgends. Möglicherweise hat er nie erfahren, dass es erschienen ist, aber auch der Umstand des Interviews selber ist ihm offenbar keinen Hinweis wert. Der Information ist Genüge getan, eine nachhaltige Wirkung zweifelhaft. Die Erfahrung als Interviewpartner ist für Benjamins eigene Mediengespräche nicht unerheblich. Als berichtender Erzähler oder erzählender Berichterstatter kann Benjamin zwar dem aktuellen Anlass als journalistischem Ausgangspunkt nicht ausweichen, aber er bewahrt sein eigenes literarisch changierendes Konzept vor einer Aktualitätshörigkeit. Die Informationen sind nur das journalistische Vehikel für eine Geschichte, keinesfalls sollen sie »gegen den Bereich ab[]dichten, in dem sie die Erfahrung des Lesers betreffen könnten« (GS I, 610).18 Diese Freiheit einer anschaulichen Gestaltung, eines Narrativs über das »pure An-sich des Geschehenen« (611) hinaus, lässt sich Benjamin nicht nehmen. Sie ist der letzte Schritt des performativen medialen Aktes, was in den ausdrücklichen Gesprächen noch deutlicher hervortritt.

3. Exklusivität und Eigeninteresse (André Gide)19 Am 24. Januar 1928 um 11.00 Uhr empfängt André Gide, der sich in Berlin aufhält, Walter Benjamin zu einem Interview in seinem Hotel am Potsdamer

17 Vgl. Anm. 10. 18 Diese medienkritische These Benjamins wird immer wieder auf ihre Bedeutung geprüft. Vgl. Kai Kauffmann: »Innovation und Konvention. Eine medien- und funktionsgeschichtliche Rekonstruktion der literarischen Großstadterfahrung«, in: Evelyn Schulz/Wolfgang Sonne (Hg.): Kontinuität und Wandel, Zürich (vdf) 1999 und Thomas Weber: »Erfahrung«, in: Opitz/Wizisla: Benjamins Begriffe (Anm. 2), S. 251. 19 Walter Benjamin: »André Gide und Deutschland« (GS IV, 497) und »Gespräch mit André Gide« (502).

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Platz. Benjamin geht zunächst davon aus, er werde mit Gide ein Gespräch für die LW führen. Beim Eintreffen erfährt er von dem junge Pierre Bertaux,20 der das Treffen offenbar arrangiert hat, dass es auch als Interview in der Deutschen Allgemeinen Zeitung (D.A.Z.) erscheinen solle.21 Bertaux selbst hält nichts von der nationalkonservativen D.A.Z. Als Publikationsort scheint ihm die LW besser geeignet, denn »si mediocre soit-elle, est tout de même le lieu d’une interview de ce genre« (GS VII, 618). Das bedeutet, zwei Versionen »différemment« werden erwartet. Während der Artikel in der LW erst Mitte Februar erscheint, bringt die D.A.Z. Benjamins Interview aktuell am 29.01.1928, denn an diesem Sonntagvormittag sitzt André Gide in der Loge des Deutschen Künstlertheaters und wird nach der szenischen Aufführung von Der verlorene Sohn in der Übersetzung von Rainer Maria Rilke gefeiert.22 Dieser publizistische Zusammenhang ist gewiss nicht zufällig, obwohl er weder von Benjamin noch in den Aufzeichnungen von Pierre Bertaux erwähnt wird, der bei dem Gespräch Gides mit Benjamin anwesend ist. Er protokolliert es, möglicherweise um für Gide selbst dessen Aussagen festzuhalten.23 Eine ungewöhnliche Situation für ein Interview, doch damit ist ein Blick von außen auf die beiden Gesprächspartner überliefert. Die Begegnung mit Gide ist für Walter Benjamin ein außergewöhnlicher Moment. Im gesamten Kontext seiner durchaus ambivalenten Beziehung zu Gide kommt der Wiedergabe des Interviews eine erhebliche Aussagekraft zu.24 Welche Bedeutung hat aber gerade die mediale Perspektive in dieser Situation, unter deren Vorzeichen die Unterhaltung steht, wahrscheinlich für Gide sogar der Anlass ist, Benjamin überhaupt zu empfangen? Die Exklusivität eines Interviews, generell eine journalistische Auszeichnung, ist auch für Benjamin besonders wichtig. »In den letzten Tagen hatte ich eine große Freude. André Gide war in Berlin und hat, als einzigen deutschen Publizisten, mich empfangen und mir eine zweistündige Unterhaltung gewährt, die

20 Pierre Bertaux (1907–1986) studierte in Berlin Germanistik. Sein Vater, Félix Bertaux, war mit Benjamin bekannt. 21 Pierre Viénot (1897–1944), Gründer eines deutsch-französischen Studienkomitees, war als Verständigungspolitiker in Berlin aktiv. Er intervenierte laut Pierre Bertaux gegen eine alleinige Veröffentlichung in der LW. »Je descends le [Benjamin] chercher, je le ramène, je lui explique le truc de la Literarische Welt et de la D.A.Z.« (GS VII, 618). 22 Vgl. Sabine Schiller-Lerg: Walter Benjamin und der Rundfunk. Programmarbeit zwischen Theorie und Praxis, München (K. G. Saur) 1984, S. 493. 23 Eine Druckfreigabe von Interviews war nicht üblich, sodass ein solches Protokoll auch für ein späteres Überprüfen der Zitate dienen mochte. 24 Chryssoula Kambas: »Indem wir von uns scheiden, erblicken wir uns selbst. André Gide, Walter Benjamin und der deutsch-französische Dialog«, in: Lorenz Jäger/Thomas Regehly (Hg): Was nie geschrieben wurde, lesen, Frankfurter Benjamin-Vorträge, Bielefeld (Aisthesis) 1992, S. 132.

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ungeheuer interessant war«; Benjamin gibt daraufhin einen Tag nach Erscheinen des ersten Artikels in einem Brief an Gershom Scholem seine persönliche Rückschau als Gegenfolie zu einem »freilich sehr für die Öffentlichkeit zensierten Bericht« in der LW (GB III, 325 f.). Was Du daraus kaum ersehen wirst, ist, dass das Gespräch wundervoll war und was es bedeutet. Gide lässt sich nämlich auch in Frankreich nicht sprechen. Er hat mich während dieser Unterhaltung zwei, drei Mal gebeten, noch zu bleiben und mir, und später noch Dritten, gesagt, wie erfreulich ihm unsere Begegnung gewesen sei. Auf Gides besonderen Wunsch, der seine conférence, derentwegen er hergekommen war, nicht gehalten hat und sich irgendwie sonst halboffiziell den Leuten vorstellen wollte, habe ich neben der großen Darstellung des Gesprächs ein Interview für die Deutsche Allgemeine Zeitung (Gide wollte aus gewissen Gründen gerade dieses Blatt) geschrieben, das heute erschienen ist. Ich hoffe, dass dieses Gespräch meine Position in Paris [...] sehr verbessern wird. (Ebd.)

Walter Benjamins Unterscheidung zwischen Gespräch und Interview ist hier deshalb bemerkenswert, weil er mit beiden Begriffen eine eindeutige Qualifizierung vornimmt. Er differenziert in diesem Fall nicht einfach nur quantitativ, aufgrund des Publikationsortes, sondern bereits medientypologisch in der Ausrichtung auf einen informatorischen Charakter einerseits und auf einen erzählend berichtenden andererseits. Der Tageszeitung, die der Aktualität und politischen Information mehr verpflichtet ist als eine Literaturzeitschrift, wird eine andere Form zugestanden. Vor allem aber sind die Voraussetzungen für ein Gespräch andere als für ein Interview, weshalb diese Unterscheidung auch als publizistische Inszenierung gesehen werden muss. Das Interview ist asymmetrisch angelegt, der Journalist, der meistens auch das Thema vorgibt, fragt, während vom Interviewpartner zitierfähige Antworten erwartet werden. Der informative Charakter bestimmt das Interview, eventuell ergänzt mit einigen wenigen Erklärungen zu Person oder Thema.25 Der Interviewer tritt zurück und überlässt dem Antwortenden den Vortritt. Dennoch will er mit dem Lasso der ersten Frage die Führung behalten. Das Funktionale hat Priorität. Im Gespräch mit André Gide ist genau das nicht Benjamins Intention. Öffentlich gilt es folglich, nicht weniger als in der privaten Korrespondenz, bei allen Vorbehalten einen intimen Gesprächscharakter zu dokumentieren.26

25 Ein geformtes Interview, der wechselseitige Abdruck von Frage und Antwort, benutzt Benjamin nie, obwohl es bereits gebräuchlich ist. 26 Den Interviewcharakter betont Benjamin allenfalls unterschwellig, wenn er von »vernehmen« spricht (GS IV, 500). Zur Entstehung des Interviews aus der Gerichtsberichterstattung vgl. Michael Haller: Das Interview. Ein Handbuch für Journalisten, Konstanz (UVK) 1997.

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Denn das Gespräch, zwischen zwei oder mehreren Partnern geführt, kann sich, auch als mediale Form, auf seine freie Entfaltung berufen, auf einen Austausch von Meinungen und Erfahrungen, auf Einwände, mögliche Missverständnisse, eben auf das Lebendige, mit dessen Rhythmik »die allein wahre Wirklichkeit sich ins Gespräch drängt« (GS II, 621). Bei einem solchen Gespräch ist nicht allein die Aussage von Belang, sondern der Kontext, in dem es geführt wird. Die Stimmung und die Beziehung der Gesprächspartner benutzt Benjamin in seinen Berichten als differenzierendes Kriterium zwischen Interview und Gespräch. Auch wenn er zumeist beide Begriffe, wie auch heute noch gebräuchlich, synonym verwendet27 und – mit Ausnahme dieses Falls – Gespräch und Interview nicht präzise auseinanderhält, muss dennoch berücksichtigt werden, wann es sich um ein reines Interview handelt und wann er sich auf ein Gespräch einlässt und hofft, dass auch der Gesprächspartner dazu bereit ist. Eben das ist auch die Erwartung bei seinem Gespräch mit André Gide. Das Interview, eine Form, die Diplomaten, Finanziers, Filmleute sich geschaffen haben, ist auf den ersten Blick nicht die, in der ein Dichter, [...] sich zu erkennen gibt. Sieht man genauer zu, so steht es doch anders. Rede und Antwort artikulieren wie Schlaglicht das Gidesche Denken. (GS IV, 502)

Walter Benjamin spricht hier bezeichnenderweise von einem Interview als Instrument der Nachricht, nicht der Vermittlung. Zweifellos war auch dieses Gespräch nach der gesamten Inszenierung und Organisation so angelegt. In dieser klarsichtigen Differenzierung macht sich folglich Benjamins Enttäuschung Luft, dass es keine Möglichkeit gegeben hat, auch nur einen Themenaspekt in seinem Sinn zu vertiefen, dass es bei Schlaglichtern geblieben ist. Mit dem Bild einer Festung, eines ›Forts‹, sinntragend für die komplexe Gedankenwelt Gides, benennt Benjamin zugleich die Gefahr einer Verweigerung bei bedrängender Nähe.28 Er hat die abgesteckten Grenzen seines Interviewpartners durchschaut und riskiert keine Abschottung. »Gide ist eine durch und durch dialektische Natur mit einem fast beirrenden Reichtum von Vorbehalten und Verschanzungen. Diesen Eindruck, den schon das Werk auf seine Weise gibt, steigert die mündliche Rede bald ins Großartige bald ins Problematische.« (GB III, 332) Die legendäre Bescheidenheit des Dichters im Umgang mit Ruhm verdeckt seine öffentlichkeitswirksame Strategie. Er sei ein »unbequemer Unterredner im Gespräch – scheu und wild zugleich« (GS IV, 499), womit umschrieben ist, dass er mit den Risiken eines Interviews umzugehen versteht, mit ausschweifender Rede reagiert und mit

27 Ebd. 28 Im Nachdruck (GS IV, 502) ist der Druckfehler aus der LW, »Weiterung« anstelle der sinngemäßen »Weigerung«, übernommen worden.

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vielsagenden Anekdoten abzulenken bemüht ist, in jedem Fall die Richtung vorgibt, der zu folgen ist. Einige Monate zuvor hat Benjamin einen vergleichbar schwierigen und unbequemen Politiker befragt: Georges Valois,29 ausgestattet mit der »Tugend des politischen Menschen, ein jedes Wort auf seinen Eindruck, jede Bewegung auf die Wirkung zu berechnen« (487), taktiert mit Verschlossenheit. Benjamin muss insistieren, um konkrete Antworten zu erhalten, provozieren, nachsetzen, fast investigativ bohren, aber keine Antwort taugt als Zitat, der Berichterstatter muss referierend selber in die Bresche springen und zusammenfassen. Der daraus entstandene Beitrag Für die Diktatur. Interview mit Georges Valois trägt als einziger den bezeichnenden Terminus im Titel. (Ebd.) Die taktischen Ausweichstrategien von Valois sind denen von Gide entgegengesetzt. Ist der eine eher zugeknöpft, dominiert der andere mit langer Rede. Während Benjamin die eindeutige Rolle als Interviewer bei Valois gerade recht ist, um seine offensive Taktik zu legitimieren, greift sie bei Gide viel zu kurz. Hier ist Benjamin damit konfrontiert, die eigene Rolle zu finden und sich behaupten zu müssen. Gide scheint die Situation und den Ablauf des Treffens in seinem Sinn – als Interview – vorausgeplant zu haben. In dem jungen Schriftsteller Benjamin, der zwar als literarischer Übersetzer ausgewiesen ist und mit Verve in die französische Literaturszene drängt, sieht er offensichtlich nur den Medienvertreter für eine deutsche Öffentlichkeit, wenn auch einen fachkundigen. Aber Gide leistet der Illusion eines Gesprächs mit aller rhetorischen Gelenkigkeit Vorschub. Benjamin ist nicht in der Position, die Schaukel anzustoßen, aber er durchschaut die Strategie und in dem Moment, in dem die Gestaltungsmacht wieder allein in seinen Händen liegt, bei der Verschriftung, dekuvriert er Gides Verhalten mit unterschwelliger Ironie und Doppeldeutigkeit. Der Selbstinszenierung in einer koketten Attitüde des angeblich scheuen Dichters räumt Benjamin in dem LW-Artikel viel Platz ein und überlässt sie dem Urteil der Leser. Der »große Franzose« hat sich auf der Stufe eines Erkers platziert. [E]inen braunen Foulard um den Hals und die Hände über den Teppich ausgreifend oder gesammelt ums Knie geschlungen, ist er sich selber Frager und Sprecher genug. Ab und zu fällt sein Blick aus der deutlichen Hornbrille auf mich, wenn eine der seltenen Fragen sein Interesse erregt hat. (502)

Gide bestimmt die Szene mit seinen Ausführungen. Es ist eine Herausforderung für jeden Journalisten, die Balance zu halten zwischen gewichtigen Aussagen eines prominenten, noch dazu viel älteren Gesprächspartners und dem eigenen

29 Georges Valois (1878–1945) nationalistisch-faschistischer Politiker und Journalist aus dem Umfeld von George Sorel und Charles Maurras.

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Gesprächskonzept. Im Gegensatz zu dieser szenischen Beschreibung wird im D.A.Z.-Interview das distanzierte und selbstgefällige Auftreten Gides en passant zum greifbaren Bild. »Man fühlt, er ist gewohnt im Hofstaat der Ideen sich zu bewegen. Von dorther, von dem Umgang mit Königinnen, die leise Intonation, das zögernde und doch gewichtige Spiel der Hände, der unauffällige Blick seiner Augen.« (499) Dass letztlich ein bewundernder Tenor die öffentliche Darstellung einer vorgeblich erfolgreichen Begegnung beherrscht, ist zweifellos diplomatisch.30 Denn Benjamins Interesse an einer Fortsetzung des Dialogs in anderen Zusammenhängen bleibt unverkennbar. Auch mit dem ausdrücklichen Wunsch Gides, bestimmte Aussagen nicht zu veröffentlichen, wird abermals die Form eines vertraulichen Gesprächs unterstrichen, gleichzeitig auch deutlich gemacht, wer die Macht über die Inhalte hat. »Da er ziemlich rückhaltlos über alle literarischen Dinge sprach, die wir berührten«, entschuldigt Benjamin Gides Verhalten in seiner Korrespondenz, jedoch andererseits »seine Stellung in Frankreich so exponiert ist, ließ unser Gespräch sich nur sehr bruchstückweise wiedergeben und vieles Wesentliche musste ich für meine persönlichen Notizen zurückhalten« (GB III, 331). Die Forderung nach einem off the record, wie es heute heißt, ist für jeden Journalisten heikel, weil er einerseits der Vertraulichkeit verpflichtet ist, andererseits den Erwartungen seines Mediums gerecht werden muss und ein »für die Öffentlichkeit zensierte[r] Bericht« (325) mit seinem »Standesgefühl« (GS II, 673) nicht vereinbar ist. Darin denkt selbst Walter Benjamin eindeutig als Journalist. In der Situation jedoch verhält er sich als Gesprächspartner, denn während einer »fesselnden Unterhaltung« (GB III, 331) sind Notizen nach Journalistenart schlechterdings nicht angemessen.31 Papier und Bleistift mussten beiseite bleiben, und wenn die folgenden Worte authentisch sind, so danken sie es der Schärfe der leisen, begeisterten Stimme, von der sie kamen. Kaum eine der Fragen, die mehr aus der Routine denn aus Anteil in einem Interview gewöhnlich auftauchen, hatte ich Gide zu stellen. (GS IV, 502)

Gide verlangt die ganze Aufmerksamkeit. Benjamins Fragen werden allenfalls gewagt oder als Stichworte eingeworfen, treffen im glücklichsten Fall auf einen Gedanken Gides. Auf eine Frage, die wahrscheinlich doch journalistischer Konvention geschuldet ist, vielleicht auch dem Interesse des literarischen Stadttheoretikers, hält Benjamin Gides Antwort in seinen späteren Privatnotizen fest:

30 Vgl. Kambas: »Indem wir von uns scheiden, erblicken wir uns selbst« (Anm. 24), S. 144. 31 Es ist auch denkbar, dass Gide Aufzeichnungen ablehnte. Benjamins Notizen scheinen nicht während des Gesprächs entstanden zu sein. Sie sind zweisprachig abgefasst.

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»Auf Reisen ziehen ihn in einer Stadt am meisten an: öffentlicher Garten, Markt, Kirchhof, Gericht (Souvenirs de la cour d’assises)«.32 Sie finden in keiner Ausformulierung Platz, obwohl das klassisch journalistische Verfahren, biographische Ankerpunkte, persönliche Einstellungen und Vorlieben mit Werkbezügen und ihren Einflüssen zu verknüpfen, die Folie für beide zielgruppenorientierte Artikel Benjamins bietet. »Passons à l’interview. Voici ce que je voudrais que sache le public.« (GS VII, 622) So kommt Gide »mit einer plötzlichen Wendung der Unterhaltung« (GS IV, 500) auf den eigentlichen Zweck des Interviews. Er hat eine Botschaft an die Öffentlichkeit, eine lancierte Verlautbarung im Gewand eines Mediengesprächs und Walter Benjamin wird Sprachrohr. Indirekt soll dem deutschen Publikum eine Entschuldigung für die Absage seines Vortrages, für den er eigentlich nach Berlin gekommen ist, offeriert werden.33 In ihrer Darstellung gewinnt Benjamin die Freiheit der Gestaltung zurück. Für die D.A.Z., deren Schwerpunkt auf der Außenpolitik liegt, gibt der Titel André Gide und Deutschland bereits die kulturpolitische Deutung vor, indem der völkerverständigende Impetus »europäische[r] Prägung« (502) fokussiert wird, und Gide als »repräsentativste Erscheinung des geistigen Frankreichs« (501) ein Forum für die deutsch-französische Annäherung geboten wird. In der LW dagegen wird die Absage zur Nebensache, vielmehr steht Gides »Verhältnis zur deutschen Sprache« im Mittelpunkt, das ein eigenes Schlaglicht auf die Schnittmengen deutsch-französischer Literatur wirft. Am Beispiel, wie Benjamin Gides Kritik an der eingeengten Sicht eines Maurice Barrès auf nationale Kultur jeweils exemplarisch einbindet, zeigt sich seine journalistische Fertigkeit, den Originalton einem verschobenem Kontext anzupassen und das Argument zu einem erzählbaren Panorama umzuformen. Bei einer arrangierten Begegnung dieser Art, wird der vorherrschende Stil vorgeblicher Nähe und konventioneller Distanz bis zum Ritual der Abschiedsformel aufrechterhalten. »J’ai eu plaisir, Monsieur Benjamin, à causer avec vous. Tous les trois, nous avons causé des choses bien intéressantes, et j’étais heureux de sentir comme nous réagissions l’un à l’autre.« (GS VII, 623) Walter Benjamin liefert mit den zwei Versionen des Gesprächs äußerst gültige Beispiele für den performativen Charakter der Medienszene. Sie haben vom Ablauf der Begegnung über die angesprochenen Themen und die Abfassung der Artikel bis zum Veröffentlichungsort ihre jeweils eigene durchkomponierte Dramaturgie. 32 Akademie der Künste, Berlin, Walter Benjamin Archiv, MS 732; für die Hilfe bei der Entzifferung von Benjamins handschriftlichen Notizen danke ich Michael Schwarz und Erdmut Wizisla. 33 André Gide: Projet de conférence pour Berlin (1928). Vgl. Kambas: »Indem wir von uns scheiden, erblicken wir uns selbst« (Anm. 24), S. 150; demnach handelt es sich um ein Vortragskonzept, aus dem einige Punkte in das Gespräch mit Benjamin eingeflossen sind.

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4. Gespräche vor Ort (Colette, »Pariser Köpfe«)34 Vor-Ort-Gespräche führen den Journalisten direkt zum Geschehen. Er ist Augenzeuge und authentischer Berichterstatter. Deshalb ist der Ort für ein Medientreffen von außerordentlicher Bedeutung. Gibt er nur bedingt Privates preis, wie ein Hotelzimmer, Büro, eine Künstlergarderobe, oder wird der Journalist bei seinem Gesprächspartner Zuhause als Gast empfangen? Schon in der Niederschrift des Gesprächs mit André Gide spielt Benjamin mit der Vorstellung, ihm »unter seinen Büchern an den Stätten zu begegnen, wo er Großes geplant und durchgeführt hat« (GS IV, 502). Durch den Journalisten wird die private Umgebung öffentlich und ohne angemessenen Respekt wird er schnell zum Eindringling. Andererseits ist das Authentische der realen Anwesenheit vor Ort eine journalistische Qualität der Glaubwürdigkeit. Für Benjamin ist der Ort Teil der Begegnung selbst, für ihn liegt im Ambiente und in der Atmosphäre der Schlüssel zur Persönlichkeit und zum Werk gleichermaßen. Insofern unterscheiden sich die Gespräche, die Walter Benjamin vor Ort führt, von den Interviews, in denen seine Gesprächspartner ihn auf fremdem Terrain empfangen. Wenn der Ort für ein Gespräch das »kräftige ›Hier‹ seiner Schauplätze« (GS II, 638) ist, so ist es der zeitliche Faktor allemal. Die »Evidenz des Hier und Jetzt« bestärkt Benjamin für seine Leser dadurch, dass er stets auch die Dauer eines Gesprächs betont. Damit wird er nicht bloß als Repräsentant eines Mediums empfangen, sondern ist willkommener Gast und Gesprächspartner, der dieses Gespräch später in einem Artikel für sein Publikum vergegenwärtigt. Zugleich setzt er sich auf diese Weise von der routinierten Form eines Interviews ab. Interviews, die vor Ort geführt werden, entwickeln leichter einen Gesprächscharakter, den Walter Benjamin zumeist erwartet, ja fast voraussetzt, wenn er seine wichtigen Gesprächspartner aufsucht. Der Anlass braucht keine Aktualität, sehr wohl aber, wie beim Interview, eine Fragestellung, die sich jedoch im Verlauf des Gesprächs unvermittelt oder taktisch geplant verändern kann. Die Frage an die Schriftstellerin Colette ist bereits von der LW für eine Artikelserie vorgegeben.35 Colette empfängt Walter Benjamin in ihrer Wohnung in Paris, deren Atmosphäre ihn unverzüglich einnimmt. Er richtet sich auf dem »Divan« neben Colettes »Hündchen« (GS IV, 492) ein und schwingt das Lasso der Gesprächseröffnung.

34 Walter Benjamin: »Soll die Frau am politischen Leben teilnehmen? Dagegen: Die Dichterin Colette« (GS IV, 492); »Pariser Köpfe« (GS VII, 279); »Friedrich Sieburgs Versuch ›Gott in Frankreich?‹« (GS VII, 286); »Pariser Tagebuch« (GS IV, 567). 35 Ab 16.09.1927 bringt die LW in unregelmäßigen Abständen die Serie »Die großen Gegensätze unserer Zeit. Eine Reihe Artikel und Interviews in antithetischer Anordnung« (vgl. Anm. 34).

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Ich versichere Sie meines Respekts und meiner Sympathie für jenen Kampf auf verlorenem Posten, den sie gegen die Herrschaft – die öffentliche, offizielle Rolle der Frau im Leben der modernen Gesellschaft führt. Und ich versichere sie im Vorhinein der eingeschränkten diplomatischen Bedeutung meiner Einwürfe. Dem scheint sie zu trauen und sie hat Recht. (Ebd.)

Benjamin weiß, Vertrauen für den offenen Austausch muss erst geschaffen werden, bevor er zu gegebener Zeit, mit einnehmender Zurückhaltung oder in der Rolle des »advocatus diaboli« wieder die Führung anmelden kann. In Colette hat er die souveräne Partnerin, die ihn in alle ihre Gedankengänge und Beispiele einbezieht. Im Verlauf ihrer lang zitierten Redepassagen greift Benjamin zu einem stilistischen Mittel, das der Methode der Verfremdung vergleichbar ist. Er unterbricht unvermittelt Colettes Ausführungen mit Kommentaren, die er in Klammern einfügt. Unausgesprochenes, »Überlegungen im stillen« (491) oder einfach die Situation beschreibend, tauchen diese kleinen Anmerkungen wie à part gesprochen auf. Fast nebenbei bringt sich der Autor dem Leser als erlebender Gesprächspartner und Vermittler wieder in Erinnerung. Gleichzeitig wird mit dem abrupten Einschnitt eines Perspektivenwechsels der Leser angesprochen, sich dem eigentlichen Ziel der Debatte nicht zu entziehen, in diesem Fall, ob die Frau am politischen Leben teilnehmen soll oder nicht. Wenn sie [die Frau] die Beine übereinanderschlägt, so wird sie es nicht tun wie Sie eben (ich habe keine Zeit mehr, meine Haltung zu verbessern), sondern sie macht es auf diese Weise (und hier schlägt Frau Colette mit derart resolutem Schwung die Knie übereinander, dass der Rock nicht viel mehr zu sagen hat). (493)

Zum Ende eines Gesprächs greift ein weiteres Ritual, wie es weniger in Interviews, umso häufiger in Gesprächen dieser Art nachvollzogen werden kann, die Abrundung in leichtgängigem Small Talk. Aber was den Eindruck einer verplauderten Konversation macht, »Wie lange wohnen Sie schon hier, gnädige Frau?« zeigt, wie Benjamin noch beim Hinausgehen die Schriftstellerin mit ihrer Wohnung im alten Palais Royal »in diesem zentralsten, verstecktesten Winkel der Altstadt« (495) verortet. Der Reiz von Zwiegesprächen mit öffentlichem Charakter liegt in ihrer Performanz. Jene Vor-Ort-Gespräche, die Benjamin in Paris zum Jahreswechsel 1929/1930 führt, atmen diese Aura.36 Den »Pariser Köpfe[n]« als Gesprächspartner kommt eine Sonderstellung zu, weil einige von ihnen zwar nach journalistischem

36 Zu dieser Art von Gesprächen zählt auch jenes mit Jean Ballard, das zu einem Porträt »Les Cahiers du Sud« (GS IV, 483) ausgestaltet wird und ebenfalls jenes mit »François Bernouard. Der Drucker, Verleger und Autor« (545).

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Muster befragt werden, jedoch die klare persönliche Motivation unverkennbar ist. Benjamin bemüht sich gezielt um Begegnungen und eine avisierte Veröffentlichung in einer Literaturzeitschrift, öffnet leichter die Türen. Sein eigentliches Ziel ist es, sich als kompetenter Kenner und Vermittler französischer Literatur vor Ort im wahrsten Sinne des Wortes ins Gespräch zu bringen und später in Deutschland von dem Effekt des Authentischen zu profitieren. In einigen seiner literarischen Rundfunkbeiträge beispielsweise zitiert Benjamin diese Gespräche, und die Begegnungen mit den Autoren werden in ihrer Nähe überzeugend dargestellt.37 Man trifft sich in Cafés und Bars, verabredet oder zufällig. Viele dieser Gespräche kommen durch »zufällige[n] Konstellationen« (GS VII, 280) zustande, ihnen fehlt der ritualisierte Charakter eines Mediengesprächs und das Muster eines vorbereiteten Treffens. Anders ist es in den Gesprächen mit Marcel Jouhandeau und Emmanuel Berl (GS IV, 570), die eindeutig als Mediengespräche angelegt sind und im Fall Berls sogar die journalistische Technik als »primitive Methode« der schnellen Vorbereitung, »bevor man einen Unbekannten besucht, eine halbe Stunde seine Schriften [zu] lesen« (573), offenlegen. Umgekehrt ist das Rundfunkstudio zwar kein privater Ort, dennoch ist der Journalist hier mit allen Gegebenheiten vertraut und empfängt seinen Gesprächspartner als Gast, er vertritt quasi seine Hörer. Walter Benjamin hat ein solches Gespräch 1931 im Frankfurter Sender mit Ernst Rowohlt geführt.38 Für diese halbstündige Unterhaltung, deren aktueller Anlass der »Tag des Buches« ist, sind keinerlei Notizen überliefert, möglicherweise hat es sie nie gegeben. Denn zeitgleich an einer freien und spontanen Entwicklung eines solchen Gesprächs teilhaben zu können, wenn auch indirekt durchs Radio, macht für die Hörer den Reiz aus.39 Benjamin und Rowohlt kennen einander gut, aber ihr persönliches Agieren vor dem Mikrophon, Fragen und Antworten und eine ritualisierte oder gar für die Hörer inszenierte Umgangsform werden wahrscheinlich hörbar, aber eben nicht aufgezeichnet. Allenfalls der Titel des Gesprächs Vom Manuskript bis zum 100. Tausend und ein kleiner Ankündigungstext lassen ahnen, worum es in dem Gespräch gegangen sein könnte. 37 Vgl. Anm. 34. 38 »Vom Manuskript bis zum 100. Tausend«, 22.03.1931, Gespräch zwischen Ernst Rowohlt und Walter Benjamin«, in: Südwestdeutsche Rundfunk-Zeitung (S.R.Z) 7 (1931) 12, S. 5; Benjamins Gespräche mit Hören am Mikrophon in Rätselsendungen oder einem literarischen Gesellschaftsspiel »Dichter nach Stichworten« zählen ebenfalls zu dieser Kategorie. Vgl. Schiller-Lerg: Walter Benjamin und der Rundfunk (Anm. 22), S. 218. 39 Dialoge und Streitgespräche sollten die Lebendigkeit des Rundfunkprogramms befördern. Vgl. Sabine Schiller/Arnulf Kutsch: »Literatur im Rundfunkprogramm. Ein Modellversuch zur Frühgeschichte des literarischen Programms der ›Funk-Stunde‹, Berlin 1925–1930«, in: Winfried B. Lerg/Rolf Steininger (Hg.): Rundfunk und Politik 1923–1973, Berlin (Volker Spiess) 1975, S. 103; Joachim-Felix Leonhard (Hg.): Programmgeschichte des Hörfunks in der Weimarer Republik, München (dtv) 1997, S. 593–597 u. S. 1205; zu Zwiegesprächen im Frankfurter Sender vgl. Ernst Schoen an Walter Benjamin (GS II, 1501).

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Zweifellos ist das Erfahrungs- und Erkenntnispotenzial, das in all diesen Begegnungen liegt, sehr viel weitreichender als ein augenblicklicher journalistischer Auftrag es zu leisten vermag, das gilt vor allem für die Pariser Gespräche vor Ort. Der persönliche Ertrag liegt einerseits in weiterführenden Impulsen, andererseits in einem perspektivischen Kontakt oder gar einer Zusammenarbeit.40

5. Das dialogische Prinzip als Denkmodell Die Interviews und Gespräche Walter Benjamins sind nicht vergleichbar mit seinen frühen Dialogen41 oder mit jenen Radiostücken, denen in ihrer Rollenanordnung eine eigene Gesprächsdramaturgie zugrunde liegt.42 Einzig in den Hörmodellen43 kommt das Gespräch mit seinem unterschiedlichen Ablauf und in seiner Wirkung einer realen und auch nachvollziehbar aktuellen Situation nahe. Ihre Vermittlungsabsicht ist zwar pädagogisch kodiert, aber in ihrer situativen Einbindung der Hörer dem Interview vergleichbar. Auch die strategische Planung, das taktische Verhalten, das in den Modellen durchgespielt wird, spricht für eine Nähe zu den inszenatorischen Ritualen des Interviews. Im medialen Kommunikationsprozess will Benjamin weder den Leser noch den Hörer allein lassen. Dafür findet Benjamin im Rundfunk als Sprecher seiner Texte einen kommunikativen Stil, um diesem Anspruch gerecht zu werden.44 Das Interview fordert ihm als Akteur eine andere Art der Inszenierung ab. Er muss in zwei Richtungen und auf zwei Ebenen zeitlich versetzt agieren. Das Ereignis des realen Gesprächs bestimmt sein Verhalten, sein Agieren und Reagieren in der Situation selbst. Später wird es in eine neue gestaltete Wirklichkeit geschrieben. Nur seine ausgewählten Fragen und die »gesiebten« Antworten erreichen die Leser, Benjamin entscheidet über den Grad der Partizipation und die Perspektive seiner Vermittlung. Der berichtende Erzähler bleibt seinem Handwerk treu. (GS II, 447) Mit Ausnahme des Gesprächs mit André Gide haben diese Interviews bislang kaum Beachtung gefunden, weil ihre vielfältigen thematischen Aspekte oft nicht 40 Laure Bernardi: »Zur französischen Literatur und Kultur«, in: Burkhardt Lindner (Hg.): Benjamin Handbuch. Leben – Werk – Wirkung, Stuttgart (Metzler) 2006, S. 332. 41 Walter Benjamin: »Dialog über die Religiosität der Gegenwart« (GS II, 16); »Gespräch über die Liebe« (GS VII, 15); »Der Regenbogen. Gespräch über die Phantasie« (19). 42 Ders.: »Was die Deutschen lasen, während ihre Klassiker schrieben« (GS IV, 641) sowie Schiller-Lerg: Walter Benjamin und der Rundfunk (Anm. 22), S. 229. 43 Walter Benjamin: »Gehaltserhöhung?! Wo denken Sie hin!« (GS IV, 628); vgl. dazu SchillerLerg: Walter Benjamin und der Rundfunk (Anm. 22), S. 189. Zu dieser Form nachgestellter Realität gehört auch das Gespräch zwischen dem Theaterautor Wilhelm Speyer und dem Kritiker Walter Benjamin »Rezepte für Komödienschreiber« (GS VII, 610). 44 Vgl. Heinrich Kaulen: »Konversation als Aufklärung«, in: Jäger/Regehly: Was nie geschrieben wurde, lesen (Anm. 24), S. 23.

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mehr als ein Schlaglicht sind. Dieses Format allerdings verweist damit auf eine eigene Systematik. Denn im performativen Akt des Mediendialogs sind dessen Rituale, Inszenierungen und narrative Strategien ein brauchbares Schema für ein kalkulierbares Wirkpotenzial. Die übliche medientypische Gestaltung eines Interviews ist für Benjamin lediglich ein formales Regelsystem für eine eigene Auslegung. Das dialogische Prinzip wird in seiner journalistisch pragmatischen Grundierung – im Unterschied zu der philosophischen Ausrichtung der frühen Dialoge – zu einem Denkmodell der Anwendung. Die erzählerische Textur überlagert informative Substrate, sie gehen im methodischen Leitmotiv der Partizipation und in der Idee von Vermittlung auf, es bleibt die Aura der Aktualität. Dabei sind Benjamins Interviewfragen auch Ausdruck einer neu ausgelegten populären Form, wie er sie im Zusammenhang mit dem Hörfunk eingefordert hat (GS IV, 671). Aus dem medientheoretischen und performativen Zusammenhang seiner Interviews wäre mit all den zahlreich festgehaltenen, privaten Gesprächen eine Gesprächstheorie Walter Benjamins denkbar auf der Spur des »wahren Gespräch[s]« (366). Gleichermaßen aber wird aus dem Lasso, geschwungen mit dem rhetorisch dialektischen Geschick einer Gesprächseröffnung, das »Sprungseil, das der Gedanke nehmen muss, um ins Reich der Schrift vorzudringen« (GS VI, 202). Angesichts der überbordenden Banalität heutiger Mediengespräche muss man einmal mehr Walter Benjamins Weitblick rühmen, wenn er in der Einbahnstraße schreibt: »Die Freiheit des Gesprächs geht verloren. Wenn früher unter Menschen im Gespräch Eingehen auf den Partner sich von selbst verstand, wird es nun durch die Fragen nach dem Preise seiner Schuhe oder seines Regenschirms ersetzt.« (WuN VIII, 135; GS IV, 98)

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Identity and Survival in Deutsche Menschen The flourishing of literature and thought during the age of Goethe may have inspired German nationalism in the 1930s, but Walter Benjamin identified other values in the period worth defending. Deutsche Menschen is a short collection of edited letters by well-known German authors which Benjamin published in 1936 under the pseudonym Detlef Holz in order to hide his Jewish identity. In his inscription to Scholem’s copy of the book, Benjamin wrote, »May you, Gerhard, find a chamber in this ark – which I built when the Fascist flood started to rise – for the memories of your youth,« and in his sister’s copy Benjamin wrote, »This ark, built after a Jewish model, for Dora – From Walter.«1 This essay considers what Benjamin may have meant by those inscriptions. Looking beyond discussions of »German,« »Jewish,« and even »German-Jewish« identity, this essay explores Benjamin’s descriptions of his letter collection, asking how he conceptualized and framed it at first and how it may have changed between 1931 and 1936. The categories of tradition and agency will be my focus, which I will develop in the context of Benjamin’s other writings and his particular interests in quotation and materialism. The formation and reception of Deutsche Menschen reveal a complex, ambitious project that combines many of Benjamin’s ideas and goals. Benjamin’s collection began as an occasional series of letters he collected and published in the Frankfurter Zeitung in 1931–1932, the end of the Weimar Republic. In its final, book form, Deutsche Menschen includes twenty-five letters by, to, and about famous German writers and scientists on topics of death, friendship, love, and other realities of life, including personal finances. Kant, Goethe, Hegel, Schleiermacher, Nietzsche, and Grimm are among the authors and subjects of the letters, which Benjamin introduced with short commentaries that contextualize and appraise the letters in the moralizing terms of the book’s dedication: »From Honor without Fame/ From Greatness without Glamor/ From Dignity without Pay« (»Ehre ohne Ruhm, Größe ohne Glanz, Würde ohne Sold«, GS IV, 150). The stated purpose of the collection is to depict a lost cultural age (1783–1883): »It was the age when the German bourgeoisie had to place its weightiest and 1 Gershom Scholem: Walter Benjamin. The Story of a Friendship, trans. Harry Zohn, New York (Schocken) 1981, p. 202. A similar inscription appears in Siegfried Krakauer’s copy. See Erdmut Wizisla: »›Plaquette für Freunde‹, Widmungen für den Leser«, in: Barbara Hahn/Erdmut Wizisla (eds.): »Walter Benjamins ›Deutsche Menschen‹«, Göttingen (Wallstein) 2007, pp. 45–67. I wish to thank Dr. Wizisla for his consultation on this essay.

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most sharply etched words on the scales of history. And it had little to place there except those words.« Benjamin marks the transitions of this period by Goethe’s 1825 lament over the rise of modern technology and mediocrity: »We may be the last representatives – with a few others perhaps – of an era that will not easily come again« (SW III, 167). This passage could be construed as a straightforward expression of nostalgia, but in light of the complexity of Deutsche Menschen and Benjamin’s use of the quotation here and elsewhere (in a playful radio play and a leftist encyclopedia article), I believe the quotation serves rather to criticize contemporary Germany in ways that have little to do with Goethe’s text. Benjamin had great ambitions for his book. In his letters and manuscripts he says he seeks to reach a large audience in Germany with »a kind of golden library of classics in nuce« (GS IV, 949). He envisions a book with wide appeal to school children, professors, journalists, and others that combines the elements of popular anthology, scholarly edition and a classic edition (950). This would be a large (double-sized) volume, like what people now call a coffee-table book (948–949). Whatever Benjamin intended with Deutsche Menschen, he wanted it to reach a large public. At first Deutsche Menschen looks more like a veneration of German letters written out of nostalgia or economic necessity than a major theoretical statement, but a closer look reveals a project that began with newspaper articles and became a book that reflects Benjamin’s thinking about cultural traditions and practices of quotation. When he began the project in 1931, it seems unlikely that Benjamin set out to write a personal manifesto on the legacy of German letters, much less to build a Jewish ark against the Fascist flood, but by 1936 he had achieved something that strikingly draws a number of his interests together. What I wish to pose as a question here is how Deutsche Menschen balances some of these interests, particularly one that will be familiar to many readers of Benjamin, the commitment to the power of words, literature, and literary culture on the one hand and a rather different commitment to a materialist critique of fascism on the other. Benjamin’s dedication of the book as an »Ark« (Arche), notes Erdmut Wizisla, is only for Jewish recipients: his sister, Siegfried Kracauer, and Scholem.2 So what did Benjamin mean by the Noah’s Ark reference in the dedications to Scholem, Kracauer, and his sister? How does he understand the biblical story? Is Deutsche Menschen an esoteric Jewish text? The question, of course, has sectarian implications – if Benjamin’s text has a secret meaning reserved only for Scholem, his sister, and Kracauer, it stands to be lost even on Adorno, whom Benjamin still addresses as »Sie« in letters from this time. I raise the question partly to note the

2 Wizisla: »›Plaquette für Freunde‹« (note 1), p. 61.

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frisson of esotericism that runs not only through some of Benjamin’s writings but through much scholarship on Benjamin as well. There can be no simple resolution to the question of Jewish-German identity in Benjamin’s thought, though some boundaries around the problem can be delineated. It is safe to say, for example, that Judaism and Jewish identity are not limited for Benjamin to halakhic observance; in fact, Benjamin had little direct knowledge or experience of traditional Jewish life or Hebrew texts, and his main source of knowledge about Judaism, Gershom Scholem, famously pursued the study of esoteric texts and traditions rather than traditional Jewish practices. As for German literary culture, one can also say with confidence that Benjamin was keenly sensitive to the ethnic and nationalistic politics associated with German letters. It would be just as difficult to mark Benjamin as a »melting-pot« pluralist who believed that Kantian principles of human dignity and equality could somehow be trusted to protect against the kinds of danger that he recognized in the language and culture around him even before the rise of National Socialism. Benjamin’s clarity about the limitations of these three positions does not, unfortunately, add up to a systematic or compelling resolution to the question of identity. Instead, a crucial if modest gesture of Benjamin’s work on this problem is a sustained commitment to attentiveness, disciplined perception, and self-awareness. What is more, Benjamin’s text was public from the beginning, and while it implies more than it says about politics, its distance from fascism and even modern nationalism is clear. And for all the evidence of esoteric intent, there is just as much to be said for Benjamin’s public ambitions for the book and its development from newspaper articles. But the dedications reveal an interpretive frame for the project that likely became clearer to Benjamin between 1931 and 1936. This essay sketches a reading of Deutsche Menschen with these dedications as a kind of guide. There is a tendency to read Benjamin’s text as a forceful repudiation on Nazi ideology, and to sentimentalize it.3 The main problem with this

3 This is something on which Scholem and Adorno agree. Cf. Adorno’s »Nachwort«, in: Theodor W. Adorno: Noten zur Literatur, ed. by Rolf Tiedemann, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 2003, pp. 686–692, where he describes the motto of the book as »oppositionell« (p. 686), a defense of the values destroyed by Nazis (p. 687), and the book as »Denkmal« of this lost world that shows how far it is (»lehrt die Distanz von ihnen« [p. 692]). Scholem: Walter Benjamin (note 1), p. 203. Recent versions of this view can be found in Axel Schmitt: »Schiffbruch«, literaturkritik.de (2004) 6 (online available at: www.literaturkritik.de/public/rezension/php?rez_id=7151, accessed March 19, 2014) and Albrecht Schöne: »›Diese nach jüdischem Vorbild erbaute Arche‹. Walter Benjamins ›Deutsche Menschen‹«, in: Stéphane Moses/Albrecht Schöne (eds.): Juden in der deutschen Literatur. Ein deutsch-israelisches Symposion, Frankfurt a. M. (Suhrkamp), 1986, pp. 350–365.

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view is that it overlooks the scope of this project, which began well before 1931 and relates to several other writing projects, some of which are discussed here. My claim is that we can discern many of Benjamin’s abiding commitments in Deutsche Menschen – humanism, romanticism, critique of progress, materialism (but no mention of Judaism!) – and that its »text-and-commentary« structure reflects traditional literary scholarship and anticipates the quotationbased method he devised and implemented later in his Arcades Project.

Structure and Design Several separate texts on this project appear in Benjamin’s Gesammelte Schriften, including one from 1931–1932 when the letters appeared in the Frankfurter Zeitung, a possible radio address called »On the Trail of Old Letters.« Here Benjamin adopts a genial, scholarly voice and places emphasis on the »humanity« and »living tradition« (»lebendige Überlieferung«) conveyed by the letters (GS IV, 944). He presents the letters as neglected and overlooked classics that deserve a place in the literary canon, along with a way of reading these letters not »to underpin a cult of the writer as hero« but to credit the humanity of the writers as »noble, creditable, and rich in substance« through »something that facilitates communication with his lesser contemporaries« (SW II, 556–557). In this retrieval of the overlooked, non-canonical, and ordinary documents of life, with its challenge to conventional literary scholars about the value and meaning of letters and the canon, Deutsche Menschen resembles the materialist aesthetic of Benjamin’s later essay on the collector Edward Fuchs (1937). Any full-blown materialist reading of the text, then, would be an alternative to the emphasis on Jewish identity suggested by Scholem and Wizisla. A second, probably later, text called »German Letters« takes a more political tone, suggesting that the language of »secret Germany« (ein geheimes Deutschland) and »civic duty in an emergency« (Aufruf der bürgerlichen Not). This text includes three letters on political subjects by Forster, Hölderlin, and Seume, of political nature, including the French and American revolutions (GS IV, 946–947). This theme of emergency is echoed in a letter from 1932 in which he cites the project as one of several that deal with sites of rubble or catastrophe (»die die eigentliche Trümmer- oder Katastrophenstätte bezeichnen«, 947). Benjamin originally ended Deutsche Menschen with an angry farewell letter from Schlegel to Schleiermacher, but just as the book was about to be published he decided to remove it because of its »negative content« and »lesser weightiness,«

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making the number of letters twenty-five instead of twenty-six.4 It is not clear why the letter was reintroduced in the 1962 edition of Deutsche Menschen, but it was apparently Adorno’s idea. He wrote to the editor of the 1962 edition suggesting that the letter be added, saying that he found this letter in the Frankfurter Zeitung and that it was missing from the book for some reason, »vielleicht nur der glatten Zahl 25 zuliebe.«5 Later, the editors of Benjamin’s Gesammelte Schriften included this letter as an »Anhang.« The final letter now became the letter from Overbeck to Nietzsche; Benjamin’s introduction to this letter mentions theology and Christianity frequently, and it tellingly ends as follows: True Christianity, for him, meant an absolute, eschatologically founded denial of the world. Acceptance of the world and its culture was a repudiation of Christianity’s essence, and all theology from the patristic period onward was a Satan among religions. Overbeck was aware that he had »written himself out of Germany as a theology teacher.« Here is the letter, whose recipient had voluntarily exiled themselves from the Germany of the Gründerzeit. (SW III, 217)6

An undated typescript collected with Benjamin’s notes for the project includes headings for grouping the letters: »Schule und Leben,« »Neue Gesichtspunkte,« »Der Verfall und die Reichsgründung,« »Publikationsfehler,« »Vorbildliche Editionen,« »Briefe, die Klüfte erhellen wie Blitze,« and »Falsche Klassizität«. (WuN X, 123–124) Although this list does not appear to govern the final version of Deutsche Menschen, it reveals Benjamin’s diverse literary and social-historical goals for the project.

4 »Ich könnte mir denken, daß Sie mit mir der Meinung sind, dies sei keine ansprechende Zahl. Zu dieser Überlegung würde sich dann meine Wahrnehmung fügen, daß der Brief von Schlegel an Schleiermacher sowohl seinem negativen Gehalt wie seinem minderen Gewicht nach keine ganz glückliche Figur macht« (GB V, 377). Cf. Michael Diers: »Einbandlektüre, fortgesetzt. Zur politischen Physiognomie der Briefanthologie«, in: Hahn/Wizisla (eds.): »›Deutsche Menschen‹« (note 1), pp. 24–29, which makes the best argument for the political aims of the book, even down to lettering, title, and design. Broderson goes on to note that the letter was added back in to the posthumous 1962 edition (in the middle, after Hölderlin’s letter) with an afterword by Adorno, noting that it was left out of a later edition and added as an »Anhang« (WuN X, 313). 5 Adorno to Siegfried Unseld, 11 January 1962, in: Wolfgang Schopf (ed.): »So müßte ich ein Engel und kein Autor sein«. Adorno und seine Frankfurter Verleger, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 2003, p. 399. Unseld agreed with Adorno wholeheartedly, noting that it was a »very beautiful letter« and that Benjamin’s commentary »develops a good image« (»Unseld to Adorno, 12 January 1962«, ibid., p. 401). 6 Adorno to Siegfried Unseld, 11 January 1962, in: Schopf (ed.): »So müßte ich ein Engel und kein Autor sein« (note 5), p. 399. Unseld agreed with Adorno wholeheartedly, noting that it was a »very beautiful letter« and that Benjamin’s commentary »develops a good image« (»Unseld to Adorno, 12 January 1962«, ibid., p. 401).

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Commentary, Quotation, and Agency Commentary and quotation constitute the two main elements of Deutsche Menschen, and by themselves their purpose seems fairly straightforward: to inform the public about interesting letters by well-known German authors of the past. But commentary and quotation are important categories in Benjamin’s thought, linked to his understandings of aesthetic and political agency.7 For Benjamin, commentary gives life to works, and along with translation, constitutes their afterlives. He considers commentary, which »takes for granted the classical status of the work under discussion,« to be as constitutive of a work as the »seasonally falling fruits« on a tree.8 Given his shift from traditional texts to the material culture of modernity in the Arcades Project, Deutsche Menschen can easily be seen as a relic of an earlier intellectual paradigm. But in the methodological notes to the Arcades Project, Benjamin explicitly related the two kinds of work: »The expression ›the book of nature‹ indicates that one can read the real like a text. And that is how the reality of the 19th century will be treated here. We open the book of what happened« (Arcades, 464). Nevertheless, the »commentary on a reality« will differ from textual commentary: »In the one case, the scientific mainstay is theology; in the other case, philology« (460). No explanation of this distinction follows, but the place of theology in the ostensibly materialist study of 19th-century culture echoes other affirmations of religious tradition in Benjamin’s late work as a companion to materialist analysis. Of course, the opposition between theology and philology is artificial and alien to Benjamin’s work, just like the distinction between tradition and modernity or religion and secularity. What is crucial here is to see how Deutsche Menschen mixes Benjamin’s interests just as richly as the Arcades Project. Its appearance as a traditional celebration of belles lettres accompanies decidedly political and materialist interests. The letters in Deutsche Menschen concern ordinary life, personal finances, friendship, and death, and they are presented in a conversational tone that extols the values of a bygone era marked by Goethe and the Biedermeyer, but Benjamin’s commentaries challenge nationalistic and triumphalist canons of German literature and thought. The idea that quotation by itself can be a powerful form of critical expression has been noted and discussed by a wide range of scholars.9 In this vein, I suggest 7 See Benjamin Sax: »Walter Benjamin’s Karl Kraus. Negation, Quotation, and Jewish Identity«, in: Shofar 32.3 (2014), pp. 1–29. 8 Walter Benjamin: »Commentary on Poems by Brecht«, in: SW IV, 215–250, here 215, and id.: One-Way Street, in: SW III, 443–488, Harold Bloom: The Anxiety of Influence. A Theory of Poetry, London (Oxford University Press) 1973. 9 Cf. e. g., Manfred Voigts: »›Die Mater der Gerechtigkeit‹. Zur Kritik des Zitat-Begriffes bei Walter Benjamin«, in: Norbert W. Bolz/Richard Faber (eds.): Antike und Moderne. Zu Walter Benjamins »Passagen«, Würzburg (Könighausen & Neuman) 1986, pp. 97–115 and Eli Friedlander: Walter Benjamin. A Philosophical Portrait, Cambridge (Harvard University Press) 2012.

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that Benjamin’s methods of quotation have modern sources like montage and the essays of Karl Kraus along with roots in biblical and Jewish tradition. Based on how Benjamin talks about quotation in the Arcades Project, it was a technique that could serve materialist critical ends (though Adorno doubted its potential). The question I find most interesting about Benjamin’s description of Deutsche Menschen as a Jewish ark is thus not the familiar debate on German versus Jewish identity, for in Benjamin’s case I don’t see how we can ever get beyond the hyphen in »German-Jewish.« What interests me more is whether and how the kind of quotation and commentary he performs here can signify a kind of political agency. This is where I find my uncertainty, between the skepticism of Adorno and the conviction of Benjamin that this kind of project matters in a political and not merely literary sense. It seems to me there are two important stakes in this question about Deutsche Menschen that resonate with contemporary political and cultural theory. One, very bluntly, is what beyond bare life is worth living and fighting for. For Benjamin, the question was pressing (not just in a personal way); he had already sharply dismissed neo-Kantian ideals of human rights based on mere life in his »Critique of Violence,« and his distance from orthodox Marxism likewise shows he cares about more than economic justice. Now he faced a crisis, one that unfolded during the years this project progressed: could the ideals of German culture be salvaged under German nationalism and fascism? Deutsche Menschen, which begins with a letter mourning the death of Goethe and includes four more on death and mourning, does not tell us directly, and the inscriptions only complicate matters by speaking of a Jewish ark. A second, related question is: If these ideals are worth fighting for, how one do so without resorting to nostalgia, outdated literary standards, or nationalism? In order to overcome the risks of esoteric politics and sentimental nostalgia, Benjamin’s project needed not only to reach the German public, which was his great wish; but it also had somehow to convey the meaning he intended for it during a time of danger. What Benjamin offers is a strong reading of the Romantic era as a rejection of its later nationalistic appropriations. He openly cites Lukacs;10 honors the values of labor, cosmopolitanism, and humanism, and criticizes political, economic, and jingoistic tendencies of the past and present.11 A second, more fundamental risk is the tension between materialist and linguisticaesthetic commitments in the essay. Attention to material life, privation, and

10 »Georg Lukacs made the far-sighted observation that the German bourgeoisie had not yet wrested its first opponent – feudalism – to the ground by the time its last opponent – the proletariat – already stood before it« (SW III, 212, in introduction to Metternich letter). 11 Cf., e. g., the introduction to the letter by Forster (p. 173), and the introduction to the Clodius letter (p. 188), introduction to Liebig (pp. 195–196).

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decoration (Biedermeyer) contrasts the elevation of language and linguistic art as intrinsically valuable, even transcendent. The analogy between the aesthetics of Schiller and the middle-class interior (including a bust of the poet) as an asylum for those values is about as close as Benjamin comes to reconciling his materialist and aesthetic-idealist perspectives. From the standpoint of the literary frame, where catastrophe looms behind the image of the ark built to withstand the rising fascist flood, the gesture seems more noble but just as fragile. But is there any alternative? Scholem certainly thought Benjamin’s inscription indicated an affirmation of the power of writing in Jewish tradition; he comments: »Just as the Jews took refuge from the persecutions in the Writ, the canonical book, Benjamin’s own book constitutes a saving element fashioned after the Jewish prototype.«12 The paradox of this example is that Benjamin’s text, a celebration of the »secular,« gentile tradition of German letters, elicits one of the most explicitly biblical passages in Scholem’s book on Benjamin. It is also important not to forget the gentile pseudonymous author of the text, Detlef Holz, whose name is signed in a different copy of the book – inscribed to dedication to his friend, the drug researcher Fritz Fränkel – with the flamboyantly crossed »t« and »f.«13 The book’s appeal to human agency may be feeble, but it appeals to the kind of paradoxical synthesis – a »secular,« gentile work helping to preserve biblical, Jewish tradition – that history was unable to achieve. The pseudonym points to a further problem with Benjamin’s Jewish reading and its affirmation by Scholem: Christianity. There are several very Christian obstacles to those who want to read Deutsche Menschen simply as an affirmation of Jewish identity. Benjamin introduces the final letter (Overbeck to Nietzsche) by invoking »true Christianity« (SW III, 217). The letter from Johann Heinrich Voss to Jean Paul celebrates the coincidence of Christmas and reading Shakespeare in the author’s childhood, while Strauss’ letter describes Hegel as Christlike (190; 204). Discussion of the underlying meaning of Deutsche Menschen has dominated the book’s reception, beginning with Benjamin himself. In an essay on the handwritten dedications to Deutsche Menschen, Benjamin archivist Erdmut Wizisla argues that Benjamin hid messages in this text as in Einbahnstrasse: »The collection betrays the handwriting of the editor. […] It is a ›Plaquette für Freunde.‹«14 The dedication of the book as an »Ark« (Arche), notes Wizisla, is

12 Scholem: Walter Benjamin (note 1), S. 203. 13 Wizisla: »›Plaquette für Freunde‹« (note 1), p. 55. 14 Ibid., p. 52.

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only for Jewish recipients: his sister, Siegfried Kracauer, and Scholem.15 Erich Auerbach recognized the political implications of the book, wondering in a letter to Benjamin whether it could be ordered or sent to Germany.16 Scholem worried that it would be banned by Hitler because his commentary was »unmistakably corrupting.«17

Mourning and/or Melancholia Deutsche Menschen is preoccupied with mourning and presents several ways of relating the lost past to the present: intimacy, afterlife, nostalgia, and eternal recurrence. The collection begins with a letter from composer Karl Friedrich Zelter suggesting the death of his friend Goethe will somehow bring them closer: »Now that he has passed on before me, I draw closer to him daily« (SW III, 168). A later letter from Goethe expresses condolences to the son of a scientist with whom he had profound disagreements. Benjamin dedicates several pages of close exegetical analysis to that letter, something he does nowhere else, and rarely in any of his work. Quoting short phrases from the letter, Benjamin attaches historical and biographical significance to its language and diction: »Like him, his language stood at a frontier« (205). Of the phrases »out life as it rushes past« and »turbulent and crowded,« Benjamin says that Goethe »makes it abundantly clear that the writer has withdrawn contemplatively to [life’s] shore« (206). Mourning is the focus of two other letters, including an effusive letter by David Friedrich Strauss on the death of Hegel, the introduction of which points to »a revolutionary and unforeseen kind of afterlife [»Art des Fortlebens«]« at the funeral (202; GS IV, 205). Benjamin’s earlier citation of Goethe in the Foreword mourns the loss of an era he typified: »an era that will not easily come again [»wiederkehrt«]« (167; GS IV, 151). But nostalgia is not the only way Deutsche Menschen relates past to present. Benjamin’s introduction to Metternich’s letter about the Crimean War speaks of the »eternal recurrence« (ewigen Wiederkunft) of contradictions between political words and actions (222). Echoing Goethe’s sentiments about a lost age, Adorno’s »Afterword« to a 1962 edition associates the entire collection with mourning, describing it as a

15 Ibid., p. 61. 16 Letter from Auerbach to Benjamin, 28 January 1937, in: Karlheinz Barck: »5 Briefe Erich Auerbachs an Walter Benjamin in Paris«, Zeitschrift für Germanistik 6 (1988), pp. 688–694, here pp. 691 and 694, quoted in: Wizisla: »›Plaquette für Freunde‹« (note 1), p. 64. 17 Letter of 1 March 1937, in: Gershom Scholem (ed.): The Correspondence of Walter Benjamin and Gershom Scholem 1932–1940, trans. Gary Smith/Andre Lefevere, New York (Schocken) 1989, p. 192, quoted in: Wizisla: »›Plaquette für Freunde‹« (note 1), p. 64.

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memorial (Denkmal) to the lost world and values destroyed by the Nazis.18 For Adorno as for Benjamin (and Goethe), the loss of a past era provides critical perspective on the present, despite their nostalgic tone. Like the use of melancholy in his study of the Trauerspiel, the focus on mourning in Deutsche Menschen activates critical possibilities for reflection not only on who is lost but on what is lost, namely, principles such as the epigraph’s honor, greatness, and dignity.

Text as Ark: Asylum, Detlef Holz, Miniatures, the Biedermeier, and the Challenge of Materialism Benjamin’s designation of his book as a Jewish ark poses not just the question of what is Jewish about this very German, Christian-looking work; is also suggests associations between the catastrophe of Nazism and the biblical story of the Flood, particularly the purpose and effect of the book as an ark. Beginning with Scholem, some readers have accordingly categorized the book as a thoroughly Jewish work of commentary in the tradition of Midrash and Talmud.19 The purpose of this commentary, for Scholem at least, is no less than the performance of rescue or redemption (retten) through scripture (cited in Schmitt). The ark, suggests Schmitt in a clever turn of phrase, thus becomes »Arche-écriture« which gestures toward a restored, messianic language and Scripture. If the book is an ark, then it can be seen as a mobile space for cultural memory, one that evokes continuity as well as rupture (Schmitt). The ark, of course, is made of »cypress wood« (»Tannenholz«, Gen 6:14), which echoes Benjamin’s pseudonym »Holz« (wood).20 But it would be a mistake to suggest that Benjamin attempts anything like a close reading of the biblical story. His dedication uses the term »Arche« instead of the biblical »Kasten,« and the only commentary in Deutsche Menschen applies to the letters themselves. Yet there is clearly something significant in Benjamin’s reference to the Flood story. The paired letters, for instance, can be compared to the pairs of animals in the ark. Detlev Schöttker, who makes this point, notes Benjamin’s view that commentary emerges from the classic status of the text and suggests the goal

18 Adorno: Noten zur Literatur (note 3), pp. 687 and 692. 19 Cf. Schmitt: »Schiffbruch« (note 3). 20 Note also that »Detlef« and »Deutsch« are etymologically related to an Indo-European root meaning ›people‹ (thanks to Stephen Britt for this observation). The title Deutsche Menschen, along with the pseudonym »Detlef« thus emphasizes the humanity, not the particular ethnic identity, of the »Germans«.

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of the ark is »to secure the long-term survival of the types through the rescue of pairs.«21 The importance of material culture to Benjamin – toys, art, books, and cityscapes – is no secret. But how to understand these preoccupations is not as clear. Like his interest in religion, these concerns for minute details of material reality can easily be dismissed as peccadillos or obsessions of a sentimentalist. They can also be magnified in a melodramatic fashion to mean more than they do. Benjamin’s »Biedermeier« letter (from Clodius to von der Recke) appeared in 1931 and contains a number of key terms and topics that link it to the »Arche.« My main point here is that the domain of miniatures – the puppet, doll house, children’s toy – is crucial to Benjamin, as others have shown.22 For Benjamin as for many people today, Noah’s ark evokes childhood and childhood toys. The term »Arche« appears only rarely in Benjamin’s writings, but its most frequent association is with toys and wooden figures (GS III, 113; 126, and GS IV, 422). The ark Benjamin describes having built in his text thus carries the associations of a toy, a miniature. That doesn’t diminish its seriousness, but it does place a high premium on a particular aesthetic one can find throughout Benjamin’s work and that biographers might link to his childhood growing up around the collectibles of his family business. Like »ark« (Arche), the term Biedermeier in Benjamin also evokes toys, but it has another association as well: the period of the emergence of the German middle class in the early 19th century, in this case particularly with respect to miniature versions of furnished interiors. Benjamin’s remarkable commentary compares the Biedermeyer toy exhibit in the Louvre, which included decorative busts of Shakespeare, Tiedge, and Schiller, to Schiller’s aesthetics: »However brutally the aesthetic play – the play through which the Briefe über die äesthetische Erziehung des Menschen sought to educate free citizens – was interrupted on the historical stage, it found a safe refuge [Asyl] in those middle-class rooms which could so closely resemble dollhouses« (SW III, 188). In other words, the domain of aesthetics (in Schiller’s letters) gained refuge against danger in the dollhouse-like middle class rooms depicted in the Louvre (ibid.). The inversion here is fascinating: dollhouses in France resemble German middle-class interiors, and the interiors in turn resemble dollhouses, making them a refuge (Asyl) for aesthetic freedom. Benjamin’s interest in miniatures, suggests

21 Detlev Schöttker: Konstruktiver Fragmentarismus, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 1999, p. 98 (Ilit Ferber made a similar comment [personal communication, January 2012]). Cf. Jacques Derrida: Fichus: Frankfurter Rede, trans. Stefan Lorenzer, Wien (Passagen) 2003, where Derrida plays with the »D« of his dream, described in a letter to Gretel Adorno (signed Detlef), about a scarf in the shape of this letter (pp. 29–31). 22 Friedlander: Walter Benjamin (note 9), p. 5, 260, n. 23.

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Friedlander in reference to the Trauerspiel study, deploys his theory of monads to »concentrate a dimension of infinity and produce a sense of its realization.«23 The spatial monad, such as the Paris Arcade, represents the entire 19th-century universe, and the temporal monad summarizes all of history. What is more, the monad reveals the potential for change and thus a kind of agency: »If the object of history is to be blasted out of the continuum of historical succession, that is because its monadological structure demands it. […] It is owing to this monadological structure that the historical object finds represented in its interior its own fore-history and after-history« (Arcades, 475). Through a dialectical process, therefore, the miniature and monad uncover what may be called the power of fragility, even in the case of toy furniture. The flood against which the ark is built appears not only in the dedications but also in a passage of Deutsche Menschen that extols the values and material conditions of the lives it represents: They [spiritual sources] live not only on the great passions from which spring seed and blood, and still less on the ›influences‹ so often invoked, but also on the seat of daily toil and the tears which flow from enthusiasm: drops soon lost in the flood (Strom, not the biblical »Sintflut« of the dedications). (SW III, 190)

Camouflage Text Benjamin clarified the purpose of Deutsche Menschen in a letter to Scholem, 18.10.1936, as follows: »nur aus dem Interesse, die Sammlung die vielleicht in Deutschland einigen Nutzen Stiften könnte, ›zu tarnen‹ [in the original text in bold], zu erklären ist« (GB V, 402). The same notion of »camouflage« (Tarnung) describes Deutsche Menschen in an unpublished letter from Adorno to Susanne Thieme (widow of Karl) upon learning that her husband had not suggested the title »Deutsche Menschen«: Der Titel »Deutsche Menschen« war seinerzeit von Benjamin gewählt worden aus einem politischen Grund, nämlich um zu ermöglichen, daß das Briefbuch nach Deutschland importiert wurde, um dort oppositionell zu wirken, also als eine Art Tarnung [emphasis added], keineswegs aus Profitinteresse. Daran kann ich mich mit aller Bestimmtheit erinnern.24

23 Ibid., p. 260, n. 23; a discussion of the idea as monad appears in the Trauerspiel study: GS I, 228. 24 20 September 1965, Theodor W. Adorno Archive (TWAA), Br 1534/6.

