Beharrungsvermögen und Verdrängung: Polytheisten und Christen in den angelsächsischen Reichen des 7. Jahrhunderts 3110571269, 9783110571264, 9783110572599

Untersucht wird das Zusammenleben von Polytheisten und Christen in den angelsächsischen Reichen des 7. Jahrhunderts. Dab

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Beharrungsvermögen und Verdrängung: Polytheisten und Christen in den angelsächsischen Reichen des 7. Jahrhunderts
 3110571269, 9783110571264, 9783110572599

Table of contents :
Vorwort v
Einleitung 1
1. Grundlagen 15
2. Kent 52
3. Essex 96
4. East Anglia 119
5. Northumbria 142
6. Wessex 171
7. Mercia 201
8. Sussex 227
9. Ergebnisse 242
Anhang 269
Index 273

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John Lentzsch Beharrungsvermögen und Verdrängung

Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde

Herausgegeben von Sebastian Brather, Wilhelm Heizmann und Steffen Patzold

Band 105

John Lentzsch

Beharrungsvermögen und Verdrängung

Polytheisten und Christen in den angelsächsischen Reichen des 7. Jahrhunderts

ISBN 978-3-11-056836-3 e-ISBN (PDF) 978-3-11-057259-9 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-057126-4 ISSN 1866-7678 Library of Congress Control Number: 2018935075 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.dnb.de abrufbar © 2018 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Dörlemann Satz GmbH & Co. KG, Lemförde Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany

Vorwort

John Lentzsch

Inhaltsverzeichnis Vorwort  Einleitung  1 1.1 1.2 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4

 V  1

 15 Grundlagen  Angelsachsen   16 Heidentum   17 Recht – Grundprobleme   20 Zum Begriff des Rechts in oralen Gesellschaften   20 Rechtsfindung   24 Die frühesten angelsächsischen Gesetze zwischen Tradition und Innovation   35 Recht und Religion bei den Angelsachsen im 6. und 7. Jahrhundert   39

 52 2 Kent  2.1 Die Behauptung einer heidnischen Elite   54 2.1.1 Spuren heidnischer Lebensweise im 6. und 7. Jahrhundert   66 2.1.1.1 Grabhügelbestattungen   67 2.1.1.2 Beigabenfunde   70 2.1.1.3 Anhänger des Thunor- und Wodenkultes   70 2.1.1.4 Der Finglesham Man   73 2.1.1.5 Die kentischen Brakteaten des 7. Jahrhunderts   75 2.1.1.6 Fazit   77 2.1.2 Die rechtliche und gesellschaftliche Stellung von Heiden in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts   79 2.2 Die Marginalisierung des kentischen Polytheismus in den Jahren von 640 bis 695   84 2.3 Zusammenfassung   94  96 3 Essex  3.1 Heidnische Gesellschaft unter einem christlichen König  3.2 Nach dem Tod Sæberhts   102 3.3 Konfrontation und Versuche der Behauptung der heidnischen Lebensweise   106 3.4 Marginalisierung der Polytheisten   113 3.5 Zusammenfassung   117

 99

VIII 

 Inhaltsverzeichnis

4 East Anglia   119 4.1 Eine polytheistische Gesellschaft öffnet sich dem Christentum   122 4.2 Christliche Könige einer heidnischen Gesellschaft  4.3 Das Ende des ostanglischen Polytheismus   136 4.4 Zusammenfassung   139

 130

 142 5 Northumbria  5.1 Versuch der Etablierung des römischen Christentums durch Edwin   145 5.2 Heidnische Restauration   155 5.3 Die Etablierung des Christentums und die Zurückdrängung des Heidentums unter Oswald   157 5.4 Oswiu und das Ende des northumbrischen Polytheismus   162 5.5 Zusammenfassung   168  171 6 Wessex  6.1 Die Etablierung christlicher Konkurrenz an der Spitze der Gesellschaft   176 6.2 Die Polytheisten bis zum Herrschaftsantritt Ines 688  6.2.1 Hinweise in den Schriftquellen   182 6.2.2 Archäologische Hinweise   188 6.2.3 Ortsnamen   190 6.2.4 Zwischenfazit   192 6.3 Ine und das Ende des westsächsischen Polytheismus  6.4 Zusammenfassung   199

 180

 192

 201 7 Mercia  7.1 Mercias Polytheisten bis 655   208 7.1.1 Die Zeit der kulturellen Hegemonie   209 7.1.2 Die Entstehung christlicher Konkurrenz innerhalb des merzischen Machtbereichs   211 7.2 Der Verlust der Hegemonie   213 7.3 Das Ende des Polytheismus in den Midlands   217 7.3.1 Die Unterdrückung des Polytheismus unter northumbrischer Herrschaft   217 7.3.2 Der Aufbau eines christlichen Mercia unter Wulfhere   220 7.3.3 War das Reich der Magonsæte eine letzte Bastion des Polytheismus?   223 7.4 Zusammenfassung   225



Inhaltsverzeichnis 

8 8.1 8.2.1 8.2.2 8.3 8.4

 227 Sussex  Polytheistisches Beharrungsvermögen trotz Königstaufe  Die Abkehr vom Polytheismus ab 681   233 Hinweise aus der archäologischen Forschung   237 Ein christliches Sussex unter westsächsischer Herrschaft  Zusammenfassung   240

9

Ergebnisse 

 242

 249 Verzeichnisse  I Abkürzungen   249 II Quellenverzeichnis   249 III Literaturverzeichnis   251 Anhang  Index 

 269  273

 231

 238

 IX

Einleitung „For the historian the study of early medieval conversion can be bewildering; a game played in swirling mist on a far from level playing field in which unseen hands are constantly shifting the dimly glimpsed goalposts.“1

Das 7. Jahrhundert war für die angelsächsischen Bewohner Britanniens eine Zeit des Umbruchs. Von Kent im äußersten Südosten der Insel ausgehend, breitete sich das Christentum in einem Königreich nach dem anderen aus. Im Zuge dieser Entwicklung änderte sich nicht nur die Religion der Menschen. Der Glaubenswechsel hatte tief­ greifende Auswirkungen auf beinahe sämtliche Bereiche des Lebens. Er veränderte den Blick auf den Menschen, die Art, Herrschaft zu legitimieren sowie Land zu ver­ teilen und zu besitzen – um nur einige Aspekte dieses Wandels zu nennen. Durch die alle regna umfassende ecclesia Anglorum entstand in den folgenden Jahrhunderten ein Gefühl der gemeinsamen Identität und stabile, überregionale Kontakte zwischen den angelsächsischen Reichen. In der schon bei mittelalterlichen Autoren gegebe­ nen Rückschau auf den Erfolg der christlichen Mission bei den Angelsachsen wird allzu leicht übersehen, dass der Erfolg dieser Unternehmungen keineswegs sicher war. Auch nach Anfangserfolgen, wie der entscheidenden Konversion des Königs, war der Ausgang der Mission oftmals ungewiss, und in den Missionsgebieten standen sich teils über Jahrzehnte hinweg Christen und Heiden innerhalb eines Königreiches in einem religiösen Wettstreit gegenüber. Genau diese spannungsreiche Zeit soll in der vorliegenden Arbeit einer genauen Untersuchung unterzogen werden. Dabei geht insbesondere die umfassende Rekonstruktion der polytheistischen Perspektive auf die Herausforderungen und Transformationsprozesse der Zeit über die Ergebnisse der bisherigen Forschung hinaus. Drei Fragenkomplexe stehen im Mittelpunkt der Arbeit: Erstens wird untersucht werden, warum es zu diesem Nebeneinander der Re­li­ gio­nen in den angelsächsischen Königreichen kam. Welche Faktoren brachten Könige dazu, nach der eigenen Taufe die Fortsetzung der polytheistischen Kulte zu erlau­ ben? Falls der Wille und die Voraussetzungen für einen Zwang zu Konversion gegeben waren, muss danach gefragt werden, welche Mittel den Königen der Zeit zur Verfü­ gung standen. Zweitens geht es um die Bedingungen der Koexistenz aus der Sicht der Polytheis­ ten. Welchen gesellschaftlichen Schichten gehörten sie an? Wie lässt sich die Weige­ rung, dem Glaubenswechsel des Königs zu folgen, erklären? Welche Einflussmöglich­ keiten hatten die Anhänger der alten Götter? Welche rechtliche Stellung besaßen sie? Auf welche Weise versuchten sie, den Herausforderungen des religiösen Wettstreits zu begegnen? Drittens fragt die Arbeit danach, wie lange sich der Zustand des Nebeneinanders von Christentum und Heidentum in jedem der Reiche des 7. Jahrhunderts hinzog. In 1 Fletcher, The Barbarian Conversion, 9.

2 

 Einleitung

diesem Zusammenhang spielen wiederum rechtliche Fragen eine Rolle, etwa wenn es um die Unterdrückung heidnischer Religiosität und die Durchsetzung einer christ­ lichen Lebensweise durch rechtliche Sanktionen und herrschaftliche Machtmittel geht. Dort, wo es keine Hinweise auf eine Durchsetzung des Christentums auf diese Weise gibt, tritt die Frage nach den Motiven für die Entscheidung zur endgültigen Abkehr von der traditionellen polytheistischen Religion in den Vordergrund. Die Komplexität der vorgestellten Fragen sowie die Fremdheit der frühmittelalter­ lichen Welt machen in einem ersten Kapitel die Klärung einiger Begriffe notwendig, die im Verlauf der Untersuchung verwendet werden. Dazu gehört die Frage, wie aus der Sicht der modernen Forschung zwischen einem Polytheisten und einem Chris­ ten unterschieden werden kann. Zudem macht die Nutzung von Rechtsquellen, wie dem Gesetz König Æthelberhts von Kent, die Definition dessen erforderlich, was eigentlich im frühmittelalterlichen England unter Recht verstanden wurde. Auch der Zusammenhang zwischen dem Recht und der Religion der Angelsachsen muss vorab geklärt werden. Die Rede vom angelsächsischen England dient der Orientierung des Historikers. Der Begriff verschleiert jedoch die Vielfältigkeit der politischen Gebilde, die seit dem 5. und 6.  Jahrhundert auf britischem Boden entstanden sind. Kent etwa hatte stets enge Kontakte zum Frankenreich unterhalten, während East Anglia kulturell den skandinavischen Ursprungsgebieten seiner Eliten verbunden blieb. Im Norden und Westen der angelsächsischen Welt wiederum prägten sowohl stetige Kleinkriegen als auch friedliches Miteinander die Kontakte zu den benachbarten Briten bis ins 7. Jahr­ hundert hinein. Dieser skizzierten Vielfalt der angelsächsischen Welt muss metho­ disch Rechnung getragen werden. Es gilt daher, für jedes Königreich einzeln, die speziellen Voraussetzungen und einflussnehmenden Faktoren auf den Fortbestand heidnischer Religiosität nach dem Beginn der jeweiligen Mission zu untersuchen. Erst in einem letzten Schritt soll versucht werden, aus den einzelnen Ergebnissen ver­ allgemeinerbare Aussagen über die historischen Prozesse, die im Zentrum der vorlie­ genden Untersuchung stehen, zu gewinnen.2 Es ist der Ansatz dieser Untersuchung, die oben angeführten Fragestellungen auf einer möglichst breiten Quellengrundlage zu bearbeiten. Die zentrale Quelle für alle Arbeiten zur angelsächsischen Geschichte des 7. Jahrhunderts ist Bedas historia ecclesiastica gentis Anglorum.3 Der Autor wollte den Siegeszug des Christentums und die Etablierung seiner Kirche auf der britischen Hauptinsel darstellen. Auch wenn die

2 Vgl. Campbell, Observations on the Conversion of England, 84, der bereits die Feststellung machte, bei der Untersuchung der Konversionsprozesse sei die Beachtung lokaler und regionaler Besonder­ heiten von höchster Wichtigkeit. Siehe ebenfalls Scull, Chronology, Burial and Conversion, 77, der diese Feststellung jüngst bestätigte. 3 Vgl. Spitzbart, Beda der Ehrwürdige, 1  ff. für eine Übersicht über Leben und Werk des Autors. Vgl. zu weiteren Informationen über die Arbeitsweise Bedas Church, Paganism in Conversion-Age AngloSaxon England, 169  ff.



Einleitung 

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Lektüre des Textes den Eindruck eines linearen Prozesses erweckt, kam Beda nicht umhin, an einigen Stellen auch auf die Schwierigkeiten und die Rückschläge bei der Mission und Christianisierung einzugehen. Er tat dies freilich mit der Intention, den danach folgenden Sieg des Christentums umso größer erscheinen zu lassen. Bei aller Parteinahme war Beda ein gewissenhaft arbeitender Historiker, der seine Quellen stets offenlegte, was die Nachvollziehbarkeit und Bewertung seiner Aussagen erleich­ tert. Einige dieser Quellen, vor allem Briefe, gibt er im vollen Wortlaut wieder. Neben diesen Texten, gibt es noch eine kleine Zahl weiterer Briefquellen, die dabei helfen, Aspekte der untersuchten Fragen zu erhellen. Im Falle des Königreiches Wessex ist es zudem zulässig, die Winchester Handschrift der Angelsachsenchronik als ergän­ zende Quelle hinzuzuziehen. Dieser auch als Version A der Chronik bekannte Text stammt zwar aus dem 9. Jahrhundert, basiert aber in Teilen auf älterem westsächsi­ schen Material.4 Die sich entfaltende Kirche der Angelsachsen brachte bald eine Vielzahl heraus­ ragender Persönlichkeiten hervor. So wie die Taten von Männern wie Beowulf im Lied besungen wurden, wurden auch die Lebensgeschichten und Taten der Helden des neuen, christlichen Zeitalters für die Zeitgenossen und die Nachwelt überliefert. Da sie in schriftlicher Form festgehalten wurden, bieten diese Heiligenviten eine ergie­ bige Quellengattung für die modernen Forscher. Die Nutzbarmachung der Hagio­ graphie für die Untersuchung des Lebens von Polytheisten wird freilich durch die Darstellungsabsicht ihrer Autoren sowie die Konventionen der Gattung erheblich erschwert. Dennoch lassen sich zuweilen Informationen gewinnen, etwa dann, wenn über Probleme bei der Missionsarbeit oder auch Missionseinsätze im Hinterland lange nach der offiziellen Konversion eines Reiches berichtet wird. Die Mission in den Reichen der Angelsachsen wurde zumeist von klosterähn­ lichen Missionsstationen aus organisiert und betrieben. Die Gründung derjenigen Einrichtungen, die sich im späteren Verlauf der Geschichte zu bedeutenden Klöstern oder Kirchen entwickelten, wird oftmals durch Urkunden belegt. Zwar handelt es sich in vielen Fällen um Fälschungen späterer Jahrhunderte, doch ist es der Forschung gelungen, in etlichen Texten authentische Informationen über frühere Zustände aus­ zumachen. Diese Informationen sind wichtig, um die Größe und Einflussmöglichkeit einer Einrichtung zu ermessen. Die Nennung der Stifter lässt zudem Rückschlüsse auf den gesellschaftlichen Rückhalt der christlichen Mission zu. So ist es von Bedeutung, wenn neben dem König auch andere Große als Wohltäter der Kirche genannt werden. In solchen Fällen muss auf eine bereits tiefer gehende christliche Prägung zumindest der Eliten geschlossen werden. 4 Vgl. zur Version A der Angelsachsenchronik Swanton, The Anglo-Saxon Chronicles, xxif. Yorke, The Jutes of Hampshire and Wight and the Origins of Wessex, 84  ff. sieht den Quellenwert des Textes eher kritisch, reflektiere er doch in erster Linie das Bild, dass sich die Westsachsen des 9. Jahrhunderts von ihrer eigenen Vergangenheit machten. Dieser Einwand muss bei der Auswertung der Quelle zu großer Vorsicht gemahnen.

4 

 Einleitung

Es gehört zu den Eigenarten der angelsächsischen Schriftkultur, dass eine Reihe von in Volkssprache verfassten Gesetzen angefertigt und überliefert wurden. Für die zu untersuchenden Fragen sind diese Quellen von größter Wichtigkeit, da sie es zum einen ermöglichen, einen authentischen Einblick in die Modalitäten der religiösen Koexistenz zu nehmen, zum anderen aber auch konkrete Maßnahmen zur Beendi­ gung dieses Zustandes greifbar machen. Leider liegen diese Texte nur für die König­ reiche Kent und Wessex vor.5 Trotz der scheinbaren Fülle der Texte muss auf den Umstand hingewiesen werden, dass die Quellenlage für das 7. Jahrhundert in der Regel mehr als disparat ist. Oft wird ein Ereignis nur einmal kurz erwähnt, andere Begebenheiten werden zwar an mehr als einer Stelle, aber auf unterschiedliche Weise berichtet. Vieles muss aus den wenigen überlieferten Nachrichten geschlossen werden. Neben den Schriftquellen, die Zeugnisse der Eliten des angelsächsischen Eng­ lands sind6, müssen somit auch die Ergebnisse der archäologischen Forschung zur Erhellung der gestellten Fragen herangezogen werden. Für die Rekonstruktion von Aspekten der Geschichte des 7. Jahrhunderts, ergeben sich aus Sicht des Historikers zwei Schwierigkeiten: Zum einen haben Funde für sich genommen oft eine beschränkte Aussagekraft. So ist eine wünschenswert genaue Datierung oft unmöglich. Auch aus der C-14 Methode ergeben sich Spielräume der zeitlichen Zuordnung, die von einigen Jahrzehnten bis zu einem Jahrhundert reichen können. Besonders bei älteren Funden ist zudem die genaue Einordnung in den Fundzusammenhang nicht gegeben, oder der Erhaltungs­ grad macht eine genaue Identifikation unmöglich – um nur einige der Probleme zu nennen. Zum anderen kann auch die Aufbereitung und Diskussion archäologischer Funde in der Fachliteratur für Verwirrung sorgen, spiegeln sich hier doch die Paradigmen(wechsel) der archäologischen Forschung während der letzten Jahrzehnte wider7 – ein Umstand, der den Historiker vor Probleme bei der eigenen Einordnung von archäolo­ gischen Funden und deren Interpretation stellen kann. Den beschriebenen Schwierigkeiten wird in der vorliegenden Arbeit begegnet, indem Ungenauigkeiten bei der Datierung oder Identifikation von Funden stets offen­ gelegt und in ihren Implikationen diskutiert werden. Bei der Einordnung und Inter­

5 Die benutzten Editionen sind Liebermann, Die Gesetze der Angelsachsen Bd. 1 sowie das neuere Oliver, The Beginnings of English Law. 6 Vgl. für eine Diskussion der Möglichkeiten der Archäologie, auch die Lebensumstände anderer gesellschaftlicher Schichten, die von diesem Elitendiskurs ausgeschlossen waren, zu rekonstruieren Petts, Pagan and Chrisian, 16  f,. 23  f. 7 Vgl. Hines, The Archaeological Study of Early Anglo-Saxon Cemeteries, 13  ff., Hogget, The Archaeology of the East Anglian Conversion, 10  ff. sowie Trigger, History of Archaeological Thought für einen Überblick über archäologische Methoden und Theorien seit der Antike.



Einleitung 

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pretation archäologischer Funde folgt die Arbeit den Vorgaben der Diskussion in der archäologischen Forschung. Dabei können jedoch neue, für die vorliegende Untersuchung relevante Fragen an die Funde gestellt werden, was zu neuen Erkenntnissen über die historische Bedeutung einzelner Stücke führt, die über die Interpretationen archäologischer Ver­ öffentlichungen hinausgehen. Fragen zur Mission und Christianisierung der Angelsachsen sind eine Vielzahl historischer Untersuchungen gewidmet. Den Quellen folgend wird meist der zuwei­ len schwierige, aber am Ende erfolgreiche Weg der Ausbreitung des Christentums im angelsächsischen England nachgezeichnet. Nur gelegentlich wird auch die gegen­ sätzliche Perspektive eingenommen, in der Regel mit der Absicht, Verzögerungen im Christianisierungsprozess zu erklären. Die folgende Übersicht über das bisherige Forschungsgespräch hat daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit, was Veröffentli­ chungen über die Christianisierung der Angelsachsen angeht. Vielmehr soll der For­ schungsstand bezüglich der Fragestellungen dieser Untersuchung skizziert werden. In seinem zum Standardwerk über die Christianisierung der Angelsachsen avan­ cierten The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England von 1972 stellt Mayr-Harting fest, alleine die Konversion der Aristokratie in allen angelsächsischen Reichen habe rund 90 Jahre in Anspruch genommen.8 Als Gründe für die Langwierigkeit des Kon­ versionsprozesses nennt er zum einen die tief verwurzelten religiösen Gefühle und Einstellungen. Als Beispiele schildert er den fortgesetzten Glauben an Magie und die Anforderung an die Missionare, sich als ebenso mächtig bei der Bekämpfung von Ungemach zu erweisen, wie es die alten Priester und deren Opfer an die Götter waren.9 Zum anderen sei der Mangel an Priestern ein wesentlicher Hemmfaktor bei der schnellen Verbreitung des Christentums gewesen.10 Die Hinweise auf die notwen­ digen Effizienzbeweise der christlichen Missionare und die Auswirkung des Priester­ mangels sind sicher wichtige Beobachtungen. Das Feld der Magie ist allerdings nur schwerlich als Beweis für das Überleben paganer Vorstellungen heranzuziehen, gab es doch auch ein weites Feld christlicher Praktiken, die sich als magisch charakteri­ sieren ließen.11 1973 erschien James Campbells Aufsatz Observations on the Conversion of England, in dem er zwar Mayr-Hartings Ansätze grundsätzlich lobt, allerdings bemängelt,

8 Vgl. Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 29. 9 Vgl. Ebenda, 30, 47. 10 Vgl. Ebenda, 267. 11 Vgl. zu einem angelsächsischen Beispiel aus dem 7.  Jahrhundert Birkhan, Magie im Mittelalter, 117. Pluskowski & Patrick, How Do You Pray to God?, 45 weisen ebenfalls darauf hin, dass die Magie kein geeignetes Feld sei, um heidnische von christlichen Praktiken zu unterscheiden. Dies wird in der deutschen Forschung zum Teil anders gesehen. Schmidt-Wiegand, Spuren paganer Religiosität in den frühmittelalterlichen Leges, 251 und Polomé, Germanentum und religiöse Vorstellungen, 286 gehen von einem Zusammenhang zwischen heidnischer Religiosität und Magie aus.

6 

 Einleitung

dieser gehe nur auf die Träger der Christianisierung, nicht aber auf die Christianisier­ ten ein. Campbell interessieren die Auswirkungen der Annahme des Christentums auf die Angelsachsen.12 Während er nicht darauf eingeht, warum Könige sich veran­ lasst sahen, nach der eigenen Taufe den Fortbestand des paganen Kultes zu erlauben, bedeutete Campbells Untersuchung einen Fortschritt bei der Frage nach den Bedin­ gungen dieser Koexistenz sowie bei der Frage nach der Methode zur Untersuchung, wie lange dieser Zeitraum andauerte. Wie Mayr-Harting sieht Campbell in der geringen Zahl der Priester einen hem­ menden Faktor für eine schnellere Bekehrung der Angelsachsen. Allerdings gibt er zu bedenken, dass die Quellen, allen voran Beda, ein verzerrtes Bild der tatsächli­ chen Situation wiedergeben könnten. Dies sei Bedas vorrangigem Interesse an der Geschichte der Bischöfe des 7. Jahrhunderts geschuldet.13 Campbell zieht zudem das Gesetz König Ines von Wessex sowie das Bußbuch Theodors als Quellen hinzu, um die herrschaftliche Durchsetzung einer christlichen Lebensweise zu rekonstruieren.14 Die Auswertung der zeitgenössischen Rechtsquellen ist ein wichtiger Schritt bei der Untersuchung der Lebensverhältnisse im 7. Jahrhundert. Allerdings geht Campbell in seiner Untersuchung nicht weit genug und beachtet zentrale Quellen wie das Gesetz Æthelberhts von Kent und das Gesetz von Ines kentischem Zeitgenossen Wihtræd nicht. Bei der Frage nach der Dauer der Koexistenz von Heidentum und Christentum weist Campbell zu Recht auf die Bedeutung der Ergebnisse der archäologischen For­ schung zur Ergänzung der Informationen aus den Schriftquellen hin. So seien Fried­ höfe der Übergangsphase auf einen Zeitraum von der Mitte des 7. Jahrhunderts bis zur Mitte des 8. Jahrhunderts datiert worden.15 1984 erschien Angenendts Untersuchung über ‚Kaiserherrschaft und Königs­ taufe‘, in der er unter anderem das Phänomen der ungetauften Königssöhne unter­ suchte. Die zentrale These lautet, dass die Erben getaufter Könige oftmals selbst ungetauft blieben, damit im Fall einer heidnischen Restauration ein Mitglied der Königsfamilie von der wieder erstarkten heidnischen Partei als Herrscher akzeptiert werden könne.16 Diese Erklärung Angenendts hat durch ihren Perspektivwechsel einen wichtigen Beitrag zur Forschung geleistet. Die Bedeutung des Beitrags wird auch nicht dadurch geschmälert, dass in der Zwischenzeit eine Reihe anderer Erklä­ rungen für den Taufverzicht von Königssöhnen in der Bekehrungszeit gefunden wurden. Aus dieser Reihe von zum Teil kleineren Untersuchungen sticht Lutz E. von Padbergs umfangreiches ‚Mission und Christianisierung‘ aus dem Jahr 1995 heraus. 12 Vgl. Campbell, Oberservations on the Conversion of the Anglo-Saxons, 69. 13 Vgl. Ebenda. 78  f. 14 Vgl. Ebenda, 80  f. 15 Vgl. Ebenda, 79  f. 16 Vgl. Angenendt, Kaiserherrschaft und Königstaufe, 180  f.



Einleitung 

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In der Synthese und Fortführung der bisherigen Forschung widmet sich der Autor einer doppelten Fragestellung: Erstens untersucht er in einem sozial- und religions­ geschichtlichen Ansatz die Mehrschichtigkeit der Missionsepoche. Dabei werden Aspekte der Lebensbedingungen und Reaktionen der zu missionierenden Heiden ebenfalls dargestellt. Zweitens untersucht er in einem mentalitätsgeschichtlichen Ansatz die geistliche Grundhaltung der Missionare. Bei der Frage nach dem Zustandekommen der Koexistenz beider Religionen sieht von Padberg in der individuellen Entscheidung Einzelner den ausschlaggebenden Faktor. So habe Æthelberht von Kent die Distanzbereitschaft seines Sohnes Eadbald akzeptiert. Die religiöse Orientierung des Sohnes habe den König dazu gezwungen, den heidnischen Kult weiterhin zu erlauben.17 Auch für die älteren Söhne Edwins von Deira sowie für die Söhne Sæberhts von Essex werden persönliche Gründe für den Taufverzicht angenommen.18 Von Padberg sieht eine enge Verwandtschaft zwischen dem Heidentum der Angelsachsen und der Religion der heidnischen Skandinavier. Die Offenheit gegenüber der in­divi­duel­len Glaubensentscheidung wird als ein typisches Element der skandinavischen Reli­gio­ sität auf den angelsächsischen Raum übertragen.19 Neben der Bedeutung der indi­ viduellen Entscheidung bei der Frage nach der Annahme des Christentums wird auch die Verantwortung der Könige der Angelsachsen für das diesseitige Wohlerge­ hen ihrer Völker als ein Verzögerungsfaktor bei der endgültigen Durchsetzung eines christlichen Bekenntnisses angeführt. Im Zusammenhang mit dem Glaubensrückfall von 664 in Essex analysiert von Padberg, dass hier die besondere Bedeutung der „lebenspraktische(n) Effizienz des richtigen Ritus“20 deutlich werde. Es wird also ein in der religiösen Mentalität zu verortender Grund für die Langlebigkeit des Heiden­ tums genannt. Der König sei in diesem Zusammenhang seiner rex-et-sacerdos-Funk­ tion gerecht geworden. Im Spannungsfeld zwischen traditioneller Rollenerwartung und individueller Heilsunsicherheit habe sich auch Rædwald von East Anglia befunden, als er nach seiner Taufe in seinem Tempel sowohl einen christlichen als auch einen heidnischen Altar aufstellen ließ.21

17 Vgl. von Padberg, Mission und Christianisierung, 246  f. 18 Vgl. Ebenda, 249, 251. 19 Vgl. Ebenda, 257  f. Ergänzt wird dieser Aspekt in von Padberg, Die Inszenierung religiöser Kon­ frontationen, 73  f. wo als ein Grund für die Offenheit gegenüber dem religiösen Wettbewerb das große Selbstbewusstsein der Anhänger des Polytheismus genannt wird, „die sich der Auseinandersetzung gewachsen sah(en) und überdies durch das Fehlen eines Absolutheitsanspruches zu elastischen Re­ aktionen bis hin zur Erweiterung der Zahl der Götter fähig war(en).“ 20 Ebenda, 250 21 Vgl. Ebenda, 252  ff. Das Konfliktpotential, das sich aus der Rollenerwartung an Könige als pagane Kultspezialisten ergab, wird auch in von Padberg, Odin oder Christus?, 256  f. als bedeutsam für die mitunter zögerliche Haltung dem Christentum gegenüber angeführt.

8 

 Einleitung

Bei der Frage nach den Bedingungen der religiösen Koexistenz meint von Padberg, Æthelberht habe Druck zur Konversion wohl aus eigener Überzeugung angewandt, und um seine christliche Herrschaft zu festigen. Bei Eadbald hätten kirchlicher und fränkischer Einfluss bei seiner Entscheidung für eine Taufe zusammengespielt.22 Auch von Padberg weist auf die zentrale Rolle der Archäologie bei der Beantwor­ tung der Frage nach dem Ende der religiösen Koexistenz hin. Gräber mit Hinweisen auf heidnische Religiosität habe es bis ins 8. Jahrhundert hinein gegeben.23 Richard Fletchers The Barbarian Conversion von 1997 geht vom Umfang der Untersuchung her noch über Mayr-Harting und von Padberg hinaus. Fletcher unter­ sucht in einem Gesamtüberblick die Geschichte der Ausbreitung des Christentums in West- und Nordeuropa. Die Christianisierung der Angelsachsen ist dementsprechend nur ein kleiner Teil seines Gegenstandbereichs. Zur Frage nach den Voraussetzungen für die parallele Existenz von Heidentum und Christentum weist er auf die Erwartun­ gen der Konvertiten hin, aus denen sich Elemente der Verzögerung ergeben hätten.24 Konkret konnte dies bedeuten, dass wie im Falle Edwins von Deira christliche Mission und heidnischer Kult nebeneinander fortbestanden, weil sich in den Augen der Men­ schen erst das Potential des Gottes der Christen als Helfer in der Schlacht erweisen musste.25 Zu den Bedingungen der Koexistenz finden sich bei Fletcher drei Aspekte. Erstens weist er auf den Druck zur Konversion hin, den Edwin nach seiner eigenen Taufe ausgeübt habe.26 Zweitens entwickelt er am Beispiel Rædwalds von East Anglia die These, dass viele Getaufte den monotheistischen Anspruch des Christentums gar nicht verstanden hätten. So ließe sich die parallele kultische Verehrung Christi und der paganen Gottheiten erklären.27 Drittens weist er darauf hin, dass bei der religi­ ösen Entwicklung innerhalb eines Königreiches die Rolle der Aristokratie entschei­ dend war.28 Gerade dieser letzte Hinweis ist wichtig, da hier die Rolle der Großen bei der Entscheidung über eine dem Recht entsprechende Lebensweise in den Blick gerückt wurde. Im selben Jahr erschien das für die Forschungsgeschichte zum angelsächsischen Frühmittelalter wichtige The Convert Kings von Nicholas Highams. In einem menta­ litätsgeschichtlichen Ansatz stellte der Autor die Frage nach der lebensweltlichen Nützlichkeit der Konversion zum Christentum, aber auch der fortgesetzten Koexis­ tenz beider religiöser Systeme für die Könige der Zeit.29 Wie Fletcher betont Higham darüber hinaus die Wichtigkeit der lebenspraktischen Effizienz bei der Annahme der

22 Vgl. Ebenda, 247  f. 23 Ebenda, 301. 24 Vgl. Fletcher, The Barbarian Conversion, 106. 25 Vgl. Ebenda, 4  f. 26 Vgl. Ebenda, 120. 27 Vgl. Ebenda, 123. 28 Vgl. Ebenda, 124. 29 Vgl. Higham, The Convert Kings, 1, 138.



Einleitung 

 9

neuen Religion.30 Die Bedingungen der Koexistenz werden bei Higham kaum in den Blick genommen. So stellt er lediglich fest, dass unter Æthelberht von Kent einige Menschen sich gezwungen sahen, das Christentum auf dessen Druck hin anzuneh­ men.31 Auch hier wird festgestellt, dass die gleichzeitige Verehrung des Gottes der Christen und der alten Götter aus der polytheistischen Perspektive keinen Wider­ spruch darstellte.32 1998 erschien Carole Cusacks Studie über Conversion Among the Germanic Peoples. Der Anspruch der Autorin ist es, ein Modell für Konversionen zu entwickeln, das den kognitiven und sozialen Voraussetzungen der zu missionierenden Kulturen Rechnung trägt.33 Es folgen eine Reihe von Einzelfallbetrachtungen, die auch die Kon­ version der Angelsachsen einschließen. Dabei scheint die Autorin allerdings von einer sehr statischen Vorstellung der Interdependenzen von königlicher Entscheidung zum Glaubenswechsel und den Auswirkungen auf die Aristokratie auszugehen.34 Das Phänomen der parallelen Existenz von Heidentum und Christentum lässt sich unter diesen Voraussetzungen nicht erklären, und es wird auch nur im Zusammenhang mit Eadbald von Kent angedeutet, nicht aber einer genaueren Betrachtung unterzogen.35 Sehr viel differenzierter ist Barbara Yorkes Beitrag The Reception of Christianity at the Anglo-Saxon Royal Courts, der in Richard Gamesons Sammelband St Augustine and the Conversion of England von 1999 aufgenommen wurde. Yorke greift Highams Forschung über die politische Motivation zur Konversion auf. Ihr Fokus liegt auf der Frage, welche Erwartungen die Königshöfe grundsätzlich an Religion hatten, und welche Erfahrungen bei der Integration religiöser Einflüsse sie bisher gemacht hatten.36 Yorke nennt zwei mögliche Gründe für die nur zögerliche Annahme des Christentums durch angelsächsische Könige und deren Große. So sei es zum einen denkbar, dass erst die Abstammung von den Göttern, wie sie in den überlieferten Königsgenealogien bezeugt ist, eine Familie zu einer königlichen Familie gemacht habe.37 Zum anderen könnte die Verzögerung bei der Durchsetzung des Christen­ tums damit zusammenhängen, dass diese neue Religion den Erfordernissen einer Kriegergesellschaft nicht entsprach. Erst als die Tauglichkeit des neuen Gottes als Helfer in der Schlacht in den Augen der Aristokratie erwiesen war, war sie bereit, den Glaubenswechsel mit zu tragen und mit zu vollziehen.38 Eine weitere Erklä­ rung für die lange Zeit des Nebeneinanders von Christentum und Heidentum, die

30 Vgl. Ebenda, 168. 31 Vgl. Ebenda, 133. 32 Vgl. Ebenda, 136. 33 Vgl. Cusack, Conversion Among the Germanic Peoples, vif. 34 Vgl. Ebenda, 99, 101. 35 Vgl. Ebenda, 101. 36 Vgl. Yorke, The Reception of Christianity at the Anglo-Saxon Royal Courts, 152. 37 Vgl. Ebenda, 161. 38 Vgl. Ebenda, 166  f.

