Beiträge zur Geschichte von Lesbos im vierten Jahrhundert v. Chr. [Reprint 2021 ed.] 9783112513804, 9783112513798

135 36 4MB

German Pages 26 [52] Year 1914

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Beiträge zur Geschichte von Lesbos im vierten Jahrhundert v. Chr. [Reprint 2021 ed.]
 9783112513804, 9783112513798

Citation preview

BEITRÄGE ZUR GESCHICHTE V0]\ LESBOS IM VIERTEIN JAHRHUNDERT V.CHR VON

DR. HANS PISTORIUS

Beiträge zur Geschichte von Lesbos im vierten Jahrhundert v. Chr.

Inaugural-Dissertation der

Hohen Philosophischen Fakultät der Universität Jena zur

E r l a n g u n g der Doktorwürde vorgelegt von

Hans Pistorius aus Ebersbach.

Druck von Anton K ä m p f e in Jena. 1913.

Genehmigt von der philosophischen Fakultät der Universität Jena auf Antrag des Herrn Professor Dr. J u d e i c h . J e n a , den 7. Dezember 1912.

Professor Dr. M. Wien d. Zt. Dekan.

Mit Erlaubnis der hohen philosophischen Fakultät der Universität Jena wird hier nur ein Teildruck der als Inauguraldissertation eingereichten Abhandlung „Beiträge zur Geschichte von Lesbos im vierten Jahrhundert v. Chr." veröffentlicht. Das Ganze erscheint gleichzeitig als Heft 5 der Jenaer historischen Arbeiten, herausgegeben von A. C a r t e l l i e r i und W. J u d e i c h in A. M a r c u s und E. Weberg. V e r l a g in Bonn.

Inhalt. Saite

Einleitung Erstes Kapitel: Lesbos u n t e r s p a r t a n i s c h e r O b e r h o h e i t (411—394) Zweites Kapitel: Von der S c h l a c h t bei Knidos bis zum F r i e d e n des A n t a l k i d a s (394—386) Drittes Kapitel: Lesbos im zweiten a t h e n i s c h e n Seebund (386—350) Viertes Kapitel: Die T y r a n n i s in Lesbos (347—332) . . . . Fünftes Kapitel: Lesbos in der A l e x a n d e r m o n a r c h i e (331 bis 301) Rückblick A n h a n g I: Exkurse I. Die Chronologie der letzten Züge Lysanders . . . . II. Peisandros' Nauarchie III. Der kononische Bund IV. Die Reihenfolge des Eintritts der sechs Gründungsstädte in den Seebund V. I. G. II, 1. add. 52c VI. Die Orontesurkunde und Demosthenes' Rhodierrede • VII. Die Chronologie der eresischen Tyrannis VIII. Alexander und die kleinasiatischen Griechenstädte • A n h a n g I I : Zur Epigraphik von Lesbos Zeittafel Register

9 12 20 34 51 76 92 96 96 101 102 112 114 116 120 123 135 162 166



34



Drittes Kapitel.

Lesbos im zweiten athenischen Seebund (886—350). 12. Durch den Frieden des Antalkidas war Athen die Möglichkeit genommen, eine auf Untertänigkeit beruhende Symmachie zu schaffen 1 ). Die Ansätze, welche die Tätigkeit Konons und Thrasybuls dazu gemacht hatte, wurden durch das Prinzip der Autonomie, das Athen notgedrungen hatte anerkennen müssen, wieder vernichtet. Auch Sparta war natürlich genötigt, seine Besatzungen aus den Städten und Inseln, die es noch außerhalb des Peloponnes besaß, zurückzuziehen. Das wird nicht selten einen Sturz der spartanerfreundlichen Partei zur Folge gehabt haben. Sicher können wir einen solchen Parteiwechsel wohl in Methymna vermuten, das ja bisher dank seiner spartanischen Besatzung allen Versuchen Athens getrotzt hatte, bald nach dem Frieden aber ein Bündnis mit Athen abschloß (s. u.). Doch die kleinasiatischen Inselgriechen konnten der neuerrungenen Freiheit nicht recht froh werden. Stets hatten sie zu befürchten, durch den Großkönig selbst oder einzelne seiner Satrapen das Schicksal der kleinasiatischen Festlandsgriechen teilen zu müssen. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich dagegen einen Rückhalt im Mutterlande zu suchen. Und dafür konnte nur Athen in Betracht kommen 2 ). Freilich, an die Gründung eines neuen Seebundes war vorerst nicht zu denken; die Gegner würden sofort eine Verletzung der verbürgten Autonomie dahinter gewittert haben. Aber zu einer auf vollkommene Gleichberechtigung gegründeten Bündnispolitik ließen j a die Worte des Friedensinstrumentes 3 ) einen gewissen Spielraum. Und diesen Weg 2 3

ftixpas

Poehlmann, Grundriß ) Judeich S. 263—265. ) Xenophon, xai fityaXag

Hell. V , avtovoftov;

S. 189. 1 , 3 1 : rat ätpiTvai.

de aklag

'EXXijvldas nökcit

xac

— 35

-

zögerte Athen nicht, zu beschreiten. Eine Anzahl von Sonderbündnissen mit einzelnen Städten wurde abgeschlossen. Erhalten ist uns ein derartiges Bündnis in dem Vertrage mit Chios (Mitte 386), wo unter ausdrücklicher, ja aufdringlicher Berufung auf die Bestimmungen des antalkidischen Friedens ein Verteidigungsbund vereinbart wirdx). Ein gleiches Bündnis läßt sich voraussetzen für Mytilene, Methymna, Rhodos, Byzanz, Theben, da sie ja zu den Gründern des zweiten athenischen Seebundes, der eben auf diesen Einzelbündnissen beruht2), gehören3). Für Byzanz, Theben, Mytilene und Methymna folgt es auch daraus, daß in den bei der Gründung des Seebundes abgeschlossenen Verträgen sich Hinweise auf die früheren Abmachungen finden 4 ). Die zeitliche Folge der Sonderbündnisse ist nicht mehr genau festzustellen. Als das erste wird das mit Chios zu ') Ditt. Syll. »75 = y. Scala Nr. 122, publiziert durch ü . Koehler, Athen. Mitt. I I (1877) S. 138—142; vgl. Isokrates Plat. (XIV) 28. *) E. Szanto, Athen. Mitt. X V I (1891), S. 30. 3 ) Diese Städte sind im Verzeichnis der Bundesgenossen (I. G. II, 17) von erster Hand eingetragen, s. Koehlers adn.; betreffs Thebens vgl. Fabricius, Rhein. Mus. 46 (1891), S. 595ff.; Gött. Gel. Apz. 1893, S. 932, bestätigt von Beloch II, 8. 240 A 1; Lipsius, Berichte der sächs. Gesellschaft d. W. 50 (1898), S. 150. 4 ) I. G. II, 19, Z. 1,2. I. G. II, 18, Z. 16/7. I. G. II, 5 n. 18b, Z. 4—6. Für Byzanz und Mytilene vgl. auch Isokrates, Plat. (XIV) 28. Die W o r t e dieser Stelle: xai XToi fiiv xal MvrtXr/vaToi xal