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(Adorno also described the tone of the book as »oppositional«.25) Benjamin rarely uses the term »Tarnung,« but it sometimes serves to indicate deceptions of capitalism (GS I, 1168, GS V, 121). He also uses the term to describe the danger of open expression in a 1933 letter to Scholem (GB II, 566). In a passage close to the theme of Deutsche Menschen, namely, the decline of »das alte Bürgertum,« Benjamin describes how the bourgeoisie used the Jugendstil to conceal their own decline: »Es ist der Jugendstil[,] […] in dem das alte Bürgertum das Vorgefühl der eignen Schwäche tarnt, indem es kosmisch in alle Sphären schwärmt und zukunftstrunken die ›Jugend‹ als Beschwörungswort mißbraucht« (GS III, 394). The debate whether Deutsche Menschen is a Tarntext continues. Many continue to regard the text as a coded political statement against the Nazi regime, while others have begun to question this view. One of the strongest cases of the camouflage text reading is Michael Diers’ study of the graphic design, publication, and context of Deutsche Menschen. Noting the resemblance of the book’s typeface and title to contemporary pro-fascist books, Diers cites the importance of dissimulatio as a figure of the baroque rhetoric studied by Benjamin in the Trauerspiel study, along with his publisher’s expertise in espionage.26 A skeptical rejoinder to this view is Peter Villwock’s study of Deutsche Menschen, which attributes the text’s recovery as a Tarntext to Adorno. This idea that Deutsche Menschen was a »Trojan horse«, a camouflaged text, says Villwock, quickly became part of the German collective unconscious.27 Through a survey of the book’s development and publication, Villwock identifies Benjamin’s humanist interests in the original newspaper versions of the letters, particularly the emphasis on Goethe and the commemoration of the Hambach Festival, which celebrated the roots of popular democracy in Germany.28 Given its many sources, valences, and gradual development, Villwock aptly describes Deutsche Menschen as a kaleidoscope or constellation: it can be seen from many angles and variously interpreted, yet its many pieces remain distinct. Citing the reference to the Orion constellation in the letter from Wilhelm Grimm to Jenny von Droste-Hülshoff and the »weak messianic power« of On the Concept of History, Villwock goes further to claim that Benjamin uses the means of constellation and quotation to rescue splinters of German humanism from their catastrophic history. In the context of German politics in 1931, this appeal to German humanism was critical.29

25 Adorno: Noten zur Literatur (note 3), p. 686. 26 Michael Diers: »Einbandlektüre, fortgesetzt. Zur politischen Physiognomie der Briefanthologie«, in: Hahn/Wizisla: »›Deutsche Menschen‹« (note 1), pp. 24–29, here pp. 23–24. 27 Peter Villwock: »Walter Benjamins Brief-Projekt«, Auftrag des Instituts für Textkritik 13 (2012), p. 151–162, here p. 152. (Thanks to Ursula Marx for showing me this reference.) 28 Ibid., p. 158. 29 Ibid., pp. 158 and 161–162.

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German Culture and the Jewish Question In order to clarify the purpose of Deutsche Menschen it is not only necessary to consider its origins and internal contexts. There are several related texts that resemble this text but differ in important ways from it; three I wish to discuss here are »Jews in German Culture,« »What the Germans Read While their Classical Authors Wrote,« and »From Cosmopolitans to Bourgeoisie« (Vom Weltbürger zum Grossbürger). All three, like Deutsche Menschen, are purportedly designed for the education of general readers in cultural and literary traditions. Both texts shed light on how Benjamin viewed the legacy of Goethe and the roles Jews played in German culture. »Juden in der deutschen Kultur« is an article published in the 1930 edition of the Encyclopedia Judaica: Das Judentum in Geschichte und Gegenwart.30 The article appears there with two other authors’ initials: Nachum Goldmann and Benno Jacob, and Benjamin complained that the draft he submitted, now lost, was greatly shortened, and »in some places the text is neither written nor corrected by me« (GS II, 1521). This article appears only in facsimile form in Benjamin’s Gesammelte Schriften (807–813) because, as the editors note, it is unclear how much of this text was Benjamin’s. The fact that we do not have Benjamin’s notes or manuscripts for this encyclopedia article, and that he complained about how it was revised by editors, does limit how certain we can be that any given section is his. But I suggest that we can distinguish at least two levels of confidence about his authorship: first, the overall design of the article, which stages different kinds of encounters between Jewish tradition and German modernity with Mendelssohn at its beginning, is certainly consistent with Benjamin’s interests. The next phase of this process, in which Romanticism and nationalism enter the scene, is also a familiar concern of Benjamin’s; the citation of Ludwig Strauß, with whom Benjamin corresponded, is suggestive of his hand (808). Particular authors and schools also point to Benjamin, including Cohen and his students Cassirer and Rosenzweig, Georg Simmel, Rahel Varnhagen (about whom Benjamin wrote to Scholem years later [20 February 1939; GB II, 804]), and a whole list of literary figures – including Heinrich Heine, Karl Kraus, Martin Buber, Ernst Bloch, the George Circle, Hugo von Hofmannsthal – in whom Benjamin was particularly interested (811–813). At this level of design and focus, and even in the case of particular names, I think it is safe to assume Benjamin’s authorial role. A second level, of particular formulations and expressions, permits less confidence about Benjamin’s authorship. Two examples bear this out: the first is a characterization of Simmel’s work in relation to Jewish tradition. Here Simmel’s

30 Vol. 5, 1930, cols. 1022–1034.

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work is described as an unsystematic (»systemfeindlich«) psychological impressionism that can be compared to »der halachischen, seine Virtuosität in der assoziativen Verbindung zu der Exegetik und seinen Symbolreichtum zur allegorischen Bibelauslegung in Beziehung zu setzen« (810). It is unclear whether this passage is Benjamin’s or the editors’, but the general design of the entry and the discussion of Simmel are consistent with Benjamin’s work.31 Though he knew the term »halakhah« from his conversations with Scholem years earlier, Benjamin used it mainly in his 1938 writings on Kafka and based his use on an essay by Bialik he asked Scholem to send him in 1934, four years after the encyclopedia article appeared. On the other hand, »halakhah« does appear in the Kraus essay, written around the same time as the encyclopedia entry, where Benjamin describes Kraus’ work as the »most extraordinary breakthrough of halakhic writing through the mass of the German language.«32 A second passage, crediting Heinrich Heine and Ludwig Börne with the creation of German »feuilletonism,« credits this style with »schrankenlose Betonung der Subjektivität; kritische Haltung gegen die professorale Wissenschaft; scharfe Belichtung aktueller Probleme« (811). If this passage reflects many of Benjamin’s own interests, the discussion that follows, in which Heine’s relation to Romanticism is discussed in detail, certainly does. At first clearly distinct from Deutsche Menschen, Benjamin’s »Juden in der deutschen Kultur« shares much in common with the book on which he worked soon after. Both texts concern themselves with German literary and intellectual culture from the 18th century onward. The idealism and literary culture of this epoch formed the background of Benjamin’s modernism, one in which Jewish and German identity were distinct but deeply intertwined. Benjamin’s self-understanding as a Jewish and German writer, especially as a critic, permeates both writings. This critical perspective is consistent with the »cultural Zionism« he claims for himself in his 1912 letter to Ludwig Strauß. Even without the »Jewish ark« dedications, we could find plenty of support in Deutsche Menschen for this kind of JewishGerman self-understanding: the values of literary and cultural criticism ascribed to Heine, for example, run through Benjamin’s entire corpus, and the »secret« and »misappropriated« Germany of the manuscripts indicates something of Benjamin’s intention to offer a critical and even esoteric perspective on German intellectual tradition. (WuN X, 136; 12) Finally, the »living tradition« (»lebendige Überlieferung«) Benjamin finds in these texts resonates with Benjamin’s understanding

31 While the exact wording of this passage cannot be definitively assigned to Benjamin, the text clearly echoes Benjamin’s ideas and interests. Cf. Ubaldo Fadini: »Presentazione di un Benjamin ›Falsificato‹«, L’Ombra d’Argo 1 (1983), pp. 1–2, here 1. 32 Karl Kraus, »der großartigste Durchbruch des halachischen Schriftums mitten durch das Massiv der deutschen Sprache« (GS II, 624).

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not only of scriptural tradition (text and commentary) but also with the values represented by the letters (120). What these two texts share is an unwillingness to separate German from Jewish identity in any absolute way. Readers familiar with Benjamin’s Berliner Kindheit um 1900 will already recognize this pattern from Benjamin’s fond description of Christmas decorations. The inscriptions on copies of Deutsche Menschen calling it a Jewish ark thus reveal not so much a hidden meaning behind the text as an abiding expression of Benjamin’s self-understanding as a critic and thinker. By 1936 he may indeed have conceived of his project as a gesture of cultural and political defiance, but the fact that he adopted much of it unchanged from drafts and newspaper versions going back at least to 1931 suggests a longer view. Likewise, the »German culture« of his encyclopedia article includes contributions from Jewish writers and thinkers. In short, both texts hold »German« and »Jewish« in tension without permitting any easy separation or subordinating one to the other. Likewise, both texts insist on the robustness of cultural traditions in the face of political pressure; the politics and the aesthetics of these texts are thus inseparable.

The Question of Tone: »What the Germans Read While Their Classical Writers Wrote« The second text is a radio play, »What the Germans Read While Their Classical Writers Wrote,« published in 1932, the same time Benjamin was publishing the serialized letters that would become Deutsche Menschen. As Sabine Schiller-Lerg notes, this text appeared against the background of the anniversary of Goethe’s death.33 It also reflects Benjamin’s specific interest in popular (»Kolportage«) literature. In a short essay about this radio play, Benjamin notes the convergence of popular literature of the past and popularization through radio in the present. He playfully juxtaposes popular and classical forms and flaunts the divide between ordinary life and the formal study of literature. In a way that confirms contemporary scholars who view him as an early exponent of what would become cultural studies, Benjamin offers his radio play as a contribution to the sociology of the public. Such was Benjamin’s stated goal for the publication of Deutsche Menschen: it was to be a popular and widely-circulated book. Though its topic overlaps with Deutsche Menschen, the genre and tone of »Was die Deutschen lasen« are completely different. The Enlightenment brought »justice and equity« (»Recht und Billigkeit«), but, jokes the narrator (playing on 33 Sabine Schiller-Lerg: Walter Benjamin und der Rundfunk. Programmarbeit zwischen Theorie und Praxis, München (K. G. Saur) 1984, p. 233. (See her discussion of Benjamin’s reflection on time and technology, p. 242).

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the meaning of Billigkeit as »inexpensiveness«), »the books of your friends are pretty expensive« (GS IV, 643). The characters in the play include a pastor, literary figures, a publisher, and voices of the Enlightenment, Romanticism, and the 19th century, and they playfully discuss popular literature, newspapers, the Bible, and many authors, including Rousseau, Jean Paul, Lavater, and Kant (659–662). When the pastor laments the commercial trivialization of the Bible, the author Karl Philipp Moritz laments that the »better public« and the »simple people« both read low-quality works (647). Yet the discussion also warns that knowledge without humor risks obscurantism, dogmatism, and despotism (655). Benjamin’s point is not only that the Germans read popular literature while their classical authors wrote; he also paints a picture of Germany at the time as relatively quiet and absorbed in local culture. While industrial and political changes swept other countries, this was a time when Germany slept a »healthy, refreshing« sleep (658). Ordinary life and letters from this period reinforce the image of Biedermeier Germany as a place of modesty and decency. How this ordinary life relates to the classics themselves is a critical issue. One character, a pastor, mentions how wide distribution of newspapers and other print media has led to the availability of Schiller and Goethe even to »Bürgerstochter,« while a bookseller notes that the public doesn’t read authors like Schiller and Goethe from a lending library (653; 667). At the same time, texts later considered to be definitive of the era, like Kant’s book on religion, were censored, and one of the characters recommends Indianer in England by the popular dramatist Kotzebue as a way to understand Kant’s categorical imperative (651; 666). In spite of his ranking as a classical author, Goethe emerges here as the rare author whose work appealed to a wide public. References to Goethe run through the play, which ends by vindicating his work in terms of popularity as well as quality. The speaker and the voice of the 19th century conclude by celebrating Goethe’s legacy, vying humorously with each other to explain his greatness. The play concludes with the same quotation from Goethe’s letter, about the speed of modern life and the decline of the past epoch, that begins Deutsche Menschen (669–670). If this quotation expresses a melancholic or nostalgic tone in Deutsche Menschen, here it concludes a playful entertainment and serves mainly as a tribute to Goethe’s lasting appeal for a radio audience observing the centenary of his death. In his essay on this radio play, Benjamin relates the popularization of literature to new times and technologies, including radio. He describes his goal as raising »scientific questions« about how literature was understood rather than to affirm great works – (»nicht die Literatur, sondern das Literaturgespräch jener Tage,« 673). As with Deutsche Menschen, this discussion has close ties to Benjamin’s interest in literary scholarship, including the »so-called sociology of the public« (ibid.). No classic can or should be read in isolation from its popular context, suggests

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Benjamin. In the radio play and Deutsche Menschen alike, the values and practices of ordinary people provide the sort of context that dignifies the work of genuinely great writers like Goethe. Benjamin also compared the mass medium of newspapers to literature. In a 1934 fragment titled »The Newspaper«, Benjamin observes that newspapers are the showplace of the day’s cultural confusion and antinomies (GS II, 628). Through the impatience of readers and the constant production of news, a dialectical moment emerges, and the difference between author and public begins to disappear: the readers become co-workers with the writers and editors. The newspaper thus performs the »literarization of life relationships« as it displays unresolved antinomies and the depreciation of language (629). Written around the time of similar observations about modern culture made in One-Way Street, this fragment reveals Benjamin’s fascination with the potential of mass culture to engage audiences. The reversal of agency between author and reader made possible by the newspaper raises the possibility that other media, including the radio play and the popular collection of letters, can engage the public in meaningful reflection on life and literature. Like the fragment on newspapers and Deutsche Menschen, Benjamin’s radio play demonstrates Benjamin’s interest in Goethe and the »classic« period around him in relationship to his own time. With a very different genre and tone, and often the very same quotations, Benjamin displays his abiding interest not just in German letters as such but in reading them against the grain of classicizing, canonical approaches, in broader cultural and historical contexts. The lightness and humor of Benjamin’s radio text, which can also be seen in parts of Deutsche Menschen, should help to dismantle any tendency toward a »lachrymose« reading of the Holtz text, for the values it avows are always qualified: »From Honor without Fame/ From Greatness without Glamor/ From Dignity without Pay« (emphasis added). These values suggest an aesthetic not of grandiosity and fame but of modesty, good humor, and ordinary life, not to mention a love for detail and whimsy – hence the Biedermeyer and the jokes in »Was die Deutschen lasen.«

»From Cosmopolitans to Bourgeoisie« Like the radio play »Was die Deutschen lasen« and Deutsche Menschen, this text, which appeared in the journal Die Literarische Welt in 1932 and was co-authored by editor Willy Haas, gives Goethe pride of place and quotes the familiar passage, cited above, on the acceleration of time and the end of the era (GS IV, 859).34 34 Cf. the 1926 encyclopedia article on Goethe in GS II, 705–739, which, though it doesn’t quote this letter, addresses class issues (717–718). The article was intended for a Soviet encyclopedia.

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Here as in the other texts the topic is literary history in relation to the middle class and contemporary culture. Like Deutsche Menschen, the text cites Lukacs’ observation that the German middle class had not yet overcome feudalism when the proletariat arose (851; 221). While much more concerned with political, economic, and social history than the others texts, this essay deals directly with the theme of cosmopolitanism and its lack in »Was die Deutschen lasen.« It is unclear how much of the design and aim of this text is Benjamin’s, but the following statement about the design and approach taken in the text reflects ideas familiar from Deutsche Menschen. Noting the tendency of »so-called historians« to present arbitrary interpretations or even to falsify history, the text goes on to insist on the importance of reading original documents, especially literature, in order to understand how ideals and material realities coincided in the past (817). With its primary interest in economic class history and culture, the text reads in some ways like later Frankfurt School texts, as a critique of Enlightenment promises of universal reason and equality as it passed into market capitalism, from Weltbürgertum to Großbürgertum. The text poses an interpretive challenge because of its explicit political and cultural aims. One could read the text as a key to the political and economic subtext of Deutsche Menschen, suggesting that the latter really was a Tarntext with a hidden Marxian attack on fascism. On the other hand, the text’s context in a leftist magazine and its co-authorship with that magazine’s editor may suggest just the opposite: a compromise between Benjamin’s cultural and literary interests and the more political agenda of Die Literarische Welt. Finally, a more complex but more accurate reading would suggest a kind of spectrum of texts and contexts, from the playful radio play and the series of letters in the Frankfurter Zeitung to the explicitly anti-fascist »From Cosmopolitan to Bourgeois« and the implicitly anti-fascist Deutsche Menschen. Differences of genre, audience, publication, and distribution allowed and compelled Benjamin to frame his ideas about Goethe and the emergence of German middle class culture and political economy in several different ways. What holds them together, initially, is the insistence that literary and political analysis belong together, and together these texts form a body of work less miscellaneous that it first appears to be, offering a sustained reflection on German political culture at a time of violent transformation.

Conclusion: Farewell, Return, and the Question of the Canon The letter Benjamin withdrew from the collection at the last minute comes from a dispute between Friedrich Schlegel and Schleiermacher. Benjamin’s introduction to the letter echoes the book’s epigraphical affirmation of »greatness without glory« (von Größe ohne Glanz): »It would give a superficial picture of the attitude

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which this series of letters is intended to evoke if they presented only the lustrous side (Glanze) of friendship« (SW III, 219). Schlegel’s angry letter responds to Schleiermacher’s critical response to Schlegel’s Ideen and accuses his friend of lacking »understanding and love in individual matters« (ibid.). Benjamin’s decision to cut the letter for its negative tone and lack of weightiness remains unclear, but it placed added emphasis on the letter from Overbeck to Nietzsche that took its place at the end. Overbeck’s letter illustrates his character, theology, and emphatic (even financial) support for the author of Thus Spoke Zarathustra. Benjamin points out that Overbeck’s uncompromising views of Christianity cost him a position as theologian in Germany. The letter demonstrates the surprisingly close relationship between a devout Christian theologian and Nietzsche, but it also emphasizes how the »writer and addressee had freely banished themselves from the Germany of the Gründerzeit« (228). The excised letter from Schlegel to Schleiermacher concludes with a personal, angry farewell, while Overbeck’s letter to Nietzsche represents a friendship that survives exile from Germany. Writing just over fifty years later from his own exile, Benjamin may have preferred this ending to the Schlegel letter for its testimony to this »representative of an insightful posterity [»Nachwelt«]« (ibid.). The angry tone of Schlegel’s letter is replaced by an exemplar of mutual respect between deeply different friends, both of whom have no place in the Germany of their day. If Benjamin’s placement of this letter makes it more emphatic, it may represent a »secret Germany« as a kind of Germany not so much lost, as Goethe’s quotation suggests, as forced into exile. To celebrate German values without German territory should have struck German nationalists, particularly in the 1930s, as strange. Such survival in exile sounds much more like Jewish tradition! My point here is not that Benjamin has transposed German into Jewish values but rather that Deutsche Menschen imagines a Germany where values vastly different from National Socialism survive. Neither esoteric nor widely read, Deutsche Menschen affirmed tradition by re-appropriating it and may represent Benjamin’s most masterful achievement in the method of quotation he attempted in the Arcades Project. Built of text and commentary, Benjamin’s Jewish ark provided a refuge for German values designed to withstand the flood of fascism. The decency, integrity, and modesty of these German letter writers provide a necessary recognition of conflict but also extend hope for its resolution. Writing in 1936, Benjamin could hardly conceptualize political resolution much less forgiveness for the German perpetrators of murder, but the book clearly affirms the possibility and hope for the survival of German values beyond their day. The same pattern, of course, appears in the Flood story of Genesis: the flood destroys nearly everything, but the ark and its inhabitants, and more importantly,

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the divine-human bond, survive. The design of Benjamin’s literary ark and its biblical prototype is thus crucial – even the laconic biblical account accords it a high level of detail. Though he knew that books were not safe from the danger of Nazi destruction, Benjamin, the self-described »last European,« presented his book as such an ark. What it was that he thought could survive the flood was not clear. To return to the analogy with the last letter, the flood removes the tradition from its land and preserves it in a moveable technology: the ark or the book. What is remarkable for Benjamin, writing in 1936, is that his analogy to the flood story implies not only destruction but restoration, a restoration that he would neither describe nor live to see. Though its publication and distribution did not live up to Benjamin’s grandiose hopes, Deutsche Menschen convinced readers as diverse as Scholem and Adorno that it succeeded. Comparing the volume to Benjamin’s childhood memoir, Berliner Kindheit um 1900, Adorno applauds the text’s attention to the issue of class and observes that the decline of the Bürgertum matches the decline of letterwriting (»Letter from Adorno to Benjamin, 7 November 1936«, quoted in: GS IV, 949). Scholem took the personal dedication as a key to read the book as a Jewish refuge, while Adorno read the book’s bold epigraph as a statement of materialist commitment. The book certainly does succeed in naming values worth fighting for, values illustrated but not limited by the German men and women it presents. Whether it succeeds in showing how to fight for those values is still an open question. There is no need to choose between reading Deutsche Menschen in German or Jewish terms. If Benjamin’s dedications to Deutsche Menschen reveal a secret affirmation of Jewish identity, that identity has much in common with the German humanism the collection affirms. What these Jewish and German literary identities share is a model of tradition constituted largely by text and commentary, which is exactly what Benjamin offers. From their initial design to their publication in the Frankfurter Zeitung and later as a pseudonymous book in 1936, Benjamin left a long trail of texts and commentaries, including the dedications to his friends, that would guide the reception of Deutsche Menschen. But while the letters and their accompanying commentaries appear at first to valorize classic writers and their texts, they are in fact guided affirmations of threatened cultural values. In the end, Benjamin’s collection of letters engages multiple contemporary discussions and contexts – literary studies, journalism, politics, social identities, and aesthetics. Far from an esoteric, sectarian affirmation of Jewish identity and tradition, Deutsche Menschen encompasses Jewish and German (or German-Jewish) values through a skillful engagement with traditional texts. The paradox of a Jewish ark rescuing German values is less sentimental than ironic, a disarming recognition of the fact that both »identities« share a biblical tradition filled with stories of exile, power reversal, and writing as a tool for survival. After

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the Holocaust, this recognition may seem naïve, even outrageous, but the texts and readings of Deutsche Menschen confront questions of identity and value that remain open to this day.

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Shock and Aura Benjamin on Dada Benjamin’s philosophy invites misreading: it dares the reader to consume and reduce it to a succession of desultory apercus, governed by the happenstance of mood and light. This must be challenged by the tensely spiritual character of his insights – every one of his insights has its place within an extraordinary unity of philosophical consciousness. (Theodor W. Adorno)1 Never trust what writers say about their own writings. (Walter Benjamin)2

Midway into »Aesthetics and Anaesthetics,« her cogent analysis of Walter Benjamin’s iconic essay, »A Work of Art in the Age of Mechanical Reproduction,« Susan Buck-Morss – like many scholars of early 20th-century Germany – finds herself unable to continue without a brief exposition on neurasthenia. A commonly diagnosed, uniquely modern condition, neurasthenia gave a name to the nervous exhaustion, anxiety, and depression that emerged as a response to the war.3 The diagnosis, comparable to shellshock, though at the time administered in equal measures both on and off the battlefield, codified the ›fragmentation of the psyche,‹ the ›shattered‹ nerves, the proverbial ›going to pieces‹ that the German population experienced during and following WWI.4 This »disintegration of the capacity for experience« was a direct result of an immediate »excess of stimulation« and the »incapacity to react to same.«5 In other words, as Germans 1 Theodor W. Adorno: »Introduction to Benjamin’s Schriften«, in: Gary Smith (ed.): On Walter Benjamin. Critical Essays and Recollections, Cambridge (MIT Press) 1988, p. 5. 2 Walter Benjamin: The Arcades Project, trans. Howard Eiland/Kevin McLaughlin, Cambridge (Belknap Press/Harvard University Press) 1999, H1,3, p. 203. 3 Brigid Doherty: »›See:‹ We Are All Neurasthenics›!‹ or, the Trauma of Dada Montage«, in: Critical Inquiry 24 (1997) 1, p. 105. 4 Susan Buck-Morss: »Aesthetics and Anesthetics: Walter Benjamin’s Artwork Essay Reconsidered«, in: October 62 (1992), p. 19. 5 Janet Oppenheim: Shattered Nerves Doctors, Patients and Depression in Victorian England, New York (Oxford University Press) 1991, p. 120, quoted in: Buck-Morss: »Aesthetics and Anesthetics« (note 4), p. 19.

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graphically came to understand, one simply could not sustain the impact – the shock – of modernity without, as it were, coming apart. To Benjamin, the modern experience in Europe was defined by the response to this shock. And like his fellow Germans, he, too, experienced this fragmentation; indeed, the intellectually disparate and historically unfinished nature of Benjamin’s writings – and his entire philosophy, as his sometime friend Theodor Adorno concluded – proved just how shocking his times were.6 Yet it is through this shock that Benjamin produced the fragments, writings, and reflections that, taken posthumously together, constitute as sensitive and subtle a finger on the pulse of modernity as came out of his generation. In them, he articulated the fundamental concern as to how shock, the quintessential repercussion of modernity, could be manipulated and converted from a destructive to a constructive force, and perhaps in the process awaken the conscience of a traumatized public to the causes of its own destruction. Indeed, »A Work of Art in the Age of Mechanical Reproduction« was written in direct response to the circumstances of Benjamin’s generation. In it he identified the vocabulary – aura and authenticity, specifically – that risked becoming obsolete in the face of immediacy, and, as is the privilege of writers, idiosyncratically refined the meanings of these terms to accommodate his argument. Both concepts function to ground an artwork in its history and assume its future survival, and thus, according to Benjamin, play little role in how a collective responds to the shock of immediacy in art, technology, and politics. Moreover, he claims, these entities – art, technology, politics – alter their function to account for the lack of aura when they respond back to us. Therefore, he asks, when the danger of becoming anesthetized from shock threatens to leave a collective ripe for manipulation, how can works of art elevate this shell-shocked modern audience to a self-conception that is active and therefore capable of self-liberation? And how can an artist use the shock of immediacy to subsequently have an impact on this audience such that the political implications are productive, rather than devastating? In order to address these questions, Benjamin looked actively to past societies that had been confronted by the shock of the new. Painstakingly documented in his unfinished masterwork, The Arcades Project, 19th-century Paris unfolded into an ideal case study, a veritable montage of phantasmagoric torpor and technological immediacy. And yet, as we can see, Benjamin’s impetus for studying Paris – his home in exile – came, of course, from a very relevant threat. Decades after Haussmann and the Commune, Benjamin found himself calling for a state of emergency as he witnessed first-hand the catastrophic effects of technological

6 Adorno: »Introduction« (note 1), p. 3.

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shock on his own generation, and his own city. If there was ever a time when a collective needed attention drawn to what its incapacitated response to shock was allowing to take place, it was, for Benjamin, now.

The Artwork Essay: Establishing Aura’s Role Written in 1936, »A Work of Art in the Age of Mechanical Reproduction,« is, fundamentally, a warning against the Fascist control of art. As Benjamin sees it, the insidious manipulations of Nazi propaganda, whereby a culturally ›enlightened‹ totalitarian government placed aesthetics in the service of politics as a means of employing control, necessitated an awakening en masse. Most alarmingly, he points out, Nazism hijacked film, and is using it to employ a two-pronged strategy: first, by appropriating the aura of an art that was wedded to another period as a means of pushing a contemporary political agenda, and second, by presenting this stolen aura through film, a mechanicallyproduced lens. Film, Benjamin argues, is a shocking, immediate medium, capable of assuming the nostalgic, awe-inducing posture of aura and authenticity as it bullies its viewers into unquestioned submission.7 Remarking on the structure of film, Benjamin quotes Georges Duhamel: »I can no longer think what I want to think. My thoughts have been replaced with moving images.«8 In order to counteract this appropriation of art that has no business in contemporary politics, Benjamin implores the masses to respond by, in turn, »politicizing art.« By setting up a mechanically-reproduced artwork in diametric opposition to a monad, he explains how the politicization of the artwork allows ordinary people to place politics in the service of aesthetics. A lithograph illustrates »daily changing forms«; daily life, in turn, »keeps pace with printing,« and »to an ever greater degree, the work of art reproduced becomes a work of art designed for reproducibility.«.9 These reproductions now have the ability to reach a diversity of audience that the originals never could, and thus a political sensibility is born. Due to their immediacy, these images are bound specifically to their time, with no illusions of an appropriated past; unlike Fascist films, politicized artworks

7 Lutz Koepnick: Walter Benjamin and the Aesthetics of Power, Lincoln (University of Nebraska Press) 1999, p. 4. 8 Georges Duhamel, quoted in Walter Benjamin: »A Work of Art in the Age of Mechanical Reproduction«, in: Illuminations, ed. by Hannah Arendt, New York (Schocken) 1968, p. 238. It must also be stated that Benjamin’s relationship with film is one of contradictions, akin to the inherent contradictory nature of media culture during this time. My examination of film will be largely limited to his discussion of Fascist filmmaking, although I will address various exceptions in my discussion of John Heartfield. 9 Ibid., p. 224; italics by T. A.

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are indeed genuinely authentic to their moment. Images based on politics have a political lifespan: they are instantaneous, printed on cheap newsprint and filmstrips, easily disposable, and not meant to outlive their immediate usefulness. It is here, of course, that Benjamin concludes the following, today almost eponymous, assertion: »that which withers in the age of mechanical reproduction is the aura of a work of art.«10 Variations of this statement appear throughout his writings, newly textured with each mention.11 The aura is, at its most fundamental, a residue of the past that is inherently present in a work of art, and what is rendered obsolete in the pursuit of immediacy. Its task is to cushion a work of art in its »appearance of distance, no matter how near it may be,«12 couched in the permanence of the monad’s oils, in the connection to its ritual value, to the Geist of its moment of inception. And yet, by definition, we only perceive this »other spatio-temporal nexus« in relation to our own.13 This »metaphoric activity«14 of art interpretation is a delicate, uniquely personal experience of sudden, active transference, wherein the »innermost symbolic structure«15 of the artwork is seen only through the lens of our own symbolic projection onto the artwork. Art viewing is thus a phenomenological experience, heightened by the fact that this interactive moment anticipates reciprocity: by bestowing onto an art object the existence of aura, Benjamin writes, we invest it with the ability to return our gaze.16 Therefore, what Benjamin saw taking place in Nazi Germany – what he identifies as the ›aestheticization of politics‹ – was a manipulation of this interaction in an attempt to force art to conform its aura to the Nazi-dictated, rather than its inherent, ritual value. Hitler once famously said, »Jedes meiner Worte ist historisch«;17 the Nazi propaganda films of the mid-1930s – Leni Riefenstahl’s Triumph des Willens, as well as the films created for the 1936 Olympics, Fest der

10 Ibid., p. 221. 11 See, for example, Benjamin’s discussion of aura in »On Some Motifs in Benjamin,« writing that Baudelaire »indicated the price for which the sensation of the modern age may be had: the disintegration of the aura in the experience of shock.« (Walter Benjamin: »On Some Motifs in Baudelaire« in: id.: Illuminations [note 8], p. 194). 12 Walter Benjamin, quoted in Peter Fenves: »Is There an Answer to the Aestheticizing of the Political?«, in: Andrew Benjamin (ed.): Walter Benjamin and Art, London (Continuum) 2005, p. 64. Benjamin goes on to describe aura as »the criterion of genuineness« that rolls over in the face of politics (ibid., p. 67). 13 Ibid., p. 64. 14 Miriam Hansen: »Benjamin, Cinema, and Experience: ›The Blue Flower in the Land of Technology‹«, in: New German Critique (1987) 40, Special Issue on Weimar Film Theory, p. 188. 15 Jürgen Habermas: »Walter Benjamin: Consciousness-Raising or Rescuing Critique«, in: Smith (ed.): On Walter Benjamin (note 1), p. 94. 16 Benjamin: »On Some Motifs in Baudelaire« (note 11), p. 188. 17 »Every one of my words is historical«, quoted in: Eckhard Siepmann: Montage: John Heartfield. Vom Club Dada zur Arbeiter-Illustrierten-Zeitung. Dokumente – Analysen – Berichte, created by Jürgen Holtfreter, Berlin (Elefanten Press) 1977, p. 189.

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Völker and Fest der Schönheit – gloriously intended to validate Hitler’s claims that his three-year-old ›Thousand Year Reich‹ was the rightful heir to Athens and Sparta. Meanwhile, the conflation of the iconic Early Classical discus thrower with a lithe German Olympian (fig. 1) was a clear aesthetic example of an aura violated.

Fig. 1: Leni Riefenstahl: Erwin Huber as ›living statue‹/Myron: Discus Thrower c. 450 BCE (1937).

Yet Benjamin is not focusing his argument only on the Nazi appropriation of high art; rather, it is Nazi imposition of this appropriated aura onto and through mechanically produced art – film, specifically – that he found so alarming. This manipulation was now taking place on a mass scale – instead of only a single pair of eyes, now a camera, with its implication of mass viewership, lingers on the sculpture of the discus thrower as special effects dissolve the stone body into the living flesh of the German decathlete. Furthermore, presenting this manipulated aura through a non-auratic medium has the potential to overwhelm its audience of thousands even unto paralysis: as Benjamin quotes Freud: »for a living organism, protection against stimuli is an almost more important function than the reception of stimuli.«18 Yet interaction is a two-way street; Benjamin’s interest lies in how we, the masses, respond to this shock. In his 1939 essay »On Some Motifs in Baudelaire,« a disquisition on the lyrical writings of his 19th-century Parisian proxy, Benjamin holds onto the definition of aura he presented three years earlier, yet here

18 Benjamin: »On Some Motifs in Baudelaire« (note 11), p. 161.

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it is in the service of expounding on the imperative role of critical interaction in productively receiving the experience of shock. Here, he identifies Erfahrung and Erlebnis – both translate as ›experience,‹ yet are crucially distinct. Erfahrung demonstrably places us in the immediacy of the moment: a primary mimetic state, experience without any sort of critical reflection.19 Erlebnis, meanwhile, is the moment lived, extrapolated from the moment of. Benjamin describes this progression as a »peak achievement of the intellect,« and further relates this intellectual process to what happens daily in modern life: »using consciousness as a screen against stimuli.«20 We employ our Geistesgegenwart, our conscious presence of mind, our watchful »moral alertness« to the »presence of the present,«21 as a buffer between our shock and ourselves – the greater the shock, the stronger our critical faculties must be. Without reflection there would be nothing but a sudden start, usually a sensation of fright, which, according to Freud, »confirms the failure of the shock defense.«22 And, as Benjamin continues to quote Freud, this shock defense often fails; the natural inclination is to protect oneself in a wholly unintellectual way. Rather than stabilizing and overcoming shock, we surrender to the immediacy of it, we become a passive victim of it, and we ›go to pieces.‹ Indeed, »the first tremors of awakening,« Benjamin remarks, »serve to deepen sleep.«23 Therefore, if reproducibility can so thoroughly violate an aura, and we, in our own innate self-preservation, cannot be trusted to tell the difference, it makes sense that Benjamin would call for a response to the ›aestheticization of politics‹ with an art that eliminates aura altogether. When he argues for the ›politicization of art‹ in his artwork essay, he is identifying an immediate, time-bound art that is »pried from its shell,«24 where the ›appearance of distance‹ is rendered obsolete, and a non-auratic interaction, by definition, can no longer be manipulated. Yet is Benjamin perhaps choosing not to give his generation the benefit of the doubt? And in consequently calling for a strictly non-auratic art, does he not risk, as it were, throwing the baby out with the bathwater? Why must all of aura’s implications – specifically, in Benjamin’s own words, the phenomenological, reciprocated moment of interaction – be eliminated simply because an artwork is mechanically reproduced? If we take Benjamin’s definitions to their logical conclusion, then the monad and the reproduced copy are set unequivocally into

19 Matthew Rampley: Remembrance of Things Past. On Aby M. Warburg and Walter Benjamin, Hamburg (Otto Harrassowitz) 2000, p. 16. 20 Benjamin: »On Some Motifs in Baudelaire« (note 11), p. 163. 21 David Michael Kleinberg-Levin: Gestures of Ethical Life. Reading Hölderlin’s Question of Measure After Heidegger, Palo Alto (Stanford University Press) 2005, p. 162. 22 Benjamin: »On Some Motifs in Baudelaire« (note 11), p. 163. 23 Id.: The Arcades Project (note 2; K1a,9), p. 391. 24 Id.: »A Work of Art« (note 8), p. 223.

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binary opposition, as we, the masses capable and most needful of action, are implicitly denied the potential for liberation through aesthetic experience.25 This denial could not have been his long-term intention. When we take into account the breadth of his writings in response to Fascism, and we look at the artistic movements, Dada in particular, that Benjamin defines as ›politicizing art,‹ it seems as though we risk too narrow a reading of Benjamin’s theories by assuming the aura can be, or must be, done away with. Rather, I would argue that this moment of auratic interaction is crucial to effectively politicizing art at all. Mechanically-produced art, in order to function politically, must allow its audience the space necessary to step back, awaken their Geistesgegenwart, and take action before the present moment is finished and past.26 The elimination of aura – as per Benjamin’s own definitions of aura – neuters the interaction this awakening requires. While Benjamin provides the framework and asks the right questions, when determining what will allow his definitions to realize their aims most fully, I submit that he draws his line in the wrong place.

Berlin Dada: Authenticity and Politicized Anti-Art We find our most appurtenant case study in Benjamin’s relationship to Dada. Benjamin was well aware of the iterations of Dada taking place post-WWI and into the 1920s, and by exploring his writings on the subject, we can see that he regarded Berlin Dada in particular as an example of a movement that ›politicized art‹ and thus validated the definitions he laid out in the artwork essay. A closer analysis of the movement itself, however, drawn largely through a close reading of his own work, will ultimately question Benjamin’s assertions of how the movement’s effectiveness – and the politicized artwork – results from the withering of the aura. Benjamin’s position requires a political aesthetic movement that would speak directly to its audiences, a movement defined by its own reception, and Dada handily fit the bill. Benjamin wrote on Dada at length twice, the first in his 1934 lecture, »The Author as Producer,« and the second in the artwork essay. Let us take each in turn. In »The Author as Producer,« he recognizes Berlin Dada’s implicit politics and ability to keep pace with the printing press – in sum, that it was the quintessential movement to come out of the age of mechanical reproduction. The lecture’s argument focuses on the now familiar conflation of politics and, here, literature: his thesis, questioning the relationship between form 25 For a more in-depth argument to this point, cf. Hansen: »Benjamin, Cinema, and Experience« (note 14), p. 186. 26 Kia Lindroos: »Benjamin’s Moment«, in: Redescriptions. Yearbook of Political Thought and Conceptual History 10 (2006), pp. 129–130.

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and content in political poetry, is materially similar to his questioning of the nature of politicized aesthetics.27 In Berlin Dada, the mode of communication dictates what is being communicated: it is a political, immediate, and ephemeral movement whose sole purpose is to render itself obsolete, to »destroy itself as a historical necessity.«28 Dada’s »revolutionary strength,« Benjamin writes, »is to test art for its authenticity.«29 What does he mean by this? Is he suggesting that Dada’s strength hinges upon ›authentic‹ political resonance? Does political resonance require authenticity to be effective? After all, authenticity, »the essence of all that is transmissible from its beginning, ranging from its substantive duration to its testimony to the history which it has experienced,«30 is destroyed alongside the aura; it is defined as – and only exists in – a sphere outside of technical reproducibility. The prerequisite of authenticity’s existence is the presence of an original, which, in this case, no longer exists (asking for an ›authentic‹ mechanically-produced print »makes no

Fig. 2: John Heartfield/Georg Grosz: Dadamerika (1919).

27 Walter Benjamin: »The Author as Producer«, in: Peter Demetz (ed.): Reflections. Essays – Aphorisms – Autobiographical Writings, trans. Edmund Jephcott, New York (Harcourt Brace Jovanovich) 1978, pp. 221–222. 28 Douglas Kahn: John Heartfield. Art and Mass Media, New York (Tanam Press) 1985, p. 14. 29 Benjamin: »The Author as Producer« (note 27), p. 229. 30 Ibid., p. 221.

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sense«).31 So let us dissect this sentence: Dada’s ability to be politically effective, its revolutionary strength, comes from testing art for ›authenticity.‹ If authenticity in art is everything that is revealed about the object during the interaction between itself and viewer, the object’s response to the aura we project when we initiate dialogue, then, as Benjamin writes, see what we are looking at now when we explore a Dada artwork: »still lifes…put together from tickets, spools of cotton, cigarette butts…linked with painted elements«.32 Or, for example, John Heartfield and George Grosz’s 1919 collaborative montage, Dada-merika (fig. 2), which contains, in addition to photographs and typography, hair, matches, and various other bric-à-brac. »The whole thing,« Benjamin writes, »was put into a frame. And thereby the public was shown: look, your picture frame ruptures time; the tiniest fragment of daily life says more than painting. You need only think of the work of John Heartfield, whose technique made the book cover into a political instrument.«33 Berlin Dada is meant to be the opposite of timeless; rather, it ruptures time, it is comprised of mundane, valueless materials that are then given art’s privileges – framing and mounting – in order to draw the viewer’s attention to its utter expendability. Heartfield said as much about his own creations: »I am full of good hope that the struggle of humanity for the preservation of freedom will bring their timelessness to an end in the not too distant future.«34 What is revealed about a Dada art object – seemingly – requires no unearthing of aura, as there is nothing historical or eternal in this interaction. And this, Benjamin believes, is Dada’s political strength, its effectiveness as a political art movement: it begins and ends in its present moment, and, moreover, it is authentic to that moment. While Benjamin takes for granted that a viewer of a Dada montage in 1934 has the wherewithal to come to this conclusion himself, the shock upon the viewer that would ensue, in this essay at least, is largely ignored. This is not the case in the artwork essay, the next time Benjamin discusses Dada at length. Now the shock effects of Dada on the spectator are brought to the fore, with the conclusion that they are analogous to the shock effects of the film: »Dadaism,« he writes, »attempted to create by pictorial – and literary – means the effect which the public today seeks in the film.«35 However – and this is crucial – the Dada on which Benjamin chooses to focus in this essay is not the Dada from »The Author as Producer.« Rather than discussing the political Berlin Dada, he focuses on the nonsensical Zurich Dada of Hugo Ball and Jean Arp. Yet this other branch of Dada is still relevant to our purposes, as it seems to trap Benjamin in his own logic. Here, we have an excellent example of what happens 31 32 33 34 35

Benjamin: »A Work of Art« (note 8), pp. 220–224. Id.: »The Author as Producer« (note 27), p. 229. Ibid. Kahn: John Heartfield (note 28), pp. 14–15; italics by T. A. Benjamin: »A Work of Art« (note 8), p. 237.

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when, in Benjamin’s own words, the aura is completely destroyed. To Benjamin, »what [the Dadaists] intended and achieved was a relentless destruction of aura of their creations.«36 This intentionally incoherent brand of Dada was impervious to »contemplative immersion« because nowhere in it can a spectator participate. Before an image of Arp’s, Benjamin writes, »it is impossible to take time for contemplation and evaluation.«37 Rather, he continues, »the works of art of the Dadaists became an instrument of ballistics. It hit the spectator like a bullet, it happened to him.«38 Zurich Dada is distracting; it assails the viewer, denying him the critical space to »abandon himself to his associations.« Like watching a film, »no sooner has his eye grasped a scene than it is already changed. It cannot be arrested… The spectator’s process of association in view of these images is indeed interrupted by their constant, sudden change. This constitutes the shock effect of the film, which,« he adds, »like all shocks, should be cushioned by a heightened presence of mind.«39

Fig. 3: Heartfield/Grosz at the Dada Fair (1920).

36 37 38 39

Ibid., pp. 237–238. Ibid., p. 238. Ibid. Ibid.

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BENJAMIN SAW BERLIN Dadaists in much the way they saw themselves: as the proprietors of a political, and, more crucially, non-auratic, movement. And yet, whether or not Berlin Dada saw itself as anti-art, and its creators as antiartists, I would argue that their work invited the same critical, auratic distance that they required to be an effective political movement in the first place. In order to substantiate this argument, we must now look more closely at Berlin Dada: its aims, its participants, and, more specifically, at the role that Berlin Dada itself intended to play as an illustrative example of the necessity for aura that both Benjamin, and the Dadaists themselves, had not taken into account. »Die Kunst ist tot. Es lebe die neue Maschinenkunst Tatlins.«40 This was the slogan for the widely publicized First International Dada Fair in Berlin (1920), as seen in a famous photograph taken of Berlin Dada’s most prominent artists, John Heartfield and George Grosz (fig. 3). Both men were close friends who had responded to the years following Germany’s defeat in the First World War with the same biting distain; both anglicized their names (Heartfield was born Helmut Herzfeld; Grosz’s given name was originally Georg) in 1918 in a bout of intense disillusionment as a response to the common German greeting, »May God Punish England.« Both were exasperated by the corruption that followed, and, along with photomontagist Raoul Hausmann, spearheaded a critical response to what they considered to be an impotent and embarrassing moment in German history by employing mechanically-reproduced materials to specifically test the boundaries between aesthetics and politics and create a movement that aimed to destroy Kunstkalt.41 »I considered as useless,« Grosz wrote, »any art which did not offer itself as a weapon in the political struggle.«42 Indeed, Berlin Dada defined itself as anti-art from its inception. Art, the Dadaists believed, as it had been established, was the product of a corrupt capitalist society that exploited its workers. The Dadaists’ response to what they saw taking place in terms of art’s elitist appropriation was not unlike what Benjamin’s would be when he wrote the artwork essay: the bourgeoisie, they argued, meant to repress the workers by confining art within the realms of elitism, irreproducibility, and profitability – they, too, were using art as a weapon. For both Heartfield and Grosz, the reverence of art and culture was a »bourgeois swindle designed to keep the masses docile, to dampen revolutionary ardor, and to undermine the class consciousness of the proletariat.«43 This statement is strikingly reminiscent of

40 »Art is dead. Long live the Machine Art of Tatlin.« 41 Timothy O. Benson: »Mysticism, Materialism, and the Machine in Berlin Dada«, Art Journal 46 (1987) 1, p. 49. 42 Title page, Exhibition Catalogue: Grosz/Heartfield. The Artist as Social Critic, Minneapolis (University Gallery/University of Minnesota) 1980. 43 Beth Irwin Lewis: »Grosz/Heartfield: The Artist as Social Critic«, in: Exhibition Catalogue: Grosz/Heartfield (note 42), p. 27.

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what Benjamin described with frustration in his 1940 essay »Theses on the Concept of History«; in much the same way that he was fighting to »abandon the epic element in history,«44 one that »romanticizes and obscures the facts,«45 the 1918 Dada Manifesto found its enemy in the »overblown historical significance«46 of

Fig. 4: John Heartfield/Georg Grosz: The Golden Chain (1928).

44 Walter Benjamin: »Eduard Fuchs. Collector and Historian«, in: New German Critique (1975) 5, pp. 28–29. 45 Id.: »One-Way Street«, in: Demetz (ed.): Reflections (note 27). 46 Sidney Simon: »The Weimar Republic and the Verist Tradition in Art«, in: Exhibition Catalogue: Grosz/Heartfield (note 42), p. 10.

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early German Expressionism. Die Brücke and Der Blaue Reiter were seen as selfishly apolitical in their inwardness, their utopian idealism, their empty rhetoric.47 The stigma attached to oil painting and its exclusive irreproducibility runs parallel to Benjamin’s definition of why the aura has the potential to be so dangerous in the first place: look no further than »The Golden or the Legend of the Freedom of Art« (fig. 4), a 1928 photomontage by Heartfield, incorporating drawings by Grosz, as an illustration of aura’s ability to keep art firmly in the hands of only those who have access to the experience, and thus blatantly repressing the proletariat. Dada fought this repression through images that identified and acknowledged it, and was published widely through the Arbeiter-Illustrierte-Zeitung (AIZ). Where »Dada struggles on the side of the revolutionary proletariat,«48 as another banner mounted at the 1920 Dada Fair declared, Grosz claimed that Expressionist paintings, far from treasures to be elevated above the struggle, were merely symptomatic of it: »You pretend to be timeless and stand above party, you keepers of the ivory tower,« he wrote in an essay to Expressionist artists. »Do away with your individual isolation, let yourselves be possessed by the ideas of the working masses!«49 Benjamin’s later theses on history demonstrably echoed this worldview. If history writing had always been the task of the victors, and the perpetual danger was that the masses will become a tool of elite control, then, Benjamin writes, the historical materialist must »disassociate himself from it as far as possible.«50 If history writing is therefore no longer siding with the elite, then it must be siding with the proletariat. If art is no longer confined to a museum, held hostage by its aura and accessible only to an exclusive few, it can become a mass tool of revolution. This new vocabulary for what art became in Weimar Germany reformulated its function (»art designed for reproducibility«), and, moreover, validated its politicization: if art – like history – is no longer epic, rhetorical, and elitist, it must instead be instantaneous, specific, and egalitarian, and, if possible, it should appropriate the shock of technological newness for its own purposes. Berlin Dada did just this. Where Expressionism’s enthusiasm for the ego was summed up in its motto, ›Man is Good,‹ the Dadaists, determined to look clearly and critically at the banal, retorted: ›Man is a Beast.‹51 The movement defined itself as a technologically aggressive, wild yawp of immediacy, proudly toting its deliberate absence of Geist; indeed, as Raoul Hausmann said, »Why have Geist in

47 Dawn Ades: Photomontage, London (Thames and Hudson Ltd.) 1976, p. 26. 48 Paul Wood: »Realism and Realities«, in: Brionny Fer et. al. (eds.): From Realism, Rationalism, Surrealism. Art Between the Wars, New Haven (The Open University) 1993, p. 41. 49 Ibid., p. 291. 50 Walter Benjamin: »Theses On the Concept of History«, in: id.: Illuminations (note 8), p. 256. 51 Wolf-Dieter Dube: Expressionism, New York (Praeger Publishers) 1973, p. 207.

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a world that runs mechanically?«52 Rather, their manifesto declared that high art should – as their art already did – deal with: … the thousandfold problems of its day, an art which one can see has let itself be thrown by the explosions of last week which is forever gathering up its limbs after yesterday’s crash. The best and most extraordinary artists will be those who [hold] fast to the intellect of their time, bleeding from hands and hearts.53

The rejection of the epic propelled the newfound excitement over specificity. Dada was, as Douglas Kahn writes, »nihilistic«; if Dada was a revolt against the higher powers, a response to the ›powerlessness of the spiritual,‹ then the spiritual needed to be destroyed and replaced with the concrete: the trouser buttons, hair, matches, newspaper clippings, and so on (loved so well by Benjamin), that were ultimately incorporated into their work.54 These objects illustrated in art what Hausmann had conceived Dada to be from the beginning: a communal Übergangsform (form of transition) that served to ›decontaminate‹ man from his past and begin anew in an immediate, material experience of wholeness, a »living present.«55 And the ultimate tool in the Dada arsenal, made up not only of found objects, but of remnants of mechanically produced media as well, was the photomontage. The origins of the photomontage are traceable, though they shift depending on whom you ask. While Grosz and Heartfield take credit for its invention, fellow Berlin Dadaists Hausmann, Johannes Baader, and Hannah Hoch have claimed responsibility as well. Though montage itself was no longer a new aesthetic medium – Picasso and Braque had experimented with mixed media, collage, and montage during prewar Synthetic Cubism – photomontage, such that comprised Heartfield’s later work, maintained an element of objective documentation that pervaded its subjective manipulation; it was heavily influenced by the work of the soldiers from the Western Front, who, thinking nothing of artistry, had resorted to pasting together photographs and cutouts from illustrated magazines in order to get their »reports of butchery« past the censors and home to their loved ones.56 In this way, the origins of Dada photomontage were demonstrably political:

52 Benson: »Mysticism, Materialism, and the Machine in Berlin Dada« (note 41), p. 46. 53 Raoul Hausmann: »Dada Manifesto«, cited in: Doherty: »›See:‹ We Are All Neurasthenics›!‹« (note 3), p. 88; italics by T. A. 54 Kahn: John Heartfield (note 28), p. 31. 55 Benson: »Mysticism, Materialism, and the Machine in Berlin Dada« (note 41), p. 47. Though space constrains a longer discussion, consider Benjamin’s concept of Jetztzeit, the presence of the now, as it exists in an art object that »ruptures time«. 56 Peter Selz: »John Heartfield’s Photomontages«, in: John Heartfield/Wieland Herzfelde (eds.): Photomontages of the Nazi Era, New York (Universe Books) 1977, p. 7.

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a medium of necessity, not of aesthetics. Benjamin certainly thought so. In one of his rare mentions of Heartfield, he wrote a disparaging response to the Surrealist photomontage’s intentions to present itself as an artistic medium: »The attempt of the Surrealists, the ›artistic‹ photomontage, has failed,« he writes. »You misjudged the striking social power of the photomontage and thus the importance of the inscription, which is the fuse of the critical spark towards which the montage drives (as we see best with Heartfield).«57 This critical spark was not recognized solely by Benjamin; critics throughout the 1920s and 1930s immediately understood the driving political force behind Heartfield’s creations. As critic Adolf Bahne recognized in 1931, Heartfield’s montages were »photography plus dynamite.«58 If both Benjamin and the Dadaists have established that their politicized art is, indeed, not art at all, then it logically follows that Heartfield, Grosz, and others were not artists. Grosz, for his part, never contested this. His refusal to identify with both the Expressionists and the Verists, even when exhibiting his own paintings, illustrate how deeply he was opposed to the role of the artist and all that the title implied.59 Photomontagists on the whole tended to see

Fig. 5: George Grosz: »The Convict«. Monteur John Heartfield after Franz Jung’s Attempt to Get Him Up on His Feet (1920). 57 Walter Benjamin: »Pariser Brief: Malerei und Fotomontage«, quoted in: Siepmann: Montage: John Heartfield (note 17), p. 189; trans. T. A. 58 Lewis: »Grosz/Heartfield« (note 43), p. 39. 59 Simon: »The Weimar Republic and the Verist Tradition in Art« (note 46), p. 19.

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themselves rather as workers, playing into the ideal of art as a political, proletariat struggle. Montage in German translates into ›fitting‹ or ›assembly line‹; as Hausmann said, »›[Photomontage] translates our aversion at playing the artist, and, thinking of ourselves as engineers … we meant to construct, to assemble our works.«60 Heartfield’s colleagues referred to him as ›Monteur Heartfield‹ – Monteur translating as ›mechanic‹ or ›engineer‹ – in recognition of his work’s response to existing artistic hierarchies.61 Grosz’s »›The Convict‹: Monteur John Heartfield after Franz Jung’s Attempt to Get Him Up on His Feet,« a watercolor and photomontage from 1920 (fig. 5), presents a portrait of Heartfield playing his dual role of both maker of montages and prisoner. By highlighting the photographic pieces of cotton cloth mounted on his shoulder and sleeve, this image juxtaposes a convalescent’s smock with its role as a worker’s blue coveralls (Monteuranzug), which Heartfield was known to wear in his studio.62 As Brigid Doherty notes, this juxtaposition of worker and prisoner, or perhaps convalescent, as well as the mechanical pump that has replaced Heartfield’s heart, serves to emphasize the social response to neurasthenia: shutting down one’s emotions to preclude coming apart.63 Heartfield’s photomontage was a quintessential proletariat art form, its task »to work as well, strongly, and intensively as possible on the masses.«64 Yet how could this goal have been achieved in a productive way without a semblance of artistic merit? Moreover, what separated the work of Heartfield – mechanically produced, widely disseminated, and largely propagandistic – from what the Nazis were producing? Perhaps this question above all drives the dialectical model that Benjamin explores in both the artwork essay and in the ruminations on Paris that comprise The Arcades Project: a society assaulted by modernity can be pacified into phantasmagoric complacency or, upon harnessing it, roused into self-liberating action, and Heartfield could only achieve the latter by creating interaction between his viewers and his work, and by insisting on a phenomenological moment of reciprocity, an aura, between spectacle and spectator. We can unpack this statement by looking first at the artistic properties of Heartfield’s art, and secondly, at the auratic. It is unclear if Heartfield even considered himself an artist in the traditional sense. As I have suggested, Dada, and photomontage itself, did little to lend itself to the production of art; the camera produced anonymous political images and »addressed everyone in the same manner.« In other words, no one was asking 60 61 62 63

Ades: Photomontage (note 47), p. 12. Ibid. Doherty: »›See:‹ We Are All Neurasthenics›!‹« (note 3), p. 102. Ibid., pp. 104–105. Doherty is also swift to notice, despite Heartfield’s never having seen the battlefield, how closely the mechanical heart resembles military decorations. 64 Lewis: »Grosz/Heartfield« (note 43), p. 27.

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after the author.65 Heartfield claimed that the pencil was »too slow a medium« to be political,66 and that his photographs and montages were an explicitly political tool; the fact that when they were exhibited Heartfield insisted on having copies of the newspapers and journals in which they were published hung alongside the originals emphasized the work as aimed at the masses, and not meant to retain the aura of private and irreproducible artworks.67 Yet for all of its political clamor, Heartfield’s work did have rather ingenious aspects of artistry, simply in his deft manipulation of photographs. As his contemporary Heidi Strub described, »Heartfield always considered his photomontages as artistic achievements,« and though he was producing ephemeral political propaganda – decidedly not for an art market – still, she continues: […] artistic quality, for Heartfield, was identical with the clear solution of a concept, with the purposeful accomplishment of the substance and form of an idea. The graphic means, the distribution of space, the proportions, the choice of lettering, the tonal quality or the color of the photograph were subordinated to this.68

Even Grosz begrudgingly admits that what began as an »inflammatory political joke,« Heartfield developed into »a conscious artistic technique.«69 Hausmann described the extreme complexity of photomontage, its structure and dimension, its contrasts, its »utmost flexibility and lucid formal dialectics […] [Its] ability to manage the most striking contrasts, and achieve perfect states of equilibrium.«70 Louis Aragon, an active member of the French Surrealists, praised Heartfield’s [...] ability to »salute the very beauty of our age« by becoming a »master of a technique entirely of his own invention, a technique which uses for its palette the whole range of impressions from the world of actuality [...] translat[ed] into black and white.«71 Yet pure artistry is not enough; the films of Leni Riefenstahl never lacked artistry, despite their lack of aura. Indeed, Joseph Goebbels’ resounding praise for Triumph der Willen cited its »steel-like conviction and passionate artistry,«72 65 Heidi Strub: »An Art for the Revolutionary Struggle«, in: Heartfield/Herzfelde (eds.): Photomontages of the Nazi Era (note 56), pp. 23–26. 66 John Heartfield: »Über den operierenden Künstler«, quoted in: Lewis: »Grosz/Heartfield« (note 43), p. 27. 67 Ades: Photomontage (note 47), p. 43. 68 Strub: »An Art for the Revolutionary Struggle« (note 65), p. 24. 69 Hans Richter: Dada: Art and Anti-Art, London (Thames and Hudson Ltd.) 1997, p. 117. 70 Ibid., p. 16. 71 Louis Aragon: »John Heartfield und die revolutionäre Schönheit«, quoted in: Selz: »John Heartfield’s Photomontages« (note 56), p. 15. 72 Alan Rosenthal: »Book Review: The Power of Film Propaganda: Myth or Reality? By Nicholas Reeves«, in: Film Quarterly 55 (2001–2002) 2, p. 68.

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and it is largely determined that the reason for the film’s success over the relative failure of later propagandistic films such as Fritz Hippler’s Der Ewige Jude was the latter’s »grotesque exaggerations«; as an artistic creation, that film was deemed »rubbish.«73 Artistry that could rouse an audience required their interaction with the object, a nuanced, empathic exchange, something for which Nazi propaganda, with good reason, never asked.

Fig. 6: John Heartfield: Adolf the Superman Swallows Gold and Spouts Junk (1932).

Yet such interaction in political art had precedent, and Heartfield, it seems, looked towards an undisputed artist of authentically politicized art in his own 19th-century proxy, Honoré Daumier. Georg Grosz spoke of Daumier as one of the few artists he could tolerate; along with Hogarth and Goya, Daumier was »tendentious« and »a moralist,« and Grosz encouraged all the »Daumiers of today« to »speak directly to the masses.«74 For his own part, Heartfield had been introduced to Daumier’s work through the collector Eduard Fuchs, and began incorporating similar motifs from the caricaturist’s work into his own montages.75 Heartfield’s 1932 »Adolf the Superman Swallows Gold and Spouts Junk« (fig. 6) demonstrably echoes one of Daumier’s most controversial caricatures, 73 Ibid. 74 Kahn: John Heartfield (note 28), p. 50. 75 Ibid.

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»Gargantua« (fig. 7): both depict an overfed leader – for Heartfield, Adolf Hitler, for Daumier, the French People’s monarch, Louis Philippe – consuming the public wealth and trust, yet producing nothing but waste. Daumier’s journals

Fig. 7: Honoré Daumier: Gargantua (1830).

La Caricature and Le Charivari became Heartfield’s Neue Jugend and AIZ – the latter even published an homage to Daumier by reproducing his caricature on its cover (fig. 8). Daumier and Heartfield thematically brought together »epochal consciousness«;76 both exploited the newest technological innovation of their periods to comment on that period with »powerful anger« and »great artistic talent.«77

76 Ibid. 77 Selz: »John Heartfield’s Photomontages« (note 56), p. 11. I am grateful to Judith Wechsler, Professor Emeritus at Tufts University, for her excellent, seminal work on Daumier – which turned me onto this subject – and for her support on this article.

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Fig. 8: John Heartfield: Daumier caricature on the cover of A-I-Z (1929).

Technically speaking, Heartfield successfully emulated what made Daumier such a powerfully political artist: the ability to turn the proverbial lens onto his own society, to criticize his contemporaries by identifying with them – to, as Benjamin wrote on the critic Karl Kraus, »insert the crowbar of his hate into the finest joints of their posture.«78 Daumier’s caricatures, at least those that fascinated Benjamin enough to be reproduced in The Arcades Project, illustrated the fashionable fools of his day, entranced by phantasmagoria and

Fig. 9: Honoré Daumier: Ladies of the Demi-Monde, but Having No Demi-Skirts (1855). 78 Walter Benjamin: »Karl Kraus«, in: Demetz (ed.): Reflections (note 27), p. 244.

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oblivious to the (even minor) dangers it posed; we see this insensibility exemplified by the ladies struggling to accommodate their massive crinoline into a small carriage in »Ladies of the Demi-monde, but having no demi-skirts« (fig. 9). In the same vein, Heartfield made it his mission to point out a society asleep. His 1929 photomontage, »The Sleeping Reichstag« (fig. 10) depicting a parliament member napping

Fig. 10: John Heartfield: The Sleeping Reichstag (1929).

atop the iconic government building, criticizes the »somnolent complacency« of Parliament in the face of Nazism.79 The 1933 montage »Durch Licht zur Nacht« (Through Light to Night; fig. 11) illustrates the infamous Bebelplatz book burning, and sports the caption: »Thus spake Dr. Goebbels: Let us start new fires so that those who are blinded shall not wake up!« (»Laßt uns aufs neue Brände

79 Ades: Photomontage (note 47), p. 47.

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Fig. 11: John Heartfield: Durch Licht zur Nacht (1933).

entfachen, auf daß die Verblendeten nicht erwachen!«; trans. Dawn Ades) These works, accompanied by the ever-present trademark Dada yell – members of the movement both screaming in each other’s ears and out towards the viewer (figs. 12–14) – accentuated their mission of awakening the enervated masses. Yet this awakening, for all its zeal, would have not been effective if its strategy was simply, and solely, an outward scream, an »instrument of ballistics«, at the audience. This is where we ultimately see how Heartfield’s work combated Goebbels’, and where Benjamin drew a line separating political art and aura

Fig. 12: Heartfield in ›Dada-yell‹-Pose (o. J.).

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somewhat prematurely: in order to create noise enough to awaken – but not to pummel senseless – one’s audience, Geistesgegenwart must be produced. Critical distance must be employed; in essence, an auratic interaction must be provoked. This interaction took place between a Heartfield photomontage and a viewer asked to approach an image comprised of subtle, clever juxtapositions and create for himself the relationship. Heartfield’s work consequently transformed »consumers« into »collaborators«80 by allowing them to recognize its deliberate distortion. Indeed, it is here that we recognize the difference between active decisionmaking and decision-making that is utterly prescribed. Benjamin returns to this dialectic repeatedly with respect to film, where at once Fascist filmmakers are exploiting the »rebellion of technology«81 on our senses, and yet our sympathy towards

Fig. 13: Hausmann yelling in Heartfield’s ear (o. J.).

Mickey Mouse, recognizing »[our] own life in [him],«82 returns to us our common humanity. An audience watching Charlie Chaplin is never in a state of passivity; we »must either double up laughing or be very sad,« all the while aching actively 80 Wood: »Realism and Realities« (note 48), p. 236. 81 Benjamin: »A Work of Art« (note 8), p. 242. 82 Id.: »Mickey Mouse«, in: Michael W. Jennings/Brigid Doherty/Thomas E. Levin (eds.): Walter Benjamin. The Work of Art in the Age of Technological Reproducibility and Other Writings on Media, Cambridge (Belknap Press/Harvard University Press) 2008, p. 338.

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for an ending that will invariably sneak up on us.83 In characteristic contradiction to his writings on film’s ballistic shock effect when discussing Fascist propaganda, Benjamin’s short, largely unpublished writings on Hollywood film further enhance the auratic properties that allow for Heartfield’s work to be so effective – because it is not the film itself, but rather the fact of the universal authenticity of its content that our conscience responds to. A film that makes us laugh or elicits our empathy requires our own active participation; likewise, photomontage, writes Hausmann, is a medium that uses photography as a means to »create,« to »transform« the meaning of a photograph,84

Fig. 14: ›Dada Yell‹ at First International Dada Fair (1920).

83 Walter Benjamin: »Chaplin«, in: Jennings/Doherty/Levin: Walter Benjamin. The Work of Art (note 82), p. 333. 84 Ades: Photomontage (note 47), pp. 16–24.

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to »divert the photograph from what it ›naturally‹ seems to say, and to underscore the need for the viewer’s active ›reading‹ of the image.«85 In approaching a Heartfield print, viewers jarred and startled themselves into recognition; »underlying realities and unavoidable truths« were revealed when it became »absurdly« clear that this photomontage was indeed a manipulation and never claimed to be otherwise.86 The »absolute clarity of metaphor« engendered an emotional flare in the viewer, bringing him, as it were, to his senses.87 Suddenly Nazi propaganda, which admitted to no such thing, was exposed for its inauthenticity.

Conclusion Can we therefore argue for the expansion of Benjamin’s definitions to include what it seems he would have, with the luxury of distance, have intended to himself include? Indeed, »it is impossible,« Rolf Tiedemann writes, »to determine whether [Benjamin] planned to retain this or that idea in the course of his work. Some theoretical notes contradict each other; others are hardly compatible.«88 What writings we are left with would no doubt have been reconsidered, linked in ever more complex ways; as is the nature of a cultural historian, un homme de lettres, ideas and writings evolve as organically as the experiences he is able to capture in real time. Perhaps, at this moment, we too can step back, and appreciate the fundamental mission of his Fascist-era writings: to rally against what he foresaw – correctly – as the inevitable consequences of inaction. »It is our task,« he wrote just months before his death, »to bring about a real state of emergency, and this will improve our position in the struggle against Fascism.«89 There is a deeply empowering message in this directive: we possess the gift of our critical consciousness, the faculties necessary to harness our own response to modernity. This is a message of hope, and indeed, in Benjamin’s work, Adorno concluded, »hope truly appears only where there is danger.«90 Of course, what was meant to inspire hope at the time becomes, having gone unheeded, all the more troubling and tragic today. Yet the fact that Benjamin’s writings can still resonate so powerfully beyond their own generation is a tribute 85 Christopher Phillips: »Introduction«, in: Matthew Teitelbaum (ed.): Montage and Modern Life, Cambridge et al. (MIT Press) 1992, p. 28. 86 Lewis: »Grosz/Heartfield« (note 43), p. 38. 87 Selz: »John Heartfield’s Photomontages« (note 56), p. 16. 88 Rolf Tiedemann: »Dialectics at a Standstill: Approaches to the Passagen-Werk«, in: Gary Smith (ed.): On Walter Benjamin. Critical Essays and Recollections, Cambridge (MIT Press) 1988, pp. 260–292. 89 Benjamin: »Theses On the Concept of History« (note 50), p. 257. 90 Adorno: »Introduction« (note 1), p. 12.

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to his lucid sensitivity, to his own writerly aura, which survives still. His plea to his contemporaries, which is no less pressing to us today, echoes the same absence of rhetoric, the same clarity of purpose, as Wieland Herzfelde, brother of John, presents in the final lines of his poem, »Soldiers of Peace«: Peoples, may your children be saved from war. Preventing war shall be our triumph.91

91 Wieland Herzfelde: »Heartfield’s Photomontages and Contemporary History«, in: Heartfield/ id. (eds.): Photomontages of the Nazi Era (note 56), p. 22.