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auch Yorke übernimmt, ist die, dass der angelsächsische Polytheismus die Integra­ tion neuer Gottheiten grundsätzlich ermöglichte. Wie bei Rædwald von East Anglia oder dem Benty Grange Helm deutlich werde, sei die Kombination heidnischer und christlicher Inhalte aus polytheistischer Perspektive gut möglich gewesen.39 In ihrem 2003 erschienenen Überblickswerk The Conversion of Britain fügte Yorke ihrer Liste von Gründen für das Beharrungsvermögen des Polytheismus noch das Verlangen hinzu, die eigene politische Unabhängigkeit zu dokumentieren oder, wie im Falle von Eadbald von Kent oder den Söhnen Sæberhts von Essex, einen anderen politischen Kurs als der Vorgänger zu signalisieren.40 Die Untersuchung Yorkes ging über die Frage nach dem Beginn der religiösen Koexistenz hinaus. Sie untersuchte ebenso, ob es möglich sei, Aussagen über das Ende dieses Zeitraums zu treffen. Dabei rückte sie als Kriterium für das endgültige Ende des Polytheismus die Zerstörung von dessen Kultanlagen in den Mittelpunkt. Ohne möglichen archäologischen Hinweisen nach­ zugehen, stellte sie auf den Berichten Bedas basierend fest, dass in Kent und East Anglia bis in die 640er Jahre hinein heidnische Kultanlagen existiert haben müssen.41 Ein weiteres aus den Informationen der Textquellen abgeleitetes Kriterium für den Grad der Christianisierung ist die Bereitschaft von Königen, für den Bau bzw. für die Erweiterung von Klöstern zu stiften, oder sogar aus religiöser Motivation auf die Herr­ schaft zu verzichten.42 In ihrem 2003 erschienenen Religio et Sacrilegium wies Nicole Zeddies auf eine Lücke in der bisherigen Forschung hin. Die Verfolgung von Magie und Glaubens­ verbrechen gehörte seit der Spätantike zu den Herrschaftsaufgaben. Daher mussten diese Praktiken auch in den Blick von Herrschern geraten, die ihre romanitas her­ ausstellen wollen.43 Der angelsächsische Raum wird hier jedoch ausgespart. Es wird zu untersuchen sein, ob sich für den insularen Raum gleiche oder ähnliche Dynami­ ken feststellen lassen, wie Zeddies sie für das europäische Festland herausarbeiten konnte. 2007 erschien die Untersuchung Reluctant Kings and Christian Conversion in Seventh Century England von Damian Tyler. Er geht davon aus, dass die Annahme des Christentums für die Großen eines Reiches oftmals von Nachteil war. Da die Könige aber auf die Unterstützung dieser Gruppen angewiesen waren, konnten sie nicht einfach das Christentum annehmen und einführen, sondern waren auf beson­ dere Umstände angewiesen. Tyler gibt mit Eorceneberht von Kent und Sigeberht von Essex zwei konkrete Beispiele an, um seine These zu untermauern.44 Er weist wei­ terhin darauf hin, dass gegen Ende des 7. Jahrhunderts den Großen Karrieren in der 39 Vgl. Ebenda, 164  f. 40 Vgl. Yorke, The Conversion of Britain, 128. 41 Vgl. Dies., The Reception of Christianity at the Anglo-Saxon Royal Courts, 162. 42 Vgl. Yorke, The Conversion of Britain, 135. 43 Vgl. Zeddies, Religio et Sacrilegium, 26  f. 44 Vgl. Tyler, Reluctant Kings and Christian Conversion in Seventh Century England, 153  f.



Einleitung 

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Kirche offenstanden. Die Entwicklung einer Adelskirche war daher wesentlich, um die Annahme des Christentums durch die Aristokratie zu ermöglichen.45 Die Abhängigkeit von der Zustimmung der Großen zu Konversion wiederum in den Blickpunkt zu rücken, ist ein wichtiger Beitrag, um das Nebeneinander der Reli­ gionen erklären zu helfen. Selbst nach der Taufe eines Königs, musste dieser wei­ terhin auf die Stimmung innerhalb der obersten gesellschaftlichen Schichten achten und konnte nur vorsichtig agieren. Der Ansatz von Marilyn Dunns Studie The Christianization of the Anglo-Saxons c. 597–c. 700 von 2009 war es, Erkenntnisse aus der anthropologischen Forschung, besonders die Unterscheidung zwischen einem imagistic und einem doctrinal Modus von Religiosität, auf die Verhältnisse im angelsächsischen England des 7.  Jahrhun­ derts zu übertragen.46 Dabei stellte sie besonders den Umgang mit den Verstorbe­ nen als einen zentralen Bereich dar, der die Annahme des Christentums entweder erleichtern, oder auch erschweren konnte. In diesem Zusammenhang deutet Dunn den ostsächsischen Rückfall zum heidnischen Kult von 664 als eine Reaktion auf die Angst vor Wiedergängern, der mit traditionellen Riten begegnet werden sollte.47 Darüber hinaus seien der Mangel an Priestern, der zu einer langsamen Mission und zu falschen Vorstellungen über das Wesen des Christentums geführt habe48 sowie die zentrale Rolle von Frauen bei traditionellen Kulthandlungen rund um das Thema Fortpflanzung, einem Bereich für den die Kirche lange keine gleichwertigen Angebote habe machen können, für das Beharrungsvermögen des Polytheismus verantwortlich gewesen.49 Für die Spitzen der Gesellschaft seien zudem die mögliche Gefährdung von Verbindungen zu noch heidnischen Nachbarn50 sowie die Erwartung, dass sich die lebenspraktische Effizienz des Gottes der Christen erst erweisen müsse, hemmende Faktoren bei der Annahme des Christentums gewesen.51 Während die Notwendigkeit des Effizenzerweises in der Forschung unumstritten ist, muss bei dem vorletzten Punkt eingewandt werden, dass die Ablehnung politischer Kontakte zwischen einem polytheistischen und einem christlichen Reich von heidnischer Seite aus zumindest für England nicht bekannt ist. Ganz im Gegenteil suchte etwa Edwin von Deira den Kontakt zum christlichen Hof von Kent, als er um die Hand von Eadbalds Schwester Æthelburh warb.52 Malcolm Lamberts Christians and Pagans von 2010 hat eine umfassende Darstel­ lung der Geschichte des Christentums in Britannien zum Ziel. Dabei legt der Autor

45 Vgl. Ebenda, 160. 46 Vgl. Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c. 597–c. 700, 4  ff. 47 Vgl. Ebenda, 192. 48 Vgl. Ebenda, 110  f. 49 Vgl. Ebenda, 138. 50 Vgl. Ebenda, 102, 106. 51 Vgl. Ebenda, 108. 52 Vgl. Kapitel 2.

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 Einleitung

Wert darauf, die Zusammenhänge zwischen dem britischen Christentum der Römer­ zeit und dem Christentum der Angelsachsen aufzuzeigen.53 Die zentrale These Lam­ berts zur Erklärung der Koexistenz von heidnischer und christlicher Religion nach dem Beginn der Mission ist die Abhängigkeit von Königen der Zeit von ihrer konser­ vativen Aristokratie. Dies wird am Beispiel Æthelberhts von Kent verdeutlicht, der auch nach seiner Taufe den unter seinen Kriegern tief verwurzelten Wodenkult nicht habe bekämpfen können.54 Das gleiche Bild habe sich in Sussex geboten, wo die Ablehnung des Christentums durch die Großen des Reiches noch zusätzlich mit der Zurückweisung des Hegemonialstrebens Wulfheres von Mercia einhergegangen sei.55 Edwin von Deira habe sich schwer getan, die Koexistenz beider Kulte zu beenden, und sich für das Christentum zu entscheiden, weil diese Religion zugleich die Reli­ gion seiner britischen Feinde gewesen sei.56 Bei der Frage nach den Lebensbedin­ gungen von Polytheisten nach dem Beginn der Mission trägt Lambert eine Reihe von Einzelbeobachtungen bei. So habe Æthelberht von Kent eine christliche Lebensweise seiner Untertanen gefördert, ohne gesetzliche Strafen gegen den heidnischen Kult zu verhängen.57 Auch unter seinem Sohn Eadbald sei die Wahl der Religion in Kent frei gewesen.58 In Northumbria hingegen sei das Heidentum ab 627 oder 628 ohne könig­ liche Unterstützung im Niedergang gewesen59, während es in East Anglia unter den führenden Schichten der Gesellschaft noch lange fest verankert war, wie der Mord an König Eorpwald zeige.60 Grundsätzlich habe das Heidentum langsam an Rückhalt verloren, weil Adelssöhne zunehmend an christlichen Höfen sozialisiert wurden und ihre dort gewonnenen Erfahrungen und Einstellungen in ihre späteren Leben mitnah­ men.61 Zusammenfassend ist in der bisherigen Forschung die folgende Reihe von Fak­ toren identifiziert worden, die zur Koexistenz von Christentum und Heidentum im angelsächsischen England führten. Erstens erwiesen sich religiöse Empfindungen und Bindungen als langlebig. Zweitens verhinderte die oftmals geringe Zahl der Mis­ sionare ein schnelles Aufbrechen dieser traditionellen Strukturen. Drittens stellte der Religionswechsel eine potentielle Gefährdung der Legitimation der herrschaftlichen Familie dar. Viertens spielten Erwartungen an die lebenspraktische Effizienz einer Religion eine große Rolle, so zögerte manch ein König die endgültige Entscheidung

53 Vgl. Lambert, Christians and Pagans, xvff. 54 Vgl. Ebenda, 169, 177  f. 55 Vgl. Ebenda, 258. 56 Vgl. Ebenda, 192. 57 Vgl. Ebenda, 173. 58 Vgl. Ebenda, 189  f. 59 Vgl. Ebenda, 195  f. 60 Vgl. Ebenda, 196. Gleichwohl müsse festgehalten werden, dass der Tod Rædwalds 624 oder 625 auch in East Anglia den Niedergang des Polytheismus eingeläutet habe. Vgl Ebenda, 185, 189. 61 Vgl. Ebenda, 221.



Einleitung 

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so lange hinaus, bis die Nützlichkeit des neuen Gottes, besonders als Helfer in der Schlacht, bewiesen war. Fünftens war die Wahlfreiheit der Religion im angelsächsischen England als einem skandinavisch geprägten Raum nicht ohne Parallele. Diese Einstellung ermög­ lichte wohl auch sechstens die Widerstände in der Aristokratie, die auch einen getauf­ ten König manches Mal dazu veranlassten, den heidnischen Kult weiterhin zuzulas­ sen. Siebtens war dieser Widerstand oftmals das Ergebnis politischer Gegnerschaft zu einem benachbarten christlichen Reich. Bei der Frage nach den Bedingungen der Koexistenz wurden bislang vor allem die Verhältnisse in Kent, Essex, Northumbria und Wessex in den Blick genommen. Diese vier Reiche liefern in den historischen Quellen sicher die am leichtesten zugängli­ chen Informationen zu diesen Aspekten. Neben der Religionspolitik Æthelberhts ist die Möglichkeit des Polytheismus, dem eigenen Pantheon neue Götter durch Zuwahl hinzuzufügen, mehrfach als ein prägendes Phänomen der Übergangsphase beschrie­ ben worden. Mit Blick auf Kent und Wessex ist anhand von Ines Gesetz und dem Bußbuch Erzbischof Theodors die Durchsetzung einer christlichen Lebensweise mit recht­lichen Mitteln untersucht worden. Kent, Essex und East Anglia sind die Reiche, für die sich Aussagen über das Ende der Koexistenz finden lassen. Diese basieren in der Regel auf den Angaben Bedas und einiger Schlaglichter auf die archäologische Forschung. Eine systematische Untersuchung der eingangs genannten Fragen, die alle angel­ sächsischen Reiche und alle zur Verfügung stehenden Quellen in den Blick nimmt, stand somit bislang aus. Den Einzelkapiteln zur Geschichte der Polytheisten in den angelsächsischen Königreichen des 7. Jahrhunderts nach dem Beginn der Mission ist ein Grundlagen­ kapitel vorangestellt. Hier werden der Arbeit zugrunde liegende Definitionen von zentralen Begriffen wie „Recht“ oder „Heidentum“ sowie eine Orientierung über den ethnischen Begriff „Angelsachsen“ dargestellt. Zudem wird der für die vorliegende Arbeit wichtigen Frage nach dem Zusammenhang von Recht und Religion bei den Angelsachsen vor der Christianisierung nachgegangen. Es folgen Einzeluntersuchungen der zentralen Fragekomplexe für jedes der sieben Reiche der Angelsachsen im 7. Jahrhundert. Die Reihenfolge der Kapitel orien­ tiert sich dabei an der Chronologie der Missionsunternehmen. So ist dem Königreich Kent, das als erstes der Reiche Ziel einer christlichen Mission wurde, das erste Kapitel gewidmet. Die Geschichte der Polytheisten von Sussex, das erst im letzten Viertel des 7. Jahrhunderts zum Missionsfeld wurde, ist der Gegenstand des letzten Kapitels in der Reihe. Zuletzt erfolgt eine zusammenfassende und synthetisierende Darstellung der Ergebnisse und die Beantwortung der eingangs gestellten Fragen.

1 Grundlagen Die Auseinandersetzung mit frühmittelalterlichen Quellen ist eine anspruchsvolle und voraussetzungsreiche Arbeit. Die geistige Welt der damaligen Autoren ist dem heutigen Leser oft völlig fremd, auch wenn einige Begriffe Bekanntheit vermuten lassen. Daher müssen zunächst einige Begriffe geklärt und grundlegende Fragen beantwortet werden. Wie nannten die gentes, die heute allgemein als Angelsach­ sen bezeichnet werden, sich selbst? Wie kann man die Menschen bezeichnen, die der vorchristlichen Religion der Angelsachsen angehörten? Schließlich muss erörtert werden, was in einem frühmittelalterlichen, nord-westeuropäischen Kontext unter „Recht“ zu verstehen ist, mithin was Handlungen, Bestimmungen und Urteilen Legi­ timität verlieh. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei der Frage nach dem Rechtsleben einer weitgehend mündlichen Gesellschaft. Zahlreiche Veröffentlichungen, die sich mit Fragestellungen rund um die angelsächsischen Gesetze befassen, stellen fest, dass das Recht des englischen Frühmittelalters ein weitgehend mündliches Recht gewesen sei.1 Diese Feststellung ist zweifellos richtig, führt ihrerseits jedoch zu einer Reihe von grundsätzlichen Problemen. Wie hat man sich etwa eine solche mündliche Weiter- und Wiedergabe von Recht vorzustellen und wer waren die Träger dieser oralen Rechtskultur bei den Angelsach­ sen? Es ist möglich, sich dieser frühesten Stufe des angelsächsischen Rechts auf der Grundlage von Rückschlüssen aus der Analyse der frühesten schriftlichen Überliefe­ rung und der vergleichenden Rechtsgeschichte anzunähern. Bei der Untersuchung dieser Fragen kommt den frühesten angelsächsischen Gesetzestexten ein besonderes Gewicht zu. Aus Sicht der Missionare war ihre Arbeit ein Kampf gegen dämonische Mächte, die hinter dem polytheistischen Opferkult vermutet wurden.2 Die christliche Perspek­ tive schloss ein dauerhaftes Nebeneinander von Christentum und alter Religion somit aus. Eine Lebensordnung, deren Ursprung in Gott gesehen wurde, konnte in diesem Punkt letztlich nicht kompromissbereit sein. Um alle gesellschaftlichen Triebkräfte

1 Vgl. Lück, Recht, 210, von Padberg, Mission und Christianisierung, 278, Vollrath, Gesetzgebung und Schriftlichkeit, 37, 54 sowie Wormald, The Making of English Law, 94  f. Siehe Dilcher, Mittelalterliche Rechtsgewohnheit als methodisch-theoretisches Problem, 23 zum ungeschriebenen Recht „germani­ scher Eroberervölker“ (Ebenda) zur Zeit ihrer Reichsgründungen allgemein. Einen zusammenfassen­ den Überblick über die Forschung zum Recht des frühen Mittelalters bietet Kannowski, Rechtsbegriffe im Mittelalter. 2 Vgl. zum Verständnis des Heidentums aus kirchlicher Sicht von Padberg, Mission und Christia­ nisierung, 32  ff. Bes.: 34: „Die Situation der Heiden ist daher aus Sicht der Christen mehr als bekla­ genswert, denn sie verfallen dem Teufel und seinen Dämonen, weil sie ihre eigenen Wünsche und Vorstellungen in die Bilder von Göttern projizieren.“ Siehe ebenfalls Ders., Die Inszenierung religiöser Konfrontationen, 121 und Ders., Odin oder Christus ?, 257.

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 Grundlagen

der Missions- und Christianisierungszeit erfassen und verstehen zu können, ist eine Auseinandersetzung mit dem Zusammenhang von Recht und Religion bei den heid­ nischen Angelsachsen notwendig.

1.1 Angelsachsen Der Name Angelsachsen wird verwendet, um sich auf alle germanischsprachigen Bewohner Britanniens zu beziehen. Im Sprachgebrauch des Historikers, der die Zeit des 6. bis 8.  Jahrhunderts in den Blick nimmt, handelt es sich dabei um eine ver­ allgemeinernde Sammelbezeichnung. Denn sicher ist, dass die Zeitgenossen des angelsächsischen Königs Æthelberht, um ein Beispiel zu nennen, den Begriff nicht kannten. Der König selbst wird sich weder als Angelsachse noch als Angel oder Sachse, sondern wie seine Nachfolger an der Spitze des Königreiches Kent als Cantwara cyning3, als König der Kenter, bezeichnet haben. Für die Herrscher anderer Königreiche sind entsprechende Titel überliefert. Es ist letztlich der kirchlichen Überlieferung und deren Einfluss auf das Geschichtsbewusstsein der Angelsachsen zu verdanken, dass sich diese Bezeich­ nung fest- und durchsetzen konnte. Der Name der Angeln, die sicher einen Teil der poströmischen Immigranten von der kontinentalen Nordseeküste stellten, wurde von Gregor dem Großen als Sammelbezeichnung eingeführt. Der Papst wandte sich an den erwähnten König der Kenter als den rex Anglorum.4 Beda griff diese Bezeichnung auf, als er sein Hauptwerk die historia ecclesiastica gentis Anglorum nannte. Bei allen Unterschieden und aller politischen Rivalität untereinander, setzte sich die Idee einer alle Reiche der Heptarchie umfassenden Kirche der Angli durch, die in den Augen Gottes ein Volk waren.5 So wurde aus einer ursprünglichen Fremdbezeichnung mit der Zeit ein integrierender Gesamtname, zumindest für den kirchlichen Bereich. Der Sachsenname wird neben dem der Jüten von Beda herangezogen, um die Ursprünge der germanischsprachigen Bewohner Britanniens in ebenfalls vereinfa­ chender Weise darzustellen.6 Aus den einzelnen Stammesnamen entwickelte sich ab 3 Hl El „Hloþhære ˥ Eadric, Cantwara cyningas […].“ oder Wi El „Ðam mildestan cyninge Cantwara Wihtrede […].“ 4 Der Brief ist im Register Gregors unter der Nummer XI, 37 und in der HE I, 32 überliefert. „[…] filio Aedilbercto regi Anglorum […].“ 5 Vgl. Hill, The Anglo-Saxons, 17. 6 HE I, 15 „Tunc Anglorum siue Saxonum gens […] Brittaniam tribus longis nauibus aduehitur […]. Aduenerant autem de tribus Germaniae populis fortioribus, id est Saxonibus, Anglis, Iutis.“ Dass es sich bei den Angeln und den Sachsen zunächst um einzelne Stämme handelte, scheint Beda nicht vollkommen klar gewesen zu sein. Vgl. Kuhn, Angelsachsen, 304. In der Tat ist Beda nicht konsistent in seiner Nennung der Ursprünge der gens Anglorum. In HE V, 9 zählt er die „Fresones, Rugini, Danai, Hunni, Antiqui Saxones, Boructarii“ als diejenigen Völker auf, von denen die gegenwärtigen Bewohner Britanniens ihre Ursprünge herleiteten. Für eine eingehende Diskussion der ethnischen Zuschreibun­



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dem 8. Jahrhundert allmählich der Name Angelsachsen. Zunächst war es wohl wieder eine Fremdbezeichnung, die zum ersten Mal in der historia Langobardorum (PHL) des Paulus Diaconus historisch belegt ist.7 Zwar bestand unter den so bezeichneten Angelsachsen auch vor dem 9. Jahrhundert eine politische Verbindung, indem je ein König eine besondere Vorherrschaft ausübte, doch war es erst Ælfred von Wessex, der in der Folge der Däneneinfälle in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts ein einziges Königreich aller Angelsachsen schuf, und sich in seinen späten Urkunden auch dem­ entsprechend nannte.8 Gleichwohl ist nicht feststellbar, inwiefern der Begriff auch in den täglichen Sprachgebrauch einging, oder wie Kuhn postulierte „gelehrtes Latein“ war und blieb.9 Es ist also eine rückschauende Generalisierung, auch schon für die Jahrhunderte vor Ælfred von Angelsachsen zu sprechen. Gleichwohl ist dieser Sprachgebrauch zum einen durch die Tradition legitimiert und zum anderen nicht gänzlich ohne Grund­ lage, wenn er dazu dient, Gemeinsamkeiten unter den vom Kontinent stammenden, germanischsprachigen gentes aufzuzeigen. Um der kulturellen Vielfalt der Zeit gerecht zu werden, soll jedoch wo möglich zwischen den einzelnen Bevölkerungsgruppen unterschieden werden. Diese Absicht wird auch in der Gesamtkonzeption der Untersuchung deutlich.

1.2 Heidentum Im Folgenden werden die Begriffe „Heidentum“ und „Polytheismus“ synonym gebraucht werden. Ungeachtet möglicher Differenzierungen zwischen den beiden Begriffen in der Religionswissenschaft ist diese Vorgehensweise hier berechtigt, da in dieser Arbeit eine historische Fragestellung im Zentrum der Untersuchung steht. Beide Begriffe sind Generalisierungen aus der Sicht des modernen Historikers. Sie sollen die Glaubenswelt, die kultischen Praktiken und die Mentalität der Bewohner jener nordwesteuropäischen Welt bezeichnen, zu deren Bekehrung zum Christentum sich die lateinische Kirche im frühen Mittelalter aufgefordert sah. Eine Abstrahierung unter Zuhilfenahme moderner Begrifflichkeiten ist unum­ gänglich, da die Quellen aus der Missionszeit selbst nur stark negativ eingefärbte generalisierende Begriffe aus der kirchlichen Tradition verwenden. Es gibt keine überlieferte Selbstbezeichnung der Anhänger der heidnischen Religion der Angel­

gen bei Beda und von deren Hintergründen siehe Pohl, Ethnic Names and Identities in the British Isles, 13  ff. und Wood, Before and After the Migration to Britain. 7 PHL, IV, 22 „[…] qualia Anglisaxones habere solent […].“ PHL, VI, 15 „His diebus Cedoal rex Anglorum Saxonum […].“ Siehe dazu auch Kuhn, Angelsachsen, 306. 8 Vgl. Hill, The Anglo-Saxons, 19. 9 Vgl. Kuhn, Angelsachsen, 306.

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 Grundlagen

sachsen.10 Die ältesten insularen Quellen, in denen Bezug zur vorchristlichen Glau­ benswelt der Angelsachsen genommen wird, sind zum einen der erste Teil von Gildas de excidio Britanniae, der eine britisch-kirchliche Außensicht wiedergibt, und zum anderen kentische Gesetzestexte des 7.  Jahrhunderts und das Bußbuch des Erzbi­ schofs Theodor von Canterbury, die eine ebenfalls bereits christliche Perspektive bieten. Der kirchlichen Tradition entsprechend ist Gildas nicht an Details des Hei­ dentums der Invasoren aus dem Osten interessiert und bezeichnet diese als „barbaricae ferae bestiae“11, „Saxones Deo hominibus invisi“12 oder „orientali sacrilegorum manu“13. Das Gesetz König Wihtreds von Kent, wohl 695 entstanden14, ist der älteste altenglische Text, der Bezug zum heidnischen Kult der Kenter nimmt. In den Sätzen 9, 9.1 und 10 wird das Verbot „deoflum“15 (Teufeln/Dämonen) zu opfern, ausgesprochen. Die lateinische Entsprechung findet sich im Bußbuch des Erzbischofs Theodor. Hier ist die Rede von „daemonibus“16 und „divinationes diabolicas“17. Wie bei Gildas folgt die Ausdrucksweise im Bußbuch antiken Gewohnheiten und sagt nichts Spezifisches über die Religion der angelsächsischen Heiden aus.18 Antike Vorbilder aufgreifend setzten christliche Autoren des Mittelalters die Götter der Heiden mit dem Teufel und seinen Dämonen gleich. Dabei bedienten sie sich eines euhemeristisch-dämonologischen Erklärungsmusters, wonach es sich bei den Göttern um verdienstvolle Menschen der Vorzeit gehandelt habe. Die Menschen hätten angefangen, diese Helden zu verehren und sich Bilder aus Holz oder Stein für den Kult zu schaffen. Die Dämonen würden sich in diesen leeren Hüllen einnisten, sich die Verehrung zu Nutze machen, um so kultische Ehren zu erlangen. Teilweise brächten erst die Reaktionen des Dämons auf die Opfergaben und rituellen Handlun­ gen der Menschen den Kult eines Götzen zur Geltung.19 Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass die christlichen Autoren, die etwa über die Heidenmission schrieben, kein Interesse daran hatten, Details des über­ wundenen Dämonendienstes festzuhalten.20 Auch in Texten aus der Zeit der Planung

10 Vgl. Arnold, An Archaeology of the Early Anglo-Saxon Kingdoms, 149 und Wilson, Anglo-Saxon Paganism, 22, 43. 11 De Exc. Brit. I, 18. 12 De Exc. Brit. I, 23. 13 De Exc. Brit. I, 24. 14 Vgl. Oliver, The Beginnings of English Law, 165. 15 Wi 9, 9.1, 10. 16 U I XV 1. 17 U I XV 4. 18 Vgl. Meaney, Anglo-Saxon Idolators and Ecclesiastics from Theodore to Alcuin, 103  f. 19 Vgl. Weber, Euhemerismus, 1  f., 4  ff. 20 Vgl. Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 24, von Padberg, C ­ hristen und Heiden, 292  ff., Ders., Mission und Christianisierung, 32  ff., 36  ff., Ders., Die Christianisierung Europas im Mittelalter, 35  ff., Schäferdiek, Heide $2. Theologisch-Historisches, 143, Scior, Kulturkon­ flikte?, 9, 11. Ein etwas späteres Beispiel für diesen Sprachgebrauch ist Bedas Kirchengeschichte.



Heidentum 

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eines Missionsunternehmens21 sind keine genauen Informationen zu erwarten, war doch auch hier klar, dass die „Götter“ der Heiden nichtig und lediglich Hüllen für die Dämonen waren. Zu diesen beiden Punkten kommt als dritter Aspekt hinzu, dass im Zuge der Etablierung eines einheitlichen Christentums im Verlauf des Frühmittelal­ ters in einer verallgemeinernden Rückschau gleichsam als überwundener religiöser Widerpart die Idee eines einheitlichen Heidentums aufkam.22 Während sich die Forschung noch bis lange ins 20. Jahrhundert hinein nicht von dem Bild der Quellen eines einheitlichen germanischen Heidentums lösen konnte, ist heute klar, dass hier zwischen den einzelnen gentes, den geographischen Räumen und betrachteten Zeitabschnitten unterschieden werden muss.23 Selbst über den relativ eng begrenzten Bereich der Religion der Angelsachsen wurde konstatiert, dass es angemessener sei von regionalen Unterschieden auszu­ gehen.24 Ein möglicher Faktor ist hierbei der Grad eines angenommenen Einflus­ ses romano-britischer Vorstellungen und Kultpraktiken auf das religiöse Leben der germanischsprachigen Einwanderer vom Kontinent.25 Wo es notwendig ist, wird an den entsprechenden Stellen auf Variationen in den vorchristlichen Praktiken der Angelsachsen eingegangen werden. Grundsätzlich ist es wichtig, sich bei einer Unter­ suchung der Geschichte der Polytheisten während der Zeit von Mission und Chris­ tianisierung der Tatsache regionaler Variation in den unter Druck geratenen Kulten gewahr zu sein.

Beda schrieb die Geschichte der Kirche der Engländer und auch wenn die Beschäftigung mit seinem Werk für die Erforschung der Anfänge der angelsächsischen Kultur unverzichtbar ist, fällt auch hier die Übernahme traditioneller Bezeichnungen für Heiden auf. Dabei ist es interessant zu beobachten, dass Beda bei der Wiedergabe feindlicher Begegnungen in der Regel den Begriff paganus (HE I, 15; II, 5; II, 14; II, 20; III, 9; III, 13; III, 14; III, 18; III, 24; V, 10) und Derivationen gebrauchte, er aber bei der Bezeichnung zu missionierender Menschen auf sanftere Begriffe wie gentes (HE II, 2; V, 10; V, 11), infideles/incredulos (HE I, 27; III, 5; III, 19), errantes (HE IV, 27) oder barbari (HE V, 9; V, 10; V, 19) zu­ rückgriff. Zu Bedas Darstellung des Heidentums Fletcher, The Barbarian Conversion, 10. 21 Vgl. Markus, Augustine and Gregory the Great, 43, 47, der darauf hingewiesen hat, dass die Sprache der Briefe Gregors des Großen an König Æthelberht an die Ausdrucksweise der Briefe an die Her­ zöge Zabarda und Hospito auf Sardinien erinnert. Die Erfahrungen aus diesem Missionsunternehmen waren für Gregors Sicht auf „das Heidentum“ prägend. 22 Vgl. Pohl, Die Germanen, 85. 23 Vgl. Bleckmann, Die Germanen, 23  ff., 26 von Padberg, Mission und Christianisierung, 33, Ders., Die Christianisierung Europas im Mittelalter, 34  f., Pohl, Die Germanen, 78  ff., Wilson, Anglo-Saxon Paganism, 3. 24 Vgl. Carver, Signals of Belief in Early England, IX, Ders., Agency, Intellect and the Archaeological Agenda, 5, 6  f., 11, Meens, Questioning Ritual Purity, 176, Price, Heathen Songs and Devil’s Games, XiV, Williams, At the Funeral, 70, Wilson, Anglo-Saxon Paganism, 3. 25 Vgl. Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 27, Yorke, The Reception of Christianity at the Anglo-Saxon Royal Courts, 154.

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 Grundlagen

1.3 Recht – Grundprobleme „Recht, Religion, Moral bezeichnen Kategorien des modernen Denkens. Sind wir uns zwar über ihre genaue Abgrenzung, zumal voneinander, auch keineswegs einig, so verbinden wir mit ihnen doch Vorstellungen, die unserer eigenen sozialen Umwelt entstammen und entsprechen. Die gleichen Vorstellungen in der Welt eines fremden, vollends aber eines frühen Volkes anzutref­ fen, dürfen wir nicht erwarten. Wir werden ihr unsere Kategorien anzupassen haben, wenn wir sie verstehen wollen – wenn die Übersetzung jenes frühen Denkens ins Moderne nur leidlich adäquat soll ausfallen können. Die Formulierung des Themas und das Gebot der Klarheit erfor­ dern dabei das Wagnis von Definitionen.“26

Diese Feststellungen Rehfeldts sind auch nach beinahe sechs Jahrzehnten noch zutreffend. So hat in jüngerer Zeit Fried darauf hingewiesen, dass der Westen das Denken in Kategorien erst in der Rezeption antiker Bildung lernen musste27. Die Kirche war die Hüterin und Lehrerin dieser Denkweise. Es ist daher für einen heuti­ gen, der westlichen Denktradition verbundenen Historiker schwer, sich der Vorstel­ lungswelt und den Begriffen einer Kultur anzunähern, die außerhalb der römischen und der christlichen Welt entstanden ist, auch wenn es durchaus Kontakte und kul­ turellen Austausch gegeben hat. Eine wissenschaftliche Arbeit muss die Begriffe der Zeit aufnehmen und definieren, was unter Recht zu verstehen ist. Diese Aufgabe wird durch das Problem der oft sehr disparaten Quellenlage erschwert.

1.3.1 Zum Begriff des Rechts in oralen Gesellschaften Die Frage nach den Trägern der mündlichen Rechtskultur der heidnischen Angelsach­ sen lässt sich auf Grundlage der Quellen nicht eindeutig beantworten. Ausenda hat die Behauptung aufgestellt, dass das Gewohnheitsrecht dem Gedächtnis einer nicht näher spezifizierten Gruppe von Älteren anvertraut worden sei.28 Wie die Weiter­ gabe eines mündlichen Rechts ausgesehen haben könnte, muss vorerst im Dunkeln bleiben. Zur Beantwortung dieser Frage ist eine Definition dessen notwendig, was 26 Rehfeldt, Recht, Religion und Moral bei den frühen Germanen, 1. 27 Vgl. Fried, Das Mittelalter, 11  f. 28 Vgl. die Diskussion im Anschluss an Lendinara, The Kentish Laws, 232. Oliver, The Beginnings of English Law, 35 weist auf anthropologische Parallelen in anderen praeliteraten Gesellschaften hin, die gewisse Rechtsinhalte ebenfalls mündlich weitergeben bzw. dies getan haben. Außerdem „we find throughout the Germanic territories a figure whose job was the oral proclamation of law. […] Although there is no evidence that such an official position existed in the Anglo-Saxon territories, the Exeter book poem The Gifts of Men twice mentions those who are endowed by the Lord with the faculty of knowing the law: Sum in mæðle mægmodsnottera folcrædenne forð gehycgan, ‚A certain person can in the assembly of wise men determine the custom of the people,‘ and Sum domas con, þær dryhtguman ræd eahtiað, ‚A certain person knows the laws, where men deliberate.‘ (Dobbie & Krapp, The Exeter Book, 138  f.) Zur mündlichen Weitergabe von Recht durch „Lagmänner“ in Island siehe auch bereits Rehfeldt, Recht, Religion und Moral bei den frühen Germanen, 8.



Recht – Grundprobleme 

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hier unter Recht zu verstehen ist. In einer modernen Demokratie ist Recht die Summe all dessen, was von der gesetzgebenden Versammlung (Legislative) auf der Grund­ lage von und in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz bzw. der Verfassung eines Gemeinwesens als Gesetz beschlossen und über die entsprechenden Wege veröffent­ licht wurde.29 Die Berechtigung zur Gesetzgebung ergibt sich aus dem Status des Par­ laments als Vertretung des Souveräns – des Volkes. Die Rechtsprechung in Prozessen (Judikative) ist von diesem Bereich personell und institutionell getrennt und auch die Verantwortung für die Durchsetzung von Urteilen und die Aufsicht über die Einhaltung der Gesetze obliegt einer wiederum getrennten Gewalt (Exekutive).30 Notwendige Voraussetzung für dieses System ist ein elaboriertes rechtliches Schrifttum, das Recht grundsätzlich verfügbar, intersubjektiv nachvollziehbar und überprüfbar macht. In einer weitgehend31 schriftlosen Gesell­ schaft wie derjenigen der polytheistischen Angelsachsen ist diese Bedingung nicht gegeben. Der Begriff dessen, was unter diesen Umständen Recht ist, muss sich daher von den uns vertrauten Begriffen unterscheiden.