Bv£avziot

ovfimtQefitivav hat Busolt S. 677—679, wie ich glaube, mit Unrecht so stark angegriffen. Freilich sind die Erklärungen von Schaefer de sociis Atheniensium etc. 1856, S. 7; Demosth. 1 2 , S. 27; Hoeck de rebus etc. 1876, S. X V I I I und Anm. 3; v. Stern S. 71 A. 1; Gilbert, Handbuch d. griech. Staatsaltert. 1 8 (1893), S. 491 A. 3 verfehlt. Vielmehr sind jene Worte so zu verstehen. Da der Vertrag mit Chios bereits Mitte 386 abgeschlossen wurde und es durchaus möglich ist, daß Byzanz und Mytilene sehr bald folgten, also das Bundesverhältnis nur einen Zeitraum von wenigen Monaten dem Namen nach gelöst war, konnte es leicht geschehen, daß dem Isokrates in dem 373 abgefaßten Plataikos das Bundesverhältnis auch formell als ununterbrochen erschien: daher schreibt er

avfistage/iiivav.

3*



36



betrachten sein (Mitte 386), das wohl als Muster für die folgenden gedient hat 1 ). Das letzte war das mit Theben (378®)). Dazwischen liegen Mytilene, Byzanz, Methymna, Rhodos. Die ersten beiden gehören vielleicht auch in das Jahr 386 3 ). Der Vertrag mit Methymna fällt wahrscheinlich etwas später, da ja Sparta seine Besatzung erst zurückziehen mußte, ehe sich der Umschwung zugunsten Athens vollziehen konnte *). Nicht festzustellen ist die Zeit des Abschlusses mit Rhodos5). 13. Die folgenden Jahre vergingen für Lesbos anscheinend ohne größere Störungen, wenigstens erfahren wir über die Geschicke der Insel nichts. Als aber Frühjahr 378 der Spartaner Sphodrias mitten im Frieden den Peiraieus zu überfallen gesucht hatte und dieser offene Friedensbruch obendrein durch seine Freisprechung in Sparta gutgeheißen worden war 6 ), da raffte sich Athen auf und schritt zur Gründung eines neuen Seebundes7). Im Winter 378/7 stellte es im Verein mit den Städten, mit denen es bereits Sonderbündnisse abgeschlossen hatte, das Programm des neuen Bundes Ähnlich wie später; vgl. I. G. II, 17, Z. 24; I. G. II, 19, Z. 7. ) Xenophon, Hell. V, 4,34. Diodor X V , 29, 6. 7. Plutarch, Pelop. 15,1. v. Stern, S. 70. E. Meyer V, § 927, 8. 379. 8 ) Vgl. S. 35 A. 4 und Scala S. 118. *) Daß Isokrates a. a. O. Methymna nicht nennt, kann natürlich nicht für die Zeitbestimmung verwandt werden, weil bei Methymna der Tatbestand anders liegt und das Verhältnis zu dieser Stadt nicht als Vorwurf gegen Theben ausgebeutet werden konnte. Indirekt ergibt sich aus Isokrates, a. a. O., daß er nach dem Abschluß mit Mytilene und Byzanz erfolgt. Beloch II, S. 238 A 1 nimmt an: nach 379, doch ist sein Argument hinfällig, vgl. Anh. I, Exkurs III. 6 ) Xenophon, Hell. V, 4,20—33. Diodor X V , 29,5. Plutarch, Ages. 24,3—6. Pelop. 14,2—3. ') Ganz mit Recht nennt ihn Beloch II, S. 239 den dritten, doch habe ich aus praktischen Bücksichten die Bezeichnung „zweiter" bei-' behalten. 2



37



auf1), von dem uns in einem Psephisma von Athen aus dem März 377 2 ) die Hauptbestimmungen erhalten sind3). Unter den Gründern befanden sich neben Chios, Rhodos, Byzanz und Theben auch zwei lesbische Städte, nämlich Mytilene und Methymna4). Der Seebund beruhte auf der Grundlage des Königsfriedens5), verbürgte seinen Mitgliedern Freiheit und Selbständigkeit6) und bildete eine Defensivallianz gegenüber Sparta 7 ). Die oberste Behörde war ein Bundesrat 8 ), dem Athen selbständig gegenüber stand. Vorort und Sitz des Synedrions, das sich aus Delegierten eines jeden Bundesstaates zusammensetzte, war Athen 9 ). In Kriegszeiten wurden von den Mitgliedern Beiträge (ovvrdl-eis), die aus Geld bestanden, verlangt Zu dieser Leistung waren alle Bundesstaaten verpflichtet10). So hat auch Mytilene Geldbeiträge und gelegentlich Naturalien geliefert 11 ), erst recht natürlich die kleineren Orte der Insel. Von der Art und Weise, wie sich die Aufnahme der einzelnen Städte in den Bund vollzog, gewinnt man ein Bild ') Diodor XV, 28,4. Daß es eine eigentliche Bundesakte gegeben hat, ist zu bezweifeln, vgl. Stern S. 71; Swoboda, Rhein. Mus. 49 (1894), 8. 341; Lipsius 8. 148. Jedenfalls muß aber ein allgemeines Programm entworfen worden sein, das dann in den einzelnen Bündnisverträgen, als deren Muster vor allem der mit Chios erscheint, seinen schriftlichen Ausdruck fand. 2 ) I. G. II, 17 = Michel Recueil 86 = Scala 138 = Ditt. Syll. «, 80. Von den Fragen, die sich an diesen Bund knüpfen, greife ich nur das heraus, was in näherer Beziehung zu Lesbos steht. 4 ) I. G. II, 17, Z. 80/1; vgl. Anh. I, Exkurs I V : Die Reihenfolge des Eintritts der sechs Gründungsstädte in den zweiten Seebund. ') I. G. II, 17, Z. 18. e ) Z. 19—25. ') Z. 9—14. 8 ) To xoivov ovvsSptoy imv ovfiftdxcov. 9 ) Diodor XV, 28,3—4. 10 ) I. G. II, 17, Z. 24; vgl. mit Isokrates Fried. (VIII), 36; s. Busolt S. 703—706. ") Ps. Demosthenes Polykl. (50), 53; I. G. II, 108 b 13; I. G. II, 109, Z. 13.