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The Painter through the Fourth Wall of China Benjamin and the Threshold of the Image* Walter Benjamin had a revealing fascination with the legend of a Chinese artist who entered his painting and disappeared in it. In his writings this character becomes an emblematic figure that enables the philosopher to discuss the nature of representation in its various inflections (in games and in painting, in theater and in cinema); to explore the status of the image and of the threshold that simultaneously separates and connects image and reality; to analyse the different bodily (i. e. »aesthetic«) attitudes of the beholder in his/her close or distant relationship to the image; to investigate the manifold implications of empathy (Einfühlung) toward the figurative world; and finally, to approach a peculiar kind of dialectics, namely the »Chinese«. My paper aims at considering such varied aspects in Benjamin’s interpretation of the Chinese painter, understanding it as a true »dialectical image« that in its non-coincidentia oppositorum provokes not only significant hermeneutic oscillations, but even a radical inversion of its fundamental meaning.1

1. »Distance is the opposite of nearness« »Distance is the opposite of nearness« (SW IV, 272): with this truism, in a footnote to § 4 of the essay on the work of art in its last 1939 version, Benjamin * I am very grateful to Matthew Vollgraff, Daniel Weidner and the anonymous reviewer of the Benjamin-Studien for their generous help in revising my text and for their valuable suggestions. I also owe a debt to the following friends and colleagues, who in a variety of ways left their mark on this article: Michele Bertolini, Mauro Carbone, Francesco Casetti, Michele Cometa, Pietro Conte, Anna Caterina Dalmasso, Mildred Galland-Szymkowiak, Barbara Grespi, Maurizio Guerri, Giovanni Gurisatti, and Antonio Somaini. 1 Abbreviations: »SW«, followed by the Roman numeral of the volume and the Arabic numeral of the page(s) = Walter Benjamin: Selected Writings, 4 vols., ed. by Marcus Bullock et al., Cambridge/Mass. (Harvard University Press) 2004–2006; »AP« = The Arcades Project, trans. Howard Eiland/Kevin McLaughlin, Cambridge/Mass. (Harvard University Press) 1999; »EW« = Early Writings (1910–1917), ed. by Howard Eiland, Cambridge/Mass. (Harvard University Press) 2011; »WAWM« = The Work of Art in the Age of its Technological Reproducibility, and Other Writings on Media, ed. by Michael W. Jennings/Brigid Doherty/Thomas Y. Levin, Cambridge/Mass. (Harvard University Press) 2008; »C« = The Correspondence of Walter Benjamin, 1910–1940, trans. Manfred R. Jacobson/Evelyn M. Jacobson, Chicago (University of Chicago Press) 1994.

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crystallized the polarity that, so crucial for his characterization of the notion of aura, had appeared some years before in the formula: »The unique appearance or semblance of distance, no matter how close it may be [einmalige Erscheinung einer Ferne, so nah sie sein mag].« Presented for the first time in his Little History of Photography (1931: SW II, 518), and subsequently recalled in the various versions of The Work of Art, this formulation, if compared with further determinations of the concept proposed by Benjamin – aura as »shell« or »veil« (519; SW III, 105), »case« or »halo« (SW II, 328); aura as historical experience inscribed in the object (SW IV, 337); or aura as the capacity of the object to return the observer’s gaze (338) – is peculiar for its emphasis on the aesthesiological dimension (the categorical couple »near/distant«, a fundamental articulation of the living body in spatial and temporal relationship to the object) and on the implications of what might be called an iconic pragmatics. For just as there are images that keep the beholder at a distance, commanding respect, there are also images that invite the observer to come close and to explore them in a tactile way. The first ones, charged with cult value (Kultwert),2 are auratic images, which remain distant no matter how physically near I approach them; the second ones, inclining toward the pole of exhibition value (Ausstellungswert), offer themselves inversely to a close apprehension, no matter how far they are. Such a polarity is icastically formulated in the Passagenarbeit by the dialectical opposition between aura and trace (Spur): »Trace and aura. The trace is appearance of a nearness, however far removed the thing that left it behind may be. The aura is appearance of a distance, however close the thing that calls it forth. In the trace, we gain possession of the thing; in the aura, it takes possession of us« (M 16a, 4: AP, 447). Many of Benjamin’s attempts to historically investigate the correlation between bodily-perceptual organization and the media that express it in each epoch (including that particular – if not exclusive – class of media that are works of art) are modelled after the etymological origin of »aesthetics« as »aisthesiology«, which he even recalls explicitly: »The theory of perception which the Greeks called aesthetics« (SW III, 120). Within this frame, the binary near/far represents one of the most elementary possibilities of the relation between body and world, which precisely because of such elementariness can become charged with increasingly complex cultural and symbolic meanings. It is certainly not by chance that, in the very same paragraph of the essay on the work of art in which Benjamin exposes the keystone of his research program: »The era of the migration of peoples, an era which saw the rise of the late-Roman art industry and the Vienna Genesis, developed not only an art different from

2 »Unapproachability is, indeed, a primary quality of the cult image; true to its nature, the cult image remains ›distant, however near it may be‹« (The Work of Art [1939], § 4, n. 11; SW IV, 272).

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that of antiquity but also a different perception« (104)3 – he evokes some of the most important sources for his understanding of the aesthesiological salience of the dyad near/far: the art historians of the Vienna School, Franz Wickhoff and above all the »prophetic« Alois Riegl (GS III, 170). One might add Heinrich Wölfflin to this list: while less beloved (Benjamin had been a disappointed student at his lectures in Munich in 1915: GB I, 289; 296–298), the Swiss art historian had notwithstanding left a significant mark on the elaboration of those same themes: indeed for both Riegl (in Spätrömische Kunstindustrie, 1901) and for Wölfflin (in the Kunstgeschichtliche Grundbegriffe, 1915) the key issue lies in describing two major typologies of images, regardless of their iconographic contents. On the one hand they discuss images that draw the spectator in towards them, offering him/her their contours at a close view, for haptic exploration (the Egyptian visuality in Riegl) or linear-tactile (the Renaissance in Wölfflin); on the other hand there are those images that keep the beholder at a distance in order to let him/her perceive their chiaroscuro and chromatic dynamics (the »impressionistic« Late Roman style in Riegl, the »pictorial« Baroque in Wölfflin).4 Taking the polarity near vision/distant vision from the art historians, and at the same time inverting the kunstgeschichtsphilosophisch movement assumed by Riegl and Wölfflin (from near Egypt/Renaissance to far Late Roman/Baroque), Benjamin describes the complex of the art and wider media sphere of modernity (Baudelaire’s poetry, Dada, Kitsch, Brecht’s theater, newspapers, cinema) as a passage from the auratic modality of solitary and distant contemplation of the object imbued with cult value to the tactile, manipulatory, collective and close reception by the masses: »Every day the urge grows stronger to get hold of an object at close range in an image [Bild], or, better, in a facsimile [Abbild], a reproduction« (SW III, 105). It would be nevertheless reductive to consider the near/far polarity exclusively with reference to its significance for Benjamin’s philosophy of art. Nähe und Ferne (GS VI, 83–87), a fragment devoted to precisely such a polarity, belongs to a

3 In his 1939 review of Dolf Sternberger’s Panorama Benjamin remarks: »The question of whether people’s visual impressions are determined only by natural constants, or additionally by historical variables, is at the very leading edge of research. To move an inch closer to an answer is a hard-won advance« (SW IV, 146). Again in his 1940 review of Georges Salles’ Le regard, Benjamin recalls the idea »de ce qu’on pourrait nommer l’histoire de la perception humaine« (GS III, 591). 4 The literature on the relationship between Benjamin and Kunstwissenschaft is very rich: among the many titles see the seminal essay by Wolfgang Kemp: »Fernbilder. Benjamin und die Kunstwissenschaft«, in: Burckhardt Lindner (eds.): Walter Benjamin im Kontext, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 1978, pp. 224–256, and Michael W. Jennings: »Walter Benjamin and the Theory of Art History«, in: Uwe Steiner (ed.): Walter Benjamin 1892–1940, zum 100. Geburtstag, Bern (Lang) 1992, pp. 77–102.

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group of »psychophysical« meditations developed during the 1920s (hence after his encounter with Riegl and Wölfflin). Here Benjamin claims that nearness and farness decisively condition the whole configuration and existence of the human being in the same manner as the oppositions »high/low« and »left/right«; yet even more intensely than these, »near/far« exerts its effects in the domain of Eros and sexuality and in the oneiric dimension. On the basis of the erotic doctrine of Plato’s Symposium, Benjamin formulates farness and nearness as the »type and originary phenomenon of connection«, which are specified in relation to the two sexes. It would be wrong to unilaterally associate nearness to bond and farness to liberty: it is precisely the love affair that reveals the spell cast by the distant beloved on one side and the dissolution risked by excessive proximity of the lovers on the other. The same constellations of motifs found a public expression in the prose pieces entitled Short Shadows (1929 and 1933).5 Also from the same period, and touching upon an analogous motif, the Fragment 172 The Great Art of Making Things Seem Closer Together (probably mid-1929) underlines »the mysterious power of memory [Erinnerung] – the power to generate nearness« (SW II, 248).

2. The legend of the Chinese painter The polarity near/far traverses the entirety of Benjamin’s reflections. But its dialectical force is perhaps best illustrated in his commentaries of the legend of the Chinese painter. The anecdote tells of a famous painter of the Tang dynasty, Wu Tao-tzu (680–740), who entered his landscape painting that had been commissioned by the emperor Xuánzong, and was never seen again. This ancient story, readapted by Sven Lindqvist in his 1967 book,6 was well known in Europe since at least 1886, when the English surgeon and collector William Anderson reported it (without source) in his pioneering catalogue of Chinese and Japanese paintings.7 Anderson’s version was quoted and disseminated by the eminent

5 Cf. »the love from afar« as the distinguishing mark of the »Platonic Love« (SW II, 268); the excessive proximity in the Notre-Dame dream commented in »Too Close« (268); the intimate connection distance-dream-image explored in »Distance and Images« (700–701). Benjamin has in mind entry n. 60 of Nietzsche’s The Gay Science (1882, 21887): »Women and their Action at a Distance«, Cambridge (Cambridge University Press) 2007, p. 71. 6 Sven Lindqvist: The Myth of Wu Tao-Tzu (1967), London (Granta) 2012. Cf. Shieh Jhy-Wey: »Grenze wegen Öffnung geschlossen. Zur Legende vom chinesischen Maler, der in seinem Bild verschwindet«, in: Jürgen Wertheimer/Susanne Göße (eds.): Zeichen lesen, Lese-Zeichen, Tübingen (Stauffenburg) 1999, pp. 201–225. 7 William Anderson: Descriptive and Historical Catalogue of a Collection of Japanese and Chinese Paintings in the British Museum, London (Longmans) 1886, p. 484–485.

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Cambridge sinologist Herbert Allen Giles, who had to confess: »I myself have failed to find the Chinese text«.8 In 1880 Giles had translated Liaozhai Zhiyi (1766) by Pu Songling under the title Strange Stories from a Chinese Studio, a collection of tales that includes The Painted Wall. Here a Mr. Chu admires a wall painting representing a girl picking flowers and gently smiling: »Then, suddenly, he felt himself floating in the air, as if riding on a cloud, and found himself passing through the wall«. After a certain amount of time spent in the image with the girl »as man and wife«, called back to the real world by his friends, »immediately Mr. Chu descended from the wall, standing transfixed like a block of wood, with starting eyeballs and trembling legs«.9 The motif of the painter trespassing the threshold of his own picture was destined to become a central cross-cultural motif: as it has been suggested, Pu Songling’s story might have inspired the Japanese writer Kôsai Ishikawa, whose legend concerning the final disappearance of Kwashin Koji, included in his Yasô Kidan (1889–1894), could possibly have led (through the mediation of Lafcadio Hearn) to Marguerite Yourcenar’s oriental novel How Wang-Fô was Saved.10 But more than this Chinese-Japanese-American-French constellation, what interests us here is rather the Chinese-German connection. A German translation of Pu Songling’s collection, under the title Chinesische Geister- und Liebesgeschichten, appeared in 1911 with a preface by Martin Buber.11 These tales were well known to Benjamin, as we know from the Verzeichnis der gelesenen Schriften 8 Herbert Allen Giles: An Introduction to the History of Chinese Pictorial Art, London (Quaritch) 1905, 21918, p. 52. A few years later another famous British orientalist, Arthur Waley, remarked about Wu Tao-Tzu: »The Taoists have annexed him as one of their divinities and tell us that he disappeared into one of his own pictures. The story is, at any rate, as old as the 17th century, for it is told in the Shu Hua Fang« (id.: An Introduction to the Study of Chinese Painting, London [Ernest Benn] 1923, p. 113). 9 Pu Songling: »The Painted Wall«, in: id.: Strange Stories from a Chinese Studio, 2 vols., London (Thomas De La Rue), 1880, vol. 1, pp. 9–13. 10 Cf. Kôsai Ishikawa: Yasô Kidan, Tokyo (Azuma Kenzaburô) 1889 (vol. 1), 1894 (vol. 2); Lafcadio Hearn: »The Story of Kwashin Koji«, in: id.: A Japanese Miscellany, Boston (Little, Brown, and Co.) 1901, pp. 37–51; Marguerite Yourcenar: »How Wang-Fô was Saved« (1936), in: id.: Oriental Tales, trans. Alberto Manguel, New York (Farrar, Straus & Giroux) 1985, pp. 3–20. On this constellation cf.: Sukehiro Hirakawa: »Animistic Belief and Its Use in Japanese Literature. The Final Disappearance of Kwashin Koji«, in: Kin’ya Tsuruta (ed.): Nature and Self-hood in Japanese Literature, Josai International University and Department of Asian Studies (UBC), 1993, pp. 79–85; Shigemi Inaga: »The Painter Who Disappeared in the Novel: Images of an Oriental Artist in European Literature«, in: Martin Heusser et al. (eds.): Text and Visuality (Word & Image Interactions 3), Amsterdam (Rodopi) 1999, pp. 117–127; Angelica Rieger: »Comment Wang-Fô fut sauvé de Marguerite Yourcenar – ou le tableau qui sauve«, in: Jean-Pierre Guillerm (ed.): Récits/tableaux, Lille (Presses Universitaires de Lille) 1994, pp. 201–214. 11 Frankfurt a. M. (Rütten & Loening) 1911; the tale of the painted wall, »Das Wandbild«, is at pp. 1–5.

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(GS VII, 439, n. 521).12 But an even closer source might have been his friend Ernst Bloch, who referred to the legend of the Chinese painter without citing any source in his 1923 book Durch die Wüste, in the chapter »Motive des inneren Verschwindens«.13 Almost the same words would be repeated seven years later in Traces, in the section »Motif of the Door«.14 Bloch associates the legend with an analogous anecdote belonging to the collection Sieben Märchen, edited by Herbert Bauer alias Béla Balázs:15 the writer Wan-Hu-Chen writes himself into his own book as a character so as to join his beloved Li-Fan, who was already living beyond the literary threshold. As regards Benjamin, the case of the Chinese painter makes its first appearance in The Mummerehlen, published under the pseudonym Detlef Holz in the Vossische Zeitung in 1933 and intended as the first chapter of Berlin Childhood around 1900. Here Benjamin recalls the legend that comes from China, and tells of an old painter who invited friends to see his newest picture. This picture showed a park and a narrow footpath that ran along a stream and through a grove of trees, culminating at the door of a little cottage in the background. When the painter’s friends, however, looked around for the painter, they saw that he had left them – that he was in the picture. There, he followed the little path that led to the door, paused before it quite still, turned, smiled, and disappeared through the narrow opening. In the same way, I too, when occupied with my paintpots and brushes, would be suddenly displaced into the picture. I would resemble the porcelain which I had entered in a cloud of colors. (SW III, 393)16 12 Two other Chinese readings are registered at n. 520 and n. 522: respectively »Chinesische Abende. Chinesische Nov u Gesch übertragen von Leo Greiner and »Chinesische Novellen deutsch von Paul Kühnel «. The first was published by Erich Reiß, the second by Georg Müller. 13 Ernst Bloch: Durch die Wüste, Berlin (P. Cassirer) 1923, p. 140 (text not included in Bloch’s Werkausgabe). About it Benjamin wrote to Scholem: »There is nothing to say about its content« (March 5, 1924; C, 239). 14 Ernst Bloch: Traces (1930), Stanford (Stanford University Press) 2006, pp. 113–119. On this cf. Bernhard Greiner: »Hinübergehen in das Bild und Errichten der Grenze«, in: Jürgen Wertheimer/Susanne Göße (eds.): Zeichen lesen, Lese-Zeichen, Tübingen (Stauffenburg) 1999, pp. 175–199. 15 »Das Buch des Wan-Hu-Tschen«, in: Herbert Bauer (ed.): Sieben Märchen (1917), Wien et al. (Rikola) 1921, pp. 177–192. Bauer/Balázs edited a second collection of Chinese stories: Der Mantel der Träume. Chinesische Novellen, München (D. & R. Bischoff) 1922. »The Book of Wan-Hu-Chen« is included in the English translation: The Cloak of Dreams. Chinese Fairy Tales, Princeton and Oxford (Princeton University Press) 2010, pp. 159–171. Benjamin met Balázs in 1929: »I felt at once that this man could produce nothing but false ideas« (SW II, 276–277). 16 Benjamin positively associates the legend to the micrological reduction of subjectivity in his 1933 review of Adorno’s dissertation: Kierkegaard: The End of Philosophical Idealism (SW II, 704). There is however no trace of the Chinese tale in Adorno’s book.

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The legend reappears in a very synthesized form in the essay on the work of art, begun in September 1935. In § 18 of the first typescript (1935–1936) we read: Distraction and concentration form an antithesis, which may be formulated as follows. A person who concentrates before a work of art is absorbed by it [versenkt sich]; he enters into the work, just as, according to legend, a Chinese painter entered his completed painting while beholding it. By contrast, the distracted masses absorb the work of art into themselves [versenkt in sich]. Their waves lap around it; they encompass it with their tide. (119)17

As we can see, within the space of a few years the meaning attributed by Benjamin to the legend has undergone a significant inversion. If in the Mummerehlen the painter disappearing into his own picture was a positive example of a bodily (i. e. tactile) identification with things and colors that precedes the gnoseological and ontological opposition of subject and object, in the essay on the work of art the anecdote becomes a negative paradigmatic case of the contemplative (i. e. optical) reception of works of visual art (exemplarily paintings), consisting in concentration and absorption, typical of the traditional bourgeois aesthetic attitude. As such, this modality is opposed to the attitude of the distracted masses, who on the contrary absorb the artwork (exemplarily movies) haptically into themselves.18 If we compare Benjamin’s reading to that of other theorists like Béla Balázs and his friend Siegfried Kracauer, who would later both draw on the same legend of Wu Tao-tzu in order to illustrate the nature of cinematographic reception, we can observe some significant differences. Kracauer identifies the film spectator with the Chinese artist, remarking that both merge with and are incorporated into the image that they look at. In the cinematic experience, Kracauer writes, the spectator »drifts toward and into the objects – much like the legendary Chinese painter who, longing for the peace the landscape he had created, moved into it, walked toward the faraway mountains suggested by his brush strokes, and disappeared in them never to be seen again«.19 Balázs employs the anecdote of Wu Tao-tsu in the context of a comparison of Chinese, American and European mentalities: »Such tales could never have been 17 The tale is present in all versions of the essay except the very first draft: cf. WuN XVI (Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit), pp. 87 and 93 (zweite Fassung); p. 137 (dritte Fassung); p. 195 (French vierte Fassung), p. 245 ( fünfte Fassung). 18 Both Greiner (id.: »Hinübergehen in das Bild« [note 14, pp. 186–189]) and Christopher Bush (id.: Ideographic Modernism. China, Writing, Media, Oxford [Oxford University Press] 2009, pp. 111–115) refer to the legend in the two texts, but they do not thematize Benjamin’s interpretative inversion. 19 Siegfried Kracauer: Theory of Film. The Redemption of Physical Reality (1960), Princeton (Princeton University Press) 1997, p. 165. For a comparison Benjamin-Kracauer cf. Miriam Bratu Hansen: Cinema and Experience, Berkeley (University of California Press) 2011.

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born in the minds of men brought up in European ideas of art. The European spectator feels the internal space of a picture as inaccessible, guarded by its own self-sufficient composition. But such strange stories as those Chinese tales could easily have been born in the brain of a Hollywood American«,20 for whom cinema produces the illusion of being in the middle of the fictional space. For the position here expressed by both Kracauer and Balázs we might call to mind early films that perform the annulment of the screen barrier and the abrogation of the separation between representation and reality,21 like The Countryman and the Cinematograph (directed in 1901 by Robert W. Paul), Uncle Josh at the Moving Picture Show (1902, director Edwin S. Porter), or Buster Keaton’s Sherlock Jr. (1924). But we could also mention later cases: Woody Allen pays homage to Buster Keaton in his The Purple Rose of Cairo (1985). Two years earlier, David Cronenberg had thematized the interpenetration of the TV screen in his Videodrome. These are all examples of the fatal trespass from reality into fiction and vice versa; and we could include here the developments of 3-D technology as a further evolution of such a strategy aiming at tearing down the barriers between actor and spectator that Eisenstein in the 1940s had named stereokino.22 But was Balázs really right in claiming that such a »Chinese« move would never have occurred to the European mind? To say nothing of the avant-garde experimentations, we might evoke the founding myth of the origin of painting recounted by Alberti in his De pictura (II, 26), the story of Narcissus, in which the transgression of the boundaries between reality and representation is at stake. In Ovid’s Metamorphoses (III, 339–510), after having tried in vain to catch hold of the beloved image, Narcissus lets himself perish on the riverbank. But in other versions (e. g., Plotinus’ Enn. 1.6.8) he dives in and drowns: a destiny shared by the great Chinese poet Li Po (701–762), contemporary of Wu Tao-tsu, who died in the Yangtze River while attempting to grasp the moon reflected on the

20 Béla Balázs: Theory of Film. Character and Growth of a New Art (1949), London (Dobson) 1952, p. 50. 21 On the filmological and philosophical implications of the annulment of the screen barrier cf. Francesco Casetti: Eye of the Century. Film, Experience, Modernity (2005), New York (Columbia University Press) 2008; Mauro Carbone: »O que é uma filosofia-cinema?«, in: Aurora. Revista de Filosofia 25 (2013) 37, pp. 343–360. 22 Stereoscopic cinema would offer »the ability to ›draw‹ the audience with unprecedented force into what used to be a flat surface and the ability to ›bring down‹ on the audience that which formerly spread over the surface of the screen« (Sergei M. Eisenstein: »Stereoscopic films« (1947), in: id.: Notes of a Film Director, Moscow (Foreign Languages Pub. House) 1958, p. 133). On 3-D cf. William Paul: »Breaking the Fourth Wall. ›Belascoism‹, Modernism, and a 3-D ›Kiss Me Kate«, in: Film History 16 (2004) 3, pp. 229–242; Ray Zone: Stereoscopic Cinema and the Origins of 3-D Film, 1838–1952, Lexington (The University Press of Kentucky) 2007.

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water.23 One might object that by his death Narcissus proves ab origine the impossibility of the trespass. But we know that Western culture has widely explored this issue: let us only think of Through the Looking-Glass, and What Alice Found There (1871) by Lewis Carroll24 or of Le sang d’un poète (1930) directed by Jean Cocteau, just to mention two authors well known to Benjamin: GB V, 221–222; GS II, 625–628). If we move from the comparison painting-cinema to that of cinema-theater, we find a similar annulment of the fictional barrier at the core of the non-Aristotelian dramaturgical doctrine advanced by Bertolt Brecht. He, too, understands the demolition of the so-called »fourth wall« – constructed by the imagination in order to isolate the scenic space from the audience, as prescribed in 1758 by Diderot in his Discours sur la poésie dramatique – as a major »Chinese« move (although not exclusively: let us only think of the parabasis of the chorus in Old Attic Comedy). In his essay The Fourth Wall of China. An essay on the effect of disillusion in the Chinese Theatre, first published in English in vol. 15, issue 6 of the journal Life and Letters To-Day (1936), he writes: The Chinese artist never acts as if there were a fourth wall besides the three surrounding him. He expresses his awareness of being watched. This immediately removes one of the European stage’s characteristic illusions. The audience can no longer have the illusion of being the unseen spectator at an event which is really taking place. A whole elaborate European stage technique, which helps to conceal the fact that the scenes are so arranged that the audience can view them in the easiest way, is thereby made unnecessary. The actors openly choose those positions which will best show them off to the audience, just as if they were acrobats.25 23 For a comparison between Li Po and Wu Tao-tsu cf. François Cheng: Empty and Full. The Language of Chinese Painting (1979), Boston (Shambhala) 1994, p. 28–29. On the disappearance into the image, with reference to Chinese legends, cf. Dieter Wellershoff: Das Verschwinden im Bild, Köln (Kiepenheuer & Witsch) 1980. 24 Commenting Pu Songling’s »The Painted Wall«, Herbert Allen Giles had already remarked that it is a story »which will doubtless remind the reader of Alice Through the Looking-Glass, And What She Saw There« (in: Songling: Strange Stories from a Chinese Studio [note 9], p. 10, note 1). 25 Bertolt Brecht: »Alienation Effects in Chinese Acting« (1936), in: id.: Brecht On Theatre, ed. by John Willet, London (Methuen) 1964, p. 92. Benjamin knew both the English version (quoted in: What Is the Epic Theater? (II), 1939: SW IV, 303) and the German original: Bemerkungen über die chinesische Schauspielkunst (cf. the letter to Margarete Steffin, October 1935: C, 511). On Brecht’s Wirkungsgeschichte in the context of Chinese theater culture cf.: Antony Tatlow/Tak-Wai Wong (eds.): Brecht and the East Asian Theatre, Hong Kong (University Press) 1982; Adrian Hsia: »Bertolt Brecht in China and His Impact on Chinese Drama«, in: Comparative Literature Studies 20 (1983) 2, pp. 231–245; Hu Xingliang: »The Influence and Misreading of Brecht in China« (2007), in: Frontiers of Literary Studies in China 3 (2009) 3, pp. 381–399.

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By stigmatising the attempt made by the Western theater to disguise the fact that the spectators are in front of a representation (and to thereby realize a sort of transparency of the theatrical medium), Brecht thus considers the Chinese way of acting as a paradigmatic example of a theater that must on the contrary produce in the public the awareness of »theatricality«, of being confronted with a scene that is constructed for a recipient.

3. Identification and mimicry Let us recapitulate: as we have seen, in the first half of the 1930s, in the short lapse of time between Berlin Childhood and the essay on the work of art, Benjamin inverts his interpretation of the legend of the Chinese painter. In doing so, his point is diametrically opposed to those film theorists like Balázs and Kracauer: for them, the screen threshold is a passageway.26 Benjamin takes the opposite position: the filmic image is exactly the kind of image in which the sinking (Versenkung) is impossible to achieve, because the screen is expressly not a canvas or painted wall. And yet he sides with Brecht, who theorizes the theatrical trespassing of the fourth wall of China. Why should what is good for the theater (the cancellation of the threshold of representation between actor and audience) be bad in the cinema? A possible answer might be found in the negative attitude assumed by Benjamin toward the notion of empathy (Einfühlung) expressed in several occasions in the contexts of literary criticism,27 of the philosophy of history28 and politics29 – an attitude shared with his friends Adorno and Brecht. The former polemicizes against the notion of reception as a subjective re-enactment of the emotions expressed by the

26 On the notion of threshold cf. Winfried Menninghaus: Schwellenkunde. Walter Benjamins Passage des Mythos, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 1986. 27 In his essay on Goethe’s Elective Affinities Benjamin states that »the true view of the beautiful […] will never open itself to so-called empathy« (SW I, 351). In the Trauerspielbuch empathy is defined as a »fatal, pathological suggestibility, by means of which the historian seeks through ›substitution‹, to insinuate himself into the place of the creator – as if the creator were, just because he created it, also the best interpreter of his work« (The Origin of German Tragic Drama, London [Verso] 2003, p. 53–54). In: Literary History and the Study of Literature (1931), empathy is counted among the seven heads of the »hydra of scholastic aesthetics« (SW II, 461). 28 In the Paralipomena to »On the Concept of History« Benjamin claims that the empathetic identification of the historicist historiographer is with the victor rather than with the defeated: »The rulers at any time are the heirs of all those who have been victorious throughout history. Empathizing with the victor invariably benefits those currently ruling« (SW IV, 406–407). 29 Cf. the ironic entry G 16, 6 in the Passagenarbeit: »The world exhibitions were training schools in which the masses, barred from consuming, learned empathy with exchange value. ›Look at everything; touch nothing‹« (AP, 201).

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artist, and stresses on the contrary »the moment in which recipients forget themselves and disappear into the work«.30 The latter counts the struggle against empathic identification among the cornerstones of his dramaturgy.31 We should keep in mind that, between the interpretation of the legend of the Chinese painter offered in Berlin Childhood and the one in the essay on the work of art, Benjamin visits Brecht for the first time (from July to September 1934) in Skovsbostrand – and here they play »Chinese«.32 What in the theater prevents the possibility of empathic identification between actors and audience (i. e. the breaking of the fourth wall that explicates the fictional nature of representation: SW IV, 302) becomes in the cinema the device that on the contrary enhances the identification, allowing the spectator to enter the fictional world of the actor and permitting the actor conversely to become embodied in the real world of the spectator. Thus, it must be avoided. The major reason for such an antithesis resides in the radically different natures of theatrical and cinematographic acting, widely explored in the essay on the artwork: if the performance of the theatrical actor transpires each time in front of a casual audience, present in the flesh in a shared space, the performance of the cinema actor consists of a test in front of a measuring machine and a commission of experts (director, cameraman, sound and light technicians, producer etc.). Moreover: The stage actor identifies himself with a role. The film actor very often is denied this opportunity. His performance is by no means a unified whole, but is assembled from many individual performances. Apart from incidental concerns about

30 Theodor W. Adorno: Aesthetic Theory (1970), New York (Continuum) 2002, p. 244. Against Adorno, we might here remark that the disappearance into the artwork could still be considered a form of empathy: not in the intersubjective sense of an empathy receiver-producer (the type denounced by Adorno), but rather in the sense of an empathy subject-object, where the subject is the beholder and the object is the expressive character manifested by the formal and material features of the artwork experienced as a quasi-subject. For a characterological approach to objective empathy cf. A. Pinotti: »A Question of Character. The Empathic Life of Things«, in: Vanessa Lux/Sigrid Weigel (eds.): Empathy. A Neurobiologically Based Capacity and its Cultural and Conceptual History (forthcoming). 31 Bertolt Brecht: »Kritik der Einfühlung« (written around 1938, published in 1963), in: Gesammelte Werke, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 1967, vol. 7, pp. 240–251. Brecht subsequently recognized the opportunity of a dialectical relationship between empathy and cognition: cf. in the same volume the »Gespräch über die Nötigung zur Einfühlung«, p. 899–900. 32 Cf. his Notes from Svendborg, Summer 1934 (SW, II, 783–791). In a letter to Brecht from Paris (21 May 1934: C, 443) Benjamin suggests to include a Chinese game among their Danish entertainments: »Are you familiar with Go, a very ancient Chinese board game? It is at least as interesting as chess – we should introduce it to Svendborg. You never move any pieces in Go, but only place them on the board, which is empty at the start of the game. It seems to me to be similar to your play in this regard.«

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studio rental, availability of other actors, scenery, and so on, there are elementary necessities of the machinery that split the actor’s performance into a series of episodes capable of being assembled. (SW III, 112 –113)

We need not underline here Benjamin’s positive evaluation of the new »field of action« (Spielraum; 117) produced by the transformation of acting that emerged with the development of recording media. Rather, we wish to verify whether he really emancipated himself from the controversial Einfühlung paradigm that he so vehemently criticized. In spite of his anti-empathic programmatic declarations, there are a number of contexts in which Benjamin actually employed argumentations drawn from the empathy-theory. An emblematic case concerns one characterization of the notion of aura in On Some Motifs in Baudelaire. Here photography is judged capable of promoting the decay of the aura because the camera is inhuman and cannot return the gaze of the observer: Inherent in the gaze, however, is the expectation that it will be returned by that on which it is bestowed. Where this expectation is met […], there is an experience of the aura in all its fullness. […] Experience of the aura thus arises from the fact that a response characteristic of human relationships is transposed [Übertragung] to the relationship between humans and inanimate or natural objects. The person we look at, or who feels he is being looked at, looks at us in turn. To perceive the aura of an object we look at means to invest [belehnen] it with the ability to look back at us. (SW IV, 338)

The topos »looking at-being looked at« – as we have seen in Berlin Childhood, the Chinese painter too »turned, smiled«, thus returning the gaze to the observers before disappearing – had already been a Romantic theme. In the Baudelaire essay Benjamin examines it with reference to Novalis, Proust and Valéry, linking it in the same page with a quotation of his own definition of the aura as a »unique apparition of a distance« from the artwork essay. In a footnote he elaborates that the bestowal of the power to return the gaze »is a wellspring of poetry. Whenever a human being, an animal, or an inanimate object thus endowed by the poet lifts up its eyes, it draws him into the distance« (354, note 77).33 Endowing the inanimate with a human capacity, treating the object as if it were a subject, having an intersubjective commerce with it: these are all classical procedures explored by the empathy-theories, variously inflected in terms of animation, humanization, transfer, transposition, projection. 33 Jürgen Habermas remarks: »The auratic appearance can occur only in the intersubjective relationship of the I with its counterpart, the alter ego. Wherever nature gets so ›invested‹ that it opens its eyes to look at us in return, the object is transformed into a counterpart« (»Walter Benjamin: Consciousness-Raising or Rescuing Critique« [1972], in: id.: Philosophical-Political Profiles, Cambridge/Mass. [MIT Press] 1983, p. 143).

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If one understands the animation of the inanimate as endowment and investment (Belehnung), this means that the of is taken in the sense of the objective genitive: the inanimate is preliminarily conceived as literally soulless, and the soul is transferred to it by the human subject by means of a projective process (in the case of our legend, entering his painting the Chinese artist would endow the image with his own soul and life). Such an approach, exemplarily embraced by Benjamin in his Baudelaire, radically contrasts with the idea of the animation of the inanimate in the sense of the subjective genitive – in which the inanimate (the world of things) is not considered as such, but rather as in itself animate, capable of expression and autonomously endowed with its own character.

4. Chinoiseries The latter notion of animation inspires several of Benjamin’s explorations of the annulment of the boundaries subject-object, ego-world, man-thing: from the early philosophical dialogue The Rainbow (1915: »I was not someone seeing. I was only the seeing itself. And what I saw was not things, Georg, but only colors. And I myself was something colored in this landscape«; EW, 215),34 to the 1933 writings on mimicry (Doctrine of the Similar and On the Mimetic Faculty: SW II, 694–698; 720–722),35 through to the meditations on childhood developed in the 1920s. We might here recall two texts in particular: the chapter »Child Hiding« in One-Way Street, which describes the magic-mimetic experience of assimilation (»Standing behind the doorway curtain, the child becomes himself something floating and white, a ghost. The dining table under which he is crouching turns him into the wooden idol in a temple whose four pillars are the carved legs. And behind a door he himself is the door«; SW I, 465). And the contemporaneous article A Glimpse into the World of Children’s Books (1926), devoted to his own collection of illustrated books, in which the identification with the world of images typical of the child is explicitly characterized as a »Chinese« move: The objects do not come to meet the picturing child from the pages of the book; instead, the gazing child enters into those pages, becoming suffused, like a cloud, with the riotous colors of the world of pictures. Sitting before his painted book,

34 On Benjamin’s aesthetics of colors cf. Howard Caygill: Walter Benjamin. The Colour of Experience, London New York (Routledge) 1998; Heinz Brüggemann: Walter Benjamin über Spiel, Farbe und Phantasie, Würzburg (Königshausen & Neumann) 2007. 35 On Benjamin’s mimesis cf. Michael Taussig: Mimesis and Alterity, New York (Routledge) 1993; Sigrid Weigel: Entstellte Ähnlichkeit. Walter Benjamins theoretische Schreibweise, Frankfurt a. M. (Fischer) 1997; Doris M. Fittler: Ein Kosmos der Ähnlichkeit. Frühe und späte Mimesis bei Walter Benjamin, Bielefeld (Aisthesis) 2005.

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he makes the Taoist vision of perfection come true: he transcends the illusory barrier of the book’s surface and passes through colored textures and brightly painted partitions to enter a stage on which fairy tales spring to life. Hoa, the Chinese word for »painting,« is much like kua, meaning »attach«: you attach five colors to the objects. In German, the word used is anlegen: you »apply« colors. (435)36

The Vermummen (masking, camouflage, concealment) is a procedure frequently employed in children’s literature, for instance when it personifies the letters in ABC learning: Benjamin remembers »a set of twenty-four sheets in which the letters were introduced in disguise [vermummt], as it were. F appears as a Franciscan, C as a Clerk, P as a Porter« (437). In Berlin Childhood around 1900 such a masking refers precisely to China ink painting on china (in the sense of ceramics: China-Porzellan) – again a »Chinese« move, practiced as a child: »This would happen as I sat painting with watercolors. The colors I mixed would color me. Even before I applied them to the drawing, I found myself disguised [vermummten] by them« (The Mummerehlen: SW III, 392–393). In another chapter of his autobiographical memoirs, »The Fever«, animation through embodiment is evoked through the reference to the Chinese »shadow plays« projected onto the wall: I myself rarely got beyond the jaws of a wolf. But, then, those jaws were so vast and so gaping that they must have denoted the wolf Fenrir, that world destroyer which I set prowling in the same room where a struggle was underway to wrest me from the grip of a childhood illness. (364)37

In other passages of Benjamin’s oeuvre mimicry is intimately associated with a »Chinese« move. We shall hereafter list them briefly, in order to give a synthetic and overall glimpse of the pervasive presence of the Chinese motif in his writings. The chapter »Chinese Curios« in One-Way Street lauds the Chinese art of copying

36 On Benjamin’s collection cf. Ingebord Daube (ed.): Die Kinderbuchsammlung Walter Benjamin, Frankfurt a. M. (Die Universitätsbibliothek) 1987. 37 In a letter of August 4, 1919 (GB II, 40) Benjamin had asked Scholem to buy him a book on Chinese shadow plays: Chinesische Schattenspiele, trans. Wilhelm Grube, Abhandlungen der Königl. Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-philologische und -historische Klasse, Bd. 26, München (Verlag der Königl. Bayerischen Akademie der Wissenschaften), 1917, pp. I–XXIV, 1–442. The volume impressed him so deeply that a few years later he (unsuccessfully) proposed to write a contribution on this subject for Hofmannsthal’s Neue Deutsche Beiträge (cf. GB III, 117, 176). On this cf.: Gershom Scholem: Walter Benjamin: The Story of a Friendship (1975), Philadelphia (Jewish Publication Society of America) 1981, p. 47; Brüggemann: Walter Benjamin über Spiel, Farbe und Phantasie (note 34), pp. 58–61. I thank Matthew Vollgraff for drawing my attention to this reference.

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texts, since only through a passive submission to the text to be reproduced can the reader obtain its obedience: »The Chinese practice of copying books was thus an incomparable guarantee of literary culture, and the transcript a key to China’s enigmas« (SW I, 447). The book is printed in 1928: in the same year »Die literarische Welt« publishes a curious interview by Benjamin with Anna May Wong, the first Chinese American movie star, significantly entitled »Eine Chinoiserie aus dem alten Westen« (GS IV, 523–527). During their conversation – which has recently been the inspiration for an installation by video artist Patty Chang: The Product Love (Die Ware Liebe, 2009) – Benjamin touches upon the issue of oriental »Mimik« brutalized by the American style of directing (GS IV, 525).38 Karl Kraus – depicted in One-Way Street as »wrathfully grinning, a Chinese idol« (SW I, 469) – is described in the eponymous 1931 essay as a man who reaches a Chinese perfection in his mimetic politeness: »Has courtesy here become the mimicry of hate, hate the mimicry of courtesy? However that may be, both have attained perfection, the Chinese pitch [Stufe der Vollendung, der chinesischen]« (SW II, 442 – translation slightly modified). In an annotation dealing with Kraus, Benjamin claims that »Chinese courtesy is a mimetic one: creeping into the other person [chinesische Höflichkeit ist eine mimetische: in den andern hineinkriechen]« (GS II, 1092). Scholem underlines that this was true for Benjamin himself, »whose Mandarin courtesy constituted the utmost that I could imagine«.39 In the 1930 radio broadcast Bert Brecht, two figures – Brecht’s Herr Keuner and Valéry’s Monsieur Teste – are compared because »both characters have Chinese features. They are infinitely cunning, infinitely discreet, infinitely polite, infinitely old, and infinitely adaptable« (SW II, 367); like mimetic animals they can adjust to their environment with agility. In the same talk Benjamin praises Chinese literature for its fundamental reliance on citation and on what in Western culture would be called plagiarism: The study of the great canonical literatures, Chinese literature above all, has shown him that the supreme claim which can be made of the written word is

38 Patty Chang: The Product Love (Die Ware Liebe), 2009 (42 min. two-channel digital video installation; Solomon R. Guggenheim Museum, New York (online available at: www. guggenheim.org/new-york/collections/collection-online/artwork/26179; accessed March 20, 2014). Cf. Alexandra Chang: »The Art of Cosmopolitanism: Visual Potentialities in Ma Jun, Tomokazu Matsuyama, David Diao, and Patty Chang«, in: Christiane Brosius/Roland Wenzlhuemer (eds.): Transcultural Turbulences, Berlin-Heidelberg (Springer) 2011, pp. 133–150; Shirley Jennifer Lim: »›Speaking German Like Nobody’s Business‹: Anna May Wong, Walter Benjamin, and the Possibilities of Asian American Cosmopolitanism«, in: Journal of Transnational American Studies 4 (2012) 1, pp. 1–17. 39 Scholem: Walter Benjamin (note 37), p. 33.

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that of its quotability. This suggests that we may find here the beginnings of a theory of plagiarism that will speedily reduce the quipsters to silence. (SW II, 370).

If we consider the founding role played by quotations in the construction of the Passagenwerk – »This work has to develop to the highest degree the art of citing without quotation marks« (N 1, 10: AP, 458)40 – we might say that the last titanic and unfinished work by Benjamin was an impressive »Chinese« move as well. The year 1931 is particularly »radio-Chinese« for Benjamin: his talk on Kafka’s posthumous collection Beim Bau der Chinesischen Mauer (broadcast July, 3 by the Südwestdeutscher Rundfunk in Frankfurt) begins with a commentary to the parable A Message From the Emperor, inspired by a Chinese legend (SW II, 494–495).41 In the lecture Theaterbrand von Kanton (broadcast November, 5) he underlines the great mimetic ductility of Chinese pantomime (GS VII, 227–228). The interest for Chinese culture lasted until the end of his life. In the 1938 text Chinese Paintings at the Bibliothèque Nationale (a review of an exhibition of artworks from the collection of Jean-Pierre Dubosc), Benjamin analyses the differences between Western and Chinese visual culture, particularly as regards the relationship word-image, with the figure of a peculiar calligraphic mimicry: »Although the signs have a fixed connection and form on the paper, the many ›resemblances‹ they contain set them moving. Expressed in every stroke of the brush, these virtual resemblances form a mirror where thought is reflected in this atmosphere of resemblance, or resonance« (WAWM, 259). Benjamin’s specific China syndrome – quite peculiar in the context of Western »sinomania«42 – is thus quite complex, even oxymoronic: it increases whenever he feels the urge to stress the pole of nearness, the identification and mimetic assimilation. However it also manifests coupled with the opposing urge, underlining the pole of farness, the moment of distantiation. We know from Convolute N of the Passagenarbeit that Benjamin qualified as »dialectical« an image capable of synthetic power, expressing the conflicting co-presence of two poles »where the tension between dialectical opposites is greatest« (N 10a, 3: AP, 475) without achieving any superior reconciliation: »The dialectical image is that form of the

40 Cf. the references to Chinese art and legends in G 8, 1 and F, 1 (AP, 187, 838). 41 Kafka was familiar with Pu Songling’s Chinesische Geister- und Liebesgeschichten (note 9), that he judged »wonderful, at least the ones I know« (Letters to Felice [1967], New York (Schocken Books) 1973, 16 January 1913). On this cf. Elias Canetti: »Kafka’s Other Trial: The Letters to Felice« (1969), in: id.: The Conscience of Words, New York (Continuum) 1979, p. 121. 42 On the interest for Chinese culture in German modernist literature cf. Ingrid Schuster: Vorbilder und Zerrbilder. China und Japan im Spiegel der deutschen Literatur 1890–1925, Bern/ München (Francke) 1977 (unfortunately, it does not mention either Wu Tao-tzu or Benjamin).

BENJAMIN AND THE THRESHOLD OF THE IMAGE

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historical object which satisfies Goethe’s requirements for the object of analysis: to exhibit a genuine synthesis. It is the primal phenomenon [Urphänomen] of history« (N 9a, 4: AP, 474). In this sense we would suggest that the image presented by the legend of the Chinese painter be interpreted as one that is acutely, even exemplarily dialectical: as we have seen, he is actually able to convey both the nearest, most haptic identification with the artwork and the most distancing contemplation of its cult value. Between two almost contemporary, though quite different texts – Berlin Childhood and the essay on the work of art – Benjamin has shown what the legend brings together. In it we can grasp »a wholly unique experience of dialectic«: the kind of experience that can be seized in Chinese stories, where Benjamin saw »a highly pregnant expression« of a peculiar »dialectical reversal, eminently and thoroughly composed« (K 1, 3: AP, 389). He tried himself to compose a little Chinese tale (as short as it is dialectical, even homeopathic), published under the pseudonym Detlef Holz with the title Chinoiserie in the Kölnische Zeitung in July 1933 (GS IV, 757–758). It is the story of Mr Ming, owner of a restaurant near a romantic slope that was frequented by many lovers. But after one of these committed suicide there, Ming’s business started to decline. So he decided to hang a signboard warning: »Danger of Death! High Voltage«. And his affairs began to improve again. Analogously to the Parisian prostitutes (who are at the same time hunters of clients and prey to the police: SW IV, 340), or to the modern railway stations in the form of ancient chalets (combining old styles with new materials: AP, 16), the Chinese painter expresses a coincidence of opposites that do not coincide – a noncoincidentia oppositorum, as it were – but continue conflicting im Stillstand.

Schmerz

Björn Quiring

Pain and Memory in Benjamin’s Mourning Play1 One of the cruxes of Walter Benjamin’s work is the tension between an indebting and an expiating »memoria«, i. e. the afflicting and the salvific insistence of history within the present moment. On the one hand, memory inscribes itself onto spaces and bodies in the violent and painful fashion of Kafka’s »Penal Colony« apparatus. On the other hand, it can, in the form of rememoration (Eingedenken), sublate these very inscriptions. This sublation usually involves some form of redemptive, timely (re-)verbalization, but Benjamin’s conception of it varies. To gain a better insight into this inherent, varying tension, the article will take a closer look at the connection between pain, memory and law-positing violence in some Benjaminian texts, occasionally relating them to the historical background of his discussion. Without doubt, Benjamin’s thoughts on pain are significantly indebted to Nietzsche. Memory as a painful inscription into bodies has been a popular topic since Nietzsche called pain »the most powerful aid to mnemonics«.2 He asserts and others have repeated that »only something which continues to hurt stays in the memory«.3 In the process of inscription, the body itself becomes a mnemonic device, a textual medium as well as »a hermeneutic machine«.4 Benjamin has emphasized the juridical component of this process, referring to it in his Kafka essay, where he uses the machine of the »Penal Colony« as its paradigm: In the penal colony, those in power use an archaic apparatus which engraves letters with curlicues on the back of every guilty man, multiplying the stabs and piling up the ornaments to the point where the back of the guilty man becomes clairvoyant and is able to decipher the script from which he must derive the nature of his unknown guilt. (SW II, 812; GS II, 432)

In this context, pain is used both as the annunciation and as the implementation of judgment, stating the transgression and connecting it to a body. And via the 1 I want to thank Ilit Ferber for her valuable comments on the first draft of this paper. 2 Friedrich Nietzsche: »Das mächtigste Hülfsmittel der Mnemonik«, Genealogie der Moral 2.3, in: Jenseits von Gut und Böse/Zur Genealogie der Moral, Kritische Studienausgabe, vol. 5, München (Deutscher Taschenbuch Verlag) 1999, p. 295. 3 »Nur was nicht aufhört, weh zu thun, bleibt im Gedächtniss.« (Ibid.). 4 Gerhard Richter: Walter Benjamin and the Corpus of Autobiography, Detroit (Wayne State University Press) 2000, p. 67.

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body, pain inscribes its statements – readably or unreadably – into the mind, absorbing the subject and his attention thoroughly. In this way, pain may come to rule anyone’s life-world, binding a subject to a specific statement, for example to a perpetually reenacted drama of transgression and punishment, allowing the past to incarnate and insist within the present, and thus writing history. However, it is obviously a rather selective version of historiography: Its absorbing character also erases memories that are not compatible with it, thus remaking the world in its own image. In one of the »Denkbilder«, »Gewohnheit und Aufmerksamkeit«, Benjamin has pointed to an inherent connection between attention and pain, according to which »it is, as if [the soul in pain] no longer wished to return to the accustomed world – as if it now inhabited a new world in which pain is the quartermaster. Attentiveness and pain are complementary.« (SW II, 592; GS IV, 408) Pain thus directs attention to certain events and plots and forecloses others. In an analogue fashion, pain opens historical time and eclipses paradisiacal time in the Christian tradition. For in Christianity, pain is first and foremost conceived and justified as the divine punishment of the first transgression, as the seal of the profanation by which Man fell out of the divine cosmic order. According to the Saint Augustine’s »Civitas Dei«, pain is nothing but the result and indicator of the Fall of Man; it denotes that the postlapsarian human body is no longer under the control of the human soul, and that the relationship of both has become inherently dissonant.5 But while pain is generated by the first transgression, it also punishes it, and thus reminds Man of his former, unfallen state and of the transcendent world to which he or she has lost direct access. Pain acts as a double bind, a cord connecting man both to earth and to the divine, indicating man’s fallenness and by this very indication also opening a path to the unfallen world of the Godhead. In the Bible, pain is accordingly often used as a proof of God’s existence and power. Especially in cases when Man demonstrates lack of faith, God tends to manifest as an afflicting force and to make his existence and status evident in this way while remaining himself unafflicted.6 For an old and not altogether uncontested doctrine, apparently also going back to Augustine, says that God the Father is »impassible«, that is, that he is not subject to pain or any other passion.7 (Of course, several passages of the Bible in which God is described as jealous, regretful, angry or joyous had to be assimilated and/ or reinterpreted accordingly.8) Thus, degrees of pain mark and structure the world, and bodies enter into culture and society by way of these inscriptions. As Gerhard Richter puts it, »our 5 Aurelius Augustinus: Der Gottesstaat/De Civitate Dei, vol. 1, trans. Carl Johann Perl, Paderborn et al. (Schöningh) 1979, pp. 956–961 (14.15). 6 See for instance Ex 14,18; Ez 39,6, 26,6. 7 Augustinus: Der Gottesstaat/De Civitate Dei (note 5), p. 820 (12.17). 8 Cf. e. g. Robin A. Parry: Lamentations. Two Horizons Old Testament Commentary, Grand Rapids (Eerdmans), 2010, pp. 193–194.

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body […] names our simultaneous inscription in, and exile from history.«9 In this context, it is important that these inscriptions don’t necessarily have to be readable, they just need to be able to arrange bodies in disposable patterns; one might almost speak of Kulturlandschaften of pain. In a phenomenological vein, Elaine Scarry has analyzed how the alleviation and application of pain can make and unmake a subject’s life-world, and how culture and society are perpetuated in the course of this making and unmaking.10 Expanding on her work and connecting it to Benjamin’s, a few observations on pain and subjectivity might be made: On the one hand, one might say that pain incorporates and individuates the subject by brutally isolating it from the rest of the world and enclosing it within its own raw matter. Nothing marks the inherent limits of a subject and its insurmountable link to its body as unmistakably as pain. On the other hand, pain also seems to eliminate the boundaries between inside and outside, between psyche and physis: The intense pain of torture can destroy all sense of inhabiting a body that is one’s own, even that of a stable self. It destructs the space in which the subject can sustain and define itself, thus depersonalizing it. All that remains is a piece of quivering flesh, as open and accessible as can be, thoroughly subdued and exposed to an outside world of objects, of which it has become largely indistinguishable.11 According to these descriptions, pain seems both to impose and to dissolve the boundaries which constitute a subject. Yet the contradiction is only apparent, since both processes take place at the same time: The infliction of pain marks the border between inside and outside world, but it marks it as blurry and displaceable, as a line that can easily be crossed, redrawn or even dissolved by the application of violence.12 Outside and inside world are both experienced as uncertain, manipulable constructs. Through pain, the subject is produced as a definable, delimitable unit, one might say, as Gestalt, but a Gestalt that it has not chosen by itself, but which is imposed upon it. The power to inflict or alleviate pain has therefore always been regarded as a form of absolute power, situated at the point of intersection of that which transcends and of that which inheres in the individual. In the works of de Sade, among others, the resultant phantasm is developed that the tortured subject might be made to incarnate the torturer, or at least to incarnate the law he imposes.13 Pain is positioned as beyond, or rather, as 9 Richter: Walter Benjamin (note 4), p. 69. 10 Elaine Scarry: The Body in Pain. The Making and Unmaking of the World, Oxford/New York (Oxford University Press) 1985. 11 Cf. Jean Améry: At the Mind’s Limits. Contemplations by a Survivor on Auschwitz and Its Realities, trans. Sidney Rosenfeld/Stella Rosenfeld, Bloomington/Indianapolis (Indiana University Press) 1980. 12 Juan-David Nasio: The Book of Love and Pain. Thinking at the Limit with Freud and Lacan, Albany/NY (SUNY Press) 2004, p. 14. 13 Cf. e. g. Donatien Alphonse François de Sade: Juliette, New York (Grove) 1968, pp. 369–370. See also Jacques Lacan: »Kant avec Sade«, in: Id.: Écrits, 2 vols., Paris (Seuil) 1971.

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underlying the dichotomies which are basic for human orientation in the world, and thus it can move our boundary posts around in disquieting ways, imposing palpable statements from its privileged position where words are made flesh. These reflexions link up with Benjamin’s Trauerspielbuch as well as with the »Critique of Violence« in which destructive and pain-inflicting acts are made out to be at the basis of the legal order. According to the »Critique of Violence«, the order of society always demands a founding act of violence, a »positing« (SW I, 242; »Setzung«, GS II, 188), which is also an inscribing. Benjamin’s main example from the world of myth is the story of Niobe whose children are killed by Artemis and Apollo. It is certainly significant that Benjamin emphasizes the founding, law-positing force not so much of the death of these children, but of the pain of Niobe herself, a pain which petrifies her and thus turns her into a silent monument, »Boundary stone on the frontier between men and gods« (SW I, 248; GS II, 197: »Markstein der Grenze zwischen Menschen und Göttern«). If death indeed »digs most deeply the jagged line of demarcation between physical nature and significance«,14 then because it is mournfully and insistently remembered by the bereaved survivors. If the infliction of pain can be seen as the ground of the legal order, might it not also be seen, once more in Nietzschean fashion, as the hidden, irreducible ground of the order of language tout court? Benjamin seems to suggest as much, when he declares it a part of his critical project to decode traces of afflicting violence within the most ordinary of texts. He states that the project of Karl Kraus (which Benjamin in this respect assimilates to his own) demands a reader »for whom even in a subordinate clause, in a particle, indeed in a comma, mute torn scraps and nerve-fibers quiver« and for whom even »from the obscurest and driest fact still hangs a piece of mutilated flesh« (SW II, 441; GS II, 346). According to this statement, to really read a text is to read its wounds, or rather, to read it as a wound. The task is to perceive the pain which hovers on the fringes of language, beyond the control of speech and writing, yet intimately involved with them, drawing their contours and enabling them, but also threatening their coherence. For it is notable that pain marks phenomena at the limits of language: It makes speech dissolve into the cry of pain, or it causes language to run out and lapse into traumatized silence. However, language also seems to grow from these fringes: The reflexive pain cry of the newborn involves it in a primal and unintentional communication. From this first, basic utterance, modifications in vocalization will develop which will subsequently be treated as meaningful; pain thus is transformed into a signifier, opening the void which signification will unsuccessfully 14 Walter Benjamin: The Origin of German Tragic Drama, trans. John Osborne, London/New York (Verso) 1998, p. 166; subsequently abbreviated as ›OT‹ and cited by page number. »[W]eil am tiefsten der Tod die zackige Demarkationslinie zwischen Physis und Bedeutung eingräbt.« (GS I, 343).

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try to fill.15 Pain is an event that we never really manage to express, but it is also what we do not cease trying to express.16 Pain management always involves the attempt to find a language or a system of symbols which is able both to approximately describe and to modify the distribution of pain within bodies. The success of this endeavour has turned out to be partial up to now, so that languages both provisionally sublate and perpetuate the pain and the scream persisting within them. A loss of confidence in language and a resultant traumatized silence may be another effect of pain. In the Trauerspielbuch, Benjamin insistently designates silence as a form of mourning for being deprived of the true word, mourning the lack of fallen language. Fallen nature both laments in silence and laments its silence which is disposable for whatever arbitrary meaning may be ascribed to it (OT, 224; GS I, 398). This silence persists within fallen language as something that exceeds language, but is vainly grasping for a better one. Benjamin sees in classical tragedy a transforming representation of this pain-induced, creaturely silence searching for words; it is the silence of the tragic protagonist, such as Oedipus, Antigone, or Orestes. The true matter of tragedy, according to Benjamin, consists in their attempt to raise themselves up »amid the agitation of [the] painful world« (OT, 110; GS I, 289) of mythic, law-positing violence. Tragedy is conceived as a revision and resumption of the process of »Setzung«. In this theatrical trial, writes Benjamin, the audience is confronted with the silence of the [tragic] hero, which neither looks for nor finds any justification and therefore throws suspicion back onto his [divine, law-positing] persecutors. For its meaning is inverted: what appears before the public is not the guilt of the accused but the evidence of speechless suffering, and the tragedy which appeared to be devoted to the judgment of the hero is transformed into a hearing about the Olympians in which the latter appears as a witness and, against the will of the gods, displays ›the honour of the demi-god‹. […] [For] in tragedy pagan man realizes that he is better than his gods, but this realization strikes him dumb, and it remains unarticulated. (OT, 109–110; GS I, 288)

Subsequently, Benjamin develops that the dumbfoundedness of the hero can also express itself in a scream, that »the hero’s word, on those isolated occasions when it breaks through the rigid armour of the self, becomes a cry of protest« (OT, 116; GS I, 295). However, the essential argument is that this silent or inarticulate suffering, culminating in the tragic hero’s demise, ultimately engenders a new 15 Cf. e. g. Marcia Cavell: The Psychoanalytic Mind. From Freud to Philosophy, Cambridge/Mass. (Harvard University Press) 1993, p. 223. 16 Cf. Gilles Deleuze: Difference and Repetition, trans. Paul Patton, London/New York (Continuum) 2004, pp. 176–178.

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language. For the word »of a distant community« is born out of the tragic death. »In the presence of the suffering hero the community learns reverence and gratitude for the word with which the hero’s death endowed it« (OT, 109; GS I, 288), Benjamin writes. For example, the statement that man is better than the pagan Gods; Saint Augustine, at the latest, will have said it out loud.17 Through this word, tragedy leads from one order of nature and society to the next one, and Benjamin hints at the fact that the latter will be basically Christian. However, that transfer does not really solve the problem, for the positing powers of pain return with a vengeance within Christianity, as the Trauerspiel articulates. For at the core of the Trauerspiel, the suffering subject in the form of the martyr is represented, or rather the process in which this subject becomes a dismembered, emblematic body. According to Benjamin, all Trauerspiel follows the pattern of martyr-drama, even the royal drama (Königsdrama). For the king is similar to the martyr in that he suffers in the name of mankind; the martyr’s crown of thorns and the royal crown are frequently equated. Benjamin writes that martyr-dramas »are not so much concerned with the deeds of the hero as with his suffering, and frequently not so much with his spiritual torment as with the agony of the physical adversity which befalls him« (OT, 72; GS I, 252). The martyr-king is a Christ-like figure, repeating the Christ event of the Passion, that is, of suffering pain unto death. Benjamin points out that the martyr takes on most attributes of Christ: He or she is the paragon of all virtues, abandoned by friends and enemies, and he sacrifices himself, overcoming his sufferings by fortitude (OT 72–73; GS I, 252). In the Trauerspiel, the dramatic form engages with the new relation to pain which has been instigated by Christianity. For the figure of the suffering Christ seems to open a general way by which the difference between the impassible Godhead and his long-suffering creatures might be sublated or at least minimized. Christian orthodoxy purports that Christ by his own free will changed from an impassible into a passible being and took upon himself the pain of the world, thereby initiating a convergence of transcendence and immanence. In this context, a commonplace of devotional literature is important, namely that the body of Christ was the most perfect of all bodies and hence also the most tender and sensitive of all bodies. Every pain of every human being could therefore be conceived as a fractional part of Christ’s pain at the cross which was the maximum pain that could ever possibly be felt.18 The representation of the suffering Corpus Christi therefore provides all members of the Christian community with an opportunity for identification, that is, for a general communion in a

17 Augustinus: Der Gottesstaat/De Civitate Dei (note 5), vol. 1, pp. 146–149 (3.3). 18 Cf. e. g. Esther Cohen: The Modulated Scream. Pain in Late Medieval Culture, Chicago (University of Chicago Press) 2010, pp. 205–226.

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superlatively intense affect of suffering. However, this rapprochement between the divine and his passible creatures cannot overcome the fact that Christianity is caught in a positing pattern, too: It also attempts to structure and make sense of the world with the aid of afflictions. And this pattern of action unfolds in the Trauerspiel as well as the emblem books, within the frame of a post-Reformation world in which the old relation between the visible and the invisible, the sign and the thing has become questionable and seems in need of reordering. Benjamin writes: Above all: what is the significance of those scenes of cruelty and anguish in which the baroque drama revels? It is of a piece with the un-self-conscious and unreflective attitude of baroque art criticism that there is not a torrent of direct replies. A concealed but valuable one is contained in the statement that: »Integrum humanum corpus symobolicam iconem ingredi non posse, partem tamen corporis ei constituendae non esse ineptam.« [The whole human body cannot enter a symbolical icon, but it is not inappropriate for a part of the body to constitute it.] This occurs in the account of a controversy about the norms of emblematics. The orthodox emblematist could not think differently: The human body could be no exception to the commandment which ordered the destruction of the organic, so that the true meaning, as it was written and ordained, might be picked up from its fragments. Where, indeed, could this law be more triumphantly displayed than in the man who abandons his conventional, conscious physis in order to scatter it to the manifold regions of meaning? […] If martyrdom thus prepares the body of the living person for emblematic purposes, it is not without significance that physical pain as such was ever present for the dramatist to use as an element in action. […] Since, in fact, the spirit is in itself pure reason, true to itself, and it is physical influences alone which bring it into contact with the world, the torture which it endures was a more immediate basis of violent emotions, than so-called tragic conflicts. And if it is in death that the spirit becomes free, in the manner of spirits, it is not until then that the body too comes properly into its own. For this much is self-evident: the allegorization of the physis can only be carried through in all its vigour in respect of the corpse. And the characters of the Trauerspiel die, because it is only thus, as corpses, that they can enter into the homeland of allegory. It is not for the sake of immortality that they meet their end, but for the sake of the corpse. (OT, 216–218; GS I, 390–392)

Once more, death, in this context, is conceived as the pinnacle of pain. But while the Trauerspiel insists on this form of sense production by means of martyred »membra disjecta«, it also exposes the endless variability and finally the emptiness of the sense that the pain of the Christ figure makes. His or her fragmented body is delivered, »ausgeliefert«, to the gaze of any spectator, a victim to positing sense productions. The uncertainty of salvational interpretations, which Jane Newman

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has analyzed in the case of »Katharina von Georgien«, seems relevant in this context.19 Hence, no new and true word is to be found in the Trauerspiel, only the silence of mourning and the mournful arbitrariness of signification in which everything can signify everything else, but no definitive referent can be detected. That might partly explain Benjamin’s remark that, in the Trauerspiel, only the physical pain of martyrdom responds to the call of history (OT, 91; GS I, 270). Any transcendence that would go beyond pain becomes uncertain. What consequences does this state of things have for the ideal spectator of the Trauerspiel, namely the melancholic allegorist? He is the one who contemplates the allegoric »membra disjecta« not only in theatre, but everywhere, since he sees the world as their accumulation, »[c]ollection of everything memorable« (OT, 92; GS I, 271: »die Zusammenlegung alles Gedächtniswürdigen«). As a result, he too falls into mourning, into the silence of the overdetermined and overdetermining creation. Benjamin writes about the results of the allegorist’s contemplations, which compose a »Leidensgeschichte der Welt«: Everything about history that, from the very beginning, has been untimely, sorrowful, unsuccessful, is expressed in a face – or rather in a death’s head. And although such a thing lacks all »symbolic« freedom of expression, all classical proportion, all humanity – nevertheless, this is the form in which man’s subjection to nature is most obvious and it significantly gives rise not only to the enigmatic question of the nature of human existence as such, but also of the biographical historicity of the individual. This is the heart of the allegorical way of seeing, of the baroque, secular explanation of history as the Passion of the world; its importance resides solely in the stations of its decline. (OT, 166; GS I, 343)

The world unfolding under the gaze of the allegorist is unified by pain, but pain is not able to build a bridge toward eternity. In the same vein, both Lutherans and Calvinists stated that the suffering of pain will not allow a subject to draw nearer to the transcendental realm; that it bears no spiritual merits in itself.20 Hence pain itself is to be found among the »membra disjecta«. The mournful allegorist remains stuck in the world of material objects, faithful at best to its most powerful, unifying emblems. Is he thus the good, obedient subject of the law-positing, power-wielding order of state and church? Or is he the one who pushes obedience to the point where it subverts itself? For at the end of the Trauerspielbuch,

19 Jane O. Newman: »Die Aporie der Allegorie. Das Theatrum Mundi des deutschen Trauerspiels«, in: Björn Quiring (ed.): Theatrum Mundi. Die Metapher des Welttheaters von Shakespeare bis Beckett, Berlin (August) 2012. 20 Cf. e. g. Jan Frans van Dikhuizen: »Partakers of Pain. Religious Meanings of Pain in Early Modern England«, in: Jan Frans van Dikhuizen/Karl Enenkel (eds.): The Sense of Suffering: Constructions of Physical Pain in Early Modern Culture, Leiden/Boston (Brill) 2009, p. 212.

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Benjamin seems to present the allegorist’s salvation and his escape from an empty and oppressive world: He offers a very dialectical redemption in which the accumulation of trophies and empty memorials of suffering suddenly becomes readable as the anticipation of an apocatastatic resurrection. The allegorical skull starts to speak of the next world: The bleak confusion of Golgotha which can be recognized as the schema underlying the allegorical figures in hundreds of the engravings and descriptions of the period, is not just a symbol of the desolation of human existence. In it, transitoriness is not signified or allegorically represented, so much as, in its own significance, displayed as allegory. As the allegory of resurrection. Ultimately, in the death-signs of the baroque the direction of allegorical reflection is reversed; on the second part of its wide arc it returns, to redeem. (OT, 232; GS I, 405–406)

For this thoroughly allegorized, empty world also turns out to be the world of God. (OT, 232; GS I, 406). However, this reversal does not solve the religious and political problems of pain and signification. Rather, as a deus ex machina, it forcibly reinserts a theological argument into a situation in which it has already become questionable. That the world of God was experienced as painful, thoroughly empty and disposable has been the main cause for the allegorist’s mournful juxtapositions and contemplations in the first place, and the dialectic reversal has not transported him beyond this world, but right back into it. The comfort he receives remains entangled in the pain and uncertainty he is still bound to experience. The emphatically proclaimed redemption thus appears quite doubtful on closer inspection. The skulls of Golgotha still can mean everything, including resurrection, but it is hard to see why this signification should appear privileged. If the skull can also mean its opposite, one might say that it insists beyond signification, ceasing to make sense. At best, then, the allegory manages to allegorize allegorization itself: If the allegorical »corpus« signifies anything particular, it most poignantly signifies the fact that it can mean anything at all, and that the work of sense-making is consequently never done. Accordingly, what is saved is only the allegory, which comes away from the transaction empty-handed, as Benjamin himself explicates (OT, 233; GS I, 406: »Leer aus geht die Allegorie.«).21 The passage through the pain of attentive remembrance may produce salvation – but a form of salvation which leads right back into the afflicted world without being able to transcend it; and so, the dialectical relation between contemplative allegorical reading and suffering must remain a »dialectics at a standstill«. The reversal doesn’t save us from mourning, it saves mourning itself. Nicolas Pethes has

21 Cf. Bettine Menke: Das Trauerspiel-Buch. Der Souverän – das Trauerspiel – Konstellationen – Ruinen, Bielfeld (transcript) 2010, S. 229–230.