29 Vgl. Wesels Definition von ‚objektivem Recht‘. Wesel, Geschichte des Rechts, 57. Daneben gibt es noch das ‚subjektive Recht‘ darüber, was dem Einzelnen zusteht. z.  B. „das Eigentum eines Bürgers an einer Sache oder eine Forderung gegen seine Schuldner“ (Ebenda). 30 Dieses hier nur grob skizzierte System der Gewaltenteilung und der Volkssouveränität geht im Wesentlichen auf Denker der Aufklärung, im Besonderen Montesquieu und Rousseau zurück. Vgl. Montesquieu, Vom Geist der Gesetze. 11. Buch (hrsg. von K. Weigand), Stuttgart 1965. Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag (hrsg. von W. Tietze), München 1948. 31 Auf den britischen Inseln wurden seit dem späten 4. oder frühen 5. Jahrhundert bis ins späte 10. oder frühe 11. Jahrhundert hinein Runen benutzt. Page, An Introduction to English Runes, 21. Beim anglo-friesischen Runenalphabet, dem futhork, handelt es sich um eine um zwei Grapheme ergänzte Variante des älteren futhark. Siehe dazu Düwel, Runenkunde, 71 sowie Looijenga, Runes Around the North Sea, 159. Bei einer Fundgruppe scheint es sich um Inschriften auf Gegenständen zu handeln, die den Namen des Besitzers angeben, vgl. Düwel, Runenkunde, 73. Auch wenn Runen nicht für längere Rechtsaufzeichnungen gebraucht wurden  – jedenfalls gibt es keinen archäologischen Hinweis auf ein angelsächsisches ‚Zwölftafelgesetz‘ – war die schriftliche Fixierung rechtlicher Verhältnisse, in diesem Fall von Besitzverhältnissen, den noch heidnischen Angelsachsen also nicht gänzlich fremd. Zu den mit relativer Sicherheit vor 600 zu datierenden Funden dieser Kategorie gehören ein auf das 6. Jahrhundert datierter Schwertknauf (Ash Gilton), dessen Inschrift als ‚Sigi has me‘ interpretiert wor­ den ist (Vgl. Looijenga, Runes Around the North Sea, 162 und Page, An Introduction to English Runes, 167  f., der eine kritischere Meinung über die Lesbarkeit der Inschrift vertritt), sowie aus einer Kupfer­ legierung hergestellte Verschlüsse einer Lederbörse (Watchfield). Looijenga, Runes Around the North Sea, 169 „[…] the instription can be included in a well-known and wide-spread group of runic texts: two names, or an owner`s formula, or the naming of the object in combination with the name of the owner“. Zu Watchfield siehe auch Page, An Introduction to English Runes, 182  f., der vorschlägt, in der Inschrift „giver and recipient“ zu sehen.

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Gewohnheitsrecht32, Rechtsgewohnheiten33 oder im englischen Sprachgebrauch auch customary law34 sind Versuche, vom Standpunkt des Historikers aus, diese Andersartigkeit frühmittelalterlichen Rechts begrifflich zu erfassen. In der Rechts­ geschichte sind die genannten Begriffe Gegenstand einer Diskussion gewesen, mit dem Ziel sowohl einer begrifflichen wie auch einer inhaltlichen Schärfung. Ausgangs­ punkt hierbei war die Bewusstmachung der Gebundenheit moderner Forschung „an den eigenen Erfahrungshorizont als Erkenntnisschranke beim Verständnis des Rechts vergangener Kulturzustände.“35 Mit der Beschäftigung mit solchen speziellen Frage­ stellungen ging die „Entdeckung“ einer generellen Andersartigkeit des Mittelalters im Vergleich zu Moderne und Gegenwart einher. Von den daraus resultierenden Bemü­ hungen um eine neue Sicht- und Zugriffsweise war auch der Begriff des Gewohnheits­ rechts betroffen, bezeichnet der gleiche Begriff doch mittelalterliche Rechtszustände und „eine  – im nationalen Rahmen marginale, im Völkerrecht bedeutsamere  – Erscheinungsform des modernen Rechts.“36 Um hier differenzieren zu können, schlug Kroeschell vor, für das Mittelalter die Bezeichnung „Rechtsgewohnheit“ zu benut­ zen, während – vom Recht dieser Zeit auch begrifflich geschieden – für die Moderne von „Gewohnheitsrecht“ zu sprechen wäre.37 Dabei seien Rechtsgewohnheiten „als Bestandteile einer Kultur zu begreifen, in der Rechtsentwicklung und gerichtliche Streitentscheidung weithin noch nicht durch Gesetzgebung und Rechtswissenschaft vorgeprägt sind und nicht auf den damit verbundenen, schriftlichen Darstellungswei­ sen des Rechts als Gesetz, als Begriff und als System beruhen.“38 Da es sich bei der Rechtskultur der heidnischen Angelsachsen um einen Teil­ bereich einer Gesellschaft ohne weitverbreitete Schriftkultur handelt, gibt es keine Überlieferung von zeitgenössischen Reflexionen über das Wesen des Rechts. Die frü­ hesten angelsächsischen Rechtsquellen sind die kentischen Gesetze des 7. Jahrhun­ derts, allen voran das Gesetz König Æthelberhts. Diese Texte enthalten allerdings keine expliziten Aussagen über das Wesen des Rechts und lassen allenfalls durch eine Analyse ihrer Struktur Rückschlüsse zu.39 Bei der Untersuchung des Wesens von Recht ist auch die Frage nach seiner Entste­ hung von Bedeutung. Spieß schreibt dazu, dass die „Iteration bestimmter Verhaltens­ weisen […] zu normativen Ansätzen führen“40 könne. Hierbei muss gefragt werden, wie aus Gewohnheiten Recht entstehen kann, und was eine reine Sitte, einen Brauch 32 Vgl. Rehfeldt, Recht, Religion und Moral bei den frühen Germanen, Vollrath, Das Mittelalter in der Typik oraler Gesellschaften, 582. 33 Vgl. Spieß, Rechtsgewohnheit, 259  f. 34 Vgl. Lendinara, The Kentish Laws, 214. 35 Schulze, R., „Gewohnheitsrecht“ und „Rechtsgewohnheiten“ im Mittelalter, 11. 36 Ebenda, 12. 37 Kroeschell & Cordes, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2, 84  ff. 38 Schulze, R., „Gewohnheitsrecht“ und „Rechtsgewohnheiten“ im Mittelalter, 13. 39 Vgl. Kapitel 1.3.2. 40 Spieß, Rechtsgewohnheit, 260.



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oder eine Gewohnheit von einer rechtlichen Vorgabe unterscheidet. Im anthropolo­ gischen Sprachgebrauch sind sowohl Recht als auch Brauch und Sitte Ordnungsty­ pen.41 Sitten und Bräuche dienen in Gruppen der Schaffung und Aufrechterhaltung einer gemeinsamen Gruppenidentität.42 Diese Schaffung von Identität geht mit sozi­ aler Kontrolle einher. Dabei gibt es keinen Grund für Sanktionen und damit einer Verrechtlichung, solange ein allgemeiner Konsens innerhalb einer Gruppe besteht. Das Verschwinden dieses Konsenses kann zur Entstehung von Recht in einem gesell­ schaftlichen Bereich führen. So hat Benda-Beckmann festgestellt, dass „Änderungen in den Verhaltensregelmäßigkeiten […] zu einer Änderung der Rechtsnorm führen, wenn sie nur in der rechten Form sanktioniert werden.“43 Der Unterschied zwischen den Ordnungstypen Sitte und Brauch auf der einen Seite und dem Recht auf der anderen Seite liegt also in der drohenden Sanktion bei einem Verstoß gegen nunmehr rechtliche Normen.44 Diese Sanktion muss durch 41 Vgl. von Benda-Beckmann, Gesellschaftliche Wirkung von Recht, 56. 42 Für den Bereich der frühmittelalterlichen gentes ist dies von Wenskus, Stammesbildung und Ver­ fassung, 38  ff., bes. 41 und von Pohl, Die Völkerwanderung, 17  f. am Beispiel der ‚Traditionskerne‘ herausgearbeitet worden. Auf den Zusammenhang von Recht und Stammesbewusstsein weist auch hin: Schulze, H., Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter Bd. 1, 23. Auch Dilcher, Mittelalterli­ che Rechtsgewohnheit als methodisch-theoretisches Problem, 24 weist auf den Zusammenhang von Recht und Identität in den Reichen des frühen Mittelalters hin. Nach Regino von Prüm war Recht das Element, das für die Unterscheidung einzelner gentes wesentlich war (Vgl. Dilcher, Leges – Gentes – Regna, 26  f.) und nach der Eingliederung in das Karolingerreich waren die Rechtsaufzeichnungen „eine wichtige Anerkennung der Identität dieser Völkerschaften.“ Ebenda., 28. Für den Bereich des verschriftlichten Rechts ist zudem die Vermutung geäußert worden, dass sich entstehende Grup­pen­ identitäten an der jeweils unterschiedlichen Höhe von Bußgeldsummen ablesen ließen. Siehe dazu Wormald, The Making of English Law, 44. 43 von Benda-Beckmann, Gesellschaftliche Wirkung von Recht, 57. Auch für Weitzel, Gewohnheits­ recht und fränkisch-deutsches Gerichtsverfahren, 71  ff. ist das Zerbrechen des Konsens im Konflikt und die Beilegung des Konfliktes im dinggenossenschaftlichen Verfahren entscheidend für die Ent­ stehung von Recht. 44 von Benda-Beckmann, Gesellschaftliche Wirkung von Recht 56. Nach Wenskus, Stammesbildung und Verfassung, 341 sind mores vor allem gefühlt bindend. Da sich das Leben der germanischen Frühzeit vor allem in kleinen Gruppen abspielte, konnte durch den drohenden Ausschluss aus der Gemeinschaft Zwang ausgeübt werden. „Nur in solchen Verhältnissen strenger sozialer Gebundenheit und Geborgenheit ist die Acht eine fürchterliche Strafe und bedeutet Ausschluß aus der Gemeinschaft praktisch das Todesurteil.“ Nach Wesel, Geschichte des Rechts, 58 bezeichnet man als Sitte „Regeln des gesellschaftlichen Umgangs.“ Dazu Dilcher, Zur Entstehungs- und Wirkungsgeschichte der mittel­ alterlichen Rechtskultur, 616  f.: „Während in Haus und Familie bis zu einem gewissen Grade Sitte und Konventionen die notwendige Verhaltensstabilisierung und Erwartungssicherheit für den anderen be­ wirken können, ist im darüber hinausgehenden Bereich bis hin zu Stamm und Völkerschaft eine Ord­ nung und Konfliktregelung notwendig, die auf einem gewissen, eventuell auch kollektiven Durchset­ zungszwang beruht und darum als Recht anzusprechen ist.“ Siehe auch Ders.: Die Zwangsgewalt und der Rechtsbegriff vorstaatlicher Ordnungen im Mittelalter. Weitzel, Gewohnheitsrecht und fränkischdeutsches Gerichtsverfahren, 81 führt „Druck, Lächerlichmachen, Verachtung, Minderung des Anse­ hens“ als Beispiele für Zwangsmittel an, die nicht von obrigkeitlicher Durchsetzung abhängig sind.

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den Träger von Herrschaft, mag dies eine Gemeinschaft, eine Gruppe von Menschen oder auch ein Einzelner oder dessen Stellvertreter sein, angedroht und durchgesetzt werden.45 Eine Erörterung dessen, was im frühmittelalterlichen England aus Sicht des For­ schenden unter Recht verstanden werden soll, wäre nicht vollständig, ginge sie nicht auch auf die Frage nach dem „für alle Rechtsbegriffe wichtigste(n) Element […] der Konstruktion der legitimen Grundlage normativer Ordnungen“46 ein. Die Frage nach einer solchen legitimen Grundlage ist im Kontext der oralen Rechtskultur der heidni­ schen Angelsachsen eng mit den Bereichen der Rechtsfindung und der so entstehen­ den Legitimität von Urteilen verbunden.

1.3.2 Rechtsfindung Fragt man nach den Reaktionsmöglichkeiten der kentischen Gesellschaft auf die religiöse Konkurrenzsituation nach Einsetzen der römischen Mission im Jahre 597, ist zunächst festzustellen, dass diese Konfrontation in zwei Informationen über die veränderte Rechtslage der Polytheisten greifbar wird. Zum einen ist hier Bedas Bemerkung über König Eorcenberht von Kent anzuführen, der im Jahr 640 als erster angelsächsischer König angeordnet habe, „in seinem ganzen Reich die Götzenbil­ der abzuschaffen und zu zerstören.“47 Zum anderen ist an das Gesetz Wihtreds von Kent zu denken. Hier wird Ende des 7. Jahrhunderts unter Androhung empfindlicher Strafen das heidnische Opfer im häuslichen Umfeld verboten.48 Da die rechtliche Sanktion so zu einer christlichen Strategie zur Überwindung des Polytheismus wurde, muss nach den zeitgenössischen Mechanismen der Rechtsfindung gefragt werden. In diesen Zusammenhang gehört die Untersuchung der legitimierenden Grundlage des Rechts der Kenter. Auf dieser Grundlage wird es möglich werden, den Ablauf der in

45 Davon scheint auch Fikentscher, Law and Anthropology, 32 auszugehen, wenn er authority und sanction als „the two (law defining) elements“ bezeichnet. Siehe Anmerkung 81 zur Möglichkeit, auch in Gesellschaften ohne ausgeprägte herrschaftliche Strukturen durch soziale Kontrolle Verhalten zu regulieren und letztlich auch durch die Gemeinschaft zu strafen. Weitzel, Gewohnheitsrecht und fränkisch-deutsches Gerichtsverfahren, 77 schreibt „Grundsätzlich nämlich sind zumindest alle jene Normen Recht, die gerichtsfähig sind.“ Rehfeldt, Recht, Religion und Moral bei den frühen Germa­ nen, 2  f. gibt ebenfalls den Zwang als das Recht definierendes Element an, dieses Recht unterscheidet er von der Sitte. 46 von Benda-Beckmann, Gesellschaftliche Wirkung von Recht, 189. 47 HE III, 8: „Hic primus regum Anglorum in toto regno suo idola relinqui ac destrui, simul et ieiumium quadraginta dierum obseruari principali auctoritate praecepit.“ 48 Wi 9: „Gif ceorl buton wifes wisdome deoflum gelde, he sie ealra his æhtan scyldig ˥ healsfange.“ 9.1: „Gif butwu deoflum geldaþ, sion hio healsfange scyldigo ˥ ealra æhtan.“ 10: „Gif þeuw deoflum geldaþ, VI scll gebete oþþe his hyd.“



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den Quellen sich abzeichnenden allmählichen Ausgrenzung der Anhänger des Poly­ theismus genauer nachzuzeichnen und die Hintergründe aufzudecken. Der Mangel an zeitgenössischen Quellen erschwert die Auseinandersetzung. Dennoch ist zumindest eine Annäherung möglich. Dabei kann von zwei Eckdaten aus­ gegangen werden, von denen aus in einer zangenförmigen Bewegung Rückschlüsse auf die Zustände der Zeit um das Jahr 600 gezogen werden können. Der erste Punkt sind Tacitus Ausführungen in den Kapiteln elf und zwölf seiner Germania. Diese ethnographische Studie ist wohl im Jahr 98 n. Chr. veröffentlicht worden.49 Den zweiten Punkt stellt der Prolog zum Gesetz des kentischen Königs Wihtred aus dem Jahr 695 dar.50 Dieser Text ist somit der früheste Hinweis auf den Prozess der Rechtsfindung in einer angelsächsischen Rechtsquelle. Während die frühere Forschung dazu neigte, die Aussagen des Tacitus über die Kultur der Germanen als Tatsachen hinzunehmen und als Ausweis für die herausra­ genden Eigenschaften dieser vermeintlichen Vorfahren der Deutschen zu sehen51, ist heute die Skepsis über den unmittelbaren Quellenwert der Germania bezüglich der tatsächlichen Verhältnisse im rechtsrheinischen Barbaricum weit verbreitet.52 Da der Schwerpunkt der vorliegenden Studie nicht auf einer Untersuchung der gesellschaft­ lichen Verhältnisse dieses Gebiets während des 1. Jahrhunderts n. Chr. liegt, können die sich aus dieser veränderten Sichtweise ergebenden methodischen Überlegungen für den Umgang mit dieser Quelle hier nur umrissen werden. So müssen Aussagen 49 Fuhrmann, Germania, 60 sowie zum Kontext der Entstehung Dick, Der Mythos vom „germani­ schen“ Königtum, 76. 50 Vgl. Oliver, The Beginnings of English Law, 148. 51 Siehe für einen Überblick über die Rezeptionsgeschichte der Germania Pohl, Die Germanen, 59– 62. 52 Die Einschätzungen über den Aussagewert der Germania des Tacitus sind alles andere als ein­ heitlich. Für einen Überblick eignet sich Pohl, Die Germanen, 59  ff. Er weist darauf hin, dass einer „naiven Lektüre“ (Ebenda, 64) die „komplexe Struktur von Anspielungen, impliziten Wertungen und rhetorischen Strategien“ im Werk des Tacitus verborgen bleiben muss. Schulze, H., Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter Bd. 1, 30 stellt dennoch fest: „Obgleich der Bericht des römischen Autors ohne Zweifel eine Generalisierung darstellt, dürfte er im wesentlichen glaubwürdig sein.“ Siehe dazu auch Wolters, Tacitus, 262–267. Hier wird zu bedenken gegeben, dass dem Verstehen der nichtrömi­ schen Kultur durch die kulturelle Prägung des Tacitus Grenzen gesetzt waren (interpretatio Romana) und Tacitus auch keine nachweisbaren direkten Kenntnisse über den germanischen Sprach- und Kul­ turraum hatte. Daher sei Vorsicht geboten, denn die „Germania primär als Darst. germ. Altertümer zu begreifen, würde die Intention des T. verfehlen.“ Unsere Unkenntnis über die Quellen des Tacitus wird auch von Pohl, Die Germanen, 62 zu Bedenken gegeben. Ein Blick in die Literatur macht jedoch deutlich, dass eine Studie über frühmittelalterliches Heidentum bei germanischsprachigen Verbän­ den wohl schwerlich ohne Tacitus auskommt – schon wegen des eklatanten Mangels an Quellen – dass diese Nutzbarmachung aber nach übereinstimmender Meinung sehr umsichtig zu geschehen hat. „However, what he [Tacitus, J.L.] has to say is of interest in relation to Germanic heathen practices and some of it might relate to Anglo-Saxon paganism, or even provide contrasts to it.“ Wilson: AngloSaxon Paganism, 23. Wilson gibt jedoch wie Wolters zu bedenken, „the material must be treated with extreme caution if we are to view it as in any way mirroring the later situation in England.“ (Ebenda, 27).

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des Tacitus zunächst bezüglich einer möglichen Entlehnung aus anderen antiken Texten untersucht werden.53 Den Ausführungen des Tacitus zu den Germanen liegen oft römische Sichtweisen (interpretatio Romana) und antike Barbarentopoi zugrunde. Danach ist das sich ergebende Bild durch Abgleich mit anderen Quellen sowie der Ergebnisse der geschichtswissenschaftlichen und auch der archäologischen For­ schung zu überprüfen. Bei der Frage nach der Sozialverfassung der Germanen helfen zudem die Erkenntnisse der Rechtsgeschichte. Die Bezugnahme auf die Germania bei der Untersuchung frühmittelalterlicher Zustände ist methodisch umstritten. So ist das diesem Verfahren oft zugrunde lie­ gende Bild einer germanischen Kultur zu Recht kritisiert worden.54 Was in diesem Zusammenhang den meisten Widerspruch erregt, ist die Vorgehensweise, in der Annahme einer großräumigen und sich zeitlich weit erstreckenden Kontinuität ger­ manischer Kultur, spätere, oft aus hochmittelalterlichen skandinavischen Quellen stammende, Berichte auf frühere Zustände zu übertragen. Ebenso ist es methodisch zweifelhaft, Befunde aus Südeuropa auf frühmittelalterliche „germanische“ Gesell­ schaften im Westen oder Norden Europas zu übertragen. Dies soll hier jedoch auch nicht geschehen. Vielmehr soll die Beschäftigung mit römerzeitlichen Quellen über die Zustände im Ursprungsgebiet der späteren germanischsprachigen Invasoren Bri­ tanniens eine Annäherung an eine Entwicklungsstufe dieser Gesellschaften vor dem Beginn der Migration ermöglichen. Was schrieb Tacitus? Entscheidungen, die die Gesamtheit des Volkes beträfen, seien von den Oberhäuptern des Stammes55 zunächst besprochen und danach auf einer Volksversammlung entschieden worden.56 An gleicher Stelle seien auch Ankla­ gen erhoben und Urteile gefällt worden.57 Die Urteilsfindung, daher die Entschei­ dung darüber was Recht sei, war also nach Tacitus eine Angelegenheit der Gesamt­ heit. Selbst wenn deren Vertreter in vorherigen Besprechungen die Richtung, in die

53 Pohl, Die Germanen, 64 stellt fest, dass Tacitus sicher zwei frühere Texte über Germanen vorlagen. Diese seien „das 104. Buch der ‚Römischen Geschichte‘ des Livius mit dem Germanenexkurs und die ‚Germanenkriege‘ von Plinius dem Älteren“ gewesen. Neben den genannten Werken ist auch Caesars Werk über den Gallischen Krieg als eine von Tacitus Quellen identifiziert worden. Siehe zu diesem Punkt Dick, Der Mythos vom „germanischen“ Königtum, 80  ff. sowie grundlegend Thielscher, Das Herauswachsen der „Germania“ des Tacitus aus Caesars „Bellum Gallicum.“ 54 Siehe exemplarisch Jarnut, Germanisch. Plädoyer für die Abschaffung eines obsoleten Zentralbe­ griffes der Frühmittelalterforschung. Die von Jarnut aufgeworfenen Probleme sind auch Bleckmann bekannt. Er geht gleichwohl von einem weiteren Germanenbegriff aus. Germanische Geschichte be­ deutet für ihn die Geschichte der germanischsprachigen Völker. Bleckmann, Die Germanen, 23. 55 Hierbei handelte es sich wohl um die Sprecher von Verwandtschaftsgruppen und Dorfgemein­ schaften. Vgl. Wesel, Geschichte des Rechts, 271. 56 Germania 11: „De minoribus rebus principes consultant; de maioribus omnes, ita tamen, ut ea quoque, quorum penes plebem arbitrium est, apud principes pertractentur.“ 57 Ebenda, Kapitel 12: „Licet apud concilium accusare quoque et discrimen capitis intendere. Distinctio poenarum ex delicto.“



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es gehen sollte, abgestimmt hatten. Sollte abseits der Volksversammlungen Recht gesprochen werden, so sei dies durch von der Versammlung gewählte principes geschehen, denen eine Abordnung von Männern des Volkes beratend zur Seite gestan­ den habe.58 Das hier beschriebene Verfahren der Rechtsfindung unterscheidet sich von dem, was Caesar über Rechtsprechung bei den Germanen zu berichten weiß. Im sechsten Buch der Kommentare zum Gallischen Krieg sind es nur die principes, die für die Entscheidung von Streitfällen in den einzelnen Gebieten zuständig sind.59 Eine Versammlung kennt Caesar zwar auch, aber nur im Zusammenhang der Planung von Kriegszügen.60 So bleibt die Frage, ob Tacitus die Vorstellung von Versammlungen, auf denen Streitfälle beigelegt werden, aus unbekannter Quelle übermittelt bekom­ men hat. Diese Frage ist indes nicht zu klären. Der Quellenbefund weist auf eine Gesellschaft hin, die von einem Nebeneinander von kollektiven Formen der Entscheidungsfindung auf einer Versammlung und der herausragenden Rolle einzelner Persönlichkeiten geprägt ist. Für segmentäre Gesellschaften ist die Form der Rechtsfindung „von unten“ typisch. Das bedeutet, es gab keine wie auch immer fixierten Rechtsnormen, das Recht wurde im Konfliktfall als solches offenbart. Dies geschah in Form von gemein­ sam vollzogenen und Gemeinschaft stiftenden Ritualen, symbolischen Handlungen, Formeln und Gesten.61 Auch die Abstimmung in der Volksversammlung, die nach bestimmten Regeln verlief, war eine solche kollektive Handlung. Sie verlieh den Ent­ schlüssen ihren Rechtscharakter. Das Recht war ein Recht der Gemeinschaft, dies ist die legitimierende Grundlage des germanischen Rechts nach Tacitus. Freilich muss hier hinzugefügt werden, dass gemäß den Berichten Caesars und Tacitus‘ auch ein­ zelne Persönlichkeiten eine herausragende Rolle in der Rechtsfindung einnehmen konnten.62 Dies ist als Zeichen für das Einsetzen einer Entwicklung hin zu einer kephalen d.  h. herrschaftlichen Ordnung anzusehen. Einzelne Anführer begannen,

58 Ebenda: „Eliguntur in isdem conciliis et principes, qui iura per pagos vicosque reddunt; centeni singulis ex plebe comites consilium simul et auctoritate adsunt.“ In der Forschung umstritten ist, ob diese Männer erst durch die Wahl und die Bemächtigung der Volksversammlung zu principes wurden oder ob die Versammlung aus einem Kreis von principes diejenigen auswählte, die in den abseits gelegenen Gebieten als Richter fungieren sollten. Siehe dazu Schulze, H., Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter Bd. 1, 31. 59 Gall. 6, 23: „in pace nullus est communis magistratus, sed principes regionum atque pagorum inter suos ius dicunt controversiasque minuunt.“ 60 Ebenda: „atque ubi quis ex princibus in concilio dixit se ducem fore, qui sequi velint, profiteantur, consurgunt ii qui et causam et hominem probant, suumque auxilium pollicentur atque a multitudine conclaudantur […]. 61 Zur Typologisierung von Gesellschaften in „Jäger und Sammler Gesellschaften“, „segmentäre Ge­ sellschaften“ und „protostaatliche/kephale Ordnungen“ siehe Wesel, Geschichte des Rechts, bes. 19– 55. Ebenso Seite 289 für die Formen der Rechtsfindung. Zudem zu diesem Punkt Lück, Recht., 210–217. 62 Gall. 6, 23 (Wie Anm. 59) und Germania 12 (Wie Anm. 57).

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Verantwortung für das Recht und dessen Wahrung in den Verwandtschaftsgruppen (den Segmenten) wahrzunehmen und an sich zu ziehen.63 Diese Entwicklung war noch nicht ausgereift64, Bemerkungen über das Fehdewe­ sen der Germanen65 belegen das. Die Fehde ist ein typisches Mittel der Konfliktregu­ lierung segmentärer Gesellschaften.66 Soweit zu den Zuständen am Ende des 1. Jahr­ hunderts unserer Zeitrechnung.

63 Dieser Prozess geht mit einem allmählichen Aufbrechen der alten Segmente und einer beginnen­ den Individualisierung der Mitglieder einer Gesellschaft einher. Siehe dazu Wesel, Geschichte des Rechts, 48. Hinweise auf eine solche ‚Gesellschaft im Umbruch‘ finden sich womöglich in Germania 7,1. Hier wird berichtet, dass reges keine uneingeschränkte Gewalt hatten. Man könnte in diesem Um­ stand eine noch nicht ausgereifte Herrschaftsbildung erkennen. 64 Bei Tacitus taucht in diesem Zusammenhang der Begriff rex auf (Germania 12.1.). In der Frage nach einem genuin „germanischen“ Königtum kommt Stefanie Dick in ihrer Dissertation zu einer Neube­ wertung des bislang geläufigen Modells, dass ein älteres germanisches Sakralkönigtum von einem jüngeren Heerkönigtum abgelöst worden sei. In Dick, Der Mythos vom „germanischen“ Königtum kommt sie zu dem Schluss, dass es in den Quellen keine belastbare Hinweise auf die Existenz eines einheimischen Königtums bei den Germanen der frühen römischen Kaiserzeit gibt (S. 103). Zwar sei das Einsetzen einer sozialen Differenzierung um die Zeitenwende herum nachzuvollziehen (S. 170  f.; sowie Dick, Die Sozialstruktur germanischer Gesellschaften auf der Grundlage der antiken Schrift­ quellen, 152), doch könne die genaue Natur der sich herausbildenden „Elite“ nicht näher bestimmt werden. Diese sei kleinräumig agierend und in ihrem Status instabil gewesen (S. 182  f.). Der rex-Titel wurde den Germanen durch die Römer vermittelt. Da sich die Kontakte zwischen „Germanen“ und Rö­ mern oft militärisch gestalteten, waren die Anführer militärischer Unternehmen für die Römer Vertre­ ter ihrer Gemeinschaften. Um mit diesen Gemeinschaften nach römischer Rechtsauffassung legitime Verträge schließen zu können, wurde diesen Anführern der rex-atque-amicus Titel verliehen (S. 206 und 212  ff.). Die solcherart ausgezeichneten reges hatten Zugang zu römischen Prestigegütern und konnten über ihre Rolle als militärische Anführer und als Empfänger römischer Zahlungen die Mittel aufbringen, eine kriegerische Anhängerschaft auch über die Dauer eines Kriegszuges hinaus zu unter­ halten (S. 207  f.). Diese Strukturen festigten das Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der betroffe­ nen gentes (S. 196) und förderten auch eine Festigung der herrschaftlichen Züge. Zum römischen Ein­ fluss bei der Entstehung eines spätantiken und frühmittelalterlichen germanischen Königtums siehe auch Bleckmann, Die Germanen, 101. Da der Begriff ‚König‘ bestimmte Assoziationen hervorruft, die geeignet sind, ein unzutreffendes Bild der Sozialstruktur der römerzeitlichen Germanen zu geben, schlägt Dick den Begriff ‚Anführer‘ vor (S.  211). Insgesamt machen die Ergebnisse Dicks „ein insti­ tutionalisiertes Königtum schon vor der Zeit der sogenannten Völkerwanderungen, vor allem aber vor den daraus resultierenden gentilen Reichsbildungen auf römischem Territorium […] wenig wahr­ scheinlich.“ (S. 199  f.). Die von Dick erarbeiteten Ergebnisse werden wohl auch durch die Ergebnisse der neueren archäologischen Forschung bestätigt. Siehe zu diesem Punkt Burmeister, Archäologie und Geschichtswissenschaft: Sozialstruktur germanischer Gesellschaften anhand archäologischer Quellen, 161  ff. Den Befund eines recht kleinräumigen unmittelbaren Wirkungsbereiches der Eliten er­ gänzt Burmeister allerdings durch den Hinweis auf deren wohl recht weiträumige Vernetzung (S. 173). 65 Germania 21,1: „Suscipere tam inimicitias patris seu propinqui quam amicitias necesse est; nec implacabiles durant; luitur enim etaim homicidium certo armentorum ac pecorum numero recipitque satisfactionem universa domus, utiliter in publicum, quia periculosiores sunt inimicitiae iuxta libertatem.“ 66 Wesel, Geschichte des Rechts, 42.



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Gute sechshundert Jahre später wird ein kentischer Text durch sein Vorwort als „Wihtrædes domas Cantwara cyninges“67, daher als Gesetze Wihtreds, des Königs der Kenter, ausgegeben. Im Prolog dieses Gesetzes wird berichtet, wie in Berstead eine beratende Versammlung der Großen des Reiches68 unter Teilnahme von Erz­ bischof Birhtwald, Gybmund, dem Bischof von Rochester sowie des Königs selbst stattgefunden habe. Dabei seien wichtige Angelegenheiten besprochen worden und anschließend hätten „die Grossen mit Zustimmung Aller“69 Gesetze beschlossen, die sie den „rechtsgültigen Bräuchen der Kenter“70 hinzugefügt hätten. Zwar wird die Zustimmung „Aller“ in einem Nebensatz erwähnt, die eigentlich Handelnden schei­ nen jedoch die „Großen“ des Reiches und der König zu sein. Dennoch muss hier fest­ gehalten werden, dass das Recht, dem etwas Neues hinzugefügt wurde, noch immer als „Cantwara rihtum Þeawum“71, daher als Rechtsbräuche des Volkes der Kenter bezeichnet wird. Fasst man diesen Befund zusammen, so ergibt sich daraus das folgende Bild. Der König und seine Großen haben die Befugnis erlangt, rechtsgültige Erlasse (domas) zu verkünden und diese dann dem Recht des Volkes hinzuzufügen.72 Es scheint also eine deutliche Weiterentwicklung hin zu einer herrschaftlichen Verfügung über das Recht, insbesondere rechtliche Innovationen, stattgefunden zu haben. Freilich wurde die Bedeutung des Volkes, gerade was die Konstruktion einer das Recht legitimieren­ den Grundlage anbelangt, nicht völlig verdrängt. Nun wurde Wihtreds Gesetz beinahe hundert Jahre nach dem Eintreffen der Missionare um Augustin in Kent verfasst. Allerdings ergeben sich aus dem Verhal­ ten König Æthelberhts nach dem Beginn der Mission gewisse Hinweise darauf, dass die Mechanismen der Rechtsfindung in Kent zu seiner Zeit nicht grundlegend anders als zu Wihtreds Regierungszeit gewesen sein können. Dabei ist zu beachten, dass 67 Wi, Inscr. Liebermann, Die Gesetze der Angelsachsen, 12  ff. datierte den Text auf die Jahre 695/6. Oliver, The Beginnings of English Law, 148 gibt den September des Jahres 695 als wahrscheinlichsten Zeitpunkt für die Entstehung von Wihtreds Gesetz an. Zu den verschiedenen zeitgenössischen Be­ zeichnungen für Recht sowie deren Bedeutungen siehe 1.4 „Die kentischen Gesetze zwischen Tradi­ tion und Innovation“. 68 Wi, Prolog: „[…] in þære stowe þy hatte Berghamstyde, ðær wær wæs gesamnad eadigra ge[þ]eahtenlic ymcyme […]“ 69 Wi, Prolog 3 „[…] mid ealra gemendum […].“ Recht allgemein ist nicht etwa vom Volk die Rede, son­ dern es wird lediglich darauf verwiesen, dass im Konsens die dann aufgeführten Gesetze beschlossen worden seien. 70 Wi, Prolog 3: „[…] Cantwara rihtum þeawum […].“ 71 Ebenda. 72 Vgl. von Padberg, Mission und Christianisierung, 279, Vollrath, Gesetzgebung und Schriftlichkeit, 33 und Wormald, Angelsächsisches Recht, Sp. 625. Schulze, H., Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter Bd. 1, 32 weist auf ähnlich gelagerte Verhältnisse bei den merowingischen Franken hin, wo „auf dem Märzfeld auch politische Entscheidungen getroffen, Prozesse entschieden und neue Gesetze verabschiedet wurden. Die Entscheidungen wurden zwar vom König und der Aristokratie gefällt, aber offenbar wurde formal eine Zustimmung des versammelten Heeres eingeholt.“

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die Hauptquelle für diese Zeit Bedas historia ecclesiastica gentis Anglorum ist, deren Entstehungszeit sich bis 731 erstreckt und damit sogar noch einige Jahrzehnte nach ­Wihtreds Gesetz liegt.73 Neben der Analyse der angelsächsischen Quellen hilft ein Blick über den Kanal, einen Eindruck von den politischen Grundstrukturen des südlichen England an der Wende vom 6. zum 7. Jahrhundert zu bekommen.74 So ist der Befund einer stärkeren Rolle des Königs bei der Rechtsfindung vor dem Hintergrund des merowingischen Königtums nicht verwunderlich. Ähnlich wie auf dem Kontinent ist für Kent von einer ausgeprägten sozialen Differenzierung mit einer starken Rolle des Adels und des Königs auszugehen.75 Für den fränkischen Bereich ist ebenfalls ein Verfahren der Beschlussfindung auf einer Volks- bzw. Heeresversammlung überliefert. Dieses sieht vor, die von König und Adel getroffenen Entscheidungen „pro forma vom Volk absegnen zu lassen.“76 Die hier deutlich werdende starke Stellung des Königs erklärt die Forschung mit den krie­ gerischen Auseinandersetzungen der Zeit der Völkerwanderung. Danach habe Erfolg bei kriegerischen Unternehmungen „zu einer Intensivierung der königlichen Macht“ geführt.77 „Es gibt auch Beispiele dafür, daß siegreiche Heerführer den Königs­titel annahmen. In der Forschung ist für diese Form der Herrschaft die Bezeichnung

73 Spitzbart, Beda der Ehrwürdige, 2. Auch wenn Spitzbart, 6 diese Möglichkeit nicht explizit in Betracht zu ziehen scheint, ist in der Forschung die Möglichkeit erwogen worden, Beda habe beim Abfassen seines Berichtes über die Mission in Kent auf einen früheren Bericht aus Canterbury zu­ rückgreifen können. Siehe dazu Wallace-Hadrill, Bede’s Ecclesiastical History, 32 sowie von Padberg, Mission und Christianisierung, 108. Letzterer gibt bezüglich der in der Kirchengeschichte überliefer­ ten Reden zu bedenken, dass Beda diese auf der Basis früherer Aufzeichnungen „selbst rekonstruiert hat“. 74 Wormald, The Making of English Law, 30 erklärt, der kulturelle Hintergrund der Angelsachsen sei auf jeden Fall westeuropäisch gewesen. Daher hält er es für legitim, ja sogar dringend erforderlich, sich für ein besseres Verständnis der frühen englischen Kultur die kontinentalen, insbesondere die gallisch-fränkischen, Verhältnisse bewusst zu machen. 75 Schulze, H., Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter Bd. 1, 31. Nach Wood, Before and After Migration, 49 war der merowingische Hof wohl für die südlichen Königreiche der Angelsachsen Vor­ bild bis zu dem Punkt, dass kentisches und ostanglisches Recht von fränkischem beeinflusst wor­ den sein mag. In dem frühen kentischen Gesetz König Aethelberhts (Ae, 6) findet sich zudem der linguistische Hinweise auf eine aus der Heeresverfassung resultierende rechtlich starke Position des Heerführers/Königs. So bezeichnet hier das Wort „drihtinbeag, ein ‚Herrengeld‘, das dem König im Falle der Tötung eines Freien durch einen Freien zustand. Dieses Wort stammt aus einer Zeit, in der das Geld nicht in Form von Münzen vorhanden war: beag, der ‚Gebogene‘, bedeutet tatsächlich ‚Ring, Krone, Kranz‘, während drihtin eine Ableitung aus dryht ‚Menge‘, ‚Heer‘, ist. Der Begriff steht damit für eine Vorform der Strafe, die innerhalb eines Gefolges zu einer Zeit entstanden ist, in der gerade die Zahl der waffenfähigen Freien für den Herrn sehr wichtig war.“ Fruscione, Ansätze übergreifender germanischer Rechtssprachen, 173  f. 76 Schulze, H., Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter Bd. 1, 34. 77 Schulze, H., Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter Bd. 1, 35 sowie Wenskus, Stammesbil­ dung und Verfassung, 349.