-

38



aus der schon öfters zitierten Bündnisurkunde Von Methymna (I. G. II, 5. n. 18 b). Zunächst schickte die betreffende Stadt eine Gesandtschaft nach Athen und bat um Aufnahme (Z. 4—8). War dies geschehen, wurde der Name der Stadt in das Verzeichnis der Bundesgenossen eingetragen (Z. 8—11). Darauf wurden drei Eide geleistet. Zuerst schwur die Gesandtschaft der Stadt den Bundeseid, wie er erhalten ist in dem Bündnis mit Kerkyra 1 ), vor dem Synedrion der Bundesgenossen, den athenischen Strategen und Hipparchen (Z. 11—16). Dann leisteten diese Behörden den entsprechenden Eid (Z. 16—19) 2 ). Schließlich wurde eine Ratifikationsgesandtschaft abgeschickt, bestehend aus einem Athener 8 ) und dem Synedrion auf den Schiffen, einer besonderen Kommission, die zur Zeit der Gründung des Bundes eingesetzt wurde 4 ), um den Behörden der neu hinzutretenden Stadt den Eid abzunehmen (Z. 19—22). Damit war die Stadt endgültig in den Seebund aufgenommen. 14. In der Folgezeit erweiterte sich der Seebund immer mehr. Namentlich brachte Chabrias durch seinen Seesieg bei Naxos am 16. Boedromion (9. Oktober) 376 die Kykladen wieder zum Anschluß an Athen 5 ). Neue Erfolge zeitigte seine Ausfahrt an die thrakische Küste im Frühjahr 375. Damals befreite er Abdera von der Triballergefahr«) und gliederte wiederum zahlreiche Städte dem Bunde an 7 ). Unter ihnen befanden sich auch zwei lesbische, Antissa und Eresos, die ') I. G. II, 5 n. 49 b. = Scala 143 B. Z. 27—38, publiziert von Foucart, Bull, de corr. hell. X I I I (1889), S. 354. *) Vgl. in dem eben genannten Vertrag mit Kerkyra Z. 16—26. s ) Bei der Aufnahme der Methymnäer ist es Aisimos; vgl. Mylonaa, Bull, de corr. hell. X I I (1888), S. 141. 4 ) Judeich S. 269. ») I. G. II, J 7,84—88; vgl. Plutarch, Phok. 7 , 1 ; Demosthenes, Lept. (XX), 77; Timokr. (XXIV), 180. 6) Diodor X V , 36,1—4. Aeneas Takt. 15, 8. 9. Schol. zu Aristides Panath. p. 172, 7 D. ') Buaolt S. 767.



39



nun ebenfalls in der Liste der Bundesgenossen erscheinen1). Somit ist bis zu diesem Zeitpunkt von den lesbischen Städten nur Pyrrha dem Bunde noch nicht beigetreten. Das Verzeichnis der Bundesgenossen schließt mit den Zakynthiern, die im Jahre 374 hinzukommen. E s endet also rund mit dem Frieden zu Sparta im Sommer 374. Da Fabricius in die ausgekratzte Stelle ( I . G . I I , 17b, 15) zweifellos richtig den Namen Iasons von Pherai eingesetzt hat 2 ) und Pyrrha hier keineswegs in Frage kommen kann, ist Sommer 3 7 4 für den Eintritt dieser Stadt die obere Grenze. Die untere ergibt sich aus I. G. II, 1 add. 5 2 c = Ditt. Syll.2 91 3 ). Hier werden die Pyrrhäer Z. 29 unter den Bundesgenossen aufgeführt. Der beste Zeitpunkt für den Anschluß von Pyrrha liegt nun, wie ich glaube, in der Fahrt, die Timotheos im April 373 unternahm4). Mit 60 Schiffen sollte er den Kerkyräern Hilfe bringen. E r segelte jedoch erst in die thrakischen Gewässer und bewog viele Städte zum Eintritt in die Bundesgenossenschaft5). Darunter wird sich auch Pyrrha befunden haben. Dieser Zeitpunkt scheint mir allein in Betracht zu kommen, denn das Kommando des Iphikrates in Makedonien von 368 an 6 ) ist wohl wegen des oben erwähnten 1)

I. Q. I I , 17 b, 2 0 / 1 .

Die Zeit hat Busolt S. 761. 767

bestimmt gegen Schaefer, de sociis Atheniensium etc., S. 1 7 / 8 .

richtig

Demosth.

I S . 58. Die Zweifel Sterns S. 8 5 / 6 scheinen mir nicht berechtigt zu sein. 2)

Fabricius, Rhein. Mus. 4 6 (1891), S. 5 8 9 — 5 9 5 .

Die Vermutung

Zingerles (Eranos Vindobonensis 1893, S. 365—371), in der Rasur habe gestanden, ist verfehlt.

Näljtoi 3)

V o m Februar 367, vgl. Dittenberger adn. 2.

Auf diese Grenzen

hat schon Hoecfe, N . J a h r b . f. Phil. 117 (1878), S. 4 7 4 A 3 hingewiesen, er glaubte aber einen genaueren Zeitpunkt nicht feststellen zu können. 4)

Ps. Demosthenes Timoth. (49), 6.

6)

Diodor X V , 4 7 , 2 .

Busolt S. 762 ff. hat diese F a h r t des Timo-

theos nach Thrakien überhaupt bestritten. Das hat Hoeck, de rebus etc., S. X X I I I / I V ,

widerlegt.

Schaefer, Demosth.

I 2 , S. 5 8 / 9 bringt mit

ihr den Anschluß der Kykladen sowie Antissa, Eresos usw. in Verbindung.

Das erledigt sich durch die obigen Ausführungen. 6)

149.

Aischines Trugges (II), 2 6 — 2 9 .

Cornelius Nepos Iphikr. 3 , 2 .

Demosthenes Aristokr. ( X X I I I ) ,



40



Dekrets ausgeschlossen. Höchstens könnte man noch an den Plünderungszug auf Samos denken, den Iphikrates vielleicht im Jahre 369/8 unternahm1); aber auch dieser Zeitpunkt ist schon zu spät2). 15. Der Frieden !von Sparta im Sommer 374 bedeutete für Athen einen großen Erfolg; denn er brachte auf der Basis des Königsfriedens die offizielle Anerkennung der neugegründeten Symmachie3). Er war nicht von langer Dauer; schon auf der Rückfahrt aus dem ionischen Meer durchbrach ihn Timotheos durch die Angliederung von Zakynthos an den Seebund. Da er aber auf seinem Feldzug im Jahre 373 nichts ausrichtete, klagten ihn Iphikrates und Kallistratos im November 373 an. Er wurde zwar freigesprochen, jedoch seines Amtes entsetzt4). Daher trat er im Frühjahr 372 in die Dienste des Großkönigs gegen Ägypten8) und griff erst im Jahre 366 wieder in die athenische Politik ein6). In die Zwischenzeit fällt wohl ein längerer Aufenthalt in Lesbos7). Aus den Jahren 369/8 und 368/7 sind uns zwei Ehrendekrete für die Mytilenäer erhalten8), von denen das zweite (Z. 1—34 der Inschrift) wahrscheinlich aus dem Februar r