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already pointed out that allegoresis does not allow anybody to remember or recuperate things that have been lost, but is rather the means by which the suppressed and forgotten qua suppressed and forgotten, the demolished qua demolished can be kept within the tradition and within memory.22 In that respect, one might say that allegoresis inserts oblivion into the field of memory and gives it right of residence. In the form of allegory, memory presents itself as a form of oblivion, as structured oblivion, and demands indirectly that it become recognized as such. In »Erzählung und Heilung«, another one of his »Denkbilder«, and in »Das Fieber«, its reworking for the Berliner Kindheit, Benjamin gives an interesting twist to his reflections on the connections between pain, remembrance and oblivion (SW II, 724–725, GS IV, 430; SW III, 362–365, GS IV, 269–273). He describes the domestic circumstances of his childhood illnesses, stating that the healing process often was initiated by his mother who told him stories of his ancestors and mingled them with caresses. And the current of her narrations happened to carry his symptoms away. »Caresses laid a bed for this current [of narratives]« (SW III, 363; GS IV, 270) he writes: This provokes the question […] of whether every illness might not be cured if it could only be made to float along the river of narrative until it reached the mouth. If we reflect that pain is a dam that offers resistance to the current of narrative, it is evident that the dam will be pierced when the gradient is steep enough, for the current to carry anything it meets into the sea of happy oblivion. (SW II, 724, trans. modified; GS IV, 430)

Remarkably, in this metaphor the memorable words of the ancestral stories appear not as pain-inducing inscriptions, but as a pain-relieving and de-inscribing form of movement. Pain is metaphorized as an immobilization, freezing the free flow of language. And the semantics of this language flow seem to be altogether secondary, for, according to the metaphor, its unstable current, the turbulent, moving mass of stories alone seems to do the saving trick. Whether they are true or untrue is not so much the question; it is more important that any one story can be augmented by another. Perhaps the notion of the asignifying »mother tongue« sketched by Hélène Cixous might prove useful in this context.23 In any case, this current of narration is closely connected to forgetting, for it leads straight toward

22 Nicolas Pethes: Mnemographie. Poetiken der Erinnerung und Destruktion nach Walter Benjamin, Tübingen (Niemeyer) 1999, p. 383. 23 »Dans la langue que je parle, vibre la langue maternelle, langue de ma mère, moins langue que musique, moins syntaxe que chant de mots.« Hélène Cixous: Entre l’ écriture, Paris (Des femmes) 1986, p. 31.

PAIN AND MEMORY IN BENJAMIN’S MOURNING PLAY

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the realm of oblivion. Apparently, the true, beneficial goal of rememoration is the dissolution of inscriptions.24 Nothing prevents us from connecting this »Denkbild« to the »Theological-Political Fragment« which stresses that »in happiness all that is earthly seeks its downfall« and that »nature is messianic by reason of its eternal and total passing away« (SW III, 305–306, GS II, 204). The language of stories and caresses might be conceived as a constituent element of the messianic. And if the connection is accepted, the Benjaminian field of transcendence becomes largely indistinguishable from his sea of happy oblivion. The weak powers of the messianic only ever pass by and in passing lead everything toward its »Vergängnis«. Memories that are no longer »binding« nor »bound«, become somewhat volatile, forever »whizzing by«.25 In what Benjamin designates as the messianic »Zufallen der Vergangenheit«,26 a peculiar play between disposability and non-disposability is at work (obliquely expressed in the ambiguity of the German word »zufallen«): The redeemed subject attains the past, but only in the mode of withdrawal. In this perspective, it becomes obvious that the melancholic and the redemptive kinds of memory cannot be neatly separated; they tend to contaminate and blend into each other. There is no way beyond this impurity; accordingly, since salvation remains entangled in immanence, even the relation between redemptive rememoration and suffering remains caught in a »dialectics at a standstill«.

24 Cf. Jeanne Marie Gagnebin: Geschichte und Erzählung bei Walter Benjamin, trans. Judith Klein, Würzburg (Königshausen & Neumann) 2001, pp. 112–113. In this context, it is significant that Benjamin calls the current which carries the resistant inscriptions into oblivion also the »stream of narratable life«: »Es fällt darauf ein noch helleres Licht, wenn man bedenkt, daß Schmerz […] gewissermaßen als Damm die Lebenssäfte absperrt, die als Nebenflüsse in den großen epischen Strom des Daseins – des erzählbaren Lebens – münden wollen.« (GS IV, 1008) »Narratability« might be one of Benjamin’s famous »-abilities«, even though it is not explicitly mentioned by Samuel Weber. Cf. Samuel Weber: Benjamin’s -abilities, Cambridge (Mass.)/London (Harvard University Press) 2008. 25 »Das wahre Bild der Vergangenheit huscht vorbei.« (GS I, 695). 26 »Freilich fällt erst der erlösten Menschheit ihre Vergangenheit vollauf zu.« (GS I, 694).

Ilit Ferber

»Schmerz war ein Staudamm« Benjamin on Pain1 Language and Pain Pain is customarily deemed to be the most self-evident and irrefutable demarcation of the borders of language. It incises the unbridgeable line between the intensity of our experience of pain and the utter disintegration of our ability to express it in words. It is as if when we are in pain, our words crumble, at times abruptly shatter, as pain hurls our linguistic capacities into the deep chasm between pain and its expression. As Virginia Woolf writes, »For pain words are lacking. There should be cries, cracks, fissures.«2 Elsewhere she observes: »Let a sufferer try to describe a pain in his head to a doctor and language at once runs dry. He is forced to coin words himself, and, taking his pain in one hand, and a lump of pure sound in the other [...] so as to crush them together that a brand new word in the end drops out.«3 A similar idea regarding the inherent separation between the suffering of pain and the possibility of its linguistic expression was developed by Elaine Scarry, who famously claimed that pain establishes its very identity, or in her words, achieves it by ensuring its own unsharability by destroying language: »Physical pain does not simply resist language but actively destroys it, bringing about an immediate reversion to a state anterior to language, to the sounds and cries a human being makes before language is learned.«4 Not only is there a stark 1 I am grateful to Daniel Weidner and the anonymous reviewer of Benjamin-Studien 3 for their helpful remarks on an earlier version of this text. 2 Virginia Woolf: The Waves, New York (Harcourt Inc.) 1978, p. 263. 3 Id.: »On Being Ill«, in: David Bradshaw (ed.): Virginia Woolf: Selected Essays, Oxford (Oxford University Press) 2008, p. 102. 4 Elaine Scarry: The Body In Pain. The Making and Unmaking of the World, Oxford (Oxford University Press) 1985, p. 4. An entirely different and important approach to the problem of pain’s resistance to language, tackled from an ethical point of view, can be found amongst several of Stanley Cavell’s readings of Wittgenstein, especially his »Knowing and Acknowledging«, in: Must We Mean What We Say?, Cambridge (Cambridge University Press) 2002, pp. 238–266. Referring to Cavell’s exemplary text, Veena Das lucidly comments: »Pain, in this rendering, is not that inexpressible something that destroys communication or marks an exit from one’s existence in language. Instead, it makes a claim asking for acknowledgement, which may be given or denied. In either case, it is not a referential statement that is simply pointing to an inner object.« Veena Das: »Language and Body. Transactions in the Construction of Pain«, in: Daedalus 125 (1996) 1, p. 70.

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demarcation between pain and language in Scarry’s account, but the experience of intense pain gains its power precisely by robbing its victim of his or her ability to express it in language. The threat that pain poses to human beings thus lies in its staggering ability to transform individuals into savage animals – to transmute them into suffering, howling, screaming beasts, no longer able to assert the very capacity that defines them as humans – the ability to use language. Yet despite the cogency of Scarry’s work on pain (especially in its political framework), her argument raises some difficulties. Obviously, intense pain almost always deprives us of the ability to describe or articulately speak about it; it shuts us down within a threatening solipsistic expanse from which no utterance, no matter how intense, can be received by another. However, this raises the question whether it is accurate to say that what defines pain is solely its ability to deprive us of our linguistic capacities and thereby, of our very humanity (for Scarry, the two are clearly intertwined). Or should we argue, rather, that the human condition is constituted not only by man being a speaking-animal, but also, and maybe foremost, by his ability to feel pain? Is not this dialectic of our vulnerability to pain on the one hand, and our profound ability to bear it on the other, what makes us human in the first place? Nietzsche develops a corresponding idea when he designates what he calls »the gift of suffering« as the sole cause of every human enhancement (Erhöhungen): The tension that breeds strength into the unhappy soul, its shudder at the sight of great destruction, its inventiveness and courage in enduring, surviving, interpreting, and exploiting unhappiness and whatever depth, secrecy, whatever masks, spirit, cunning, greatness it has been given: – weren’t these the gifts of suffering, of the disciple of great suffering?5

For Nietzsche, the struggle with pain and suffering does not end in, or lead to, the hermetic separation between the experience of pain and the condition of being human; on the contrary: man’s wrestling with his pains is precisely what defines him as a human being, whose strength is measured not by the ability to subjugate pain, but by his capacity to bear it, to contain pain’s intensity within the confines of the human. On the background of these preliminary remarks on the relationship between pain and language, Benjamin figures prominently. Although it would be difficult to single out pain, especially physical pain, as a predominant theme in Benjamin’s writings, there is nevertheless a surprising cluster of short texts in which Benjamin

5 Friedrich Nietzsche: Beyond Good and Evil, trans. Judith Norman, Cambridge (Cambridge University Press) 2002, § 225, p. 117.

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repeatedly tackles the problem of pain and especially its relation to language.6 In »Outline of the Psychophysical Problem,« a fragment written probably during 1922–1923, Benjamin singles out pain as the sensation that finds its fullest realization only in man. According to Benjamin, »the essence of man is the most consummate instrument of pain: only in human suffering does pain arrive at its most purified, appropriate manifestation; only in human life does it flow to its destination« (SW I, 397, trans. altered; »Das Wesen des Menschen ist das vollkommenste Instrument des Schmerzes; nur im menschlichen Leiden kommt der Schmerz zu seiner reinsten adäquaten Erscheinung, nur im menschlichen Leben mündet er«, GS VI, 83). These lines make clear that Benjamin offers an alternative model to Scarry’s. What distinguishes pain is not its ability to destroy man, but rather, that it is exclusively in the human body (and nowhere else) that pain comes to its fullest realization. Pain’s persistent rootedness in the body, its tenacious hold on it, is therefore not to be understood as an attempt to overpower man or deprive him of his human essence. According to Benjamin, the human body is not pain’s fiercest rival, but its most consummate vessel (»vollkommenste Instrument«). Accordingly, pain does not extinguish or obliterate humanity – rather, it is in the realm of the human that pain achieves its purest, most heightened form of expression. Benjamin continues to argue that there exists a »metaphysical difference« separating pain (Schmerz) and pleasure (Lust) a difference evidenced in pain’s unique correspondence with the soul: »in pain, without any recourse to metaphor, the sensuous words directly implicate the soul« (SW I, 397; »daß im Schmerz ohne alle Metaphorik unmittelbar mit dem Sinnlichen das Seelische betroffen ist«, GS VI, 82). To explicate what distinguishes pain, Benjamin elaborates: Of all corporeal feelings, pain alone is like a navigable river which never dries up and which leads man down to the sea. [...] Pain [...] is a link between worlds. This is why organic pleasure is intermittent, whereas pain can be permanent. This comparison of pleasure and pain explains why the cause of pain is irrelevant for

6 Due to the restricted scope of this essay, my discussion will be limited and will include only a few of the texts in which Benjamin discusses the problem of pain. Other significant references within Benjamin’s oeuvre include the following: »Tyrant as Martyr, Martyr as Tyrant« (1925; The Origin of the German Tragic Drama, trans. John Osborne, London [Verso] 1998 [cited as TS], pp. 72–74; GS I, 251–253) and »The Corpse as Emblem« (TS, 215–220; GS I, 390–393); »The Happiness of Ancient Man« (1916; Early Writing 1910–1917, Cambridge [Harvard University Press] 2001, pp. 228–232; GS II, 126–129); Ibizan Sequence: »Habit and Attentiveness« (1932; SW II, 592; GS IV, 407–408) and »Downhill« (SW II, 592–593; GS IV, 408–409). See also my discussion of martyrdom, pain, and expression in Benjamin’s Trauerspiel book: Ilit Ferber: Philosophy and Melancholy. Benjamin’s Early Reflections on Theater and Language, Stanford (Stanford University Press) 2013, pp. 74–102.

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the understanding of man’s nature, whereas the source of his greatest pleasure is extremely important. For every pain, even the most trivial one, can lead upward to the highest religious suffering, whereas pleasure is not capable of any enhancement, and owes any nobility it possesses to the grace of its birth – that is to say, its source. (SW I, 397)7

In these important lines, pain’s unique strength is linked not to its origin (this is reserved for pleasure), but rather to the way that its strenuous flow throughout the suffering body has the power to lead it to infinite heights. In contrast to pleasure, which is forever seeking out its sources, pain manifests itself most consummately when it is intensified; it fulfills itself most deeply by gradually reenforcing its own fortitude.8 To make sense of pain, therefore, we must understand the nature of its movement: and in Benjamin’s metaphor of the »navigable river« – its flow. In what follows, I develop Benjamin’s idea of the nature of pain as manifested in the internal law of its flow in two other of Benjamin’s texts: Berlin Childhood Around 1900 (1934) and Thought Figures (1933).

The Child Is Sick Let me begin with a section from Berlin Childhood Around 1900 (1934) in which Benjamin recounts his memories of being sick as a child (»The Fever«, SW III, 362–365; GS IV, 269–273). He recalls his childhood illnesses and the unique existential experience of »being ill« and as a child, illness indeed becomes an existential state. The illness invades quietly, »considerately and skillfully,« and confidently inhabits the child’s body. Called to the sickbed, the doctor forbids him to get up, to go to school, and even to read books. The child’s being is now condensed into one single space – his bed. Benjamin recalls how his mother would come into the room to make his bed and how, watching her while lying

7 »Der Schmerz allein unter allen Körpergefühlen ist für den Menschen gleichsam ein schiffbarer Strom mit nie versiegendem Wasser, der ihn ins Meer führt. [...] Schmerz [ist] eine Verbindung zwischen den Welten. Daher ist die organische Lust intermittierend, während der Schmerz permanent werden kann. Mit diesem Verhältnis von Lust und Schmerz hängt es zusammen, daß für die Wesenserkenntnis eines Menschen der Anlaß seines höchsten Schmerzes gleichgültig, der Anlaß seiner höchsten Lust jedoch sehr wichtig ist. Denn jeder, auch der nichtigste Schmerz läßt sich bis zum äußersten religiösen hinaufführen, die Lust aber ist keiner Veredlung fähig und hat ihren ganzen Adel allein von Gnaden ihrer Geburt, will sagen ihres Anlasses.« (GS VI, 83). 8 Cf. Nietzsche’s remarks on the relationship between pain, pleasure and origin: »Pain always asks for the cause, while pleasure is inclined to stop with itself and not look back.« (Friedrich Wilhelm Nietzsche: The Gay Science, trans. Josefine Nauckhoff, Cambridge [Cambridge University Press] 2001, § 13, p. 38).

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on the sofa, he would remember the tray of food served to him in bed. The thought of food, however, does not stir hunger in the sick child, at least not for food. It evokes, rather, a different type of hunger, Benjamin explains, one in which »the body craved stories« (SW III, 363; »gelüstete ihn nach Geschichten«, GS IV, 270). The memory continues as his mother approaches the bed; she caresses his pained body with her loving hands and begins to tell him stories. Benjamin describes these stories as »vigorous currents« of water flowing through his ailing body. At first, the story’s current trickles slowly, but gradually the stream strengthens and becomes so forceful that it carries away the illness, into what Benjamin calls »the sea of oblivion.« In this description, Benjamin links the imagery of flowing water both to his mother’s storytelling and to her caressing hands. Portraying the intimate, affectionate moment of encounter between aching child and loving mother, he recalls how he loved her caressing hands, which »laid a bed for [...] [the story’s] current« (SW III, 363; »Das Streicheln bahnte diesem Strom sein Bett«, GS IV, 270) and adds: »for in my mother’s hand there were stories rippling, which I might later hear from her lips« (SW III, 363; »in der Hand der Mutter rieselten schon Geschichten, welche bald in Fülle ihrem Mund entströmen sollten«, GS IV, 270–271). The mother’s gentle strokes prepare the pained, infirm body for the vigorous healing water currents of the anticipated bedtime story. A second text to consider is a fragment from Benjamin’s Denkbilder (1933 »Storytelling and Healing«, SW II, 724–725; GS IV, 430), which begins with the following line: »The child is sick. His mother puts him to bed and sits down beside him. And then she begins to tell him stories« (SW II, 724; »Das Kind ist krank. Die Mutter bringt’s zu Bett und setzt sich zu ihm. Und dann beginnt sie, ihm Geschichten zu erzählen«, GS IV, 430). Benjamin continues by asking, »How are we to understand this?« and answers this question by recounting what his friend N. (Felix Noeggerath) told him about the healing powers of his wife’s hands.9 He calls her healing powers »sonderbar« (unique or strange) and, in the Anmerkungen to the text, characterizes her healing hands as being »Schmerzstillen«: namely, having a styptic quality, as if they could stop someone’s bleeding when placed on an open wound. N. is unable to fully describe or account for this magical, unexplainable healing power of the hands; he only says, resorting to metaphor, »It is as if they were telling a story« (SW II, 724, my emphasis; »Es war, als ob sie eine Geschichte erzählten«, GS IV, 430). The story told by the loving mother sitting at her sick child’s bedside merges here with the tales told (metaphorically) by the expressive movements of N.’s wife’s hands.

9 Cf. Benjamin’s Anmerkungen to the Denkbilder in GS IV, 1007–1008.

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In both versions, storytelling is invoked to emphasize the place where pain and care meet, a convergence that enables care to heal pain through storytelling, be it via the mother’s voice or the wife’s touch. In the Denkbilder, too, Benjamin uses water metaphors to describe the relationship between storytelling and healing: »every illness might be cured if it could only float along the river of narrative – until it reached the mouth [...] Stroking marks out a bed for this torrent« (SW II, 724–725; »Ja ob nicht jede Krankheit heilbar wäre, wenn sie nur weit genug – bis an die Mündung – sich auf dem Strome des Erzählens verflößen ließe? [...] Das Streicheln zeichnet diesem Strom ein Bett«, GS IV, 430).10 Looking at these two texts together, we find some distinct similarities. Both present an almost identical scene, in which a child lies sick in bed and his mother approaches him, sits by his bed, strokes him with her hand, and tells him stories. What Benjamin emphasizes about this intimate, tender mother-child encounter are the hands and mouth. The hands’ touch makes way for the story’s entrance into the child’s body, as if carving out the empty channel into which the story’s current will soon pour. In the Kindheit, the caresses »lay the bed« for the story’s stream (»bahnte diesem Strom sein Bett«), and in the Denkbilder, containing almost similar phrasing, the caress »marks out« the current’s course (»zeichnet diesem Strom ein Bett«). (Note the interesting ambiguity of »bed« here – the child’s bed and the water-current bed.) As for the mouth, it appears in two different variations. In the Kindheit, it is the story’s wellspring, the origin of what will later become the vigorous current of the narrative; in the Denkbilder, the mouth marks the exit-point of the illness, the gate from which it will flow out of the sick, pain-ridden body. Another interesting variation between the two accounts lies in the characterization of the content of the story. In the Kindheit, Benjamin’s mother tells him stories about his ancestors, »conjured up before me,« he writes, »as though to make me understand that it was premature for me to give away, by an early death, the splendid trump cards which I held in my hand, thanks to my origins« (SW III, 363). The mother tells the child stories about his family origins, about the source of her kinship to him. They both belong to the same origin whose expression, in the story’s content, brings about the powerful flood of the healing narrative. The story is told to the child, but it is about him, and moreover, it is about his relationship with his mother, the storyteller. Interestingly, the healing powers of the mother’s touch and voice are deemed to be much more powerful than the child’s ability to tell of his own pains, to share them. The question of the possibility to express pain, to tell it until it is exhausted, is here conceived

10 Cf. Benjamin’s Anmerkungen for a slightly different use of »Mündung«: »[Schmerz] gewissermaßen als Damm die Lebenssäfte absperrt, die, als Nebenflüsse in den großen epischen Strom des Daseins – des erzählbaren Lebens – münden wollen« (GS IV, 1008).

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not as a possibility available only to the suffering subject, but as something that can be exercised by others. The mother’s story voices the pain, thereby healing it, although this is not her own pain to tell. This configuration poses a challenge to the customary philosophical accounts of the privacy of pain.11 In the Denkbilder, Benjamin discusses the association between storytelling and healing within two parallel frameworks. The first presents the healing power of storytelling in the Merseburg Incantations, which gain their magic powers by contextualizing the spells within a story (in the second of the spells, for instance, in the story of the horse’s broken leg). This model is linked to the image of the mother and the child, in which the magic power of words is communicated by the healer (mother, magician) and not by the sick subject of her ministrations. The presentation of the healing power in the second model is concealed in the story that the sick man tells his doctor (in the version of the Anmerkungen, it is the psychoanalyst); that is, in the story the sick person himself tells, and not in a story told to him. In both cases, according to Benjamin, the story functions as »the first stage in the healing process,« and provokes the question whether storytelling is not, in fact, the »most favorable precondition for healing (SW II, 724; GS IV, 430).« Despite these variations, one thing is evident: Benjamin is interested in the practice of storytelling much more than in the content of any specific story. This is manifest, for instance, when the mother’s hands are described (in both texts) as telling a story with their caressing movements. In other words, the movement of the language spoken to the child and the voice that expresses it are much more important than the words’ referential content. This emphasis also appears in Benjamin’s repeated use of water metaphors, underlying the dynamics of the narrative itself, which is here markedly a narrative that is told out loud rather than one that is written or read.12 What the child’s illness surrenders to is the mother’s caress and the soothing sound of her voice. That the story is told, voiced and not read, deems it consequential also when taking into account that at the end of the story, pain’s current flows into oblivion, sinks into forgetfulness. This is where the voice’s fleeting nature, its inherent fading out and slow disappearance, reflects the idea of pain being forgotten rather than being written down (as opposed to the case of testimony).

11 Interestingly enough, this goes along with some of Scarry’s argument regarding the importance of stories of pain and suffering told by others, e. g., testimonies (cf. Scarry: The Body in Pain [note 4], pp. 3–7). For a criticism of the idea of the privacy of pain, especially as it appears in Scarry’s discussion, cf. Talal Asad: Formations of the Secular: Christianity, Islam, Modernity, Stanford (Stanford University Press) 2003, pp. 79–85. 12 In this context, see also another text written by Benjamin in 1936: »The Storyteller: Observations on the Works of Nikolai Leskov« (SW III, 143–166; GS II, 438–465). Due to the restricted scope of this essay, I will not be able to discuss this text here.

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This accentuation of the story’s movement, the stream of the speaking voice whose healing power is revealed to be immeasurably stronger than any possible content, echoes a short fragment Benjamin wrote some ten years earlier in his One-Way Street (»Si Parla Italiano«, SW I, 480; GS IV, 137–138). There he recalls himself sitting at night on a street bench, tormented by violent pains (»heftige Schmerzen«). Opposite him, on another bench, two girls sat down and started speaking Italian, a language that he did not understand. In the depths of his pain, he hears only the foreign sounds of the whispering girls’ voices. Although they did not address him, and he could not have understood them even if they had, Benjamin recounts: »I could not resist the feeling, in face of this unmotivated whispering in a language inaccessible to me, that a cool dressing was being applied to the painful place (SW I, 480; »Nun konnte ich bei diesem unmotivierten Flüstern in einer mir unzugänglichen Sprache mich des Gefühls nicht erwehren, es lege sich um die schmerzende Stelle ein kühler Verband«, GS IV, 137–138). Pain’s relief appears in this text as being explicitly connected to Benjamin’s hearkening to a foreign language, to a linguistic expression whose incomprehensible content is essentially inaccessible to him. The relief is depicted here as a »cool dressing,« an almost identical formulation to what appears in Benjamin’s Anmerkungen to the Denkbilder, where he depicts N.’s wife’s healing power as being »schmerzstillenden.« In the One-Way Street fragment, the cool dressing is linked to the sound of the two girls’ voices, and to it alone. Language here does not communicate any form of content, instead, it possesses a special healing power. In the same way, the mother’s voice and touch heals regardless of the content of the story she tells.13

Pain as Staudamm However, what seems to be a description of a harmonious configuration among sickness, care, and storytelling is not that simple. In both the Kindheit and the Denkbilder, we find not only the similar water metaphors used to refer to the vigorous flow of the narrative, but also another corresponding image: that of the

13 It is important to notice that the three fragments I discuss here (»The Fever,« »Storytelling and Healing« and »Si Parla Italiano«) reveal a clear correspondence between healing and the female figure. It is therefore not only the voice telling the story, the hands’ touch or the soft whisper that are important for the understanding of healing. It is also the fact that it is a mother, a wife or two girls who are telling, touching and whispering. On the issue of Gender in Benjamin’s writings (not in relation to storytelling or pain) cf. Sigrid Weigel: »Towards a female dialectic of enlightenment: Julia Kristeva and Walter Benjamin,« in: id.: Body- and Image-Space: Rereading Walter Benjamin, London (Routledge) 1996, pp. 58–73.

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Staudamm.14 The stream of storytelling eventually heals the disease; however, at the story’s beginning its currents are not yet strong enough to break the sturdy, solid dam standing in their way. This dam, according to Benjamin, is pain (Schmerz). In the first text he writes: »Pain was a dike that only initially withstood the narration but that later, as the narration gained strength, was undermined and swept into the sea of oblivion« (SW III, 363; »Schmerz war ein Staudamm, welcher der Erzählung nur anfangs widerstand; er wurde später, wenn sie erstarkt war, unterwühlt und in den Abgrund der Vergessenheit gespült«, GS IV, 270); in the second: »If we reflect that pain is a dam that offers resistance [Widerstand] to the current of narrative, it is evident that the dam will be pierced when the gradient is steep enough for everything that crosses its path to be swept into an ocean of blissful oblivion« (SW II, 724–725; »Bedenkt man, wie der Schmerz ein Staudamm ist, der der Erzählungsströmung widersteht, so sieht man klar, daß er durchbrochen wird, wo ihr Gefälle stark genug wird, alles, was sie auf diesem Wege trifft, ins Meer glücklicher Vergessenheit zu schwemmen«, GS IV, 430). In both cases it is pain that blocks, initially, the story’s current. Pain stands in storytelling’s way, resists it, and maintains its grip on the sick child’s body so as to sustain the illness. In the first account we have a quantitative image: the dam is undermined or broken through when storytelling’s current becomes strong enough, that is, the more water accumulates, the weaker the dam becomes. There is nothing less than a life-or-death struggle between pain trying to keep its hold on the body, and the caress and soft voice gradually gaining power over it. In the second account, Benjamin adds the image of the gradient or slope (Gefälle), which helps the current gather its sweeping strength. In the preparatory notes to this text, Benjamin casts this struggle in a somewhat different way when he not only describes pain as a dam holding up the story’s water but adds that pain »locks the lifebloods within it« (trans. I. F.; »die Lebenssäfte absperrt«, GS IV, 1008), and »does not let itself be told« (trans. I. F.; »Schmerz sich nicht erzählen läßt«, GS IV, 1008). Pain actively resists storytelling, specifically, its own story-

14 Cf. Benjamin’s 1916 fragment »The Role of Language in Trauerspiel and Tragedy« for a similar configuration in which a Staudamm emerges in the convergence of pain and language. Describing the role and function of language in the Trauerspiel, Benjamin writes: »midway through its journey nature finds itself betrayed by language, and that powerful blocking of feeling turns to sorrow [...] These plays represent a blocking of nature, as it were an overwhelming damming up of the feelings [...] sorrow fills the sensuous world in which nature and language meet« (SW I, 60, trans. altered; »Wege sieht sich die Natur von Sprache verraten und jene ungeheure Hemmung des Gefühls wird Trauer [...] Sie stellen die Hemmung der Natur dar, gleichsam eine ungeheure Stauung des Gefühls [...] Trauer erfüllt die sinnliche Welt, in der Natur und Sprache sich begegnen«, GS II, 138–139). For a discussion of this text, cf. Ferber: Philosophy and Melancholy [note 6] pp. 141–152.

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telling. It wards off any attempt to put it into words, to express it. For expression, as the German word Ausdruck suggests, will push pain outside the body. The conception of pain as a Staudamm marks an interesting point of comparison between Benjamin and Freud. Although he mentions several times that pain is an insufficiently understood phenomenon (»We know very little about pain [...]«),15 Freud repeatedly attempts to give an account of it, frequently using metaphors of overflow and broken-down barriers when he describes pain. In his early texts he characterizes pain in terms of an increase of cathexis and singles it out as a phenomena that collapses boundaries, which cannot contain the large build-up of energy that inevitably punctures any protective shields;16 and describes pain as an »internal hemorrhage,« an expression emphasizing the excessiveness inherent to pain's accumulation.17 A corresponding phraseology can be found in his 1920 »Beyond the Pleasure Principle,« where he writes that there is no longer any possibility of preventing the mental apparatus from being flooded with large amounts of stimulus, and another problem arises instead – the problem of mastering the amounts of stimulus which have broken in and of binding them, in the psychical sense, so that they can then be disposed of.18

The similarities between Freud and Benjamin become even more intriguing if we compare the Benjaminian relation between pain and storytelling with Freud’s account of the pain and the »talking cure.« A lot can be said about such a comparison, but let me just state one important point here. For Freud, the success of the talking therapy lies in the patient’s ability to put into words the events that called forth his symptoms. Freud and Breuer describe what will later be known as the »talking cure« [Redekur] (a name given to this method by Freud’s and Breuer’s patient, Anna O.) as follows: Each individual hysterical symptom immediately and permanently disappeared when we had succeeded in bringing clearly to light the memory of the event by which it

15 Sigmund Freud: »Inhibitions, Symptoms and Anxiety«, in: James Strachey (ed./trans.): The Standard Edition of the Complete Psychological Works of Sigmund Freud, London (Hogarth Press) 1957–1966, vol. 20 (hereafter SE), p. 170. 16 Id.: »Project for a Scientific Psychology«, SE I, pp. 306–321. 17 Id: »Draft G: Melancholia«, Extracts from the Fliess Papers, SE I, pp. 205–206. 18 Id.: »Beyond the Pleasure Principle«, SE 18: 29–31. Among Freud’s other accounts of pain, cf. especially: »Inhibitions, Symptoms and Anxiety«, SE XX, pp. 75–176 (particularly Addenda C to the text: pp. 170–172). See also, Ilit Ferber: »Aphasie, Trauma und Freuds schmerzlose Wunde«, in: Christine Kirchhoff/Gerhard Scharbert (eds.): Freuds Referenzen, Berlin (Kulturverlag Kadmos) 2012, pp. 145–167.

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was provoked, and when the patient had described that event in the greatest possible detail and had put the affect into words.19

The unspoken, wordless symptoms give rise to pain (the mental and the physical substrate in many of Freud’s cases); putting into words the event that brought about these symptoms is the key to relief. In what would later become part of Freud’s famous therapeutic method, speaking about the source of the symptoms, telling their story or history, would eventually replace the appearance of the symptoms themselves. As soon as the symptom’s origin was put into words, the symptom itself completely disappeared in the patient. For this reason, Breuer and Freud emphasize that the most important factor determining pain’s relief would be the question »whether there has been an energetic reaction to the event that provokes an affect« – reaction here meaning different forms of discharge. In this context, the authors also point to the daily linguistic use of phrases such as »to cry oneself out« (»sich ausweinen«) or »to blow off steam« (»sich austoben«).20 In Freud’s case, the content of the patient’s story works to mitigate the painful symptoms, whereas for Benjamin – as the texts discussed show – what matters is not the content of the story but the way it is told. The mother’s loving voice, the wife’s soothing hands that themselves »tell the story,« the girls’ whispering in a foreign language – all point at one and the same structure: pain is healed by language, but not just by any type of language. The language spoken by the mother sitting at her child’s bed shatters the symbolic dimension of language and opens it up to the semiotic facets of expression:21 not to the content of the story 19 Josef Breuer/Sigmund Freud: »On the Psychical Mechanism of Hysterical Phenomena. Preliminary Communication«, SE II, p. 6, italics in original. 20 »The case of Fräulein Elisabeth von R« is another startling example for the examination of the relation between pain and language: »[Elisabeth von R’s] painful legs began to ›join in the conversation‹ during our analyses. What I have in mind is the following remarkable fact. As a rule the patient was free from pain when we started work. If, then, by a question or by pressure upon her head I called up a memory, a sensation of pain would make its first appearance, and this was usually so sharp that the patient would give a start and put her hand to the painful spot. The pain that was thus aroused would persist so long as she was under the influence of the memory; it would reach its climax when she was in the act of telling me the essential and decisive part of what she had to communicate, and with the last word of this it would disappear. I came in time to use such pains as a compass to guide me; if she stopped talking but admitted that she still had a pain, I knew that she had not told me everything, and insisted on her continuing her story till the pain had been talked away. Not until then did I arouse a fresh memory« (Freud: SE II, pp. 148–149). For a discussion of the idea of the »talking cure« in Freud and Breuer as well as an interesting account of the role »origin« plays in their therapeutic theory, cf. Andrew Benjamin: »The Overflow of Words: From Breuer to Freud«, in: New Formations 5 (1988), pp. 120–132. 21 I am alluding to Julia Kristeva’s discussion of the terms »symbolic« and »semiotic.« Cf. Julia Kristeva: Revolution in Poetic Language, trans. Margaret Waller, New York (Columbia University Press) 1984, pp. 19–106.

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but to its movement. The story therefore heals with the sound of the voice and not with what it says. Glancing back at Anna O.’s story, it is interesting that what she finds soothing, in one of the famous essay’s sections, is her own utterance of childhood rhymes in a language that was not her mother tongue (English). There she takes comfort in a child’s language of rhymes and repetitions, a language whose semantic content is so much less effective than the comfort of its repetitive reiterations, its monotonous sounds. Returning to Benjamin, it is only such an expression of linguistic rhythm or pulse, of the music of language spoken or sung by the loving voice that has the vigorous force to break down pain’s grip on the body.

Conclusion Looking back at the Kindheit and the Denkbilder so as to set out Benjamin’s views on pain, several distinct characteristics stand out. When he speaks about pain, Benjamin markedly does not focus on the question of pain’s grounds, cause, or origin. The illness simply appears and pain suddenly strikes – the question of the source becomes irrelevant, or at least completely neutral. Instead, Benjamin is concerned with the phenomenology of the experience of pain itself, its movement within the tormented body and the intensity of its flow. This corresponds to what Benjamin terms the »metaphysical difference« between pain and pleasure: whereas pleasure is intermittent, pain is permanent; while what is at stake for pleasure is its source, in the case of pain it is only its destination or purpose that matters; and whereas pleasure is inherently not capable of any form of enhancement, pain gathers its strength as it intensifies while flowing thorough the suffering body (GS VI, 83; SW I, 397). However, Benjamin’s understanding of pain’s movement, its flow throughout the pain-ridden body, is always coupled with a consideration of the question of expression. This indicates that even though the relationship between pain and linguistic expression seems at first to be contradictory, for Benjamin pain’s selfdefinition is inherently dependent upon the establishment of its relation to expression. In the beginning pain actively resists storytelling. Pain fights the tenderness of words, the soothing loving touch of the caressing hands and their efforts to dissolve pain, conflating it into the movement of the story. It is in this sense that Benjamin describes pain as a dam in both the Denkbilder and the Kindheit. Pain clearly struggles against language and against the process in which language gradually consolidates and gains strength over it. In Benjamin’s conceptualization of pain, relief or healing is achieved when language has the upper hand, when its flow is powerful enough to tear down the opaque, blocked inexpressibility of pain.

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This impenetrability of pain is cited in Benjamin’s early notes to the Denkbilder, in which he writes that pain obstructs the possibility of a story, its own story, thereby clogging the course of the stream (GS IV, 1008). In this image, pain is fighting for its life, because the moment it weakens in the face of language, it will immediately be dissolved by the story, into words that the stream will carry into the »sea of oblivion.« (And as Benjamin writes elsewhere, »pain cannot be forgotten.«22) To put it plainly, pain can leave the body’s confines only insofar as it is put into words; this is the reason why pain resists language so forcefully: because surrendering to it would mean nothing less than its utter disintegration. For Benjamin, pain manifests most evidently an essential stoppage and interruption, a disturbance in the continuous, constant rhythm of the story. However, Benjamin is not merely staging an opposition here between pain and language; he argues for something much more far-reaching: pain’s vigorous struggle against language via its forceful grip upon the body, – is simultaneously the condition of possibility for the very existence of the story. The damming effected by pain conditions the accumulation of the story’s force, the very gathering of momentum that enables the story, finally, to tear down pain’s hold upon the body. Without pain's struggle against it, there would be no story, no language. But there is a mutual interdependence here: pain is also determined by language since its struggle against it allows pain to hold on, all the more tightly, to the physically wracked human body in which pain finds its preeminent instrument of realization, its most consummate fulfillment.

22 In »Ibiza Sequence« Benjamin writes: »In dreams there is no astonishment and in pain there is no forgetting, because both bear their opposites within them, just as in a calm the peaks and troughs of the waves lie merged in one another« (SW II, 592, »Habit and Attentiveness«; »Im Traum kein Staunen und im Schmerz kein Vergessen, weil beide ihren Gegensatz schon in sich tragen, wie Wellenberg und Wellental bei Windstille ineinander gebettet liegen«, GS IV, 407–408.

Schreibverfahren

Heinz Brüggemann

Überschreibungen Transtextualität und Figuraldeutung in Walter Benjamins Geschichtsdenken Während der Arbeit an den Thesen über den Begriff der Geschichte hat Walter Benjamin den in der Geschichtsschreibung gebräuchlichen Begriff der »Quelle« einer radikalen Kritik unterworfen, die die Formen der Überlieferung überhaupt infrage stellt. Statt sich an das Schauspiel eines Stroms der Überlieferung zu verlieren, zu dem sich die Quellen vereinigt haben, frage der historische Materialist danach, wessen Mühlen der Strom treibe, wer sein Gefälle verwerte, wer ihn eindämmte, und indem er die Kräfte beim Namen nenne, »die in ihr am Werke gewesen sind«, verändere er »das Bild der Landschaft« (GS I, 1160 f.). Diese Kritik sieht die »Quellen« in einen selber von Interessen und Macht bestimmten, weitgehend ›verderbten‹ Prozess der Überlieferung eingebunden. In der echten Geschichtsschreibung, heißt es in einem Entwurf der Thesen, erwachse daraus, und eben so stark wie ihr destruktiver Impuls, »der Impuls der Rettung«, nicht nur vor »dem Verruf und der Mißachtung«, in die Gewesenes geraten ist, sondern eben »vor einer bestimmten Art seiner Überlieferung« (WuN XIX, 128) selber. Der Begriff der »Quelle« gehört für Benjamin einer positivistisch verstandenen ›reinen‹ Wissenschaft der Geschichte an; der »wissenschaftliche« Charakter der Geschichte aber wird »erkauft mit der gänzlichen Ausmerzung alles dessen, was an ihre ursprüngliche Bestimmung als Eingedenken erinnert. Die falsche Lebendigkeit der Vergegenwärtigung, die Beseitigung jedes Nachhalls der ›Klage‹ aus der Geschichte bezeichnet ihre endgültige Unterwerfung unter den modernen Begriff der Wissenschaft.« (GS I, 1231) Die Thesen legen theoretisch-methodisch den Grund dafür, dass Referenztexte ganz anders aufgefasst werden als »Quellen« in einer begriffs- oder ideengeschichtlichen Darstellung. Wie aber dann, zumal in den Thesen selber? Die Frage nach der Funktion der Referenzen in den Thesen ist anders zu stellen als die nach einer Verwendung von Quellen, nämlich als die Frage danach, in welcher Weise Benjamin in ihnen, mit ihnen und gegen sie denkt. So kommen auch die unterschiedlichen Formen der nicht explizit gemachten, verborgenen Referenzen ins Spiel.

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I Gérard Genette hat in seiner Studie Palimpseste. Die Literatur auf zweiter Stufe1 eine Theorie der Transtextualität vorgelegt, die es ermöglicht, diesen anderen Frage- und Problemstellungen gerecht zu werden. Transtextualität umfasst, grob definiert, die Frage danach, was einen Text in manifeste oder geheime Beziehung zu anderen Texten bringt.2 Das impliziert die Frage nach der effektiven Präsenz eines Textes in einem anderen Text – worin die weiterführende Frage enthalten ist, in welcher Art und Weise ein Text, genauer gesagt ein Hypertext, einen zugrundeliegenden, einen Hypotext, überlagert und transformiert, die nicht die des Kommentars ist. Das gilt zumal für literarische Texte wie, um nur das bekannteste Beispiel eines überdies angekündigten Hypotextes zu nennen, für die transformierte Beziehung von Homers Odyssee zum Ulysses von James Joyce. Bei philosophischen Texten spricht Genette von Metatextualität3 und meint damit die üblicherweise mit ›Kommentar‹ apostrophierte Beziehung zwischen einem Text und einem anderen, der sich mit ihm auseinandersetzt, ohne ihn unbedingt zu zitieren oder zu erwähnen. Das bekannteste Beispiel ist Hegels Bezug auf Rameaus Neffe von Diderot in der Phänomenologie des Geistes.4 Das Verfahren der Transformation des zugrundeliegenden Textes, sonst eher der Literatur

1 Gérard Genette: Palimpseste. Die Literatur auf zweiter Stufe, aus dem Frz. v. Wolfram Bayer/ Dieter Hornig, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 1993. 2 Vgl. ebd., S. 9. 3 Vgl. ebd., S. 13–15. 4 Vgl. dazu Heinz-Dieter Kittsteiner: Listen der Vernunft. Motive geschichtsphilosophischen Denkens, Frankfurt a. M. (Fischer) 1998, S. 245 f.: »Die schmerzlose Revolution des Wahren, Guten und Schönen bei Diderot (Rameaus Neffe: Das erzählerische Werk, Hg. M. Fontius, Bd. 4, Berlin 1979, S. 74) wird zum schleichenden Sieg der Aufklärung bei Hegel (Phänomenologie, Hg. J. Hoffmeister, Hamburg 1952, S. 388) und schließlich zur Handelssuprematie im Kolonialsystem bei Marx: „Es war ‚der fremde Gott‘, der sich neben die alten Götter Europas auf den Altar stellte und sie eines schönen Tages mit einem Schub und Bautz sämtlich über den Haufen warf. Es proklamierte die Plusmacherei als letzten und einzigen Zweck der Menschheit.“ Marx: Das Kapital Bd. I, MEW Bd. 23, S. 782.« Der Hypotext bei Diderot lautet: »Das Reich der Natur setzt sich ganz sachte fest, das Reich m e i n e r Dreieinigkeit, gegen welche die Pforten der Hölle nichts vermögen. Das Wahre, das der Vater ist, der das Gute zeugt, das der Sohn ist, aus dem das Schöne hervorgeht, das der heilige Geist ist. Dieser fremde Gott setzt sich bescheiden auf den Altar an die Seite des Landesgötzen. Nach und nach gewinnt er Platz, und an einem hübschen Morgen gibt er mit dem Ellenbogen seinen Kameraden einen Schub, und bauz! baradauz! Der Götze liegt am Boden.« (Denis Diderot: Rameaus Neffe. Ein Dialog, übers. v. Johann Wolfgang von Goethe, hg. u. mit einem Nachwort vers. v. Horst Günther, Frankfurt a. M. [Insel] 1984, S. 163.) Hegel setzt den Satz ab »an einem schönen Morgen« bis »am Boden« in Anführungszeichen, ohne Autor und Titel zu nennen, und fährt fort: »An einem schönen Morgen, dessen Mittag nicht blutig ist, wenn die Ansteckung alle Organe des geistigen Lebens durchdrungen hat« (ders.: Phänomenologie des Geistes, hg. v. J. Hoffmeister, Hamburg [Meiner] 1952, S. 388).

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vorbehalten, findet sich in philosophischen Texten ganz besonders da, wo sie, wie im Falle Walter Benjamins, einem dichterischen Denken (so Hannah Arendt, Charlotte Wolff, Hermann Hesse u. a.) verpflichtet sind. Überlagerungen bzw. Überschreibungen erscheinen als bewusst konstruierte auch und gerade in den Thesen, und Benjamin setzt eine ganze Reihe von Transformationen in Szene, vom suggestiven Durchscheinenlassen eines Hypotexts bis zur um- und fortschreibenden Metatextualität. Einer der Texte, denen beinahe durchgängig eine effektive Präsenz im Text der Thesen und ihrer Vorarbeiten zukommt, ist Nietzsches Schrift Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben aus den Unzeitgemäßen Betrachtungen. In der eingangs dargestellten Kritik Benjamins an der Geschichte als moderner ›reiner‹ Wissenschaft ist sie schon, mittelbar und kaum kenntlich, doch effektiv präsent, wenn er dieser vorhält, sie werde erkauft mit der gänzlichen Tilgung all dessen, was an ihre ursprüngliche Bestimmung als Eingedenken erinnert, mit der Beseitigung jedes Nachhalls der Klage aus der Geschichte. Bei Nietzsche heißt es: »Die Geschichte als reine Wissenschaft gedacht und souverän geworden, wäre eine Art von Lebens-Abschluss und Abrechnung für die Menschheit.«5 Auch hier macht sich die Forderung geltend, dem Unabgeschlossenen, Verfehlten der Geschichte Rechnung zu tragen; doch wenn es im Aphorismus Historia abscondita seiner Fröhlichen Wissenschaft heißt, es sei »noch gar nicht abzusehen, was Alles einmal noch Geschichte sein wird«, es bedürfe »noch so vieler rückwirkender Kräfte« (KSA 3, 404), dann soll diese rückwirkende Kraft von einem »grossen Menschen« ausgehen, um dessentwillen »alle Geschichte […] wieder auf die Wage gestellt« (ebd.) wird. Benjamin schreibt im Essay über Charles Baudelaire: »Je weiter der Geist in die Vergangenheit zurückgeht, desto mehr wächst die Masse dessen, was überhaupt noch nicht Geschichte geworden ist« (GS I, 1175). So scheint sein Geschichtsdenken in eine gleiche Richtung wie die Nietzsches zu gehen, doch er löst das Denken aus dem Fokus der Bindung an einen großen Menschen, einen heroischen Einzelnen und eine von ihm ausstrahlende, rückwirkende Kraft. Rückwirkende Kraft wäre nicht schon durch die vergangene Existenz der ›Großen‹ gegeben, sondern entstünde allenfalls aus der Geschichte als Gegenstand einer Konstruktion; sie aber gilt den »gefährdetsten, verrufensten und verlachten Schöpfungen«, die »tief in jeder Gegenwart eingebettet« (GS II, 75) liegen und in ihrer Nach-

5 Friedrich Nietzsche: Die Geburt der Tragödie. Unzeitgemäße Betrachtungen I–IV. Nachgelassene Schriften 1870–1873, kritische Studienausgabe, Bd. 1, hg. v. Giorgio Colli/Mazzino Montinari, München (dtv) 62003, S. 257, im Folgenden mit der Sigle KSA nebst Band- und Seitenzahl im Text zitiert; dies gilt auch für die anderen Texte Nietzsches.

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geschichte allein einer dem Eingedenken verpflichteten Historik erkennbar werden können, die die Geschichte gegen den Strich zu bürsten weiß.6 Die Differenz wird ganz deutlich, wenn Nietzsche gegen den abschließenden, abrechnenden Charakter der wissenschaftlichen historischen Feststellung einen anderen Souverän einführt, ausdrücklich als eine Macht: »das Leben allein, jene dunkle, treibende, unersättlich sich selbst begehrende Macht« (KSA 1, 269). Benjamin setzt an die Stelle einer allein sich selbst wollenden heroistischen Lebenssteigerung, einer rückwirkenden Kraft jedes großen Menschen, die Haltungen eines emphatischen historischen Gedächtnisses, Eingedenken und Klage; sie gelten den unterdrückten und geknechteten Vorfahren, die Nietzsche zu den »Schwachen und Missrathnen« (KSA 6, 170: Antichrist) zählte, denen er bekanntlich noch dazu helfen wollte, zu Grunde zu gehen. Die beiden folgenden Textpassagen zeigen die effektive Präsenz eines Hypotextes aus der Historienschrift Nietzsches in Benjamins Text. Dabei sind Benjamins Sätze als Hypertext vorangestellt, als eine Überschreibung, gleichsam als ein konstruierter Palimpsest, um von ihm den Blick zurück auf den Hypotext, auf die zugrundeliegenden, überschriebenen, transformierten Sätze Nietzsches zu richten. Bei Benjamin heißt es (These XVI): »Er [scil. der historische Dialektiker] überlässt es andern, bei der Hure ›Es war einmal‹ im Bordell des Historismus sich auszugeben. Er bleibt seiner Kräfte Herr: Manns genug, das Kontinuum der Geschichte aufzusprengen.« (WuN XIX, 91)7 Bei Nietzsche steht zu lesen: Oder sollte als Wächter des grossen geschichtlichen Welt-Harem ein Geschlecht von Eunuchen nöthig sein? Denen steht freilich die reine Objectivität schön zu Gesichte. Scheint es doch fast, als wäre es die Aufgabe, die Geschichte zu 6 Dieser Zusammenhang wird häufig außer Acht gelassen, so auch von Ralf Konersmann, wenn er Nietzsche gleichsam einen »Vorgriff auf Benjamins Gedanken der Unabgeschlossenheit« attestiert und in der Anmerkung Benjamins Wendung von der Masse dessen, was überhaupt noch nicht Geschichte geworden ist als mit Nietzsche »übereindenkend« bezeichnet (Ralf Konersmann: Erstarrte Unruhe. Walter Benjamins Begriff der Geschichte, Frankfurt a. M. [Fischer] 1991, S. 105 u. 196, Anm. 23). 7 Angesichts dieser virilen Sprachgebärde wäre es eine eigene Untersuchung wert, welche Stereotype eines sogenannten Kindlichen bzw. Weiblichen Historismus-Kritiker und -Verächter bemühen. Robert Musil charakterisiert die historistische Haltung, das »Versenken, einleben, Erscheinungen aus ihrer eigenen Sphäre heraus verstehn, keine Synthese von außen aufdrängen« als ein »Zurücksinken von der Anmaßlichkeit des Mannes zum Lauschen des Kindes; an die Stelle ethisch-aktivistischer Schroffheit tritt eine universalere, versöhnlichere, aber unbestimmtere Denkweise« (Robert Musil: »Das hilflose Europa oder die Reise vom Hundertsten ins Tausendste«, in: ders.: Gesammelte Werke, Bd. 8: Essays und Reden, hg. v. Adolf Frisé, Reinbek bei Hamburg [Rowohlt] 1978, S. 1082 f.). Rudolf Borchardt spricht in der Rede über Hofmannsthal über die Anarchie der Modernen, die sich mit dem »gesunkenen Historismus, der sich als geschichtliche Weltanschauung ›auf der Gasse‹ anbietet«, verschlinge (ders.: Reden, Stuttgart [Klett] o. J., S. 54).

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bewachen, dass nichts aus ihr herauskomme als eben Geschichten, aber ja kein Geschehen! (KSA I, 281) Ja man geht so weit anzunehmen, dass der, den ein Moment der Vergangenheit gar nichts angehe, berufen sei ihn darzustellen. (293) Nur aus der höchsten Kraft der Gegenwart dürft ihr das Vergangene deuten: nur in der stärksten Anspannung eurer edelsten Eigenschaften werdet ihr errathen, was in dem Vergangnen wissens- und bewahrenswürdig und gross ist. Gleiches durch Gleiches! Sonst zieht ihr das Vergangene zu euch nieder. (293 f.)

Am Anfang dieses Abschnittes der Historienschrift umreißt Nietzsche sein Theorem von der geschwächten Persönlichkeit des modernen Menschen, der sich »fortwährend das Fest einer Weltausstellung durch seine historischen Künstler bereiten lässt, »zum geniessenden und herumwandelnden Zuschauer« geworden und in einen Zustand versetzt ist, »an dem selbst grosse Kriege, grosse Revolutionen kaum einen Augenblick lang etwas zu ändern vermögen« (279). Diese Ablehnung einer Zuschauer-Haltung gegenüber der Geschichte zitiert Benjamin im Motto zu These XII (WuN XIX, 77: »Wir brauchen die Historie, aber wir brauchen sie anders als sie der verwöhnte Müssiggänger im Garten des Wissens braucht.«); es kann als Indiz dafür gelten, dass wir uns auch in These XVI im allerdings gründlich transformierten Bildfeld Nietzsches bewegen. Denn bei Nietzsche folgt sogleich ein Porträt des großen Historikers, der »Einiges grösser und höher erlebt hat als Alle«, der als Kämpfer gegen die Zeit mit »einem Hundert« gleich »unmodern erzogener [...], an das Heroische gewöhnter Menschen (...) Großes und Hohes aus der Vergangenheit zu deuten« (KSA I, 294) weiß und damit über plastische, geschichtsformende Kraft verfügt; sie wird benötigt, weil die Geschichte sich nicht mehr selber formt. Bei Benjamin tritt an die Stelle solcher Figurationen als »Subjekt historischer Erkenntnis die kämpfende, unterdrückte Klasse selbst« (WuN XIX, 77) bzw. treten die »Führer der Revolution«, denen »ein Bewusstsein, das Kontinuum der Geschichte aufzusprengen« im »Augenblick ihrer Aktion eigentümlich« ist (90; XV. These). In dieser Überschreibung ist der Text Nietzsches in einer manifesten Beziehung effektiv präsent. Denn Benjamin greift die Perspektive, den aktivistisch eingreifenden Gestus und den absoluten Gegenwartsbezug seiner Historismuskritik auch in der Bilderrede auf und denkt zugleich gegen sie, indem er ihr ein messianistisches Zeitverständnis und ein ganz anderes, ein kollektives Subjekt einschreibt, an dessen revolutionäre Aktion als Bedingung der Möglichkeit Geschichtserkenntnis gebunden sein soll. Mit dieser Umschrift der Historismuskritik Nietzsches, die zugleich ihren Impetus und ihr Pathos bewahrt, bewegt sich Benjamins Antihistorismus im Kontext der protestantischen existenzialistischen Theologie in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg, die allerdings aus anders gelagerten Motiven auf Nietzsche zurückgreift. Ihr Angriff gilt wesentlich einem allenthalben, zumal in der historisch verfahrenden Theologie konstatierten

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Relativismus, gegen den sie mit Symbolen der jüdisch-christlichen Eschatologie ein radikales Zeitverständnis zu entfalten sucht. Diese von ihrem Kritiker Ernst Troeltsch eine »Theologie des absoluten Moments«8 genannte Bewegung sucht einen Ort jenseits der in Nietzsches Manier mit den Topoi bunter Beliebigkeit und passiver Unbeteiligtheit denunzierten historistischen Geschichtsauffassung. Dieser Ort, herausgerissen »aus der Relativität und dem Hingleiten im Fluß der Zeit«, außerhalb der Geschichte, zeigt sich in der dynamischen »Gestalt dieses Einen Augenblicks«, der »alle Energie, alle Aufmerksamkeit, alles Verantwortungsgefühl« auf sich zieht und in »seiner blitzhaften Bewegung« den kontinuierlichen Zusammenhang von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gleichsam in sich hineinzieht und verzehrt, nur mehr »reine Gegenwart« in der Begegnung Gottes ist.9 Die Gegenwart selbst gewinnt so eschatologisch unbedingte Bedeutung, sie wird »zu einer Zeit mit endgeschichtlich absoluter Entscheidungsqualität«.10 Entscheidungsqualität ist eine Bestimmung, die auch für Benjamins Konstruktion des historischen Augenblicks in den Thesen gelten kann, nicht jedoch eine endgeschichtliche. In größerer Nähe bewegt sie sich da zum Terminus des Kairos, dessen theologische Konzeptualisierung Paul Tillich, anfänglich ein Schüler von Troeltsch, entwickelt hat. Ursprünglich im George-Kreis gepflegt, nimmt Tillich diesen Terminus, vom elitären Aristokratismus des Kreises absehend, für einen religiösen Sozialismus in Anspruch. Mit ihm glaubt er, in ausdrücklicher Abgrenzung von Troeltsch, nicht weniger als den Ort benennen zu können, »von

8 Ernst Troeltsch: »Ein Apfel vom Baume Kierkegaards«, in: Jürgen Moltmann (Hg.): Anfänge der dialektischen Theologie, Teil 2: Rudolf Bultmann, Friedrich Gogarten, Eduard Thurneysen, München (Chr. Kaiser Verlag) 1963, S. 139. 9 So Friedrich Gogarten: »Die Krisis unserer Kultur« (1920), in: Moltmann (Hg.): Anfänge (Anm. 8), S. 103–105. Wie sehr noch der Theologe Gogarten Nietzsches »Leben« als sich selbst begehrender Macht erlegen ist, zeigt sich an seinem tautologisch ausfallenden Versuch, diesen ›Einen Augenblick‹ zu bestimmen: »Unter dem Aspekt, den wir suchen, ist der Augenblick, der nun gerade ist, nun gerade gelebt sein will, der – nun, der nichts anderes will, als eben jetzt gelebt sein.« (Ebd., S. 102). 10 Friedrich Wilhelm Graf: »Geschichte durch Übergeschichte überwinden. Antihistoristisches Geschichtsdenken in der protestantischen Theologie der 1920er Jahre«, in: Wolfgang Küttler/ Jörn Rüsen/Ernst Schulin (Hg.): Geschichtsdiskurs, Bd. 4: Krisenbewußtsein, Katastrophenerfahrungen und Innovationen 1880–1945, Frankfurt a. M. (Fischer) 1997, S. 220. Ich kann auf diesen Kontext hier nur hinweisen, seine Erforschung ist jedenfalls ein Desiderat, so wie auch die Stellung Benjamins zu Ernst Troeltsch und zur Wirkungsgeschichte seines Berliner Seminars, an dem er bekanntlich neben Gottfried Salomon, Leo Strauss, Erich Auerbach u. a zeitweilig teilgenommen hat. Hierher gehört auf lange Sicht auch seine spätere Freundschaft mit dem Schweizer dialektischen Theologen und Karl Barth-Schüler Fritz Lieb. Vgl. dazu den instruktiven Aufsatz von Chryssoula Kambas: »Fritz Lieb und Walter Benjamin«, in: dies.: Momentaufnahme der europäischen Intelligenz. Moderne, Exil und Kulturtransfer in Walter Benjamins Werk, Hannover (Offizin) 2009, S. 273–289.

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dem aus« der Historismus »überwunden i s t «.11 Der Fortschritt kennt den Kairos, den Tillich als das Hereinbrechen des Ewigen in die Zeit versteht, nicht mehr, weil für ihn das Ewige zum unendlichen Ziel wird, »das hinter aller Zeit liegt und nie in sie hineinbricht. Dadurch wird die Zeit leer, entscheidungslos, ohne Verantwortung«.12 Nähe (die leere Zeit, die Fortschrittskritik) und Differenz (das Hereinbrechen des Ewigen) zu Benjamin sind unverkennbar. Es geht um die Überwindung des historistischen Kaleidoskops der Geschichte, um die Aufhebung eines verfehlten Fortschritts in einem historischen Augenblick reiner Gegenwart. Dieser wird von Benjamin auch, aber nicht ausschließlich theologisch, messianistisch, doch nicht als ein Ort über aller Geschichte (Tillich), verstanden, als ein Hereinbrechen des Ewigen; darum hat er keine endgeschichtliche Entscheidungsqualität, sondern seine Kraft, die aus umwälzendem Handeln und Geistesgegenwart kommt, soll darin bestehen, den Geschichtsverlauf zu durchbrechen, ja abzubrechen und unbedingtes »Vonvornbeginnen« (GS II, 215), Innovation, freizusetzen.

II In der folgenden Konstellation erscheinen die zugrundeliegenden Texte, auch weil sowohl mit ihnen wie gegen sie gedacht wird, zwar nicht in einer geheimen, aber auch nicht in einer unmittelbar manifesten Beziehung zum allein als Ausdeutung von Klees Angelus Novus auftretenden Text der IX. These; sie entfalten, gerade in transformierter Gestalt, gleichwohl eine effektive Präsenz. Es geht um das abschließende, nur zu bekannte Bild, das gleichwohl in Erinnerung gerufen werden muss: Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken, und das Zerschlagene zusammenfügen. Aber ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, daß der Engel sie nicht mehr schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das was wir den Fortschritt nennen, ist d i e s e r Sturm. (WuN XIX, 74 f.)

Als Hypotexte für diese Bilddeutung sind zwei Textpassagen aus philosophischen Abhandlungen Immanuel Kants relevant. Zunächst, und dies ist die für 11 Paul Tillich: »Kairos. Ideen zur Geisteslage der Gegenwart«, in: Ders. (Hg.): Kairos. Zur Geisteslage und Geisteswendung, Darmstadt 1926, S. 2: »Es kann kein Zweifel sein: Tröltsch, und das heißt die Zeit, deren Ausdruck er war, hat den Historismus nicht überwunden, hat den Ort nicht genannt, von dem aus er überwunden i s t .« 12 Ebd., S. 9.

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Benjamin bedeutsamere, seine selber als metatextuelle Umschrift der ersten Kapitel des Buches Genesis auftretende Abhandlung Mutmaßlicher Anfang der Menschengeschichte. Sie versucht mit narrativen Mitteln – Kant nennt seinen Text den »Entwurf zu einem Roman«13 – ein altes und sehr mächtiges Narrativ, die biblische Geschichte von der Erkenntnis als Sündenfall, durch eine philosophische Erzählung vom unaufhaltsamen Fortschritt des Menschengeschlechts zu entkräften. Kant kommt gegen Ende seiner Umschrift der biblischen Schöpfungsgeschichte auf den aus der Mühseligkeit geborenen Wunsch des Menschen »nach einem Paradiese, dem Geschöpfe seiner Einbildungskraft«, zu sprechen, »wo er in ruhiger Untätigkeit und beständigem Frieden sein Dasein verträumen oder vertändeln könne«. Es folgt der Text, der in Benjamins Bilddeutung des Angelus Novus als transformierter effektiv präsent ist: Aber es lagert sich zwischen ihm und jenem eingebildeten Sitz der Wonne die rastlose und zur Entwickelung der in ihn gelegten Fähigkeiten unwiderstehlich treibende Vernunft, und erlaubt es nicht, in den Stand der Rohigkeit und Einfalt zurück zu kehren, aus dem sie ihn gezogen hatte. Sie treibt ihn an, die Mühe, die er haßt, dennoch geduldig über sich zu nehmen, dem Flitterwerk, das er verachtet, nachzulaufen, und den Tod selbst, vor dem ihn grauet, über all jene Kleinigkeiten, deren Verlust er noch mehr scheuet, zu vergessen.14

Die zweite Textpassage stammt aus dem zweiten Abschnitt der Schrift Der Streit der Fakultäten und handelt von einer Vorhersagung der Zukunft, die den kontinuierlichen Rückgang zu Ärgeren unterstellt; von ihr, der »terroristischen Vorstellungsart der Menschengeschichte«, heißt es: Der Verfall ins Ärgere kann im menschlichen Geschlechte nicht beständig fortwährend sein; denn bei einem gewissen Grade desselben würde es sich selbst aufreiben. Daher beim Anwachs großer, wie Berge sich auftürmender Greueltaten und ihnen angemessenen Übel gesagt wird: nun kann es nicht mehr ärger werden; der jüngste Tag ist vor der Tür, und der fromme Schwärmer träumt nun schon von der Wiederbringung aller Dinge und einer erneuerten Welt, nachdem diese im Feuer untergegangen ist.15 13 Immanuel Kant: Schriften zur Geschichtsphilosophie, mit einer Einleitung u. hg. v. Manfred Riedel, Stuttgart (Reclam) 1974, S. 67. Für sein Wagnis einer bloßen Lustreise (ebd., S. 68) bedient er sich »einer heiligen Urkunde [...] als Karte« und bittet die Leser darum, dass sie »die Blätter jener Urkunde (1. Mose Kap. II–VI) aufschlagen und Schritt vor Schritt nachsehen, ob der Weg, den die Philosophie nach Begriffen nimmt, mit dem, welchen die Geschichte angibt, zusammentreffe« (ebd.). 14 Ebd., S. 74. 15 Ebd., S. 185 f. Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass Benjamin in einem Brief vom 06.12.1917 Scholem über das aufgegebene Projekt einer Doktorarbeit berichtet: »Ich lese Kants Geschichtsphilosophische Schriften, leider eine Enttäuschung und keine Möglichkeit gegeben, sie zum Gegenstand einer Doktorarbeit, wie ich es gedachte, zu machen.« (GB I, 400).

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Die zweite Textpassage bietet im Wesentlichen die metaphorische Rede für die Umschrift in das Bild des zum Himmel wachsenden Trümmerhaufens der Geschichte, dazu den Traum des frommen Schwärmers vom Jüngsten Tag und von der Wiederbringung aller Dinge. Die ironische Distanz gegenüber dem frommen Schwärmer teilt Benjamin nicht unbedingt; den Traum von der Wiederbringung aller Dinge (die Apokatastasis) schreibt er im Wunsch, die Toten zu wecken, als echte Haltung zur Geschichte, als Haltung der Rettung, dem Engel der Geschichte zu, während dieser der enthusiastisch teleologischen Zukunftsgewissheit einer erneuerten Welt den Rücken zuwendet. Sie ist allein der Hoffnung auf eine unverfügbare, in der Geistesgegenwart des historischen Augenblicks latenten Erlösung überantwortet. Von dieser Passage her erschließt sich die Radikalität der IX. These in ihrem ganzen Ausmaß – sie besteht darin, den Begriff des Fortschritts selber in dem der Katastrophe zu fundieren. Den Weg dazu bahnt der erste Hypotext aus dem Mutmaßlichen Anfang der Menschengeschichte. Bei Kant ist es die Vernunft selber, die rastlos und unwiderstehlich zur Entwickelung der Fähigkeiten treibt, bei Benjamin ist es ein Sturm, der unaufhaltsam in die Zukunft treibt; Benjamins Überschreibung isoliert und exponiert diese beschleunigte Bewegung, den antagonistisch angetriebenen Selbstlauf des Realprozesses. Kant benennt die Vernunft selber als Antriebskraft solcher entfesselten Entwicklung und lässt, über und in ihr als Leiterin des Weltgeschehens wirkend, gleichsam als aparte, anonyme Person, eine mit dem Göttlichen verbundene Naturabsicht alles zum guten Endzweck führen. In der Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht heißt es über die entdeckte »Naturabsicht in diesem widersinnigen Gange menschlicher Dinge«,16 über den bestimmten Plan, den »Leitfaden der Vernunft«17 in dieser Geschichte: Das Mittel, dessen sich die Natur bedient, die Entwickelung aller ihrer Anlagen zu Stande zu bringen, ist der Antagonism derselben in der Gesellschaft, so fern dieser doch am Ende die Ursache einer gesetzmäßigen Ordnung derselben wird. Ich verstehe hier unter dem Antagonism die ungesellige Geselligkeit der Menschen, d. i. den Hang derselben in Gesellschaft zu treten, der doch mit einem durchgängigen Widerstande, welcher diese Gesellschaft beständig zu trennen droht, verbunden ist. Hiezu liegt die Anlage offenbar in der menschlichen Natur.18

Darum wisse die Natur, wenn der Mensch Eintracht wolle, besser, was für seine Gattung gut sei; sie wolle Zwietracht, sie wolle, dass er sich in Arbeit und Mühseligkeiten stürzt, um dagegen auch Mittel zu erfinden, sich klug wieder 16 Ebd., S. 22. 17 Ebd., S. 23. 18 Ebd., S. 25.