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„Heerkönigtum“ geprägt worden.“78 Diese Vorstellung deckt sich mit Forschun­ gen der Rechtsgeschichte, die die Entstehung von herrschaftlichen Strukturen im Zusammenhang mit der Unterwerfung und Kontrolle einer Gruppe durch eine andere Gruppe sehen.79 Für Æthelberht ist jedenfalls durch Beda bezeugt, dass er „ein sehr mächtiger König [gewesen sei, JL], der die Grenzen des Reiches bis an das Ufer des sehr großen Flusses Humber ausgedehnt hatte, durch den die südlichen und die nördlichen Völker der Engländer getrennt werden.“80 Es ist also durchaus von einer besonderen Macht­ position dieses Königs auszugehen, die sich aus seinem Prestige und seiner zahlrei­ chen Gefolgschaft herleitete.81 Dass er dennoch bei weitreichenden Entscheidungen auf den Konsens mit seinem Adel und die, vielleicht nur formal legitimierende, Zustim­ mung ‚des Volkes‘ angewiesen war, legt nicht nur der Befund aus Wihtreds Gesetz nahe. Untermauert wird dieser Eindruck durch Bedas Bericht über den Empfang der Mission Augustinus’ auf der Insel Thanet. Es wird berichtet, wie die Missionare in Begleitung fränkischer Dolmetscher82 auf der Insel landen. Von dort aus seien Boten zum König gesandt worden mit der Nachricht, die Neuankömmlinge brächten „eine sehr gute Nachricht, die denen, die sie befolgten, ewige Freuden im Himmel und das

78 Ebenda., 35  f. mit entsprechenden Verweisen auf weitere Literatur zu dem Thema. Es muss freilich darüber nachgedacht werden, ob der Begriff nicht im Lichte der neueren Forschung zum Königtum bei den „Germanen“ (Dick, Der Mythos vom „germanischen“ Königtum) durch einen weniger kon­ notationsbeladenen Begriff zu ersetzen wäre. An dieser Stelle soll er Verwendung finden, da er die Prozesse der Herrschaftskonsolidierung gut zu erfassen scheint. 79 Wesel, Geschichte des Rechts, 50. 80 HE I, 25: „Erat eo tempore rex Aedilberct in Cantia potentissimus, qui ad confinium usque Humbrae fluminis maximi, quo meridiani et septentrionales Anglorum populi dirimuntur, fines imperii tetenderat.“ 81 Für eine weitere Diskussion von Æthelberhts Herrschaft und für Hinweise auf seine Stellung als bretwalda siehe die Einleitung des 2. Kapitels. 82 HE I, 25: „Est autem ad orientalem Cantiae plagam Tanatos insula non modica […]. In hac ergo adplicuit seruus Domini Augustinus et socii eius, uiri, ut ferunt, ferme XL. Acceperant autem, praecipiente beato papa Gregorio, de gente Francorum interpretes […]. Richter, Zum Dolmetscherwesen im früheren Mittelalter (vor a. 1200) schreibt zur möglichen Identität dieser Dolmetscher, dass „meist Personen, die wegen ihrer Mehrsprachigkeit verwendbar waren, ohne Dolmetscher von Beruf zu sein“ (Ebenda, 961) in dieser Funktion auftraten. Richter vertritt die Ansicht, dass die Franken gebraucht wurden, um über Verbindungen zu Königin Bertha einen leichteren Zugang zum Königshof in Kent zu bekommen. Zur Bedeutung der Ehefrau Æthelberhts für die Mission siehe jetzt von Padberg, Mission und Chris­ tianisierung, 44, bes. 56  ff., Ders., Die Christianisierung Europas im Mittelalter, 77, Ders., Die Insze­ nierung religiöser Konfrontationen, 107 sowie Dunn, The Christianisation of the Anglo-Saxons c.597c.700, 49, 54  f. Richter geht weiter der Frage nach, ob das Fränkische wohl für die Kenter um das Jahr 600 verstehbar gewesen sei. Dabei lässt er allerdings außer Acht, dass es sich bei den „Dolmetschern“ gut um fränkische Händler gehandelt haben kann, die, im Kanalhandel erfahren, zweisprachig ge­ wesen sein mögen, und so als Dolmetscher fungieren konnten. Auf einen Warenaustausch über den Kanal hinweg weisen Funde fränkischer Waren in England hin. Vgl. Dunn, The Christianisation of the Anglo-Saxons c.597-c.700, 49 und Yorke, Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England, 16  f.

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zukünftige Reich ohne Ende beim lebendigen und wahren Gott ohne jeden Zweifel verspreche.“83 Æthelberht habe den Missionaren daraufhin befohlen, auf der Insel zu bleiben, wo sie mit dem Notwendigsten versorgt würden. Als der König sich dann schließlich selbst aufmachte, um die Nachricht der Neuankömmlinge zu hören, habe er Augustinus und seine Gefährten unter freiem Himmel getroffen und der Predigt des Missionars zugehört. Nachdem dieser geendet hat, zitiert Beda den Kenterkönig mit den Worten: „Schön sind zwar die Worte und Versprechungen, die ihr vorbringt; aber weil sie neu und ungewiß sind, kann ich ihnen nicht meine Zustimmung geben unter Aufgabe der Dinge, denen ich so lange Zeit mit dem ganzen Volk der Englän­ der gedient habe […].“84 Und auch nachdem der König selbst sich dem christlichen Glauben zugewandt hatte, habe er niemanden zum Übertritt gezwungen, sondern es bei freundlichen Ermutigungen, es ihm gleichzutun, belassen.85 Was hier klar wird, ist der Umstand, dass Æthelberht trotz seiner großen Machtposition nicht in der Lage, nicht Willens oder beides war, eine so weitreichende Entscheidung, wie sie der kol­ lektive Übertritt zum Christentum mit all seinen Konsequenzen86 bedeutete, über die Köpfe der Großen seines Reiches hinweg zu entscheiden.87

83 HE I, 25: „[…] mandauit se uenisse de Roma ac nuntium ferre optimum, qui sibi obtemperantibus aeterna in caelis gaudia et regnum sine fine cum Deo uiuo et uero futurum sine ulla dubietate promitteret.“ 84 Ebenda.: „Pulchra sunt quidem uerba et promissa, quae adfertis; sed quia noua sunt et incerta, non his possum adsensum tribuere, relictis eis, quae tanto tempore cum omni Anglorum gente seruaui.“ 85 HE I, 26: „Quorum fidei et conuersioni ita congratulatus esse rex perhibetur, ut nullum tamen cogeret ad Christianismum, sed tantummodo credentes artiori dilectione, quasi conciues sibi regni caelestis, amplecteretur.“ 86 Bei Hill, The Anglo-Saxons, 15  ff. ist nachzulesen, wie durch den Einfluss der Kirche das Konzept von „Englishness“ unter den germanischsprachigen Bewohnern Britanniens entstand. 87 Der gleiche Mechanismus der Rechtsfindung wird in der im Beowulf (Z. 1068 – 1159) überlieferten Finnsburgepisode deutlich. Bei der Episode handelt es sich um einen Teil eines als Finnsage (vgl. Honegger, Hengest und Finn, Horsa, 386  ff. und Reichl, Finnsburglied, 109  ff.) bezeichneten Helden­ epos. Ein zweiter Teil der Sage ist im Finnsburgfragment bzw. Finnsburglied überliefert (vgl. Ebenda). Die Behandlung der Episode im Beowulf lässt annehmen, dass die Geschichte als allgemein bekannt vorausgesetzt wurde. Aus Fragment und Episode lässt sich grob folgener Ablauf der Sage rekonstru­ ieren: Die dänische Prinzessin Hildeburh wird mit dem Friesen Finn verheiratet, um einen Konflikt zwischen den beiden Völkern zu beenden. Es vergehen mehrere Jahre, denn als die Handlung wieder einsetzt, haben Hildeburh und Finn einen Sohn im wehrfähigen Alter. Der Dänenkönig Hnæf besucht seine Schwester bei den Friesen. Das Fragment setzt ein, als die Dänen merken, dass sie von den Frie­ sen hintergangen wurden. Diese nähern sich mit gezogenen Waffen der Halle, in der ihre Gäste unter­ gebracht sind. Den Dänen gelingt es für fünf Tage, die Eingänge der Halle ohne Verluste zu halten. Im weiteren Verlauf des Kampfes fallen sowohl Hnæf als auch sein Neffe. Da beide Seiten nicht zu einer Fortsetzung der Kämpfe in der Lage sind, verabreden Finn und der Anführer der verbliebenen Dänen Hengest, dem nach dem Tod des Königs die Rolle des Anführers zukommt, einen Frieden. Diese Ver­ einbarung hält den Winter über. Als es jedoch Frühling wird, kann Hengest seinen eigenen und den Rachegelüsten seiner Männer nicht mehr widerstehen, und es kommt zu einem erneuten Kampf. In diesem Kampf wird Finn getötet, und die Dänen nehmen Hildeburh und den Schatz der Friesen mit sich über das Meer in die Heimat. Sowohl Finn als auch Hengest sind in ihren Entscheidungen auf



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Auf der Grundlage der zur Verfügung stehenden Quellen lässt sich nichts Siche­ res über das genaue Verfahren der Rechtsfindung in Æthelberhts Kent aussagen. Die Quellen schweigen zu diesem Punkt. Doch lassen die Ergebnisse der Quellenana­ lyse den Schluss zu, dass auch um das Jahr 600 in Kent eine wie auch immer genau zusammengesetzte Versammlung formell dafür zuständig war, mit dem König zusam­ menzuarbeiten, wobei die Initiative zur Gesetzgebung beim König und seinen Amts­ trägern lag.88 Zu Struktur und Inhalt dessen, was auf diese Weise als Recht befunden wurde, hat die Forschung Folgendes herausgearbeitet: So hat die ethnologische und anth­ ropologische Rechtsforschung für mündliche Gesellschaften festgestellt, dass oral tradiertes Recht höchst wandelbar und situationsabhängig anpassbar ist.89 Es ist sogar davon gesprochen worden, dass es in derartigen Kontexten gar keine festen normativen Regeln gibt, sondern vielmehr wegweisende Grundsätze für Streit- und den Rat und die Unterstützung ihrer Leute angewiesen. So bietet Finn „weotena dome“ (Z. 1098) d.  h. auf den Rat der Berater hin den Dänen Frieden und Sicherheitseide an. Hengest wird aktiv, nachdem ihm Hunlafing ein Schwert in den Schoß legte (Z. 1142  ff.) und Guthlaf und Osalf das erlittene Unrecht laut beklagen (Z. 1148  f.). Eine große Rolle spielt in diesem Zusammenhang das verbreitete Gefühl für Recht und Unrecht (Vgl. zum mittelalterlichen schriftlosen Recht als Überzeugungsrecht Weitzel, Gewohnheitsrecht und fränkisch-deutsches Gerichtsverfahren, 79). Daher lautet die ursprüngliche Vereinbarung, dass kein Friese die Dänen auf ihre Hinnahme von Unrecht hinweisen dürfe. Nach Frühlingsbeginn kann und will sich Hengest dem Drängen seiner Männer auf Rache jedoch nicht mehr verschließen. Zu sehr verstieß der Frieden mit Finn und seinen Friesen gegen das, was als Recht empfunden wird. In diesem Fall ist das die Pflicht, Rache an den Mördern des Hnæf zu nehmen. Der Quellenwert dieser Geschichte ist dabei nicht von Fragen der Historizität abhängig (Vgl. Honegger, Hengest und Finn, Horsa, 386  ff., zu einer möglichen Identität des Hengest aus der Finnsage und dem Anführer einer Gruppe von Einwanderern in Kent siehe auch Bradley, Anglo-Saxon Poetry, 508, Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 14, de Vries, Die beiden Hengeste, 125–143 und Wallace-Hadrill, Bede’s Ecclesiastical History, 23.). Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass die geschilderten Verhältnisse und Denkweisen einem Publikum des 8. Jahrhunderts plausibel erschienen (Sowohl das Fragement als auch der Beowulf stammen vermutlich aus dem 8. Jahrhundert. Vgl. Wrenn & Bolton, Beowulf, 9, 25  ff. und Reichl, Finnsburglied, 112). Die Einordnung der Finnsage in einen älteren kontinentalen Sagenkreis (Vgl. Reichl, Finnsburglied, 112) macht es möglich, die zugrunde liegenden Mechanismen der Rechtsfindung auch auf die Zeit vor dem 8. Jahr­ hundert zu übertragen. Hierbei ist allerdings Vorsicht geboten, da zeitgenössische Quellen, anhand derer eine Überprüfung dieser Hypothese stattfinden könnte, fehlen. 88 von Padberg, Mission und Christianisierung, 279, Wormald, Recht, Sp. 625. Weitzel, Gewohnheits­ recht und fränkisch-deutsches Gerichtsverfahren, 71 schreibt: „Das schriftlose Recht ist anti-obrig­ keitlich. Es rührt nicht aus dem Willen von Herrschaftsträgern her, sondern ruht in der Gemeinschaft oder doch zumindest in einer von der Mehrheit nicht ausdrücklich angefochtenen Willensbildung ihrer Führungsgruppe.“ Führungsgruppe in diesem Falle wäre der König nebst seinen „Großen“. Siehe auch: Ders., Die Bedeutung der Dinggenossenschaft für die Herrschaftsordnung, 360. 89 Beispielsweise kommen von Benda-Beckmann, Gesellschaftliche Wirkung von Recht, 47, die seit Jahrzehnten die rechtlichen Verhältnisse der Minankabau auf Sumatra erforschen, zu folgender Fest­ stellung: „Und schließlich haben wir es in Minangkabau mit einem ungeschriebenen Recht zu tun, das sich relativ leicht an ökonomische und politische Veränderungen anpassen kann […].“

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Gerichtsfälle.90 Diesen Zustand meinte Kroeschell, als er von Rechtsgewohnhei­ ten des frühen Mittelalters sprach.91 Weitzel postuliert davon abweichend ein die Ordnung begründendes „Überzeugungsrecht“, daher die Rechtsvorstellung Einzel­ ner.92 Kommt es nun zum Konflikt, zerbricht das Recht und muss vor dem Ding neu gefunden werden.93 Dabei sei Recht nicht herrschaftlich, sondern in der Rechtsge­ meinschaft selbst verwaltet. Dem so gefundenen Recht komme grundsätzlich keine Bedeutung über den Einzelfall hinaus zu, allerdings könne ein Urteil normbildend wirken, wenn eine dichte Abfolge gleichlautender Entscheidungen erginge.94 Dilcher kommt durch die Analyse des den leges zugrundeliegenden Rechtsbegriffs zu der Auf­ fassung von Recht als normativer Ordnung.95 Diese soziale Ordnung wird auf dem Ding festgelegt. „Das konnte für unsere Begriffe politische Entscheidungen, Rechts­ fälle, Fragen der (etwa landwirtschaftlichen) Ordnung, aber auch Rechtsaufzeich­ nungen allgemeiner Art sein.“96 Hier wird deutlich, wie sehr der heutige Blick auf die Vergangenheit von unseren kategorialen Denkschemata geprägt ist – eine Prägung, der man sich bewusst versuchen muss, ein Stück weit zu entledigen, um frühmittel­ alterliches Rechtsbewusstsein nachvollziehen zu können. Nur kurz angerissen sei an dieser Stelle die Auffassung Köblers, wonach es in der germanischen Rechtstradition einen mit „ewa“ bezeichneten Regelbestand gegeben habe. Der Begriff bezeichne „[d]as Verbindliche, das gesetzt und geschrieben sein kann, aber weder gesetzt noch geschrieben zu sein braucht, und das mißachtet oder verändert werden kann.“97 All dies könnte darauf hinweisen, dass es gar kein fest umrissenes vorchristliches kentisches Recht in Form von auswendig gelernten und an die nächste Generation weitergegebenen Rechtssätzen gab.98 Welcher Natur aber waren die in den Überliefe­ rungen des 7. Jahrhunderts festgehaltenen kentischen Gesetze? 90 In diesem Punkt stimmen die Beobachtungen aus der ethnologischen Feldforschung und in der Rechtsgeschichte vertretene Positionen überein. Eine gute Übersicht über die Standpunkte in der deutschsprachigen Forschung zu der Frage, „inwieweit die frühmittelalterliche Gesellschaft ihre Le­ bensordnung auf rechtliche Normen gründete“ bieten Kannowski, Rechtsbegriffe im Mittelalter, der Konsens und Dissens in der Forschung beschreibt und Riegel, Ethnologie und Rechtsgeschichte, 246  f. 91 Vgl. Kroeschell, Verfassungsgeschichte und Rechtsgeschichte des Mittelalters, 47  ff. 92 Dieser grundsätzliche Unterschied in der Vorstellung von frühmittelalterlichem Recht kommt in den Formulierungen Rechtsgewohnheiten bzw. Rechtsgewohnheit zum Ausdruck. Erstere soll dabei das Konzept Kroeschells wiedergeben, während der Singular die weiter verbreitete Vorstellung von einem Grundbestand an Rechtsvorstellungen ausdrückt. In der Forschungsdiskussion scheint sich der radikale Standpunkt Kroeschells nicht durchgesetzt zu haben. Vgl. zum Stand der Diskussion Kannowski, Rechtsbegriffe im Mittelalter, 16  f. 93 Vgl. Weitzel, Gewohnheitsrecht und fränkisch-deutsches Gerichtsverfahren, 75. 94 Vgl. Ebenda., 80. 95 Vgl. Dilcher, Leges – Gentes – Regna, 19. 96 Dilcher, Mittelalterliche Rechtsgewohnheit als methodisch-theoretisches Problem, 24. 97 Köbler, Das Recht im frühen Mittelalter, 229. Vgl. auch Riegel, Ethnologie und Rechtsgeschichte, 246. 98 Siehe zu diesem Punkt von Benda-Beckmann, Gesellschaftliche Wirkung von Recht, 32 sowie die Diskussion der kentischen Rechtsquellen in dem Abschnitt 1.2.3 



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1.3.3 Die frühesten angelsächsischen Gesetze zwischen Tradition und Innovation Bei den frühesten angelsächsischen Gesetzen handelt es sich um drei Texte, die in der Überlieferung eng mit den Namen kentischer Könige des 6. bzw. 7. Jahrhunderts verbunden sind. Dabei handelt es sich um das Gesetz des ersten christlichen Königs der Kenter Æthelberht (Abt) (R 587/90–616/18)99, die Gesetze von Hlothere (R 673– 685) und Eadric (Hl) (R ca. 679–686) sowie das Gesetz Wihtreds (Wi) (R 690–725). Die Regentschaftszeiten dieser Könige setzen gleichsam den zeitlichen Rahmen für die Untersuchung in diesem Kapitel. Die kentischen Gesetze sind lediglich in einer Handschrift des 12. Jahrhunderts überliefert.100 Die Texte sind Teil einer Sammlung angelsächsischer Gesetze, die als Textus Roffensis bekannt ist. Die Handschrift befindet sich in Maidstone in den Kent County Archives.101 In der Forschung ist darauf hingewiesen worden, dass es mehrere Kopien insularer Gesetze als Vorlage für den Verfasser des Textus Roffensis gegeben haben muss. So hat Lendinara das Vorkommen verschiedener Charakteristika eines anglischen Dialektes sowie die generelle westsächsische Prägung der Sprache der kentischen Gesetze zu der Annahme gebracht, es habe ein „re-writing (of originally Kentish laws) in an Anglian dialect, followed by a further re-writing in West-Saxon“102 gegeben. Oliver arbeitet in ihrer Edition der Gesetze „Archaic traces in the language of the laws“103 auf den Ebenen der Orthographie, der Phonologie, der Morphologie und der Syntax heraus.104 So gelingt es ihr plausibel darzulegen, dass der Verfasser des Textus Roffensis auf ältere Kopien in Dialekten des Altenglischen zurückgegriffen haben muss. Seit dem Beginn der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den Gesetzen der Angelsachsen ist viel über deren Alter und Entstehungskontext geschrieben worden.105 Von Interesse ist die Frage des Verhältnisses von altem, überlieferten und 99 Die folgenden Angaben sind alle entnommen aus Oliver, The Beginnings of English Law, 120, da die dortigen Angaben neuste Forschungsergebnisse einbeziehen, während Powicke, Handbook of British Chronology, 6  f. vor allem für die Regierungsjahre Æthelberhts einen veralteten Stand wiedergibt. 100 Rochester, Cathedral Library, MS A.3.5. Ein Faksimile ist bei Sawyer, Early English Manuscripts in Facsimile VII: Textus Roffensis, Part I. und Ders., Early English Manuscripts in Facsimile XI: Textus Roffensis, Part II abgedruckt. 101 Vgl. Oliver, The Beginnings of English Law, 20. 102 Lendinara, The Kentish Laws, 218. Sie geht noch weiter, indem sie postuliert, das Gesetz Æthel­ berhts sei womöglich zuerst in lateinischer Sprache aufgeschrieben und erst später ins Altenglische übersetzt worden (Ebenda, 212, 218 und Diskussion 231  f.). Dieser Hypothese widerspricht Oliver, The Beginnings of English Law, 17 auf der Basis von lexikalischen Argumenten gegen eine Übersetzung aus dem Lateinischen. 103 Oliver, The Beginnings of English Law, 25. 104 Ebenda, 25  ff. 105 Für eine Übersicht über die Forschungs- und Editionsgeschichte sei hier auf die Darstellungen bei Oliver und Wormald verwiesen. Oliver, The Beginnings of English Law, 251  ff. bietet einen kom­ mentierten Überblick über Editionen und Übersetzungen der kentischen Gesetze beginnend mit einer

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neuem, innovativen Recht in den Gesetzestexten. Anhand dieses Verhältnisses lassen sich gesellschaftliche Entwicklungen während des Christianisierungsprozesses, der auch den Bereich des Rechts maßgeblich beeinflusste, ausmachen. Von dieser Annahme ausgehend, wird man den kentischen Gesetzen am Besten gerecht werden können, wenn man sich vor Augen hält, dass diese Texte die Entwick­ lung der kentischen Gesellschaft zumindest teilweise widerspiegeln.106 Welche Art von Recht lässt sich also in den kentischen Königsgesetzen wiederfinden? Dem Gesetz Æthelberhts ist im Textus Roffensis eine in roter Tinte geschriebene Rubrik vorangestellt, die erklärt, dass es sich um „þa domas“107 handele, die König Æthelberht zu Zeiten Augustins festgesetzt habe. Die Entstehung der Rubrik ist bereits von Liebermann108 mit der Überlieferung der Gesetze von Hlothere/Eadric und Wihtred in Verbindung gebracht worden. Tatsächlich weist auch Hl eine im Wortlaut ähnliche Rubrik auf. Auch hier wird von „domas“ gesprochen, die die Könige Hlo­ there und Eadric festgesetzt hätten.109 In der Einleitung wird erklärt, dass die beiden Könige zu den „æ“110, welche ihre Vorgänger machten, „ðyssum domas“111 hinzuge­ fügt hätten. Zu dem bereits bekannten æ tritt nun also ein als dom bezeichnetes Recht hinzu. Das Gesetz Wihtreds wird wieder durch eine Rubrik in roter Tinte eingeleitet. Sie erklärt: „ðis synd Wihtredes domas Cantwara cyninges.“112 Die folgende Einleitung schließt mit der Erklärung, den „Cantwara rihtum þeawum“113, also den „rechtsgül­

Transkription des Textus Roffensis im Jahre 1589 durch Francis Tate bis hin zu Bill Griffiths Über­ setzung von 1995. Patrick Wormald, dessen Arbeiten nunmehr selbst zu Meilensteinen in der For­ schungsgeschichte zu den Gesetzen der Angelsachsen geworden sind, gibt in The Making of English Law, 3  ff. einen Überblick über die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Themenbereich. Dabei liegt ein Schwerpunkt auf der Frage nach der jeweiligen Würdigung der Bedeutung des englischen Rechts vor der normannischen Ära. 106 Vgl. auch Lendinara, The Kentish Laws, 212. 107 Abt Inscr. Diese Rubrik ist nicht als Bestandteil des Ursprungstextes anzusehen. Darauf hat be­ reits Liebermann, Die Gesetze der Angelsachsen Bd. 3, 3 in seinem Kommentar zu der Stelle hinge­ wiesen. Dort wird auch argumentiert, dass die Rubrik vor 748 entstanden sein müsse, weil in diesem Jahr Æthelberht II. König von Kent wurde, was eine Unterscheidung von seinem Vorgänger notwendig gemacht hätte. Zudem erscheint der Name Augustinus seit 747 bzw. 755 als der eines Heiligen. In der Rubrik fehlt jedoch jeder Hinweis auf den Status Augustinus‘ als Heiliger. Im Kommentar zu ihrer Edition der kentischen Königsgesetze folgt Oliver, The Beginnings of English Law, 83 im Wesentlichen Liebermann und präzisiert, dass Augustinus spätestens seit der Synode von Clofeshoh 747 als St. Augustinus bezeichnet wurde. 108 Liebermann, Die Gesetze der Angelsachsen Bd. 3,3. 109 Hl Rubrik: „þis syndon þa domas ðe Hloþhære ˥ Eadric Cantwara cyningas asetton.“ 110 Hl El. 111 Ebenda. 112 Wi Rubrik. 113 Wi El.



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tigen Bräuchen der Kenter“114, seien „domas“115 mit Zustimmung der Anwesenden hinzugefügt worden. Es lässt sich also eine zwei- bzw. dreifache Unterscheidung des uns in den Königsgesetzen überlieferten Rechts feststellen. Zum einen wird als dom jeweils die Gesamtheit des Gesetzes als auch, wie im Falle von Hl und Wi erklärtermaßen hin­ zugekommene Neuerungen, bezeichnet. Das jeweils übernommene Recht wird als æ oder riht þeaw bezeichnet. Dieser Befund deckt sich mit der Feststellung, dass in der angelsächsischen Gesetzgebung „zwei Ebenen zu erkennen“116 sind. Diese Ebenen sind einerseits „die Verschriftlichung von alten Rechtsgewohnheiten […], die die Belange einer archai­ schen, bäuerlich-kriegerischen Gesellschaft regelten; andererseits die kgl. Urteils­ sprüche, die punktuelle Sonderfälle regelten, deren Anlass die sozialen und polit. Veränderungen waren.“117 Diese Ausführungen basieren auf der Arbeit Wormalds, der ebenfalls dom und æ diskutiert. Æ bezeichnet demnach „accepted law“118, daher überliefertes Recht. Dieses überlieferte Recht muss jedoch nicht notwendig von hohem Alter gewesen sein, denn „It need not take long in any culture for innovations to become immutable tradition.“119 Demgegenüber stellen domas innovatives Recht aus Einzelfallentscheidungen dar.120 Das erklärt auch, dass jeder Gesetzgeber für sich in Anspruch nehmen konnte, seine domas dem æ hinzuzufügen – des einen 114 Liebermann, Die Gesetze der Angelsachsen Bd. 1, 12. 115 Ebenda. 116 Fruscione, Angelsächsisches Recht, HRG I, 238. 117 Ebenda. 118 Wormald, The Making of English Law, 95. In Fußnote 330 auf Seite 95 wird erläutert, dass das Wort wohl nur im 7. Jahrhundert mit der generellen Bedeutung „Recht“ auftaucht. In späteren Tex­ ten nimmt es zunehmend die Bedeutung „göttliches Recht, Heilige Schrift“ an. Schmidt-Wiegand, Reht und ewa hat sich mit der Bedeutung des verwandten Begriffs ewa im deutschen Sprachraum auseinandergesetzt. Hier bezeichnet des Wort ebenfalls „das durch Tradition, Sitte und Brauch gefes­ tigte Recht“ (S. 942) und entspricht in Übersetzungen dem lateinischen lex. Nach Schmidt-Wiegand, Ewa, 35 bezeichnet „Ewa […] bei Chamaven, Sachsen und Bayern zunächst das ungeschriebene Ge­ wohnheitsrecht […]“. Auch im Deutschen machte das Wort einen Bedeutungswandel durch. So bezie­ hen sich ewa und lex dann „auf den Rechtsverband, das Gesetz, die Ordnung des Kultes, die heilige Schrift“ (Schmidt-Wiegand, Reht und ewa, 947). In der biblischen Dichtung Otfrid von Weißenburgs bedeutet ewa dann „‚Gesetz‘ […] ‚Bund‘ und damit ‚Zeit des Alten Testaments‘“ (Ebenda, 950). In der Folge wird das mit dem heutigen Wort „Ehe“ verwandte ewa auf die Bedeutung matrimonium einge­ engt (Ebenda, 956). 119 Wormald, The Making of English Law, 95. Dies trifft besonders dann zu, wenn die fragliche Ge­ sellschaft mental noch einer präliteraten Denkweise verbunden ist. So hat Vollrath, Das Mittelalter in der Typik oraler Gesellschaften, 582 darauf hingewiesen, dass sich unter diesen Bedingungen die jeweilige Gegenwart potentiell ewig in die Vergangenheit ausdehnt. Erst mit der Schriftlichkeit wird die Voraussetzung dafür geschaffen, durch das Festhalten vergangener Zustände in der Rückschau die Vergangenheit als von der Gegenwart grundsätzlich unterschiedlich zu begreifen. 120 Korte, Untersuchungen zu Inhalt, Stil und Technik angelsächsischer Gesetze und Rechtsbücher des 6. bis 12.Jahrhunderts, 155 sowie Wormald, The Making of English Law, 94  f.

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domas war des Nachfolgers æ.121 Es ist diese Schichtung in den Königsgesetzen, dieses sich in den Texten widerspiegelnde Reagieren auf aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen, das es erlaubt, die Königsgesetze als Quellen für die Untersu­ chung gesellschaftlicher Wandlungsprozesse in der Zeit der Christianisierung heran­ zuziehen.122 Für Æthelberhts Gesetz kommt Wormald zu folgendem Schluss, wenn er einschränkend feststellt „[…], there are many signs that almost123 all that Æthelberht put in writing was not (innovatory) dom but (established) æ/theaw.“124 Oliver hat sich ausführlich mit der Sprache von Abt und den sich aus den Ergebnissen der Unter­ suchung ergebenden Konsequenzen befasst. Sie hat den Text auf den Ebenen von Orthographie, Phonologie, Morphologie und Syntax untersucht.125 Dabei argumen­ tiert sie plausibel dafür, in Abt eine Sammlung von Rechtssätzen zu sehen, die über einen gewissen Zeitraum hinweg entstanden und dann schließlich nach Æthelberhts Taufe aufgeschrieben wurden. Als jüngste Schicht sind die ersten sieben Sätze über Kompensationen für Vergehen an der Kirche und ihren Dienern sowie über den Bruch des Versammlungsfriedens anzusehen.126 Durch die Identifikation eines archaischen „dative of quantitiy“127 werden die Sätze über Freie (ceorlas) und die Gliederbußen­ tabelle128 zu wahrscheinlichen Kandidaten für diese älteste Schicht in Abt (und Hl). Oliver stellt heraus, dass die Gliederbußentabelle einer top-down Anordnung ent­ spricht, die einer am menschlichen Körper angelehnten Memotechnik folgt.129 Zudem

121 Liebermann, Die Gesetze der Angelsachsen Bd. 3, 18 gibt zwar auch an, dass es sich wohl um frühere Gesetze handelt. Er geht jedoch noch davon aus, dass diese „jedoch wohl ungeschriebene“ Gesetze seien. 122 Dabei muss freilich beachtet werden, dass „As with other literary and historical documents, laws reflect only a partial view of society.“ (Lendinara, The Kentish Laws, 214). 123 Diese Einschränkung bezieht sich wohl auf die ersten, die Kirche betreffenden Sätze. Oliver, The Beginnings of English Law, 15 weist darauf hin, dass diese ersten Sätze sich auch stilistisch vom Rest des Gesetzes unterscheiden. 124 Wormald, The Making of English Law, 95. Oliver, The Beginnings of English Law, Xi schreibt „The text of Æthelberht is the closest extant equivalent to Germanic law as it was transmitted in a preliterate period […].“ 125 Oliver, The Beginnings of English Law, 26  ff. 126 Ebenda, 44. 127 Ebenda, 42: „The first, and surest, group to consider is the body of laws containing the archaic ‚dative of quantity‘ […]: laws dealing with the ceorl, ‚freeman‘, and the personal injury laws.[…] This usage is conspicuously absent in the rest of the laws, and we can thus with fair amount of certainty postulate that the laws employing this syntagm represent the oldest stratum in the laws of Æthelberht.“ Neben den Stellen in Ae taucht diese grammatische Form lediglich in Hl auf (Hl 2.1). 128 Das bedeutet Abt §§ 20 bis 32 für ceorlas sowie §§ 33 bis 71 für die Gliederbußentabelle. 129 Oliver, The Beginnings of English Law, 37. Auch der Aufbau des Gesetzes insgesamt folgt dieser von Kopf bis Fuß Anordnung, indem erst die Großen der Gesellschaft, dann die Freien und schließlich die Unfreien behandelt werden. Für eine eingehendere Untersuchung des Aufbaus siehe Korte, Unter­ suchungen zu Inhalt, Stil und Technik angelsächsischer Gesetze und Rechtsbücher des 6. bis 12. Jahr­ hunderts, 76: „Die Gedankenreihe, die das Gerüst für den Aufbau des Gesetzes ist, stellt sich […] so



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könnten sich in den Paragraphen 66, 67 und 68 von Abt Spuren von Alliterationen finden, die typisch für die germanische Dichtung sind.130 Diese Funde könnten etwas über die Techniken der Memorierung von vorchristlichen Rechtsgewohnheiten aussa­ gen, deren Spuren sich im Text von Æthelberhts Gesetz wiederfinden. Über die Iden­ tifikation der ältesten und der jüngsten Textteile hinaus bleibt die Chronologie der Bestimmungen in Abt vage.131

1.3.4 Recht und Religion bei den Angelsachsen im 6. und 7. Jahrhundert Fragt man nach dem Zusammenhang zwischen Religion und gesellschaftlicher Ordnung im Mittelalter, scheint die Antwort klar zu sein. Die aus der Zeit überlieferten Ordnungsvorstellungen sind christlich geprägt, und mit der Übernahme der Thora als Altes Testament hat das Christentum auch die Vorstellung vom Judentum geerbt, wonach alles Recht von Gott komme, der selbst als der höchste und letzte Richter angesehen wird.132 In der angelsächsischen Geschichte wird diese Vorstellung spätestens mit dem domboc genannten Gesetzbuch König Ælfreds des Großen im späten 9. Jahrhundert fassbar. Dieser stellte seinen Gesetzen eine Einleitung voran, die mit Exodus 20–23133 zentrale Teile mosaischen Rechts wiedergibt, dann mit Matthäus 5,17134 die Brücke zum Neuen Testament schlägt und über die Apostelgeschichte (A.Apost. 15, 23–29)135 sowie Matthäus 7,12136 eine Tradition von Gesetzgebern von Moses bis hin zu König

dar: Kirche-König-Edler-Gemeinfreier. Hier bricht die Gliederung nach Rangstufen ab. Weitergeführt wird der bereits in den letzten Kapiteln vorhandene Gedanke ‚Vergehen eines Mannes gegen einen anderen‘. Die weiteren Gruppen sind: Totschlag-Einbruch in fremden Schutzbereich (GehegebruchEhebruch-Verletzung des Hausfriedens) -Körperverletzung-Frauen-(Delikte mit Frauen-Eherecht-De­ likte gegen Frauen: gegen freies Mädchen-gegen Frau eines Lohnknechts)-Lohnknecht (Lohnknecht als Opfer-als Täter). Die Stoffanordnung dieses frühesten angelsächsischen Gesetzes stellt sich auch einem Empfinden, das an systematische Einteilungen gewöhnt ist, nicht als willkürlich dar.“ 130 Ebenda, 38  ff. Sowie Lendinara, The Kentish Laws, 221: „It is interesting to remark how a series of words which occur in the Kentish laws are not found elsewhere in Old English prose texts, for example homilies or translations, but are, rather, found in Old English poetry.“ 131 Oliver, The Beginnings of English Law, 48  ff. diskutiert noch einige weitere Sätze, die zur ältesten oder jüngsten Schicht gehören mögen, zu deren genauer Einordnung aber sprachwissenschaftliche Hinweise fehlen. 132 Hermann, Recht, Sp. 1109  ff. Zur jüdischen Rechtstradition siehe auch Köbler, Recht, Gesetz und Ordnung im Mittelalter, 108. Zum Übergang dieser Tradition auf das christliche Frühmittelalter Ebenda., 113  f. 133 Af El Prol. 48. 134 Af El 49. 135 Af El 49, 1&2. 136 Af El 49,6.