) Polyaen III, 9,36. Judeich S. 271. ') In die Nähe von Lesbos kam Iphikrates wohl auf beiden Feldzügen nicht; vgl. außerdem Anh. I, Exkurs V: I. G. II, 1, add. 52c. 8 ) Isokrates Antidos (XV), 109. 110. Diodor XV, 38, 2—4. Cornelius Nepos Timoth. 2,2; vgl. Eusebius, Ol. 101,1 = Abr. 1641 ed. A. Schoene. ") Ps. Demosthenes Timoth. (49), 9. 10.22. Xenophon, Hell. VI, 2,13. Diodor XV, 47,3, der ihn unrichtig den Befehl wieder übernehmen läßt. 6 ) Ps. Demosthenes Timoth. (49), 3. 25. 28. «) Demosthenes Bhod. (XV), 9. Aristokr. (XXIII), 202. Isaios, Philokt. (VI), 27. Cornelius Nepos Timoth. 1,3. 7 ) Cornelius Nepos Chabrias 3, 4. Athenaeus XII, p. 532 b; beide aus Theopomp. E. Meyer V, § 922 A, S. 403. Ob man mit E. Meyer auch Isokrates, Ep. 8,8, hierher ziehen darf, ist nicht sicher. 8 ) I. G. II, 1, add. 52 c = Michel 89 = Ditt. SylL', 91; vgl. Szanto, Athen. Mitt XIV (1889), S. 147/8.

-

41



367 stammt 1 ). Die Mytilenäer werden belobt, weil sie in dem vergangenen Kriege wacker im Interesse der Freiheit der Griechen gekämpft haben (Z. 38—40). Wichtiges historisches Material bringt der Wortlaut der Inschrift an sich nicht, doch lassen sich vielleicht manche indirekte Schlüsse daraus ziehen (vgl. Anh. I, Exkurs V: I. G. II, 1, add. 52 c). Wir können ferner feststellen, daß damals mehrfach Gesandtschaften zwischen Athen und Lesbos hin- und hergingen 2 ) und daß Synedroi von Mytilene und solche von Methymna, Antissa, Eresos und Pyrrha in Athen anwesend waren3). Ende 367 oder Anfang 366 erhob sich Ariobarzanes, der Satrap des hellespontischen Phrygiens, gegen den alten König Artaxerxes II 4 ), nachdem er auf dem Kongreß zu Delphi im Frühjahr oder Sommer 368 durch seinen Vertrauten Philiskos von Abydos die Hilfe der Spartaner und Athener zu gewinnen gesucht hatte 5 ). Beide Städte leisteten sie nunmehr um so bereitwilliger, als sie inzwischen bei den Friedensverhandlungen in Susa, Sommer 367, hinter den Gesandten der Thebaner unter Pelopidas und Ismenias in kränkender Weise zurückgesetzt worden waren 8 ). Auf die Wendung der athenischen Politik hatte vielleicht bereits eine Gesandtschaft *) Dittenberger, a. a. O. adn. 2. ') Z. 8,21/2, 31—33. 3 ) Z. 28/9. Über den Plural avvedgot vgl. Hoeck, Neue Jahrb. f. Phil. 117 (1878), S. 474/5. Hermes X I V (1879), S. 120. Lenz, Das Synedrion der Bundesgenossen 1880, S. 7. Über die Erwähnung der Pyrrhäer s. § 14. 4 ) Demosthenes Rhod. (XV), 9. Diodor X V , 9 0 , 1 ; vgl. Xenophon, Hell. V I I , 1 , 3 7 ; Cornelius Nepos Datam. 5 , 6 . 5 ) Xenophon, Hell. V I I , 1,27. Diodor XV, 7 0 , 2 ; vgl. I. G. II, 51 = Ditt. Syll. 2 , 89, Z. 10/1. Gegen den Versuch Nieses Hermes 89 (1904), S. 88 ff., die Ereignisse entgegen der herrschenden Chronologie ein Jahr herabzurücken, den Kongreß zu Delphi also in das Frühjahr 367 zu legen, vgl. mit Recht Lohse S. 83 ff. e ) Xenophon, Hell. V I I , 1,33—38. Plutarch, Pelop. 30,3—5. Artox. 22, 3—6. Cornelius Nepos Pelop. 4, 3; vgl. Demosthenes Trugges. ( X I X ) , 137, 191. Aelian v. h. I, 21.



42



der Athener nach Mytilene im Jahre 3 6 8 vorbereitet 1 ). Timotheos 2 ) und Agesilaos 9 ) gingen nach Asien ab, ersterer allerdings mit dem Auftrage, die bestehenden Verträge mit dem Großkönig nicht zu verletzen. A n den nun stattfindenden Kämpfen 4 ) war natürlich auch Lesbos beteiligt; freilich kann man nicht mehr feststellen, in welchem Umfange. Mytilene war vielleicht sogar anfangs zum Stützpunkt der Operationen d e s Timotheos ausersehen 5 ). ») I. G. II, 1, add. 52 c = Ditt. Syll. 2, 91, Z. 8.31—33; vgl. Anh. I, Exkurs V. а ) Demosthenes Rhod. (XV), 9. Cornelius Nepos Timoth. 1, 3. 3 ) Xenophon, Ages. 2,26. Cornelius Nepos Tim. 1,3. Ages. 7,2; vgl. Isokrates Arch. (VI), 63. 4 ) Über das einzelne vgl. Schaefer, Demosth. I 2 , S. 97—100. Judeich S. 199—203. E. Meyer V, § 965, S. 456—458. б ) Isaios IX, 1.14. Diese Isaiosstellen, die berichten, daß Astyphilos auf einem Feldzug nach Mytilene gestorben sei, in den historischen Zusammenhang einzureihen, ist schwierig. Verschiedene Gelehrte haben sie auf den Zug Thrasybuls (389/8) bezogen; vgl. Frohberger, Philologus XVII, S. 442 A, 26; Judeich S. 96. Doch hat Blass darauf hingewiesen (Att. Bereds. II', S. 561; vgl. Kirchner bei P. W. s.v. Astyphilos Bd. II, Sp. 1876), daß unter dem „ganzen thebanischen Krieg'1 kaum der korinthische, sondern der Krieg von 378—371 zu verstehen sei. Außerdem erscheint wohl derselbe Astyphilos noch im Winter 378/7 als Antragsteller in dem Bündnis mit Methymna (I. G. II, 5 n. 18 b, 3). Es fragt sich, was mit f\ sie T>]V Mvztlrjvrjv Organa gemeint ist. Die Präposition sis, die an beiden Stellen gebraucht wird, zeigt, daß es sich nicht um einen Krieg gegen Mytilene handelt. Auszuscheiden sind wohl der angenommene Plünderungszug des Iphikrates auf Samos 369/8, da Lesbos kaum berührt worden ist, und der Bundesgenossenkrieg, weil Astyphilos alsdann reichlich alt für einen Kriegszug gewesen sein müßte. Am besten scheint mir daher der oben vermutete Zeitpunkt zu passen, zumal auch für den voraussichtlichen Feldzugsplan des Timotheos die Lage von Mytilene sich außerordentlich gut zur Operationsbasis eignete. Man könnte vielleicht auch an den Feldzug des Timotheos im Jahre 364 denken, doch wird sich ein Zeitpunkt, der näher an 371 heranliegt, mehr empfehlen. Ist so die Isaiosstelle richtig bezogen, so gewinnen wir dadurch einen genaueren Ansatz für die neunte Rede des Isaios, die Thalheim (Scheibe-Thalheim, Ausg. 1903, praef. S. XXXV) aus diesem Grunde nicht vor 368 legt, nämlich nach 366.