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aus ihnen herauszuziehen: »Die natürlichen Triebfedern dazu [...] verraten also wohl die Anordnung eines weisen Schöpfers; und nicht etwa die Hand eines bösartigen Geistes, der in seine herrliche Anstalt gepfuscht oder sie neidischer Weise verderbt habe.«19 In Benjamins Transformation des Aufklärungsnarrativs ist der dynamische Realprozess selber an die Stelle der Vernunft getreten, als ein unaufhaltsamer, das »Paradies« immer ferner rückender Sturm der Geschichte; so wird er Bedingungsgrund einer Verkennung, da schon seine Bewegungsform allein, sein in eine unverfügbare Zukunft weisender Zeitpfeil für den Namen »Fortschritt« einstehen soll. In einem Notat zur Passagenarbeit bestimmt Benjamin den Augenblick, von dem an der Fortschrittsbegriff der »kritischen Theorie der Geschichte zuwiderlaufen« musste, als den, »da er nicht mehr als Maßstab an bestimmte historische Veränderungen herangebracht wurde, sondern die Spannung zwischen einem legendären Anfang und einem legendären Ende der Geschichte ermessen sollte. Mit anderen Worten: sobald der Fortschritt zur Signatur des Geschichtsverlaufs im ganzen wird« (GS V, 598 f.). Von der Spannung zwischen legendärem Anfang und legendärem Ende der Geschichte handelt auch Kants Aufklärungsnarrativ, wenn der Fortschritt als Signatur des Geschichtsverlaufs »im ganzen« an eine Naturabsicht, der die Vernunft notwendig folgen muss, zurückgebunden wird. In Benjamins »Engel der Geschichte« aber ist die aparte, anonyme Person jener Naturabsicht in entmächtigter Gestalt festgehalten, denn sie kann ihre aufs Ganze des Geschichtsverlaufs gerichtete teleologische Bestimmung, das Zerschlagene zusammenzufügen, die Toten zu wecken, nicht erfüllen, weder im Handeln noch in der Idee. Doch eben diese Auffassung des Fortschritts als Signatur des Geschichtsverlaufs im Ganzen, als unkritische Hypostasierung und Verblendung, bleibt für die narrative Figuration des Engels zugleich Gegenstand seiner Schein und Illusion durchdringenden, kritischen Wahrnehmung. Denn er, der Engel, sieht (›sehen‹ im emphatischen, starken Sinne) – er sieht als wie Berge sich auftürmende Trümmerhaufen, als eine einzige Katastrophe, was uns als eine »Kette von Begebenheiten«, als ein historisches Kontinuum, erscheinen möchte. Ein Bewusstsein, das das Ganze als eine einzige Katastrophe zu erkennen vermag, nach Kant eine terroristische, Schrecken erregende Vorstellungsart, kann unter den Bedingungen des 20. Jahrhunderts den Anspruch erheben, als kritisches Vermögen zu gelten. Das andere Gesicht des Engels, das sich in diesem kritischen Vermögen bezeugt, hat Benjamin im Essay über Karl Kraus theoretisch und metaphorisch in den Blick genommen. Der Anlass ist Kraus’ Antwort auf die Zuschrift einer ungarischen Gutsbesitzerin an Die Fackel im November 1920, die sich über die von Kraus an ihren Briefen aus dem Gefängnis emphatisch nachvollzogene Liebe 19 Ebd., S. 27.

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Rosa Luxemburgs zu Pflanze und Tier lustig gemacht hatte, zumal über seine Trauer, dass »der Leib, der solch eine hohe Seele umschlossen hat, von Gewehrkolben erschlagen wurde«20 (»Bei ihren botanischen Kenntnissen u. ihrer Vorliebe für Blumen hätte sie jedenfalls auch in einer größeren Gärtnerei lohnende u. befriedigende Beschäftigung gefunden u. hätte dann gewiß keine Bekanntschaft mit dem Gewehrkolben gemacht«21 und in dieser Tonart weiter). Kraus hat, auf diese Zuschrift antwortend, die Praxis des Kommunismus zum Teufel gewünscht, aber Gott gebeten, ihn uns zu erhalten […] als konstante Drohung über den Häuptern jener, so da Güter besitzen und alle andern zu deren Bewahrung und mit dem Trost, daß das Leben der Güter höchstes nicht sei, an die Fronten des Hungers und der vaterländischen Ehre treiben möchten. Gott erhalte ihn uns, damit dieses Gesindel, das schon nicht mehr aus und ein weiß vor Frechheit, [...] wenigstens doch auch mit einem Alpdruck zu Bette gehe! Damit ihnen wenigstens die Lust vergehe, ihren Opfern Moral zu predigen, und der Humor, über sie Witze zu machen!22

Benjamin hat Kraus’ Sprache »eine menschliche, natürliche und edle Sprache« (GS II, 366) genannt und ihn für seine kritische Arbeit der Zerstörung als Boten eines »realeren Humanismus«, als den »Überwinder der Phrase« bezeichnet. Er stellt ihn an die Seite von Adolf Loos mit seinem Kampf gegen den Drachen »Ornament«, von Paul Scheerbart und von Klees »Neuem Engel«, dem Raubengel mit seinen Krallenfüßen, »welcher die Menschen lieber befreite, indem er ihnen nähme, als beglückte, indem er ihnen gäbe« (367). Der Illusion über den Geschichtsverlauf als ein Kontinuum unter der Signatur des Fortschritts, die der Engel nehmen will, treten andere Verkleidungen zur Seite: die phraseologischen, ornamentalen, irrealen Sprachschleier, in die die Macht sich hüllt und gegen die Kraus (die Phrase), Loos und Scheerbart (das Ornament) wie auch Brecht (mit der Armut und Nüchternheit des Herrn Keuner gegen die bürgerlich ideologische Rede) den Kampf aufgenommen haben. In einer Variante dieser Passagen hat Benjamin neben Kraus, Scheerbart, Loos, Brecht und Klee noch Ringelnatz und Salomo Friedländer genannt und in einem Auswandererschiff namens »Die Armut« (vgl. 1112) versammelt, die den Exodus (in freier Adaptation des wirkmächtigen alttestamentarischen Narrativs aus dem 2. Buch Mose) aus einem Europa des phraseologisch gewordenen

20 Die Fackel, hg. v. Karl Kraus, 22 (Juli 1920) 546–550, S. 5. 21 Die Fackel, hg. v. Karl Kraus, 22 (November 1920) 554–556, S. 6. 22 Ebd., S. 8. Zum ganzen Vorgang und zum historischen Kontext vgl. die instruktive Dokumentation: Karl Kraus – Rosa Luxemburg. Büffelhaut und Kreatur. Die Zerstörung der Natur und das Mitleiden des Satirikers, hg. u. mit einem Nachwort v. Friedrich Pfäfflin, Berlin (Friedenauer Presse) 2009.

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und nurmehr kulturidealistisch verwalteten ›Humanismus‹ vollziehen. Sie alle, heißt es von der vielstimmigen Gruppe, die das privative, das nehmende, zerstörerische, entstaltende, satirisch groteske, aber zugleich auch das kontrolliert konstruktiv-technische Moment einer ästhetischen Moderne verbindet, »stoßen von den alten Ufern, den überreichen Tempeln voll von edlen, mit Opfergaben feierlich behängten Menschenbildern, ab, um sich dem nackten Zeitgenossen zuzuwenden, der schreiend wie ein Neugeborener in den schmutzigen Windeln dieser Epoche liegt« (1112). Entscheidend an diesem Bild ist die in ihm enthaltene Entgegensetzung von Alt und Neu. Von den »alten Ufern« stoßen sie ab – es ist der Exodus aus der historistischen Kulturreligion des 19. Jahrhunderts, aus dem falschen Reichtum ihrer Tempel und dem Glanz ihrer Kulturaltäre mit den Feier und Opfer fordernden Menschenbildern; sein Ziel ist die Ankunft in der Gegenwart, die Begegnung mit der unverstellten, nackten, schreienden Zeitgenossenschaft (auch als Selbstbegegnung) unter der Signatur der Erneuerung, des Neuen. Eine der Bedeutungen der alttestamentarischen Geschichte ist, wie Michael Walzer gezeigt hat, der »Exodus als Revolution«; der »Exodus ist ein Bericht von Rettung oder Befreiung, ausgedrückt durch religiöse Begriffe – aber er ist auch ein säkularer, das heißt ein diesseitiger, innerweltlicher und historischer Bericht«.23 Benjamins bewusste Transformation einiger Bildelemente (Ufer, überreiche Tempel, Opfergaben) des effektiv präsenten, alttestamentarischen Narrativs kann so auch die Konsequenz einer ethisch-aktivistischen, asketischen Haltung (vgl. auch GS II, 1112)24 plausibel machen, die das Neue in der bewussten Reduktion, im bewussten Rückgang auf Weniges, auf elementare Gestaltung und Konstruktion sucht. Die Stoßkraft des geschichtstheoretischen Gedankens ist transformiert in eine radikale künstlerische, kulturelle Praxis der bestimmten Negativität und ihre theoretische Selbstreflexion; d. h. auch, dass solche Bestimmungen der Kunst Paul Klees in das Verständnis des ›Angelus Novus‹ eingehen, mit anderen Worten: dass die Formensprache des Bildes mit ihrer entstaltenden Phantasie selber konstitutives Moment seiner Botschaft ist.

23 Michael Walzer: Exodus und Revolution, aus dem Amerik. v. Bernd Rullkötter, Berlin (Rotbuch Rationen) 1988, S. 17–20. 24 Vgl. ebd., S. 43–50. Der Auszug aus Ägypten bedeutet demnach neben der Ablehnung der ägyptischen Knechtschaft auch den Bruch mit dem Land einer überreifen, korrupten Hochkultur, seines übermäßigen und kitschigen Luxus und seiner Götzenanbeterei, verbunden mit einem gewissen Wüstenpuritanismus. Der Begriff des Exodus hat in der aktuellen sozialwissenschaftlichen Diskussion wieder an Bedeutung gewonnen. Vgl. Neue Zeitschrift für Sozialforschung, WestEnd (2014) 1, Thema: Exodus. Leben jenseits von Staat und Konsum 2, S. 61–130.

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III Benjamins Wahrnehmung der Geschichte als ein Diskontinuum geht einher mit der Ausrichtung auf die katastrophale Gegenwart als Ausgangs- und Zielpunkt; diese erscheint als Gegenstand einer Prophetie, die die Unterbrechungen des schlechten Kontinuums zum Ausgangspunkt der theoretischen Konstruktion von Geschichte macht. Unterbrechung und Ereignishaftigkeit im historischen Augenblick geben ihr die Einsatzstellen vor. Der historische Materialist, heißt es, bezieht seine Gegenwart auf prophetisch zu lesende Texte der Vergangenheit. So stellt sich die Frage, ob ein veränderter, kritischer Begriff des Fortschritts denkbar ist, der seinen prophetischen Erwartungshorizont im Erfahrungsraum der Gegenwart hat, und weiter: Wie kann sich ihm noch das Neue, ein Neues darstellen? Eine Antwort darauf wurde an der Transformation der Exodus-Erzählung erörtert. Es gibt eine weitere, auf die ein Notat aus der Passagenarbeit führt: »Fortschritt ist nicht in der Kontinuität des Zeitverlaufs sondern in seinen Interferenzen zu Hause: dort wo ein wahrhaft Neues zum ersten Mal mit der Nüchternheit der Frühe sich fühlbar macht.« (GS V, 592 f.) Damit kommt eine Konstellation von Denkfiguren ins Spiel, bei der man allenfalls von einer geheimen transtextuellen Beziehung sprechen könnte. Deshalb kehre ich die bisherige Blickrichtung von Benjamins Text auf einen zugrundeliegenden, vergangenen um und nehme von einer Denkfigur Heinrich Heines her einen Text in den Blick, in dem Benjamin ein »wahrhaft Neues«, ja Fortschrittliches aus Überlagerungen, Überschneidungen im Zeitverlauf herleiten und begründen will. Um das von den modernen Geschichtsphilosophien bevorzugte »Zeitmodell des Chronos«, die »durch die Narration als sinnhaft suggerierte Aufeinanderfolge aller Zeitpunkte«,25 um die Darstellung von Entwicklung handelt es sich dabei nicht. Es geht um eine verborgene theoretisch-strukturelle Korrespondenz in der Geschichtskonzeption beider Autoren, in der Figuraldeutung von Geschichte. Erich Auerbach hat das Konzept knapp dargestellt: Die Figuraldeutung, ursprünglich auf die Interpretation des Alten Testaments bezogen, dessen einzelne Episoden als Figuren oder Realprophezeiungen der Ereignisse eines Neuen gedeutet werden (das Opfer Isaacs als Präfiguration des Opfers Christi), »enthält die Deutung eines innerweltlichen Vorgangs durch einen anderen; der erste bedeutet den zweiten, der zweite erfüllt den ersten. Zwar bleiben beide innergeschichtlich geschehene Ereignisse; aber doch enthalten beide, in dieser

25 Ralf Konersmann: »Walter Benjamins philosophische Kairologie« (Nachwort), in: Walter Benjamin: Kairos. Schriften zur Philosophie, ausgewählt u. mit einem Nachwort v. dems., Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 2007, S. 332.

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Betrachtungsweise, etwas Vorläufiges und Unvollständiges«.26 Zur Figuralprophetie wird die Figuraldeutung, wenn beide Figuren bzw. Ereignisse »aufeinander« weisen und beide »auf etwas Zukünftiges« vorausdeuten, »welches erst noch bevorsteht und welches erst das Eigentliche, voll und wirklich und endgültig Geschehende sein wird«.27 Die figurale Auffassung ist eine grundsätzlich andere als diemoderne »Vorstellung von der geschichtlichen Entwicklung« als »fortlaufend-allmähliche Deutung in der niemals abreißenden horizontalen Linie des weiteren Geschehens« – mit Benjamin gesprochen von der Geschichte als einem Kontinuum –, »die Ereignisse werden nicht in ihrer ununterbrochenen Verknüpfung untereinander, sondern voneinander abgerissen, als einzelne, im Hinblick auf ein noch ausbleibendes verheißenes Drittes betrachtet«.28 Die zwei weder zeitlich noch kausal miteinander verbundenen Ereignisse bzw. Figuren (resp. die Figuren als Ereignisse) sind allein durch einen intellektuellen Akt in einen vertikalen Zusammenhang gebracht, bei dem die Höhe von der Gegenwart bzw. der Zukunft eingenommen wird. Benjamins geschichtstheoretische Konstruktion findet sich nicht in den Thesen, sondern einige Jahre zuvor in seinem Essay Erfahrung und Armut (1933); die Textpassage Heines ist dem zeitdiagnostisch theoretischen Prosastück Französische Maler aus dem Jahr 1831 entnommen. In ihr geht es, Benjamins Überlegungen insofern verwandt, in Figuraldeutung und -prophetie um die Möglichkeit einer neuen Kunst, die sich im Einklang mit der Zeitbewegung wissen soll. Heines vertikale Konstruktion geht von Athen und Florenz, von Phidias und Michelangelo aus: »Phidias und Michelangelo waren Männer aus einem Stück, wie ihre Bildwerke, und wie diese zu ihren griechischen und katholischen Tempeln passten, so standen jene Künstler in heiliger Harmonie mit ihrer Umgebung; sie trennten nicht ihre Kunst von der Politik des Tages, sie arbeiteten nicht mit kümmerlicher Privatbegeisterung, die sich leicht in jeden beliebigen Stoff hineinlügt« etc. Es folgt die Figuralprophetie auf Heines Gegenwart und Zukunft: »Indessen, die neue Zeit wird auch eine neue Kunst gebären, die mit ihr selbst in begeistertem Einklang seyn wird, die nicht aus der verblichenen Vergangenheit ihre Symbolik zu borgen braucht, und die sogar eine neue Technik, die von der seitherigen verschieden, hervorbringen muß.«29 26 Erich Auerbach: »Figura«, in: ders.: Gesammelte Aufsätze zur romanischen Philologie, Bern/ München (Francke) 1967, S. 80. 27 Ebd. 28 Ebd., S. 81. 29 Heinrich Heine: Französische Maler. Französische Zustände. Über die französische Bühne, Historisch-kritische Gesamtausgabe der Werke, Düsseldorfer Ausgabe, hg. v. Manfred Windfuhr, Bd. 12/1, Hamburg (Hoffmann und Campe) 1980, S. 47. Auf die für Figuraldeutung und -prophetie sonst einschlägige Passage aus Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland sei des Vergleichs und der Problematik halber verwiesen: »[S]eit Luther hat Deutschland keinen größeren und besseren Mann hervorgebracht, als Gotthold Ephraim Lessing. Diese beiden sind unser Stolz und unsere Wonne. In der Trübniß der Gegenwart schauen wir hinauf nach

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So weit Heine. Der korrespondierende Text Benjamins aus Erfahrung und Armut, gut hundert Jahre später geschrieben, führt ebenfalls Figuraldeutung vor, von Geschehnissen und Namen – eine Aufeinanderfolge von philosophischen, wissenschaftlichen, künstlerischen Ereignissen, aber nicht dargestellt in einer ununterbrochenen Verknüpfung untereinander, sondern voneinander abgerissen, diskontinuierlich, als einzelne, die in ihrem Verweisungscharakter vertikal gebunden werden durch die Begriffe Konstruktion und Neuanfang mit Wenigem. Der Text lautet: Unter den großen Schöpfern hat es immer wieder Unerbittliche gegeben, die erst einmal reinen Tisch machten. Sie wollten nämlich einen Zeichentisch haben, sie sind Konstrukteure gewesen. So ein Konstrukteur war Descartes, der zunächst einmal für seine ganze Philosophie nichts haben wollte als die einzige Gewissheit: »Ich denke, also bin ich« und von der ging er aus. Auch Einstein war ein solcher Konstrukteur, den plötzlich von der ganzen weiten Welt der Physik gar nichts mehr interessierte, als eine einzige kleine Unstimmigkeit zwischen den Gleichungen Newtons und den Erfahrungen der Astronomie. Und dieses Vonvornbeginnen hatten die Künstler im Auge, als sie sich an die Mathematiker hielten und die Welt wie die Kubisten aus stereometrischen Formen aufbauten, oder als sie wie Klee sich an Ingenieure anlehnten. (GS II, 215 f.)

Der Begriff der Konstruktion steht im Zentrum dieser Überlegungen, die aber nicht etwa einer Logik voraussetzungsloser Innovation folgen, sondern mit einem historischen Rückblick einsetzen. Im narrativen Gestus greift Benjamin wie selbstverständlich wiederum einen von ihm ansonsten heftig befehdeten Topos der Genieästhetik auf, die Figur des Schöpfers, und schreibt ihm die klassische Formel absoluter Innovation einer auf Zukunftsreferenz festgelegten Moderne, die tabula rasa, zu: »Unter den großen Schöpfern hat es immer die Unerbittlichen gegeben, die erst einmal reinen Tisch machten.« (215) Doch er nimmt die Metapher sogleich wörtlich, und indem er sie derart auf das konkrete Ding, den technischen Arbeitstisch, zurückführt, inszeniert er den Übergang, die Verwandlung des alten in den neuen Begriff. Anders gesagt: Er substituiert die genieästhetische Metapher durch den Begriff des Konstrukteurs und verleiht ihm damit, beginnend mit dem Philosophen Descartes, eine bis weit ins 20. Jahrhundert kulturidealistisch verweigerte Dignität. Nach Descartes setzt Benjamin die Reihe der Konstrukteure mit einem Physiker fort: »Auch Einstein war ein solcher Konstrukteur, den plötzlich von der

ihren tröstenden Standbildern und sie nicken eine glänzende Verheißung. Ja, kommen wird auch der dritte Mann, der da vollbringt was Luther begonnen, was Lessing fortgesetzt. Der dritte Befreyer – Ich sehe schon seine goldne Rüstung, die aus dem purpurnen Kaisermantel hervorstrahlt, wie die Sonne aus dem Morgenrot.« (DHA [8/1, 73]).

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ganzen weiten Welt der Physik gar nichts mehr interessierte, als eine einzige kleine Unstimmigkeit zwischen den Gleichungen Newtons und den Erfahrungen der Astronomie.« (Ebd.) Und er gelangt schließlich nach dem Philosophen und dem Physiker zur bildenden Kunst seiner Zeit, zu jenen Künstlern, die »dieses selbe Vonvornbeginnen« im Auge hatten, »als sie sich an die Mathematiker hielten und die Welt wie die Kubisten aus stereometrischen Formen aufbauten, oder als sie wie Klee sich an Ingenieure anlehnten.« (Ebd.) Klees Figuren, fügt er hinzu, seien »wie auf dem Reißbrett entworfen« und indem sie diesem inneren, konstruktiven Aufriss folgten, gehorchten sie »im Ausdruck ihrer Mienen« diesem »Innern mehr als der Innerlichkeit«, das mache sie »barbarisch« (216). Diese Darstellung verabsolutiert eine Dimension in der Kunst Klees, die funktional konstruktivistische, die in der Lehre am Bauhaus deutlich hervortritt, vernachlässigt darüber aber an dieser Stelle die spielerische und poetisch phantastische. Die mit den drei Namen Descartes, Einstein, Klee verbundenen, aus Konstruktion und Experiment hervorgegangenen Denk- und Bildakte werden aufgerufen als unverwechselbare Zeitpunkte, Augenblicke, in denen ein wahrhaft Neues sich zum ersten Mal zeigt. Die Figuraldeutung verbindet sich hier ersichtlich mit der Rede vom Kairos, die den »einen, unverwechselbaren Zeitpunkt, seine Plötzlichkeit und intensive Bedeutungshaltigkeit«30 meint; sie ist hier in ihrer antiken, doch historisch-anthropologisch gedeuteten Gestalt präsent, nicht wie bei Tillich in einer Verschränkung mit messianistischem Denken.31 Von der Figuraldeutung her gesehen erhält Benjamins Konstruktion mit ihrem Telos, das »Kontinuum der Geschichte aufzusprengen« (GS I, 702) ganz ähnliche Bedeutungsdimensionen, indem jene ebenfalls auf einen Begriff der historischen Zeit hinausläuft, der mit der modernen Vorstellung von der niemals abreißenden horizontalen Linie des weiteren Geschehens bricht. Mit ihr steht Benjamins Konstruktion »im Gegensatz zu der Vorstellung von einem zeitlichen Kontinuum« (1245) und wie sie bezieht seine Konstruktion erst aus der Diskontinuität, aus der Unterbrechung, ihre Kraft, Geschichte von Augenblick zu Augenblick neu zu konstruieren, in der einmaligen Ereignishaftigkeit vollkommen innovativer Denk- und Bildakte. In Benjamins Figuraldeutung ist jeweils das Pathos des Anfangs im Denk- und Bildakt selber festgehalten, schon der Verweischarakter des einen auf den anderen erscheint problematisch, auch im Hinblick auf den Konstrukteur. Jedenfalls, wenn man für die Darstellung des Descartes Paul Valéry heranzieht, dessen Texte in Benjamins Text, gelegentlich wörtlich, effektiv präsent sind. Bei Valéry heißt es: »Was wird dieses ICH von Descartes machen? Da es seine Grenzen

30 Konersmann: »Walter Benjamins philosophische Kairologie« (Anm. 25), S. 332. 31 Eine Nähe der XIV. These zu Tillichs Begriff des Kairos vermutet Adorno in einem Brief an Max Horkheimer vom 12.06.1941, um Benjamin idealistische Befangenheit zu unterstellen (WuN XIX, 314). Davon kann wohl keine Rede sein.

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nicht kennt, wird es alles machen oder alles neu machen wollen. Doch zunächst einmal reinen Tisch. Alles, was nicht von diesem ICH kommt oder nicht aus ihm gekommen wäre, all das ist nichts als Gerede, Worte.«32 Ein Gedanke, der sich fast schon die immanenten Schranken einer Tabula rasa-Moderne bewusst hält. Die Problematik einer Figuraldeutung durch die als sinnhaft suggerierte diskontinuierliche Folge instantaner Konstellationen eines wahrhaft Neuen zeigt sich, wenn man die Schlussfolgerungen Valérys aus Eine Ansicht von Descartes (1941) hinzunimmt; darin sind schon die allerdings erst bei einer auf die historische Entwicklung bedachten Betrachtungsweise in den Blick kommenden vereinförmigenden und entqualifizierenden Folgekosten für die kulturelle Moderne, die Verluste durch dieses Neue unnachsichtig festgehalten – und dies bei einer dem Cartesianismus eher verbundenen Haltung. Denn hier wird Descartes die größte Verantwortung für Verlauf und Physiognomie des Zeitalters der Moderne zugeschrieben, für eine »Quantifizierung des Lebens« und die folgenreiche »Entwertung all jener Erkenntnisse, die sich nicht in arithmetische Relationen übertragen lassen«.33 Damit werden die in Benjamins Adaptation der Figuraldeutung als Figuralprophetie seiner historischen Gegenwart enthaltenen Leerstellen deutlich und zugleich auch die Problematik dieser aus theologischen Prämissen abgeleiteten Auffassung von Geschichte, die doch zugleich die Möglichkeit eines wahrhaft Neuen behaupten soll, im Spannungsfeld der Moderne selber. Benjamins Verfahren historisch-theoretischer Konstruktion ist durch eine experimentelle Offenheit zumal in seinem bildhaften Denken ausgezeichnet; er nutzt das Register der Transtextualität ebenso, wie er es versteht, das der mittelalterlichchristlichen Wirklichkeitsanschauung entlehnte Verfahren der Figuraldeutung aufzugreifen, den Kairos historisch-anthropologisch und das alttestamentarische Narrativ des Exodus historisch innerweltlich aufzufassen, um- und fortzuschreiben. Wenn er derart mehrere Weisen eines tradierten Denkens in Bildern umdeutend durchspielt, entspricht er in seinem Denken selber der so erschlossenen Vielstimmigkeit einer historischen ästhetischen Moderne, die noch die ältesten überlieferten Formen bildhaften Denkens und Erzählens zu überschreiben und als Reflexionsmedium für die Gegenwart produktiv zu machen versteht. So bedarf es der Figuren ältester Bilder-Rede, nicht um eine Wiederkehr des Gleichen zu beglaubigen, sondern um den Erwartungshorizont der Erneuerung offen, die Möglichkeit des wahrhaft Neuen lebendig zu erhalten.

32 Paul Valéry: Werke, Bd. 4: Zur Philosophie und Wissenschaft, hg. v. Jürgen Schmidt-Radefeldt, Frankfurt a. M. (Insel) 1989, S. 33. 33 Ebd., S. 48. Vor Zeiten war Descartes für Valéry der »erste Konstrukteur eines völlig metrischen Universums«, der es ermöglicht hat, »dieses Universum als einen riesigen Mechanismus« (ebd., S. 25) zu behandeln.

Jens Birkmeyer

Mikrozeiten und Zeitreserven Temporalität in Walter Benjamins Berliner Kindheit um neunzehnhundert Dimensionen der Zeiterfahrung Die folgenden Überlegungen behandeln Phänomene der Temporalität und Zeitchoreographie in Walter Benjamins Prosamix Berliner Kindheit um neunzehnhundert. Es gilt darüber nachzudenken, inwieweit es sich hierbei um ein ästhetisch induziertes Zeitarrangement handelt, von dem sich sagen ließe, dass in Augenblicken dieser faszinierenden Erinnerungsbilder die Zeit poetologisch konzeptionell geordnet, doch nicht instrumentell hierarchisiert wird.1 Sollen also Zeitphänomene im ästhetischen Modus betrachtet werden, so wird es unverzichtbar sein, sich der ästhetisch realisierten Zeitvarianten so zu versichern, dass eine minimale Zeitphilosophie formulierbar ist, die mehr besagt als eine rein systematisierende Zeitkasuistik. Von einer mikrologischen Zeitrettung könnte dann gesprochen werden, wenn unter dem Modus der Erinnerung dieser autobiographischen Sequenzen nicht allein Aspekte der Verräumlichung und Topographie verstanden werden, sondern stattdessen auch jene Zeitreserven in den Blick genommen werden, die besonders im Modus der Selbstwahrnehmung beim Erinnern hervorgebracht werden. Ich möchte die These vertreten, dass Benjamin als Zeitsammler, Zeitbewahrer und als uchronischer Zeitphysiognomiker auf der Grundlage einer tendenziellen Stillstellung von Zeit in diesen prosaischen Bildsequenzen gegenläufig geradezu multiple und dynamisierte Zeitphänomene und Zeiterfahrungen hervorbringt. Da diese an einen bestimmten rekursiven Wahrnehmungsmodus gebunden sind, werden zunächst Phänomene dieses Modus behandelt, um anschließend damit einhergehende Typen ästhetischer Eigenzeiten zu benennen und diese im Zusammenhang mit einer strukturierenden Logik der uchronischen Zeitlichkeit in der Berliner Kindheit zu denken. Es wird daher die hypothetische Vermutung zu überprüfen sein, ob Benjamins Texte in zeittheoretischer Perspektive nicht allein um die Denkfigur einer 1 Einen einführenden Überblick zu Benjamins Text bietet Anja Lemke: »Berliner Kindheit um neunzehnhundert«, in: Burkhardt Lindner (Hg.): Benjamin-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung, unter Mitarbeit v. Thomas Küpper/Timo Skrandies, Stuttgart/Weimar (Beck) 2006, S. 653–663.

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stillgestellten Zeit kreisen, sondern in diesem autobiographischen Setting variable Zeitformen so pluralisiert und dynamisiert werden, dass der Eindruck entstehen kann, eine fixe und leere Zeit an sich existiere für Benjamin in diesem Schreibkontext gar nicht. Eher wäre sie allein als eine ontische Qualität in Relation zu divergierenden und differenten Lebens-Geschwindigkeiten zu verstehen, etwa im Sinne von Wahrnehmungstempi, Vorstellungsmaßen und Aufmerksamkeitsspannen. Statt von Zeitverläufen wäre sodann gezielt von unterschiedlichen Aggregatzuständen und Qualitäten von Zeit zu sprechen, die genuin erst als kontrastierende, sich überlagernde und ergänzende Zeitformen im ästhetischen Modus selbst in Erscheinung treten und durch diesen hervorgebracht werden. Vor allem die Sphäre der »Organisation der Wahrnehmung in der Zeit« (GS I, 439) ist es, von der Benjamin im Kunstwerkaufsatz spricht und die auch im Erinnerungskosmos der Berliner Kindheit von besonderem Belang ist. Gerade unter dem Aspekt der Formen von Zeiterfahrung, die im Imaginationsfeld literarisch fixierter Erinnerungen maßgeblich sind, ist auf deren Doppelcharakter hinzuweisen, denn sie werden ebenso durch den ästhetischen Akt hervorgebracht, wie sie diesem selbst inhärent sind und ihn bestimmen. Ist die Zeitdimensionalität einer solchen Prosa sowohl ästhetischer Ausdruck als auch ausgedrückt Ästhetisches, dann geht es in einer phänomenologisch ausgerichteten Lektüre, die methodisch um eine repräsentative Exemplifizierung bemüht ist, darum, die Zeitlichkeit der Wahrnehmungsstrukturen und die damit verbundene Ordnung der Wahrnehmung selbst in den Blick zu nehmen und nicht allein textuelle Motive der Zeitlichkeit aufzuweisen und zu benennen. Es kann von einem Versuch gesprochen werden, eine inhärente heterochronische Zeitstruktur sichtbar zu machen, der es vor allem auch darum geht, die zertrennten, disparaten und heterogenen Zeiten zusammenzuführen. Eine vor allem raumorientierte Lektüre der Berliner Kindheit wäre insofern um eine heterochronische zu erweitern und auszudifferenzieren, die aufzuweisen hat, wie das imaginierte Erinnerungs-Ich in diesen Prosaminiaturen neben seiner virtuosen Verortung in Raumkontexten und Ortszusammenhängen eben auch sich in multiplen Zeitsphären sowohl narrativ hervorbringt als auch figurativ markiert, indem es sich zugleich mit einem ausgewiesenen Sinn für Zeit in der Zeit und zu der Zeit positioniert. Benjamins Stücke lassen sich in dieser Hinsicht als einen Zeitspeicher divergierender Zeitschichtungen beschreiben, deren heterochronische Zeitstruktur zwei basale Dimensionen zum Ausdruck bringt: zum einen getrennte und heterogene Zeiten zusammenzuführen und zum anderen Zeitmodellierungen in und durch den ästhetischen Akt aisthetischer Wahrnehmung und ästhetisch ausgestalteter Erinnerung hervorzubringen und erscheinen zu lassen. Benjamin entwirft indes nicht bloß eine narrativ choreographierte Erinnerungswelt. Diese bietet zudem Raum und Gelegenheit für den Erzähler, sich selbst darin

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als angeschaut Anschauender seiner Gegenwart zu erfahren. In Martin Seels Überlegungen zur Ästhetik heißt es diesbezüglich: In dieser Aufmerksamkeit für das momentane Spiel der Erscheinungen entsteht ein anschauendes Bewußtsein von Gegenwart – ein Bewußtsein eines Hier und Jetzt, daß [sic!] zugleich ein Bewußtsein meines Hier und Jetzt umfaßt. […] Es geht den Subjekten der ästhetischen Wahrnehmung um ein Verspüren der eigenen Gegenwart im Vernehmen der Gegenwart von etwas anderem. In der sinnlichen Präsenz des Gegenstands werden wir eines Augenblicks unserer eigenen Gegenwart inne.2

Im Hinblick auf die Zeitdimension dieses Erfahrungsmodus markieren zeitliche Abgrenzungen »nicht allein den Rahmen ästhetischer Vollzüge, sie benennen auch das, was sich innerhalb dieses Rahmens ereignet«.3 Neben dieser Sphäre der Wahrnehmungszeiten ist ebenfalls jene der Zeitwahrnehmung selbst zu berücksichtigen, zumal »epische Kurzformen der Moderne und Postmoderne Formen polychroner Zeitgestaltung figurieren und deren Medialität ausstellen«.4 Fraglos ist Zeit zwar »immer auch räumlich zu denken«,5 jedoch nicht ausschließlich, sobald nämlich Konstellationen der Selbst-Wahrnehmung im Zusammenhang mit ästhetischen Einstellungen in den Blick geraten, was an der Miniatur Das bucklichte Männlein gezeigt werden kann. Geht man anstelle einer dichotomischen Relation zwischen Raum und Zeit von einer »anthropologischen Raumund Zeit-Optik«6 aus, von der Burkhardt Lindner im Hinblick auf Benjamins Korrekturbemühungen um einen nicht-historistischen Begriff von Geschichte und Geschichtsschreibung spricht, dann wären die hier anzusprechenden Zeitlichkeitsphänomene vor allem in ihrer optischen Perspektivität darzustellen.

Zeit der Wahrnehmung und Selbstwahrnehmung Hinsichtlich des Erinnerungskonzepts der Berliner Kindheit ist bekanntlich immer wieder ausführlich auf den immanenten Zusammenhang von Topo2 Martin Seel: Ästhetik des Erscheinens, München/Wien (Carl Hanser) 2000, S. 62. 3 Ebd., S. 44. 4 Claudia Öhlschläger: »Augenblick und lange Dauer. Ästhetische Eigenzeiten in epischen Kurzformen der Moderne und Gegenwart«, in: dies./Lucia Perrone Capano (Hg.): Figurationen des Temporalen. Poetische, philosophische und mediale Reflexionen über Zeit, Göttingen (V&R unipress) 2013, S. 93–106, hier S. 93. 5 Ebd., S. 7. 6 Burkhardt Lindner: »Benjamins Optik. Anthropologischer Materialismus und die Zeit der Geschichtserkenntnis« (verfügbar unter: http://faustkultur.de/1612-0-Lindner-BenjaminsOptik.html#.U4GmeCj6vF_, abgerufen am 20.05.2014).

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graphie und Räumlichkeit mit den Erinnerungsverläufen und dem Erinnern selbst hingewiesen worden.7 Dagegen scheinen jedoch Phänomene der Zeitlichkeit von Wahrgenommenem und Wahrnehmung der in den Prosaminiaturen entfalteten Episoden, Stimmungen und Sichtweisen bislang weniger intensiv beachtet worden zu sein. Dies betrifft insbesondere Deutungsperspektiven auf die ästhetische Eigenzeit von Wahrnehmungsvorgängen nicht allein in den Prosaminiaturen, sondern vor allem auch durch diese selbst. Damit ist eine narrative Sphäre in diesen Erzählstücken angesprochen, die sich vor allem aus der Wahrnehmung der Wahrnehmung speist und die einen eigenen Mix aus pluralen und divergierenden Zeitmaßen und Zeitmomenten, mithin eine verdichtete Zeiterfahrung, hervorbringt. Die Berliner Kindheit ist weit mehr als ein lediglich auf Vergangenheitsrekonstruktion ausgerichteter autobiographischer Erinnerungstext.8 Liest man ihn ausschweifender etwa als eine artifizielle Einsamkeitsübung, dann erscheint besonders die Aufspaltung des Erzählers in ein Erinnerungs-Ich und in ein »Mich der Wahrnehmung«9 von Bedeutung, weil sich diesbezüglich differente Zeitmaße des Erinnerns und des Erinnertwerdens unterscheiden lassen. Es ist Benjamins besondere doppelte Wahrnehmungsweise, die in den Prosastücken sodann eine raffinierte Zeiterkundung ermöglicht und hervorbringt. Seine Methode besteht zunächst darin, aus dem autofiktionalen Narrativ markante Bildräume herauszukristallisieren und zu verdichten. So verstanden sind Bilder nicht diskursiv erzeugbare responsive Evidenzen mit doppelter Blickrichtung: zum Bild hin und vom Bild aus. Das kindliche Nachsehen als einem NachSehen wird etwa im Rebus Das bucklichte Männlein über das Missgeschick hinaus auf den Prozess des Vergessens selbst ausgedehnt, indem die Trennlinie zwischen Bild und Sinnbild tendenziell eingeebnet wird: »Wen dieses Männlein ansieht, gibt nicht acht. Nicht auf sich selbst und auf das Männlein auch nicht. [...] Wo es erschien, da hatte ich das Nachsehn. Ein Nachsehn, dem die Dinge

7 Die Vielzahl an Publikationen ist hier nicht aufzuführen. Vgl. insb. auch: Detlev Schöttker: Konstruktiver Fragmentarismus. Form und Rezeption der Schriften Walter Benjamins, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 1999, S. 221–266. 8 Diesen Zusammenhang habe ich an anderer Stelle ausführlich dargestellt, vgl. hierzu: Jens Birkmeyer: »Rettendes Erinnern. Die Ordnungen des Gedächtnisses im Werk Walter Benjamins«, in: ders./Thomas Kleinknecht/Ursula Reitemeyer (Hg.): Erinnerungsarbeit in Schule und Gesellschaft. Ein interdisziplinäres Projekt von Lehrenden und Studierenden der Universität in Zusammenarbeit mit dem Geschichtsort Villa ten Hompel, Münster (Waxmann) 2007, S. 35–55. 9 Lambert Wiesing: Das Mich der Wahrnehmung. Eine Autopsie, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 2009.

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sich entzogen«.10 Angesprochen ist in diesem »Nachsehn« gleichsam ein Zeitregime, das sich zwischen bewusstem Erinnern und ungewusstem, nicht mehr verfügbarem Vergessen aufspannt. Liest man diese Miniatur jedoch aus einer eher bildphänomenologischen Perspektive, die nicht dezidiert die Allegorie des Erinnerns und Vergessens favorisiert oder den psychologisch-pädagogischen Assoziationsraum des Kindes rekapituliert, dann rückt unmittelbar die Wahrnehmung des Wahrnehmens selbst in den Vordergrund: »So stand das Männlein oft. Allein, ich habe es nie gesehn. Es sah nur immer mich.« (BK, 79) Diese Dialektik der Selbstbeachtung deutet an, dass die provozierte Unachtsamkeit die Voraussetzung dafür darstellt, sich seinerseits als einen anderen zu bemerken, wobei die Unachtsamkeit des Ich erst die Achtsamkeit des Mich hervorbringt. Benjamins autonoetische Erinnerung ermöglicht es, sich selbst als Mich, also als ein Ich im Modus der Wahrnehmung durch ein anderes Selbst überhaupt zu bemerken und damit als ein Selbst, das auf ästhetische Weise in einen ethischen Kontext gestellt ist.11 Der Bildgehalt wird auf diese Weise für den Erzähler beobachtbar, und das Medium des Erzählformats liefert den Anlass, im Bildraum die Position der Wahrnehmung zu verändern: »Erst heute weiß ich, wie er geheißen hat. Meine Mutter verriet mir das. ›Ungeschick läßt grüßen‹, sagte sie, wenn ich etwas zerbrochen hatte oder gefallen war. Und nun verstehe ich, wovon sie sprach. Sie sprach vom bucklichten Männlein, welches mich angesehen hatte.« (BK, 78) Durch einen Zeitsprung lässt sich im Nachhinein die Redensart der Mutter verstehen, die eigene Entstellung in der kindlichen Dingwelt, den unsichtbaren Vollzug des Vergessens, aber auch, und darauf kommt es hier besonders an, sein wisperndes Hineinragen in die Gegenwartszeit: »Es hat längst abgedankt« (BK, 79), wobei in der Gießener Fassung die Formulierung zu finden ist: »Jetzt hat es seine Arbeit hinter sich.«12 Gemeint ist offenkundig die Arbeit an der 10 Walter Benjamin: Berliner Kindheit um neunzehnhundert, mit einem Nachwort v. Theodor W. Adorno u. einem editorischen Postskriptum v. Rolf Tiedemann, Fassung letzter Hand u. Fragmente aus früheren Fassungen, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 1996, S. 79. Im weiteren Text wird für diese Fassung die Sigle BK mit Seitenzahlen verwendet. – Zur editorischen Lage der publizierten Fassungen der Berliner Kindheit um neunzehnhundert, zur posthumen Publikationsgeschichte sowie zu den bislang unveröffentlichten Konvoluten aus dem Nachlass vgl. insb. die exzellente Studie von Burkhardt Lindner: »Schreibprozeß, Finisierung und verborgene Erinnerungstheorie in Benjamins Berliner Kindheit. Zur erstmaligen Edition des Gesamtnachlasses«, in: Peter Brandes/Burkhardt Lindner (Hg.): Finis. Paradoxien des Endes, Würzburg (Königshausen & Neumann) 2009, S. 83–128. 11 Den hier angesprochenen Zusammenhang habe ich an anderer Stelle ausführlicher behandelt. Vgl. Jens Birkmeyer: »Augen-Blicke und Einbildungen. Kritik der Achtsamkeit in Walter Benjamins ›Berliner Kindheit um neunzehnhundert‹«, in: Zeitschrift für kritische Theorie 18 (2012) 34/35, S. 104–125. 12 Walter Benjamin: Berliner Kindheit um neunzehnhundert, Gießener Fassung, hg. u. mit einem Nachwort v. Rolf Tiedemann, Frankfurt a. M (Suhrkamp) 2000, S. 111. Im weiteren Text wird für diese Ausgabe die Sigle BK/GF mit Seitenzahl verwendet.

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Architektur der allegorischen Bilder selbst. Doch es verbleibt eine Nuance an Aktualität, die darin besteht, dass etwas aus der Vergangenheit ins Gegenwärtige hinüberreicht, statt dass Vergangenes bemüht werden muss. Die Schlussverse des Volksliedes »Liebes Kindlein, ach ich bitt, Bet’ für’s bucklicht Männlein mit!« (ebd.) werden empfangen, nicht vorrangig memoriert.13 Der Bildraum legt die Wahrnehmung nahe, der Erzähler sei auf Empfang geschaltet, um die schwachen Echos des Vergangenen, die immer noch auf Sendung sind und im Präsentischen weiterschwingen können, zu empfangen.14 Alles in allem geht es aber darüber hinaus noch um etwas anderes. Hier bemerkt nämlich das Mich der Wahrnehmung als Medium dieser transhistorischen Übermittlung zugleich auch seine eigene Wahrnehmung. Empfängermedium des abgedankten Vergangenen zu sein, ist identisch mit dem Modus, sich selbst durch und in der Wahrnehmung als Wahrgenommener und Wahrnehmender zugleich zu denken, weil das Angesehene in die Lage versetzt wird, seinerseits den Blick zu erwidern. Wir haben es offenkundig in der Berliner Kindheit um neunzehnhundert mit einem Medium zu tun, das weniger bloß eine Schaubühne des Vergangenen, denn ein Resonanzraum für jene Blicke offenbart, die in das Gegenwärtige als Erinnertes hineinragen. Ein Resonanzraum, in dem neben den kindlichen Blicken auf die Dinge, Hinterhöfe, Tiere, Möbel, Straßen, Bücher, Kellerfenster usw. zusätzlich Momente des Erblicktwerdens des erwachsenen Erinnernden vorgeführt werden. Neben der Anamnese der gesehenen Dingwelt gibt es in dieser Benjamin’schen »Einsamkeitstechnik«15 auch eine Wahrnehmung des Erblicktwerdens durch die vergangenen Bildwelten im Modus des Rückzuges und der Anachorese.

13 Vgl. auch: Burkhardt Lindner: »Benjamins ›Bucklichtes Männlein‹. Zu einem Prosastück der ›Berliner Kindheit um neunzehnhundert‹«, in: Die Neue Gesellschaft. Frankfurter Hefte (1989) 36, S. 445–450; Aleida Assmann: »Zur Metaphorik der Erinnerung«, in: dies./ Dietrich Harth (Hg.): Mnemosyne. Formen und Funktionen der kulturellen Erinnerung, Frankfurt a. M. (Fischer) 1991, S. 13–35. 14 Anja Lemke betont hier zu Recht, die Figur repräsentiere das Erinnern an das Vergessen. Vgl. dies.: Gedächtnisräume des Selbst, Würzburg (Königshausen & Neumann) 2005, S. 157. Weniger plausibel erscheint mir hingegen Marianne Schullers Akzent, die das Männlein im Anschluss an Anna Stüssi als Koautor Benjamins metaphorisiert. Vgl. Marianne Schuller: »Ent-Zweit – Zur Arbeit des ›Bucklicht Männlein‹ in Walter Benjamins Berliner Kindheit um neunzehnhundert«, in: Anja Lemke/Martin Schierbaum (Hg.): »In die Höhe fallen«. Grenzgänge zwischen Philosophie und Literatur, Würzburg (Königshausen & Neumann) 2000, S. 141–149. Vgl. ebenso Marianne Muthesius: Mythos, Sprache, Erinnerung. Untersuchungen zu Walter Benjamins »Berliner Kindheit um neunzehnhundert«, Frankfurt a. M. (Stroemfeld) 1996. Anna Stüssi: Erinnerung an die Zukunft. Walter Benjamins »Berliner Kindheit um Neunzehnhundert«, Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 1977. 15 Thomas Macho: »Mit sich allein. Einsamkeit als Kulturtechnik«, in: Aleida Assman/Jan Assmann (Hg.): Einsamkeit, München (Wilhelm Fink) 2000, S. 27–44.

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In Analogie zum neu hervorgebrachten »Schau-Platz«16 des Fotomediums ließe sich hier etwa von einem neu geschaffenen Bild-Platz sprechen und zwar unter dem Vorbehalt, dass Medialität hier im Sinne medial eingerahmter Formen der Wahrnehmung verstanden werden soll. Nun gilt es eine Imagologie von Auge, Blick und Bild im Text derart zu erfassen, dass eine medial zäsurierte Wahrnehmung und visuelle Codierung beschrieben werden kann. Adorno brachte diesen Aspekt nach meinem Dafürhalten unzutreffend auf den Begriff der »Märchenphotographien«,17 denn für den halluzinatorischen Effekt dieser Szenen ist eher die Verschränkung des vorsymbolischen Blicks mit dem imaginären Bildraum maßgeblich. Oder anders formuliert: Auge und Blick sind nicht identisch, weil die Wahrnehmung nie vollständig ist, wobei der Blick selbst dem Sehvorgang unsichtbar bleibt.18 Damit wäre Benjamins Treue zu den Bildern eher als Ausdruck einer literarischen Einsamkeitstechnik aufzufassen. Sie vermag es, »im Rückzug sich selbst Gesellschaft zu leisten«19 und eine kontemplative Selbstverdopplung zu praktizieren, die wie ein Bilder liefernder Monitor funktioniert. Hier geht es nun darum, solche Zeitdimensionen im Kontext von literarisch gestalteten Wahrnehmungsformen anzusprechen und auf Verflechtungen von wahrgenommener Wahrnehmung und Zeitlichkeitssphären hinzuweisen. In diesem Erzählkosmos wird eine mikrologische Zeitchoreographie ausdifferenziert, die von Konstellationen des Déjà-vu bis zu historischen Echos des Zeit-Raumes um 1900 reichen. Im Modus ästhetisch induzierter Zeitformen und Zeitmaße sind ja nicht die Bilder des Vergangenen und die mnemooptischen Verfahren allein entscheidend, vielmehr ist es die doppelte Dimension einer Zeit in den Prosabildern als Konstellationen der Erinnerung und jener Zeit, die ein sich selbst gegenüber achtsamer Erzähler anhand der Wahrnehmung seiner eigenen Miniaturen als Wahrnehmungs-Mich auslöst und bemerkt. Auf diese Weise wird neben vergehender und vergangener Zeit die Zeitreserve der ästhetischen Wahrnehmung vorgeführt, durch die überhaupt erst narrativ generierte ZeitKonfigurationen entstehen. So wie die »ästhetische Zeit gegen die empirische, die sie neutralisiert, in gewissem Maß indifferent«20 ist, wie Adorno in seiner Ästhetischen Theorie bemerkt, so ist Benjamins interpolierende Zeitchoreographie auf angedeutete eigene Narrative ausgerichtet, nicht jedoch allein auf ein vermeintlich Geschehenes. 16 Sigrid Weigel: Literatur als Voraussetzung der Kulturgeschichte. Schauplätze von Shakespeare bis Benjamin, München (Wilhelm Fink) 2004, S. 48. 17 Theodor W. Adorno: »Nachwort«, in: Benjamin: Berliner Kindheit (Anm. 10), S. 111–113, hier S. 113. 18 Vgl. Georg Christoph Tholen: Die Zäsur der Medien. Kulturphilosophische Konturen, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 2002. 19 Peter Sloterdijk: Du mußt dein Leben ändern. Über Anthropotechnik, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 2009, S. 362. 20 Theodor W. Adorno: Ästhetische Theorie, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 1973, S. 163.

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Wenn in Benjamins Vorbemerkung die Rede davon ist, gegenüber der biographisch-chronologischen Kontinuität solle durch Bilder eine »Tiefe der Erfahrung« (BK, 9) angestrebt werden, die »in ihrem Innern spätere geschichtliche Erfahrung« (ebd.) präformieren können, so wäre hier noch zusätzlich auf das Labyrinth an Mikrozeiten hinzuweisen, die aus diesem Unterfangen hervorgehen und die ebenso einen Beitrag zur angestrebten Autoimmunisierung gegen das befürchtete »Gefühl der Sehnsucht« (ebd.) leisten. In der Berliner Chronik findet sich bereits der Hinweis darauf, wie bedeutsam für das Erinnern »Augenblicke« im »Augenblick des Eingedenkens«21 für diese epischen Einsamkeitsübungen sind. Deren innere Zeiten – changierend zwischen Flüchtigem und Ewigem – möchte ich im Hinblick auf die These ansprechen, dass im Erinnerungsvorgang der Berliner Kindheit nicht bloß eine vergangene Zeit heraufbeschworen wird. Im episodischen Bilderarsenal werden zudem Zeitmaße gestaltet, die zugleich auf unterschiedliche Weise auf das präsentische »Mich der Wahrnehmung« des Verfassers zurückweisen. Angesprochen ist eine blickreversible Wahrnehmung, die Lambert Wiesing aus bildtheoretischer Perspektive als jene Wahrnehmung bezeichnet »welche mich hervorbringt« und damit die »Folgen der Wirklichkeit der Wahrnehmung«22 selbst. Hierzu werden nun fünf maßgebliche Zeitsphären unterschieden: (1) die vorausgreifende Zeit, (2) die Erwartungs- und Ursprungszeit, (3) die gestaute und beschützende Zeit, (4) die entrückte, verlorene und vergessen geglaubte Zeit sowie (5) die stillgestellte Zeit und die Zeitsprünge.

Vorausgreifende Zeit Versionen der vorausgreifenden Zeit liegen etwa in Loggien vor, wenn das imaginäre Lied der Karyatiden »wenig von dem enthielt, was mich für später erwartete, dafür jedoch den Spruch, durch den die Luft der Höfe mir auf immer berauschend blieb« (BK, 11). Maßgeblich ist der Gedanke, die Gegenwart sei durch den Eindruck des Vergangenen angesprochen und gemeint. Auf diese Weise entsteht eine Resonanz des erinnerten Ichs mit dem erinnernden Ich, das sich als Mich der Wahrnehmung angesprochen wähnt und als gemeintes Ich erfährt. Und eben darum war der Vormittag, wenn ich auf unserer Loggia auf ihn stieß, so lange schon Vormittag, daß er mehr er selbst schien als auf jedem anderen

21 Walter Benjamin: Berliner Chronik, mit einem Nachwort hg. v. Gershom Scholem, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 1970, S. 57. Im fortlaufenden Text wird für diese Ausgabe die Sigle BChr mit Seitenzahl verwendet. 22 Wiesing: Das Mich der Wahrnehmung (Anm. 9), S. 8.

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Fleck. Nie konnte ich ihn hier erwarten; immer erwartete er mich bereits. Er war schon lange da, ja gleichsam aus der Mode, wenn ich ihn endlich dort aufstöberte. (BK,12 f.)

Die proleptische Dimension dieser Wahrnehmungsweise bestünde nun darin, ein vergangenes wohliges Kindheitserlebnis durchaus als einen Vorgang zu sehen, der erst durch eine Wahrnehmungsgewissheit der Erzählgegenwart zu dem wird, was der vergangenen Kinderhalluzination attestiert wird. In abgelegenen und verlassenen Stellen des Zoologischen Gartens zudem prophetische »Züge des Kommenden« (BK, 43) auszumachen, von denen in der Fischotterepisode explizit die Rede ist. An solchen Orten scheint es, als sei alles, was eigentlich uns bevorsteht, ein Vergangenes. In diesem Teile des Zoologischen Gartens also war es, wo immer, wenn ich mich darin verirrte, ein Blick mir über den Brunnenrand vergönnt war, welcher hier wie in der Mitte eines Kurparks aufstieg. Das war der Zwinger des Fischotters. (BK, 43 f.)

Nicht Vergangenheitserkundung, sondern ins Präsentische gedrehte Gegenwartswahrnehmung ist hier angesprochen, indem die Jetztzeit des Moments als Zukunft eines vergangenen Augenblicks betrachtet wird. Eine solch grammatikalisch kryptische Zeitpoetik klärt sich durchaus dann auf, wenn man davon ausgeht, Benjamin gehe es auch darum, Zeitsphären in der Berliner Kindheit narrativ so radikal und antilinear zu vervielfältigen, dass sogar zugleich die Gegenwart als Zukunft in der Vergangenheit und als das Zukünftige der Gegenwart als Vergangenes erscheint. Was als Realerlebnis nur im Rahmen einer gewissermaßen magischen Ortserfahrung der »alltäglichen Verlassenheit« (BChr, 52) möglich ist, von der in der Berliner Chronik noch die Rede ist, wendet sich im literarischen Wahrnehmungskontext zu einem ästhetisch initiierten Zeitpluralismus. Dieser reicht von intensiv empfundenen, nahezu magisch und auratisch aufgeladenen liminalen Raumeindrücken, wo es scheint, als »setze […] das Leben aus« (ebd.), womit die Wahrnehmungszeit zum Stillstand käme, bis zum Entsinnen an den freien Feenwunsch in Wintermorgen (BK, 29), dessen spätere Erfüllung im eigenen Leben, so Benjamin, nur wenige noch erkennen.

Erwartungs- und Ursprungszeit Zu diesem emergierten Zeitpluralismus gehört ebenso die Sphäre der Erwartungs- und Ursprungszeit. Ihre Allegorese wird in Tiergarten den antiken Figuren zugeschrieben, die sich aufs »Warten« verstehen, gleich ob auf Fremde, Götter

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oder den kleinen Walter. »In ihrem Zeichen wurde der alte Westen zum antiken, aus dem die westlichen Winde den Schiffern kommen, die ihren Kahn mit den Äpfeln der Hesperiden langsam den Landwehrkanal heraufflößen, um bei der Brücke des Herakles anzulegen.« (BK, 25) Für sich selbst reklamiert und zelebriert Benjamin ohnehin eine starke Neigung zum Warten und ein Vergnügen daran, »alles, woran mir liegt, von weitem sich mir nahen zu sehen« (BK, 37), wie es in Das Fieber lautet. Doch nicht Ungeduld und befürchteter Zeitverlust ist das psychische Signum einer solchen Warteemphase, sondern die Leidenschaft für eine erfüllte Erwartungszeit, die mit Zeit beschenkt ist und die nicht als verschwendete erinnert wird. Benjamins profanes Bekenntnis zur Vorfreude darüber, auf einen Zug warten zu dürfen oder als Schenkender die Vorfreude auf die Reaktion des Beschenkten zu genießen, wäre durchaus als ein Bekenntnis zur lustvollen Zeiterwartung durch Zeitverzögerung zu lesen. Selbst in dieser Haltung ist noch die Spur eines mimetischen Vermögens auszumachen, durch das ein Warten als temporäre Erwartung einem Beschenktwerden ähnlich wird und sich angleicht. Es sind diese imaginierten Ähnlichkeitsnuancen, die im »Nähkasten« Knöpfe zu »Räder(n) an dem Wagen des Donnergottes Thor« (BK, 72) werden lassen, wie Benjamin sie später auf einem Schulbuchbildchen wahrnimmt; oder in »Schränke« einem Büfett »verbürgte Rechte« (BK, 90) in der Zeit zumisst, »in die es als Zeuge einer Stammverwandtschaft ragte, die einst in grauer Frühe Immobilien und Mobiliar verbunden haben mochte« (ebd.) und »mit gutem Grund den Tempelbergen ähnlich« (BK, 91) sah. Immer öffnen Ähnlichkeiten auch einen kleinen Spalt zu einem vergangenen oder zukünftigen Zeitraum, der durch ästhetische Mikrozeiten über den momenthaften Augenblick des Erinnerten hinausweist.

Gestaute und beschützende Zeit Hierzu gehören auch Motive gestauter und beschützender Zeit.23 So wird im magischen Erfahrungsraum der Loggien, in dem sich das Kind »wie in einem längst ihm zugedachten Mausoleum« (BK, 13) aufhält, auf Stunden hingewiesen, die in der »Abgeschiedenheit sich stauten« und in deren »schattenreichen Gelassen« die »Zeit veraltete« (BK, 12). Es sind diese luziden Zeitasyle, in denen das Kind sich noch im abendlichen Abschied von der Mutter – deren verbleibende Reststunden des Tages, die ihm »heimlich, und ohne daß sie es wußte, in die Falten der Decke fielen« (BK, 86), wie es in Gesellschaft heißt – als Empfänger beschenkt.

23 »Anders gesagt, in allen Prosastücken staut sich die Zeit, schwillt an und durchtränkt die Räume.« (Lindner: »Benjamins ›Bucklichtes Männlein‹« [Anm. 13], S. 449).

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Benjamin erzählt sich in solchen Augenblicken als getrösteter und beglückter Stundensammler, dem eine subtile Zeitreserve wie ein Schatz erscheint. Hieß es noch in der Gießener Fassung: »Es waren die Stunden, die ihr heimlich […] in die Falten der Decke fielen« (BK/GF, 91), so verändert Benjamin in der Fassung letzter Hand das Pronomen: »Es waren die Stunden, die mir heimlich […] in die Falten der Decke fielen« (BK, 86). Diese Verschiebung weist darauf hin, wie sehr die Zeitsphäre Ausdruck einer empfundenen Bereicherung verstanden werden soll, denn »niemals war der liebe, lange Tag mir lieber, niemals länger, als wenn der Regen mit seinen feinen oder groben Zähnen ihm langsam Stunden und Minuten strähnte« (BK, 44). Nicht allein die kindliche Freude, den strömenden Regen am heimischen Fenster geduldig zu belauschen, ist hierbei in zeitlicher Perspektive relevant, sondern die ersehnte Zeitdehnung während dieser Episode selbst, mit der ein ausgiebiger Besuch beim Fischotter mit der Regenlust durch eine ausdrücklich betonte »heimliche Verwandtschaft« (ebd.) – vielleicht der langen Weile – korreliert. Benjamins Vermögen der idiosynkratischen Zeitbewahrung erlaubt es dann auch, eine gerettete Viertelstunde Schmökerzeit im verhassten Schulunterricht als befreienden Triumpf zu genießen (BK, 101), oder den Straßen im Stadtinneren – worauf in Tiergarten beiläufig hingewiesen wird – die Tageszeiten abzulesen (BK, 23). Zu denken wäre aber auch die allmähliche Verlangsamung des Orchestrions, die den Illusionsraum des Kindes im Karussell durchbricht, so dass sukzessive die Außenwahrnehmung erneut einsetzt und die Oberhand gewinnt (BK, 102). In solcher Achtsamkeit gegenüber den Zeitmaßen kindlicher Wahrnehmung geht es in besonderem Maße darum, der Zeitreserve eine literarische Form zu geben.

Entrückte, verlorene und vergessen geglaubte Zeit Dies geschieht sowohl in der Sphäre einer entrückten und magischen als auch einer verloren und vergessen geglaubten Zeit. »Man hätte die Geschichte meiner Herrschaft schreiben können, die von meiner Investitur durch einen Sommertag bis zum Rückfall meines Reiches an den Spätherbst sich erstreckte.« (BK, 46) Eine solche Reminiszenz an Spielszenen im Umfeld hochherrschaftlicher Bauten in Potsdam und Babelsberg (Pfaueninsel und Glienicke) ist in zeittheoretischer Perspektive durchaus nicht trivial. Wird doch im spielerisch-mimetischen Einverleiben dieses dynastischen Ambientes durch das Kind auch eine suggestive Zeitmessung angesprochen, die den Erinnerungsvorgang um eine Dimension phantasmagorischer Immanenz bereichert. Das Kind verliert sich ebenso an die Zeit, die es nur im Augenblick einer magisch-mimetischen Anverwandlung

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geben kann, wie an Farben bunter Fenster oder Seifenblasen, und darum sind Kinder »ihre Beute auf allen Wegen« (BK, 70), wie eine Sentenz aus Die Farben lautet. Auch die stimmungsvoll aufgeladenen Nachteindrücke des Kindes konnotieren noch in ihren optischen Sphären einen temporalen Hinweis. So wird gar die illuminierende Magie des abendlichen Mondlichtes, das im Kinderzimmer eine atmosphärisch beirrende »Gegen- oder Nebenerde« (BK, 74) hervorbringt, im Textstück Der Mond durch einen ausbleibenden »Atemzug der Zeit« (ebd.) metaphorisiert. Benjamin geht es offenkundig um die subtilen Halluzinations- und Traumzeitmaße, die durch die Wahrnehmungsvorgänge im Erinnerungsstrom selbst erst möglich werden.24 In Abreise und Heimkehr schildert Benjamin diesen Zusammenhang von vorauseilender Urlaubsträumerei, deren Dünenlandschaft in die Berliner Gefilde gezoomt werden, während bei der Rückkehr die verlangsamte Zugeinfahrt als Anlass genommen wird, »um von überzähligen Minuten, [in denen] eh alles aussteigt« zu sprechen; Minuten, die »heute noch in meinen Augen« stehen (BK, 95). Die besondere Wahrnehmungsweise des empfindsamen und hellsichtigen Kindes, nur darauf soll hier hingewiesen werden, bringt eine an diese gebundene Zeitlichkeit hervor, die ihrerseits eine Wahrnehmungs- und Empfindungsqualität ermöglicht.

Stillgestellte Zeit und Zeitsprünge Gegenüber den angesprochenen Nuancen der Extension von Zeit zielen die besonderen Momente und das Déjà-vu eher auf die punktuelle Stillstellung von Zeit und auf Zeitsprünge. Liest man die Berliner Kindheit unter dem Aspekt einer zeitreflexiven Einsamkeitsübung und damit als ein Tableau qualitativer Zeitmaße, die Stufungen heilender Zeit hervorbringen sollen, dann ist der besondere und zugleich aufgeladene Augenblick deren Extrempunkt. Im Lesekasten etwa wird retrospektiv nach der gesamten Kindheit gesucht, »wie sie in dem Griff gelegen hat, mit dem die Hand die Lettern in die Leiste schob, in der sie sich zu Wörtern reihen sollten. Die Hand kann diesen Griff noch träumen, aber nie mehr erwachen, um ihn wirklich zu vollziehen.« (BK, 97) Dieser Point of no Return markiert die Grenze des Erinnerns, ist doch die Schwelle zum bereits Gewordenen überschritten. Erzählen lässt sich der Erinnerungsverlust durch Erfahrungsgewinn allein noch als Momentaufnahme einer unerfüllbaren Ursprungssehnsucht.

24 Vgl. die interessante Deutungsperspektive von Heinz Brüggemann: Walter Benjamin über Spiel, Farbe und Phantasie, Würzburg (Königshausen & Neumann) 2007, S. 316 f.

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Wenn im Kaiserpanorama die erspähten Bildmotive angesichts des drohenden Weiterrückens fortlaufend »sich mit dem Weh des Abschieds« (BK, 14) durchmischen, dann wird dies nur noch im bildhaften Augenblick angesprochen, nicht mehr jedoch in einer ausgestalteten erzählten Zeit. Es sind die besonderen Momente intensiver Empfindung, die dann nur angesprochen, nicht jedoch erzählend ausgeführt werden. In Die Farben erfährt der Leser: »Denn ehe ich den Lockungen des Naschwerks erlegen war, hatte der höhere Sinn mit einem Schlage den niederen in mir überflügelt und mich entrückt.« (BK, 70) Der Vorrang einer intensiven kindlichen Farbempfindung von in Stanniolpapier eingepackten Schokoladentäfelchen vor der Nascherei wird im Moment der Emphase stillgestellt. In zeitlicher Hinsicht wird dieser kairologisch besondere Augenblick erzählend der Erzählung entzogen, so dass er über keine temporären Verweise mehr verfügt. Anders ist es beim Déjà-vu, das einen Erinnerungsvorgang umkehrt, um den plötzlichen Einbruch eines evidenten Fremden in der Gegenwart so als ein Echo des Vergangenen zu empfinden, dass das Vergangene vorausgreifend als eine spätere Hinterlassenschaft gefasst werden kann. Für das Subjekt geht es im Déjà-vu laut Benjamin darum, auf eine Fremde schließen zu lassen als »die Zukunft, welche sie bei uns vergaß« (BK/GF, 58), wie es im Abschnitt »Eine Todesnachricht« der Gießener Fassung heißt. Nachdem der Vater dem Sohn Walter den Tod des Vetters mitgeteilt hatte, erinnert sich Benjamin: Von der Erzählung nahm ich nicht viel auf. Wohl aber habe ich an diesem Abend mein Zimmer und mein Bett mir eingeprägt wie man sich einen Ort genauer merkt, von dem man ahnt, man werde eines Tages etwas Vergessenes von dort holen müssen. Nach vielen Jahren erst erfuhr ich, was. In diesem Zimmer hatte mir mein Vater ein Stück der Neuigkeit verschwiegen. Nämlich der Vetter war an Syphilis gestorben. (Ebd.)

Der plötzliche Einbruch dieser vorausschauenden Vergangenheit als ein bekanntes Fremdes in der Gegenwart führt dazu, dass das spätere Wissen um die geklärten Todesumstände in das memorierte Zimmer zurückverlegt werden kann, was nur gelingt, weil gleichzeitig eine vergangene Vorahnung zur fremden Zukunft in der Gegenwart werden konnte. Dieses besondere Zeitkonstrukt eines »Futurum der Vergangenheit«25 erlaubt es, im Vergangenen eine offene und ungewisse Zukunft im Gegenwärtigen als zugleich Fremdes und Bekanntes ankommen zu lassen. Das Déjà-vu schließt auf diesem Wege die präsentische Wachheit mit dem vermeintlich Erinnerten so kurz, dass das Vergangenheitsereignis selbst als eine

25 Peter Szondi: »Hoffnung im Vergangenen. Über Walter Benjamin«, in: ders.: Schriften, 2 Bde, hg. v. Jean Bollack u. a., Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 1978, Bd. 2, S. 286.