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Ælfred konstruiert.137 Bereits im 7. und frühen 8. Jahrhundert waren die Kenter am Zustandekommen der Gesetze der kentischen Könige Æthelberht, Hlothere und Eadric sowie Wihtreds beteiligt138 und es wurde bereits herausgearbeitet, dass in diesen Fällen die legitimierende Grundlage des Rechts noch die Gemeinschaft als Inhaberin des Rechts war, freilich unter immer stärkerer Herausstellung der Rolle des Königs und seiner Großen. Nirgends in den Prologen der Königsgesetze vor Ælfreds domboc taucht ein Bezug zu Gott als der Quelle des Rechts auf. Welches Verhältnis von Religion und Recht lässt sich also aus den frühen Rechts­ quellen rekonstruieren und welche Rückschlüsse lassen diese Befunde auf Vorstel­ lungen in heidnischer Zeit zu? Das Gesetz König Æthelberhts von Kent beginnt mit sechs Sätzen, die den Schutz der Kirche und ihrer Diener vor Diebstahl sowie den Kirchenfrieden regeln.139 Der erste aus den Rechtsquellen fassbare Bezug zu Religion und Recht ist also ein Verweis auf die neue Religion des Christentums, und es wird der rechtlich hohe Schutz religi­ öser Räume und Funktionsträger geregelt. Einige Details dieser Bestimmungen lassen aufmerken. So fällt auf, dass das Eigentum eines Priesters mit 9-facher Kompensation140 genauso hoch geschützt ist wie das des Königs.141 Kirchengut und der Besitz eines Bischofs sind ungleich höher mit 12- bzw. elffacher Kompensation geschützt.142 Da die Höhe der Sätze sich nach der gesellschaftlichen Stellung des Geschädigten richtet, wirft dieser Befund Fragen auf. Warum sollte sich ein König, der Gesetze aufschreiben lässt, im Rang unter einen Bischof stellen? Warum ist die Kompensation eines Königs gleich der eines einfa­ chen Priesters? Als mögliche Antwort auf die erste Frage ist vermutet worden, dass elffach der für einen heidnischen Hohepriester übliche Satz gewesen sei.143 Licht in diese Angelegenheit könnte auch die Hinzuziehung kontinentaler leges bringen. So erklärt Wormald die auffällig hohen Kompensationssätze für Kirchen- und Bischofs­ gut, indem er darauf hinweist, dass die Lex Alamanni xi episkopale Kompensationen offen für spätere Verhandlungen gelassen habe.144 Wormald schlug vor anzunehmen,

137 Griffiths, An Introduction to Early English Law, 43: „The intention of this was clearly to associate the concept of human law with that of divine law, and to trace the descent of divine authority from its Old Testament form, through New Testament confirmation, into ecclesiastical canons and so to secular law in Alfred’s present.“ 138 Siehe dazu das Teilkapitel 1.3.2. Rechtsfindung. 139 Abt 1–5 für Kompensationen bei Diebstahl und Abt 6 über den Bruch des Kirchenfriedens. 140 Abt 3: „Preostes feoh IX gylde.“ 141 Abt 10: „Gif frigman cyninge stele, IX gylde forgylde.“ 142 Kirchengut Abt 1: „Godes feoh ˥ ciricean XII gylde.“ und Bischofsgut Abt 2: „Biscopes feoh XI gylde.“ 143 Vgl. Oliver, The Beginnings of English Law, 48 und Wallace-Hadrill, Early Germanic Kingship in England and on the Continent, 41. 144 Wormald, The Making of English Law, 97. Dort Fußnote 341.



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dass „the Kentish Church negotiated itself into a position of unparalleled strength, or else that the bishop’s place was at first equal to a priest’s (and king’s) and was revised upwards at a later date when kings of Kent were weak (or absent) but its prelates remained strong.145 Die von Wormald aufgezeigten Aspekte sind wichtig, dennoch kann der Vergleich mit einer anderen kontinentalen Quelle hier mehr erbringen – die Rede ist von der geographisch und kulturell dem Gesetz Æthelberhts viel näher stehenden, wohl nach 794 entstandenen Lex Frisionum. An einer vielzitierten Stelle heißt es dort, dass der, der ein Heiligtum aufbricht und etwas von den dort befindlichen heiligen Gegen­ ständen entfernt, zum Meer geführt werden soll, um dort auf dem Kiesstrand erst die Ohren abgeschnitten zu bekommen, dann kastriert und schließlich den Göttern geop­ fert zu werden, deren Tempel er verletzt habe.146 Es ist erstaunlich, einen Hinweis auf heidnische Götter und den Schutz ihrer Tempel in einem christlichen Rechtstext des frühen Mittelalters zu finden. Dazu schreibt Fruscione, dass aus „vielerlei Teilen folgt, daß die Lex Frisionum ein christlich bestimmtes Gesetz war. Anders als die anderen Stammesrechte der Karolingerzeit hat aber die Lex Frisionum keine abschließende Redaktion erfahren, und indem sie daher des amtlichen Charakters entbehrt, könnte sich der Bericht über die Behandlung des Tempelschänders erhalten haben.“147 Diese These könnte dadurch untermauert werden, dass die 782 den Sachsen dik­ tierte Capitulatio de partibus Saxoniae ein ähnliches Vorgehen anzudeuten scheint. So ist zu lesen, dass den bei den Sachsen errichteten Kirchen Christi keine geringere

145 Ebenda. 146 Lex Frisionum Additio XI.: „Qui fanum effregerit et ibi aliquid de sacris tulerit, ducitur ad mare, et in sabulo, quod accessus maris operire solet, finduntur aures eius, et castratur et immolatur diis, quorum templa violavit.“ Zum Kontext der Lex Frisionum siehe vor allem Siems, Studien zur Lex Frisionum, Strauch, Friesen. III. Historisches § 24 Recht und Verfassung, 63 sowie Fruscione, Das Asyl bei den germanischen Stämmen im frühen Mittelalter, 116  f. 147 Ebenda. In dieser Einschätzung folgt Fruscione der Beurteilung dieser Stelle durch Siems, Stu­ dien zur Lex Frisionum, 338  f. Strauch, Friesen. III. Historisches, 63 erwähnt auch die Möglichkeit einer Interpolation durch einen heidnischen Friesen. In eine andere Richtung geht der Deutungsver­ such Nehlsons. Er hat in „Der Einfluss des Alten und Neuen Testaments auf die Rechtsentwicklung in der Spätantike und im frühen Mittelalter bei den germanischen Stämmen“ darauf hingewiesen, dass die oft als „Tempelschänderstelle“ bezeichnete Textstelle sich auf den Diebstahl aus einem Tempel bezieht. Dabei könnte es um wertvolle Kultgegenstände oder Opfer(geld) gegangen sein. Dieses Ver­ gehen wird auch im Alten Testament mit der Todesstrafe belegt (-> Unreinheit). Zudem gebe es aus Spätantike und Frühmittelalter Belege „dass die Christen den Pakt mit den Heiden mit heidnischen Strafen belegten.“ (Ebenda, 218). Der Grund dafür, dass sich diese Stelle in einer christlichen Rechts­ aufzeichnung findet, könnte somit in alttestamentlichem Vorbild zu sehen sein. „[…] wobei wir nach dem zuletzt Gesagten auch damit rechnen dürfen, dass der Verfasser dieses Textes die heidnische Sanktion bei Tempelschändung wiedergibt.“ (Ebenda.).

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Ehre (honorem), sondern im Gegenteil eine vielfach höhere Ehre als die eingebildeten Heiligtümer der Götzen zu Teil werdende zustehe.148 Es sollten also Gesetze zur Ehre und zum Schutz der Kirche durchgesetzt werden, die explizit die alten Bräuche der Sachsen bezüglich ihrer heidnischen Kultstätten übertreffen sollten. Um entsprechende Regelungen erlassen zu können, müssen zumindest Grundzüge der alten sächsischen Rechtsgewohnheiten bekannt gewesen sein. All diese Überlegungen eröffnen die Möglichkeit, in den ersten sechs Sätzen aus Æthelberhts Gesetz ein Echo alter kentischer Schutzbräuche für Kultstätten und Kultfunktionäre zu sehen. Diese Rechtsgewohnheiten wären dann auf die sich erst etablierende Kirche übertragen worden.149 Dass es sich bei den Tempeln der heidnischen Angelsachsen um befriedete, also geschützte, Bereiche gehandelt hat, legt auch die Geschichte des Oberpriesters Coifi nahe. Von diesem berichtet Beda, er habe an einer Beratung des northumbrischen Königs Edwin und seiner Großen über die Annahme des Christentums teilgenommen. Coifi habe das Wort ergriffen und berichtet, dass er die Nutzlosigkeit der Verehrung der alten Götter erkannt habe. Daraufhin sei Coifi auf einem Hengst zu einem Hei­

148 Capitulatio de partibus Saxoniae, c 1.: „Hoc placuit omnibus, ut ecclesiae Christi, que modo construuntur in Saxonia et Deo sacratae sunt, non minorem habeant honorem sed maiorem et excellentiorem quam vana babuissent idolorum.“ 149 Die bereits angeführten Stellen aus der Lex Frisionum und der Capitulatio de partibus Saxoniae könnten ein solches Verfahren bei der Verschriftlichung traditioneller Rechtsgewohnheiten nahele­ gen. Außerdem würde dieses Vorgehen gut zu einer Anweisung Papst Gregors über den Umgang mit heidnischen Tempeln und Kultstätten im Missionsfeld passen. In einem auch von Beda in seiner Kir­ chengeschichte überlieferten Brief schreibt Gregor, „[…] fana idolorum destrui in eadem gente minime debeant, sed ipsa, quae in eis sunt, idola destruantur, aqua benedicta fiat, in eisdem fanis aspergatur, altaria construantur, reliquiae ponantur. Quia, si fana eadem bene constructa sunt, necesse est, ut a cultu daemonum in obsequio ueri die debeant commutari, ut dum gens ipsa eadem fana sua non uidet destrui, de corde errorem deponat, et Deum uerum cognoscens ac adorans, ad loca, quae consueuit, familiarius concurrat.“ (HE I, 30). Spitzbart, Beda der Ehrwürdige, 111: „Der Brief ist ohne Datierungs­ zeile und Segenswunsch und mit verkürzter Intitulatio im Register Gregors enthalten (XI, 56).“ Die Pa­ rallele zur Capitulatio de partibus Saxoniae könnte im Übrigen einen neuen Erklärungsansatz für den auffälligen Unterschied zwischen Gregors Anweisung, die Kirche dürfe aus Diebstahlskompensatio­ nen keinen Gewinn machen (HE I, 27) und den bereits zitierten Bestimmungen in Æthelberhts Gesetz liefern. Zu dieser Diskrepanz siehe von Padberg, Mission und Christianisierung, 208 (Anm.58). Dort der Hinweis auf Witney, The Kingdom of Kent, 118, wo dieser die christliche Barmherzigkeit Gregors als Erklärung anführt, diese habe Æthelberhts Gesetz gefehlt. Von Padberg erklärt den Unterschied damit, dass die Vorschriften in Æthelberhts Gesetz sich an biblischen Vorbildern orientierten (Ders., Mission und Christianisierung, 208). Eine weitere Erklärung – zumindest für den Vorzug für die Über­ nahme der alttestamentlichen Vorbilder – könnte durch die kulturelle Vorprägung der Kenter gege­ ben werden. Eine zu geringe Kompensation, die weit hinter den schweren Strafen für Tempeldiebstahl zurückbliebe, wäre den Neuchristen aufgrund dieser Prägung vermutlich nicht vermittelbar gewesen. In ihren Augen und auch in den Augen ihrer noch heidnischen Umwelt wäre die Ehre der christlichen Kultstätten erheblich gemindert worden. Die Vertreter der neuen Religion wären in den Augen der Kenter – der Christen wie der Nichtchristen – herabgewürdigt worden.



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ligtum der alten Götter geritten und habe dieses durch Einstoßen einer Lanze ent­ weiht.150 Vieles spricht dafür, dass die Rechtsgewohnheiten der Kenter auch vor der Mission den Schutz religiöser Stätten und von Kultfunktionären kannten.151 Der Hintergrund für den hohen rechtlichen Schutz heidnischer Kultstätten mag darin zu sehen sein, dass eine Verletzung dieser Orte eine schwere Störung des Kultvollzugs bedeutete. Durch eine solche Tat wurde das Verhältnis der Gemeinschaft zu den Göttern gestört, Unglück und Entzug der Teilhabe am Heil waren die Folgen. Letztendlich schadete der Frevler nicht in erster Linie den Göttern, sondern der Gemeinschaft. Diese war es dann auch wiederum, die den Übeltäter bestrafte. Dabei mögen in Strafen wie sie in der Lex Frisionum beschrieben werden, Vorstellungen über der Gottheit angenehme Arten der Vergeltung eine Rolle gespielt haben, beweisen lässt sich diese Spekulation jedoch nicht. Der siebte Satz des Gesetzes Æthelberhts betrifft den Schutz des Ver­ sammlungsfriedens.152 Es mag sein, dass es sich um eine Regelung handelt, die den alten, religiösen Schutz des Dingfriedens153 ersetzen sollte, da im Zustand der religiö­ sen Zweiteilung der kentischen Gesellschaft diese Funktion vom König übernommen werden musste. Im Kontext des Schutzes von Kultstätten soll noch auf eine weitere Information aus dem friesischen Raum eingegangen werden. In Alcuins Vita Willibrordi wird beschrie­ ben, wie der Heilige von einer erfolglosen Missionsreise zu den Dänen zurückkehrte und dabei auf einer Insel landen musste, die einige Heiligtümer des Gottes Fosite beherbergte und nach diesem Gott Fositesland genannt worden sei.154 Niemand von den Einwohnern habe es gewagt, eines der Tiere zu jagen, die auf der Insel weideten. König Radbod habe alle, die die Heiligtümer auf Fositesland schädigten, mit grausa­ men Strafen bedroht. Neben dem Umstand, dass sich hier wiederum ein Hinweis auf

150 He II, 13: „Accinctus ergo gladio accepit lanceam in manu, et ascendens emissarium regis pergebat ad idola. […] Nec distulit ille, mox ut adpropiabat ad fanum, profanare illud, iniecta in eo lancea quam tenebat […].“ Im Übrigen berichtet Beda, dass es dem Oberpriester vorher weder erlaubt gewesen sei, Waffen zu tragen, noch auf einem Hengst zu reiten. 151 Dies fügt sich in das Bild anderer Quellen über die Religion der Germanen ein. So berichtet Ta­ citus über das Verbot, während des Kultfestes der Nerthus Waffen zu tragen (Germania 40,3: „Laeti tunc dies, festa loca, quaecumque adventu hospitioque dignatur. Non bella ineunt, non arma sumunt, clausum omne ferrum […]“). Dazu Maier, Die Religion der Germanen, 115  ff, der unter der Überschrift „Religion und Recht“ von Regelungen über die Verpflichtung zur Teilnahme am kollektiven Kult und eben auch über den Schutz religiöser Bereiche schreibt. 152 Abt 7 „M[æthl]friþ II gylde.“ 153 Germania 11.1: „Silentium per sacerdotes, quibus tum et coercendi ius est, imperatur.“ Für den nordischen Bereich von See, Altnordische Rechtswörter, 118 und 129. 154 Vita Willibrordi, 10: „[…] pervenit in confinio Fresonum et Daenorum ad quandam insulam, quae a quodam deo suo Fositae ab accolis terrae Fositesland appellabatur, quia in ea eiusdem die fana fuere constructa.“ Zum Kontext von Willibrords Reise siehe von Padberg, Die Inszenierung religiöser Kon­ frontationen, 83, 181,

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höchsten Schutz für heidnische Kultstätten in einem nordseegermanischen Zusam­ menhang findet, ist diese Stelle aus zwei Gründen bedeutsam: So wies Fruscione darauf hin, dass der erwähnte Fosite möglicherweise mit dem skandinavischen „Gott des Rechts“ Forseti gleichzusetzen sei.155 Für den friesischen Bereich finden sich in den Quellen drei Hinweise auf Fosite. Der erste steht in der bereits erwähnten Lebens­ beschreibung Willibrords. Die hier erwähnte Insel wird Jahrzehnte später in der Vita Liudgeri von Altfrid erwähnt. Der Heilige habe hier die heidnischen Heiligtümer zerstört und Kirchen errichtet.156 In der Hamburgischen Kirchengeschichte Adams von Bremen schließlich heißt es, die in der Willibrordvita erwähnte Insel heiße jetzt „Heiligland“, was allgemein mit Helgoland gleichgesetzt wird.157 Es ist wahrschein­ lich, dass der eddische „Rechtsgott“ Forseti (d.  h. „der Vorsitzende“) eine volksety­ mologische Ableitung des friesischen Namens Foseti ist, der wiederum etymologisch nicht erklärbar ist.158 Der Name könnte nach Tveitane im Kontext einer friesischen Handelsstation in den skandinavischen Norden gekommen sein.159 Simek widerlegte durch den Hinweis, dass „bei Herleitung aus dem Friesischen die Bedeutung des nor­ dischen Namens keine Beweiskraft mehr hat“160 die ältere Annahme, Forseti sei wie in Snorris Edda ein Rechtsgott gewesen. Zu dieser Deutung des friesischen Götterna­ mens, dessen wahre Bedeutung sowie die Funktion des so Bezeichneten im Dunkeln bleiben muss, passt die Feststellung Köblers, wonach „bei den Völkern der indoger­ manischen Sprachfamilie“161 ein „einziger Schöpfergott, welcher seiner Schöpfung auch die notwendigen Verhaltensregeln von Anfang an durch Offenbarung gestiftet

155 Vgl. Fruscione, Das Asyl bei den germanischen Stämmen im frühen Mittelalter, 118. 156 Vita Liudgeri 19: „Pervenientes autem ad eandem insulam, destruxerunt omnia eiusdem Fosetis fana que illic fuere constructa, et pro eis Christi fabricaverunt ecclesias.“ Siehe zu dieser Stelle von Padberg, Die Inszenierung religiöser Konfrontationen, 102, 258. 157 Vgl. Adam IV, 3 „[…] Unde accepit nomen, ut Heiligland dicatur. Hanc in Vita sancti Willebrordi Fosetisland appellari discimus […].“ Für einen Überblick über Quellen und Deutungen zu Fosite/For­ seti siehe Tveitane, Forseti, 343  ff. 158 Ebenda, 344. Siehe ebenfalls Simek, Lexikon der germanischen Mythologie, 111. 159 Vgl. Tveitane, Forseti, 345. 160 Simek, Forseti, 111. Dazu Tveitane (wie in Anm. 218, S. 344): „Er wird folglich als ein ‚Gott des Rechts‘ aufgefaßt.“ Daß auch der fries. Fosite dieselbe Funktion hatte, ist unbeweisbar. Der nord. ‚Gott des Rechts‘ muß vielmehr eine weitere volksetym. Umdeutung sein, von der Bedeutung des Namens ‚Vorsitzender (des Gerichts?) ausgehend.“ An dieser Stelle darf freilich nicht unerwähnt bleiben, dass von See, Altnordische Rechtswörter, 121 aus sprachwissenschaftlicher Sicht Einwände gegen die da­ mals wie heute gängige Interpretation des Namens Forseti vorgebracht hat. So habe das Präfix for im Nordischen „an sich einen abwertenden Sinn.“ „Auch -seti im Sinne von ‚Gerichtssitzer‘ ist jung und selten […]. Das möchte dafür sprechen, daß die Funktion des Gottes nicht aus der Namensdeutung gewonnen wurde, sondern daß schon der friesische Gott ein Rechtsgott war.“ Trotz dieses Einwan­ des scheint sich in der Forschung die Interpretation von Forseti als volksetymologische Umdeutung durchgesetzt zu haben. 161 Köbler, Recht, Gesetz und Ordnung im Mittelalter, 108.



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hat und damit auch wesentlich Rechtsgott ist, fehlt […] Ein besonderer, das Recht stiftender oder auch nur wahrender Gott ist in keinem Fall unter ihnen.“162 Gegen einen Zusammenhang von Recht und Religion bei den Kentern, wonach das Recht von einem Gott bzw. den Göttern gestiftet worden seien, spricht ferner der Umstand, dass es sich beim angelsächsischen Polytheismus nicht um eine dem Juden- oder Christentum vergleichbare Offenbarungsreligion gehandelt hat.163 Zudem ist zweifelhaft, dass die Missionare unter Augustin an der Verschriftli­ chung von Rechtsgewohnheiten mitgewirkt hätten, die als integraler Bestandteil des von ihnen als zu überwindende Religion betrachteten Heidentums gegolten hätten. Zumindest wäre in einem solchen Fall ein deutlicher Hinweis auf Gott als die wahre Quelle aller Gerechtigkeit zu erwarten gewesen. Ein solcher Hinweis fehlt den frühen angelsächsischen Gesetzen. Korte, der den Rechtsgang der Angelsachsen untersucht hat, stellt dementsprechend fest: „Der Rechtsgang war nicht eine Art kultischer Handlung, sondern ein menschlicher Macht­ kampf, der mit menschlichen Mitteln geführt wurde.“164 Er weist jedoch darauf hin, dass der zum Rechtsgang gehörende Eid bereits in heidnischer Zeit unter göttlichem Schutz gestanden habe.165 Zuletzt liefert das Wort ‚æweweard‘166 einen möglichen Hinweis auf eine recht­ liche Funktion der polytheistischen Kultfunktionäre. Dieses Kompositum besteht aus den Wörtern ‚æ‘167, daher ‚Recht/göttliches Gesetz/religiöser Ritus‘ und ‚weard‘, daher ‚Wächter.‘168 Sundqvist hat darauf hingewiesen, dass das verwandte „ewart(o), ewart“ im deutschsprachigen Raum das „vielleicht gängigste ahd./mhd. Wort für

162 Ebenda. Bei Köbler finden sich Hinweise auf ältere Forschungsliteratur, die noch von einem ger­ manischen Rechts- und Dinggott ausgegangen war. Demgegenüber stellte Rehfeldt, Recht, Religion und Moral bei den frühen Germanen, 10  f. bereits 1954 heraus, dass es eine solche Vorstellung bei den Germanen nicht gegeben habe. Dieser Linie folgten dann auch von See, Altnordische Rechtswörter, 105, 117, 131 und Korte, Untersuchungen zu Inhalt, Stil und Technik angelsächsischer Gesetze und Rechtsbücher des 6. bis 12. Jahrhunderts, 146  f. 163 Rehfeldt, Recht, Religion und Moral bei den frühen Germanen, 4: „Lehren hatte keiner von ihnen [den Göttern, J.L.] verkündet, und nicht wegen seiner Lehre siegte der Christengott über sie […].“ Ders., 9: „Wir sahen schon, daß keiner ihrer Götter eine Lehre verkündet hat, und von ‚Geboten‘ im Sinne des Dekalogs kann bei ihnen ebensowenig die Rede sein.“ Siehe zu diesem Punkt auch Korte, Untersuchungen zu Inhalt, Stil und Technik angelsächsischer Gesetze und Rechtsbücher des 6. bis 12. Jahrhunderts, 147: „Die Götter waren keine Richter im menschlichen Streit.“ 164 Korte, Untersuchungen zu Inhalt, Stil und Technik angelsächischer Gesetze und Rechtsbücher des 6. bis 12. Jahrhunderts, 147. 165 Ebenda. 166 Zur Bedeutung siehe Sundqvist, Priester und Priesterinnen, 427: „[…] æweweard […] wörtlich ‚Wärter des Gesetzes‘, aber auch mit der Bedeutung ‚P[riester, J.L.], Kultwart‘ […].“ 167 Zu möglichen Bedeutungen siehe das Dictionary of Old English ‚æ‘. Für eine Diskussion des Be­ griffs siehe die Seiten 33  f. Zum Dictionary of Old English, einem an der Universität von Toronto an­ gesiedelten Projekt, siehe http://tapor.library.utoronto.ca/doe/dict/indices/headwordsindexae.html. 168 Sweet, Student’s Dictionary of Anglo-Saxon, 201.

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einen (jüdischen/christl.) P.[riester] (evtl. Kultfunktionär)“169 sei. Jente schrieb in seiner Untersuchung über ‚Die mythologischen Ausdrücke im altenglischen Wort­ schatz‘, aus dem Vergleich mit anderen germanischen Sprachen sei „die Bedeutung ‚heidnischer Priester‘ noch klar zu ersehen‘.170 Er ging noch davon aus, dass es sich bei æweweard um ein hapax legmomenon handele171, wohingegen das Dictionary of Old English nunmehr zwei Stellen im Corpus der altenglischen Texte kennt, an denen dieses Wort vorkommt. Es sind dies zum einen die schon Jente bekannte Stelle in den Blickling Homilies. In dem Kapitel über die Geburt Johannes des Täufers heißt es, es habe in den Tagen des Herodes einen sehr mächtigen Priester (æweweard) namens Zacharias gegeben.172 Die andere Stelle stammt aus einem Psalter aus Canterbury: „bletsie æweweærdes drihtnes drihten“, daher. ‚Segnet bzw. weiht die Priester des Herrn dem Herrn‘.173 Für Jente deutet das Wort „auf die gesetzgebende Tätigkeit der heidnischen Pries­ ter, die auch Strafen erteilten“174 hin. Es ist klar, dass er sich hierbei von der Beschrei­ bung des Tacitus leiten ließ, der davon berichtet, dass die Priester der Germanen auf Volksversammlungen für die Einhaltung des Friedens verantwortlich waren und bei Friedensbruch auch Strafen verhängen konnten.175 Dennoch bietet die Wortbedeu­ tung alleine keine Grundlage dafür, aus den Hütern oder Wächtern des Gesetzes gleich Gesetzgeber zu machen. Zumal dies bei Tacitus so nicht steht176, und zwischen seiner Beschreibung der germanischen Zustände und der frühmittelalterlichen Verwendung des Wortes æweweard gut 500 Jahre liegen, die als zeitlicher Abstand noch zum geo­ graphischen Abstand zwischen den von Tacitus beschriebenen kontinentalen Zustän­ den und der Kultur der insularen Angelsachsen hinzukommen. Bei der Untersuchung frühmittelalterlicher, ‚germanischer‘ Kulturen muss jedoch stets – soweit dies durch die Quellengrundlage möglich gemacht wird – der Einzelfall beachtet werden.

169 Sundqvist, Priester und Priesterinnen, 427. Die kursiven Hervorhebungen und Ergänzungen in eckigen Klammern durch J.L. 170 Jente, Die mythologischen Ausdrücke im altenglischen Wortschatz, 2. 171 Ebenda, 1  f. 172 Blickling Homily Nat.Jn.Bapt. 22: „[…] on Herodes dagum þæs cyninges wæs swiþe mycel æweweard, þæs noma wæs Zacharias.“ 173 The Canterbury Psalter. Ymnus Trium Puerorum H 7.84 (S. 386). Die an der Stelle gegebene lateini­ sche Übersetzung lautet: „benedicite sacerdotes domini domino“. 174 Jente, Die mythologischen Ausdrüche im altenglischen Wortschatz, 2. 175 Germania 11.1: „Silentium per sacerdotes, quibus tum et coercendi ius est, imperatur.“ 176 Vgl auch von See, Altnordische Rechtswörter, 106: „[…] der taciteische sacerdos eröffnet mit sei­ nem Schweigegebot zwar die Dingversammlung und ist insofern Hüter des Dingfriedens, aber er ist weder Gesetzessprecher noch Richter und seine Strafgewalt bezieht sich  – wenn man Tacitus hier überhaupt trauen darf – nur auf Delikte, die sich gegen den Heeres- und Dingfrieden richten.“ Dick, Der Mythos vom „germanischen“ Königtum, 82 und 85 hat zudem darauf hingewiesen, dass sich Ta­ citus in seiner Schilderung der strafenden Rolle von Priestern an römischen Verhältnissen orientiert habe.



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Die ersten homiletischen Handschriften in altenglischer Sprache stammen aus dem späten 10. und frühen 11. Jahrhundert. Ihre Ursprünge liegen aber etwas früher als die der lateinischen Kompilationen, die in England kopiert wurden.177 Das Blickling Homiliy gehört zu den frühesten überlieferten altenglischen Sammlungen von Homilien, Predigten und vitae, die Entstehungszeit wird um das Jahr 971 datiert.178 Der zweite das Wort æweweard enthaltende Text ist der in die Mitte des 12. Jahr­ hunderts zu datierende Canterbury Psalter.179 Der Band enthält drei lateinische Versionen der Psalmen, wovon das Romanum mit einer altenglischen interlinearen Glosse versehen ist. Im Laufe der Zeit sind verschiedene Versuche gemacht worden, die Vorlage für die altenglische Glosse zu datieren und einem altenglischen Dialekt zuzuordnen. So hat Wildhagen angenommen, dass dem Kopisten eine westsächsi­ sche Vorlage aus der ersten Hälfte des 10.  Jahrhunderts zur Verfügung gestanden habe.180 Diese Lösung lehnt Liles jedoch ab, da es wegen der vielen Fehler des Kopis­ ten und auf der Grundlage des Vorkommens einzelner Wörter nicht möglich sei, den altenglischen Text sicher einer Epoche und einem Dialekt zuzuordnen.181 Dennoch sei sicher anzunehmen, dass der Schreiber mit einer Vorlage gearbeitet habe. Liles kommt zu dem Schluss, dass „[b]ecause of the inconsistency in the spelling practices of the glossator, any exact dating of the earlier gloss is impossible. From the information that we have, it is difficult to be more precise than to say that the Old English gloss was copied into the Psalter during the middle of the twelfth century from an ‚earlier‘ translation.“182 Der älteste überlieferte angelsächsische Psalter ist der Vespasianische Psalter aus der Mitte des 8. Jahrhunderts. Da dieser nicht die Vorlage für den Kopisten

177 Vgl. Richard, The Blickling Homilies, xxii. 178 Ebenda, xxix: „The Blickling Homilies […] is the earliest extant collection of vernacular preaching texts in England, dating from c. 971. Its design and purpose indicate that it was primarily intended for lay instruction but with some texts jointly addressing a clerical audience also; it may well have been, as Godden has suggested, one of the exemplars for Ælfric’s Catholic Homilies.“ Die Handschrift hat ihren Namen vom Blickling Estate, in dessen Büchereibestand sie lange Zeit war. Der Text befindet sich heute im Besitz der Scheide Library, die in der Universitätsbibliothek von Princeton untergebracht ist. Die Sammlung besteht aus drei Teilen, die im 19. Jahrhundert neu zusammengebunden wurden: 1. Ein Kalender aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, 2. eine Sammlung von Evangeliumssprüchen und 3. das angelsächsische Homilienbuch. 179 Die zu benutzende Edition ist hier Liles, The Canterbury Psalter. An Edition with Notes and Glossary, Stanford 1967. Der lateinische Text des Psalters wurde in Christ Church, Canterbury, von einem Mönch namens Eadwine kopiert (Ebd., 1). Der Canterbury Psalter enthält alle drei Versionen von St. Jeromes Version der Psalmen, das Gallicanum, das Hebraicum und das Romanum (Ebd., 4). Die Handschrift wurde zum ersten Mal im 14. Jahrhundert in einem Katalog von Handschriften als tripartitum psalterium Edwini erwähnt (Nummer 323 Cottonian MS. Galba EIV). Die Handschrift wurde dann im 16. Jahrhundert nach Cambridge überführt, wo sie bis heute zum Bestand des Trinity College gehört und dort als Psalterium cum tribus translationibus katalogisiert ist. 180 Wildhagen, Der Psalter des Eadwine von Canterbury, 1905, 190  ff. 181 Liles, The Canterbury Psalter, 8  ff. 182 Ebenda, 12.

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des 12. Jahrhunderts darstellte, ist anzunehmen, dass dieser mit einem Text aus dem 9. oder 10. Jahrhundert arbeitete. Beide Stellen sind also zeitlich erheblich vom angelsächsischen Polytheismus entfernt und finden sich in einem eindeutig biblischen Kontext.183 Dieser Befund rückt es in den Bereich des Möglichen, dass es sich bei æweweard um eine christli­ che Neuprägung handeln könnte, dass der Begriff mithin niemals einen heidnischen Kultfunktionär bezeichnet hat. Die semantische Untersuchung der beiden Bestand­ teile des Kompositums kann diese Jente zuwiderlaufende Hypothese zumindest nicht widerlegen. So ist der zweite Wortbestandteil weard eindeutig als „Wächter“ zu übersetzen. Das Wort lebt in dem Wort warden daher „Aufseher“, britisch „Gefängniswärter“ oder amerikanisch „Gefängnisdirektor“ fort. Dass æ „Recht“, „Gesetz“ bedeutet und dass ein Bedeutungswandel hin zu „heilige Schrift“ stattgefunden hat, wurde bereits erwähnt.184 Interessant ist ein Blick auf die Verteilung dieser Bedeutungen im Corpus der überlieferten altenglischen Texte. Von den 1300 im Dictionary of Old English verzeichneten Einträgen zu æ sind lediglich vier Einträge eindeutig dem weltlichen Bereich zuzuordnen und bezeichnen die wohl älteste Wortbedeutung „überliefertes Recht“. Die Stellen sind die Einleitung zu dem Gesetz der kentischen Könige Hlo­ there und Eadric185, die Einleitung des Gesetzes des westsächsischen Königs Ine, eine Stelle aus demselben Gesetz186 und eine Passage aus der altenglischen Übersetzung von Bedas Kirchengeschichte.187 Die Texte stammen aus dem späten 7. Jahrhundert (Hl), dem frühen 8. Jahrhundert (Ine) sowie dem späten 9. Jahrhundert (Übersetzung

183 An dieser Stelle sei bereits darauf hingewiesen, „that whilst there are tenth- and eleventh-century references to heathen practices in England, these are practices associated with the Scandinavian invaders and settlers rather than with the early Saxons.“ Wilson, Anglo-Saxon Paganism, 43. Es ist also für die Entstehungszeit der Handschriften nicht von einer einheimischen, heidnischen Priesterschaft auszugehen, die mit diesem Wort zu bezeichnen gewesen wäre. Dies hätte zudem die Verwendung des Begriffs æweweard in einem biblischen Kontext eher unwahrscheinlich gemacht. 184 Vgl. Anm. 178. 185 El Hl: „Hloþhære ˥ Eadric, Cantwara cyningas, ecton þa æ þa ðe heora aldoras ær geworhton ðyssum domum […]“ Daher „Hlothere und Eadric, Könige der Kenter, mehrten das Recht, welches ihre Vorfahren gebildet hatten, mit diesen Gesetzen […].“ Liebermann, Die Gesetze der Angelsachsen Bd. 1, 9. 186 El Ine: „Ic Ine […] wæs smeagende […] þætte ryht æw ˥ ryhte cynedomas ðurh ure folc gefæstnode ˥ getrymede wæron […]. Daher „Ich Ine […] pflog Rath […] auf dass richtiges [Gewohnheits]recht und rechte Königsverordnungen über unser Volk hin befestigt und gesichert würden […].“ Liebermann, Die Gesetze der Angelsachsen Bd. 1, 89. Sowie Ine 1.1: „Æfter þam we bebeodað, þætte ealles folces æw ˥ domas ðus sein gehealdene.“ Daher „Demnächst gebieten wir, dass alles [Laien]volkes Recht und Gesetze folgendermassen gehalten wer­ den.“ Liebermann, Die Gesetz der Angelsachsen Bd. 1, 89. 187 HE I, 27. „Quaedam terrena lex in Romana republica permittit […]“ wird mit „sum eorðlic æ in þære Romaniscan cynnewisan forlæteð […]“ übersetzt. Wie auch im übrigen Text entspricht damit ‚æ‘ dem lateinischen ‚lex‘.