-

48

-

Der Aufstand des Ariobarzanes zeitigte keinen dauernden Erfolg. Wohl im Jahre 363 wurde der Satrap durch seinen eigenen Sohn Mithradates dem Großkönig ausgeliefert und ans Kreuz geschlagen1). Um dieselbe Zeit ermordeten zwei Lampsakener, Thersagoras und Exekestos, die dadurch ihre Vaterstadt von der Tyrannis befreien wollten, auch seinen treuen Anhänger Philiskos von Abydos. Die Mörder gingen nach Lesbos, wo ihnen Demosthenes durch den Hinweis auf Harmodios und Aristogeiton eine sichere Freistatt zu erwirken suchte2). 16. Der Versuch des Epameinondas im Jahre 3643), Theben auch zur See eine mächtige Stellung zu schaffen, berührte Lesbos nicht. In den folgenden Jahren (363—359) waren verschiedene athenische Feldherrn am Hellespont tätig: Ergophilos 4 ), Autokles, Menon 5 ), Timomachos6), Theotimos7), Kephisodot s ). Als Hauptoperationsbasis dienten den Athenern Sestos und Lampsakos9). Auch Tenedos und Mytilene, das Proviant lieferte, hielten treu zu Athen 10 ). Trotzdem richteten die athenischen Feldherrn nichts aus; ja Sestos wurde durch Kotys von Abydos aus genommen, Krithote und Elaius, die ') Harpokration s. v. 'AQtoßagZdvt];. Xenophon, Kyrup. VIII, Aristoteles Polit. V, 8,15, p. 1312 a. 2 ) Demosthenes Aristokr. (XXIII), 142/43. Der Artikel Exekestos fehlt bei P. W. 3 ) Das Jahr 364, nicht 363, hat nachgewiesen Koehler, Hermes XXIV (1889), S. 638. 4 ) Demosthenes, Trugges. (XIX) 180. Aristokr. (XXIII) 104. Aristoteles, Ehet. II, 3, p. 1380 b. 6 ) Ps. Demosthenes, Polykl. (50) 12. 6 ) Ib. 14. ') Hypereides, Euxen. (III) 1 col. XVIII Bl.3; vgl. Demosthenes, Aristokr. (XXIII) 158. 8 ) Scholion zu Aischines Ktes. (III) 51; vgl. Demosthenes, a. a. O. 156, 163; siehe die Strategenliste bei Beloch, Att. Pol. S. 297, vgl. 318/9; nur fehlt Theotimos. 9 ) Ps. Demosthenes, Polykl. (50) 18 ff. ,0 ) Ib. 53.

8,4.

-

44



letzten Stützpunkte Athens am Hellespont b e l a g e r t Ü b e r a l l faßte der thrakische König festen Fuß auf der Chersonness). Wegen dieses feindseligen Verhaltens gegen seine Vaterstadt überwarf sich Iphikrates mit seinem Schwiegervater und ging nach Antissa auf Lesbos, von da später nach Drys in Thrakien3). So verfiel Athens wiedererstandene Großmachtstellung immer mehr. Den letzten und schwersten Stoß erlitt sie durch den Bundesgenossenkrieg (357—355). Lesbos blieb darin den Athenern treu; namentlich eine so wichtige Stadt wie Mytilene müßte sonst zweifellos in den Quellen genannt sein; das Argumentum ex silentio ist hier unbedingt bindend. Im Sommer 355 kam, veranlaßt durch das kraftvolle Auftreten des neuen Perserkönigs Artaxerxes Ochos, der Friede zwischen Athen und den Bundesgenossen zustande4). 17. Trotzdem es nun auch den bisher treu gebliebenen Städten freistand, aus dem Bunde auszuscheiden5), gehörte Lesbos auch weiterhin ihm zu6). Wahrscheinlich wegen dieses r

) Demosthenes, Aristokr. (XXIII) 158; vgl. 131/2. *) Vgl. Scholion zu Aischines, Tim. (I) 56. Das einzelne bei Hoeck, de rebus S. XXXI—XXXVI; Schaefer, Demosth. I», S. 152 bis 157; Hoeck, Hermes XXVI (1891), S. 95—98; vgl. Klio IV (1904), S. 265/6. ®) Demosthenee, a. a. O. 132. *) Diodor XVI, 22, 2, Ulpian II, p. 32 b. Beloch, Att. Pol. S. 365 ff., Gr. Gesch. II, 8. 319 setzt, wie mir scheint, unrichtig den Frieden etwa in den Sommer 354; vgl. Hahn, Neue Jahrb. f. Phil. 113 (1876), 8. 470/1. Weise, Der athenische Bundesgenossenkrieg 1895, 8. 38/9. E. Meyer V, § 983 A, 8. 494. 6 ) Weise a. a. O. gegen Busolt S. 859. Schaefer S. 188 A 2. 6 ) Die von Schaefer, S. 480 A 6 dafür angezogene Stelle: Demosthenes, Arist. (XXIII) 143 ist kein irgendwie durchschlagendes Argument; vgl. Beloch II, S. 319 A2. Isokrates, Fried. (VIII) 111, 142 kann sich nicht auf Lesbos beziehen. Ausführliche Begründung der vorgetragenen Ansicht: Anh. I, Exkurs VI: Die Orontesurkunde und Demosthenes' Rhodierrede. Dittenberger, O. G. I. 8 adn. 17, Droysen, Gesch. d. Hell. II, 2» (1878), 8. 372. Windel, de oratione quae est inter Demosthenicas decima septima 1881, S. 25 nehmen an, Eresos sei während des Bundesgenossenkrieges abgefallen. Es ist absolut kein Grund dafür vorhanden.