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»künftige Hinterlassenschaft«26 aufscheint, wie Burkhardt Lindner treffend bemerkt hat. Mittels dieser Erzählfigur eröffnet sich ein ästhetisch stimulierter Vorstellungsraum, in dem durch die retrospektive Erfüllung reale Zeitabfolgen durchbrochen werden, um auf die Eigenzeiten von Erinnerung, Wahrnehmung und Imagination zu beharren. Ausdrücklich wird daher auch in Kaiserpanorama darauf hingewiesen, inwiefern dieser Zeitsprung mit dem Zauber der Bilder verbunden ist und der plötzliche Eindruck entsteht, das Kind habe an den magisch illuminierten fernen Orten bereits gespielt. Ausgelöst wird diese Wiedererkennung in jener erwähnten »Kammer«, »wo im Innern die Kinder mit dem Erdball Freundschaft schlossen«, zu einer Zeit, »die freilich nichts mit anderen Zeiten meines Lebens teilte« (BK/GF, 18). »Denn dies war an den Reisen sonderbar«, heißt es weiter in der Gießener Fassung, »daß ihre ferne Welt nicht immer fremd und daß die Sehnsucht, die sie in ihm weckte, nicht immer eine lockende ins Unbekannte, vielmehr bisweilen jene lindere nach einer Rückkehr ins Zuhause war« (BK/ GF, 18 f.). Auch wenn hier die für das Déjà-vu maßgebliche Fremdheitsevidenz gemildert erscheint, so liegt sie doch ihrerseits im ersten Zusammentreffen der Betrachtung mit dem Betrachteten. Statt der »Gruft des Ehedem« (BK/GF, 57) rückt dem autobiographischen Ich etwas schockartig ins Blickfeld, was ihn überhaupt erst stutzig machen kann. Durch die gestaute Zeit des Déja-vu markiert die Vorahnung eines Kommenden eine gegenläufige Sehbewegung. Der ästhetische Impuls dieser Grunderfahrung, das Sehen als ein bedeutungsvolles Auf-sich-Zukommen, das heißt als einen reversiblen Blick zu imaginieren, als ein Empfangen, stellt nur eine weitere Dimension der Wahrnehmung des Mich im Akt der imaginären Bildwahrnehmung dar. Hierzu gehören ebenso jene Verdoppelungseffekte der Wahrnehmungsperspektiven, von denen auch in Der Mond gesprochen wird, wenn das Kind sich selbst zu begegnen scheint. »Denn alle Stellen jener Nebenerde, auf welche ich entrückt war, schien das Einst bereits besetzt zu halten. […] Trat ich dann ans Bett, so war es immer mit der Angst, mich selbst schon darin ausgestreckt zu finden.« (BK, 75) Allerdings ist das Déja-vu nicht bloß als eine kindliche Täuschung zu verstehen, wie Jean-Michel Palmier in seiner großen unvollendeten Studie behauptet. Vielmehr ist es eine prophetisch inspirierte Zeiterweiterung im erinnernden Wahrnehmungsmodus des Erzählers selbst, der die kindlichen Eindrücke und Halluzinationen narrativ um die Ausdifferenzierung von Zeitmaßen erweitert.27 26 Burkhardt Lindner: »Déjà-vu im Zeitriss. Die Erinnerungspolitik der ›Ästhetik des Widerstands‹, in: Arnd Beise/Jens Birkmeyer/Michael Hofmann (Hg.): Diese bebende kühne zähe Hoffnung – 25 Jahre Peter Weiss. Die Ästhetik des Widerstands, St. Ingbert (Röhrig Universitätsverlag) 2008, S. 77–103. 27 Jean-Michel Palmier: Walter Benjamin. Lumpensammler, Engel und bucklicht Männlein. Ästhetik und Politik bei Walter Benjamin. Leben und Werk, hg. und mit einem Vorwort versehen v. Florent Perrier, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 2009, S. 162 f.

MIKROZEITEN UND ZEITRESERVEN

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Zeitphysiognomie Zusammengenommen lassen sich die angesprochenen Zeitnuancen letztlich als eine uchronische Zeitunternehmung verstehen. Benjamins Berliner Kindheit ist als ein zeitloses Sezessionsunterfangen angelegt, in dem so etwas wie Uchronie als Zeitform des Dauernden und Bewahrten verfolgt wird. Mit Uchronie soll daher nicht das geschichtlich Ungeschehene gemeint sein, sondern die Zeitenthobenheit im Augenblick. Differente und divergierende Zeitmaße werden im Bilderarchiv als eine ungleiche Einheit des Gleichzeitigen bewahrt, wodurch Dauer ermöglicht wird. Wenn in Die Siegessäule die begrenzt wissende, mimetisch phantasierende und zugleich ängstliche Kindersicht am Sedantag mit der Geschichtskritik des Erwachsenen Benjamins kurzgeschlossen wird, dann wohl deshalb, um durch den Kontrast beider Zeiterfahrungen den »Impuls dieses Unglaubens an das Kontinuum der Geschichte«28 zu bewahren, aber auch um die Zeiterfahrung des Kindes selbst gegenüber dem imperialen Zeitdogma zu rehabilitieren. »Ewiger Sonntag war um sie. Oder war es ein ewiger Sedantag?« (BK, 17), heißt es über die erinnerten Besucher der Siegessäule, die dem bastelnden Kind »schwarz umrandet wie die Figurinen der Klebebilderbogen« (ebd.) erschienen. Nicht allein von einer mimetischen Wahrnehmungssequenz ist hier die Rede, angesprochen ist auch die Mimesis der kindlichen Zeiterfahrung, die den historischen Geschichtsmythos mit den Lektüreeindrücken des Infernos aus Dantes Göttlicher Komödie zusammenbringt. Benjamins uchronische Zeitphysiognomie offenbart eine vielfältige Skala aus gegensätzlichen und zugleich elementaren Zeitmaßen und lädt die Gegenwartszeit des Erzählens mit Zeitformen der Wahrnehmung so auf, dass eine Zeitintensität des Augenblicks entsteht. Da Zeitbewusstsein und Zeiterfahrung nicht identisch sind, geht es Benjamin darum, die Inkubationszeit für Besinnung zu sichern. Sie geht von Erinnerung aus, weist aber dennoch stets auf den Gegenwartsstandpunkt voraus. Nimmt man in dieser Anamnese die Augenblicksexerzitien und Wahrnehmungsschärfungen als eine Ethik der Selbstbezüglichkeit wahr,29 dann lässt sich Benjamins Zeitsammlung als Wertschätzung des »Alleinsein[s] als der einzig menschenwürdige Zustand« (BChr, 27) lesen. Der durch das bucklichte Männlein eingetriebene und unverfügbare »Halbpart des Vergessens« (BK, 79) wird für den Gegenwartsstandpunkt durch einen Halbpart der ästhetischen Zeitreserve ergänzt. In ihrem Zentrum steht jedoch nicht allein das für Benjamin grundlegende Konzept einer Stillstellung von Zeit. Vielmehr sollen die divergierenden literarischen Zeitentwürfe im Kontext von ästhetisch ausgeformten Wahrnehmungs-

28 Lindner: »Benjamins Optik« (Anm. 6). 29 Vgl. Birkmeyer: »Augen-Blicke und Einbildungen« (Anm. 11).

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vergewisserungen zugleich Zeit pluralisieren, dynamisieren und intensivieren,30 um deren unterschiedliche temporäre Reichweiten und Hervorbringungshorizonte zur Geltung zu bringen. Grundlage einer solchen uchronischen Zeitphysiognomie sind hierbei immer die Qualitäten einer gehaltvollen und gefüllten Zeit.31 Die Einheit der disparaten und multiplen Zeitsphären wäre aus dieser Perspektive vor allem in jenen Spielformen der ästhetischen Eigenzeit auszumachen, die eine lineare Zeitchronologie aufbrechen und an ihre Stelle Variationen gleichzeitiger Ungleichzeitigkeiten aufscheinen lassen.

30 Vgl. hierzu Jeanne-Marie Gagnebin: Geschichte und Erzählung bei Walter Benjamin, Würzburg (Königshausen & Neumann) 2001, S. 91. 31 Giorgio Agamben hat auf die Nähe Benjamin’scher Zeitvorstellung im Erinnerungsbild zum stoischen Modell der kairós hingewiesen und damit »die unmittelbare und plötzliche Koinzidenz« bezeichnet, »in der die Entscheidung (decisio) die Gelegenheit (occasio) ergreift und sich in einem Augenblick das Leben erfüllt« (ders.: Kindheit und Geschichte. Zerstörung der Erfahrung und Ursprung der Geschichte, übers. aus dem Italienischen v. Davide Giuriato, Frankfurt a. M. [Suhrkamp] 2004, S. 146).

Rezeptionen

Vivian Liska

»Eine gewichtige Pranke« Walter Benjamin und Giorgio Agamben zu Erzählung und Gesetz bei Kafka In seinem Brief an Gershom Scholem vom 11. August 1934 nennt Walter Benjamin das Gesetz den »toten Punkt« in Kafkas Werk.1 In seinen Notizen zu diesem Brief spricht Benjamin abfällig von Kafkas »stete[m] Drängen auf das Gesetz« und bezeichnet es als »Schublade des Geheimniskrämers« und als »Begriff, mit dem [er sich] nicht einlassen möchte« (BK, 154). Aus den darauf folgenden Sätzen wird allerdings deutlich, dass Benjamin die Auseinandersetzung mit dem Gesetz bei Kafka nur insofern scheut, als dieses auf den Begriff gebracht werden soll, denn, so Benjamin weiter, »sollte er in Kafkas Werk dennoch eine Funktion haben […] so wird auch eine Interpretation die von Bildern ausgeht – wie die meinige – auf sie führen« (ebd.). Die Unterscheidung zwischen begrifflicher Festlegung, die Benjamin ablehnt, und bildlicher, also im weiteren Sinne metaphorischer Darstellung, die er einigermaßen billigt und praktiziert, weist auf die auffallende, wenn auch schwer deutbare Bildsprache hin, mit der Benjamin sich der Bedeutung des Gesetzes bei Kafka annähert. Tatsächlich befasst Benjamin sich, im Widerspruch zu seiner angekündigten Weigerung, ebenso in seinem großen Essay »Franz Kafka. Zum zehnten Jahrestag seines Todes« (BK, 9–38) wie in seinem Briefwechsel mit Scholem ausführlich mit Fragen des Gesetzes im Werk des Prager Autors. Diese Ausführungen gilt es im Folgenden mit den zahlreichen Betrachtungen zu diesem Thema in den Schriften Giorgio Agambens, der sich gerade in Bezug auf Kafka häufig explizit auf Benjamin als Vorlage beruft, zu vergleichen. Dabei sollen ebenso die Gemeinsamkeiten wie die Unterschiede der beiden Denker und deren ideeller Horizont herausgestrichen werden, um Einsicht in die Ausrichtung des ›Nachlebens‹ von Benjamins Gedankengut bei einem seiner bedeutendsten heutigen Erben zu gewinnen.

1 Walter Benjamin: Benjamin über Kafka. Texte, Briefzeugnisse, Aufzeichnungen, hg. v. Hermann Schweppenhäuser, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 1981, S. 78 f. Im Folgenden mit der Sigle BK und Seitenzahl zitiert.

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Erzählung und Gesetz bei Kafka »Vor dem Gesetz steht ein Türhüter. Zu diesem Türhüter kommt ein Mann vom Lande.«2 Diese ersten Sätze von Kafkas berühmter Parabel »Vor dem Gesetz«3 stellen eine archetypische Erzählsituation dar. In dem Aufeinandertreffen des Verbs »stehen« und des Verbs »kommen« wird etwas Statischem und Dauerhaftem der Beginn einer Handlung, eine mögliche Begegnung gegenübergestellt. Diese Erzählsituation ist im Kontext des Gesetzes eingebettet, von dem im Allgemeinen angenommen wird, dass es im Widerspruch zum Erzählerischen steht. Denn das Gesetz in seinem allgemeingültigen, kodifizierten und impersonalen Wesen ist unvereinbar mit der Einzigartigkeit und der Zeit- und Situationsgebundenheit des gelebten Lebens eines bestimmten Menschen, das immer auch eine Erzählung konstituiert. Was ereignet sich, wenn der Mann zum Türhüter kommt, wenn die Erzählung auf das Gesetz trifft? Kafkas Parabel ist einer der meist gelesenen und interpretierten Texte des vergangenen Jahrhunderts. Sie beschreibt eine Szene, in der ein Mann Zugang zum Gesetz sucht. Ihm wird der Eintritt verweigert, und so wartet er an der Tür bis ans Ende seines Lebens, an dem der Türhüter dem Mann, der noch einen Lichtschimmer aus der Tür dringen sieht, mitteilt, dass dieser Eingang zum Gesetz allein für ihn bestimmt war und dass er ihn jetzt schließen wird. Die Parabel besteht im Wesentlichen aus einer Beschreibung der Verhandlungen des Mannes mit dem Türhüter, um Zugang zum Gesetz zu erhalten. Allerdings wird das Wesen dieses Gesetzes nicht näher bestimmt. Zunächst kann von ihm mit einiger Gewissheit nur gesagt werden, dass es eine unveränderliche Instanz darstellt, im Gegensatz zum Mann, der einen Ursprung, eine Geschichte und ein Geschick hat. Dieser Mann ist ein Jedermann, der – wie wir erfahren – vom Lande kommt, von einem bestimmten Ort, der mit dem einfachen Leben assoziiert wird und an einen Ort – den Ort des Gesetzes – gelangt, der eine ominöse Aura ausstrahlt. Wir erfahren, dass der Mann seine Heimat verlassen hat und auf eine Reise gegangen ist, dass er ein Ziel hat – den Zugang zum Gesetz – und dass er an dessen Tor kommt, wo er warten, suchen, nachdenken, diskutieren, fluchen und verhandeln wird, bevor er alt wird und stirbt, vermutlich ohne sein Ziel erreicht zu haben. Dass der Mann vom Lande – wie man vielfach bemerkt hat – eine wörtliche Übersetzung des hebräischen Ausdrucks Am Ha’aretz ist, das in »aretz« auch auf ›Erde‹ verweist, aber auch jemanden bezeichnet, der des Gesetzes unkundig ist, unterstreicht seine Kreatürlichkeit. Abgesehen davon, dass der Am Ha’aretz wegen seiner Unwissenheit außerhalb des Gesetzes steht, wird er implizit auch in einen Gegensatz zum Talmid Chacham gerückt, zu einem, der das Gesetz 2 Franz Kafka: Der Proceß, Frankfurt a. M. (Fischer Taschenbuch Verlag) 2002, S. 294 f. 3 Ebd.

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studiert und kennt. Allerdings bleibt dahingestellt, ob der Am Ha’aretz, sollte er sich wirklich in einen Talmid Chacham verwandeln, der das Gesetz kennt, durch dessen Tür eintreten würde. Der Türhüter, sowohl Mittler wie Hindernis dieser Begegnung, wird als der unterste Repräsentant des Gesetzes beschrieben. Er ist eine Art juristische oder rabbinische Autorität, die die Trennung vom, aber auch die Verbindung zwischen ihm und dem Gesetz markiert, von dem gesagt wird, dass es »steht«, also unveränderlich sei, und dem Mann, der »kommt«, der eine Geschichte hat, zwar nur eine minimale, aber dennoch eine Geschichte. In Kafkas Parabel bleibt das Gesetz nicht nur unerreichbar für den Mann vom Lande, es entzieht sich auch den Versuchen des Lesers, seine Bedeutung und seine Wirkung zu erfassen. Trotz der zahllosen Interpretationen von Kafkas auf das Gesetz bezogenen Texten – hierzu zählen »Vor dem Gesetz«, aber auch die Romane Der Proceß, in dem die Parabel eine Schlüsselrolle spielt, und in geringerem Maße Das Schloß sowie die Erzählungen »In der Strafkolonie«, »Der neue Advokat« und »Zur Frage der Gesetze« – bleibt es unklar, ob das Gesetz in seinem Werk vordringlich in juristischen, sozialen und politischen oder aber in metaphysischen, theologischen und religiösen Begriffen zu verstehen ist. Diese Unklarheit hat zahllose, häufig einander widersprechende Interpretationen hervorgerufen und oft widersprüchliche Auffassungen von Gerechtigkeit und vom Verhältnis zwischen Erzählung und Gesetz gezeitigt. Ich werde den Begriff der Gerechtigkeit bei wichtigen Denkern untersuchen, die in ihren Lektüren von Kafkas Werk ebenso den religiösen wie den weltlichen Bereich in Betracht ziehen. Dabei werde ich mich auf die Rolle konzentrieren, die diese Interpretationen der Beziehung zwischen dem Gesetz als einem autoritativen, normativen Ordnungssystem und der Erzählung als einem Ausdruck des kreatürlichen Lebens zuweisen. Die beiden Systeme, die am häufigsten mit Kafkas Beschäftigung mit dem Gesetz in Zusammenhang gebracht werden, sind der juristische Apparat des modernen Staates einerseits und die jüdische Tradition andererseits. Die meisten Interpretationen von Kafkas auf das Gesetz bezogenen Geschichten betrachten diese aus einer dieser beiden Perspektiven. Dort, wo Kafka ausschließlich in einem säkularen Kontext betrachtet wird – das übliche Verfahren bei Forschern, die sich mit dem Thema ›Literatur und Recht‹ befassen –, wird dieser entweder als Kritiker des juristischen Systems seiner Zeit dargestellt4 oder als ein Autor, der 4 Vgl. Theodore Ziolkowski, der Kafkas Werk als paradigmatische Darstellung der Krise des Rechtssystems im frühen 20. Jahrhundert liest und vor allem das Verhältnis von Recht und Ethik bzw. die Ineinssetzung von Moral und Recht ins Auge fasst. Ziolkowski zeigt, wie die diesbezüglichen Debatten – vor allem jene zwischen den Rechtssystemen der Habsburger Monarchie und dem Deutschen Reich seit 1871 – Kafkas literarische Texte beeinflusst haben. Er weist darauf hin, dass Kafkas Proceß die absurden Vorgehen des Habsburger Systems parodiert, aber ebenso dem Wilhelminischen System kritisch gegenübersteht. Vgl. Theodore Ziolkowski: The Mirror of Justice. Literary Reflections of Legal Crisis, Princeton/N. J. (Princeton UP) 1997, S. 225 f.

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die gegenwärtige Lage präfiguriert und daher Einsichten in die Unzulänglichkeit der zeitgenössischen gerichtlichen Verfahren vermitteln kann.5 Im Gegensatz dazu setzen die Interpretationen von Kafkas Gesetzeserzählungen, die sich auf die jüdische Tradition berufen, im Allgemeinen das Gesetz mit dem göttlichen Gericht und seiner Unzugänglichkeit gleich, also mit der jüdischen Vorstellung von Gott als dem allmächtigen, aber unendlich fernen Anderen des Menschen. Beide Ansätze lassen außer Acht, dass Kafka möglicherweise die Frage absichtlich offen lässt, ob das Gesetz in weltlichen oder religiösen Kategorien zu denken sei. Ebenso unbestimmbar bleibt die Haltung Kafkas gegenüber der Gültigkeit und Rechtschaffenheit des Gesetzes überhaupt. Kurz und präzise schreibt Walter Benjamin, dass nicht entschieden werden kann, ob Kafkas Werk »der Hebung oder dem Verscharren des Gesetzes gewidmet [ist]. Auf diese Fragen hat Kafka, so meine ich, keine Antwort gehabt« (GB IV, 459). Es ist in der Tat schwierig zu bestimmen, ob in Kafkas Welt die Gerechtigkeit dadurch verhindert wird, dass das Gesetz allgegenwärtig ist, oder dadurch, dass es so entstellt, kompromittiert und gelähmt ist, dass es von Gesetzlosigkeit nicht mehr zu unterscheiden ist. Noch schwieriger ist es, eine mögliche Alternative zum trostlosen Zustand der Welt zu entwerfen, wie er sich in Kafkas Erzählungen darstellt. Man könnte mit einigem Recht sagen, dass Kafkas Parabel »Vor dem Gesetz« und seine anderen Schriften, die sich vornehmlich mit dem Gesetz befassen, eine Welt beschreiben, in der das Gesetz sowohl allgegenwärtig wie auch unzugänglich ist. Es erweist sich als grenzenlos und durchdringt die privatesten und intimsten Bereiche der menschlichen Existenz, und gleichzeitig fehlt ihm – und das ist paradox genug – seine vornehmste Funktion, und zwar jene, Unterscheidungen und Grenzen zu markieren, die eine moralische und gerechte Ordnung in die Welt bringen würden. Kafkas Weltordnung ist in der Tat so beschaffen, dass sie alle Schranken und Grenzen verwischt. In seinem Roman Das Schloß herrscht das Gesetz überall und nirgends, jeder gehört zum System der Machthaber, aber jeder wird auch von ihm terrorisiert. Die Beamten empfangen die Kläger in Wirtshäusern und Schlafzimmern. Der Protagonist ist in einem undurchdringlichen, von den Herren dieser Welt gesponnenen Netz gefangen, das ihn tödlich ermüdet. In ähnlicher Weise ist das Gesetz in Der Prozeß undurchdringlich. Der zuständige Gerichtshof ist nicht zu finden oder auf dunklen Dachböden angesiedelt, die Gesetzesbücher

5 Vgl. Patrick J. Glen: An Essay on Franz Kafka. Lawrence Joseph and the Possibilities of Jurisprudential Literature, Washington D. C. (Georgetown Law Faculty) 2011 (verfügbar unter: http://scholarship.law.georgetown.edu/fwps_papers/144/; abgerufen am 09.04.2014); Douglas E. Litowitz: »Franz Kafka’s Outsider Jurisprudence« (verfügbar unter: http://research. uvu.edu/albrecht-crane/3090/requirements_files/Litowitz.pdf; abgerufen am 27.08.2013); Graham M. Smith: »Reading Kafka’s Trial Politically. Justice – Law – Power«, in: Contemporary Political Theory 1 (2008) 7, S. 8–30.

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erweisen sich als pornographische Heftchen, die Richter und Rechtsanwälte sind entweder unsichtbar oder falsch. Dennoch hat ihre Autorität eine tödliche Wirkung. Es steht außer Frage, dass das Gesetz in der Welt von Kafkas Erzählungen in Unordnung geraten und dysfunktional geworden ist. Die Folgen dieses Zustands sind jedoch sehr verschieden und häufig in gegensätzlicher Weise interpretiert worden.

Giorgio Agamben und die Erfüllung des Gesetzes Giorgio Agamben gilt heute als einer der radikalsten und umstrittensten Kritiker des juridischen und politischen Systems unserer Zeit. Seine Diagnose des Weltzustands könnte schwärzer kaum sein und seine Vorstellungen von dessen Heilung kaum extremer. Bekannt wurde er mit seiner Beschreibung der globalen Weltlage anhand von Begriffen wie dem ›homo sacer‹, dem Individuum, das aus dem Rechtssystem herausfällt, dem ›nackten Leben‹, das von den biopolitischen Zugriffen einer souveränen Macht in Bann gehalten wird, dem ›Ausnahmezustand‹, der – in Anklang an Carl Schmitt und Walter Benjamin – zur Regel geworden ist, und dem des ›ubiquitären Lagers‹, das Agamben generell als ›Nomos der Moderne‹ bestimmt. Die Vorstellung vom Heil, die er diesem gegenwärtigen Zustand entgegenhält, entspricht der Radikalität seines Katastrophendenkens. Seinem Befund eines allgegenwärtigen Ausnahmezustands setzt Agamben einen ebenso extremen wie komplexen Entwurf der messianischen Erlösung entgegen. Dabei beruft er sich wiederholt und mit besonderem Nachdruck in unterschiedlichen Schriften und Kontexten auf Walter Benjamin, insbesondere auf dessen Lektüre von Kafkas Werk.6 Allerdings gibt es bedeutende Unterschiede zwischen Agambens and Benjamins jeweiligen Interpretationen von Kafkas Auseinandersetzung mit dem Gesetz. In seinem Brief an Gershom Scholem vom 15. September 1934 nennt Benjamin seine Arbeit zu Kafka »den Kreuzweg der Wege meines Denkens« (GB IV, 497). Ähnliches könnte Agamben sagen, wobei dieser, wie noch zu zeigen ist, den »Kreuzweg« in doppeltem Sinne beim Wort nimmt: als in entgegengesetzte Richtungen gleichzeitig weisenden Punkt der Ununterscheidbarkeit und als via crucis, als letzten irdischen Weg des Erlösers. In seinen Interpretationen von Kafkas Erzählungen distanziert sich Agamben von der Lesart verschiedener seiner Vorgänger, gegen die er häufig namentlich argumentiert. Am radikalsten widerlegt er Jacques Derrida und gibt dabei vor, Benjamins Perspektive auf Kafkas Werk zu übernehmen. Im Laufe seiner Argumentation verschiebt Agamben jedoch

6 Vgl. dazu Vivian Liska: Giorgio Agambens leerer Messianismus, Wien (Schlebrügge) 2008.

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Benjamins Position in Richtung christlicher Vorstellungen und macht schließlich sowohl Benjamin wie auch Kafka zu Jüngern des Apostels Paulus. In Ausnahmezustand 7 beschreibt Agamben die zwei für ihn bedeutsamen Aspekte von Kafkas Werk: die kritische Diagnose des Weltzustands und die darin enthaltenen Spuren einer rettenden Umkehr dieser Verhältnisse. Zum einen findet er in dessen Werk die »genaueste Darstellung des Lebens im Ausnahmezustand« vor, zum anderen sind »Kafkas Figuren«, so Agamben, »deshalb für uns interessant«, weil sie, »jede mit einer eigenen Strategie«, versuchen, diese »gespenstische Form des Rechts im Ausnahmezustand« zu deaktivieren (A, 77). Der »Ausnahmezustand« ist eine Situation, in der ein mächtiger Souverän die bestehenden Gesetze aufgehoben hat und stattdessen seine eigene Macht und Herrschaft auf jeden Aspekt des Lebens seiner Untertanen ausdehnt, indem er ihnen seine Ordnung aufzwingt. Während der vom Souverän ausgerufene Ausnahmezustand jeden Bereich des Lebens durchdringt und den ganzen Planeten einem willkürlichen und repressiven Gesetz unterwirft, soll die messianische Umkehr dieser Situation das Gesetz abschaffen und das Leben in eine neue Freiheit entlassen. Erst wenn das Leben das Gesetz in der Weise in sich aufgenommen hat, dass es dieses aufhebt, anstatt es über das Leben herrschen zu lassen – ein Vorgang der einer endgültigen Erfüllung und daraus erfolgenden Abschaffung des Gesetzes entsprechen würde –, wird Agamben zufolge die Menschheit erlöst. Agamben illustriert seine Auffassung des repressiven »Ausnahmezustands« wie auch der messianischen Umkehr dieses Zustands in zahlreichen Bezugnahmen auf Kafkas Erzählungen. Eine Eigenart der Kafka’schen Allegorien erkennt Agambens anarchistische und antinomische Lesart in deren »Ausgang«, der, wie er in Homo Sacer 8 schreibt, »die Möglichkeit birgt, die Bedeutung völlig umzukehren« (HS, 68). Auf dieses verstörende Ende der Erzählungen sind Agambens Kafka-Lektüren ausgerichtet: Sie heben die Geltung der Gesetzeskraft auf und lösen den Bann. Kafkas Parabeln entsprechen Agamben zufolge den Bedingungen des Lebens im Ausnahmezustand, dessen wesentlicher Zug darin liegt, dass in ihm das Gesetz aus seinen Grenzen getreten ist und es unmöglich geworden ist, es vom Leben zu unterscheiden. Dies ist, so Agamben, der Zustand, den Benjamin in Kafkas Werk als »Leben« bezeichnet, »wie es im Dorf am Schlossberg [in Kafkas Roman Das Schloß ] geführt wird« (HS, 66). Der Umschlag vom Leben unter dem bannenden Gesetz in einen Zustand, in dem die Geltung des Gesetzes endgültig aufgehoben ist, ereignet sich für Agamben exemplarisch in Kafkas Parabel »Vor dem Gesetz«. 7 Giorgio Agamben: Ausnahmezustand, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 2004. Im Folgenden mit der Sigle A und Seitenangabe zitiert. 8 Ders.: Homo Sacer, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 2002, S. 68. Im Folgenden mit der Sigle HS und Seitenangabe zitiert.

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Agambens Interpretation von »Vor dem Gesetz« In Kafkas Parabel sieht Agamben eine Darstellung der Struktur des souveränen Banns. In der Situation des Manns vom Lande, der vom Türhüter vor dem Gesetz nicht eingelassen wird, zeigt sich für ihn in reinster Form die Macht des Gesetzes, das keine Bedeutung mehr hat, aber dennoch zu gelten nicht aufhört. Kein Gebot verbietet dem Mann den Eintritt in das Gesetz, doch ist er von diesem buchstäblich in einem Bann befangen, der ihn gleichzeitig ein- und ausschließt, ihn weder eintreten noch ihn sich vom Gesetz abwenden lässt. Im Gegensatz zu herkömmlichen Interpretationen, die in der Parabel ein Scheitern des Mannes vom Lande sehen, der vergeblich vor der Tür des Gesetzes verharrt, bis der Türhüter sagt »ich gehe jetzt und schließe sie«, versteht Agamben das Verhalten des Mannes als »komplizierte und geduldige Strategie, die Schließung zu erreichen, um die Geltung [des Gesetzes] zu unterbrechen« (HS, 66). Damit wird jene »schlechte Unendlichkeit«, die er explizit Derridas Interpretation der Parabel vorhält, beendet: In der konstitutiven Unabschließbarkeit, die Derrida aus der Parabel herausliest, sieht Agamben einen »blockierten Messianismus«9, der zur Lähmung des gegenwärtigen Zustands beiträgt. Dieser Haltung steht die Provokation von Agambens Mann vom Lande entgegen, die zum Schließen der Gesetzestür führt: Er erfüllt die messianische Aufgabe der Aufhebung des Gesetzes. Agamben spricht explizit von einer Strategie – also einer kalkulierten Zielsetzung – des Manns vom Lande, mit der er die Türe zum Schließen und das Gesetz zu seiner Aufhebung bringt. Eine solche zielstrebige Ausrichtung steht allerdings im Gegensatz zu Benjamins prägnantester Vorstellung der »Herbeiführung des wirklichen Ausnahmezustands«. Benjamins Figur, in der ›messianische Intensität‹ und ›Dynamis des Profanen‹ zwei parallele, in entgegengesetzte Richtungen weisende, einander beschleunigende Pfeile abgeben, hat nicht die zielstrebige – also ›strategische‹ – Deaktivierung des Gesetzes im Blick. Nicht an dessen profanierender Ungültigkeitserklärung ist die Herbeiführung des Reichs auszurichten, sondern am profanen und irdischen Glückstreben der Menschheit – und somit an der Gerechtigkeit im Diesseits – selbst. Agamben betont hingegen den destruktiven Impuls und dessen Nähe zum häretischen Messias Shabbetai Zevi, für den »die Übertretung der Tora ihre Erfüllung« und »die Erfüllung der Tora deren Vergessen ist«.10 Diese mystisch inspirierte Antinomie schließt Agamben mit der paulinischen Deaktivierung der Torah, der geschriebenen Gesetzesordnung, zusammen und diese wiederum mit seiner eigenen Vorstellung einer Therapie des heutigen Weltzustands. 9 Ders.: Die Zeit, die bleibt. Ein Kommentar zum Römerbrief, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 2006, S. 117. 10 Ders.: Potentialities. Collected Essays in Philosophy, Stanford/Calif. (Stanford UP) 1999, S. 167 f. Im Folgenden mit der Sigle P und Seitenangabe zitiert.

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Wie der Mann vom Lande es fertig bringt, den Türhüter dazu zu bewegen, die Tür zum Gesetz zu schließen, bleibt eine offene Frage. Es ist fraglich, was – und ob überhaupt etwas – sich für ihn ›vor dem Gesetz‹ ereignet. Der Schlusssatz von Agambens Lektüre der Kafka’schen Erzählung enthält eine mögliche Antwort auf diese Frage, wenn er behauptet, dass in Kafkas Parabel »in der Tat sich etwas ereignet hat, was jedoch als Ereignis nicht sichtbar wird« (P, 174). Mit diesen Worten widerspricht er direkt und ausdrücklich Derridas Schlussfolgerung, dass Kafkas Parabel »die Geschichte eines Nicht-Ereignisses ist, eines Ereignisses, das nicht stattfand, dem es gelungen ist, nicht stattzufinden«.11 Für Derrida besteht das ›Gelingen‹ gerade darin, dass der Mann vor dem Gesetz verharrt, gerade nicht in es eintritt. Nach ihm würde der Eintritt ins Gesetz voraussetzen, dass es so etwas gibt wie die tatsächliche ›Erfüllung‹ des Gesetzes. In der Tat, Agambens Vorstellung von der messianischen Aufgabe, das Gesetz in dessen Aufhebung zu erfüllen, setzt die Fähigkeit – und die Aufgabe – voraus, wie sie Christus zukam. Von ihm wird gesagt, dass er die Erfüllung des Gesetzes ein für alle Mal ins Werk gesetzt habe, eine Vorstellung, die in der christlichen Theologie allgegenwärtig, der jüdischen Idee des Gesetzes aber fremd ist. Des Weiteren scheint Agamben, im Gegensatz zur jüdischen Auffassung von der messianischen Zeit, die als öffentliches Ereignis für alle offenbar wäre, auf die Paulinische Geste einer Offenbarung von etwas zu verweisen, das schon statt gefunden hat, aber noch nicht sichtbar ist. Die Fragwürdigkeit dieser Interpretation zeigt sich unter anderem in der Auslassung eines wesentlichen Details der Kafka’schen Parabel: Der Lichtglanz, der – wie schwach auch immer – in Kafkas Geschichte vor dem Tod des Mannes aus der Tür des Gesetzes hervorbricht und der vielfach überzeugend als das Strahlen der ›Schechinah‹, der göttlichen Gnade der Torah, interpretiert worden ist, bleibt in Agambens Deutung unerwähnt und scheint für ihn keine Rolle zu spielen. Benjamin hat in seiner Darstellung von Kafkas Beziehung zum Gesetz jedoch eine völlig andere Auffassung vom Judentum und dessen Auffassung von Gerechtigkeit im Blick.

Walter Benjamin: Halachah und Haggadah Agamben leitet seine Lektüre von Kafkas »Vor dem Gesetz« mit der Behauptung ein, er interpretiere die Parabel »aus der Perspektive von Walter Benjamins Konzeption eines messianischen Gesetzes« (P, 172). Benjamin selbst gibt nirgendwo eine ausführliche Interpretation der Parabel und spricht lediglich von der

11 Jacques Derrida: »Before the Law«, in: Acts of Literature, hg. v. Derek Attridge, New York (Routledge) 1992, S. 195.

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»wolkigen Stelle« in deren Mitte, die zu »nicht enden wollenden Erwägungen« Anlass gibt (BK, 20), die sich sehr deutlich von Agambens Paulinischer Lektüre unterscheiden. Ohne Zweifel gibt es Ähnlichkeiten zwischen Agambens und Benjamins Ansichten über das säkulare Rechtssystem. Wie Agamben sieht auch Benjamin in den staatlichen Gesetzen verborgene Instrumente einer missbräuchlichen Souveränität. In seinem Essay »Zur Kritik der Gewalt« weist er auf die mythische Natur der Gesetze hin und in seinen Texten zu Kafka zeigt er, wie das Rechtssystem seine übermächtige Gewalt überall rücksichtslos ausübt. Für Benjamin wie für Agamben dringt es so tief in die persönlichsten und intimsten Bereiche der menschlichen Existenz ein, dass es »vom Leben ununterscheidbar wird« (HS, 63). Wie Agamben sieht auch Benjamin in Kafkas Romanen Der Proceß und mehr noch in Das Schloß eine zutreffende Illustration einer Welt, in der dunkle Gesetzesinstanzen den Menschen unbegründete, undurchsichtige und repressive Vorschriften auferlegen, während ihnen das Gesetz, dem sie unterworfen sind, unbekannt bleibt. Für Benjamin ist die schreckliche Welt von Kafkas Romanen eine des »Sumpfdaseins der Menschheit in gänzlicher Promiskuität«, die »niedrigste Stufe menschlicher Existenz« (GS II, 1205). Er nennt diese Welt eine prähistorische »Sumpfwelt«, in der jedermann schuldig ist und zugleich ein Opfer des Gesetzes. Es ist vor allem, so Rodolphe Gasché, »eine Welt, die eine Unterscheidung zwischen richtig und falsch unmöglich macht«.12 Sie ist stattdessen, »geradezu durch die Unmöglichkeit einer klaren Entscheidung bestimmt, eine Unmöglichkeit, die die Ordnung des Unrechts aufrecht erhält und damit selbst die Möglichkeit von Gerechtigkeit ausschließt«.13 In seinem Kafka-Essay weist Benjamin nach, dass das Leben in Kafkas Romanen paradoxerweise durch die Gleichzeitigkeit eines allgegenwärtigen Gesetzes und absoluter Gesetzlosigkeit gekennzeichnet ist. Anders als für Agamben ist für ihn diese Gesetzlosigkeit gleichermaßen wie – wenn nicht gar mehr als – die Tyrannei des Gesetzes für den Terror in Kafkas Welt verantwortlich. Mit Begriffen absoluter Gesetzlosigkeit beschreibt Benjamin das Leben im Dorf in Kafkas Roman Das Schloß: »Man sieht, auch diese Oberen sind so gesetzlos, dass sie auf einer Stufe mit den Untersten erscheinen, und ohne Scheidewände wimmeln die Geschöpfe aller Ordnungen durcheinander, heimlich nur solidarisch in dem einen einzigen Gefühl der Angst« (BK, 44). Diese Gesetzlosigkeit, schreibt Benjamin,

12 Gasché schreibt: »More precisely, it is a law that inhibits the possibility of discriminating between right and wrong. It is constituted by the very impossibility of a clear decision – an impossibility by which this law perpetuates the order of the wrong (Unrecht), thus also excluding the very possibility of justice (Gerechtigkeit).« Rodolphe Gasché: The Stelliferous Fold. Toward a Virtual Law of Literature’s Self-Formation, New York (Fordham UP) 2011, S. 278 f. 13 Ebd., S. 278.

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unterliegt einem historischen Entwicklungsprozess. Am ausführlichsten befasst er sich mit diesem Prozess in der Skizze eines nicht ausgeführten Essays mit dem Titel »Versuch eines Schemas zu Kafka« (BK, 116). Dieser nur eine Seite umfassende Text entwirft eine Theorie der Kulturgeschichte en miniature. Er beschreibt die Welt in Kafkas Romanen als eine prähistorische Sumpfwelt, die Kafka, wie Benjamin schreibt, »mit der gesetzlichen des Judentums konfrontiert[.] […] Ihre Reinigungs- und Speisegesetze – also die Halacha im engeren Sinne – beziehen sich auf eine Vorwelt, von der nichts mehr erhalten ist als diese Abwehrmaßnahmen gegen sie« (ebd.).14 Kafkas Bücher, so Benjamin weiter, »enthalten die fehlende Haggadah zu dieser Halachah. Aufs innigste verschränkt aber mit diesem haggadischen Text enthalten sie einen prophetischen« (ebd.). Die Welt, wie sie sich in Der Proceß und Das Schloß zeigt, diese Welt ohne Trennungen und Unterscheidungen, ohne Grenzen und ohne Ordnung, ist so zugleich eine prähistorische Vorwelt, mit der Kafka aber auch prophetisch die Wiederkehr dieser repressiven Gesetzlosigkeit in der Gegenwart ankündigt. In seinen Notizen zum Kafka-Essay schreibt Benjamin: »Kafkas Romane spielen in einer Sumpfwelt. Aber diese Welt ist dann auch wieder die unsere: eben darum, weil wir sie nicht bewältigt, sondern nur verdrängt und vergessen haben« (GS II, 3, 1236). Die gesetzlose Welt der Vorgeschichte, die Kafka beschreibt, enthält für Benjamin auch einen Hinweis auf seine eigene Gegenwart: Als Jude, der in den 1930er-Jahren schreibt, vergleicht Benjamin das Gesetzessystem seiner Zeit mit Kafkas Sumpfwelt, in der die Gesetze, anstatt das Leben zu ordnen, in die alltägliche Existenz eindringen und mit absoluter Gesetzlosigkeit identisch werden. Insoweit scheint diese Beschreibung der Wirkung der staatlichen Gesetze kaum von Agambens Sicht der Dinge abzuweichen. Der entscheidende Unterschied jedoch liegt darin, dass für Benjamin dieser prähistorische und zugleich gegenwärtige Zustand, in dem das Gesetz eine ›Bastardisierung‹ mit der Gesetzlosigkeit eingegangen ist und in der alle Unterscheidungen aufgehoben sind, im Kontrast zum Judentum steht und nicht wie bei Agamben mit ihm identifiziert wird. Für Benjamin liegt implizit die Möglichkeit einer Abwehr der Sumpfwelt – jener Welt ohne Grenzen, Trennungen und Unterscheidungen – im jüdischen Gesetz selbst. Nicht nur wäre es unterschieden von einem staatlichen, allein auf der bloßen Gewaltausübung beruhenden Gesetz. Es ist – oder eher es wäre – sein Gegengift. In einem Brief an Scholem vom 11. August 1934 schreibt Benjamin: »Das Werk der Torah nämlich ist – wenn wir uns an 14 Es ist auffallend, dass sich so bedeutende Kafka-Interpreten wie Beda Allemann, der sich mit Benjamins Kafka-Lektüre und dessen Diskussionen mit oder über Scholem, Max Brod und Hans-Joachim Schoeps auseinandergesetzt hat, Benjamins explizite Heranziehung des Verhältnisses von Halachah und Haggadah unerwähnt lässt. Vgl. Beda Allemann: »Fragen an die judaistische Kafka-Deutung«, in: Karl Erich Grötzinger/Stéphane Mosès/Hans Dieter Zimmermann (Hg.): Kafka und das Judentum, Frankfurt a. M. (Athenäum) 1987, S. 35–70.

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Kafkas Darstellung halten – vereitelt worden« (GB IV, 478). In den vorbereitenden Notizen für diesen Brief fügt Benjamin hinzu: »Und alles, was einst von Moses geleistet wurde, wäre in unserem Weltzeitalter nachzuholen« (GS II, 3 u. 1246.) In dieser überraschenden Verteidigung des jüdischen Gesetzes unterscheidet sich Benjamin von Agamben, indem er der mythischen, gesetzlosen Welt der Prähistorie wie der Moderne, wie sie von Kafka beschrieben wird, die jüdische Welt der Halachah entgegensetzt. Aber Benjamin stellt auch sicher, dass seine Überlegungen zur halachischen Dimension von Kafkas Texten sich von einer jüdischen theologischen Lesart unterscheiden. In der Skizze zu seinem ungeschrieben gebliebenen Essay hält er fest: »[Kafkas] Prophetie auf eine allernächste Zukunft« – damit ist der Zustand der Welt zu Benjamins eigener Zeit gemeint – »ist für Kafka weit wichtiger als die jüdischen Theologumena, die man allein in seinem Werk hat finden wollen. [...] Die Prophetie ist wichtiger als Gott« (BK, 117). Ohne Zweifel hatte Benjamin bei diesen Worten Max Brod im Sinn, den er auch an anderer Stelle wegen seiner theologischen Auslegung Kafkas heftig kritisiert. Aber sie können auch an seinen wichtigsten Gesprächspartner in Sachen Kafka gerichtet sein, an Gershom Scholem, obwohl Scholems auf der Kabbalah beruhende Theologie sich fundamental von jener Brods unterscheidet. Zwischen 1925 und 1938 standen Benjamin und Scholem in einem stetigen Briefaustausch über Kafkas Werk, der zu dessen eindringlichsten Interpretationen gerechnet werden kann. Im Laufe dieses Briefwechsels kamen bedeutende Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Freunden zum Vorschein. Diese Unterschiede betreffen die Rolle der Theologie für die Interpretation Kafkas, die Natur und die Bedeutung des Gesetzes in Kafkas Werk und das Verständnis von Halachah und Haggadah in diesem Kontext. All diese Unterschiede lassen sich dahingehend zusammenfassen, dass die beiden Freunde eine sehr verschiedene Auffassung von Gerechtigkeit und jüdischer Tradition vertreten. Überraschenderweise ist Scholem, der normalerweise für den ›jüdischeren‹ Denker der beiden gehalten wird, weiter von zentralen Aspekten der jüdischen Tradition entfernt als Benjamin. Weniger überraschend ist es, dass Benjamin jene Aspekte dieser Tradition, die sich eher auf den zwischenmenschlichen, genauer den politischen Bereich, als auf den göttlichen beziehen, mehr interessieren als Scholem. Benjamin und Scholem stimmen in der Begründung einer theologischen Lektüre Kafkas nicht überein. In seiner Antwort auf Benjamins Darstellung von Kafkas Welt als einer Sumpfwelt und ihrem Gegenbild in der Torah schreibt Scholem: Die Existenz des geheimen [kabbalistischen eher als halachischen] Gesetzes macht deine Interpretation kaputt: es dürfte in einer vormythischen Welt chimärischer Vermischung nicht da sein, ganz zu schweigen von der so besonderen

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Art, in der es seine Existenz doch ankündigt. Da bist Du mit der Ausschaltung der Theologie viel zu weit gegangen, das Kind mit dem Bade auszuschütten. (BK, 72)

Scholem betrachtet in der Tat »die Möglichkeit des Gottesurteils als den einzigen Gegenstand der Kafkaschen Produktion« (BK, 64). Kafkas Werk – insbesondere »Vor dem Gesetz« – ist für ihn die zutreffendste Illustration einer verschwundenen Transzendenz. Scholem beruft sich auf Kafka als den ultimativen Zeugen für eine negative Theologie, in der – mit Stephane Mosès zu sprechen – »alles, was wir von Gott wissen können, die Tatsache seiner Abwesenheit ist«.15 Mosès betont, dass Kafka nach Scholems Ansicht »immer noch eine – allerdings grenzwertige – Position in der Geschichte der Offenbarung«16 vertritt. Es ist – und hier stimmt Kafka nach Scholem mit den häretischen Kabbalisten überein – »das Nichts der Offenbarung« (BK, 82). Während Scholem in theologischen Kategorien über Kafkas Bezugnahme auf das Gesetz denkt, ist Benjamin, obwohl er eine gewisse »beschattete« theologische Dimension in seinen eigenen Schriften anerkennt (BK, 76), weniger an Gott interessiert und befasst sich stattdessen mehr mit den Verfahren der jüdischen talmudischen Tradition. Insbesondere im Zusammenspiel von Halachah und Haggadah erkennt er eine mögliche Alternative zur trostlosen Welt, wie sie in Kafkas fiktionalen Texten geschildert und in der geschichtlichen Realität von Benjamins Zeit sichtbar wird. Statt einem kabbalistischen »Nichts der Offenbarung« das Wort zu sprechen, betrachtet Benjamin die aktuellen Vorgänge in der Welt der Menschen als Kafkas vordringliche Sorge. Er spricht von der »Fixierung Kafkas an diesen seinen einen und einzigen Gegenstand, die Entstellung des Daseins« (BK, 41). Ausdrücklich bezieht er sich dabei auf Kafkas prophetische Vision des Weltzustandes, der in Benjamins Lebenszeit Realität werden sollte, insbesondere »die fast unverständlichen Entstellungen des Daseins […] die das Heraufkommen der Gesetze verraten« (ebd.). Dennoch führt Benjamin auch die jüdische Perspektive wieder ein, die er für unabdingbar für ein richtiges Verständnis Kafkas hält, indem er diese Entstellungen in Begriffen einer Welt definiert, »in der die Torah vereitelt«, in der sie ihrer Wirkung beraubt wurde (BK, 78). Scholem und Benjamin haben des Weiteren eine unterschiedliche Auffassung von der Halachah (GB IV, 458–465). Im Gegensatz zu Benjamin, der sie als Gegengift zum chaotischen Zustand der prähistorischen und gegenwärtigen Sumpfwelt begreift, ist Scholem der Halachah gegenüber voller Skepsis: Für ihn steht Kafka in der Tradition der häretischen, antinomischen Kabbalisten eines

15 Stéphane Mosès: The Angel of History. Rosenzweig, Benjamin, Scholem, Stanford (Stanford UP) 2009, S. 145. 16 Ebd.

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Sabbatai Zwi, des Führers einer messianischen Sekte aus dem 17. Jahrhundert. Über die Halachah, das offenbarte Gesetz, schreibt Scholem an Benjamin: »Nicht, lieber Walter, ihre Abwesenheit in einer präanimistischen Welt« sondern »ihre Unvollziehbarkeit ist das Problem« (BK, 75; Hvh. i. O.). Scholem kommt der Paulinischen Sichtweise Agambens sehr nahe, wenn er die Halachah »das absolut Konkrete als das Unvollziehbare schlechthin« nennt (BK, 66; Hvh. V. L.). Dies entspricht Scholems Sicht auf Kafka, der – wie er glaubt – »unaufhörlich die menschliche Existenz mit dem Ideal absoluter Gerechtigkeit vergleicht, wie es die jüdische Tradition ihrerseits im Bild des göttlichen Gerichts symbolisiert«.17 Das Ideal absoluter Gerechtigkeit im Judentum ist jedoch – genau wie die Erfüllung des Gesetzes – nicht von dieser Welt. Indem Scholem die Möglichkeit einer Erfüllung des Gesetzes voraussetzt, macht er sich, wenn auch noch so abgeschwächt, das Paulinische Argument aus dem Römerbrief zu eigen, dass das jüdische Gesetz aufgehoben werden soll, weil man ihm im Leben niemals gerecht werden kann. Für Paulus ist das jüdische Gesetz in der Tat die Quelle aller Sündhaftigkeit.18 Für ihn haben das Kommen Christi und sein Tod am Kreuz ein für alle Mal das Gesetz erfüllt, und die Werke – damit sind die Mitzwot, die Gebote, gemeint – müssen daher durch die Innerlichkeit der göttlichen Gnade und Liebe ersetzt werden. Allerdings geht Scholems antinomische Haltung nicht so weit: weder in seiner Kafka-Interpretation noch in seinem Austausch mit Benjamin und anderswo. Sein anarchistischer Impuls bleibt innerhalb der Grenzen der antinomischen jüdischen Kabbala, und Kafka für ihn ein später Vertreter dieser Tradition. Auch in der Auffassung von Bedeutung und Funktion der Haggadah stimmen Benjamin und Scholem nicht überein. Zunächst scheint das im Vergleich, den Benjamin zwischen der Haggadah und Kafkas Erzählungen konstruiert, nicht der Fall zu sein: »Kafkas Dichtungen sind von Hause aus Gleichnisse. Aber [so Benjamin an Scholem] sie legen sich der Lehre nicht schlicht zu Füssen wie sich die Haggada der Halacha zu Füssen legt. Wenn sie sich gekuscht haben, heben sie unversehens eine gewichtige Pranke gegen sie« (BK, 87). Scholem betrachtet diese Sätze als Bestätigung seiner eigenen Sicht auf Kafkas antinomische, also der Halachah gegenüber abgeneigte Haltung. Während Benjamins Bild von der mächtigen Pranke, die gegen die Gesetze erhoben ist, in der Tat auf diese Weise verstanden werden kann, verfehlt Scholem die Nuancen der Geste, die Benjamin beschreibt. Scholem hat zwar in der Tat recht, wenn er gegen Benjamin einwendet, dass die »Antinomie des Haggadischen, die Du erwähnst, […] keine der Kafkaschen Haggada allein eigene [ist], sie gründet eher

17 Ebd., S. 154. 18 »Was wollen wir denn nun sagen? Ist das Gesetz Sünde? Das sei ferne! Aber die Sünde erkannte ich nicht, außer durchs Gesetz.« (Röm 7,7).

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in der Natur des Haggadischen selber« (BK, 89). Allerdings hat er nur teilweise recht. Nicht nur ist Benjamins Bild von der erhobenen Pranke, wie sich noch zeigen wird, nicht wirklich antinomisch, noch beziehen sich alle Haggadot in dieser Weise auf die Halachah. Moshe Halbertal unterscheidet drei verschiedene Formen der Beziehung zwischen Haggadah und Halachah: »Die erste und einfachste«, schreibt er, »besteht darin, dass die Erzählung eine Grundlage für das Gesetz bereitstellt; die zweite betont die Art und Weise, in der die Erzählung einen Übergang zu einer konkreteren Anwendung der Gesetzeskenntnis ermöglicht; die dritte Form, die Halbertal »die delikateste« nennt, trifft auf Benjamins Bild der mächtigen Pranke zu. In dieser dritten, gewissermaßen subversiven Form, schreibt Halbertal, »weist die Erzählung das Gesetz in seine Schranken und macht dessen Grenzen sichtbar«.19 Diese letzte Form ist jene, auf die sich Benjamins Darstellung von Kafkas haggadischer Dimension bezieht. Entscheidend ist dabei jedoch, sie von einem antinomischen Verhältnis zur Halachah abzugrenzen. Ein genauerer Blick auf die Unterscheidung, die Benjamin zwischen Kafkas Erzählungen und der Haggadah macht, lässt erkennen, dass letztere keineswegs darauf ausgerichtet ist, das Gesetz aufzuheben. Was impliziert Benjamins seltsames Bild der »gewichtigen Pranke«, die gegen die Halachah erhoben ist? Zunächst und vor allem, das mächtige Glied eines Löwen oder Bären, das die Gegenwart eines kreatürlichen Wesens suggeriert. Zudem beschreibt Benjamins Bild die Geste einer Drohung, die von der Kreatur gegen das Gesetz gerichtet ist, jedoch ohne es zu vernichten. Schließlich bezeichnet es eine Bewegung, die etwas abwehren, abgrenzen will. Eine nähere Erläuterung zu den Implikationen dieses Bildes enthält Benjamins Essay »Franz Kafka: Beim Bau der chinesischen Mauer«, wo Benjamin ebenfalls die Analogie zwischen Kafkas Schriften und der Haggadah aufzeigt. In einem Abschnitt, der unmittelbar auf die Diagnose von Kafkas Fixierung auf »diesen seinen einen und einzigen Gegenstand – die Entstellung des Daseins« folgt, erläutert Benjamin, dass Kafkas Prosa der Haggadah in dem ähnlich ist, was »beim Leser den Eindruck der Verstocktheit hervorrufen« (BK, 41) kann. Diesen beschreibt er als erzählerischen Modus eines Schreibens, der sich jeder Moral, die aus ihm gezogen werden könnte, entzieht. Über Kafkas Erzählungen schreibt Benjamin: Man hat hier an die Form der Haggadah zu erinnern; so heißen bei den Juden Geschichten und Anekdoten des rabbinischen Schrifttums, die der Erklärung und Bestätigung der Lehre – der Halacha dienen. Wie die haggadischen Teile des Talmud so sind auch diese Bücher Erzählungen, eine Haggadah, die

19 Moshe Halbertal: »At the Threshold of Forgiveness. A Study of Law and Narrative in the Talmud«, in: Jewish Review of Books 7 (2011), S. 34.

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immerfort innehält, in den ausführlichsten Beschreibungen verweilt, immer in der Hoffnung und Angst zugleich, die halachische Order und Formel, die Lehre könnte ihr unterwegs zustoßen. (BK, 41 f.)

Benjamin nennt dieses Zögern, die Ambivalenz zwischen Hoffnung und Furcht, dem Gesetz zu begegnen, in dieses einzumünden, »Verzögerung«, ein Begriff, der mit einer kleinen Verschiebung genau auf das Warten des Manns vom Lande vor der Tür des Gesetzes passen würde. Und Benjamin fährt fort, »dass das Gesetz als solches bei Kafka – wie in diesen Haggadot – sich nirgends ausspricht, das und nichts anderes ist die gnädige Fügung des Fragments« (BK, 42). Die Haggadah vermeidet es, zur Halachah zu werden, ganz wie Kafkas Parabeln oder eher Antiparabeln, aus denen sich keine Lehre oder Moral ableiten lässt. Ganz wie die gewichtige, gegen die Halachah erhobene Pranke gleicht die Haggadah Kafkas Schriften darin, dass beide davor Halt machen, in das Gesetz einzutreten, und zugleich dem Gesetz seine Grenzen aufweisen. Es sind die Grenzen, die vom kreatürlichen, gelebten Leben selbst gesetzt werden. Aber es ist dabei entscheidend für die Deutung von Benjamins Bild, dass die Pranke die Halachah nicht vernichtet. Ihre Geste sollte nicht mit einer antinomischen Überschreitung oder der Abschaffung des Gesetzes verwechselt werden. Stattdessen entspricht sie der Struktur eines dynamischen Verhältnisses zwischen Halachah und Haggadah, zwischen Erzählung und Gesetz, das der jüdischen Idee der Gerechtigkeit inhärent ist. Erkenntlich wird somit – mehr am ›Bild‹, das Benjamin verwendet als an seiner ›Arbeit am Begriff‹ – der Unterschied zwischen seinem jüdisch-materialistischen Verständnis des Gesetzes und Agambens Haltung, die ebenso Benjamin wie Kafka für einen post-marxistischen Anarchismus vereinnahmt.

Schluss Was hat sich demnach ›vor dem Gesetz‹ ereignet? Für Agamben ist es etwas, ›das schon stattgefunden hat, aber noch nicht sichtbar ist‹ – eine Erfüllung des Gesetzes, die jedoch noch ein zweites Kommen voraussetzt, damit alle sie sehen können. Für Derrida ist es etwas, ›das darin erfolgreich ist, nicht stattzufinden‹ – ein unendlicher Aufschub, der der unbegrenzten Offenheit menschlicher Erwartungen entspricht, für Scholem ist es ›das Nichts der Offenbarung‹ – der Glaubenssatz einer negativen Theologie – und für Benjamin schließlich ist es das Kommen des Mannes vom Lande zum Gesetz im Sinne der Haggadah, die zur Halachah kommt. Für ihn wie für Kafka ist es dieses Kommen des Mannes und der Erzählung zum Gesetz, ein Kommen, das dem Gesetz Einhalt gebietet und vor ihm Halt macht, ohne es aufzuheben. Dies ist es, was sich vor dem Gesetz ereignet und vor dem Gesetz bleibt.

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In der Tat kann nur ein Am Ha’aretz es sich wünschen, ins Gesetz ›einzutreten‹, einer der nicht weiß, dass der Zugang zum Gesetz nicht in einem solchen Eintreten besteht, der nicht weiß, dass die Verhandlungen mit seinen Repräsentanten, den rabbinischen Auslegungen, in der talmudischen Tradition die Begegnung mit dem Gesetz selbst sind. Wenn er ein Talmid Chacham wäre, würde er den talmudischen Spruch Tzedek, Tzedek Tirdof (»Gerechtigkeit, Gerechtigkeit, strebe nach ihr«) kennen. Nach der Gerechtigkeit soll man streben, aber in diesem Spruch ist auch impliziert, dass sie nicht erreicht und nicht erfüllt werden kann. Dem Mann vom Lande in Kafkas Parabel – und uns als ihren Lesern – wird vor Augen geführt, dass die Tür zum Gesetz offen steht, dass sie aber nicht betreten oder erfüllt werden kann. Aber es bedarf auch eines Am Ha’aretz wie des Manns vom Lande, um sich dem Gesetz zu nähern, um zu ihm zu ›kommen‹, um das menschliche, das kreatürliche Element der Haggadah zur Halachah zu bringen, um deren Grenzen aufzuzeigen, nicht um das Gesetz aufzuheben oder es abzuschaffen, sondern um die notwendige Interaktion von Gesetz und Erzählung zu markieren, die den Begriff der Gerechtigkeit in der jüdischen Tradition konstituiert. Kafka selbst bringt die Haggadah seiner Geschichten zur Halachah, die Dimension der menschlichen Erfahrung vor das unveränderliche Gesetz. Nur in diesem gegenstrebigen Zusammensein kann das Gesetz für diesen einen, diesen einzelnen Mann bestimmt sein. Als der Mann vom Lande, dieses singuläre Dasein, stirbt, schließt sich auch die Tür zum Gesetz. Die Erfüllung der Gerechtigkeit kann im Judentum nur nach dem Tode erreicht werden, durch das göttliche Gericht oder nach dem Kommen des Messias. Denn wie es in Midrash Bereshit heißt: »Wenn ihr eine Welt wollt, dann ist vollkommene Gerechtigkeit unmöglich. Und wenn ihr vollkommene Gerechtigkeit wollt, dann ist eine Welt unmöglich.«20 Das Gesetz muss durch den Mann vom Lande, durch die Haggadah und die Erzählung, beschränkt werden, um die notwendige menschliche Dimension einzubringen, die das Gesetz in die Lage versetzt, dem gelebten Leben zu entsprechen. Es ist in diesem Sinne, dass Kafka in seinem Tagebuch schreibt: »Aus dem Talmud: Geht ein Gelehrter auf Brautschau, so soll er sich einen amhorez [die Jiddische Aussprache von Am Ha’aretz] mitnehmen, da er, zu sehr in seine Gelehrsamkeit versenkt, das Notwendige nicht merken würde.«21 Wie die Halachah die Haggadah braucht, so ist der Mann vom Lande der notwendige Begleiter des Talmid Chacham, denn der »amhorez« kann das »Notwendige« sehen, das, was notwendig ist für’s Leben.

20 Talmud, Bereshit Rabba 49,20. 21 Franz Kafka: Tagebücher, Frankfurt a. M. (Fischer) 1974, S. 112; Eintrag vom 29. November 1911.

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A Cloud of Words A Reflection on (Dis)appearing Words of Benjamin and Wittgenstein What can disappear necessarily presupposes what can appear. What once appeared, however, may not disappear but instead last for ages in which one can finally confirm neither its duration nor termination. And, as quite often happens in reality, what is supposed to be appearance may turn out to be nothing other than illusion. But this is also not a question about which one can easily pass judgment. That appearance could appear illusionary is a logical fact, too. As concerns the logical status of appearance and, in particular, disappearance, one could fall into a quandary because the possibility of disappearance relies on negative potential, non-potential if you will, of appearance that in turn, or actually in advance, originates from (no)where in reality. The origin of appearance as such never uncovers itself for appearance always already cannot but conceal it once it appears as appearance. Though one might suspect that appearance is actual, it is and remains possible to the last, that is to say, its modus in reality is hypothetical. The possibility of disappearance then becomes the possibility of possibility, i. e. negative possibility. What we (believe to) know about appearance as such is just the fact that it somehow always already appeared to us (but, to be sure, not all of us). Furthermore, it seems quite symptomatic that in everyday life or even in academic discussions we use the word »appearance« as something transcending the scope of visual perception, although the word, appearance, »apparently« indicates that it is something that exists only when one sees it and as long as one’s perception of it is in continuance. The representative example is the ordinary usage of the verb »appear.« People ›rightly‹ say: »It appears (to me) ...« The ground that renders this extravagant use of the word be circulated and settled could be found nowhere else but in language. Indeed, the problematic aspect of the usage of the words »appear« and »appearance« forces us to delve into the appearance and disappearance of/in language. At the forefront of those who tenaciously pondered this issue are, I would claim, Walter Benjamin and Ludwig Wittgenstein. Benjamin and Wittgenstein both are philosophers of language who tried to establish in unique ways the doctrine of resemblance respectively: »Lehre vom Ähnlichen« and »[Lehre der] Familienähnlichkeit.« What they see and find in language are not communication and mu-

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tual understanding but instead one of the weirdest phenomena in/of the world, viz., resemblance (likeness) in/of language. This phenomenon, I would insist, indicates the correlation of appearing and disappearing, of differentiating and integrating, and of dividing and imparting of language as such. For Benjamin and Wittgenstein, to sum up, language is a paradigmatic paradoxical site of (dis)appearance, differentiating integrity, and divisive imparting. For this reason, it is worthwhile to pin down where their thoughts on language converge and where they diverge.

1. Tact (Takt): Common Grounds of Benjamin and Wittgenstein So far, with few exceptions, Benjamin and Wittgenstein are regarded as belonging to fields completely apart from each other. And as far as my knowledge confirms, they did not have a chance to meet each other in their lifetime. The philosopher from Vienna had no acquaintance with the works of the critic from Berlin. By contrast, as Detlev Schöttker suggests,1 it may well be the case that Benjamin, who had no less an interest in the problem of language than Wittgenstein, felt sick with jealousy at him. In a bizarre interrogation in One-Way Street (1928), according to Schöttker, Benjamin reveals his envy; he would have read the first book of Wittgenstein, Tractatus Logico-Philosophicus, which is published with an introduction by Bertrand Russell in 1921, with a frown of disapproval and hence interpolated the following statements into a fragment: »What is ›solved [gelöst]?‹ Do not all the questions of our lives, as we live, remain behind us like foliage obstructing our view?« (SW I, 449). In other words, Schöttker goes on, Benjamin might bring his antipathy, of course stealthily as he often does, into such a literary fight. In particular, it should be noticed here that the word ›solved‹ has quotation marks around it for no discernible reason. It could be in order to target, or at least to refer to, the kernel of a declaration that Wittgenstein inscribed in the preface to his book: »And if I am not mistaken in this, then the value of this work secondly consists in the fact that it shows how little has been done when these problems have been solved.«2 Benjamin’s abrupt question, in this sense, sounds like a mockery of Wittgenstein’s seemingly arrogant assertion. 1 This German scholar has dealt with the relation between these two figures in a quite different way from the ones the American philosopher Stanley Cavell and the German philosopher Dieter Thomä took: a personal approach. Cf. Detlev Schöttker: »Benjamin liest Wittgenstein«, in: Sigrid Weigel/Daniel Weidner (eds.): Benjamin-Studien 1, München (Wilhelm Fink) 2008, pp. 91–105; Stanley Cavell: »Benjamin and Wittgenstein: Signals and Affinities«, in: Critical Inquiry 25 (1999) 2, pp. 235–246; Dieter Thomä: Vom Glück in der Moderne, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 2003, pp. 59–87. 2 Ludwig Wittgenstein: Tractatus Logico-Philosophicus, London (Routledge & Kegan Paul) 1981, p. 21 (emphasis H. C.).

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If one accepts this hypothesis of Benjamin’s jealousy, he might be surprised that it is hardly observed that a telling resemblance exists between their theories of linguistic resemblance (likeness). Schöttker unfortunately has stopped researching at the very moment when a proper question should be raised. (And neither Stanley Cavell nor Dieter Thomä acknowledges an important link between Benjamin and Wittgenstein, aside from their contributions to illuminating some momentous aspects of the constellation between Benjamin’s and Wittgenstein’s theories.) However, assuming Benjamin’s pangs of jealousy still seems to be a stepping stone for further researching. One could thereupon propose that the masterwork of the later Wittgenstein, Philosophical Investigations, gives a belated answer to the late Benjamin, as if the philosopher had heard (or read) the mocking questions of the critic through one channel or another. And if this response could be imagined, it is still to be conceived that Benjamin for his part already prepared the reciprocation, as though he had anticipated that someday there would be an echo from the author of Tractatus. This sort of fabrication at first glance could appear a mere fancy. In what follows, however, the appearance of this fabrication will take shape, being supported by philological complements. As a first step, it would be worth looking for the common grounds that propelled both Benjamin and Wittgenstein to devote themselves to the theory of resemblance of/in language. The foremost author in this regard is the idiosyncratic Viennese critic of language (Sprachkritiker), Karl Kraus. It is widely acknowledged that Kraus had a huge influence on both of them. Benjamin was not only a subscriber and an eager reader of Kraus’ journal, Die Fackel, which for over thirty years Kraus had composed and edited almost entirely alone, but also wrote some significant articles on Kraus that might cast light on the whole configuration of Benjamin’s »Historiosophy.« Likewise, Wittgenstein for his part admired Kraus as a mentor, as Stephen Toulmin and Allen Janik convincingly assert.3 These two scholars go so far as to call Wittgenstein ›the most eminent Krausian.‹4 Regarding this labeling, it is revealing that Wittgenstein solicited Kraus for advice when he had to make an important decision whether to donate his fortune to sponsor artists and poets. Yet, above all, the substantial influence of Kraus on Benjamin and Wittgenstein must be found in the radical attitude, or better, extreme meticulousness and sharpness that Kraus showed in his Sprachkritik. There are numerous sources we can find in his texts that reveal his radical perspective on language. To take one example from his works, one might select the following passage which is notable for its apocalyptic mood: »One must always write so, as if he wrote for the first time and for the last time [Man muss jedes Mal so schreiben,

3 Allan Janik/Stephen Toulmin: Wittgenstein’s Vienna, New York (Simon and Schuster) 1973, pp. 67–91. 4 Ibid., p. 87.

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als ob man zum ersten und zum letzten Male schriebe].«5 Kraus not only belongs to those who focus on language as such, but who also deserves to be representative for their preoccupation. For he, as Benjamin once insinuated, is a provocative, or indeed, ›destructive character‹ to the extent that his writings never let any realm remain safe and exempt from harsh criticism. Because for Kraus, every domain in culture, society, and politics that are primarily and fundamentally structured by language is supposed to irretrievably crumble if people misuse and contaminate language. All those who disgrace language are doomed to be an arch-enemy to him and to be symbolically executed by his criticism. So Benjamin describes Kraus’ personal Armageddon against the decay of language as »fireeating, sword-swallowing philology of journal.« (SW II, 443; trans. slightly modified by H. C.). Wittgenstein too appreciates Kraus’ overman-like endeavor to purify contaminated language, viz., flamboyant ornaments of Vienna feuilletons and therewith to seek a true unity of ethics and aesthetics.6 The influence of Kraus, as many literatures already proved and confirmed, contributed to the formation of Wittgenstein’s thoughts no less than that from philosophical discipline. In short, the reflections on language of Benjamin and Wittgenstein each must have much to do with the ›Absolutism of Language‹ of which Kraus should be a maestro. The second but equally important author is Johann Peter Hebel, whose Treasure Chest of the Family Friend from the Rhine (Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes) signifies a real and genuine treasure for Benjamin and Wittgenstein. Wittgenstein remarkably adored this Prussian priest-author and so often repeatedly read (out) his work (to his visitors, even on his sickbed).7 Furthermore, he bought Hebel’s works over and over again for different purposes, including to use them as a textbook for school children. Benjamin also credited Hebel with literary virtuosity. His approach to Hebel takes two different angles. On the one hand, he assigns Hebel a place in the genealogy from Herodotus via Montaigne to Leskov, that is, he regards him as one of the greatest storyteller. »Hebel is,« Benjamin identifies, »casuist like all other real moralist. […] For him the whole earth became the Rhodos of divine justice« (GS III, 205). On the other hand, Benjamin – this is one of the key points for our investigation – compared him with Kraus. »If in Johann Peter Hebel we find, developed to the utmost, the constructive, creative side of tact, in Kraus we see its most destructive and critical face. But for both, tact is moral alertness […] and the expression of an unknown convention more important than the acknowledged one« (SW II, 436). 5 Karl Kraus: Aphorismen, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 1986, p. 134 (trans. H. C.). 6 Cf. Luis Miguel Isava: Wittgenstein, Kraus, and Valéry, New York (Peter Lang) 2002; Mirko Gemmel: Die Kritische Wiener Moderne, Berlin (Parerga) 2005. 7 Cf. Joachim Schulte: Ludwig Wittgenstein: Leben. Werk. Wirkung, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 2005.