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HE). Im Fall Bedas ist es möglich, dass die Stelle dessen Sinn für literarischen Stil geschuldet ist. So stellt er der „terrena lex“, die eine Ehe unter Cousins und Cousi­ nen erlaubt, die „sacra lex“, die solche Verbindungen verbietet, gegenüber.188 Da in der Übersetzung von Bedas Kirchengeschichte im späten 9.  Jahrhundert „lex“ stets mit „æ“ übersetzt wurde, kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden, ob „æ“ für sich genommen zu dieser Zeit noch „überliefertes Recht“ bedeuten konnte. Dabei ist auch zu bedenken, dass die Übersetzung in einem westsächsischen Dialekt vorliegt und sich in einem anderen westsächsischen Text, dem Gesetz Ines, ebenfalls eine anscheinend konservative Verwendung des Wortes „æ“ findet. Schließlich benutzt der ungefähr gleichzeitig entstandene Text des Gesetzes des Kenterkönigs Whitred das Wort „þeaw“189 und nicht „æ“, um die alten Rechtsbräuche der Kenter zu bezeich­ nen. Für die übrigen Corpusstellen, die sämtlich in einem kirchlichen Kontext stehen, überwiegen andere Bedeutungen. So finden sich allein 18 Stellen, an denen „æ“ die Bedeutung „Ehe“ hat.190 Weitere Übersetzungen sind „Heilige Schrift“, „biblisches Gesetz“191 oder auch „Zeremonie/Ritus“.192 Der Befund lässt zwei Möglichkeiten plau­ sibel erscheinen. Zum einen könnte es sich bei æweweard um eine christliche Neuprägung handeln. Diese wäre dann vor dem Hintergrund des Bedeutungswandels von „æ“ hin zu „Heilige Schrift“ oder „Heiliges Gesetz“ zu verstehen. Der Umstand, dass die ein­ 188 HE I, 27: „Quaedam terrena lex in Romana republica permittit, ut siue frater et soror, seu duorum fratrum germanorum, uel duarum sororum filius et filia misceantur. […] et sacra lex prohibet cognationis turpitudinem reuelare.“ 189 Wi El: „[…] Cantwara rihtum þeawum […].“ 190 Vgl. Eintrag in Dictionary of Old English. Für den nordischen Bereich hat von See, Altnordische Rechtswörter, 107 geschrieben: „Die Ausweitung des ewa-Begriffs auf den religiösen Brauch hat sich also vielleicht erst in spätheidnischer Zeit und auf beschränktem, vornehmlich deutschem Raum durchgesetzt, und erst das Christentum hat dann diese Ansätze benutzt, um ewa in der religiösen Terminologie heimisch zu machen.“ 191 Diese Bedeutung überwiegt im Kontext der Fundstelle bei Beda (HE I, 27). So bezieht sich das Verbot der „sacra lex/halige æ“ (Vgl. Anm. 226), dass Cousins und Cousinen nicht heiraten dürfen, auf Leviticus 18,6  ff. Das Verbot für einen Mann einer menstruierenden Frau beizuwohnen, steht in Leviticus 20,18, was ebenfalls als „halige æ“ bezeichnet wird. Auch auf die Reinigungsvorschrift aus Leviticus 15,16 wird als æ Bezug genommen. Wormald, The Making of English Law, 95 kommt zu dem Schluss: „In the general legal sense, the word seems to be used only in the seventh century and in antithesis or parallel to dom: Hl Pr., Ine Pr., 1:1. But Af Int 49:1, where it means Christ’s Law, and Alfred’s preface to his Gregory’s Pastoral Care, p. 4 ln 25, where it apparently means Holy Writ, usher in its late Saxon usage for almost any aspect of the Divine Law, whether specifically Bibical, Godly precept, or even ‚natural law‘: e.  g. Ælfric’s Catholic Homilies, Second Series XXII, p. 207, God is made known in part to the Jewish people through ‚Moses’ æ‘ and to all mankind through Christ’s Incarnation; or ibid. XXVI, p. 237, ‚ante legem, sub lege, sub gratia‘ is ‚before æ, under æ, under God’s gift‘, the last being ‚the time since Christ’s advent to manhood‘. Ælfric repeatedly has the word in this sense, and it occurs hundreds of times in glosses to Psalm 119. Æ thus retained a sense of enduring law.“ 192 Ebenda.

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zigen überlieferten Textstellen in Texten des 9. oder 10. Jahrhunderts stehen, würde dies möglich erscheinen lassen. Ebenfalls möglich ist, dass es sich bei einem æweweard ursprünglich um einen Kultfunktionär gehandelt hat, der die Aufsicht über die richtige Ausführung gewisser Kulthandlungen hatte. Diese Interpretation wird durch die im Corpus belegte mögli­ che Übersetzung „æ“ gleich „Zeremonie/Ritus“ möglich193. Aufgrund der äußerst dünnen Quellengrundlage ist hier keine endgültige Aussage möglich. In beiden möglichen Fällen kann keine gesetzgebende Tätigkeit durch angel­ sächsische Kultfunktionäre der heidnischen Zeit angenommen werden. In der Zusammenschau ergibt sich damit folgendes Bild vom Zusammenhang von Recht und Religion bei den heidnischen Angelsachsen: Die Vorstellung eines göttlichen Ursprungs der Rechtsordnung war den germa­ nischsprachigen Bewohnern der britischen Inseln vor der Christianisierung wohl fremd. Daraus ergibt sich die Annahme, dass es auch keine „priesterliche“ Gesetz­ gebung bei den polytheistischen Angelsachsen gab. Kultfunktionäre achteten auf die Einhaltung bestimmter Kulthandlungen. Es gab einen rechtlichen Schutz für Kultstät­ ten und womöglich auch eine religiöse Grundlage des Versammlungsfriedens sowie für vor Gericht zu leistende Eide. Die Herrschaft der angelsächsischen Könige, die nach Ausweis der Quellen einen erheblichen Anteil an der Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Ordnung hatten, war geprägt von sakralen Elementen. So berichtet Beda, dass sich „das Königsge­ schlecht vieler Länder“ von Woden herleite.194 Für die Königsfamilien aller angelsäch­ sischen Reiche bis auf Sussex sind Genealogien überliefert, die eine göttliche Her­ kunft der Familie bezeugen. Dabei ist der göttliche Ahnherr in der Regel Woden, der als „god of kings and warriors“195 eine herausragende Rolle spielte. Doch nicht nur die männlichen Mitglieder der königlichen Familie besaßen eine enge Verbindung zum König der Götter. Funde von Brakteaten in Frauengräbern des 5. und 6. Jahrhunderts weisen darauf hin, dass auch die Frauen der Herrscherfamilie durch ihren Schmuck die enge Verbindung zwischen Woden und der herrschenden Familie zum Ausdruck brachten.196 193 Dictionary of Old English. Die Wichtigkeit dieses Aspekts angelsächsischer Religiosität vor der Hinwendung zum Christentum ist zuletzt von Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c. 597– c.700 herausgestellt worden. Hier bes. 70  f. sowie 98  f. 194 HE I, 15: „Erant autem filii Uictgisli, cuius pater Uitta, cuius pater Uecta, cuius pater Uoden, de cuius stirpe multarum prouinciarum regium genus originem duxit.“ Zu Alter und Funktion dieser ge­ nealogischen Tradition siehe Behr, The Origins of Kingship, 28, Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, bes. 7–42, North, Heathen Gods in Old English Literature, 111–133, von Padberg, Sakralkönigtum. IV.B. Angelsächsische Quellen. Nahverhältnis zum Numinosen, 273  ff., Ders., Die Christianisierung Europas im Mittelalter, 41, Ders., Odin oder Christus?, 256  f. und 272  f., Polomé, Brakteaten und die germanische Religionsgeschichte, 97. 195 Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 34. 196 Vgl. Behr, New Bracteate Finds, 34  ff, 66 und 80  f., Dies., The Origins of Kingship, 51  f.,



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Das Königsgeschlecht von Essex führte seine Herkunft auf den auch bei den Alt­ sachsen bekannten Gott Seaxnet zurück.197 Diese vermutlich aus heidnischer Zeit überlieferten Traditionen waren für das Selbstverständnis und die Legitimation der königlichen Familie offenkundig so bedeutsam, dass sie die Christianisierung über­ dauerten, und selbst Beda in seiner Kirchengeschichte nicht meinte, darauf verzich­ ten zu können. Neben der göttlichen Abstammung war die Verbindung zwischen Königen und Göttern bei göttlicher Sieghilfe wichtig. Wie noch zu sehen sein wird, spielte dieses Moment bei der Annahme des Christengottes durch die Könige der Angelsachsen eine besondere Rolle. Im Kontext der Konversion wurde die königliche Kultverantwor­ tung198, die mit einer königlichen Entscheidungskompetenz in religiösen Angelegen­ heiten einherging, von erheblicher Bedeutung.199

197 Vgl. Ebenda, 29, von Padberg, Sakralkönigtum. IV.B. Angelsächsische Quellen. Nahverhältnis zum Numinosen, 274 sowie Simek, Lexikon der germanischen Mythologie, 361. 198 Vgl. Behr, Das kentische Königtum im frühen 6. Jahrhundert, 156. 199 Vgl. von Padberg, Sakralkönigtum. IV.C. Angelsächsische Quellen. Ergebnis, 279.

2 Kent Am 22.  Juni des Jahres 601 sandte Papst Gregor der Große drei Briefe nach Britan­ nien. Ein Brief ging an Augustinus, der 596 zur Heidenmission ausgesandt worden war.1 Die beiden anderen Schreiben waren an den König und die Königin von Kent, Æthelberht und Bertha, gerichtet. Seinem Mitarbeiter vor Ort gab der Papst Anwei­ sungen über die Einrichtung zweier Kirchenprovinzen, die je von London und York aus gelenkt werden sollten.2 Die Königin Bertha vergleicht Gregor mit der Kaiserinmutter Helena, deren Ruhm selbst ins ferne Konstantinopel gedrungen sei. Der Absender findet jedoch auch tadelnde Worte. So habe Bertha es versäumt, ihren Gatten früher zum wahren Glauben zu führen. Einst Versäumtes könne sie nun dadurch wiedergutmachen, dass sie ihren Mann ansporne, die Bekehrung des Volkes schneller herbei zu führen.3 Im Schreiben an König Æthelberht selbst wird dieses Hauptanliegen Gregors noch deutlicher. Gregor erinnert daran, dass der König viel Gutes von Gott empfangen habe und dass es nun seine Pflicht sei, dieses Gute an sein Volk weiterzugeben. Daher

1 Einigkeit besteht in der Einschätzung, dass die Initiative zum Beginn der Mission letztlich nicht von Rom, sondern von Britannien selbst ausging. Dabei ist nicht mit Sicherheit zu klären, ob die Initia­ tive zu der Unternehmung von Æthelberht selbst, so Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c. 597–c. 700, 50  f. und Fletcher, The Barbarian Conversion, 116, Königin Bertha, so Nolte, Conversio und Christianitas, 102, von Padberg, Mission und Christianisierung, 44, Ders., Christianisierung Eu­ ropas im Mittelalter, 77 oder doch eher von fränkischer Seite, so ebenfalls Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c. 597–c. 700, 50  f., ausging. Zu der Reise der Missionare unter Augustinus, der Ankunft in Kent und den ersten Maßnahmen siehe neben den oben genannten Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 156  ff., Gameson, Augustine of Canterbury, Kirby, The Earliest English Kings, bes. 23  ff., Lambert, Christians and Pagans, bes. 169  ff., Markus, Augustine and Gregory the Great, 43  ff., Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 57  ff., von Padberg, Die Inszenierung religiöser Konfrontationen, bes. 60  ff., 99, 318  ff, 360, 403 und Wood, Augustine and Gaul. 2 Vgl. HE I, 29 „Et quia noua Anglorum ecclesia ad omnipotentis Dei gratiam eodem Domino largiente et te laborante perducta est, usum tibi pallii in ea ad sola missarum sollemnia agenda concedimus, ita ut per loca singula XII episcopos ordines, quo tuae subiaceant dicioni, quatinus Lundoniensis ciuitatis episcopussemper in posterum a synodo propria debeat consecrari […]. Ad Eburacam uero ciuitatem te uolumus episcopum mittere, quem ipse iudicaueris ordinare, ita dumtaxat, ut, si eadem ciuitas cum finitimis locis uerbum Dei receperit, ipse quoque XII episcopos ordinet, et metropolitani honore perfruatur […].“ Dieses Schreiben Gregors ist ebenfalls im päpstlichen Register unter der Nummer XI, 39 überliefert. 3 Gregorii registri XI, 35 „Nam sicut recordandae memoriae Helenam matrem piissimi Constantini imperatoris ad christianam fidem corda Romanorum accenderat, ita per gloriae vestrae studium in Anglorum gentem eius misericordiam confidimus operari. […] quia bona vestra non solum iam apud Romanos, […] sed etiam per diversa loca et usque Constantinopolim ad serenissimum principem pervenerunt. […] Sic vos in adiutorio suprascripti reverentissimi fratris et coepiscopi nostri et servorum Dei quos illic misimus, in conversione gentis vestrae devote ac totis viribus exhibite, ut et hic feliciter cum glorioso filio nostro coniuge vestro regnetis et post longa annorum tempora futurae quoque vitae gaudia, quae finem habere nesciunt, capiatis.“ Der Brief Gregors an Bertha findet sich nicht in Bedas HE.



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solle Æthelberht bei der Bekehrung seines Volkes mehr Eifer an den Tag legen und die Menschen durch vorbildliches Verhalten auf der einen und Tatmission auf der anderen Seite zum Übertritt bewegen4. So wie Bertha zuvor mit Helena verglichen wurde, vergleicht Gregor Æthelberht mit Konstantin.5 Der Papst mahnt zu mehr Eile. So könne der König das berühmte Vorbild noch übertreffen und vor dem nahen Endgericht bestehen.6 So eindringlich die Worte des Papstes auch waren, sie scheinen ihre gewünschte Wirkung nicht völlig entfaltet zu haben. Im Gesetz König Æthelberhts findet sich jedenfalls kein Hinweis auf die angemahnte Verfolgung des heidnischen Kultes, und auch Bedas Bericht bestätigt diesen Befund. So habe er über Æthelberht gehört, dass der König „über […] Glauben und Bekehrung erfreut war, aber dennoch niemanden zum Christentum zwang […].“7 Erst über Æthelberhts Enkel Eorcenberht berichtet Beda, dieser habe angeordnet, in seinem Reich, die „Götzenbilder abzuschaffen und zu zerstören.“8 Eorcenberhts Taten sind nur aus Bedas Kirchengeschichte bekannt, ein Gesetz dieses Königs ist nicht überliefert. Es stellt sich die Frage, ob aus der Anordnung zur Zerstörung der Götterbilder ohne weiteres auf ein allgemeines Verbot des heidnischen Kultvollzuges im eigenen Haus geschlossen werden darf.9

4 HE I, 32 „[…] idolorum cultus insequere; fanorum aedificia euerte; subditorum mores es magna uitae munditi aexhortando, terrendo, blandiendo, corrigendo et boni operis exempla monstrandoaedificia, ut illum retributorem inuenias in caelo, cuius nomen atque cognitionem dilataueris in terra.“ Der Brief an Æthelberht ist in der HE I, 32 und dem Register Gregors unter XI, 37 überliefert. 5 HE I, 32 „Ipse enim uestrae quoque gloriae nomen etiam posteris gloriosius reddet, cuius uos honorem quaeritis et seruatis in gentibus. Sic etenim Constantinus quondam piisimus imperator Romanam rempublicam a peruersis idolorum cultibus reuocans omnipotenti Deo Domino nostro Iesu Christo secum subdidit, seque cum subiectis populis tota ad eum mente conuertit. Vnde factum est, ut antiquorum principum nomen suis uir ille laudibus uinceret […]. Et nunc itaque uestra gloria cognitionem unius Dei, Patris et Filii et Siritus Sancti, regibus ac populis sibimet subiectis festineti infundere, ut et antiquos gentis suae reges laudibus ac meritis transeat […].“ Diese inhaltliche Übereinstimmung spricht dafür, den Brief an Bertha ebenfalls auf den Tag der Schreiben an Augustinus und Æthelberht zu datie­ ren, obwohl das genaue Datum in der päpstlichen Registratur nicht überliefert ist. Der Hinweis auf Konstantin hat wohl die Funktion auf das Schlachtenwunder an der Milvischen Brücke hinzuweisen und so diesen für einen König sicher attraktiven Aspekt des neuen Glaubens hervorzuheben. Siehe dazu von Padberg, Mission und Christianisierung, 160 und Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 63. 6 HE I, 32 „[…] et quanto in subiectis suis etiam aliena peccata deterserit, tanto etiam de peccatis propriis ante omnipotentis Dei terribile examen securior fiat.“ 7 HE I, 26 „Quorum fidei et conuersioni ita congratulatus esse rex perhibetur, ut nullum tamen cogeret ad Christianismum […].“ 8 HE III, 8 „[…] idola relinqui ac destrui […].“ 9 Ein solches Vorgehen wäre in der mittelalterlichen Missionsgeschichte nicht ohne Parallele. Bei der isländischen Thingversammlung des Jahres 999 fiel die Entscheidung für die Annahme des Chris­ tentums. Alle Isländer sollten sich taufen lassen. Gleichwohl hatte die Entscheidung Kompromiss­ charakter, da es erlaubt blieb, das heidnische Opfer heimlich durchzuführen. Vgl. von Padberg, Die Christianisierung Europas im Mittelalter, 138  f.

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Erst das wohl im September 69510 erstellte Gesetz König Wihtreds von Kent verbot ausdrücklich das heidnische Opfer11, beinahe ein Jahrhundert nachdem Augustinus und seine Gefährten ausgesandt worden waren, die Menschen von Kent zu bekehren. Während dieser einhundert Jahre hat sich die gesellschaftliche und rechtliche Stellung der Anhänger des kentischen Polytheismus dramatisch gewandelt. Von den genannten Eckdaten muss die Untersuchung dieses Prozesses ausgehen.

2.1 Die Behauptung einer heidnischen Elite Im Sommer 601 forderte Gregor der Große Æthelberht von Kent dazu auf, heidnische Kultstätten zu zerstören und den Opferkult verfolgen zu lassen. Somit sollte aus der kirchlich-theologischen Urteilskategorie „Heide“ eine rechtliche Kategorie werden. Freilich erging diese Forderung wohl in weitgehender Unkenntnis der Besonderhei­ ten der kentischen Gesellschaft und vor dem geistigen Hintergrund eines im römi­ schen Recht geschulten Mitglieds des stadtrömischen Adels.12

10 Vgl. Oliver, The Beginnings of English Law, 148. 11 Wi 9: „Gif ceorl buton Wifes wisdome deoflum gelde, he sie ealra his æhtan scyldig ˥ healsfange., 9.1: „Gif butwu deoflum geldaþ, sion hio healsfange scyldigo ˥ ealra æhtan.“, 10: „Gif þeuw deoflum geldaþ, VI scll gebete oþþe his hyd.“ 12 Vgl. Church, Paganism in Conversion-Age Anglo-Saxon England, 165  ff., der darauf hinweist, dass Gregors Bild des Heidentums wesentlich durch das Alte Testament und die Überlieferung der römi­ schen Antike geprägt war. Diese Vorlagen habe er für Aussagen über den polytheistischen Kult in seinen Briefen nach Kent verwendet. Siehe zu Gregors mentalem Hintergrund auch Gameson, Augustine and Canterbury, 32 „Enforcement of orthodox Christianity by state compulsion was the norm in Late Antiquity, and Gregory seems initially to have assumed that Æthelberht could impose the faith in England in the same way.“ Im selben Band wie Gameson und diesem in Fragen nach Gregors Vorstel­ lungen über Heiden und das angemessene Vorgehen zustimmend Markus, Augustine and Gregory the Great, 43  ff., Nolte, conversio und christianitas, 111. Zu Gregors Werdegang und geistigem Hintergrund Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 51 und Riché, Gregor der Große. Bes. 8–10. Gregor schlug eine Beamtenlaufbahn ein und wurde 573 praefectus urbi. Es ist interessant, dass das Nachdenken über die Nachrichten aus Britannien zu einem Umdenken bei Gregor geführt zu haben scheint. Wochen nach den Briefen an Augustinus, Æthelberht und Bertha relativierte er einige seiner radikalen Forderungen das Vorgehen gegen heidnische Kultstätten betreffend. So habe er lange nachgedacht und sich überlegt, dass die Tempel der Heiden nicht zerstört, sondern lediglich von Götzenbildern gereinigt und gesegnet werden müssten und dass auch heidnische Feste nicht verboten sondern in christliche Feste umgewidmet werden müssten. HE I, 30 „Cum ergo Deus omnipotens uos ad reuerentissimum uirum fratrem nostrum Augustinum episcopum perduxerit, dicite ei, quid diu mecum de causa Anglorum cogitans tractaui; uidelicet, quia fana idolorum destrui in eadem gente minime debeant, sed ipsa, quae in eis sunt, idola destruantur, aqua benedicta fiat, in eisdem fanis aspergatur, altaria construantur, reliquiae ponantur. […] Et quia boues solent in sacrificio daemonum multos occidere, debet eis etiam hac de re aliqua sollemnitas inmutari […].“ Der Brief ist im Register Gregors unter XI, 56 überliefert. Zu der Missionsstrategie Gregors und dem scheinbar deutlich wer­ denden Umdenken siehe Markus, Augustine and Gregory the Great, 43 und 47 sowie Mayr-Harting, The



Die Behauptung einer heidnischen Elite 

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Welche Schwierigkeiten gab es vor Ort? Aus rechtshistorischer Perspektive stellt sich die Situation so dar, dass gemäß der traditionellen Rechtsordnung der Kenter zwei Bedingungen erfüllt sein mussten, bevor „Heide“ für die Bewohner Kents zu einer rechtlichen Kategorie werden konnte. Die Zugehörigkeit zu einer Religionsge­ meinschaft spielte so lange keine rechtsrelevante Rolle, wie ein gesellschaftlicher Konsens in Fragen der Religion und des Kultes bestand. Wie gesehen entsteht Recht durch das Zerbrechen dieses Konsens im Streit und der Regelung des Streitfalls vor Gericht.13 In Kent fand der König mit seinen Großen Recht. Damit ist auch die zweite Bedingung angesprochen. In einer Auseinandersetzung auf einer (Gerichts)Versamm­ lung muss befunden werden, dass das Bekenntnis zur alten Religion und das Opfer an die Götter ein Verbrechen ist und bestraft werden muss. Zu diesen beiden theore­ tischen Bedingungen tritt dann noch die praktische Frage nach der Durchsetzbarkeit dieser Beschlüsse hinzu. Darauf dass mindestens eine dieser Bedingungen in Kent um die Wende vom 6. zum 7. Jahrhundert nicht erfüllt war, weisen sowohl Æthelberhts Gesetz als auch Bedas Bericht hin. Eine Untersuchung der überlieferten historischen und archäologi­ schen Quellen erlaubt es, die Hintergründe dieses Zustandes aufzudecken, die nicht zuletzt in der Siedlungs- und Sozialstruktur Kents lagen. Vier Umstände waren um das Jahr 600 prägend für die kentische Gesellschaft. Das waren zum ersten die engen Verbindungen zum fränkischen Festland. Zweitens ergibt sich aus den Quellen das Bild einer stratifizierten Gesellschaft, in der nach dem König und seiner Familie eine Aristokratie deutlich hervortritt, die sich von der Schicht einfacher Freier abgesetzt hatte. Unter diesen Freien standen im frühmittel­ alterlichen Kent Freigelassene und Sklaven. Drittens war das Königreich dezentral organisiert, was sich anhand der archäologischen Quellen nachvollziehen lässt.14 Viertens war es König Æthelberht gelungen, eine Vormachtstellung über die übrigen angelsächsischen Reiche südlich des Humber zu etablieren.15

Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 64. Kritisch dazu von Padberg, Mission und Christia­ nisierung, 155  f. So weist von Padberg darauf hin, dass Gregors Missionsziel in den Briefen an Æthel­ berht und Mellitus das gleiche geblieben sei, nämlich „die Förderung der Erkenntnis Gottes.“ Zudem sei in beiden Schreiben die Notwendigkeit der Zerstörung der Kultbilder zentrales Thema. Lediglich in der Frage, ob die Gebäude, die diese Bilder enthielten, abgerissen werden müssen, bestehe ein Un­ terschied. Von Padberg erklärt diesen Unterschied durch die beiden Adressaten, den König mit seiner herkömmlichen Funktion als heidnischer „Opfer-Herr“ und den Missionar, der „von den Erkenntnis­ möglichkeiten des Volkes her“ habe denken müssen. 13 Vgl. Kapitel 1.3.2. 14 Brooks & Harrington, The Kingdom and People of Kent, 87 – 89: „Archaologically this type of organisation is called heterarchy, a form of organisation resembling a network, rather than a hierarchy of sites, a form of organisation resembling a pyramid.“ 15 HE I, 25 „Erat eo tempore rex Aedilberct in Cantia potentissimus, qui ad confinium usque Humbrae fluminis maximi, quo meridiani et septentrionales Anglorum populi dirimuntur, fines imperii tetenderat.“

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Die engen Beziehungen zwischen dem Königreich Kent und seinen fränkischen Nachbarn fanden ihren augenfälligsten Ausdruck in der Vermählung16 Berthas, der Tochter des fränkischen Königs Charibert I.17, mit Æthelberht, der zu dem Zeit­ punkt noch nicht König gewesen ist. Von der Ehe mit der fränkischen Christin Bertha berichtet Beda in seiner Kirchengeschichte.18 Diese für die kentische Königsfamilie prestigeträchtige Verbindung19 wird auch in der Geschichte der Franken Gregors von Tours erwähnt. Im vierten Buch berichtet Gregor über die Vermählung von Berthas Eltern und erwähnt auch die aus der Verbindung hervorgegangene Tochter, die mit einem Mann aus Kent verheiratet wurde.20 Dass Æthelberht zum Zeitpunkt der Ehe­ schließung noch nicht König war, wird durch Gregors Bericht über den Tod Ingober­ gas nahegelegt. Berthas Ehemann wird hier nämlich als Sohn eines Königs bezeich­ net, eine höchst widersinnige Ausdrucksweise, wenn Æthelberht zu dem Zeitpunkt bereits König gewesen wäre.21 Über den Zeitpunkt der Eheschließung erfahren wir aus den Quellen nichts. Jedoch wurde die Angabe Bedas über die Herrschaftszeit Æthelberhts, der König habe bis zu seinem Tod im Jahr 616 sechsundfünfzig Jahre regiert22, dazu benutzt, eine ungefähre Chronologie zu entwickeln. Demnach hätte die Hochzeit zwischen Æthelberht und Bertha noch vor 560 stattgefunden.23 Diese traditionelle Sichtweise ist von Kirby angegriffen worden und durch eine neue Chro­

16 Zu Ehen zwischen Christen und Heiden siehe Nolte, conversio und christianitas, 24  ff. In der Spät­ antike und im frühen Mittelalter gab es stets sowohl kirchliche Stimmen, die eine solche Verbindung für unzulässig hielten, als auch solche, die die Bekehrungschancen einer gemischtreligiösen Ehe in den Vordergrund stellten. „Die Bischöfe im Frankenreich und in dessen Nachbarreichen gingen mit dem Problem offenbar pragmatisch um: Anstatt aus ihren Bedenken heraus Verbote auszusprechen, akzeptierten sie die politischen Gegebenheiten und nutzten die Lage konstruktiv im Interesse der ka­ tholischen Kirche, indem sie […] an den hohen Erwartungen und Verpflichtungen, die in ihren Augen aus einer solchen Verbindung resultierten, keinen Zweifel ließen.“ (Ebenda, 28). 17 Vgl. Ewig, Die Merowinger und das Frankenreich, 150, Nolte, conversio und christianitas, 52  ff. 18 HE I, 25 „[…] uxorem habebat Christianam de gente Francorum regia, uocabulo Bercta […].“ 19 Wood, Augustine and Gaul, 70  f. hat jedoch darauf verwiesen, dass die Bedeutung dieser Ehe aus fränkischer Perspektive wohl anders beurteilt wurde. So war Berthas Zweig der Familie zum Zeitpunkt der Eheschließung in der männlichen Linie erloschen und stellte keine Könige mehr. „Bertha was not, therefore, a princess of much status at the time of her marriage, and Æthelberht was no more than the heir to a kingdom over which the Merovingians claimed hegemony.“ Auf die „hegemoniale(n) Gelüste“ der Franken hat jüngst auch von Padberg, Von Heidenhunden und Herrscherglaube, 10 hingewiesen. Æthelberht seinerseits sei womöglich an einer „Intensivierung des Handels mit dem Kontinent“ ge­ legen gewesen. Ebenda. 20 Gregor IV, 26 „Porro Chariberthus rex Ingobergam accepit uxorem, de qua filiam habuit, quae postea in Ganthia virum accipiens est deducta […].“ 21 Gregor  IX, 26 „[…] relinquens filiam unicam, quam in Canthia regis cuiusdam filius matrimonio ­copulavit.“ 22 HE II, 5 „Anno ab incarnatione dominica DCXVI […] Aedilberct rex Cantuariorum post regnum temporale, quod L et sex annis gloriosissime tenuerat, aeterna caelestis gaudia subiit.“ 23 Vgl. Witney, The Kingdom of Kent, 85  ff. Nolte, Conversio und Christianitas, 52  f. diskutiert die Da­ tierungsfrage, ohne sich jedoch festzulegen.



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nologie ersetzt worden. Deren Ausgangspunkt ist die Annahme, dass für Æthelberht bei seinem Tod nicht sechsundfünfzig Regierungsjahre, sondern sechsundfünfzig Lebensjahre zu konstatieren waren. Sollte dem so sein, dann wären Æthelberht und Bertha um das Jahr 580 im Alter von je ungefähr 20  Jahren verheiratet worden.24 Weiter hieße dies, dass 589, in dem Jahr in dem Gregor von Tours Berthas Mutter traf und von ihr Informationen über ihre Tochter erhielt, noch nicht Æthelberht, sondern dessen Vater Eormenric König war. Dann wäre Æthelberht frühestens im Laufe des Jahres 589 seinem Vater nachgefolgt, und als die Mission unter Augustinus eintraf, wäre er dann seit ungefähr siebzehn Jahren mit Bertha verheiratet gewesen und seit höchstens acht Jahren König.25 Ob man nun Kirby im Detail folgt oder nicht, die Ehe mit Bertha brachte die höchsten Kreise Kents mindestens 17  Jahre vor dem Eintreffen der Missionare um Augustinus in engen Kontakt zum Christentum, denn Bertha musste als Teil des Ehe­ abkommens die Ausübung ihrer Religion in ihrem neuen und heidnischen Umfeld ermöglicht werden. Zu diesem Zweck brachte sie den Bischof Liudhard mit auf die Insel26, der wahrscheinlich von einer kleinen Anzahl untergebener Geistlicher beglei­ tet wurde.27 Doch nicht nur im Umfeld König Æthelberhts waren bereits in den Jahren vor Augustinus’ Mission Christen anzutreffen. Zahlreiche archäologische Funde zeichnen das Bild eines regen Austauschs von Waren und Personen28 zwischen Kent und dessen fränkischen Nachbarn jenseits des Ärmelkanals. Man kann daher von der regelmäßi­

24 Vgl. Kirby, The Earliest English Kings, 24  ff. 25 Vgl. Ebenda, 27. Siehe zum Hintergrund Berthas und ihrer fränkischen Begleitung sowie zur Chronologie ebenfalls Dunn, The Christianization of the Anglo-Sacons c. 597–c. 700, 49–55 und 102, Gameson, Augustine of Canterbury, 5, Kirby, The Earliest English Kings, 28, Lebecq, England and the Continent, 54, Meens, Questioning Ritual Purity, 174, von Padberg, Mission und Christianisierung, 56, Ders., Die Inszennierung religiöser Konfrontationen, 107, Pohl, Die Völkerwanderung, 89, Wood, Augustine and Gaul, 70  ff. und Ders., Before and After the Migration to Britain, 48 (hier wird die Hochzeit zu einem Zeitpunkt zwischen 562 und 573/4 angenommen). 26 HE I, 25 „Nam et antea fama ad eum Christianae religionis peruenerat, utpote qui et uxorem habebat Christianam de gente Francorum regia, uocabulo Bercta, quam ea condicione a parentibus acceperat, ut ritum ac religionis suae cum episcopo, quem ei adiutorem fidei dederant, nomine Liudhardo, inuiolatum seruare licentiam haberet.“ Siehe dazu von Padberg, Mission und Christianisierung, 56  ff. und Ders., Die Christianisierung Europas im Mittelalter, 77. 27 Vgl. von Padberg, Mission und Christianisierung, 58. 28 Zu den fränkisch-kentischen Handelsverbindungen siehe auch Behr, The Origins of Kingship, 46  f., Brookes & Harrington, The Kingdom and People of Kent, 10, und 74  ff., Gameson, Augustine of Canter­ bury, 14  f., Hawkes, The Gold Bracteates from Sixth-Century Anglo-Saxon Graves in Kent, 321, Hills, The Archaeology of Anglo-Saxon England in the Pagan Period, 314, Kirby, The Earliest English Kings, 28, Lebecq, England and the Continent in the Sixth and Seventh Centuries, 51  ff., der darauf hinweist, dass die Handelskontakte zwischen kontinentalen Häfen und Kent erst um oder nicht lange vor 600 den Charakter eines regelmäßigen Austauschs annahmen, und Yorke, The Reception of Christianity at the Anglo-Saxon Royal Courts, 158.