— 45

-

treuen Festhaltens an Athen gab Leukon, der König des bosporanischen Reiches, den mit dieser Stadt von alters her enge Beziehungen verbanden 1 ), mit seinen Söhnen den Mytilenäern ein bedeutendes Privileg, das zum Teil auf einer leider sehr verstümmelten Inschrift erhalten ist 2 ). Die Urkunde ist noch nicht abschließend behandelt worden, wenn auch Dittenberger mancherlei zur Aufhellung des Sinnes beigetragen hat, und lohnt daher eine erneute Besprechung. Bei der Ausfuhr von Getreide aus dem bosporanischen Reiche betrug der Ausfuhrzoll V30 des Gesamtbetrages (iQiaxoorri)3). Statt dessen braucht Mytilene bis zu ') Die Begierungszeit Leukona (387—347) hat Schaefer, Rhein. Mus. 33 (1878), S. 424—426 festgestellt. Da aus dem zu Mytilene gefundenen Dekret (vgl. A2) hervorgeht, daß Leukon seine Söhne bereits zu Mitregenten gemacht hatte, hat Paton richtig geschlossen, daß die Inschrift in die letzten Begierungsjahre des Leukon gehört. Mit Athen standen die Könige von Bosporos seit langem in enger Beziehung (Demosthenes, Lept. [XX] 29 ff.), ja Leukon hatte den Athenern sogar den Ausfuhrzoll für Getreide erlassen, was jährlich eine bedeutende Summe ausmachte (Demosthenes, a. a. O. 32). Und diese Vergünstigung erneuten nach seinem Tode seine Söhne im März/April 346 (I. G. II, 5 n. 109b = Ditt. Syll. 2 , 129, Z. 14—22; vgl. Schaefer, a. a. O. S. 418ff., v. Härtel, Sitzungnb. Wien 91 [1878], S. 112 ff.). Weil nun auch Mytilene ein bedeutendes Privileg erhält, ist ea sehr wahrscheinlich, daß diese Vergünstigung auf das gute Verhältnis beider Staaten zu Athen zurückgeführt werden muß. Noch im Jahre 357 hatte ja der König den Athenern eine so große Menge Getreide gesandt, daß sie 15 Talente daraus gewinnen konnten (Demosthenes, a. a. O. 33; vgl. Strabo VII, p. 311). Da nun einmal das Dekret in die letzte Zeit des Leukon fällt, andererseits gerade Mytilene damit bedacht wird, darf man wohl folgern, daß wir uns in der Zeit bald nach dem Bundesgenossenkriege befinden; Athen ist von seinen mächtigsten Bundesgenossen verlassen; nur Mytilene, nun als wichtigste Stadt, ist noch treu geblieben. Und dafür wird es von Leukon belohnt. *) I. G. XII, 2 n. 3 = Ditt. Syll. 3 , 914. Der Text nach Paton l a u t e t : Asvtewv xal ot aaTdes [avzov Mvx^iXrfvaiois eSoaay reX[sTv xvq]/v st;r]XOOTi]v ajzXrjv xai /. rtjv äf>%eTov [fis\xßi &e[xa {ivgia/Scov . 3

) Demosthenes, Lept. (XX) 32.

iirjHoaxrjV.

Dittenberger zitiert fälschlich



46



1 0 0 0 0 0 Scheffel nur 1 / 60 (¿frçxoari?) zu bezahlen, wie schon Paton erkannte, d. h. statt 37s % n u r l'A %• Die Lücke in Z. 3 hat Dittenberger zweifellos richtig mit [¿vevt]xo/a]ri^v ausgefüllt. Mit Recht hat er auch darauf hingewiesen, daß ¿Q%eïovhier nicht Regierungsgebäude bedeuten könne, sondern als Apposition zu evevrjxoar^v zu fassen sei 2 ). Hinsichtlich der Deutung des ganzen Vorganges macht Dittenberger zwei Vorschläge: entweder hätten die Mytilenäer für die ersten 100 000 Medimnen 1 / 60 -(- y 9 0 = 5 / 180 3), für die folgenden nur y 9 0 bezahlen müssen oder für die ersten 1 0 0 0 0 0 Scheffel 7 9 0 , für die folgenden y 6 0 . Beide Erklärungsversuche sind nicht recht überzeugend, ich möchte daher folgende Vermutung wagen: Als Ausfuhrzoll bezahlen die Mytilenäer statt der xQiaxoaxrj der anderen Staaten eine efyxootij, also i y 3 % . Dazu kommt noch eine andere Steuer, die zwar nicht als Ausfuhrzoll gedacht ist, aber doch mit ihm in Zusammenhang zu stehen scheint, von l 1 / 9 % (èvevrjxoarJ?), das âgxeïov, was dieses Wort bedeuten soll, weiß ich nicht genau, modern möchte man vielleicht Stempelsteuer o. ä. sagen. Dieser Ausfuhrzoll von l 2 / j % mit der Zusatzsteuer von 179% muß gezahlt werden bis zu einer Ausfuhr von 1 0 0 0 0 0 Medimnen. Wird diese Menge überschritten, so treten für den überschießenden Rest die Steuersätze in Kraft, die auch für die anderen Staaten gelten, nämlich als Ausfuhrzoll 3 y 3 % 4 ) . Über die Zusatzsteuer erfahren wir hinsichtlich der anderen Staaten nichts 5 ) ; denn was Demosthenes a. a. 0 . 32 berichtet, ist augenscheinlich nur der Ausfuhrzoll, zu dem auch bei den ') Th. Reinach, Revue des études grecques X I I I (1900), S. 13& erklärt es als droit d'archives, was ich nicht recht verstehe. Aristoteles gebraucht in der Politik das Wort OQXBXOV öfters im Sinne von Behörde, aber auch daran ist hier nicht zu denken. ') adn. 4. 3 ) Dittenberger macht einen Rechenfehler, er bekommt '/u00 heraus. 4 ) Man würde alsdann unwillkürlich an die heute so aktuelle Liebesgabe erinnert werden. 5 ) Es ist auch nicht bekannt, ob Athen das âgxtïov bezahlen mußte; vielleicht war auch dies erlassen.



47



anderen Staaten das d ^ e t o r hinzugerechnet werden muß. Wäre diese Zusatzsteuer in die von Demosthenes erwähnte rQiaxoazrj inbegriffen, würde die Vergünstigung, die Mytilene erhielt, nicht allzugroß sein, nämlich 2''/9%:31/3%. Wahrscheinlicher ist es wohl, daß das Verfahren bei der Zusatzsteuer dem bei dem Ausfuhrzoll analog war, zumal eine Gesamtsteuer von 378% für griechische Verhältnisse ziemlich niedrig genannt werden müßte, daß also die Zusatzsteuer, das äQxetov, für andere Staaten 1 / i S oder 2 2 / 9 % betrug. Ist das richtig, so ermäßigte Leukon durch das Privileg die Gesamtsteuer für die Mytilenäer auf die Hälfte, und das stellt immerhin eine bedeutende Vergünstigung dar. Richtig hat Dittenberger, wenn ich ihn recht verstehe, auch darauf hingewiesen, daß 100000 Scheffel die Normalausfuhr für Mytilene etwa betragen haben mag; vielleicht war der Satz sogar etwas hoch gegriffen. Jedenfalls erhalten wir durch die Inschrift einen interessanten Einblick in die Wirtschaftsgeschichte Mytilenes. 18. In die Mitte des 4. Jahrhunderts fallt auch die Erwähnung von Lesbos auf dem Bündnisvertrag Athens mit dem aufständischen persischen Satrapen Orontes 1 ). Als athenischer Stratege lief im Boedromion (September) 351 Charidemos vom Peiraieus nach dem Hellespont aus 2 ). Nicht lange darnach werden ihm seine Amtsgenossen Chares und Phokion gefolgt sein, und diese drei Feldherrn schlössen etwa im November/Dezember 351 3 ) einen Bündnisvertrag mit Orontes ab, von dem noch Bruchstücke vorliegen. Es ist darin von Getreidelieferungen die Rede, zu deren Be») I. G. II, 108 b, c. ! ) Demosthenes 3. Ol. (III), 5. E. Schwartz, Demosthenes' erste Philippika (Festschrift für Th. Mommsen) 1893, S. 28 rückt alle Ereignisse um ein Jahr herunter (s. dagegen Kahrstedt S. 52 A. 108). Daß Charidemos erst im November am Hellespont eintraf (Kahrstedt S. 52, 119), geht aus Demosthenes nicht hervor. s ) Die Begründung s. Anh. I, Exkurs VI: Die Orontesurkunde und Demosthenes' Rhodierrede.