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Hebel, for him, was a unique moralist who beheld this earthly world with agonizing pity, yearned for divine justice but without any positive hope, and most significantly wrote about events in the world, large or small, with maximal sobriety. Benjamin names this demeanor (creative) ›tact‹ (Takt). And for Benjamin and Wittgenstein, presumably, all this originated from Hebel’s ›creaturely perspective‹ which, with his inimitable satirical style and horrifying strategy of citing, Kraus developed in his own way, albeit toward opposite end: the wrathful destructive philology of journals. The word ›tact,‹ which implies necessity to cope with concrete situations, signals that the approaches to language that Benjamin and Wittgenstein took would be distinct from Russellian logics or Saussurean linguistics, although Wittgenstein did not speak of it. So, the task here is to tease out how similarly and dissimilarly Benjamin and Wittgenstein construct their notions of (speech-)tact.

2. Word and Site As a second step in the exposition of their respective theories of resemblance (likeness), it is of use to observe the framework for their conceptions of language, by focusing on the analogy between word and site. In »On Language as Such and the Language of Man,« the article Benjamin wrote when he was engaged in the logical problems such as Russell’s paradox, one can find an argument for ›language-room doctrine‹ unfolded. This doctrine, I would claim, is to be compared to the model of ›language-city‹ presented in Philosophical Investigations. The existence of language [Benjamin writes] is coextensive not only with all the areas of human mental expression in which language is always in one sense or another inherent, but with absolutely everything. There is no event or thing in either animate or inanimate nature that does not in some way partake of language, for it is in the nature of each one to communicate its mental contents. (SW I, 62)

It is noteworthy that here a quite excessive expression »absolutely everything« is used for expounding the issue of language. To recapitulate this paragraph, one might set down a sort of equation: Language = Everything. In addition to this assertion, Benjamin suggests that language is »in the purest sense ›the medium‹ of communication.« (64) The medium in the purest sense, however, must be nothing other than ›room‹ (Raum; not space in the Newtonian sense!); it really is: we cannot convey, or better, impart (mitteilen)8 at all in any form or way unless

8 Cf. Samuel Weber: Benjamin’s -abilities, Cambridge (Harvard UP) 2008, pp. 44–45.

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it is presupposed that there be room in the most fundamental sense of the word. The equation hence can and must be upgraded as following: Language = Everything = Room. This expanded equation, as may easily be surmised, can serve as a motto for the absolutism of language. Just as the critic presents the language as such a room, so too the philosopher establishes an analogy between language and the city. To prove that the essence of language is only constituted by its usage, which is Wittgenstein’s primary argument in the Philosophical Investigations, he suggests as a model for argument not assertive sentences but imperative ones.9 And related to this argument, the metaphor of language-city appears: 18. Don’t let it bother you that languages (2) and (8) [the sentences that he chose as examples for explanation] consist only of orders. If you want to say that they are therefore incomplete, ask yourself whether our own language is complete – whether it was so before the symbolism of chemistry and the notation of the infinitesimal calculus were incorporated in to it; for these are, so to speak, suburbs of our language. (And how many houses or streets does it take before a town begins to be a town?) Our language can be regarded as an ancient city: a maze of little streets and squares, of old and new houses, of houses with extensions from various periods, and all this surrounded by a multitude of new suburbs with straight and regular streets and uniform houses.10

The ancient city with the old streets and the new streets, the bustling place and the outskirts: language. Wittgenstein claims that the everyday speech being represented by the imperative sentence must appropriate the center region of the language-city as a ground for our life, while, nevertheless, most people first bring into mind assertive and explanatory sentences when they hear the word ›language.‹ »Many new outskirts« which came far later into being, i. e. the languages of mathematics and sciences, according to him, should never claim priority over the hub of everyday speech. But, strictly speaking, neither the latter nor the former can predominate entirely, because they are equally components of the city. Rather, we ought to pay attention to the fact that they all are subject to the room of the »language-city.« This reminds us of Benjamin’s assertion that »language relates to one another as do media of varying densities« as well as the metaphor of thread that Wittgenstein himself invented »the strength of the thread resides not

9 This choice is not inconsiderable at all. Such an approach seems to be worth being compared with the »Speech-Thinking [Sprachdenken]« of his two contemporaries, Franz Rosenzweig and Eugen Rosenstock-Huessy. 10 Ludwig Wittgenstein: Philosophical Investigation (1953), trans. G. E. M. Anscombe/P. M. S. Hacker/Joachim Schulte, London (Blackwell) 2009, p. 11.

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in the fact that some one fibre runs through its whole length, but in the overlapping of many fibres.«11 Benjamin’s language, not unlike Wittgenstein’s city and thread, consists of different modalities and intensities of room as ›medium.‹ And Wittgenstein suggests that this room be metamorphosed into a unique labyrinth in which different times almost infinitely double and overlap. »Language is,« he asserts, »a labyrinth of paths. You approach from one side and know your way about; you approach the same place from another side and no longer know your way about.«12 The word ›place‹ would not be apposite to identify this singular city-room of language, although it is the most familiar word among synonyms. ›Site‹ instead seems more appropriate because it implies motility of association, relation, and communication. Their perspectives on language, in other words, can be recapitulated by the composite ›word-site.‹ This concept centers around the following hypothesis: »In an unidentifiable but immediate way words create site.« Let me present the philological evidence. In a fragment titled »Mummerehlen« which Benjamin included in Berlin Childhood around 1900, he notes a symptomatic case of the misunderstanding of language. (SW III, 410)13 Thus, on one occasion, chance willed that Kupfersticken [copperplate engravings] were discussed in my presence. The next day, I stuck my head out from under a chair; that was a Kopf-verstich [a head-stickout]. If, in this way, I distorted both myself and the word […]. Early on, I learned to disguise myself in words, which really were clouds. The gift of perceiving similarities is, in fact, nothing but a weak remnant of the old compulsion to become similar and to behave mimetically. In me, however, this compulsion acted through words. Not those that made me similar to models of good breeding, but those that made me similar to dwelling places, furniture, clothes. (390–391)

To confuse one word with another that has a similar pronunciation, such a very quotidian and unintentional error is, according to Benjamin, a necessary task for life. »I did only,« he says, »what I must do to gain a foothold in life« (390). For it wins him »the path to the world’s interior« (ibid). Such a misunderstanding, Benjamin goes on, compelled him to disguise himself under/behind/in words. Benjamin calls it a remnant of the mimetic faculty (Mimesisvermögen) that human being had once upon a time: His gift of seeing resemblances is nothing other than a rudiment of the powerful compulsion in former times to become and behave like something else. Perhaps 11 Ibid., p. 36. 12 Ibid., p. 88. 13 The title of the fragment itself also results from the misunderstanding of language.

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there is none of his higher functions in which his mimetic faculty does not play a decisive role. (SW II, 420)

What forced (young) Benjamin to resemble things around him is the mighty authority of words. Moreover – and this should be the most significant point – he alleges that words are actually clouds. »Early on, I learned to disguise myself in words, which really were clouds« (SW III, 390). How can we grasp this bizarre metaphor? We cannot recognize what the essence of clouds is, because clouds do not, or cannot, possess essence. Thus we ought to ask: What is then the function of Benjaminian cloud-words? It is no exaggeration to assume that the cloud-words can be quite well identified with Stimmung which Heidegger first introduced in philosophical discourse. A cloud truly can be regarded a matching paragon of Stimmung, for both create site, situation, and ultimately life as such on earth and under the sky. And it needs no great effort to understand that we all always already live in a certain atmosphere, whether physical or metaphysical. The atmosphere, Stimmung, consists of elements that are a cloud of words. In short, what purveys requisite rooms for human beings and all other things as well is the atmosphere rendered by cloud-words. With regard to this somewhat cloudy speculation, Benjamin lends a hand with a notable idea in the very article that includes his question for Wittgenstein: If the theory is correct that feelings [Empfindungen] are not located in the head, that we sentiently experience a window, a cloud, a tree not in our brains but, rather, in the site we see and feel it, then we are, in looking at our beloved, too, outside ourselves. But in torment of tension and ravishment. (SW I, 449; trans. slightly modified by H. C.)

Feelings, according to Benjamin, have little to do with the activity of the subject. Rather, they come about only after the subject is positioned in a certain site filled with a cloud of words. Corresponding to our expectations, The Philosophical Investigations also present a quite similar notion of sensations (Empfindungen) that can be illuminated solely with the theory of »cloudy words« 244. How do words refer to sensations? – There doesn’t seem to be any problem here; don’t we talk about sensations every day, and name them? But how is the connection between the name and the thing named set up? This question is the same as: How does a human being learn the meaning of names of sensations? For example, of the word »pain.« Here is one possibility: words are connected with the primitive, natural, expressions of sensation and used in their site [Stelle].14 14 Wittgenstein: Philosophical Investigation (note 10), p. 95; trans. slightly modified by H. C.

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So the philosopher drafts an amazing statement, as if he would confirm the critic’s retrospection and subsequent affirmation that what compelled him to resemble things around also gave birth to the feelings of subject: the cloud-words. He argues furthermore that »it is the circumstances [Umstände] under which he had such an experience that warrant him saying in such a case that he understands, that he knows how to go on.«15 And, most notably, he suggests the following situation: Suppose someone said: every familiar word, in a book for example, actually carries an atmosphere with it in our minds, a ›corona‹ of faintly indicated uses. – Just as if each figure in a painting were surrounded by delicate shadowy drawings of scenes, as it were in another dimension, and in them we saw the figures in different contexts. – Let’s take this assumption very seriously! – Then it turns out that it cannot explain intentionality.16

Intentionality, namely the activity of the subject, is not possible at all unless the ›corona (Dunstkreis),‹ i. e. Stimmung consisting of cloudy words, preexists.

3. The Creaturely Perspective Benjamin and Wittgenstein thus are likely to come to an agreement that language makes site for dividing and imparting life. There is a mediator who invited both of them to the same table. As can be immediately guessed, his name is Johann Peter Hebel. This idiosyncratic moralist appears to them as one of the memorable forefathers who prefigured the minor renaissance of ›creaturely perspective‹ among German(-Jewish) intellectuals in the Weimar period. As regards this renaissance, Eric Santner counts the following figures among its members: Franz Kafka, Franz Rosenzweig, Gershom Scholem, Walter Benjamin, and Sigmund Freud. »For these writers,« he explains however, creaturely life – the peculiar proximity of the human to the animal at the very point of their radical difference – is a product not simply of man’s thrownness into the (enigmatic) »openness of Being« but of his exposure to a traumatic dimension of political power and social bonds whose structures have undergone radical transformations in modernity.17

15 Ibid., p. 67. 16 Ibid., p. 190. 17 Eric Santner: On creaturely life. Rilke, Benjamin, Sebald, Chicago (Chicago UP) 2006, p. 12.

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Yet this list lacks Wittgenstein and, moreover, ignores that Benjamin’s conception of ›creaturely life‹ differs – if slightly, this is not a major point though – from the others. As mentioned above, Wittgenstein was no less enthusiastic reader of Hebel than other adherents including Benjamin. This surely means that he might also view all worldly things trying to be divine-sober (heilig-nüchtern), the attitude of which the storyteller strived to sustain. And, unlike other thinkers and authors with the exception of Wittgenstein, Benjamin deeply sympathized with the Christian Weltanschauung of the Prussian pastor. Hebel’s Christian view of the world and its history, however, is on the other side rooted in a profound nihilistic mood that is apparently distant from the Nietzschean one. For, as Benjamin unforgettably has engraved in his Storyteller, Hebel’s standpoint is aimed not so much at »Umwertung aller Werte« as at suffering martyrdom for »[t]he hierarchy of the creaturely world, which has its apex in the righteous man, reaches down into the abyss of the inanimate through many gradations« (SW III, 159) Where Hebel’s unique standpoint best shows up, if one would concur with the view of Benjamin, might be in the story of »Unexpected reunion« (»Unverhofftes Wiedersehen«). But as far as the resemblance (likeness) in/of language is concerned, another fragment titled »Kannitverstan« seems far more significant. For it broaches the very issue of ›misunderstanding of language (Sprachmissverständnis)‹ on the experience of which, as we have already seen, Benjamin has unfolded his unique idea of cloud-words. In this short story, a German artisan who has just arrived in Amsterdam hears the same name of a supposedly oceanic rich man, »(Mr.) Kannitverstan,« all the time when he asks passers-by about the owner of such splendid houses, swaying ships and barrels full of sugar and coffee in the city. Hearing such a great name repeatedly, the young man becomes more and more frustrated. Yet there still remains for this poor artisan one more chance to hear (t)his name. Now our stranger was seized by that feeling of melancholy which is spared no one whose heart is in the right place when he sees a funeral, and he stood reverently hat in hand until they had all passed by. But he went up to the last person in the procession, who was calculating what he could make from his cotton if the price increased by ten guilders a hundredweight, took him gently by the sleeve and sincerely begged his pardon. »That gentleman,« he said, »for whom the bell tolls, must have been a good friend of yours, you walk behind so downcast and so deep in thought.« »Kannitverstan,« came the reply. Then a pair of large tears welled from the eyes of our good young man from Duttlingen, and he was at once heavy at heart and yet easier in spirit too. »Poor Kannitverstan!« he cried, »what can all your riches bring you now? No more than my poverty will bring

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me one day: a shroud and a winding sheet; and of all your lovely flowers a bunch of rosemary perhaps on your cold breast, or a sprig of rue.«18

What he conceived as a great name is actually a typical phrase in everyday life: »I can’t understand you.« But this fact never becomes apparent to him. Finally, [Hebel continues] with a light heart, he left with the others, made a hearty meal of a portion of Limburg cheese in an inn where they spoke German, and whenever again he was inclined to feel depressed because so many people in the world were so rich and he so poor he just remembered Herr Kannitverstan of Amsterdam, his great mansion, his ship laden with riches, and his narrow grave.19

This anecdote clearly reveals what connects the idea of a word-site and the perspective of creatureliness: every human being on this earth, so Hebel implies, cannot but live in preposterous ignorance of the fundamental power of words but such a helpless situation, surprisingly enough, can be reversed into the blessed one without calculable reason or ground. However, there is one condition: only when he candidly faces the ultimate impasse of every living thing, death. And the perception of death could not come unless he recedes into the Sprachmissverständnis, which means to have much to do with »the infinitely small.« According to Benjamin, if one is in love, or just intensely preoccupied with another, his portrait will appear in almost every book. Moreover, he appears as both protagonist and antagonist. In stories, novels, and novellas he is encountered in endless metamorphoses. And from this it follows that the faculty of imagination is the gift of interpolating into the infinitely small, of inventing, for every intensity, an extensiveness to contain its new, compressed fullness, in short, of receiving each image as if it were that of the folded fan, which only in spreading draws breath and flourishes, in its new expanse, the beloved features within it. (SW I, 466)

In this fragment, the fan functions like a symbol for the cloud-words that offer us »hideouts« (Verstecke). »Here,« Benjamin recollects, »I was enveloped in the world of matter. It became monstrously distinct for me, loomed speechlessly near. In much the same way, a man who is being hanged first comes to know what rope and wood are« (SW III, 375). In this fantasy Benjamin makes the vivid life of the ingenuous child come across in the gruesome possibility of death, which

18 Johann Peter Hebel: The Treasure Chest, trans. John Hibberd, London (Libris) 1994, pp. 41–42. 19 Ibid., p. 42.

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underlies the existence of the creaturely world. The fan that can all at once be folded and unfolded symbolizes the paradoxical compatibility of childhood and death; the folded fan (death) can swallow the unfolding of life (childhood) at any moment. Life and all things in it, then, might suddenly appear and disappear at random. So it is crucial to know that no life can escape the force of the folding down of death and as well to bear in mind that it is the cloud-words that make room for life or sites of life. This reflection can shed light on why young Benjamin was forced to be like (tiny) things around him. His experience, so to speak, prefigures that he is doomed to be familiar with the perspective of creaturely life. Hence, it is imperative for the cloud-words to impel human beings to resemble things, because it is the only way to enter the interior of the world. The perspective of creatureliness, then, implies the radical anti-anthropomorphism. In »On Mickey Mouse« Benjamin argues: Property relations in Mickey Mouse cartoons: here we see for the first time that it is possible to have one’s own arm, even one’s own body, stolen. […] Mickey Mouse proves that a creature can still survive even when it has thrown off all resemblance to a human being. (SW II, 545)

It is no necessity at all that human beings hold the supreme rank in the hierarchy of all creatures. For Benjamin, and for Hebel as well, even this status quo must be exploded. So Mickey Mouse, the representative of all silent creatures against human being, »disrupts the entire hierarchy of creatures that is supposed to culminate in mankind« (ibid.). In this regard, Wittgenstein’s thought seems less radical than Benjamin’s and Hebel’s, for he does not want to destroy the hierarchy allegedly governed by mankind; instead he just tries to explain the existence of creaturely feelings. »What gives us so much as the idea that beings, things, can feel?«20 Benjamin, by contrast, prefers or even devotes himself to forthrightly jumping into the world of distorted things. One of his primary literary strategies termed »Darstellung« implies this contra-Kierkegaardian leaping-over. »I was,« Benjamin says, »distorted by similarity to all that surrounded me. Like a mollusk in its shell, I had my abode in the nineteenth century, which now lies hollow before me like an empty shell« (SW III, 374). The underlying stance of Wittgenstein on the creaturely life, nevertheless, hardly differs from that of Benjamin and Hebel. This becomes apparent when we consider, as he might also bear in mind, that the body of human being, not unlike those of other creatures, can be easily thrown away, stolen, and even destroyed. He knows quite well, in other words, that the possibility of the

20 Wittgenstein: Philosophical Investigation (note 10), p. 104.

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disfigurement of creaturely life exists pervasively and this is the primary condition of the whole earthly process. One can find the following statement in his Philosophical Investigations: 286. But isn’t it absurd to say of a body that it has pain? – And why does one feel an absurdity in that? In what sense does my hand not feel pain, but I in my hand? What sort of issue is this: Is it the body that feels pain? – How is it to be decided? How does it become clear that it is not the body? – Well, something like this: if someone has a pain in his hand, then the hand does not say so (unless it writes it), and one does not comfort the hand, but the sufferer: one looks into his eyes.21

Why does one look into his eyes? For his face contorts with pain. Wittgenstein here seems to keep in mind that the state of contortedness, the disfigurement (Entstellung) is the primary mark of all earthly creaturely life; creaturely being itself consisting of the endless disfigurements. Likewise, in The Origin of German Tragic Drama one can see it transfigured into a concave mirror. The creature is the mirror within whose frame alone the moral world was revealed to the baroque. A concave mirror; for this was not possible without distortion.22

4. Disfigured Resemblance: the Inverse Empathy If we concur with the stance of Benjamin and Wittgenstein, it would be a possible verdict that all creatures are disfigured without exception. Given this judgment, the utmost singular figure of Kafka, Odradek, is actually a superb incarnation of the virtual state of the creature as such. We can name this state »disfigured resemblance« (entstellte Ähnlichkeit),« in accordance with Sigrid Weigel who chose it as the title of her book. In this book, she explains Benjamin’s theory of resemblance by connecting it with Freud’s unconscious; it is the disfigurement that functions as pivot within her captivating comments. »The disfigurement is thus the form, in which the lost mimesis is at the same time concealed and recognizable; it is at the same time the premise for the meaning of the ›unsensuous resemblance.‹«23 Benjamin describes this paradoxical form as follows: »Mute, porous, flaky, it formed a cloud at the core of things, like the snow flurry in a glass paperweight« (SW III, 392). With this fantastic depiction, Benjamin himself jumps into the 21 Ibid., p. 105. 22 Walter Benjamin: The Origin of German Tragic Drama (1977), trans. John Osborne, London/ New York (Verso) 1998, p. 91. 23 Sigrid Weigel: Entstellte Ähnlichkeit, Frankfurt a. M. (Fischer) 1997, p. 92 (trans. H. C.).

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snow flurry in the crystal ball. And we have already confirmed that this jump is caused and impelled by the force of the cloud-words. At this point, it is possible to suggest another nomenclature for the circumstances of this case (Sachverhalt): the inverse empathy. This naming is, in fact, based upon a reflection that Benjamin himself noted down during his stay in Moscow. In Moscow Diary he touchingly confesses: As I was looking at an extraordinarily beautiful Cézanne, it suddenly occurred to me that it is even linguistically fallacious to speak of »empathy.« It seemed to me that to the extent that one grasps a painting, one does not in any way enter into its room; rather, this room thrusts itself forward, especially in various specific spots. It opens up to us in concerns and angles in which we believe we can localize crucial experience of the past; there is something inexplicably familiar about these spots.24

The word ›empathy‹ (Einfühlung) is linguistically incorrect because the direction should be reversed. It is not the subject who puts his feelings into objects, but he is engulfed by things which are thrust back, as if it were their wish to swallow him. Cézanne’s drawing made Benjamin think of the ›empathy‹ in such an inverse way. And, surprisingly, Wittgenstein makes observations that correspond to the idea of ›inverse empathy:‹ 200. I could say: a picture is not always alive for me while I am seeing it. »Her picture smiles down on me from the wall.« It need not always do so, whenever my glance lights on it.25

Wittgenstein empathically points out that the picture lives its own life. Granted that things also have their own rights for life, their figures principally have nothing to do with the perspective of human beings. Nevertheless, it may not be enough to identify this idea with the Benjaminian ›inverse empathy.‹ But Wittgenstein, to be sure, seems to have the closest thought to Benjamin’s in mind. The following shows the evidence for that: 206. And does the child now see the chest as a house? »He quite forgets that it is a chest; for him it actually is a house.« (There are certain signs of this.) Then would it not also be correct to say he sees it as a house?26 24 Walter Benjamin: Moscow Diary, ed. by Gary Smith, trans. Richard Sieburth Gary Smith, Cambridge (Harvard UP) 1986, p. 42 (the word »space,« the translation of Raum, is replaced with »room« by H. C.). 25 Wittgenstein: Philosophical Investigation (note 10), p. 216. 26 Ibid., p. 217.

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Would it be sheer whimsy, if we consider (the young) Benjamin as »the child« in the above paragraph? Doesn’t it, indeed, recall the fragment titled Mummerehlen in which Benjamin was compelled to metamorphose himself into things via the cloud-words? This fragment, sure enough, ends in a revealing legend: The story comes from China, and tells of an old painter who invited friends to see his newest picture. This picture showed a park and a narrow footpath that ran along a stream and through a grove of trees, culminating at the door of a little cottage in the background. When the painter’s friends, however, looked around for the painter, they saw that he had left them – that he was in the picture. There, he followed the little path that led to the door, paused before it quite still, turned, smiled, and disappeared through the narrow opening. In the same way, I too, when occupied with my paintpots and brushes, would be suddenly displaced into the picture. I would resemble the porcelain which I had entered in a cloud of colors. (SW III, 393)

5. Resemblance or Affinity We have finally reached a point where the resemblance (likeness) between the resemblance theories of two virtuosi of the philosophy of language should become apparent. As we have seen, the experts for ›inverse empathy‹ are children. »The child plays,« Benjamin observes, »at being not only a shopkeeper or teacher, but also a windmill and a train« (SW II, 720). This means that child does not need distinguish between himself and the world of things; indeed, the most essential characteristic of child lies in his not-yet-knowing about death and this very naiveté, paradoxically, leads him into a peerless proximity to death; due to even its proximity to death, the child can look at, of course unbeknownst, all things and events in this world under the perspective of the creature. By contrast, adults must struggle to fix the supremacy of death in mind and thereupon strive to translate the mute language of infinitesimally small things into the articulated voice of human being in order to maintain that perspective; with such mindfulness, the adult has to notice the ›unsensuous resemblance‹ concealed (and preserved) in language. This task, however, cannot be accomplished, »were not the name-language of man and the nameless language of things related [verwandt] in God and released from the same creative word« (SW I, 70). Regarding this idea, astonishingly again, Wittgenstein uses the exactly same term – though it cannot be straightly discerned in English translation – ›related/affinitive‹ (verwandt) to give an explanation for the relation between languages: And this is true. – Instead of pointing out something common to all that we call language, I’m saying that these phenomena have no one thing in common in

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virtue of which we use the same word for all – but there are many different kinds of affinity between them. And on account of this affinity, or these affinities, we call them all »languages.«27

This very concept does lead him to suggest the famous term »family resemblance« (Familienähnlichkeit): 67. I can think of no better expression to characterize these similarities than »family resemblances«; for the various resemblances between members of a family – build, features, colour of eyes, gait, temperament, and so on and so forth – overlap and criss-cross in the same way. – And I shall say: »games« form a family.28

Those statements, I would insist, make us consider them Wittgenstein’s response to the cross-examination of Benjamin. And, as already insinuated above, Benjamin in advance would have prepared a repartee to Wittgenstein: Analogy never provides a sufficient reason for resemblance/affinity. Thus, children are not related to their parents through their similarities (here there is a failure to distinguish between analogy and similarity!), nor are they related to them in their similarities. Instead the resemblance/affinity refers undivided to the whole being, without the need for any particular expression of it. (Expressionlessness of resemblance/affinity.) Nor does a causal nexus form the basis of a resemblance/ affinity any more than of an analogy. A mother is related to her child because she has given birth to it – but that is no causal connection. The father is related to the child because he has begotten it, but certainly not by virtue of that aspect of the act of begetting which is, or seems to be, the cause of birth. That is to say, what has been begotten (the son) is determined by the begetter (the father) in a manner different from the way an effect is determined by its cause – not by causality, but by resemblance/affinity. (SW I, 207)29

This article is, as a matter of fact, written in 1919, that is, even before the publishing of Tractatus. Our hypothesis of reciprocations, accordingly, seems to be untrustworthy, but it does so only on the ground of positivity. In a certain ›cloudy‹ dimension we can think of this case as taking the place of genuine resemblance/ affinity, just as Benjamin and Wittgenstein find out that the relationship between languages, or better, between all creaturely lives can be expressed in distortion,

27 Ibid., p. 35. 28 Ibid., p. 36. 29 The translation of the word Verwandtschaft is mostly replaced with »resemblance/affinity« by H. C.

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that is, at the same time appearing and disappearing, being differentiated and integrated, and finally being divided and imparted, only in (not through!) language. Indeed, »[t]he nature of resemblance/affinity is enigmatic« (ibid.). The resemblance/affinity, therefore, »can be directly perceived only in feeling (neither in intuition, nor in reason), but can be rigorously and modestly comprehended by reason« (208). Benjamin, again, employs the term ›feeling‹ that is located not in the head (reason) but only in the very site created by the cloud-words: in Stimmung. Feelings appear in Stimmung and disappear into Stimmung. This reflection, I would like to say, sheds light on the question about how to »solve« the enigma of resemblance/affinity. With regard to this enigma, it is inevitable to introduce another metaphor of speech that already won renown by virtue of Benjamin’s »The Task of Translator«: the broken vessel. Fragments of a vessel that are to be glued together must match one another in the smallest details, although they need not be like one another. In the same way a translation, instead of imitating the sense of the original, must lovingly and in detail incorporate the original’s way of meaning, thus making both the original and the translation recognizable as fragments of a greater language, just as fragments are part of a vessel. (260)

This paragraph explains with a great clarity why feeling cannot be located anywhere but in the words-clouds and why resemblance/affinity radically is different from analogy. Fragments, broken pieces, resemble each other not because their appearances really look alike but because they all are in a state of brokenness. What common to all creatures is this very brokenness. And only brokenness can endure the utmost tension between appearance and disappearance, differentiation and integration, and division and impartation. The genuine feeling, hence, can originate only from the perception of the brokenness of all creatures, just as we can guess that the preexistence of a vessel exclusively through the resemblance/affinity of broken fragments. This is also why Benjamin accounts that »the resemblance/affinity refers undivided to the whole being«. What makes every part of the whole being resemble and match one another in the smallest details is the ›unsensuous resemblance‹ and the ›family resemblance,‹ or if you will, ›the unsensuous family resemblance‹ (unsinnliche Familienähnlichkeit). As regards this idea, the philosopher who at the beginning has studied engineering suggests a more resolute metaphor: »Here I’d like to say: a wheel that can be turned though nothing else moves with it is not part of the mechanism.«30 Granted, it is to say that a creature that cannot be glued and matched with others is not a part of the

30 Wittgenstein: Philosophical Investigation (note 10), p. 101.

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whole being, just as the cloud-words are always already being glued together (and, unfortunately, so often fallen apart, too) and thereby incessantly make Stimmung for creaturely life. All this is a cloud of words. Like clouds, words always already scatter and disperse when(ever) they gather and lump. In not yet completely appearing, cloudy words are also always already disappearing. A cloud of words thus is nothing other than what (dis)appears. The appearance of a cloud of words is like Dis-, not »this.« Remarking on the German word Wolke (clouds), Werner Hamacher suggests one way to resemble cloudy words, that is, to (dis)appear: »When he writes Wolke, it is only as that word which hinders him from knowing what a word is and whether he even writes it. If he reads it, he along with everything that is life for him, is lost in its snow flurry, in which no figure entirely develops before it dissolves into another.«31

31 Werner Hamacher: »The Word Wolke. If It Is One«, in: Rainer Nägele (ed.): Benjamin’s Ground, Detroit (Wayne State UP) 1988, p. 147.

Miszellen

Peter Fenves

Benjamin’s Early Reception in the United States A Report Benjamin’s early reception in the United States can be broken into eight phases: 1) a few notices of his work in the 1930s; 2) the appearance of two major works, without translation, in the Zeitschrift für Sozialforschung, when it was published in New York and mimeographed in Los Angeles; 3) several reports of his suicide along with the death of other Jewish and left-wing writers who fell victim to Nazi terror; 4) scattered use of his work in the late 1940s and 1950s; 5) a growing realization in the early 1960s that American literary and cultural criticism was missing something of significance by neglecting Benjamin’s work; 6) the appearance in the 1960s of competing portraits of Benjamin by four of his surviving friends, including Hannah Arendt, who edited and introduced the first collection of his writings in English; 7) an uncanny repetition of the earlier neglect, as a significant number of Benjamin’s texts are published in Great Britain during the 1970s and early 1980s but remain unavailable in the States; 8) the beginning of a sustained critical engagement with Benjamin in the late 1970s. 1) Ursprung des deutschen Trauerspiels was reviewed in the spring 1930 issue of the journal Modern Language Review. Placed under the rubric of »Short Notices« and signed by the initials »R. P.,« the review is brief but generally positive. Given that it is the first appearance of Benjamin’s name and the only contemporaneous review of his work in an American journal, it is worth quoting at length: Ursprung des deutschen Trauerspieles [sic], by Dr Walter Benjamin (Berlin: E. Rowohlt. 257 pp. 8 M.), is concerned with the idea of baroque tragedy. The first necessity, Dr Benjamin holds, is to free the mind of the tendency to confuse this specific form of tragedy – in spite of the baroque author’s devotion to Aristotle – with Greek tragedy. Aristotle’s terror and pity were misunderstood, and the aim of baroque tragedy was to show the transitoriness of all earthy things, to appal by letting us see destruction and death lurking round even the mighty. There is usually no attempt, as one may see in Leo Arminius of Gryphius, to enlist our sympathies with tyrant or rebel; it is enough to represent the insecurity of kingly might. Thus baroque »Trauerspiel« is more closely allied to mediaeval drama than to Greek tragedy; its subject is »Trauer.« The theme is conceived as allegory, and when transfiguration comes, it comes not from within, but as a light from above. Dr Benjamin’s book is perhaps a little too full of polemic, but it gives an excellent idea of what baroque literature stands for. When, however, he claims

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Shakespeare as an »allegorical« poet, he is being carried away by his theme; and his theory of the origin of Greek tragedy, the form of which, he says, is that of the primitive law-court, is not in agreement with the best authorities. But these are minor blemishes in a vigorous and comprehensive study.1

In same year Gilbert Waterhouse briefly mentions the Trauerspiel book in his survey of secondary literature on the Baroque era, which he discusses under the rubric of »decadence«: »Benjamin finds the tragedies as essentially allegorical. They insist on the transitory nature of this world.«2 A similarly brief notice of Benjamin’s Einbahnstraße appeared in a footnote to Félix Bertaux’s Panorama de la littérature allemande contemporaine, the English translation of which was published in 1935.3 And in their survey of the discipline the noted sociologists Louis Wirth and Edward Shils mention Benjamin’s essay »Zum gegenwärtigen gesellschaftlichen Standort des französischen Schriftstellers« without further comment.4 2) »Über einige Motive bei Baudelaire« was published in 1939/1940 volume of Zeitschrift für Sozialforschung, which was printed in the United States; the next volume of the journal bore the title Studies in Philosophy and Social Science. A version of »On the Concept of History« appeared as the appendix to the volume of the journal dedicated to Benjamin’s memory, which was mimeographed in Los Angeles. As in the case of the Baudelaire essay, there was no gesture toward an English translation. 3) In the early 1940s a small number of Jewish and left-wing newspapers and journals listed Benjamin among the vast number of writers and intellectuals who were victims of Nazi persecution. Notices of his death appeared in The Jewish Refugee, The New Republic, The Free World, and The New International Yearbook; the first three publications listed him among other victims of Nazi terror, while the last one described him as a »philosopher of singular stamp.«5 Similarly, Arthur Koestler, who became acquainted with Benjamin in the 1930s, includes him in a list of »exiled writers who took their lives when France fell« in the dedication page

1 R. P.: »Short Notices«, in: Modern Language Review 25 (1930), p. 124. 2 Gilbert Waterhouse: »The Reformation, Decadence, and Reconstruction«, in: Germanic Studies 1 (1930), pp. 148–149. 3 Félix Bertaux: Panorama of German literature from 1871 to 1931, trans. John Trounstine, New York (McGraw-Hill) 1935, p. 264: »Walter Benjamin in Einbahnstrasse, 1928, has both stated what is lacking then and suggested some of the means by which the German intellectual can overcome the lack.« 4 Louis Wirth/Edward Shils: »The Literature of Sociology«, in: Social Studies 26 (1935), pp. 528–529. 5 Cf. The Jewish Refugee, New York (Institute of Jewish Affairs) 1944, p. 156; The New Republic 110 (1944), p. 688; The Free World 5 (1945), p. 425; and The New International Yearbook (n. p.: Dobb, Mead, and Co., 1940), p. 305.

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of his autobiography, The Scum of the Earth.6 And in commemoration of the hundredth anniversary of the publication of Heinrich Heine’s Deutschland. Ein Wintermärchen in 1844, Hermann Kesten published a translation of the poem with a long preface in which he describes the conditions he experienced in a concentration camp in France. One Sunday morning, Kesten writes, the prisoners organized a »literary matinee,« during which poor dear Walter Benjamin, the learned and eccentric philosopher, recited from memory a Chinese poem by a German poet. (This same Benjamin later took poison because the Spanish border police wanted to send him back to France after he had arrived in Spain; he had an American visa and an appointment at an American university.)7

4) In 1944 Hannah Arendt translated Benjamin’s depiction of the »angel of history« for an essay she published in The Partisan Review.8 Without indicating as much, she also honors Benjamin by giving her essay a title, »Franz Kafka: A Reevaluation (On the Occasion of the Twentieth Anniversary of his Death),« which recalls the title of an essay he had written some ten years earlier, »Franz Kafka: Zur zehnten Wiederkehr seines Todestages.« Beyond the translation of the fragment, however, Arendt says nothing further about Benjamin – not even that he entrusted her with a typescript of the very text she translates. A year later, the film director and screen-writer Bertold Viertal, who had once worked with Karl Kraus, published an essay in The Kenyon Review that draws attention to Benjamin’s concept of the »shock effect.«9 It is perhaps for this reason that the editors of The Kenyon Review made plans for a translation of the conversations between Benjamin and Brecht, but the plans never came to fruition.10 In 1948, however, the second part of »What is Epic Theater?« was translated by Edward Landberg for The Western Review.11 In 1954, while analyzing Lope de Vega’s 6 Arthur Koestler: The Scum of the Earth, New York (Macmillan) 1941, p. 6; see also Koestler’s description of a Benjamin as an »author and critic« (247), who was his neighbor on 10, rue Dombalse, Paris. 7 Heinrich Heine: Germany: Winter’s Tale, ed./intro by Hermann Kesten, New York (Fischer) 1944, pp. vi–vii. 8 Hannah Arendt: »Franz Kafka. A Reevaluation (On the Occasion of the Twentieth Anniversary of his Death)«, in: The Partisan Review 11 (1944), p. 407. Kurt Bergel’s »Childhood and Love in Rilke’s Fourth Elegy« mentions the Trauerspiel book in one of its footnotes; cf. The Germanic Review 21 (1946), p. 53. 9 Bertold Viertal: »Bertolt Brecht, Dramatist«, in: The Kenyon Review 7 (1945), pp. 467–475; esp. p. 468. 10 Cf. Walter Benjamin: Über den Begriff der Geschichte (= WuN XIX), ed. by Gérard Raulet, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 2010, p. 351. 11 Walter Benjamin: »Notes on Brecht’s Epic Theater«, trans. Edward Landberg, in: The Western Review 12 (1947–1948), pp. 167–173.

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Al Triumfo de Judit, Leo Spitzer made reference to Benjamin’s motif of the »cadaver as emblem,« as it was developed in the Trauerspiel book.12 In the 1950s a small selection of Benjamin’s writings came under discussion in a number of newly established journals associated with political theory and the sociology of art. In an early volume of World Politics, Philip Rieff (who had recently married Susan Sontag) mentions Benjamin’s idea of the »aura« for the purpose of analyzing Nazi aesthetics. The »Artwork« essay was also mentioned in the first issue of The Social History of Art. The series of aphorisms Benjamin wrote under the title »Zentralpark« – which perhaps alludes to Manhattan, although it may also have nothing to do with the States – was cited in the journal Social Problems. In the first issue of International Literary Annual John Wain published an essay that drew inspiration from »Über einige Motive bei Baudelaire.« And an essay in Dissent quotes »Über den Begriff der Geschichte« in order to describe how history can be written »against the grain.«13 5) In 1960 the short-lived Studies on the Left published a translation of Benjamin’s artwork essay under the title »The Work of Art in the Epoch of Mechanical Reproduction.« Three years later The Chicago Review published Harry Zohn’s translation of »Der Erzähler.« As the first English translations of complete texts, they responded to a nascent realization that cultural and literary criticism in the United States was missing something of significance as a consequence of its almost total neglect of Benjamin’s work. In his analysis of the crisis of contemporary literature Joseph Frank calls Benjamin »important but little-known.« In The Necessity of Art Ernst Fischer describes him as an »outstanding essayist who committed suicide in 1940 as a refugee from Hitler and whose work still awaits translation.« And in the introduction to his translation of Brecht’s The Mother for Grove Press, Lee Baxandall credits Benjamin –»a brilliant essayist« – with the most perceptive analysis of the play and the finest insight into the aims of its author.14 12 Leo Spitzer: »Lope de Vega’s Al Triumfo de Judit«, Modern Language Notes 69 (1954), pp. 1–11. A review of a book about Erich Kästner’s political poetry from the same year briefly discusses Benjamin’s »Left-Wing Melancholia«; cf. »Notes on Books«, in: German Life and Letters 7 (1954), p. 303. 13 The texts mentioned in this paragraph are: Philip Rieff: »Aesthetic Function in Modern Politics«, in: World Politics 5 (1953), p. 501; Social Problems 4 (1955), p. 197; International Literary Annual 1 (1958), p. 135; Dissent 6 (1959), p. 88. 14 The texts to which this paragraph refers are: Walter Benjamin: »The Work of Art in the Epoch of Mechanical Reproduction«, ed. by Hans H. Gerth/Don Martindale: Studies on the Left 1/2 (1960), pp. 28–73; Walter Benjamin: »The Story-Teller«, trans. Harry Zohn, The Chicago Review 16 (1963), pp. 80–103; Joseph Frank: The Widening Gyre. Crisis and Mastery in Modern Literature, New Brunswick/N. J. (Rutgers University Press) 1963, p. 70; Ernst Fischer: The Necessity of Art: A Marxist Approach, Baltimore (Penguin Books) 1963, p. 68; Bertolt Brecht: The Mother, trans./intro. by Lee Baxandall, New York (Grove Press), 1965, p. 20.

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In the early 1960s tributes to Benjamin appeared in the work of four prominent writers, each of whom stood for a competing conception of literature, criticism, and culture. First, there is Thomas Mann, who in 1961 described Benjamin’s Ursprung des deutschen Trauerspiels as a »powerful and profound book.« Second, György Lukács made a series of appreciative but critical comments about Benjamin’s theory of allegory in the course of his attack on modernist literature. Third, Susan Sontag, who saw herself as a protégée of Thomas Mann, referred to Benjamin several times in her essay collection, Against Interpretation, especially in an essay directed against Lukács’ recent work: »the truth is Benjamin is a great critic (it is he who deserves the title ›the only major German literary critic of our epoch‹), and the ›late‹ Lukács is not.« Sontag must have had only a passing acquaintance with Benjamin’s work, however, since she claims that he »did not deal with any 20th century writers« and that the »Artwork« essay describes film as essentially fascistic; nevertheless, the name »Benjamin« in her influential manifesto represents the pinnacle of continental-European cultural criticism, with which American artists and intellectuals must someday contend. Finally, Herbert Marcuse (who once lived with Sontag and Rieff) concluded his influential study of modern alienation, One-Dimensional Man, with a quotation in both German and English from the conclusion to Benjamin’s essay on Elective Affinities: »It is only for the sake of those without hope that hope is given to us.«15 6) In the 1960s four of Benjamin’s friends wrote essays in which they produced portraits of his life and times. The portraits are as different as the friendships. The earliest, shortest, and least influential was written by Herbert Belmore, whom Benjamin knew under the name of Blumenthal and with whom he abruptly severed all contact around 1918. As would be expected from the fractured character of their youthful friendship, Belmore’s attitude toward Benjamin is highly ambivalent and largely negative: although »brilliant,« he was »completely self-centered, the absolute, and therefore naïve egoist,« who simply lacked »common sense.« Gershom Scholem’s reflections on Benjamin, which first appeared in the 1966 proceedings of the Leo Beck Institute, are very different from Belmore’s except with respect to a single point: both deplored his turn toward Marxism, which, in their view, deformed the promise of his early thought. In a comparable vein, Theodor Adorno’s »Portrait of Walter Benjamin,« which appeared 1967 as the penultimate essay in Prisms, makes a case for Benjamin as a philosopher whose 15 The texts to which this paragraph refers are: Thomas Mann: The Story of a Novel: the Genesis of »Doctor Faustus«, trans. Richard Winston/Clara Winston, New York (Knopf) 1961, pp. 43–44; György Lukács: Realism in Our Time, New York (Harper & Row) 1964, pp. 41–43; Susan Sontag: Against Interpretation, and Other Essays, New York (Macmillan) 1966, p. 13, pp. 88–91; and Herbert Marcuse: One-Dimensional Man, Boston (Beacon Press) 1964, p. 257.

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turn to Marxist-material categories was incidental to the basic intention of his work. The most influential portrait of Benjamin, however, was that of Hannah Arendt, which appeared in three places around 1968: The New Yorker; her collection of essays, Men in Dark Times; and the introduction to her edition of Illuminations. Soon after the end of the Second World War, Arendt had secured Zalman Schocken’s approval for the publication of a major English-language volume of Benjamin’s writings, and she sought help in this endeavor from both Scholem and Brecht, while seeking to keep Adorno at bay. The project failed for obscure reasons, which Arendt attributed to certain »grudges« that Schocken held against both herself and Scholem.16 The opening section of her portrait of Benjamin silently refers to this episode, for she presents her late friend as a man haunted by mishaps and missed opportunities, including the events surrounding his suicide and – but this is only implicit, for Arendt characteristically reveals nothing of herself – the collapse of her own plans to publish his work soon after the Second World War.17 7) The neglect of Benjamin’s work in the United States uncannily returns in a different form. In Great Britain the following titles become available: Charles Baudelaire (1973), Origin of German Tragic Drama (1977), Reflections (1978); One-Way Street (1979), and Understanding Brecht (1983). Of these only Origin and Reflections were also published in the States, the first with a preface by George Steiner, the second with an introduction by Peter Demetz. One trait immediately distinguishes the works published in the States from those that were also available in Great Britain: the former can be seen as relatively neutral with respect to political questions, whereas the latter are decidedly oriented toward left-wing politics. 8) The first doctoral dissertation produced in the United States that included Benjamin’s work as a major element was Carol Jacobs’s Dissimulating Harmony: Readings of Nietzsche, Artaud, Rilke, and Benjamin, which she completed at the Johns Hopkins University in 1974; a revised version of the dissertation, with an introduction by Paul de Man, was published in 1978. The first scholarly book devoted in large measure to Benjamin’s work and published in the States was Susan

16 Cf. the letters collected in Benjamin: Über den Begriff der Geschichte [note 10], pp. 349–350. The plan to publish a translation of Benjamin’s work is mentioned in the remarks with which Edward Landberg introduces his translation of a portion of »What is Epic Theater?« Cf. The Western Review 12 (1947–1948), p. 193. 17 The texts to which this paragraph refers are: Herbert Belmore: »A Portrait of Walter Benjamin«, in: German Life and Letters 15 (1962), pp. 309–313; Gershom Scholem: Walter Benjamin, New York (Leo Baeck Institute) 1965; Theodor W. Adorno: Prisms, trans. Samuel Weber/Shierry Weber, Cambridge/Mass. (MIT Press) 1967, pp. 229–241; Hannah Arendt: »Walter Benjamin«, in: id. (ed.): Illuminations, trans. Harry Zohn, New York (Harcourt Brace) 1968, pp. 1–55.

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Buck-Morss’ Origin of Negative Dialectics: Theodor W. Adorno, Walter Benjamin, and the Frankfurt Institute, which appeared in 1977. The works of Jacobs and Buck-Morss effectively established two of the major lines of inquiry through which a generation of scholars would approach Benjamin’s work.

Walter Benjamins »Erfahrung und Armut« Drei Lektüren Im Dezember 2013 fand in Frankfurt am Main ein Kongress der International Walter Benjamin Society (IWBS) mit dem Thema »Über den Begriff der Geschichte/Geschichte schreiben« statt. Auf einer Podiumsdiskussion, die Burkhardt Lindner (Frankfurt a. M.) als Mitorganisator des Kongresses leitete, stand Benjamins Essay »Erfahrung und Armut« im Mittelpunkt. Teilnehmer waren Helmut Lethen (Wien), Manfred Schneider (Essen) und Detlev Schöttker (Berlin). Die Beteiligten wurden gebeten, ihre Auffassung und Deutung des Textes vorzutragen, um dann gemeinsam darüber zu diskutieren. Wir veröffentlichen drei der Statements (Manfred Schneider wollte darauf verzichten). Die Beiträge sind überarbeitet.

* Während der Druck des Essays im zweiten Band der Gesammelten Schriften Walter Benjamins (1977) der ersten Publikation in der Prager Zeitschrift Die Welt im Wort (1933) folgt, wird hier ein Typoskript-Durchschlag abgebildet, den Benjamin aufbewahrte. Das (heute verschollene) Original hat er vermutlich an die Redaktion der Zeitschrift geschickt. Der Titel lautete ursprünglich »Erfahrungsarmut«; er wurde offensichtlich von der Redaktion geändert. Der Durchschlag befindet sich heute im Walter Benjamin Archiv der Akademie der Künste, Berlin (1056/1–6). Er enthält den Vermerk »Handexemplar« (mit Tinte) sowie weitere Korrekturen und stilistische Eingriffe (mit Tinte und Bleistift) von Benjamins Hand. Die Herausgeber der Gesammelten Schriften, Rolf Tiedemann und Hermann Schweppenhäuser, haben Benjamins Korrekturen im Apparat nachgewiesen (GS II, 961–963). Wir danken dem Walter Benjamin Archiv für die Genehmigung der Abbildung.

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Abb. 1: Typoskript-Durchschlag »Erfahrungsarmut«, S. 1.

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Abb. 2: Typoskript-Durchschlag »Erfahrungsarmut«, S. 2.

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Abb. 3: Typoskript-Durchschlag »Erfahrungsarmut«, S. 3.

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Abb. 4: Typoskript-Durchschlag »Erfahrungsarmut«, S. 4.

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Abb. 5: Typoskript-Durchschlag »Erfahrungsarmut«, S. 5.

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Abb. 6: Typoskript-Durchschlag »Erfahrungsarmut«, S. 6.

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Zweimal Erfahrungsarmut Die Wiederentdeckung des Werks von Walter Benjamin in den 1960er Jahren des letzten Jahrhunderts ging vor allem von Sammelbänden aus. In dem klug zusammengestellten und von vielen gekauften Band Illuminationen von 1961 nahm Erfahrung und Armut eine prominente Stelle unter den »Lesestücken« ein. In meiner alten Ausgabe wimmelt es von Unterstreichungen, Ankreuzungen und Ausrufezeichen. Mit der vom Verlag kaum erwarteten Rezeptionswelle meldete sich, auch aus Zensurverdacht, die dringliche Forderung an die Nachlassverwalter, anstelle von Auswahlbänden den ›ganzen Benjamin‹ öffentlich zugänglich zu machen. Eingelöst wurde die Forderung durch die mit textkritischem Apparat versehenen Gesammelten Schriften, die zwischen 1972 und 1989 erschienen und denen dann eine sechsbändige Ausgabe der Briefe Benjamins folgte (1995–2000). Indem das Werk in großem Umfang zugänglich wurde, begann sich auch ein Dilemma abzuzeichnen. Für die weiter anhaltende Fortwirkung der Schriften im allgemeinen intellektuellen Diskurs konnte (und kann) der enorme Zuwachs des Textmaterials nur begrenzte Bedeutung haben. Zugespitzt gesagt gabeln sich die Lektüren in historisch gelehrte Spezialforschung und unmittelbare Aneignung. Ich sage nicht, dass das von der Sache her unvermeidlich so sein muss und ausnahmslos so ist. Aber diese Gabelung der Lektüren hat sich auch nicht grundlos fortgesetzt. Gerade der kleine und für sich stehende Text Erfahrung und Armut gibt in seiner Thematik und Programmatik Anlass, beide Lektürewege einzuschlagen, was im Folgenden geschehen soll.

1. Auch Haas bringt etwas ... Ein sorgsamer, historisch bewusster Leser, der auf diesen Text stößt, wird nach Ort und Datum seines ursprünglichen Erscheinens fragen. Erfahrung und Armut erschien am 07.12.1933 in der Prager Zeitschrift Die Welt im Wort von Willy Haas, vordem Herausgeber der Literarischen Welt. Ort und Datum könnten vermuten lassen, dass der Text eine Reaktion auf die inzwischen etablierte Diktatur Hitlers darstellt. Die von Benjamin aufgestellte Forderung nach einem »neuen, positiven Begriff des Barbarentums« ließe sich als Gegenreaktion auf die Nazibarbarei, ihre Intellektuellenvertreibung und ihre ersten Konzentrationslager

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lesen. Ebenso der Verweis auf den »kommenden Krieg« und die Rede von »den Mächtigen, die barbarischer sind als die vielen, aber nicht auf die gute Art«. Von der Kommentierung der Gesammelten Schriften wird dies nahegelegt, wenn es heißt: Die Arbeit sei »während des Halbjahresaufenthaltes auf Ibiza, zwischen April und Oktober 1933, niedergeschrieben« oder »vielleicht erst kurz nach der Rückkehr Benjamins nach Paris« (GS II, 960). Tatsächlich bedürfen diese Angaben der Korrektur. Die Herausgeber gehen davon aus, dass das von Benjamin als »Handexemplar« benannte Typoskript die Vorlage für die Druckfassung darstelle, und verzeichnen dessen Abweichungen vom Druck im Apparat als »Lesarten«. Die von Haas verwendete Druckvorlage ist indes gar nicht überliefert. Und das Typoskript ist hingegen mit Sicherheit viel früher, nämlich 1930 im Kontext der Arbeit am Karl-Kraus-Essay, von Benjamin diktiert worden. Dieses Typoskript (Benjamin Archiv, WBA Ts 1729–1734) trug damals noch den Titel Erfahrungsarmut. Es ist um ca. ein Viertel kürzer als der Drucktext, enthält aber schon ausformuliert alle zentralen Stichworte, Motive und Textbausteine. Und es übernimmt, wie man vergleichend feststellen kann, verschiedene Passagen aus den für den Essay über Kraus nicht verwendeten Vorarbeiten.1 Was ergibt sich aus diesem Befund? Zunächst manifestiert sich im Rückgriff auf das ungedruckte Typoskript von 1930 Benjamins Notlage im Exil. 1933, als er auf seiner Fluchtinsel Ibiza schwer an Malaria erkrankte und noch in Paris krank blieb, war seine finanzielle Situation völlig ungesichert. Er war dringend auf Honorare angewiesen, nachdem das Publizieren in Deutschland immer schwieriger geworden war und auch die Geldquelle der Rundfunkbeiträge nicht mehr bestand. So nahm er sich das alte Typoskript vor, das er nun erweiterte, aber nicht grundsätzlich veränderte, und schickte es Haas zum Druck. Wie wichtig ihm die finanzielle Seite war, geht aus einem Brief an Carl Linfert vom November 1933 hervor, dem er den Aufsatz Erfahrung und Armut ankündigt und schreibt, er erscheine »an einer Stelle, an die mich nur die Not der Zeit verschlagen konnte« (GB IV, 312; vgl. 305). Zeitgleich schreibt er Gretel Karplus, Adornos späterer Frau: »Die Frankfurter haben einen neuen Beitrag von mir angenommen. Auch Haas

1 Auf der Rückseite des letzten Typoskriptblatts steht in Benjamins Handschrift das Satzfragment »ist tief der Erfahrung von Kraus begründet – es ist das Stigma jeder ihn betreffenden Debatte« (vgl. zur Formulierung GS II, 345 u. 1115). Dadurch ergibt sich ein Beleg für die zeitliche Parallele zur Arbeit am Kraus-Essay. Außerdem findet sich in den Manuskripten zum Kraus-Essay das Motiv der Armut wie das des Zeitgenossen als schreiendem Neugeborenen und ebenso die in die Druckfassung von Erfahrung und Armut eingefügte Passage vom Geschlecht, das sich anschickt, Tanks zu besteigen. Auch wird Kraus auf dem Schiff »Die Armut« als der »blindeste Passagier« mitgeführt. (1112 u. 1108) Im Kraus-Essay selbst steht nicht der Begriff »Erfahrungsarmut« im Zentrum. Es dominiert die Figur des hassbeseelten Satirikers als »Unmensch« und »Menschenfresser«, der in der Haltung eines »realen Humanismus« die verlogenen Humanismus-Ideale attackiert. Vgl. zum Menschenfresser-Motiv auch die »Technik des Kritikers« in der Einbahnstraße (WuN VIII, 35).

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bringt nächstens etwas. An Aufträgen von seiner Seite würde es nicht fehlen. Ob aber die Bezahlung auch nur die Selbstkosten [d. h. die Kosten für die neue Maschinenabschrift] deckt, bleibt abzuwarten.« Im März 1934 heißt es dann lapidar: »Die Zeitschrift von Haas ist eingegangen und die Honorierung meiner Beiträge natürlich nie zu erwarten« (abgedruckt in: GS II, 960 f.). Zugleich gibt eine weitere Stelle aus dem Brief an Gretel Karplus Aufschluss darüber, was Benjamin zu dieser Zeit gedanklich beschäftigte. Er schreibt: »Wenn man nur soviel Gleichgewicht und Gesundheit aufbringt, um im März [1934] mit den gewohnten Gedanken und Betrachtungen im Luxembourg zu spazieren, so müßte man schon gewaltig zufrieden sein.« (Ebd.) Wie die Formulierung »mit den gewohnten Gedanken und Betrachtungen« anzeigt, bedeutete das Exil für Benjamin keinen totalen Bruch. Er war vielmehr damit beschäftigt, die in den letzten Jahren der Weimarer Republik eingenommenen Positionen und thematischen Vorhaben weiterzuverfolgen.2 In der Tat ergeben sich aus dem Text vielfach Bezüge zu anderen Texten Benjamins, nicht allein zum Kraus-Essay. So lässt sich feststellen, dass der Hinweis auf die »Flut von Kriegsbüchern« im zweiten Absatz auf ein älteres Projekt über die Kriegsromane zurückgeht (GS VI, 165 f.). Weiter kann er feststellen, dass das Thema Krise des Erzählens, mit dem der Test einsetzt, bis zu Aufzeichnungen von 1928 zurückreicht (GS II, 1281–1288). Wiederum wird der zweite Absatz des Textes mit dem Rückblick auf den Weltkrieg fast wörtlich als erster Abschnitt des späteren Essays »Der Erzähler« wiederverwendet. Bei weiterer Lektüre in den Kraus-Papieren stößt man auf die eindrückliche Passage vom Schiff »Die Armut« (1112). In ihm sitzen Scheerbart, Ringelnatz, Loos, Klee, Brecht, S. Friedländer und Le Corbusier zur Ausfahrt bereit. Es handelt sich um Namen, die in Erfahrung und Armut wiederkehren. Hier muss sich der Leser nach anderen Texten Benjamins zu diesen Autoren umsehen, um genauer zu verstehen, was in seinen Augen diese heterogene Mannschaft zusammenhält. Auffallen wird ihm auch, dass Paul Klees Angelus Novus hier anders als in den späteren Geschichtsthesen einen »Raubengel« mit »Krallenfüßen« verkörpert, der die Menschen nicht versöhnen, sondern durch Wegnehmen befreien möchte. Ebenso ergeben sich Verbindungslinien zum späteren Kunstwerk-Aufsatz. Dort werden die Ausführungen zu Mickey Mouse als fröhlich-groteske Figur des Kollektivtraums der Massen wieder aufgenommen (WuN XVI, 84, 132 u. 191), und die dortige Theorie vom Auraverlust im Film wird in Erfahrung und Armut auf die »Glasarchitektur« bezogen. »Dinge aus Glas haben keine ›Aura‹. [Im Typoskript weiter: »Es bildet sich keine geheimnisvolle, mystische Atmosphäre um sie.«] Das Glas ist überhaupt der Feind des Geheimnisses«. 2 Man darf zudem nicht vergessen, dass Benjamin sein Denken und Schreiben von Anfang an nicht nur im deutsch-jüdischen Kontext begriff, sondern vor allem im europäischen. Dieses Europa war mit der Naziherrschaft nicht untergegangen.

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Bei den hier skizzierten Möglichkeiten, den kleinen Text in das größere Gradnetz von Denkbausteinen, Problemen und Selbstzitierungen Benjamins hineinzustellen, bleibt freilich ein Interpretationsproblem bestehen: Während die Stichworte zur Krise der Erfahrung einen übergreifenden Zusammenhang zwischen verschiedenen Texten Benjamins ergeben, gilt dies nicht für das Stichwort ›Barbarentum‹. Die nachdrückliche Formulierung eines »positiven Begriffs« des Barbarentums ist einzig nur in diesem Text zu finden. Das »Menschenfresser«Motiv3 ist damit nicht gleichzusetzen, auch wenn es im Typoskript heißt, das Menschenfresserhafte sei mit »der Barbarei von Kindern verwandt«. Ob sich eine aufschlussreiche Spur ergäbe, wenn man der Figur des Barbaren bei Nietzsche nachginge,4 Benjamins Nietzsche-Rezeption lässt sich zumeist nur indirekt erschließen, möchte ich hier offenlassen.

2. Im digitalen Schlaraffenland Während in einer historisch-werkanalytischen Lektüre der für sich stehende Text zugunsten seiner Kontextualisierung aufgelöst wird, wird eine aktualisierende Lektüre von der appellativen Kraft und dem solitären Status des Textes angestoßen. Benjamins überraschende Konstruktion, die Krise der Erfahrung am Schwinden des Erzählens abzulesen und auf die Technisierung als Grundlage der »Erfahrungsarmut« zu verweisen, bietet diesen direkten Anstoß. Demgegenüber geht heute von dem übergreifenden Motiv der Masse – die Massen des Weltkriegs, die Massen der Wirtschaftskrise, die Kinomassen – kein schockhafter Impuls aus. Benjamins (und nicht nur Benjamins) Versuche, der Masse eine physiognomisch-leibhafte Gestalt abzulesen,5 zünden nicht mehr unmittelbar. Denn die mit der kapitalistischen Moderne hervortretende Formierung von Massen hat ihre beunruhigende oder inspirierende Gewalt verloren. Die Symptomatik eines Einschrumpfens und Verstummens des Erzählens kennzeichnet eine Situation, die auch ganz die gegenwärtige ist, obschon unter veränderten Medienverhältnissen. Das Schwinden der Fähigkeit beim Einzelnen, wesentliche Erfahrung erzählen zu können, resultiert paradoxerweise daraus, dass wir in unserer medialen Ästhetisierung des Alltags von einer inflationären Flut

3 Vgl. Anm. 1. 4 Etwa die Notiz: »Wo sind die Barbaren des zwanzigsten Jahrhunderts? Offenbar werden sie erst nach ungeheuren sozialistischen Krisen sichtbar werden«. Friedrich Nietzsche: Werke, hg. v. Karl Schlechta, München (Carl Hanser Verlag) 1954, Bd. 3, S. 690. Vgl. auch die Stellen im Nietzsche-Index (Bd. 4). 5 Der für den Einzelnen positiv-destruktive Austauschprozess mit der Masse wird am radikalsten am Schluss des »Sürrealismus«-Essays (1929) beschrieben.

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von Erzählungen heimgesucht werden.6 Alle Sendungen, ob fiction oder information, sind nach dem gleichen Schema von storys oder kleinen Dramen gestrickt. Mit der Etablierung des Multikanal-TV und des Internets auf den großen und kleinen Bildschirmen an allen Orten,7 versorgt uns der Blick unentwegt life mit Erzählungen. Diese Erzählungen bieten unentwegt aufregende Erlebnisse und versprechen noch nie gehabte Erfahrungen, treiben also das Verlangen nach Erfahrung immer neu voran. Zugleich stumpft sich in der endlosen Fülle die Fähigkeit ab, Erfahrungen zu machen. Auswege, diesen Mechanismen zu entkommen, bleiben aporetisch. Es sind Versuche, aus dem mainstream auszusteigen, indem man sich den technischen Apparaturen verweigert und ein bedürfnisarmes Leben praktiziert, oder Versuche, in Yoga-Schulen bzw. durch andere östlichen Praktiken oder aber auch durch verschiedenste Formen der Psychotherapie eine innere Balance wiederzufinden. Schon Erfahrung und Armut verweist auf den Aufschwung spiritueller Praktiken, um festzustellen: »nicht echte Wiederbelebung findet hier statt, sondern eine Galvanisierung.« Die Aktualität der Analyse Benjamins drängt sich auch in einer anderen Hinsicht auf. Er beschreibt die Erfahrungsarmut als das Schwinden der Autorität der Überlieferung, als einen Verlust praktisch bedeutsamen »Bildungsguts« und als leichtfertige Verpfändung des »Menschheitserbes« im Leihhaus des Aktuellen. Damit stoßen wir auf eine weitere Paradoxie der heutigen Situation. Bislang war es noch nie möglich, in einem unbegrenzten Umfang Ereignisse, Texte, Bilder und Musik reproduzieren, kommunizieren, speichern und abrufen zu können. Der technologische Imperativ dieses elektronischen Datenuniversums heißt: Nichts soll vergessen sein. Aber das ist eine anmaßende Suggestion. Sie täuscht darüber hinweg, dass jede Datei immer schon einen bearbeitenden Eingriff darstellt und dass große Dateibestände dem öffentlichen Zugriff entzogen bleiben. Und vor allem verhindert jener technologische Imperativ zu reflektieren, dass das Wahrnehmungs- und Gedächtnisvermögen des einzelnen anthropologisch begrenzt ist. Für den Einzelnen geht es um die Anwendbarkeit des Wissens, also um Wissen, das sich an bestimmte Lebensabschnitte heftet. Das immer weiter

6 In dieser Hinsicht beschreibt der US-amerikanische Kritiker Mark Greif die gegenwärtige »Krise der Erfahrung«. Vgl. Mark Greif: Bluescreen. Ein Argument vor sechs Hintergründen, Berlin (Suhrkamp) 2011. Es vermehrten sich die »Medien, über die Erzählungen verbreitet werden. [...] Sie existieren gleichzeitig, wir begegnen ihnen an immer mehr Orten ...« (ebd., S. 141). 7 Greif notiert dazu: Das Leben ohne Internet »ist sehr viel angenehmer gewesen. Die gegenständliche Welt besaß eine größere Dichte«. Da man sich den Heilsbotschaften und emotionalen Annehmlichkeiten, die das Internet hervorgebracht hat, nicht entziehen kann, »haben wir nun die Last dieser neuen Flügel zu tragen, mit denen wir nicht wirklich fliegen können« (ebd., S. 153 f.).

ZWEIMAL ERFAHRUNGSARMUT

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expandierende Datenuniversum übersteigt jedoch weit die praktische Aufmerksamkeits- und Erfahrungsmöglichkeit von Menschen. Niemand wird die Bequemlichkeiten von Wikipedia missen wollen. Auch ist nichts Verwerfliches daran, dass qua Digitalisierung jeder Anfänger in den Gesammelten Werken eines Autors sich Parallelstellen und Bezüge erschließen kann, über die früher erst eine lange Leseerfahrung und ein guter Zettelkasten verfügen konnten. Nur: Wie setzt er sich instand, etwas Brauchbares damit anfangen zu können? Was für den einzelnen gilt, gilt auch für soziale Gemeinschaften. Psychoanalytisch gesprochen ist individuell wie kollektiv das Vergessen des unmittelbar Erlebten die Bedingung von Erinnern. Erst dadurch wird es zum Bestandteil von Erfahrung. Keiner Gegenwart, diese Historismuskritik Benjamins steckt schon in Erfahrung und Armut, ist das Vergangene restlos zugänglich; wirkliche Geschichtserfahrung entspringt der Konstellation von Gegenwart und noch nicht ergriffenen Seiten des Gewesenen. Das heutige Vergessen ist dagegen ein anderes Vergessen. Es ist so flüchtig und kraftlos wie die allseitige Speicherung und allzeitige Abrufbarkeit. Benjamin äußerte sich brieflich ablehnend über Blochs Buch Erbschaft dieser Zeit, das, anstatt eine Haltung der Erfahrungsarmut einzunehmen, daherkomme, als gelte es »Perserteppiche« und »Prachtgefäße« auszuteilen. Dieser Vergleich fällt einem ein, wenn man nach einem Bild für den gegenwärtigen Zustand sucht. Heute werden im Kultur- und Wissenschaftsbetrieb überall ›Perserteppiche‹ zur Schau gestellt und qua Internet in Hochglanz global verschickt. Die Intelligenz (im weitesten Sinne verstanden) hat sich längst im digitalen Luxus eingerichtet, das Denken der Benutzbarkeit wird von der unbegrenzten Technik abgenommen, und die Amerikanismen gelten als sprachliches Zertifikat des Fortschritts und Up-to-date-Seins. Aber es gibt keinen Grund, sich nicht Benjamins Diagnose zu stellen: »Eine ganz neue Armseligkeit ist mit dieser ungeheuren Entfaltung der Technik über die Menschen gekommen.« Erfahrungsarmut ist keineswegs mit Erfahrungsunfähigkeit gleichzusetzen, sondern stellt selbst eine Form von Erfahrung dar. Benjamin rechnet hier wie auch später im Kunstwerkaufsatz und in den Baudelaire-Studien immer mit dialektischen Prozessen, in denen aus dem begriffenen Verlust älterer Erfahrungs- und Wahrnehmungsbedingungen sich neue Möglichkeiten konstituieren. Er geht demnach nicht von einem irreversiblen Zerfall von Erfahrung überhaupt aus. Darin unterscheiden sich seine Reflexionen von ihrer späteren Adaption durch Adorno grundsätzlich.8

8 Vgl. hierzu Theodor W. Adorno: »Notizen zur neuen Anthropologie« (1941), in: ders./Max Horkheimer: Briefwechsel 1927–1969, hg. v. Christoph Gödde/Henri Lonitz, Bd. 2: 1938– 1944, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 2004, S. 153–468, insb. S. 456 f.