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gen Anwesenheit christlicher Franken in den emporia des Königreiches ausgehen.29 Wie genau diese Kontakte abliefen, kann aus den Quellen nicht rekonstruiert werden. Es ist jedoch anzunehmen, dass das gemeinsame Interesse am Handel im Vorder­ grund solcher Kontakte stand. Da die fränkischen Händler nicht zur Rechtsgemein­ schaft gehörten, war ihr christlicher Glaube in diesem Sinne keine Herausforderung an die kentische Gesellschaft. Ob es neben der Selbsthilfe Versuche einer Regulierung von Konflikten zwischen Franken und Kentern gab, bleibt unklar. Funde goldverzierter Kopfbedeckungen fränkischer Machart sind als Hinweis auf fränkische Ehefrauen kentischer Männer gedeutet worden.30 Träfe dies zu, so wäre Bertha nicht die einzige Christin in einem heidnischen Umfeld gewesen, und auch wenn nicht davon auszugehen ist, dass jede dieser Frauen von einem eigenen Priester begleitet wurde, so müssen sie etwas von ihrer christlichen Erziehung und Lebens­ weise in ihre neuen Familien eingebracht haben. Bertha hatte als Frau des Königs, deren Ehe natürlich einen politischen Hintergrund hatte, sicher eine Sonderrolle. Der Umstand, dass die Königin mit ihrem Bischof christliche Gottesdienste feierte, muss in der Elite des Reiches für eine erste Öffnung gesorgt haben. Es gibt zwei Gründe anzunehmen, dass Bertha jedoch nicht die einzige christliche Fränkin war, die einen kentischen Mann heiratete, ihren Glauben weiter praktizierte und auf diese Weise der Mission den Weg bereitete. Zum einen ist nicht davon auszugehen, dass Christentum und Heidentum für nicht gebildete Menschen des 6. Jahrhunderts das einander aus­ schließende Gegensatzpaar waren, als das sie kirchlichen Denkern wie Beda oder dem heutigen Historiker erscheinen.31 Für einen heidnischen Mann kann es hin­ nehmbar gewesen sein, dass seine Frau einen anderen Gott verehrte, solange sie dies nicht mit der expliziten Ablehnung der Glaubenswelt seines Umfeldes verband. Für das 7. Jahrhundert berichtet Beda von einer weiteren Strategie der Bewältigung des Kontaktes zum Christentum. So habe der ostanglische König Rædwald in einem Hei­ ligtum einen Altar zur Verehrung Christi und einen Altar für das Opfer an die Teufel, daher die alten Götter, gehabt.32 Es ist nicht unwahrscheinlich, dass manch kenti­

29 Vgl. Hines u.  a., The Results and their Implications, 549, von Padberg, Mission und Christianisie­ rung, 56. 30 Vgl. Brookes & Harrington, The Kingdom and People of Kent, 67. Auch Burnell & James, The Ar­chae­ ol­ogy of Conversion on the Continent in the Sixth and Seventh Centuries, 87 stellen die Frage, ob aus dem archäologischen Befund nicht auf eine christliche Präsenz geschlossen werden muss. Bei aller Wahrscheinlichkeit darf gleichwohl nicht vergessen werden, wie sehr die Interpretation der Überlie­ ferung von modernen Auffassungen darüber geprägt ist, was als „christlich“ und was als „heidnisch“ gilt. Vgl. Dies., 86 „A belief in the magical and healing properties of stones and other natural objects, for instance, was held in common by Christians and pagans; and it is possible that the customs and rituals connected with burial were another area of shared practice and tradition.“ 31 Vgl. Carver, Agency, Intellect and the Archaeological Agenda, 6  f. sowie Gameson, Augustine and Canterbury, 32. 32 HE II, 15 „[…] atque in eodem fano et altare haberet ad sicrificium Christi et arulam ad uictimas daemoniorum.“ Über die Hinzufügung Christi zu den Göttern des polytheistischen Pantheon Game­



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scher Haushalt eine ähnlich pragmatische Lösung gefunden hat wie der König der Ostangeln es tun sollte.33 Der andere Grund, der gegen eine religiöse Dominanz des Mannes und eine damit einhergehende zwangsweise Abkehr vom Christentum für ihre Ehefrauen spricht, ist die starke Stellung der Frau im überlieferten angelsächsischen Recht. Frauen hatten nach Ausweis überlieferter Urkunden eigenen Besitz an Land und Wertgegenstän­ den und waren als Parteien in einem Streitfall auch vor Gericht rechtsfähig.34 Zwar stammen diese Quellen allesamt aus dem 7. bis 11. Jahrhundert, doch ist kein Grund zu sehen anzunehmen, dass die relativ unabhängige Stellung von freien Frauen ein Resultat der Christianisierung gewesen sein soll. Archäologisch ist ein Abbruch der Funde fränkischer Tracht in kentischen Grä­ bern im dritten Viertel des 6. Jahrhunderts feststellbar, was mit der Herrschaft Eor­ menrics oder dem Regierungsantritt Æthelberhts in Verbindung gebracht wurde.35 Diese Zeit markierte den Beginn einer Phase der bewussten Abgrenzung von den mächtigen Nachbarn südlich des Ärmelkanals. Nicht nur das Vorbild der merowin­ gischen Franken wirkte sich auf Kent aus, auch die bewusste Abgrenzung zu diesen und von deren Machtansprüchen trugen zur gesellschaftlichen Entwicklung nördlich der Meerenge bei.

son, Augustine of Canterbury, 20 „Persuading them to accept another god was probably not, then, too difficult; but ensuring that they rejected all the old ones and became monotheistic was altogether more challenging.“ 33 Zur Flexibilität in der Reaktion des Polytheismus auf die Ankunft eines neuen Gottes siehe Cha­ ney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 161, 167  f., Fletcher, The Barbarian Conversion, 119, 123, 240, 373  f., 506, Gameson, Augustine of Canterbury, 20, Lambert, Christians and Pagans, 185, 189, 193, von Padberg, Mission und Christianisierung, 157, 178, 253  ff., 361, Ders., Die Inszenierung religiö­ ser Konfrontationen, 125, 281  ff. 395  f., 417, Ders., Odin oder Christus?, 261  ff., Ders., Reaktionsformen des Polytheismus im Norden auf die Expansion des Christentums im Spiegel der Goldbrakteaten, 632 und Yorke, Reception of Christianity at the Anglo-Saxon Royal Courts, 162  ff. 34 Vgl. Fell, Women in Anglo-Saxon England, 56–73 und 89–108. 35 Vgl. Brookes & Harrington, The Kingdom and People of Kent, 49 vertreten die Ansicht, die Initia­ tive sei von Æthelberht ausgegangen. Hawkes, The Gold Bracteates from Sixth-Century Anglo-Saxon Graves in Kent, 326 vermutet einen Zusammenhang mit der Politik Eormenrics, die zum Ziel hatte, aus einer polyethnischen Bevölkerung ein kentisches Volk zu formen. Dieser Prozess ist von Geake näher untersucht worden. Dabei untersuchte sie stilistische Parallelen zwischen angelsächsischen Grabbei­ gaben vom späten 6. bis zum frühen 8. Jahrhundert und kontinentalen Funden und fand heraus, dass für alle angelsächsischen Reiche für das späte 6. Jahrhundert eine Abkehr von regionalen Trachten und die Herausbildung eines einheitlicheren Stils feststellbar ist. Die Fundstücke aus dieser Periode ähneln römischen Formen, nur für Kent ist daneben ein fränkischer Einfluss nachvollziehbar. Geake folgert daraus, dass die Vertreter des sich herausbildenden Königtums ihre Herrschaft durch einen bewussten Rückgriff auf die römische Tradition in Britannien zu legitimieren suchten. (Vgl. Geake, The Use of Grave-Goods in Conversion-Period England, 121  f. und 133  ff.). Die angestrebte Romanitas könnte auch ein Grund für den Wunsch nach einer Mission aus Rom gewesen sein, da so wieder ein direkter Kontakt hergestellt und sichtbar gemacht werden konnte.

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Neben der Frage nach Kontakten zum fränkischen Christentum, muss diejenige nach Einflussmöglichkeiten des britischen Christentums in Kent gestellt werden. Während im Westen Britanniens eine kirchliche Organisation den Abzug der römi­ schen Truppen und die Auseinandersetzungen mit den germanischsprachigen Sied­ lern überstand, muss für Kent davon ausgegangen werden, dass es keine organisierte Form des britischen Christentums mehr gab.36 Dass es dennoch Gruppen britischer Christen in Kent gegeben haben könnte, wird durch eine von Beda nicht in seine Kir­ chengeschichte aufgenommene Frage des Augustinus an Gregor den Großen nahe gelegt.37 Augustinus bittet den Papst, ihm Reliquien des römischen St. Sixtus zu schi­ cken, damit er den Schrein eines lokalen St. Sixtuskultes mit diesen römischen Reli­ quien ausstatten und diesen Kult somit der Häresie unverdächtig machen könne.38 Der Umstand, dass Augustinus von den Verehrern des Schreins anscheinend keine Informationen über das Leben und das angebliche Martyrium ihres St. Sixtus erhal­ ten konnte, hat Stancliffe dazu gebracht anzunehmen, dass keine britischen Kleriker in der Umgebung anzutreffen waren. Es hat den Anschein, als ob man für Kent allen­ falls von „some pockets of survival at a popular level, but no active clergy or ecclesiastical structures“39 ausgehen kann. Ob und wie diese Form der Verehrung eines christlichen Heiligen einen Einfluss auf die lokale kentische Bevölkerung hatte, ist nicht feststellbar. Der zweite zentrale Faktor der kentischen Gesellschaft um das Jahr 600 ist die ausge­ prägte Stratifizierung. Die Höhe der zu zahlenden Kompensationen für Verbrechen war in den frühmittelalterlichen leges von der gesellschaftlichen Stellung des Geschä­ digten abhängig. Aus diesem Grund ermöglicht die Untersuchung von Bestimmungen über die angemessene Höhe von Wergeldzahlungen und Bußen für die Störung von Schutzverhältnissen im Gesetz Æthelberhts die Rekonstruktion der gesellschaftli­ chen Stratifizierung in Kent im frühen 7. Jahrhundert. Dabei sollen die in den ersten sechs Sätzen behandelten Bußen für Verbrechen an Klerikern außen vor gelassen

36 Vgl. Stancliffe, The British Church and the Mission of Augustine, 115  ff. über die Leistungen und die Organisation der Kirche in den britischen Gebieten im Westen Britanniens und 121  ff. über das Über­ leben und den Zustand von Gruppen von Christen in Kent und anderen Gebieten Südwestenglands bis ca. 600. 37 Zu Fragen der Überlieferung und Authentizität des Libellus Responsionum siehe Meyvaert, Bede`s Text of the Libellus Responsionum of Gregory the Great to Augustine of Canterbury, 15  ff., 23  ff., 33 sowie Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c. 597–c. 700, 138  f., Fletcher, The Barbarian Conversion, 235  f., 280  ff., 365, Gameson, Augustine of Canterbury, 24, Lambert, Christians and Pagans, 175  ff., Markus, Augustine and Gregory the Great, 42, Meens, Questioning Ritual Purity, 175, von Padberg, Mis­ sion und Christianisierung, 329 und Ders., Die Inszenierung religiöser Konfrontationen, 406  f. 38 Ebenda, 121 und 146. Siehe zum britischen St. Sixtus ebenfalls Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c. 597–c. 700, 148. 39 Ebenda, 122.



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werden, da es sich hierbei um Innovationen handelt40, die nicht die gewachsenen Strukturen der kentischen Gesellschaft widerspiegeln. Im Gesetz Æthelberhts lassen sich fünf Gruppen unterscheiden: An der Spitze der kentischen Gesellschaft stand der König. Das Eigentum des Königs war mit einer neunfachen Kompensation geschützt41, im Gegensatz zu der dreifachen Kompensation für Diebstahl an einem einfachen Freien.42 Diese Sätze veranschaulichen das Maß, in dem sich die Spitze der Gesellschaft bereits von den einfachen Freien abgesetzt hatte. Dieser Prozess könnte durch den fränkischen Ein­ fluss auf Kent gefördert worden sein. Nach dem König folgt eine Schicht von eorlas.43 Bei diesen handelte es sich um eine landbesitzende lokale Elite. Ob dieser Besitz und der damit einhergehende Status jeweils vom König verliehen oder erblich waren, ist umstritten.44 Dass sich im späten 6. und frühen 7. Jahrhundert lokale Eliten von der Mehrheit der Gesellschaft abzuheben begannen, wird ebenso durch die Auswertung archäologischer Funde auf kentischen Friedhöfen der Zeit deutlich.45 Auf die eorlas folgten die ceorlas46, die freien Männer. Auch diese konnten Personen ihren Schutz gewähren und größeren Haushalten mit Sklaven vorstehen. In Æthelberhts Gesetz werden drei Stufen von Freigelassenen unterschieden.47 Diese Dreiteilung „probably represents a class growing through three generations from a servile status towards the class of freemen, becoming fully free in the fourth generation. This evolution has counterparts throughout early medieval Europe.“48 Sowohl in Æthelberhts Gesetz als auch in anderen Quellen der Zeit werden Sklaven erwähnt, deren Arbeitskraft sich die Freien Kents bedienten.49 Der dritte zu beleuchtende Aspekt ist die dezentrale Struktur des Königreiches Kent um das Jahr 600. Das Reich setzte sich aus den ehemals unabhängigen Gebieten 40 Vgl. Liebermann, Die Gesetze der Angelsachsen Bd. 2, 2 sowie Oliver, The Beginnings of English Law, 44  ff. 41 Abt 10. „Gif frigman cyninge stele, IX gylde forgylde.“ 42 Abt 15. „Gif frigman freum stelþ, III gebete […].“ 43 Vgl. Abt 18, 19. Liebermann, Die Gesetze der Angelsachsen Bd.  1, 4. übersetzt eorl Adliger und Oliver, The Beginnings of English Law, 67 mit nobleman. 44 Oliver, The Beginnings of English Law, 89 folgt Loyn, Gesiths and Thegns in Anglo-Saxon England, 532  f. in der Annahme, dass eorlas Gefolgsleute des Königs waren, die dieser mit Land entlohnt habe. Dem gegenüber sahen Liebermann, Die Gesetze der Angelsachse Bd. 3, 7 und Chadwick, Studies on Anglo-Saxon Institutions, 111 eorlas als Angehörige eines Geburtsadels. 45 Vgl. Brookes & Harrington, The Kingdom and People of Kent, 75. Das hier angeführte Argument ist die Zunahme des Beigabenreichtums in einer deutlich hervortretenden Minderheit bei gleichzeitigem Rückgang des Umfangs von Grabbeigaben bei der Mehrheit der untersuchten Gräber. 46 Vgl. Abt 20, 21. 47 Vgl. Abt 27, 27.1, 27.2. 48 Oliver, The Beginnings of English Law, 91. 49 Zur Sklaverei im frühmittelalterlichen England allgemein siehe Pelteret, Slave Raiding and Slave Trading sowie für das 9. und die folgenden Jahrhunderte Ders., Slavery in Early Medieval England.

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West- und Ostkent zusammen.50 Diese ursprüngliche Zweiteilung spiegelt sich in der späteren Diözesanstruktur mit den jeweiligen Bischofssitzen in Canterbury (Ostkent) und Rochester (Westkent) wider.51 Zudem gab es immer wieder die Konstellation eines Unterkönigs in Westkent bei klarem Supremat Ostkents. Bereits im 6.  Jahrhundert hatte das dominante Ostkent seinen westlichen Nachbarn übernommen. Ursprüng­ lich mag Westkent ein Teil des ostsächsischen Königreiches gewesen sein, so ist das Fundmaterial „in the sixth century […] clearly Saxon by type, with parallels amongst the material from Mucking in southwest Essex […].“52 Für Ostkent lässt sich archäologisch ein frühes Herrschaftszentrum aus dem 5. Jahrhundert in Eastry nachweisen sowie ein herrschaftlicher Friedhof in Finglesham.53 Die Ortsnamen Woodnesborough and Thu­ noreshloew könnten auf Kultstätten des Woden und Thunor in Ostkent hinweisen.54 Die Grenze zwischen den beiden ehemals getrennten Reichen ist der Fluss Medway. Die große Bedeutung des Handels mit dem fränkischen Festland und anderen Nordseeanrainer ist bereits verdeutlicht worden. Für Kent ist auffällig, dass es im Gegensatz zu den anderen angelsächsischen Reichen nicht ein zentrales emporium, sondern eine Vielzahl von Handelsplätzen entlang der Küste gab.55 Die geographi­ sche Lage und die relativ geringe Größe dieser Siedlungen weisen darauf hin, dass der Ursprung dieser Plätze in Initiativen lokaler Großer lag.56 Der Regierungsantritt Æthelberhts ist als möglicher Zeitpunkt genannt worden, an dem die Kontrolle über den Überseehandel sowie natürlich dessen Besteuerung, königlicher Kontrolle unter­ worfen wurde.57 Der vierte Faktor, der Einfluss auf die kentische Gesellschaft um das Jahr 600 hatte, war die Vormachtstellung, die König Æthelberht über die übrigen germanisch­ sprachigen Reiche südlich des Flusses Humber erlangt hatte.58 In seiner Kirchenge­ 50 Vgl. Behr, Das kentische Königtum im frühen 6. Jahrhundert, 162  f. 51 Vgl. Brookes & Harrington, The Kingdom and People of Kent, 10. 52 Ebenda, 65. 53 Vgl. Behr, Das kentische Königtum im frühen 6. Jahrhundert, 162  f., Dies., The Origins of Kingship, 39  f. 54 Vgl. Behr, Das kentische Königtum im frühen 6. Jahrhundert, 162  ff., Dies., The Origins of Kingship, 39  f. Die Ergebnisse der Ortsnamenforschung sind unverzichtbar bei der Erforschung der vorchrist­ lichen Religion der germanischsprachigen Bewohner Britanniens. In jüngster Zeit hat Semple jedoch darauf hingewiesen, dass es bislang an keinem Ort, der durch seinen Namen für ein heidnisches Kultzentrum in Frage käme, gelungen ist, nichtchristliche kultische Aktivitäten archäologisch nach­ zuweisen. Vgl. Semple, In the Open Air, 39  f. Betrachtet man die Flüchtigkeit organischer Materialien sowie die Möglichkeiten von Zerstörung oder christlich-sakraler Überbauung, muss dies nicht bedeu­ ten, dass es an diesen Plätzen keine Kultstätten gab, ein materieller Beweis steht jedoch noch aus. 55 Vgl. Brookes & Harrington, The Kingdom and People of Kent, 82  ff. 56 Vgl. Ebenda, 87. 57 Vgl. Ebenda, 49. 58 HE I, 25 „Erat eo tempore rex Aedilberct in Cantia potentissimus, qui ad confinium usque Humbrae fluminis maximi, quo meridiani et septentrionales Anglorum populi dirimuntur, fines imperii tetenderat.“



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schichte berichtet Beda über den Tod des Königs und fügt hinzu, dieser sei der dritte in einer Reihe von insgesamt sieben Königen gewesen, die eine solche Vormachtstel­ lung erlangen konnten.59 Diese Oberherrschaft, Beda benutzt das Wort imperium, um sie zu beschreiben und von einer bloßen Königsherrschaft (regnum) abzusetzen, muss wohl als überregionaler militärischer Führungsanspruch verstanden werden.60 Dabei waren diese Konstellationen nie stabil, denn noch zu Æthelberhts Lebzeiten gelang es nach Beda Rædwald, dem König von East Anglia, für sein Volk die mili­ tärische Führung zu erlangen.61 Kirby spekuliert, ob diese Struktur ihren Ursprung in Verhältnissen aus der Zeit der angelsächsischen Eroberungen hatte.62 Doch nicht nur der Umstand der Oberherrschaft, sondern auch die jeweilige Ausprägung konnte von Gebiet zu Gebiet variieren. Über das Ausmaß von Æthelberhts Einfluss auf die Königreiche südlich des Humber gibt der jeweilige Grad der Christianisierung einen Anhaltspunkt. Unter starkem Einfluss standen sicher die Ostsachsen, deren König ein Neffe Æthelberhts war, der die Taufe auf Betreiben seines Onkels empfing.63 Wie gesehen hatte Æthelberht zumindest zeitweilig Einfluss in East Anglia, doch weisen zum einen Rædwalds zeitgleiche Verehrung Christi und seiner alten Götter64 und seine Lösung aus Æthelberhts Oberbefehl auf seine größere Unabhängigkeit hin. Bei

59 HE II, 5 „Qui tertius quidem in regibus gentis Anglorum cunctis australibus eorum prouinciis, quae Humbrae fluuio et contiguis ei terminis sequestrantur a borealibus, imperauit […]. Nam primus imperium huiusmodi Aelli rex Australium Saxonum; secundus Caelin rex occidentalium Saxonum, qui lingua ipsorum Ceaulin uocabatur; tertius, ut diximus, Aedilberct rex Cantuariorum; quartus Reduald rex Orientalium Anglorum, qui etiam uiuente Aedilbercto eidem suae genti ducatum praebebat, obtenuit; quintus Aeduini rex Nordanhymbrorum gentis, id est eius, quae ad borealem Humbrae fluminis plagam inhabitat, maiore potentia cunctis, qui Brittaniam incolunt, Anglorum pariter et Bettonum, populis praefuit, praeter Cantuariis tantum, necnon et Meuanias Brettonum insulas, quae inter Hinberniam et Brittaniam sitae sunt, Anglorum subiecit imperio; sextus Osuald, et ipse Nordanhymbrorum rex Christianissimus, hisdem finibus regnum tenuit; septimus Osuiu frater eius, aequalibus pene terminis regnum nonnullo tempore cohercens, Pictorum quoque atque Scottorum gentes, quae sepentrionales Brittaniae fines tenent, maxima ex parte perdomuit ac tributarias fecit.“ 60 Vgl. Kirby, The Earliest English Kings, 17. Zu Æthelberhts Vorherrschaft über Essex, East Anglia und Teile der West Midlands siehe auch Gameson, Augustine of Canterbury, 15. Imperium und regnum sind nur in Bezug auf die überregionale beziehungsweise regionale Machtfülle komplementär. Auf der moralischen Ebene übernahm Beda von Gildas römisch-christliche Vorstellungen von imperium, der Gegensatz, also eine ungerechte Herrschaft, ist die tyrannis. Siehe dazu Wallace-Hadrill, Bede’s Ecclesiastical History of the English People, 58. 61 HE II, 5 „[…] Reduald rex Orientalium Anglorum, qui etiam uiuente Aedilbercto eidem suae genti ducatum praebebat […].“ 62 Vgl. Kirby, The Earliest English Kings, 15  ff. 63 HE II, 3 „[…] in qua uidelicet gente tunc temporis Saberct nepos Aedilbercti ex sorore Ricula regnabat […].“ 64 HE II, 15 „Et quidem pater eius Reduald […] ut in moem antiquorum Samaritanorum et Christo ser­ uire uideretur et diis, quibus antea seruiebat, atque in eodem fano et altare haberet ad sacrificium Christi et arulam ad uictimas daemoniorum.“

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den West- und Südsachsen scheint der kentische Einfluss nicht stark genug gewesen zu sein, um eine Bekehrung der Könige herbeizuführen.65 Sicher war Æthelberhts überregionales Ansehen auch innerhalb Kents ein Faktor, der zu seinem persönlichen Prestige und seiner Macht beitrug. Aufgrund der anderen Faktoren war er dennoch auf die Zusammenarbeit mit den Großen seines Reiches angewiesen und konnte auch in Kent selbst die Annahme des neuen Glaubens nicht mit herrschaftlichen Machtmitteln gegen Widerstände durchsetzen. Wie bereits angedeutet, war Æthelberhts Rolle als Träger eines überregionalen imperium besonders für die Ausbreitung des Christentums jenseits der Grenzen Kents von Bedeutung. Es ist daher durchaus plausibel anzunehmen, dass Æthelberhts Machtstellung mit ein Grund für Papst Gregor war, seine Missionare ausgerechnet nach Kent zu schicken. Möglicherweise sah der Plan des Papstes vor, dass ein neu bekehrter Oberkönig in der Lage sein würde, auch bei den von ihm abhängigen Herr­ schern eine Hinwendung zum Christentum zu bewirken.66 Es ergibt sich das Bild eines Reiches, dessen Struktur im Großen von der Existenz zweier Teilgebiete um die jeweiligen Hauptorte Canterbury und Rochester und im Kleinen von vielen lokalen Zentren geprägt war. „Archaeologically this type of organisation is called heterarchy, a form of organisation resembling a network, rather than a hierarchy of sites, a form of organisation resembling a pyramid.“67 Sicher ist somit von einer gewissen Streuung des Besitzes der kentischen Aristokratie auszugehen. Der Klebstoff, der diese heterogene Gesellschaft zusammenhielt, war die gemein­ same Orientierung auf das Königtum68, bei gleichzeitiger Abgrenzung gegenüber fränkischen Hegemonieansprüchen. Die beschriebenen Strukturen werden die Ausbreitung des mit den Franken und den Briten assoziierten Christentums erschwert haben. So haben die Kontakte zu fränki­ schen Christen zwei Seiten. Zum einen haben sie zu einer ersten Öffnung der Spitze der kentischen Gesellschaft und ein Kennenlernen des christlichen Glaubens und seiner Rituale geführt. Auf der anderen Seite war das Christentum aber eben auch untrennbar mit der Organisation der Kirche verbunden und eine Mission aus dem fränkischen Machtbereich hätte auch die Anwesenheit eines fränkischen Klerus und einen wiederum verstärkten fränkischen Einfluss mit sich gebracht.69 Die Über­ 65 Vgl. zu Æthelberhts Herrschaft Kirby, The Earliest English Kings, 30. 66 Vgl. Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 60  f. 67 Ebenda, 87  ff. 68 Vgl. Ebenda, 81. 69 Vgl. Gameson, Augustine of Canterbury, 23 „[…] it is conceivable that the option of accepting Christianity from a distant Rome seemed an attractive way of sidestepping any hint that adopting the religion of his neighbours on the other side of the Channel, the Franks, implied accepting their predominance.“ Bestätigend Geake, The Use of Grave-Goods in Conversion-Period England, 130, Kirby, The Earliest English Kings, 27, Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 63, von Padberg, Mission und Christianisierung, 57 und Ders., Die Christianisierung Europas im Mittelalter, 77. Zu frän­



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nahme des christlichen Glaubens von den Briten wurde in Kent zum einen durch die räumliche Entfernung zu deren geschlossenen Siedlungsgebieten und zum anderen durch das geringe Prestige, das diese Bewohner Britanniens in den Augen der germa­ nischsprachigen Invasoren hatten70, verhindert. Die starke Stellung lokaler Eliten bei einer gleichzeitigen dezentralen Struktur des Königreiches Kent erschwerten die Durchsetzung des christlichen Glaubens nach der Taufe des Königs. So war dieser in seinem Bestreben eine größtmögliche Unabhängigkeit von den fränkischen Hegemonieansprüchen zu wahren und gleich­ zeitig seine eigene Vorherrschaft südlich des Humber zu sichern, auf die innere Sta­ bilität seines Reiches und damit die Unterstützung des lokalen Adels angewiesen. Dieser hatte jedoch seine eigenen Gründe dafür, während der ersten Jahrzehnte des 7. Jahrhunderts der Annahme des Christentums und einer damit notwendig einher­ gehenden Ausweitung kirchlichen Einflusses ablehnend gegenüber zu stehen. Die beschriebenen Strukturen des Königreiches machten sicher ein geschicktes Taktieren auf Seiten des Königs vonnöten, eine offene Konfrontation in Glaubensfragen hätte unter diesen Umständen die Machtgrundlage und die Stabilität des kentischen König­ tums bedrohen können.71 Die aus den Quellen deutlich werdende Situation eines Nebeneinanders der Religionsgruppen in Kent war das Ergebnis langer Beratungen zwischen dem König und den Großen seines Reiches. Der so erreichte Konsens, die genauen Inhalte bleiben unbekannt, war nun geltende Ordnung. Dieses Verfahren entspricht dem traditionellen Verfahren der Rechtsfindung der Kenter. Sicher wäre es in diesem Zusammenhang falsch von einer einzigen dramatischen Zusammen­ kunft auszugehen. Vielmehr zog sich der Prozess über einige Zeit hin. Im Verlauf der Auseinandersetzung musste das Leben weitergehen und Vieles mag sich aus der Lebenspraxis ergeben haben, um dann in die Gespräche Eingang zu finden. Die herr­ schaftliche Durchsetzung einer letztlich auf Gott zurückgehenden Ordnung, wie sie von römischer Seite von ihm gefordert wurde, war eine Vorgehensweise, die Æthel­ berht seinem Herrschaftsverständnis nach wohl fremd war und politisch auch gar nicht umsetzbar gewesen wäre.

kischen Ansprüchen auf Hegemonie im 6. und 7. Jahrhundert siehe Burnell, The Archaeology of Conversion on the Continent in the Sixth and Seventh Centuries, 103, Kirby, The Earliest English Kings, 27, Wood, Augustine and Gaul, 69, 77 und allgemein Ders., Frankish Hegemony in England. 70 Vgl. Ward-Perkins, Why did the Anglo-Saxons not Become more British?, 527  ff. 71 Gameson, Augustine of Canterbury, 19, 22, von Padberg, Mission und Christianisierung, 165, Ders., Die Inszenierung religiöser Konfrontationen, 397 und Ders., Von Heidenhunden und Herrscher­ glaube, 10 führen die Komplexität von Æthelberhts Entscheidung vor Augen. Neben rein politischen Erwägungen, wie der Rücksicht auf die Großen des Reiches, galt es auch der Rolle als Sakral- und Opferherr gerecht zu werden. Dem König kam auch in diesem Bereich eine Verantwortung für das Wohl seines Volkes zu.

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2.1.1 Spuren heidnischer Lebensweise im 6. und 7. Jahrhundert Der Bericht Bedas über das Vorgehen Æthelberhts wirft die Frage auf, ob es darüber hinaus Hinweise auf ein signifikantes Fortbestehen heidnischer Lebensweise in Kent gibt. Schließlich könnte das Schweigen zu diesem Punkt in Æthelberhts Gesetz auch so gedeutet werden, dass ein neuer Konsens bezüglich einer christlichen Orientie­ rung der Lebensweise bereits zum Zeitpunkt der Niederschrift gefunden worden war und entsprechende Regelungen schlicht überflüssig gewesen wären.72 Da die überlieferten historischen Quellen sämtlich die Perspektive des schluss­ endlich siegreichen Christentums wiedergeben, sind hier keine ausführlichen Berichte zum Fortbestehen des zu überwindenden Heidentums zu erwarten. Nur vereinzelt schimmert in den Texten die Komplexität der Vorgänge der Christianisie­ rungszeit durch. Ein Beispiel hierfür ist der Brief, den Papst Gregor dem Abt Mellitus auf dessen Rückreise nach Britannien nachschickte. Offenbar hatte Gregor seit der Verabschiedung seines Mitarbeiters über das Gehörte nachdenken müssen und in der Folge einige seiner ursprünglichen Anweisungen über den Umgang mit den Heiden in Kent neu formuliert.73 Davon ausgehend, dass die Angaben aus Gregors Text auf dem Bericht des Mellitus basieren, ist von einem lebendigen heidnischen Opferbetrieb an fest gebauten Kultzentren in Kent auszugehen. Diese Hinweise aus den Schriftquellen sind sicher wertvoll, jedoch Zufällen geschuldet und vereinzelt. Ergiebigeren Ertrag können archäologische Quellen liefern.74 Dabei ist freilich zu beachten, dass aus archäologischen Funden alleine keine konkreten Glaubensinhalte rekonstruierbar sind. Als materielle Hinterlassenschaften lassen sie jedoch bis zu einem gewissen Grad ein Bild von der Gesellschaft entstehen, aus der sie stammen. Für die archäo­ logische Spurensuche nach heidnischer Lebensweise im frühmittelalterlichen Kent spielen Friedhöfe eine besondere Rolle. Zwei Aspekte sollen dabei besondere Aufmerksamkeit erhalten. Zum einen soll mit Grabhügelanlagen ein besonderer Aspekt der Topographie kentischer Friedhöfe im 6. und 7.  Jahrhundert untersucht werden und zum anderen die Frage nach der Aussagekraft von Beigabenfunden gestellt werden.

72 Vgl. Wilson, Anglo-Saxon Paganism, 37, der als Grund für das Schweigen der frühen Gesetze zum heidnischen Kult vermutet, dass diese Texte nicht der Ort für Bestimmungen dieser Art waren und es in den Zuständigkeitsbereich kirchlicher Autoritäten lag, gegen den Polytheismus vorzugehen. Er führt als Beispiel das Bußbuch Theodors aus dem späten siebten Jahrhundert an, ohne jedoch auf das missionarische Einwirken der Kirchenmänner auf Anhänger der vorchristlichen Religion einzugehen. 73 Vgl. Anm. 12. 74 Vgl. von Padberg, Reaktionsformen des Polytheismus, 608: „Mit solchen Sachzeugnissen kommt man der tatsächlichen Situation viel näher als mit der beschränkten Aussagebereitschaft der späteren Schriftüberlieferung.“



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2.1.1.1 Grabhügelbestattungen Mit dem Beginn des 7. Jahrhunderts lässt sich in Kent ein starker Anstieg der archäolo­ gisch nachweisbaren Bestattungen in Grabhügeln feststellen.75 Insgesamt wurden in Kent bis 2005 2934 Gräber archäologisch erfasst. Davon waren 752, das sind 25,63 %, Bestattungen unter Grabhügeln. Für den Zeitraum vom 5. Jahrhundert bis zum Beginn des 7. Jahrhunderts sind insgesamt 31 solcher Bestattungen bekannt, 14 davon waren Zweitbestattungen in bereits existierenden, zum Teil prähistorischen Grabhügeln. Die Zahl der Bestattungen in Grabhügeln steigt im 7. Jahrhundert auf 190 und im 7./8. Jahr­ hundert sogar auf 530 an.76 Geographisch ist auffällig, dass lediglich sechs Funde aus Westkent dokumentiert sind, die Mehrzahl liegt in Ostkent zwischen dem Weald im Süden, Canterbury im Westen und den Küstengebieten.77 Martin Carver, der von 1983 bis 1993 die Ausgrabungen in Sutton Hoo leitete, arbeitete Ende der 1980er Jahre mit der Idee, dass es sich bei den frühmittelalter­ lichen Grabhügeln um die Antwort auf eine politische Herausforderung handele. Diese Herausforderung identifizierte er in dem sich ausbreitenden Anspruch des Christentums auf eine politische und kulturelle Dominanz.78 Zu Beginn der 1990er Jahre wurde diese Interpretation der Monumente von van de Noort aufgenommen und weiterentwickelt. Die Kernaussage seines Ansatzes ist, dass die Wiederbenut­ zung von prähistorischen Grabhügeln und die Konstruktion von neuen Grabhügeln eine Antwort auf die christliche Praxis der Kirchenbestattungen war.79 Bei diesen Bestattungen dienten die Kirchen als weithin sichtbares Monument. Einer gewissen sozialen Elite hätte ein solches Begräbnis wohl im Prinzip auch offengestanden, sie entschied sich jedoch für Grabhügel.80 Für die Interpretation, dass es sich bei dieser Praxis um einen heidnischen Brauch sowie die bewusste Abgrenzung einer lokalen, heidnischen Elite vom Christentum handelt, liefert van de Noort vier Argumente.81

75 Vgl. Richardson, The Anglo-Saxon Cemeteries of Kent Vol.1, 112  f. 76 Vgl. Ebenda, 115. 77 Vgl. Richardson, The Anglo-Saxon Cemeteries of Kent Vol. II (Appentices), Map 8. 78 Vgl. Carver, Agency, Intellect and the Archaeological Agenda, 9. 79 Das früheste Beispiel dieser Bestattungspraxis für Kent liefert Beda, indem er von der Grablegung König Æthelberhts berichtet. HE II, 5 „Defunctus uero est rex Aedilberct die xxiiii mensis Februarii […] atque in porticu sancti Martini intro ecclesiam beatorum apostolorum Petri et Pauli sepultus, ubi et Berctae regina condita est.“ Siehe zu diesem Ansatz van de Noort, The Context of Early Medieval Barrows, 66 und 69. 80 Vgl. Ebenda, 71  f. Als augenscheinlichster Ausdruck der Nutzung von Grabhügeln als Gegenmonu­ mente wird der Grabhügel von Taplow in Buckinghamshire, das im frühen 7. Jahrhundert kentisches Einflussgebiet war, gesehen. Hier befindet sich der Grabhügel direkt im Kirchhof. Arnold, An Archae­ ology of the Early Anglo-Saxon Kingdoms, 162: „In this way such barrows ‚articulated the opposition of pagans to a changing ideological world and promoted their own interests by actively using the past in referring back to the long tradition of barrow building.“ 81 Vgl. zu den folgenden Ausführungen van de Noort, The Context of Early Medieval Barrows, 70  f.