-

48

-

Zahlung a. a. auch auf die lesbischen Beitragsleistungen1) verwiesen wird. Dieser Ausdruck setzt noch die Zugehörigkeit von ganz Lesbos zum zweiten athenischen Seebund voraus; denn nur dann kann das Wort Lesbos als zusammenfassender Begriff verwandt werden. Als diese Geldbeträge eingefordert wurden, fiel wahrscheinlich — genau wie Chios im Jahre 357 — Mytilene von Athen ab, und ähnlich wird es wohl auch in den übrigen lesbischen Städten gewesen sein. Zugleich vollzog sich in Mytilene eine Verfassungsänderung, so daß bereits Anfang 350 eine oligarchische Partei am Ruder ist8). Damit scheidet Mytilene zunächst aus dem zweiten Seebunde aus, zu dem es von seinen mächtigsten Mitgliedern am längsten und treusten gehalten hatte3). Natürlich traf die aristokratische Regierung Maßnahmen, um ihre bisher verbannten Parteigenossen in die Heimat zurückzurufen und ihnen ihre Habe wiederzugeben4). Das ist schon an und für sich selbstverständlich, eine willkommene Bestätigung bietet aber Ps. Isokrates Ep. 8, 1, 35). Der Verfasser bittet die *) I. G. II, 108 b 13: [xsYlU&ia zä>v ovvtä^smv i&v ei Aeaßai. 2 ) Demosthenes, Rhod. (XV) 19. Syntax (XIII) 8; vgl. Ps. Isokrates Ep. 8. Schaefer I 2 , S. 480 A 5 zieht auch das pseudo-demosthenische Prooimion 37,2 hierher; ob aber diesen Worten überhaupt ein konkreter Vorgang zugrunde liegt, wage ich bei dem Charakter der Sammlung zu bezweifeln. Die lesbische Geschichte dieser Zeit wird in der neueren historischen Literatur recht verschieden, aber fast nie richtig dargestellt. Da ich meine Ansicht in Anh. I, Exkurs V I ausführlich begründe, erspare ich mir die Widerlegung der einzelnen Ansichten. 8 ) Über Methymna vgl. § 23. *) Ob damit eine teilweise Amnestie zugunsten der demokratischen Verbannten verbunden war, wie P. Usteri, Achtung und Verbannung i. gr. Becht 1903, S. 133 annimmt, ist sehr zweifelhaft. 6 ) Diesen Brief vermag ich trotz Blass, Att. Bereds. I I 2 , S. 293 bis 299, 326—331, III, 2', S. 379—382, Wilamowitz, Aristot. u. Athen. II, S. 391, Muenscher, Satura Viadrina 1896, S. 43 nicht für echt zu halten. In seinem Urteil schwankt auch Woyte, De Isocratis quae

-

49

-

Machthaber, in diese Zahl auch den Musiker Agenor 1 ), seinen Vater und Bruder einzuschließen. Lange Zeit kann allerdings das oligarchische Regiment nicht Bestand gehabt haben, denn bereits im Jahre 347 wird hier ein Tyrann Kammys 2 ) erwähnt3). 19. Nicht unmittelbar für die Geschichte von Lesbos zu verwerten, aber für das Gesamtbild doch wichtig sind einige Bauten, die gerade der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts angehören. Ich führe sie der Vollständigkeit wegen an. Auf seiner Reise durch Lesbos entdeckte Boutan bei einem Ort Messa unweit Pyrrha die Ruinen eines bedeutenden Tempels4). Mit Hilfe einer falschen Etymologie gelang es ihm, den Namen Messa mit der von Stephanos v. Byzanz nach Hellanikos erwähnten Stadt Metaon in Einklang zu bringen. Aber erst Koldewey hat die Ruinen Ende 1885, Anfang 1886 einer gründlichen Untersuchung gewürdigt, die Fundstücke zusammengestellt und Ausgrabungen, die allerdings nicht allzusehr in die Tiefe gingen, vorgenommen. Die Resultate seiner Forschungen legte er nieder in seinem Werk S . 4 7 — 6 1 . Der Tempel ist nach ihm eins der bedeutendsten Bauwerke der Insel und stellt den größten, damals bekannten PseudoDipteros dar, erbaut in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts 5 ). feruntur epistulis 1907, S. 6. Die Behandlung des Themas ist mäßig. Nebenbei bemerkt begegnet ein fehlerloser iambischer Trimeter, und zwar am Anfang eines Satzes, § 2 : taieg fiev ovv TOV /ii/ öixaicos av Soxstr. Auch das folgende klingt iambisch: firngos elvai fitjö' ¿x^-igos ravz' s'xi\äiJLevog

ngog

'AXsiavdgov

xal

rolg 'EXXavag

(a 5, 6 )

zu

setzen haben 2 ). Folglich kann man fast alle in diesem Teil aufgeführten Beschuldigungen mit einiger Sicherheit der Zeit vor der zweiten Tyrannis zuweisen, und auch die beiden übrigen rdv rs d]x[g]o7ioXiv \a\voixo\d\6fjL\rf\oe (a 6) und roi]? 'EXXavag £Xat^ex\o (a 4) sprechen eher für einen früheren Termin. Schließlich sind die im zweiten Teil aufgezählten Schandtaten besonders gegen Leib und Leben der Bürger selbst gerichtet, während die zuerst genannten derartige Eingriffe noch nicht enthalten. Es tritt zuletzt das Moment der persönlichen Rache mehr hervor. 32. Ende des Jahres 332 oder Anfang 331 wurden mit den chiischen Oligarchen auch Aristonikos von Methymna, Agonippos und Eurysilaos von Eresos durch Hegelochos zu Alexander nach Ägypten gebracht8). Die Oligarchen von *) xal zo x[e\\Xevzatov atpixöfitvog tcqo; 'AXi^avbgov xaT\e]\y>evSeio xai SießaXXero xoif itoXhais. 2 ) Man könnte hier auch an die Offensive Memnons im Jahre 335 denken, doch ist Lesbos davon kaum berührt worden; vgl. § 26. 3 ) Arrian III, 2, 5. Curtius IV, 8, 11. I. G. X I I , 2 n. 526, a 14/5; vgl. Baumbach S. 33 A. 1 und Anh. I, Exkurs V I I .