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Der Erfahrungsarmut ins Auge zu sehen und sich Rechenschaft über die Lage zu geben, hieße, den Sirenenklängen unbegrenzter Anhäufbarkeit von Schätzen zu widerstehen und sich auf einige wenige Wahrheiten zu konzentrieren. Dem Überfluss sich in der Haltung der Erfahrungsarmut auszusetzen, ist ein erster Schritt zur Ernüchterung, um dem technischen Komfort eine menschlich zugängliche Gestalt abzuverlangen. Statt routiniert die Klaviatur eines falschen Problemreichtums zu bespielen, geht es um die altphilosophische Konstellation von Theorie und Praxis, Denken und Leben.

Detlev Schöttker

Gedankensprung ins Nebulöse Im Gegensatz zu Burkhardt Lindner und Helmut Lethen habe ich keine biographische Nähe zu Benjamins Text. Mir erscheint er eher als schillerndes Kuriosum mit sehr heterogenen Ausführungen, die am Schluss nebulös werden. Die Heterogenität lässt sich immerhin erklären. Denn Benjamin hat seinen Essay aus Überlegungen und Texten der frühen dreißiger Jahre zusammengefügt, die bereits veröffentlicht waren und nun offenbar aktualisiert werden sollten. Über die Entstehung kann man aufgrund bisher vorliegender Quellen nichts sagen. Es gibt kein Manuskript und keine aussagekräftigen brieflichen Zeugnisse.1 Abgeschlossen wurde der Essay vermutlich, nachdem Benjamin Mitte März 1933 aus Berlin ins Exil nach Paris geflüchtet war, von wo er Anfang April nach Ibiza fuhr. Hier lebte er bis September, um dann erneut nach Paris zu gehen, sodass der Beitrag auch noch auf der Mittelmeerinsel fertiggestellt worden sein könnte.2 Erfahrung und Armut erschien im Dezember 1933 im zehnten Heft der Zeitschrift Die Welt im Wort, die Willy Haas in Prag herausgab. Dorthin war Haas im selben Jahr emigriert, nachdem er von 1925 bis 1933 in Berlin Die Literarische Welt geleitetet hatte, in der auch zahlreiche Beiträge Benjamins erschienen sind (vgl. die Bibliographie in GS VII, 477–519). Im Gegensatz zur Literarischen Welt, die die intellektuellen Debatten in Deutschland prägte, fand Haas’ Neugründung keine Beachtung und wurde im Januar 1934

1 Vgl. dazu die Ausführungen im Beitrag von Burkhardt Lindner in diesem Band. 2 In psychischer, körperlicher und finanzieller Hinsicht war Benjamins Situation zu dieser Zeit prekär, doch verfasste er eine Reihe von Texten, die meist unveröffentlicht geblieben sind. Vgl. Vicente Valero: Der Erzähler. Walter Benjamin auf Ibiza. 1932 und 1933, Berlin (Parthas) 2008.

GEDANKENSPRUNG INS NEBULÖSE

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eingestellt.3 Über Details ist nichts bekannt. Vermutlich hatte Benjamin nie ein Heft der Zeitschrift in der Hand, da sich in seinem Nachlass nur ein Ausriss mit dem Beitrag befindet, den er als Druckbeleg erhielt.4 Das gilt auch für die Publikation eines weiteren Kurzessays im folgenden elften Heft der Zeitschrift mit dem Titel J. P. Hebels Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes (GS II, 628 u. 1436). Bei Gretel Adorno beklagte sich Benjamin Mitte Januar nur über das Ausbleiben eines Honorars (»Mein Freund Haas zahlt überhaupt nicht«), doch machte er über die Zeitschrift und seine beiden Beiträge keine Aussage, obwohl Haas den Titel des ersten verändert hatte.5 Laut TyposkriptDurchschlag im Benjamin-Archiv, das den Vermerk »Handexemplar« trägt, hieß der Essay ursprünglich »Erfahrungsarmut« (vgl. GS II, 961). Dieser Titel fasst die Idee zusammen, die Benjamin als Epochenphänomen erläutert. Über zeitgenössische Reaktionen von Freunden und Briefpartnern ist bis auf einen Brief von Carl Linfert, einem Redakteur der Frankfurter Zeitung nichts bekannt, sodass der Beitrag so sang- und klanglos unterging, wie er erschienen war.6 Eine genauere Untersuchung gibt es nicht.7 Da der Text viele Zitate, apodiktische Formulierungen und Anspielungen enthält, kann deren Erläuterung Aufschluss liefern, worauf ich zurückkomme. Nur die eingängigen Ausführungen am Anfang werden immer wieder zitiert, sind allerdings zweifelhaft. Dies betrifft vor allem den zweiten Absatz. Dort heißt es über die Nachwirkungen des Ersten Weltkriegs, dass die meisten Soldaten »verstummt aus dem Felde« zurückgekommen seien, dass die »Flut der Kriegsbücher« erst »zehn Jahre später« entstanden sei und dass die »Erfahrung« den Weg vom »Mund zum Ohr« nicht gefunden habe (214).8

3 Vgl. Liselotte Maas: Handbuch der deutschen Exilpresse, Bd. 2., München (Hanser) 1978, S. 604–606. 4 Vgl. GS II, 961. In der Benjamin-Sammlung von Gershom Scholem in Jerusalem ist ein weiterer Ausriss von Erfahrung und Armut überliefert, den Benjamin ihm wohl geschickt hat. Ich danke Ursula Marx (Berlin) für Auskünfte zu den Unterlagen im Walter Benjamin Archiv. 5 Gretel Adorno/Walter Benjamin: Briefwechsel 1930–1940, hg. v. Christoph Gödde/Henri Lonitz, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 2005, S. 113. 6 Linfert schreibt am 12. Dezember 1933 an Benjamin: »[I]ch habe ›Erfahrung und Armut‹ gelesen und bin vor allem sehr berührt durch den positiven Begriff des Barbarentums. Und wie sehr dabei Einsicht und Verzicht auf Kultur (als Erfahrung) doch ein Innehaben in einer unterschiedlichen Weise erfordern, die heute eher menschlich ist als jene Bildung, die immer noch, ohne sonst etwas einzusehen, festhalten zu können glaubt« (in: Geret Luhr [Hg.]: »Was noch begraben lag.« Zu Benjamins Exil. Briefe und Dokumente, Berlin [Bostelmann & Siebenhaar] 2000, S. 119 f.). 7 Vgl. Burkhardt Linder: »Zu Traditionskrise, Technik, Medien«, in: Ders. (Hg.): BenjaminHandbuch, Stuttgart (Metzler) 2006, S. 451–464, hier S. 453–455. 8 Benjamin hat die Passage 1936 in den Aufsatz Der Erzähler aufgenommen (vgl. GS II, 439), so dass es keine ausschließliche Zuordnung zu Erfahrung und Armut gibt.

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DETLEV SCHÖTTKER

Alle drei Behauptungen sind aus heutiger Sicht fragwürdig. Tatsächlich wurden im Ersten Weltkrieg so viele Tagebücher und Briefe geschrieben wie nie zuvor. Kriegsdarstellungen sind nicht erst am Ende der zwanziger Jahre, sondern bereits seit Beginn des Krieges erschienen.9 Und schließlich dürfte Benjamin kaum jemanden gekannt haben, der im Ersten Weltkrieg gekämpft und seiner Familie oder Freunden davon erzählt hat (ich wüsste zumindest niemanden). Hätte er sich mit Ernst Jüngers Buch In Stahlgewittern beschäftigt, das seit 1920 in mehreren Auflagen erschienen ist, wäre er zu anderen Aussagen gekommen. Stattdessenist er um das Buch wie die Katze um den heißen Brei herumgeschlichen, obwohl er es kannte, wie seine Besprechung des von Jünger herausgegeben Sammelbandes Krieg und Krieger zeigt, die 1930 in der Zeitschrift Gesellschaft unter dem Titel »Theorien des deutschen Faschismus erschienen ist« (GS III, 238–250). In Berührung kam Benjamin mit Jüngers Kriegsbuch allerdings schon vorher. Dies zeigen drei der 40 fragmentarischen Überlegungen zu einem 1929 skizzierten Programm der Literaturkritik, in dem er unter anderem auf den »Kriegsroman in Deutschland« eingeht (GS VI, 165). Er nennt hier zwar nur die Namen von Arnold Zweig, Ernst Gläser, Ludwig Renn und Erich Maria Remarque, spielt aber im 28. und 29. Fragment auf das »Vorwort« von Jüngers In Stahlgewittern an, wenn er zur »Ideologie« der »sachlichen Darstellung« schreibt: »Je mehr die ›Objektivität‹, das ›Dokumentarische‹ dieser Literatur betont werden, desto überzeugter sollte man nach den tief verborgenen Tendenzen forschen, denen sie dienen.« (Ebd.) In Jüngers »Vorwort«, das in allen Ausgaben von In Stahlgewittern der zwanziger und dreißiger Jahre zu finden ist, heißt es: »Ich will nicht beschreiben, wie es hätte sein können, sondern wie es war. [...] Der Grad der Sachlichkeit eines solchen Buches ist der Maßstab seines inneren Wertes.«10 Im Übergang vom dritten zum vierten Absatz schließt Benjamin von der »Erfahrungsarmut« als einer psychischen Disposition der Kriegsteilnehmer auf ein ästhetisches Vermögen. Zwar erörtert er den Zusammenhang nicht, doch beginnt mit der Erläuterung der These der substanzielle Teil des Essays. Hier geht es um eine Theorie des zeitgenössischen Konstruktivismus, dem sich auch Benjamin zugehörig fühlte.11 Dies war keineswegs eine leichte Aufgabe, da die Bewegung heterogen war und Manifeste mit programmatischen Äußerungen, wie sie für die anderen Avantgarden charakteristisch sind, fehlen.12 9 Vgl. Wilhelm Krull (Hg.): Krieg – von allen Seiten. Prosa aus der Zeit des Ersten Weltkriegs, Göttingen (Wallstein) 2013. 10 Ernst Jünger: In Stahlgewittern. Historisch-kritische Ausgabe, hg. v. Helmuth Kiesel, 2 Bde., Stuttgart (Klett-Cotta) 2013, Bd. 1, S. 20. 11 Vgl. Detlev Schöttker: Konstruktiver Fragmentarismus. Form und Rezeption der Schriften Walter Benjamins. Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 1999, S. 156–203. 12 Vgl. Bernd Finkeldey u. a. (Hg.): Konstruktivistische Internationale 1922–1927. Utopie für eine europäische Kultur, Düsseldorf/Stuttgart (Hatje) 1992.

GEDANKENSPRUNG INS NEBULÖSE

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Benjamins Aufzählung von Vertretern der neuen »Erfahrungsarmut« bietet ebenfalls ein disparates Spektrum; er nennt Paul Scheerbart, Bertolt Brecht, Paul Klee, Adolf Loos und Le Corbusier. Die weiteren Erläuterungen zeigen allerdings, dass technische und architektonische Konzeptionen hier eine zentrale Stellung einnehmen. Benjamin spricht von »stereometrischen Formen« bei den Kubisten, vom »Reißbrett« bei Klee, vom »Zug zum willkürlich Konstruktiven« in den Romanen Scheerbarths, von »Glashäusern« bei Loos und Le Corbusier und schließlich vom »Bauhaus mit seinem Stahl«. Benjamin kannte nicht nur künstlerische bzw. architektonische Arbeiten der Genannten, sondern auch deren Schriften und ergänzte die hier formulierten Überlegungen um Begriffe und Ideen von Nietzsche, Brecht und Kraus. Sie stehen in der Tradition einer ästhetischen Idee der Reduktion.13 Dazu gehört Nietzsches eigenwillige Kennzeichnung der Klassik als »Barbarentum«, eine Begrifflichkeit, die sich in einem seiner nachgelassenen Fragmente findet. Hier heißt es im Sinne von Benjamins »Erfahrungsarmut« mit definitorischer Bestimmtheit: »Der klassische Geschmack, das ist der Wille zur Vereinfachung, Verstärkung, zur Sichtbarmachung des Glücks, zur Fruchtbarkeit, der Mut zur psychologischen Nacktheit. [...] Problem: Wo sind die Barbaren des 20. Jahrhunderts?«14 Um diese neue Generation von entscheidungsstarken Künstlern geht es Benjamin: »Denn wohin bringt die Armut an Erfahrung den Barbaren? Sie bringt ihn dahin, von vorn zu beginnen: von Neuem anzufangen; mit Wenigem auszukommen; aus Wenigem heraus zu konstruieren und dabei weder rechts noch links zu blicken.« (GS II, 215) Mit der Reduktionsidee hatte sich auch Brecht beschäftigt. In seinem Lehrstück Flug der Lindberghs (1930) gibt es eine Theorie der Technik als Verknappung, die Benjamin übernahm. In den Vorarbeiten zu seinem Essay über Karl Kraus (1931) finden sich entsprechende Exzerpte aus dem Stück, die er als »neue Denksprüche« bezeichnet. Zum Beispiel: »Technik ist Sparsamkeit, Organisation ist Armut.« (GS I, 1105) Auch hier wird der Begriff »Armut« also nicht in sozialer, sondern in intellektueller Hinsicht verwendet. In einem Radio-Beitrag von 1930 hat Benjamin die Idee auf das Werk Brechts übertragen: »Wer in drei Worten über Brecht das Entscheidende sagen müsste, würde klug tun, sich auf den Satz zu beschränken: Sein Gegenstand ist die Armut.« Zur Erläuterung heißt es: Wie der Denkende mit den wenigen zutreffenden Gedanken, welche es gibt, der Schreibende mit den wenigen stichhaltigen Formulierungen, die wir haben, der 13 Vgl. Detlev Schöttker: »Reduktion und Innovation. Die Forderung nach Einfachheit in ästhetischen Debatten zwischen 1750 und 1995«, in: Gerhart von Graevenitz (Hg.): Konzepte der Moderne. Stuttgart/Weimar (Metzler) 1999, S. 331–349. 14 Friedrich Nietzsche: Kritische Studienausgabe, Bd. 13: Nachgelassene Fragmente 1887–1889, München (Deutscher Taschenbuch Verlag) 1988, S. 18.

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DETLEV SCHÖTTKER

Staatsmann mit der wenigen Intelligenz und Tatkraft der Menschen auskommen muß, das ist das Thema seiner Arbeit. [...] Knapp an die knappe Wirklichkeit heran – das ist die Losung. (GS II, 667)

Vorweggenommen ist die Idee der Reduktion in Loos’ Vortrag Ornament und Verbrechen (um 1908) sowie in Kraus’ Aufsatz Heine und die Folgen (1910). Während Loos von seinem »Drang nach Einfachheit« spricht und »Ornamentlosigkeit« als »Zeichen geistiger Kraft«bezeichnet,15 erläutert Kraus mit Bezug auf Loos: »Die Verschweinung des praktischen Lebens durch das Ornament, wie sie Adolf Loos nachgewiesen hat, entspricht die Durchsetzung des Journalismus mit Geisteselementen, die zu einer katastrophalen Verwirrung führt. Die Phase ist das Ornament des Geistes«.16 Benjamin war über die Geistesbruderschaft informiert. In seinem Essay über Kraus verglich er dessen »Kampf gegen die Phrase« mit Loos’ »Kampf gegen das Ornament« (GS II, 335). Schließlich ist Benjamin auf die kühne Idee eines Mentalitätswandels durch gläserne Gebäude eingegangen, die Paul Scheerbart in seinem Buch Glasarchitektur (1914) dargelegt hat. Zu Beginn des vorletzten Abschnitts (CXI) zieht Scheerbart ein Resümee, das Benjamin in Erfahrung und Armut wörtlich zitiert: »Nach dem Gesagten können wir wohl von einer ›Glaskultur‹ sprechen. Das neue Glas-Milieu wird den Menschen vollkommen umwandeln. Und es ist nun nur zu wünschen, daß die neue Glaskultur nicht allzu viele Gegner findet.« (GS II, 218) Das Zitat bildet den Abschluss eines kurzen Textes von Benjamin, der 1933 in der Kölnischen Zeitung unter der Überschrift »Spurlos wohnen« – im Rahmen einer Gruppe von Texten mit dem Titel Kurze Schatten – erschienen ist (GS IV, 425 f.).17 Benjamin integrierte den gesamten Text in den sechsten Absatz seines Essays, ohne den Zusammenhang zwischen Scheerbarts Auffassung zur Funktion der Glaskultur und den Auffassungen der anderen Stichwortgeber zu erläutern.18 Noch schwerer nachvollziehbar aber ist die Aktualisierung in

15 Karl Kraus: Ornament und Verbrechen, in: Ders.: Trotzdem 1900–1930 (1931, hg. v. Franz Glück), Wien (Prachner) 1988, S. 78–88. 16 Karl Kraus: Untergang der Welt durch schwarze Magie (1922), Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 1989, S. 185–210, hier S. 188. 17 Er korrespondiert mit dem Kurzessay Hochherrschaftlich möblierte Zehnzimmerwohnung in der Einbahnstraße von 1928 (GS IV, 88 f.) und wurde später Teil einer um 1934 konzipierten »Nachtragsliste zur Einbahnstraße«. Vgl. Walter Benjamin: Einbahnstraße, hg. v. Detlev Schöttker unter Mitarbeit von Steffen Haug, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 2009 (WuN VIII), S. 111 f. 18 In einem auf Französisch geschriebenen Beitrag zu Scheerbart von 1940 nahm Benjamin die Idee nicht mehr auf, sondern griff auf vorausgehende Überlegungen der zwanziger Jahre zurück. Vgl. Detlev Schöttker: »Scheerbart oder Blanqui? Zum letzten Text Walter Benjamins«, in: Tumult, (2014) 1, S. 23–26 (mit der deutschen Übersetzung des Textes).

GEDANKENSPRUNG INS NEBULÖSE

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den letzten beiden Absätzen. Denn hier wird »Erfahrungsarmut« wieder zu einer Generationserfahrung: Erfahrungsarmut: das muß man nicht so verstehen, als ob die Menschen sich nach neuer Erfahrung sehnten. Nein: sie sehnen sich von Erfahrungen freizukommen, sie sehnen sich nach einer Umwelt, in der sie ihre Armut, die äußere und schließlich auch die innere, so rein und deutlich zum Ausdruck bringen können, daß etwas Anständiges dabei herauskommt. (GS II, 218)

Die Überlegung gipfelt in einem Plädoyer für »das ganz einfache aber großartige Dasein«. Als Beispiel nennt Benjamin die »Micky-Maus«, die als Kreatur aus »Natur und Technik, Primitivität und Komfort« seiner Auffassung nach den »Traum der heutigen Menschen« verkörpere (281).19 Er nimmt hier Überlegungen aus seinem 1931 erschienenen Artikel Der destruktive Charakter auf (GS IV, 396–398), macht aber aus einer individuellen Haltung, die hier im Vordergrund stand, eine kollektive und spricht von einer »Menschheit«, die sich in »Bauten, Bildern und Geschichten« darauf vorbereite, »die Kultur, wenn es sein muß, zu überleben« (219). Vielleicht dachte Benjamin hier an eine jener Lebens- und Denkweisen in der Weimarer Republik, die Helmut Lethen in seinem Buch Verhaltenslehren der Kälte (1994) beschrieben hat. Doch lässt sich das nur erahnen. Mehr als die anderen Teile des Essays sind die letzten beiden Absätze, falls sie in eine politische Richtung deuten, schwer nachvollziehbar. Benjamin flüchtet sich in poetische Andeutungen statt seine Auffassungen zu erläutern. Gesteigert wird die fragwürdige Argumentation, wenn er zur Überlebensstrategie der »Menschheit« am Schluss emphatisch schreibt: »Und was die Hauptsache ist, sie tut es lachend. Vielleicht klingt dieses Lachen hier und da barbarisch. Gut. Mag doch der Einzelne bisweilen ein wenig Menschlichkeit an jene Masse abgegeben, die sie eines Tages ihm mit Zins uns Zinseszinsen wiedergibt.« (Ebd.) Ist aus Benjamins Plädoyer für den ästhetischen »Barbaren« also unversehens ein Plädoyer für den barbarischen Menschen geworden? Das Aufgehen des Einzelnen in der Masse konnte er seit Anfang der dreißiger Jahre in den faschistischen, aber auch in den kommunistischen Organisationen beobachten. Was aber von der Masse an den Einzelnen einmal zurückgegeben werden könne, bleibt unklar und ist mit »Erfahrungsarmut« kaum zu erklären.

19 Vgl. dazu Burkhardt Lindner: »Mickey Mouse und Charlie Chaplin. Benjamins Utopie der Massenkunst«, in: Detlev Schöttker (Hg.): Schrift Bilder Denken. Walter Benjamin und die Künste, Berlin/Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 2004, S. 144–167.

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Helmut Lethen

Cliffhanger der Unzeit Drei Zeiten, drei Transformationen1 Die Gegenwart bestimmt an dem Gegenstand der Vergangenheit, wo seine Vor- und Nachgeschichte in ihm auseinandertreten, um seinen Kern einzufassen. (GS V, 596)2

1. Die Droge Benjamin Es ist rätselhaft, warum ich im Wintersemester 1960/1961 als Student der Bonner Universität, nachdem ich im Transistorradio eine Sendung des WDR gehört hatte, in der der kurz zuvor aus der DDR geflohene Schriftsteller Gerhard Zwerenz einige Passagen aus dem Essay »Der Erzähler« von Walter Benjamin las, aus dem Bett sprang, die Buchhandlung Bouvier aufsuchte und die Buchhändlerin in Verlegenheit brachte.3 Nein, der Name Walter Benjamin sei ihr nicht bekannt. Sie versuche aber, den von mir genannten Band Illuminationen vom Großhändler zu bestellen. Wie konnte der Funke aufgrund einiger Zeilen über Nikolai Leskow aus dem Radio auf mich überspringen? Was ich hörte, war eine Droge. Aber ich kann nicht mehr rekonstruieren, was der Wirkstoff war, der mich unter Strom setzte. Waren es die Zeilen, in denen die »Geburtskammer des Romans«, »das Individuum in seiner Einsamkeit«, beschrieben wird, das sich »über seine wichtigsten Anliegen nicht mehr exemplarisch auszusprechen vermag, selbst unberaten ist und keinen Rat geben kann. Einen Roman schreiben, heißt, in der Darstellung des menschlichen Lebens das Inkommensurable auf die Spitze treiben«. (GS II, 443) Gut, ich hatte die Theorie des Romans von Georg Lukács gelesen und könnte Anklänge daran wiedererkannt haben. Benjamin selbst verweist darauf, wenn er in der Melancholie des Romans eine »Form der transzendentalen 1 Mein Beitrag verdankt manchen Gedanken den Gesprächen mit Andreas Munninger (Wien). 2 Wo nicht anders vermerkt, zitiere ich – mit Ausnahme von Erfahrung und Armut und Der destruktive Charakter, die ich meinem alten Exemplar der Illuminationen von 1961 entnehme – nach den Gesammelten Schriften, hg. v. Rolf Tiedemann/Hermann Schweppenhäuser, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 1972–1999. 3 Ausführlicher in dem autobiographischen Bericht Suche nach dem Handorakel, Göttingen (Wallstein) 2012.

CLIFFHANGER DER UNZEIT

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Heimatlosigkeit«4 erkennt. Mit diesen Sätzen konnte ich umgehen. Das traf auf andere explosive Sätze, die ich in den Illuminationen fand, nicht zu. Zu Beginn der sechziger Jahre speicherte ich sie wie in einer Zeitkapsel. Sie öffnete sich Jahre später und strahlte eine Energie aus, die uns in alle Himmelsrichtungen der Radikalität trieb. War die Sprachmelodie der Illuminationen die Quelle meiner Faszination gewesen? Auf jeden Fall war ich in keiner Weise dafür konditioniert, dass der Funke übersprang. Noch diesseits aller Kollektivströme der späteren sechziger Jahre war ich in meiner Bonner Dachkammer vorerst wahrscheinlich der Einzige an der Bonner Universität (Indiz war die Ratlosigkeit in der Bonner Universitätsbuchhandlung) der Kontakt zu diesem Zündstoff hatte. Nicht unwahrscheinlich allerdings, dass Richard Alewyn, dessen Barockvorlesung mich im Hörsaal A fesselte, das brisante Zeug schon lange kannte. Man merkte es ihm aber nicht an. Im Wintersemester 1960/1961 las ich also auch den Essay »Erfahrung und Armut«,5 und er wirkte wie eine Elektrisiermaschine. Es wird die Verehrer Walter Benjamins nachhaltig irritieren, dass zur gleichen Zeit Ernst Jüngers Frontbuch In Stahlgewittern ebenfalls wie eine Elektrisiermaschine auf mich wirkte. Welche Transformation, fragen sie sich zu Recht, mag der Text im Kopf des rheinisch katholischen Erstsemesters erlitten haben? Ich kann nur spekulieren, warum der Funke damals auf mich übersprang: 1) Der Essay entfaltet die Welt als ein kinetisches Theater. Bewegungsströme fließen barrierefrei durch das Spannungsfeld einer Gesellschaft, die darauf wartet, zerstört zu werden. Keine der Figuren der Avantgarde, die in Benjamins Essay-Welt gesichtet werden, ist geerdet. Der Schwerkraft der Heimat enthoben, durchkreuzen sie bloß als »entmenschte Namen«, denen kein Körper beigesellt ist, den Diskurs. Welch ungeheure Erholung: Die kinetischen Fabelwesen der namentlich genannten Avantgardisten und ihrer namenlosen Gestalten haben alle Komplikationen der Psyche, in die für Leser von Dostojewski alle Gestalten des 19. Jahrhunderts verwickelt waren, abgestreift. Eine Art »Gepäckerleichterung«, die schon Ernst Jünger in seinem Arbeiter erheitert hatte. »Aber wer kann denn ernstlich annehmen, die Menschheit werde den Engpass der vor ihr liegt, mit dem Gepäck des Sammlers oder Antiquitätenhändlers beladen, je überschreiten«, heißt es in einer gestrichenen Passage des Artikels. 2) Ursachen der Kriegstraumata, deren Verarbeitung in Zeiten der Republik misslang, werden in physikalischen Bildern, wie in denen des »Kraftfelds zerstörender Ströme« in denkbar weite Ferne zum Organismus gerückt. Die Nachkriegsmenschen scheinen nachhaltig von den elektrischen Strömen wie 4 Walter Benjamin: »Der Erzähler«, in: Illuminationen. Ausgewählte Schriften, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 1961, S. 409–436, hier S. 425. 5 Ich zitiere im Folgenden immer nach meiner Ausgabe der Illuminationen von 1961, S. 313– 318. Da der Text sehr kurz ist, werden Zitate im Folgenden nicht weiter nachgewiesen.

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HELMUT LETHEN

»galvanisiert«.6 Künstler wie Paul Klee zeichnen anorganische Gestalten, die »wie ein gutes Auto auch in der Karosserie vor allem den Notwendigkeiten des Motors« gehorchen. Im künstlichen Paradies der Avantgarde verliert alles, selbst die Heimat, seine Schwerkraft. Man kehrt in eine Welt ein, »in der ein Auto nicht schwerer wiegt als ein Strohhut«. Benjamin erlaubte es uns, Comics zu lesen. 3) Schließlich die Kälte-Devise, gekoppelt an die vom BAUHAUS bevorzugten Materialien Stahl und Glas7: »Glas ist nicht umsonst ein so hartes und glattes Material, an dem sich nichts festsetzt. Auch ein kaltes und nüchternes. Die Dinge aus Glas haben keine ›Aura‹. Das Glas ist überhaupt der Feind des Geheimnisses. Es ist auch der Feind des Besitzes.« 4) Und dann die Verlockung einer nomadischen Existenz; der Aufruf, das »Interieur« des bürgerlichen Hauses, das Routinen aufzwingt und Eigensinn blockiert, zu verlassen; die Spuren der Herkunft so zu verwischen, wie es Bert Brechts Lesebuch für Städtebewohner empfahl. »Erfahrung und Armut« hätte mir also schon 1961 als »Handorakel« dienen können, bewegungssüchtig wie ich als Leichtathlet war, las ich das Stück wie einen Wegweiser in die vaterlose Gesellschaft (Das Buch von Alexander Mitscherlich Auf dem Weg in die vaterlose Gesellschaft erschien zwei Jahre später, 1963). Ein vade mecum für fröhliche Barbaren, deren Devise im ersten Satz des zweiten Absatzes im Aufsatz Der destruktive Charakter plakativ formuliert wird: »Der destruktive Charakter kennt nur eine Parole: Platz schaffen; nur eine Tätigkeit: Räumen. Sein Bedürfnis nach frischer Luft und freiem Raum ist stärker als jeder Hass.«8 Da in den folgenden Jahren der Hass ebenso stark wurde wie das Bedürfnis nach Reinigung der Luft, die in den fünfziger Jahren noch vom Arbeitsgeruch der Funktionseliten des Dritten Reichs geschwängert war, wurde der Zündstoff, den esoterische Schriften enthielten, brandgefährlich. Brechts Lehrstücke vom Tod des Individuums im rettenden Kollektiv als barbarisches Lachtheater – damals eine durchaus reizvolle Idee, wenn man, wie im letzten Satz des Essays dunkel angedeutet, in der Wendung zur »Masse« eine Perspektive sehen wollte. Diese Ansicht wurde erst nach der Studentenbewegung akut.

6 Vgl. Ernst Jünger: Der Arbeiter. Herrschaft und Gestalt, Hamburg (Hanseatische Verlagsanstalt) 1932. 7 Zur Relativierung der Begeisterung für die Transparenz des Glases empfiehlt sich das Kapitel »Die Glasarchitektur« in Pierre Missacs Buch: Walter Benjamins Passage, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 1991, S. 194–228. Vgl. auch Manfred Schneiders Buch Transparenztraum, Berlin (Matthes & Seitz) 2013, in dem wir auch von den Alpträumen der Transparenz erfahren. Man wird Benjamins Parole »Im Glashaus zu leben ist eine revolutionäre Tugend par excellence« nach der Lektüre dieser Kommentare mit großer Skepsis begegnen. 8 Benjamin: Illuminationen (Anm. 2), S. 310–312.

CLIFFHANGER DER UNZEIT

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2. Das historistisch verkrustete Textding Und nun wollen wir einmal Abstand halten, zurücktreten.9

1967 konnten wir noch heftig darüber streiten, ob wir das besetzte Institut für Germanistik an der FU Westberlin in der Boltzmannstraße Walter-Benjaminoder Rosa-Luxemburg-Institut nennen sollten. In den siebziger Jahren begann die Sakralisierung Benjamins. Ein Satz wie »Hier irrt Benjamin!« zählte jetzt – außer in der Barockforschung – ebenso zu den Denkunmöglichkeiten wie die Frage, welche Handlungsoptionen die Texte hergeben. Die Zunft geriet unter die »Diktatur der Ambivalenzdiagnose«, wie Eva Geulen, aufatmend, ihr entronnen zu sein, das neuerdings nennt. Deren Eigenschaft, Handlungslähmung zu legitimieren, um philologische Akribie zu ermöglichen, wurde dankbar angenommen. Damit verlor Benjamin für mich seine Anziehungskraft. Nach dem Scheitern der politischen Projekte, in die ich verwickelt gewesen war, machte sich Skepsis gegenüber ehemals verführerischen Dingen breit. Peter Sloterdijk sprach 1987 von der Stunde der »ptolemäischen Wahrnehmung«, die mit Horizonten rechnet und den alle Dinge transparent machenden Blick der Avantgarden aushebelt. Zeilen seines Buches Kopernikanische Mobilmachung und ptolemäische Abrüstung wirkten 1987 auf mich wie ein Manifest. Sloterdijk erhebt starke Forderungen: Der Leitbegriff der ästhetischen Theorie sollte nicht mehr die Kreativität, sondern die Wahrnehmung sein. »Dabei zerfällt der Mythos der Kreativität in die sensiblen Schalen und den brutalen Kern – den Wutkern des nihilistischen Angriffs, der in allen Mobilisierungsgewalten gärt. Erst nachdem der Kreativismus gestürzt ist, kann ästhetische Theorie werden, was sie in der merkwürdigen Moderne nicht sein durfte: eine Schule der Wahrnehmung.«10

Sloterdijks Parole machte mich auf den »Kreativismus« in Benjamins Essay aufmerksam. In ihm liest man: »Unter den großen Schöpfern hat es immer die Unerbittlichen gegeben, die erst einmal reinen Tisch machen. Sie wollten nämlich einen Zeichentisch haben, sind Konstrukteure gewesen.« Benjamins Architekten-Satz erinnerte mich an Boris Groys’ polemische Schrift Stalin als Gesamtkunstwerk, in der die Tabula-rasa-Geste der sowjetischen Avantgarde als eine von vielen Ursprüngen der Unheilsgeschichte der Intellektuellen bezeichnet wird. 9 Ders.: »Erfahrung und Armut«, in: ders.: Illuminationen (Anm. 2), S. 318. 10 Peter Sloterdijk: Kopernikanische Mobilmachung und ptolemäische Abrüstung, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 1987, S. 66.

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Historisierung war angesagt und ist immer noch von Nutzen.11 Der Zündstoff von »Erfahrung und Armut« wurde in die nassen Tücher des Historismus eingewickelt, dass kein Funke mehr übersprang. Esoterik und Terror, dachte ich auf der Flucht vor dem Text in politische Bedenklichkeit, unterhielten in der Weimarer Republik ein Nachbarschaftsverhältnis; und wen in den siebziger Jahren diese Nähe infizierte, konnte Zuflucht in der Hermetik der Texte suchen oder – mehr seinen Einbildungen als ihren Taten folgend – der RAF hinterherlaufen. 11 Detlev Schöttker stellte in der Podiumsdiskussion in Frankfurt am Main zu Recht die Stimmigkeit der berühmten und im Kriegsgedenkjahr 2014 immer wieder zitierten Passage – »Konnte man nicht die Feststellung machen: die Leute kamen verstummt aus dem Felde? Nicht reicher, ärmer an mitteilbarer Erfahrung« infrage. Er wies auf die Flut der publizierten Briefe und Erinnerungsbücher kurz nach dem Kriege hin. Das wirft ein Problem auf, das ich in meinen Beitrag nicht behandelt habe. Klärungsbedürftig ist der Erfahrungsbegriff. Thomas Weber hat die Wanderung des Erfahrungsbegriffs in verschiedenen historischen Konstellationen in Benjamins Werken nachgezeichnet (ders.: »Erfahrung«, in: Michael Opitz/Erdmut Wizisla [Hg.]: Benjamins Begriffe, Frankfurt a. M. [Suhrkamp] 2000, S. 230–259). 1913 setzt Benjamin die »rebellische Intention« der Jugendbewegung gegen die verbal als »Erfahrung« maskierten sinnlosen Routinen der Erwachsenenwelt. In den zwanziger Jahren verknüpft Benjamin den Begriff mit seiner »Elementarlehre des historischen Materialismus« insofern dieser »sein Verfahren auf die Erfahrung, den gesunden Menschenverstand, die Geistesgegenwart und die Dialektik [stützt]« (GS V, 595). Erfahrung wird nun nicht mehr als ein historisch Unbedingtes gewertet. Sie ist eine Dimension menschlicher Praxis, die sich einer Erfahrung nähert, die sich »im genormten, denaturierten Dasein der zivilisierten Massen niederschlägt« (GS I, 608). Um das Verhältnis von Gedächtnis und Erfahrung näher zu bestimmen, kombiniert Benjamin Denkmotive von Bergson und Proust. Entscheidend wird der Einfluss von Freud, für den das Bewusstsein die Funktion des »Reizschutzes« hat, der den Organismus vor dem zerstörenden Einfluss der »draußen arbeitenden Energien« schützen soll (613). Das Gedächtnis stellt zwar einen Datenspeicher bereit, auf den das Bewusstsein jederzeit zugreifen kann – aber es bleibt in der Kapsel des Reizschutzes. Der kann im Schock der Erfahrung zwar nicht aufgehoben, aber es können Löcher in ihn gebrannt werden. Die »Informationen« des modernen Medienbetriebs dienen in der Regel der Stärkung des Reizschutzes. Es sind zirkulierende Datenspeicher, präpariert für den bewussten Zugriff. Ihre Funktion besteht darin, im Modus der Nachricht das erlittene Ereignis gegen den Schock der Erfahrung abzudichten. Sie sind von Erklärungen durchsetzt, die das Ereignis transparent machen sollen. Die Kunst des Erzählens besteht dagegen darin, eine Geschichte vom Erklären freizuhalten (GS II, 444 f.) Untergründig spiegeln Benjamins Reflexionen über die Erfahrung m. E. die Verzweiflung über die Unfähigkeit, mit den traumatischen Erfahrungen des Weltkriegs vernünftig umzugehen. Wenn er auf die Stummheit der aus dem Krieg heimkehrenden Soldaten hinweist, so misst er offenbar der Flut ihrer publizierten Verlautbarungen nur den Status von Informationen bei, d. h. es bleiben für ihn bewusst oder unbewusst den Datenspeicher der veröffentlichten Erinnerung beliefernde Erlebnisse, die den Reizschutz nicht durchbrechen, sondern ihn vielmehr panzern. Vielleicht ist das einer der Gründe, warum sich die Phänomenologie der zwanziger Jahre auf die »vorprädikative Erfahrung« konzentriert, wobei Alfred Schütz darauf aufmerksam macht, dass auch diese Erfahrung durch die Sprache vermittelt ist (vgl. Helmuth Vetter [Hg.]: Wörterbuch der phänomenologischen Begriffe, Hamburg [Felix Meiner Verlag] 2005, S. 152–155). Dass die ›wahre‹ Kriegserzählung in eine »Zone des Verstummens hinter dem Markt der Worte« eindringen müsste, konnte man 1932 auch dem Beitrag »Dichtung des Schweigens« von Walter Muschg entnehmen: »Wenn also jetzt literarische Gemüter zuversichtlich dem Grimmelshausen des Stellungskriegs entgegenharren, der das Kataklysma dieser

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Dennoch blieb der Essay interessant, wenn man ihn mithilfe von Methoden des New Historicism, die ich zu dieser Zeit von meinem Rostocker Assistenten Moritz Baßler lernte, als ein Bündel von Diskursdrähten – von Nietzsche bis zu Le Corbusier, von Adolf Loos bis Scholem, von Karl Marx bis Bertolt Brecht – wahrnimmt. Es ist die Methode, einen Text unter Strom zu setzen und gleichzeitig seine Ferne zu betonen. Klaus Theweleit hat dieses Vorgehen in seinem Kommentar zu Arno Schmidts Pocahontas wunderbar vorgeführt,12 indem er einzelne Drähte, die im Text verflochten sind, nachverfolgt. Die Rede vom fröhlichen Barbaren in Benjamins Text beispielsweise durchläuft verschiedene Welten. Manfred Schneider ist ihren Spuren nachgegangen.13

3. Cliffhanger der Unzeit Ein schwieriger Genitiv – und das deutsche Wort ›Unzeit‹ scheint zudem ziemlich unergründlich. Werner Hamacher hat ihm vor vielen Jahren eine eindringliche Meditation gewidmet.14 »Unzeit« bezieht sich in diesem Fall auf den Umstand, dass Benjamin den Essay in großer Isolation, wahrscheinlich auf Ibiza zwischen

Zeit zur Freude der Leserwelt mit Riesenarmen in die Ebene der dichterischen Verklärung emporstemmen werde, sobald seine Stunde gekommen sei, und wenn Stücke von dieser Phrase gegenwärtig den Reklametext für jede zweite Neuerscheinung liefern, so wissen wir, wofür wir solche Erwartungen zu halten haben: für ebenso viele Todsünden wider unser Schicksal. Wir hoffen umgekehrt auf den Tag, wo die Tiefe des Nichtsagenkönnens als lähmende Starre jene Finger befällt, die jetzt den Tageslärm in Büchern arrangieren. Wo nicht die Meisterschaft der Rede die Mysterien verschlingt, sondern diese sie. Es gibt noch keine Sprache für das, was jetzt auf der Welt geschieht« (Walter Muschg: Pamphlet & Bekenntnis, Olten/Freiburg i. Br. [Walter] 1968, S. 143). Den Hinweis verdanke ich Andreas Munniger. 12 Klaus Theweleit: »You give me fever«. Arno Schmidt. Seelandschaft mit Pocahontas. Die Sexualität schreiben nach WWII, Frankfurt a. M. (Stroemfeld Verlag) 1999. 13 Manfred Schneider: Der Barbar. Endzeitstimmung und Kulturrecycling, München/Wien (Carl Hanser Verlag) 1997. In seiner Rezension des Buches deutet Micha Brumlik auf die riskanten Folgen des positiven Umgangs mit dem Wort »Barbar« hin: »Wer die Barbaren – und sei es nur als rhetorische Figur – beschwört, holt sie auch in Wirklichkeit ins Haus«. »Das Barbarentum – so zeigt uns Schneider […] ist zwar einerseits nur eine selbstkritische und selbstverliebte rhetorische Figur gerade der Gebildetsten, die sich in Selbsthaß und Verzweiflung verzehren. Da aber andererseits das Unbehagen an der Kultur – wie wir seit Freud wissen – jederzeit in blanke Zerstörungswut umschlagen kann und noch stets umgeschlagen ist, sind die Barbaren zugleich eine höchst reale Möglichkeit jeder Kultur« (vgl. Micha Brumlik, in: DIE ZEIT vom 28.03.1997). Ein schlagendes Argument für die Historisierung von Benjamins Text. Jedoch: 1933 sind die Barbaren schon im Haus. 14 Werner Hamacher: »DES CONTRÉES DES TEMPS«, in: Georg Christoph Tholen/Michael O. Scholl (Hg.): Zeitzeichen. Aufschübe und Interferenzen zwischen Endzeit und Echtzeit, Weinheim (Acta humaniora) 1990, S. 29–36.

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April und Oktober 1933 schrieb.15 Sicher ist, dass er im zehnten Heft des ersten Jahrgangs der Exilzeitschrift Die Welt im Wort, herausgegeben von Willy Haas, am 7. Dezember 1993 in Prag erschien. Die Zeitschrift ging kurz darauf ein. In Analogie zu der bekannten Definition von Schmutz begreife ich auch Unzeit als »Substanz am falschen Ort«. 1961 hatte ich angenommen, Benjamins Schrift sei in der Entscheidungsphase der Republik entstanden. Nach Kenntnis der Isolation des Autors, des fehlenden Resonanzraums seiner Parolen und der erzwungenen Trennung von jeder Entscheidungssphäre im Herbst 1933 erscheint mir der Essay heute wie ein stacheliges Ding, aus dem nach allen Seiten lose Drähte hängen. Seine Verbindungen sind ausnahmslos gekappt. Er hängt in keinem Diskursnetz mehr, in dem er auf dem lebendigen Feld der Avantgardisten der Weimarer Republik hätte verstrickt sein können. Die zahlreichen historischen Verdrahtungen, die die Benjamin-Philologie im Text entdeckt hat, sind im Dezember 1933 durchgetrennt: – – –

Der Kontakt mit den Schriften Nietzsches ist gerissen. Sie sind in diesem Augenblick schon in der Hand von Alfred Bäumler. Die sowjetische Avantgarde ist mundtot gemacht, an die Wand gestellt oder hat sich Stalins Doktrin gebeugt. Paul Scheerbarth, Adolf Loos – sie sind tot. Brecht auf dem Weg ins dänische Exil …

Ich erinnere mich an einen Satz von Ernst Jünger, der seine Alarmbereitschaft und Geistesgegenwart an der Front zu fassen suchte, indem er sagte, es sei als ob im ganzen Körper unentwegt eine elektrische Klingel läute. Gut, die Klingel in Benjamins Text funktioniert immer noch, aber die Fronten fehlen. Im Dezember 1933 klingelt der Text im Leeren. Vergleicht man »Erfahrung und Armut« mit Gottfried Benns Pamphlet »Dorische Welt«, das etwa zur gleichen Zeit erscheint, wird ein krasser Unterschied deutlich. Heute kann man Benns Essay als ein surrealistisches Bravourstück – Durs Grünbein las es einmal so – lesen; damals gefiel es den Altphilologen unter den Nazis, die wie Benn in der Tradition des 19. Jahrhunderts das Bild von Sparta auf den spartanischen Führerstaat übertrugen und ihre Bereitschaft, Maßnahmen zur Euthanasie gutzuheißen, gerechtfertigt fanden. Für die Nazis war es ein unverständlich avantgardistisches Gemurmel. Die Unzugänglichkeit von Benns Prosa machte ihnen nichts aus. Sie brauchten Benns Stimme, die den Umsturz in Kreisen der Bildungselite rechtfertigte. Darum hatte der Dichter einige wenige Monate Zugang zu den Mikrophonen des Berliner Rundfunks. Dann war es aus, und er verlegte seine nun subversiven Sätze in Briefe und verbotene Prosa, die er während des Zweiten Weltkriegs schrieb. 15 Burckhardt Lindner legt jetzt in seinem Kommentar andere Daten der wahrscheinlichen Entstehungsgeschichte vor.

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Benjamins Essay dagegen: Er dient im Dezember 1933 niemandem, ist an keinen gerichtet, siedelt im Nirgendwo. Man ist versucht zu denken, darin hätte Benjamins mythische Überlebenstechnik bestanden. Er schreibt vor dem historischen Hintergrund einer Bewegung, in der er nur »karnevalistisch vermummte Spießbürger« erkennt, ohne dass man wüsste, ob diese Formulierung auf Gemälde von James Ensor zielt.

4. Aktualisierung Heute drängen sich neue Verdrahtungen des Essays auf: Der Satz vom »nackten Zeitgenossen […], der schreiend wie ein Neugeborener in den schmutzigen Windeln dieser Epoche liegt«, löst sich von Paul Scheerbarths Glasarchitektur, um Kontakt zum »Muselmann« in Primo Levis und Agambens Beobachtung von Menschen im KZ, die, aus allen Kategorien der Gesellschaft herausgelöst, der Auslöschung preisgegeben sind, zu schließen. Jede Zeit sucht neue Anschlüsse. Die Aktualisierung läuft aber in die Irre. Benjamins Kältefiguren sind physikalische Konstruktionen. Der Schwerkraft des Organischen hat er sie enthoben. Die schwerelosen Automobile der Avantgarde von Scheerbarth bis Klee haben sich vom Gravitationsfeld, von Krieg, Bürgerkrieg und Diktatur gelöst.

5. Warum, um Gottes willen, elektrisiert mich »Armut und Erfahrung« im Jahre 2013 wieder und 2014 immer noch? Aufregend wie ein Cliffhanger und wie damals zur Unzeit – wie jeder Text, der überdauert. Sein Zeitkern steckt im Erkannten und Erkennenden zugleich.

Abbildungsnachweise Tamar Avishai Shock and Aura. Benjamin on Dada Abb. 1: Leni Riefenstahl: Erwin Huber as ›living statue‹; Myron: Discus Thrower c. 450 BCE (1937); abgebildet in: Ian Boyd Whyte: »National Socialism and Modernism«, in: Dawn Ades u. a. (Hg.): Art and Power: Europe Under the Dictators 1930–45, London (Thames & Hudson) 1995, S. 267. Abb. 2: John Heartfield/Georg Grosz: Dada-merika (1919); abgebildet in: Dawn Ades: Photomontage, London (Thames and Hudson Ltd.) 1976, S. 23. Abb. 3: Heartfield/Grosz at the Dada Fair (1920), Fotografie; abgebildet in: Beth Irwin Lewis: »Grosz/Heartfield: The Artist as Social Critic«, in: Exhibition Catalogue: Grosz/Heartfield. The Artist as Social Critic, Minneapolis (University Gallery/University of Minnesota) 1980, o. S. Abb. 4: John Heartfield/Georg Grosz: The Golden Chain (1928); abgebildet in: Beth Irwin Lewis: »Grosz/Heartfield: The Artist as Social Critic«, in: Exhibition Catalogue: Grosz/Heartfield. The Artist as Social Critic, Minneapolis (University Gallery/University of Minnesota) 1980, o. S. Abb. 5: George Grosz: »The Convict«. Monteur John Heartfield after Franz Jung’s Attempt to Get Him Up on His Feet (1920); abgebildet auf der Titelseite von: Dawn Ades: Photomontage, London (Thames and Hudson Ltd.) 1976. Abb. 6: John Heartfield: Adolf the Superman Swallows Gold and Spouts Junk (1932), in: Peter Selz: »John Heartfield’s Photomontages«; abgebildet in: ders.: Photomontages of the Nazi Era, New York (Universe Books) 1977, S. 43. Abb. 7: Honoré Daumier: Gargantua (1830); abgebildet in: Royal Academy of Art exhibition catalogue: »Daumier, Visions of Paris«, London (Thames and Hudson Ltd.) 2013, S. 57.

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ABBILDUNGSNACHWEISE

Abb. 8: John Heartfield: Daumier caricature on the cover of A-I-Z, Arbeiter-Illustrierte-Zeitung, 8 (1929) 8 Heft 8: Honoré Daumier, zum 50. Todestag des großen Revolutionären Zeichners, Berlin/Neuer Deutscher Verlag); abgebildet in: Douglas Kahn: John Heartfield. Art and Mass Media, New York (Tanam Press) 1985, S. 51. Abb. 9: Honoré Daumier: Ladies of the Demi-Monde, but Having No Demi-Skirts (1855); abgebildet in: Walter Benjamin: The Arcades Project, hg. v. Howard Eiland/Kevin McLaughlin, Cambridge (Belknap Press/Harvard University Press) 1999, S. 67. Abb. 10: John Heartfield: The Sleeping Reichstag (1929); abgebildet in: Dawn Ades: Photomontage, London (Thames and Hudson Ltd.) 1976, S. 46. Abb. 11: John Heartfield: Durch Licht zur Nacht (1933); abgebildet in: Dawn Ades: Photomontage, London (Thames and Hudson Ltd.) 1976, S. 47. Abb. 12: Heartfield in ›Dada-yell‹-Pose (o. J.), Fotografie; abgebildet auf folgender Webseite; Rechte dem Eigentümer vorbehalten: http://davideubank.wordpress. com/2008/11/10/rodchenko-heartfield-fairey-the-vocabulary-of-change/. Abb. 13: Hausmann yelling in Heartfield’s ear (o. J.), Fotografie (Fotograf unbekannt); abgebildet in: Beth Irwin Lewis: »Grosz/Heartfield: The Artist as Social Critic«, in: Exhibition Catalogue: Grosz/Heartfield. The Artist as Social Critic, Minneapolis (University Gallery/University of Minnesota) 1980, o. S. Abb. 14: ›Dada Yell‹ at First International Dada Fair (1920), Fotografie (Fotograf unbekannt); abgebildet in: Beth Irwin Lewis: »Grosz/Heartfield: The Artist as Social Critic«, in: Exhibition Catalogue: Grosz/Heartfield. The Artist as Social Critic, Minneapolis (University Gallery/University of Minnesota) 1980, o. S.

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Walter Benjamins »Erfahrung und Armut«. Drei Lektüren Burkhardt Lindner Zweimal Erfahrungsarmut Detlev Schöttker Gedankensprung ins Nebulöse Helmut Lethen Cliffhanger der Unzeit. Drei Zeiten, drei Transformationen Abb. 1–6: Walter Benjamin: Typoskript-Durchschlag; Akademie der Künste, Berlin, Walter Benjamin Archiv 1056/1–6. Mit freundlicher Genehmigung des Walter Benjamin Archivs für den Abdruck dieser Abbildungen.

Zu den Autoren Tamar Avishai: MA Education: University of Toronto, Hon. BA, graduation 2005. MA Art History: Tufts University, graduation 2008. Adjunct lecturer, Museum of Fine Arts, Boston. Teaching Fellow, Harvard University. Research interests: 19th c. French Art, 20th c. Interwar German Art and Theory, and Post-Holocaust Representation. Publication: »Dispassionate Abstractions: Textual Materiality in Robert Smithon’s Language and Landscape«, in: Contrapposto: The University of Toronto Department of Art and Art History Journal (2005) 6, pp. 23–37. Stephanie Baumann: Dr. phil., Studium in Hamburg, Montpellier und Paris, 2011 Promotion in Germanistik an der Universität Tübingen und an der Universität Vincennes/Saint-Denis (Paris 8), seit 2003 DAAD-Lektorin an SciencesPo Paris, Wissenschaftliche Assistentin (ATER) an den Universitäten Paris 8 und Paris IV, zuletzt Postdoc-Stipendiatin der Fondation pour la Mémoire de la Shoah, Paris. Forschungsschwerpunkte: Theorie der Geschichte, Medientheorie, Exil. Publikationen: »Drei Briefe. Franz Rosenzweig an Siegfried Kracauer«, in: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte 63 (2011) 2, S. 166–176. Im Vorraum der Geschichte, Siegfried Kracauers History – The Last Things before the Last, Konstanz (Konstanz University Press) 2014. Jens Birkmeyer: Dr. phil., Germanist an der Universität Münster, Studium in Frankfurt a. M., Promotion 1992 an der Goethe-Universität Frankfurt a. M., seit 1995 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Germanistischen Institut der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Forschungsschwerpunkte: Literatur des 20./21. Jh., Literatur über den Holocaust, Medien der Erinnerungskultur, Bildungstheorie und Literaturdidaktik, Visualität. Publikationen u. a.: »Rettendes Erinnern. Die Ordnungen des Gedächtnisses im Werk Walter Benjamins«, in: Erinnerungsarbeit in Schule und Gesellschaft, hg. mit Thomas Kleinknecht/Ursula Reitemeyer, Münster (Waxmann) 2007, S. 35–55; »Die Aura der Kinderliteratur. Walter Benjamins vergessene Mahnung«, in: Mitteilungen des deutschen Germanistenverbandes 55 (2008) 1, S. 28–38; »Augen-Blicke und Einbildungen. Kritik der Achtsamkeit in Walter Benjamins ›Berliner Kindheit um neunzehnhundert‹«, in: Zeitschrift für kritische Theorie 18 (2012) 34/35, S. 104–125. Brian Britt: Professor and Chair of the Department of Religion and Culture at Virginia Tech, Ph. D. from the University of Chicago Divinity School in 1992. Research interests: the intersection of cultural theory and biblical studies, questions of modernity and tradition. Among his publications are: Walter

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ZU DEN AUTOREN

Benjamin and the Bible, New York (Continuum) 1996, »Göttliche Gewalt bei Benjamin und in der biblischen Erzählung«, in: Daniel Weidner (ed.): Profanes Leben. Walter Benjamins Dialektik der Säkularisierung, Berlin (Suhrkamp) 2010, pp. 263–286; »The Schmittian Messiah in Agamben’s ›The Time That Remains‹«, in: Critical Inquiry 36 (2010), pp. 262–287; Biblical Curses and the Displacement of Tradition, Sheffield (Sheffield Phoenix Press) 2011; forthcoming: Post-Secular Benjamin. Agency and Tradition. Heinz Brüggemann: Prof. em. Dr. Phil., Literaturwissenschaftler, Studium in Göttingen und Frankfurt a. M., 1973 Promotion an der Universität Bremen, 1978 Habilitation an der Universität Hannover, 1988–2008 Universitätsprofessor an der Universität Hannover. Forschungsschwerpunkte: Literatur- und Kulturgeschichte der Wahrnehmung (urbaner Raum, Bild, Medien; Kulturtheorie und Ästhetik der Moderne), Deutsche Romantik, Walter Benjamin. Publikationen u. a.: Architekturen des Augenblicks. Raum-Bilder und Bild-Räume einer urbanen Moderne in Literatur, Kunst und Architektur des 20. Jahrhunderts, Hannover (Offizin) 2002; Walter Benjamin über Spiel, Farbe und Phantasie, Würzburg (Königshausen & Neumann) 2007; Walter Benjamin und die romantische Moderne, hg. mit Günter Oesterle, Würzburg (Königshausen & Neumann) 2009; Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen. Formen und Funktionen von Pluralität in der ästhetischen Moderne, hg. mit Sabine Schneider, Paderborn (Fink) 2011; zahlreiche Aufsätze zu Walter Benjamin. Hyowon Cho: Master of Arts in German Studies at the Sungkyunkwan University in Seoul 2009, literary critic in South Korea and graduate student of German studies at New York University (NYU). Studies in Seoul and Baltimore. Research Interests: German-Jewish Literature, political theology, literary theory, and intellectual history of the turn of the century and the Weimar Republic. Among his publications: Broken Name(s). Walter Benjamin’s reading box, Seoul (Munhakdongne) 2013. Translated into Korean: Giorgio Agamben: Kindheit und Geschichte, Seoul (Saemulgyul) 2010, and Jacob Taube: Die Politische Theologie des Paulus, Seoul (Greenbee) 2012. Peter Fenves: Joan and Serepta Harrison Professor of Literature at Northwestern University, Evanston (USA), Professor of German, Comparative Literature Studies, Philosophy, and Judaism, studies at the Johns Hopkins University, Baltimore (USA), Visiting professorships at Johns Hopkins, Princeton, Harvard. Among his publications: Chatter: Language and History in Kierkegaard, Stanford (Calif.) (Stanford University Press) 1993; Arresting Language. From Benjamin to Leibniz, Stanford (Calif.) (Stanford University Press)

ZU DEN AUTOREN

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2001; Der späte Kant. Für ein anderes Gesetz der Erde, übers. v. Thomas Schestag, Göttingen (Wallstein) 2010; The Messianic Reduction. Walter Benjamin and the Shape of Time, Stanford (Calif.) (Stanford University Press) 2011. Ilit Ferber: Assistant Professor of Philosophy at Tel-Aviv University, Ph. D. in philosophy at Tel-Aviv University in 2008, Fulbright visiting student and research collaborator in Princeton (2004–2005), and post-doc scholar in Berlin (2009) and Chicago (2010). Research interests: Philosophy and Psychoanalysis, emotions and moods in philosophy, Jewish philosophy and continental philosophy of language. Among her publications: Philosophy and Melancholy. Benjamin’s Early Reflections on Theater and Language, Stanford (Calif.) (Stanford University Press) 2013; Philosophy’s Moods. The Affective Grounds of Thinking, ed. with Hagi Kenaan, Dordrecht (Springer) 2011; Lament in Jewish Thought. Philosophical, Theological and Literary Perspectives, ed. with Paula Schwebel, Berlin (De Gruyter) 2014. Rolf J. Goebel: Professor of German und Chair of the Dept. of Foreign Languages and Literatures an der University of Alabama in Huntsville (USA), Studium an der Brown University, der Universität Kiel und der University of Maryland (Promotion 1982). Forschungsgebiete: Klassische Moderne, insb. Walter Benjamin und Franz Kafka, Repräsentationen der Großstadt, insb. Berlin, Intermedialität und Medienkonkurrenz. Publikationen u. a.: Benjamin heute. Großstadtdiskurs, Postkolonialität und Flanerie zwischen den Kulturen, München (Iudicium) 2001; A Franz Kafka Encyclopedia, hg. mit Richard T. Gray/Ruth V. Gross/Clayton Koelb, Westport (Conn.) (Greenwood Press) 2005; A Companion to the Works of Walter Benjamin, Rochester (NY) (hg. bei Camden House) 2009; zahlreiche Aufsätze u. a. zu Walter Benjamin. Helmut Lethen: Seit Oktober 2007 Direktor des IFK Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften in Wien (ab 1. Januar 2015 Zentrum der Kunstuniversität Linz, Standort Wien). Studium der Literaturwissenschaft an den Universitäten Bonn, Amsterdam (GU) und an der Freien Universität Berlin (FU), Promotion 1970, Assistent an der FU, Associate Professor an der Universiteit Utrecht (NL), 1995–2004 Professur an der Universität Rostock. Gastprofessuren in Klagenfurt, Chicago, Los Angeles, Bloomington (Ind.), Linz und Luzern. Forschungsgebiete: Philosophische Anthropologie und Literatur (1910–1950), Theorien der Fotografie, Historische Avantgarden. Publikationen u. a.: Neue Sachlichkeit. Studien zum »weißen Sozialismus«, Stuttgart (Metzler) 1970; Verhaltenslehren der Kälte. Lebensversuche zwischen den Kriegen, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 1994; Der Sound der Väter. Gottfried Benn und

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ZU DEN AUTOREN

seine Zeit, Berlin (Rowohlt) 2006; Suche nach dem Handorakel. Ein Bericht, Göttingen (Wallstein) 2012; Der Schatten des Fotografen. Bilder und ihre Wirklichkeit (Rowohlt) 2014, prämiert mit dem Preis der Leipziger Buchmesse 2014 in der Sparte Sachbuch/Essayistik. Burkhardt Lindner: Professor em. für Neuere deutsche Literaturwissenschaft sowie für Geschichte und Ästhetik der Medien an der Goethe-Universität Frankfurt, Leiter der dortigen Benjamin-Arbeitsstelle, Sprecher des Graduiertenkollegs »Zeiterfahrung und ästhetische Wahrnehmung« (1998–2007). Zahlreiche Publikationen u. a. zu Jean Paul, Bertolt Brecht, Peter Weiss, Theodor W. Adorno, zur Rezeptionsgeschichte des Holocaust, zur Ästhetik und Medientheorie, zur Psychoanalyse sowie zu Walter Benjamin: Walter Benjamin – Text + Kritik, Zeitschrift für Literatur 31/32 (hg. 1971); Benjamin-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung, Stuttgart (hg. bei Metzler) 2006/2011; Walter Benjamin: »Träume«, Frankfurt a. M. (hg. bei Suhrkamp) 2008. Im Rahmen der kritischen Gesamtausgabe von Walter Benjamin: Werke und Nachlass edierte er Band 16: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, Berlin (Suhrkamp) 2013, in Vorbereitung ist der Band Berliner Kindheit um neunzehnhundert. Sein Einleitungsvortrag auf dem Benjaminkongress »Über den Begriff der Geschichte/Geschichte schreiben« (Dez. 2013) sowie Alexander Kluges Gespräch mit ihm über die »Passagenarbeit« ist abrufbar unter: www.faust-kultur.de. Vivian Liska: Professorin für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Antwerpen und Direktorin des Instituts für Jüdische Studien an der Universität Antwerpen, Studium an der NYU, der University of Maryland und der Universität Antwerpen. Gastprofessuren an der KU Leuven, der Universität Köln und der NYU. Distinguished Visiting Professor an der Hebrew University, Jerusalem. Forschungsschwerpunkte: Deutsche Literatur des 20. Jahrhunderts, Deutsch-jüdisches Denken und Literaturtheorie. Publikationen u. a.: Modernism, hg. mit Astradur Eysteinsson, Amsterdam/ Philadelphia (John Benjamins) 2008; Giorgio Agambens leerer Messianismus, Wien (Schlebrügge) 2008; When Kafka Says We. Uncommon Communities in German Jewish Literature, Bloomington (Ind.) (Indiana University Press) 2009; What Does the Veil Know?, hg. mit Eva Meyer, Wien/New York (Springer) 2009; Fremde Gemeinschaft. Deutsch-jüdische Literatur der Moderne, Göttingen (Wallstein) 2011. Stefano Marchesoni: Dr. phil., Studium der Philosophie und der Erziehungswissenschaft in Mailand und Heidelberg, 2013 Promotion in Berlin und Trient (Italien). Seit 1998 Gymnasiallehrer in Mailand, seit 2012 Lehrbeauftragter an

ZU DEN AUTOREN

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der Universität zu Trient. Arbeitsschwerpunkte: Deutsch-jüdisches Denken des 20. Jahrhunderts, Poststrukturalismus in Frankreich, Gedächtnistheorie und Ästhetik. Publikationen: Dispositivi e affetti. Le passioni tristi tra etica e pedagogia, Mitautor: Agostini, Mailand (Mimesis) 2005; Walter Benjamins Konzept des Eingedenkens (in Vorbereitung). Andrea Pinotti: Professor for Aesthetics at the University Milano, »Directeur de Programme« at the CIPH (Collège International de Philosophie, Paris), studies in Milano and Munich, Ph. D. 1998, fellowships in New York (Columbia), Paris (EHESS), London (Warburg Institute), Berlin (ZfL). Visiting Professor in Paris and Lyon. Research interests: Aesthetics, History of Art, Iconology, Narratology, Theories of Empathy. His publications include: Piccola storia della lontananza. Walter Benjamin storico della percezione, Mailand (Edizioni Libreria Cortina) 1999; Empatia. Storia di un’idea da Platone al postumano, Rom et al. (Laterza) 2011; Walter Benjamin: Aura e choc. Saggi sulla teoria dei media, ed. with Antonio Somaini, Turin (Einaudi) 2012; Une ressemblance différente. Essais de morphologie de l’ image, Paris (Mimesis) 2014. Björn Quiring: Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Peter Szondi-Institut der Freien Universität Berlin und in der Forschergruppe »Natur in politischen Ordnungsentwürfen. Antike – Mittelalter – Frühe Neuzeit« an der LudwigMaximilians-Universität München. Studium in Berlin, Paris und New York, 2007 Promotion an der Europa-Universität Viadrina, Frankfurt/Oder. Publikationen u. a.: Shakespeares Fluch. Die Aporien ritueller Exklusion im Königsdrama der englischen Renaissance, Paderborn (Fink) 2009, Übers. London/New York (Routledge) 2014; Abyssus Intellectualis. Spekulativer Horror, hg. mit Armen Avanessian, Berlin (Merve) 2013; »If Then The World A Theatre Present«. Revisions of the Theatrum Mundi Metaphor in Early Modern England, Berlin/New York (hg. bei De Gruyter) 2014. Sabine Schiller-Lerg: Publizistin und Kommunikationsberaterin, Schauspiel und Dramaturgiestudium in Salzburg (Diplom), Literatur- und Mediengeschichte in Karlsruhe (Promotion). Arbeitsschwerpunkte: Literatur und Medien, Programmgeschichte, Medienkommunikation. Publikationen u. a.: Literatur im Rundfunkprogramm. Ein Modellversuch zur Frühgeschichte des literarischen Programms der »Funk-Stunde« Berlin, 1925–1930, Mitautor: Arnulf Kutsch, Berlin (Spiess) 1975; Walter Benjamin und der Rundfunk. Programmarbeit zwischen Theorie und Praxis, München (Saur) 1984; »Ernst Schoen, 1894–1960. Ein Freund überlebt. Erste biographische Einblicke in seinen Nachlass«, in: Klaus Garber/ Ludger Rehm (Hg.): Global Benjamin, München (Fink) 1999, S. 982–1013.

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Detlev Schöttker: Professor für Neuere deutsche Literatur an der TU Dresden, Studium in Braunschweig, 1987 Promotion in Kiel, 1996 Habilitation in Stuttgart, Gastprofessuren in Wien, Rio de Janeiro und Bielefeld. Arbeitsschwerpunkte: Literarische Chronistik, Architektur und Literatur, Mediengeschichte, Ernst Jünger. Publikationen zu Benjamin: Konstruktiver Fragmentarismus. Form und Rezeption der Schriften Walter Benjamins, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 1999; Walter Benjamin: Medienästhetische Schriften, Frankfurt a. M. (hg. bei Suhrkamp) 2002; Schrift Bilder Denken. Walter Benjamin und die Künste, Frankfurt a. M. (hg. bei Suhrkamp) 2004; Arendt und Benjamin. Texte, Briefe, Dokumente, hg. mit Erdmut Wizisla, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 2006; Kommentar zu Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 2007. Im Rahmen der kritischen Gesamtausgabe von Walter Benjamin: Werke und Nachlass edierte er zusammen mit Steffen Haug Band 8: Einbahnstraße, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 2009.