73



Chios setzte Alexander in Elephantine gefangen; die lesbischen Tyrannen sandte er in die Heimat zurück und übergab sie der Bürgerschaft zur Aburteilung 1 ). Nach dem Bericht des Curtius wurden sie wegen ihrer Verbrechen gefoltert und hingerichtet. So wird es wohl kurzerhand mit Aristonikos geschehen sein. Schwieriger lag der Fall in Eresos. Agonippos und Eurysilaos hatten nämlich ihren Vorteil wahrgenommen und ihre Landsleute bei Alexander angeschwärzt, vielleicht nicht ohne Grund. Jedenfalls scheint das Schreiben, das Alexander mit ihnen zurücksandte2), nicht allzu liebenswürdig gewesen zu sein, denn sonst würde man kaum ausdrücklich auf das Schuldkonto der beiden Tyrannen als eins ihrer schweren Verbrechen die Verleumdung des Demos bei Alexander gesetzt haben 8 ). Man kann deshalb auch [Ammonios] ßio? 4 ''AQIOTOTE'XOV? ed. Westermann VII, 2, 2 ) hierher ziehen, wenn schon die Notiz in dieser Form möglicherweise nicht ganz richtig ist. Nach der Ankunft der Tyrannen fand auch in Eresos das Gericht statt. Die Richter, die das Urteil sprechen sollten, wurden unter Androhung eines Fluches verpflichtet, „im Interesse der Stadt" und des Rechtes ihre Stimme abzugeben6). Diese Bestimmung war nicht gerade geeignet, ein unparteiisches Urteil herbeizuführen; denn sie band den *) Arrian III, 2, 7. Curtius, a. a. O. Eine Erklärung dieses verschiedenen Verhaltens versucht Kaerst, Rhein. Mus. 52 (1897), S. 546 A. 1. 2 ) Die Stellen, die sich auf dies Schreiben beziehen, sind von E. Pridik, de Alexandri Magni epistularum commercio, 1893, S. 33/4 zusammengestellt. 3 ) a 13—15. Gut vermutet Baumbach, a. a. O., daß die Aussagen der Tyrannen vor Alexander in dem Schreiben enthalten waren. Aber das hätte Alexander nicht getan, wenn er ihnen nicht ein gewisses Gewicht beigemessen hätte. 4 ) = Diogenes Laertius ed. Cobet. T. I I , p. 1 1 , 2 5 : xai TIJV 'EQSOOOV äe rfjv rov Qeotpgäorov niXiv ftellovoav aUixrj&rjvai vno zov ßamXsws 'AXs^ävSgov eXvrgcoas r¡¡s a&ixias sc. Aristoteles; vgl. S. 122 A. 4.

5

) a 26—29, c 1—9.



74



Richtern in einer bestimmten Richtung die Hände und mochte manchen hindern, nach bestem Wissen und Gewissen zu urteilen. Sie ist aber bezeichnend dafür, daß es in der Stadt eine starke, tyrannenfreundliche Partei gab, und beweist ferner auch, daß die Tyrannen mit ihren Anschuldigungen nicht so ganz unrecht gehabt haben mögen; denn man wollte durch eine solche Bindung augenscheinlich ein Resultat ausschließen, das Alexanders Zorn noch mehr reizen mußte. Und dieses Ziel erreichte man auch vollkommen, wie das Abstimmungsergebnis lehrt. Dasselbe bezweckte auch der Richtereid1). Beim Zeus und Helios mußten die Richter schwören, daß sie sich streng an die Gesetze halten wollten, soweit die Sache in den Gesetzen vorgesehen war 2 ). Sonst aber sollten sie nach reiflicher Überlegung entscheiden, wie es am vorteilhaftesten und gerechtesten sei. Das Gericht wurde in folgender Weise abgehalten. In geheimer Abstimmung wurde die Strafe festgesetzt. Wurde der Tod beschlossen, war es dem Verurteilten erlaubt, einen Vorschlag betreffs der Todesart zu machen. Darüber wurde durch Handaufheben entschieden8). 883 Richter gaben ihre Stimme ab, nur 7 erkannten davon auf Freisprechung 4 ), ein glänzendes Resultat, das den Interessen der Stadt entsprach. Zugleich wurde für die Zukunft folgender Beschluß gefaßt 5 ): Wenn nach Verurteilung der Tyrannen jemand einen ihrer Anhänger in die Heimat zurückführe bzw. über die Rückkehr oder Herausgabe des eingezogenen Vermögens einen Antrag stelle, so sollte er und sein Geschlecht verflucht und *) c 9—20. Dittenberger, a. a. O. in der Vorbemerkung, hat richtig erkannt, daß auch der Eid sich auf dieses Gerichtsverfahren bezieht. 2 ) Darunter ist wohl besonders der voftoe xaxa xwv zvgävrcov zu verstehen. 8 ) a 15—20, b 15—27. *) a 30—32. Das ist zwar nur von Agonippos ausdrücklich bezeugt, trifft aber natürlich auch auf Eurysilaos zu. Uber die Zahlenangaben vgl. Swoboda, Die griechischen Volksbeschlüsse, 1890, S. 12. 6 ) a 20—26.



75



dem Gesetz verfallen sein, als ob er die Säule über die Tyrannen und ihre Nachkommen umgestürzt habe1). In der Inschrift b 27—33 finden sich noch Bestimmungen über die Wahl von 10 owrjyoßoi, die einen Eid beim Apollon Lykeios ablegen sollen, ö\n\na o[vva\y]oQt)ooim [TCÜ noli on\nm\g xe dvva[vrai. Leider ist das übrige verloren. Man kann also nicht erkennen, was die Wahl beabsichtigte. Vielleicht darf man sie auf die in der diayqacpd Alexanders enthaltenen Anschuldigungen beziehen; sie sollen die Stadt beim König rechtfertigen2). 33. In derselben Zeit erhielt auch die frühere Tyrannis ihren endgültigen Abschluß. Die Nachkommen der drei Brüder Hermon, Heraios und Apollodor8) waren an Alexander herangetreten und hatten sich bereit erklärt, sich einem Gericht zur Untersuchung der gegen sie erhobenen Anschuldigungen zu unterwerfen. Diese Bitte hatte Alexander in seinem schon *) Eine Vermutung über die Strafe (Ächtung) bei Usteri 8. 51/2. 2 ) owyyoQos Verteidiger, Rechtsanwalt. Dann würde diese Gesandtschaft wohl identisch sein mit der a 33/4 genannten. Das paßt auch sehr gut. In dem jzQoßovXevfta für das Gerichtsverfahren des Eurysilaos wird der Ekklesie die Wahl vorgeschlagen auf Grund der in der Siayga