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Erstens wird in der capitulatio de partibus Saxoniae die Bestattung in Grabhügeln als heidnischer Brauch verboten.82 Tatsächlich sind aus dem sächsischen Siedlungs­ gebiet zwischen Rhein und Weser einige Grabhügel aus der Zeit zwischen 550 und 750 archäologisch nachgewiesen.83 Zweitens gab es in den untersuchten Grabhügeln zwar auch Funde, die sich christlich interpretieren lassen, doch waren diese stets von Waffenbeigaben begleitet. Dies sei ein Merkmal vorchristlicher Bestattungen. Drittens steht den wenigen Grabhügelbestattungen mit „christlichen“ Funden eine große Mehrzahl gegenüber, in denen keinerlei Beigaben gefunden wurden, die einen christlichen Bezug ergeben. Viertens liegen viele der untersuchten Anlagen in der Nähe von prähistorischen oder römischen Begräbnisanlagen. Dies könnte auf religiöse Vorstellungen hindeuten, die mit diesen Stätten verbunden wurden. Eine Schwierigkeit bei van de Noorts Argumentation liegt darin, dass eine genaue Klassifikation von Beigabenfunden als christlich oder heidnisch oft nicht möglich ist. Es fehlt das Wissen um die zeitgenössische Norm einer christlichen oder heidnischen Bestattung.84 Zudem geht der Versuch einer solchen Klassifikation wohl an der früh­ mittelalterlichen Lebenswirklichkeit in Nordeuropa vorbei, in der eine Kombination christlicher und nichtchristlicher Glaubensinhalte nicht als Widerspruch empfunden worden sein muss. Ob sich ein damaliger Mensch zu seinen Lebzeiten dann als Christ oder als Heide definierte, ist aus den archäologischen Quellen nicht zu erschließen. Dennoch gibt es auf der anderen Seite eine Reihe von bedenkenswerten Argumen­ ten, die die These von Grabhügeln als Ausdruck heidnischen Widerstands unterstützen. Weitgehende Einigkeit herrscht in der Einschätzung der kommunikativen Bedeu­ tung frühmittelalterlicher Grabhügel als landschaftsprägende Monumente. In einem kommunikativen Akt wurde eine Ideologie in eine Landschaft hineingeschrieben.85 Dies kann als Reaktion auf sozialen Stress (reactive monumentality86) und als Demons­ tration von Macht verstanden werden.87 Im 7. Jahrhundert in Kent wäre das sich aus­ breitende Christentum und die über Jahrzehnte andauernde Situation eines sicher

82 Capitulatio de partibus Saxoniae 22 „Iubemus ut corpora christianorum Saxanorum ad cimiteria ecclesiae deferantur et non ad tumulus paganorum. Siehe zu diesem Punkt Hägermann, Karl der Große, 206. 83 Vgl. van de Noort, The Context of Early Medieval Barrows, 68. 84 Vgl. zu diesem Punkt Arnold, An Archaeology of the Early Anglo-Saxon Kingdoms, 165, Burnell, The Archaeology of Conversion on the Continent in the Sixth and Seventh Centuries, 84  f., 87 sowie Hines, The Results and their Implications, 548, Ders., Burial and Religion in pre-Christian Anglo-Saxon England, 68  f. Gleichwohl führt Burnell (Seite 90) Funde von „intrinsically christian artefacts or symbols“ als Argument dafür an, in späten Grabhügelbestattungen die Grablegen von Christen und deren Hin­ terbliebenen zu sehen, die ihre gesellschaftliche Stellung in der Formensprache ihrer traditionellen Kultur zum Ausdruck bringen wollten. 85 Vgl. Semple, In the Open Air, 21. 86 Carver, Agency, Intellect and the Archaeological Agenda, 9. 87 Vgl. Arnold, An Archaeology of the Early Anglo-Saxon Kingdoms, 162.



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zuweilen gespannten Nebeneinanders von alter und neuer Religion ein guter Kandi­ dat für den Auslöser solchen sozialen Stresses. Zusätzlich ist interessant, dass die Hügelgräberfelder in Ostkent meist in der Umgebung von Siedlungen liegen, die im Inland im 7. Jahrhundert entstanden.88 Es handelt sich in der Mehrzahl um die Grablegen einer lokalen Oberschicht. Gerade diese lokalen Eliten mussten die Ausweitung des kirchlichen Einflusses und die Ent­ stehung von kirchlichem Landbesitz zunächst mit Argwohn und Ablehnung betrach­ ten. War hier doch ein Konkurrent um Landnutzung und königliche Zuwendungen entstanden.89 Erst mit der Zeit gelang es den betroffenen Familien durch den Einstieg in die kirchliche Hierarchie, den anfänglichen Verlust auszugleichen.90 Zu diesem Umstand passt, dass mit der Zeit ein Rückgang in der Größe der Grabhügel feststellbar ist.91 Die Organisation der Kirche fand in den führenden Kreisen zunehmend Akzep­ tanz, und der durch Grabhügelanlagen dokumentierte Widerstand verlagerte sich auf ökonomisch schwächere gesellschaftliche Ebenen. Für die Auffassung in früh­ mittelalterlichen Grabhügeln nichtchristliche Monumente zu sehen, spricht ferner die zuweilen vorkommende Verbindung solcher Orte und heidnischer Götternamen sowie der Umstand, dass die Kirche im 8. Jahrhundert gegen die weitere Nutzung von Grabhügeln vorging.92 Zuletzt sei noch auf eine mögliche kontinentale Parallele eingegangen. Das als Childerichgrab bekannte heidnische Fürstengrab von Tournai war wohl ebenfalls

88 Vgl. Brookes & Harrington, The Kingdom and the People of Kent, 78. 89 Beda berichtet über Kirchengründungen Æthelberhts in Canterbury, Rochester und London sowie von großzügigen Schenkungen des Königs an diese Kirchen. HE II, 3 „[…] fecit rex Aedilberct in ciuitate Lundonia ecclesiam sancti Pauli apostoli […] In qua (Rochester, J.L.) rex Aedilberct ecclesiam beati Andreae apostoli fecit; qui etiam episcopis utriusque huius ecclesiae dona multa, sicut et Douuernensis (Canterbury, J.L.), obtulit, sed et territoria ac possessiones in usum eorum, qui erant cum episcopis, adiecit.“ 90 Vgl. Tyler, Reluctant Kings and Christian Conversion, 149  f. Nach Tyler könnten sich auch kirchliche Ehevorschriften, die traditionellen Maßnahmen zur Sicherung von Macht und Einfluss entgegenlie­ fen, als ein Faktor erwiesen haben, an dem sich Widerstand entzünden konnte. 91 Richardson, The Anglo-Saxon Cemeteries of Kent Vol.1, 116: „The construction of barrows in large numbers appears to have commenced in Kent during the first quarter of the 7th century […]. Of barrows reliably datable to this phase, 5 were recorded as ‚large‘, and 2 as ‚middle-sized‘. None were recorded as being small. Thereafter, middle and small sized barrows always outnumber large barrows. The number of cases where accurate dating evidence is combined with a record of barrow size is relatively small, (45), and the pattern revealed is not completely unequivocal […], but it does appear that the average size of barrows declined over time.“ [Hervorhebung durch den Verfasser]. 92 Sanmark, Living on: Ancestors and the Soul, 168. Siehe zu diesem Aspekt ebenfalls Semple, A Fear of the Past, 113, 118, 123, die auf die Möglichkeit hinweist, dass Grabhügel als Orte gesehen wurden, an denen man in Kontakt zu den Toten und anderen Übernatürlichen treten konnte. Sowie Yorke, The Fate of Otherworldly Beings after the Conversion of the Anglo-Saxons, 169. Yorke sieht einen möglichen Grund für die kirchliche Ablehnung von Grabhügeln in der Rolle, die solche Anlagen bei der Apo­ theose von Vorfahren gespielt haben könnten. Vgl. Ebenda.

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ursprünglich von einem Grabhügel bedeckt. Darauf weist der weite Radius um die Grablege und der Abstand zu den wohl zum Komplex gehörenden Funden von Gruben mit Pferdeskeletten hin.93 2.1.1.2 Beigabenfunde Im Kontext der Frage nach der Existenz heidnischen Lebens im Kent des 7. Jahrhun­ derts fallen drei Kategorien von archäologischen Funden ins Auge. Neben Funden von hammer- und speerspitzenförmigen Anhängern in kentischen Gräbern und der berühmten Gürtelschnalle von Finglesham ist dies eine Reihe von kentischen Brakte­ aten des 7. Jahrhunderts. 2.1.1.3 Anhänger des Thunor- und Wodenkultes Auf der Suche nach materiellen Spuren des kentischen Heidentums fallen Funde von hammer- und speerspitzenförmigen Anhängern in Gräbern des 6. bis 7.  Jahr­ hunderts auf.94 Aus dem skandinavischen Norden ist das Auftreten von hammerför­ migen Anhängern seit dem 8.  Jahrhundert bekannt.95 Diese wurden bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit der Verehrung des Gottes Thor in Verbindung gebracht.96 Wurde zunächst postuliert, bei dem Hammersymbol handele es sich um ein Zeichen, das das christliche Kreuz altersmäßig übertreffe, hat sich heute weit­ gehend die Überzeugung durchgesetzt, dass der heidnische Norden die Hammer­ amulette als Reaktion auf die christlichen Kreuzanhänger hervorbrachte.97 Aus Kent

93 Vgl. zum Grab von Tournai Brulet, Tournai, 103  f. sowie Eggert, Über archäologische Quellen, 34. 94 Geake, The Use of Grave-Goods in Conversion-Period England, 100 sieht die Möglichkeit, solche Formen zu identifizieren skeptisch: „[…] the interpretation of these objects is based on a personal view of whether or not they look like spears, knives, swords, hammers or whatever. My view is that most of them simply look like toilet sets […]. Diese Skepsis wird jedoch nicht geteilt von Werner, Herkuleskeule und Donar-Amulett, 182, Staecker, Thor’s Hammer, 92 Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 15 und 25 sowie den Kuratoren des World Museum in Liverpool, wo entsprechende Exponate als Ham­ mer- bzw. Speeramulette ausgewiesen sind, und eine Verbindung zum Kult des Thunor bzw. Woden hergestellt wird. 95 Vgl. Werner, Herkuleskeule und Donar-Amulett, 182, Wamers, Hammer und Kreuz, 84 und 88 sowie Staecker, Thor’s Hammer, 92. 96 Vgl. Staecker, Thor’s Hammer, 90. 97 Ebenda, 94  f. sowie Marold, „Thor weihe diese Runen“, 220  f. und Simek, Götter und Kulte der Germanen, 74: „[…] Thors Hammer als Amulettanhänger war zweifellos, wie man schon lange vermu­ tet hat, erst eine Reaktion auf den Brauch der Christen, Kreuzanhänger zu tragen, denn alle Funde gehören ans Ende der heidnischen Periode, auch wenn sie von Großbritannien bis Finnland enorme geographische Verbreitung aufweisen und der Formenreichtum beträchtlich ist.“ Einschränkend dazu Wamers, Hammer und Kreuz, 89. Hultgård, Runeninschriften und Runendenkmäler als Quellen der Religionsgeschichte, 728, sieht zwar einen möglichen Zusammenhang zwischen Funden silberner Hammeranhänger aus der späten Wikingerzeit und christlichen Kreuzen, der Ursprung dieser Amu­ lettsitte stehe aber nicht im Zusammenhang der Christianisierung Skandinaviens.



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sind bislang zehn hammerförmige Anhänger des 6. oder 7. Jahrhunderts überliefert.98 Der Umstand, dass sie aus Grabungen des Reverend Bryan Faussett aus dem späten 18. Jahrhundert stammen und zum Teil eine Zuordnung zu einzelnen Gräbern nicht möglich ist, macht eine genaue Datierung der Funde unmöglich. Folgende Argumente sprechen jedoch dafür, auch in den kentischen Hammeramuletten eine Reaktion auf den Kontakt zum Christentum zu sehen: Die überwiegende Mehrzahl der Funde, sowohl in England als auch in Skandi­ navien und dem Kontinent, stammen aus Gräbern von Frauen oder Kindern. Dieser Befund sowie die Position der Funde – in der frühen Form wurden Hammeramulette an Ringen und Gehängen an der Hüfte getragen – legen nahe, in den Thorshämmern Talismane zur Abwehr von Gefahren und vor allem für Fruchtbarkeit und Wachs­ tum zu sehen. Sie stehen damit in der Tradition einer älteren Klasse von konischen und prismatischen Anhängern, die als Donaramulette identifiziert worden sind.99 Während konische Amulette aus Knochen oder Bronze aus dem englischen Nordosten überliefert sind, tauchen zur gleichen Zeit in Kent, wo die Mission bereits eingesetzt hat, hammerförmige Anhänger in gleicher Funktion an hüftig getragenen Gehängen auf.100 Dieser Umstand macht es plausibel, auch in den kentischen Thunorhammer­ amuletten eine Reaktion auf christliche Kreuze zu sehen.101 Dabei verschwanden die älteren Amulettformen nicht völlig. Funde aus Gilton weisen eher auf einen paral­ lelen Gebrauch von Hammeramuletten und konischen Keulenamuletten hin102, wie es auch für den skandinavischen Norden nachweisbar ist.103 Die Schwierigkeit hin­ sichtlich der Datierung der Funde lässt zwei mögliche Entstehungskontexte der Thu­ norhämmer möglich erscheinen. Sollte das erste Vorkommen dieser Form bereits ins 6. Jahrhundert fallen104, könnten sie als Reaktion auf die Kreuzanhänger fränkischer Händler, der Begleitung der Königin Bertha oder auf die Amulettsitten womöglich vorhandener fränkischer Ehefrauen kentischer Männer entstanden sein. Postu­ liert man eine Entstehung erst um die Wende zum 7. Jahrhundert, muss ein direkter

98 Vgl. Tabelle 1 im Anhang. Es sollte bedacht werden, dass die Verbreitung der Hammeramulette größer gewesen sein könnte, als die archäologisch nachweisbare Überlieferung erkennen lässt. So wie bei den Donar-Amuletten könnte auch die Mehrzahl der Anhänger aus vergänglichen Materialien wie Knochen oder Holz bestanden haben. Vgl. Werner, Herkuleskeule und Donar-Amulett, 179. 99 Vgl. Ebenda, 178  ff. Werner konnte überzeugend nachweisen, dass der Brauch keulenförmige DonarAmulette zu tragen, von den römischen Herkuleskeulen beeinflusst wurde. 100 Vgl. Ebenda, 182. 101 Staecker, Thor’s Hammer, 94: „But it must be taken into account that the Thor’s hammers occur during a period of religious change in Anglo-Saxon society. This indicates that they were used in a similar way as a reaction against the cross.“ 102 Vgl. Abb. 1 im Anhang. 103 Vgl. Wamers, Hammer und Kreuz, 90. 104 Vgl. Werner, Herkuleskeule und Donar-Amulett, 182. Das womöglich früheste Exemplar ist ein Hammeranhänger aus Crundale, Grab 24, der heute verloren ist und nur aus dem ursprünglichen Fundbericht bekannt ist. Vgl. ‚Crundale Grave 24‘, Novum Inventorium Sepulchrale.

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Zusammenhang mit der Mission des Augustinus angenommen werden. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist ein Fund aus Chartham Down ins 7. Jahrhundert zu datieren. In Barrow E wurde ein Anhänger gefunden, der als Mischform aus Kreuz und Hammer interpretiert werden kann.105 Der Anhänger wurde zusammen mit einem speerspit­ zenförmigen Amulett in einem Grabhügel gefunden. Hier fallen somit drei Hinweise auf das Beharrungsvermögen heidnischer Lebensweise in der kentischen Elite des 7. Jahrhundert zusammen. Gleichzeitig könnte der Fund ein Hinweis auf die bekannte Flexibilität heidnischer Reaktionen auf das Christentum sein. War es doch nicht ungewöhnlich, Christus den alten Göttern zuzugesellen und diese Mischung auch in der Gestaltung von Kultstätten oder Schmuckstücken zum Ausdruck zu bringen.106 Selbst wenn die Entstehung der kentischen Hammeramulette nicht sicher als Reaktion auf die christliche Mission unter Augustinus bezeichnet werden kann, ist ihr Vorhandensein in Gräbern des 7. Jahrhunderts doch als weiterer materieller Hinweis auf das fortgesetzte Vorhandensein von Heiden in den lokalen Eliten Kents zumindest in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts zu sehen. Ähnlich verhält es sich mit einer weiteren Fundgruppe, den speerspitzenförmi­ gen Amuletten, die teils einzeln und teils zusammen mit hammerförmigen Amuletten in kentischen Gräbern der Zeit gefunden wurden. Die Ähnlichkeit mit den prismati­ schen Keulenamuletten älterer Art107 macht eine Unterscheidung manchmal schwer, dennoch sind mindestens elf Anhänger aus dem 6. bis 8. Jahrhundert aus Kent über­ liefert.108 Der Speer gilt als ein Attribut des Gottes Woden, dessen Kult in Kent ebenso wie der des Thunor durch die Ortsnamenforschung belegt ist.109 Im angelsächsischen Raum ist eine Wodendarstellung mit Speer von dem aus Skandinavien stammen­ den Helm von Sutton Hoo und der bei Finglesham gefundenen Gürtelschnalle bekannt.110

105 Vgl. Abb. 2 im Anhang sowie ‚Chartham Down Barrow E‘, Novum Inventorium Sepulchrale. Zur Frage der Datierung des Fundes siehe Richardson, The Anglo-Saxon Cemeteries of Kent Vol. II, 18. 106 Ein Beispiel ist die von Beda überlieferte parallele Existenz eines heidnischen und eines christ­ liches Altars im Umfeld König Rædwalds von East Anglia: HE II, 15: „[…] atque in eodem fano et altare haberet ad sacrificium Christi et arulam ad uictimas daemoniorum.“ Ähnliche Formen aus dem skan­ dinavischen Norden erklärt Wamers damit, dass es zunehmend möglich gewesen sei, in der Zeit des Glaubenswechsels Kreuz und Hammer als austauschbare Symbole zu betrachten. Mit „der für das Mittelalter so charakteristischen ‚typologischen Methode‘“ sei es möglich gewesen, in Thor eine prae­ figuratio Christi zu sehen und im Hammer dementsprechend eine Vorform des christlichen Kreuzes (Vgl. Wamers, Hammer und Kreuz, 97  ff.). 107 Vgl. Werner, Herkuleskeule und Donar-Amulett, 178  ff. 108 Vgl. Tabelle 1 im Anhang. 109 Vgl. Für die Ortnamen Behr, Das kentische Königtum im frühen 6. Jahrhundert, 162  ff. Zum Speer als Attribut des Woden im Kontext des angelsächsischen England siehe Davidson, The Finglesham Man. The Significance of the Man in the Horned Helmet, 25 und Owen, Rites and Religions of the AngloSaxons, 12 und 14  f. 110 Vgl. Chadwick Hawkes et al., The Finglesham Man, 18  ff.



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Akzeptiert man die Interpretation der speerspitzenförmigen Anhänger als WodenAmulette, sind auch diese ein Beleg für heidnischen Glauben im 7. Jahrhundert.111 Dies wird durch den Umstand erleichtert, dass eine praktische Funktion oder christliche Deutung dieser Anhänger nicht erkennbar ist. Auf welche Weise sich die Träger dieser Anhänger Schutz oder Hilfe Wodens vorstellten, muss dahingestellt bleiben. 2.1.1.4 Der Finglesham Man Ein weiteres Indiz für die Wodenverehrung in Kent lieferte eine 1964 bei Ausgrabun­ gen in Finglesham von Sonia Chadwick Hawkes gefundene Gürtelschnalle.112 Die Datierung ist nicht unumstritten. So schrieb Chadwick Hawkes 1965: „The Finglesham buckle […] should probably not be dated too early in the 7th century.“113 Demgegenüber datiert Birte Brugmann, die Herausgeberin des Reports von 2006, Grab 95, dem die Gürtelschnalle als Beigabe mitgegeben wurde, in die zweite Hälfte des 6.  Jahrhun­ derts.114 Die Implikationen dieser unsicheren Datierung werden noch erörtert. Zunächst zum Fund selbst: Die Gürtelschnalle ist etwa 8  cm lang und besteht aus mehreren Teilen, die aus Bronze gefertigt und anschließend vergoldet wurden. In Form und Machart gehört die Schnalle zu einem Typ, der in der ersten Hälfte des 7.  Jahrhunderts in Kent weit verbreitet war.115 Auf der Deckplatte befindet sich in einem Relief die Abbildung eines Mannes. Sein Oberkörper ist frontal abgebildet, während seine Beine und Füße leicht nach rechts gebeugt sind. Auf diese Weise wird der Eindruck von Bewegung erzeugt. In jeder Hand hält der Mann einen Speer, die dreieckigen Spitzen der Waffen deuten nach oben. Die Arme sind verkürzt dargestellt und jede Hand hat neben den Daumen lediglich drei Finger. Bis auf einen Gürtel mit auffälliger Schnalle ist der Dargestellte nackt. Der Kopf erscheint überproportional groß. Auf dem Kopf trägt der Finglesham Mann einen Helm oder Kopfschmuck, der

111 Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 15: „Anglo-Saxon women buried in the seventh century at Gilton and Kingston (Kent) carried miniature spears among the trinkets […] hanging by chains from their belts. They were probably amulets invoking Woden’s protection.“ 112 Eine erste Einschätzung der Bedeutung des Fundes lieferte Hawkes 1965 in Antiquity, XXXIX, 17–32. Eine systematische Aufarbeitung des Fundes sowie der gesamten Ausgrabung liegt nun in Hawkes S.C. et al.,The Anglo-Saxon Cemetery at Finglesham, Kent von 2006 vor. Abbildung dort sowie Webster, Anglo-Saxon Art, 41. 113 Hawkes, S.C., The Finglesham Man, 18. In der Datierung des Fundes ergeben sich Unterschiede von 50 bis 70 Jahren, was die Unsicherheit in diesem Punkt zum Ausdruck bringt. Behr, The Origins of Kingship, 41: 7. Jahrhundert (Hawkes folgend), Brookes & Harrington, The Kingdom and People of Kent, 79: zweites Drittel des 7. Jahrhunderts, Lambert, Christians and Pagans, 178: womöglich zweite Hälfte des 6. Jahrhunderts, Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 18: Friedhof des 6. bis 7. Jahrhun­ derts, Webster, The Making of England, 22: frühes 7. Jahrhundert. 114 Vgl. Hawkes, S.C., The Anglo-Saxon Cemetery at Finglesham, Kent, 21. 115 Vgl. Hawkes, S.C., The Finglesham Man, 17  f.

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mit zwei Hörnern versehen ist. Diese laufen an den Spitzen in Greifvogelschnäbel aus.116 Der Beigesetzte war ein Mann von ungefähr 18 Jahren. Zum Zeitpunkt des Begräb­ nisses war die Schnalle kaum benutzt in einem fast neuen Zustand. Dies legt nahe, dass sie für den Verstorbenen angefertigt wurde.117 Vom Skelett des Besitzers sind neben einigen Knochenfragmenten nur 13 lose Zähne erhalten.118 Neben der Gürtel­ schnalle enthielt Grab 95 ein Holzkästchen mit Metallbeschlägen, eine Keramikfla­ sche fränkischer Machart, ein bronzebeschlagenes Holzkästchen, eine Speerspitze, ein Messer, die Schnalle einer Börse oder Riemenenden sowie Schuhschnallen.119 Das Bild des Speerträgers passt zu einer Reihe ähnlicher Funde skandinavischer Provenienz. Das bekannteste Beispiel ist sicherlich die Darstellung auf einem der Bleche des Sutton Hoo Helms.120 Durch diese ikonographischen Parallelen liegt eine Verbindung der Darstellung zum Kult des Woden nahe. Davidson hat drei Interpreta­ tionen der dargestellten Szene angeboten: Zum einen könnte es sich um „possessed warriors of Odin in the ecstasy of battle, or perhaps perparing for battle by entering into a state of ecstasy“121 handeln. Zum zweiten könnte es sich um Darstellungen des Jenseits handeln und „their dancing is part of the general rejoicing in the kingdom of Odin.“122 Zum dritten ist es möglich, „that these warriors are shown performing a ritual of some kind, as is sug­ gested by the position of the spears and the swords which some hold in their hands.“123 Welcher Interpretation auch immer der Vorzug gegeben wird, die Verbindung zu Woden/Odin ist unstrittig. Der Fund einer Abbildung dieses Typs in einem kentischen Kriegergrab des 6./7. Jahrhunderts zeigt die Bedeutung, die Woden auch in Kent als Unterstützer im Kampf beigemessen wurde.124 Wie lässt sich der Umstand erklären, dass eine Abbildung skandinavischen Typs auf einer in Kent verbreiteten Form der Gürtelschnalle gefunden wurde? Zum einen könnte ein einheimischer Handwerker 116 Beschreibungen des Fundes finden sich auch in Hawkes, S.C., The Finglesham Man, 17  f. sowie Hawkes, S.C., The Anglo-Saxon Cemetery at Finglesham, Kent, 80. 117 Vgl. Ebenda. 118 Vgl. Ebenda, 339. 119 Vgl. Ebenda, 78  ff. sowie 395. 120 Vgl. Hawkes, S.C., The Finglesham Man, 17  ff. 121 Ebenda, 26. 122 Ebenda. 123 Ebenda. 124 Zur Bedeutung des Woden und seiner Verehrung in Kent und anderen angelsächsischen Reichen der Zeit siehe auch Behr, The Origins of Kingship in Early Medieval Kent, 28  f., 39  ff., Dies., Das kenti­ sche Königtum im frühen 6. Jahrhundert, 165, Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 30, Gameson, Augustine of Canterbury, 19, Lambert, Christians and Pagans, 64, North, Heathen Gods in Old English Literature, 111  ff., Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 15, von Padberg, Die Inszenierung religiöser Konfrontationen, 168, Ders., Odin oder Christus?, 256  f., Polomé, Brakteaten und die germanische Religionsgeschichte, 97, Webster, The Making of England, 26, Yorke, The Reception of Christianity at the Anglo-Saxon Royal Courts, 154  f.



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eine importierte skandinavische Vorlage kopiert haben. Zum anderen wäre es auch möglich, dass die Schnalle und auch die ebenfalls in Grab 95 gefundenen im Stil skandinavisch anmutenden Riemenenden aus Bronze von einem wandernden Hand­ werker aus Schweden gefertigt wurden.125 Beide Möglichkeiten zeugen von intensiven Kontakten nach Skandinavien. Christopher Hawkes formulierte die Möglichkeit einer über den Handel hinausgehenden heidnischen Einflussnahme in Kent im 7. Jahrhun­ dert.126 So komplex die Einordnung und Interpretation des Fundes ist, er komplettiert auf jeden Fall das Bild der vielfältigen kulturellen Einflüsse, denen Kent in der Missionsund Christianisierungsepoche ausgesetzt war. Die alten Kontakte nach Skandinavien rissen nach dem Beginn der Mission nicht ab, und da menschliches Verhalten durch Kontakte beeinflusst wird, stellten diese einen Gegenpol zur christlichen Missionsar­ beit dar. Da der Fund jedoch nicht sicher zu datieren ist, kann bei aller Wahrschein­ lichkeit nicht mit letzter Sicherheit festgestellt werden, ob hier ein weiterer stichhalti­ ger Beweis für heidnische Lebensweise in lokalen Eliten des 7. Jahrhunderts vorliegt. 2.1.1.5 Die kentischen Brakteaten des 7. Jahrhunderts Archäologisch lassen sich für Kent zwei Gruppen von Brakteaten unterscheiden. Zum einen sind dies die skandinavischen Brakteaten, die in Frauengräbern des 5. und 6.  Jahrhunderts gefunden worden sind.127 Die andere Gruppe besteht aus 16 Gold­ brakteaten und zwei silbernen Brakteaten kentischer Provenienz.128 Die kentischen Brakteaten des 7.  Jahrhunderts gingen aus früheren skandinavischen Vorbildern hervor, stellen jedoch in stilistischer Hinsicht eine eigenständige Weiterentwicklung

125 Vgl. Hawkes, S.C., The Finglesham Man, 22. 126 Ebenda, 30: „Kent will have received it rather as an infiltration here and there among communities or families stubborn for the old religion.“ 127 Für einen Überblick über die Funde skandinavischer Brakteaten in Kent seit 1993 siehe Behr, New Bracteate Finds from Early Anglo-Saxon England. Ein Katalog der Funde befindet sich auf den Seiten 39–65. Siehe ebenfalls Gaimster, Scandinanvian Gold Bracteates in Britain und Hawkes, The Gold Bracteates from Sixth-Century Anglo-Saxon Graves in Kent. 128 Die kentischen Brakteaten sind zuerst grundlegend von Aberg, The Anglo-Saxons in England, 132–135 untersucht worden. Aberg waren 1926 nur fünf Exemplare bekannt. Eine neuere ­Untersuchung wurde von Speake vorgelegt. Vgl. Speake, Anglo-Saxon Animal Art, 66–76 und Plate 13 a–p. Geake, The Use of Grave-Goods in Conversion-Period England, 38 hat auf Fehler Speakes bei der Datierung der von diesem als die ältesten Stil  II Goldbrakteaten aus Kent bezeichneten Funde aufgezeigt. So habe Speake offenbar die Brakteaten aus den Gräbern 20 und 29 auf dem Friedhof in Buckland Dover verwechselt. Buckland Dover K 29 stamme wahrscheinlich nicht wie von Speake angegeben aus dem 6. sondern aus dem frühen 7. Jahrhundert. Geake gelangt zu folgernder Einschätzung des Zeithori­ zonts für kentische Stil II Brakteaten: „It seems that bracteates bearing style II, then, lasted from the beginning into the second half of the seventh century, but their end date is not yet certainly known.“ (Seite 38).

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dar. Im Vergleich kommen sie den skandinavischen D Brakteaten am nächsten.129 Diese stellen in zoomorphen Formen die Überwindung eines den Tod symbolisieren­ den Untieres durch Woden/Odin dar. Das Untier ist bewegungsunfähig und damit ungefährlich gemacht worden.130 Diesen Bedeutungsinhalt konnten die Bewohner Kents im frühen 7.  Jahrhun­ dert trotz des zeitlichen Abstandes zu den skandinavischen D Brakteaten verstehen. Es wäre widersinnig davon auszugehen, dass die Menschen die Aussage skandina­ vischer Ikonographie wie auf der Gürtelschnalle aus Grab 95 von Finglesham, den Trinkhörnern aus dem Grabhügel von Taplow131 und nicht zuletzt den zeitgenössi­ schen Funden aus dem Schiffsgrab von Sutton Hoo verstanden hätten, jedoch nicht in der Lage gewesen wären, die Botschaft der Brakteaten zu entschlüsseln. Von den bei Speake besprochenen und abgebildeten kentischen Brakteaten lassen sich dreizehn im oben vorgestellten Sinne als mit dem Wodenkult verbundene Heilszeichen inter­ pretieren.132 Zwei Exemplare könnten ähnlich wie die Mischformen aus Thunorham­ mer und Kreuz Übergangsformen darstellen. Ein in Kingston in Grab 235 gefundener Brakteat zeigt ein gleicharmiges Kreuz in der Mitte. Zwischen den Armen des Kreuzes lassen sich schlangenartige Linien ausmachen.133 Speake hat die Darstellung als „explicitly Christian“134 charakterisiert. Tatsächlich ist es möglich, dass hier das heid­ nische Heilszeichen in ein christliches übersetzt wurde, indem die Überwindung des Todes Christus am Kreuz zugesprochen wird. Ein zweites Beispiel einer möglichen Kombination von christlichen und heidnischen Elementen liegt in einem in Gilton

129 Vgl. Speake, Anglo-SAxon Animal Art, 66. Geake, The Use of Grave-Goods in Conversion-Period England, 110 vermutet, dass die Brakteaten des 7. Jahrhunderts Ausdruck einer gewünschten Romanitas am Ende des 6. und in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts waren. Sie verweist auf die Ähnlichkeit dieser Fundgruppe mit römischen Münzanhängern. Ist diese Vermutung auch nicht zu widerlegen, unterlässt Geake es jedoch in ihrer Argumentation auf alle Erkenntnisse in der Brakteatenforschung seit den 1970er Jahren einzugehen. Auch der von Speake festgestellte stilistische Zusammenhang wird von Geake nicht in ihre Überlegungen mit einbezogen. 130 Vgl. Behr, New Bracteate Finds from Early Anglo-Saxon England, 36, Hauck, Brakteatenikonolo­ gie, 398  f. und von Padberg, Reaktionsformen des Polytheismus, 625  f. Mit einem Überblick über die bisherige Forschung und zur Frage der Identifizierbarkeit Odins Hauck, Machttaten Odins. Ders. u.  a., Ikonographischer Katalog 3.1 liefert ausführliche Informationen zu Bedeutung und Varianten dieses Brakteatentyps. 131 Vgl. Speake, Anglo-Saxon Animal Art, 74. 132 Vgl. Ebenda, Plate 13. Die Nummer im ikonographischen Katalog (IK) sind, wenn vorhanden, in eckigen Klammern angegeben. Wingham (2); Dover Grab 134; Kent, Sittingbourne; Kent, Wieu­ werd; Friesland, Westbere; Kent, Ostkent, unbekannte Provenienz; Nationalmuseum Kopenhagen, Faversham; Kent, Kingston; Kent, Dover Grab 20 [421]; Kent, Camerton Grab 5; Somerset (Dieser Fund wurde jedoch zusammen mit eindeutig christlichen Anhängern gemacht. Vgl. Speake, Anglo-Saxon Animal Art, 72), unbekannter Fundort; Ostkent, Faversham; Kent, Kingston Grab 253; Kent. 133 Vgl. Speake, Anglo-Saxon Animal Art. Plate 13 n. 134 Ebenda, 70.



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gefundenen Brakteaten vor.135 Im Zentrum der Darstellung befindet sich ein gleich­ armiges Kreuz in dessen Armen sich je ein bärtiges männliches Gesicht ausmachen lässt. In der Mitte des Kreuzes befindet sich ein Viererknoten und zwischen den Armen des Kreuzes je ein Dreierknoten. Ähnliche bärtige Gesichter sind von langobardischen Goldblattkreuzen136, aber auch von angelsächsischen Schmuckstücken des 6.  Jahr­ hunderts bekannt.137 Die Parallelen aus einem heidnischen Kontext erlauben es, in dem Brakteat ebenfalls eine Übergangsform zu sehen, in der das Kreuz und Elemente der altbekannten Ikonographie kombiniert worden sind. Im Zusammenhang mit den aus Skandinavien bekannten Mischformen aus Thorshammer und Kreuz ist vermu­ tet worden, dass eine bereits christliche Elite ihrem heidnischen Umfeld mit solchen Darstellungen den Übertritt erleichtern wollte.138 Allerdings sind im Korpus der ken­ tischen Brakteaten des 7. Jahrhunderts die „Reinformen“ klar in der Überzahl. Was war der Auslöser für das Bedürfnis zur Herstellung und zum Tragen dieser Anhänger? Es liegt nahe davon auszugehen, dass mit dem Rekurs auf eine alte Amulettsitte und Formen, die von dieser beeinflusst wurden, bewusst eine Verbindung zur Vergan­ genheit hergestellt werden sollte. Die kentischen Brakteaten hatten damit die gleiche Funktion wie die Benutzung von alten und die Errichtung von neuen Grabhügeln im 7. Jahrhundert.139 In etwa zeitgleich zu den hier besprochenen Brakteaten taucht im archäologischen Fundhorizont mit aufwändig verzierten Kreuzen eine weitere Klasse von Anhängern auf. Durch diese Funde wird der Übertritt von Mitgliedern der Eliten zum Christentum zu einer Zeit dokumentiert, zu der andere Vertreter der Führungs­ schicht sich und ihre Verstorbenen selbstbewusst als Anhänger der traditionellen Religion präsentierten.140 2.1.1.6 Fazit Fasst man die beschriebenen Befunde zusammen, ist es naheliegend, zumindest für die erste Hälfte des 7.  Jahrhunderts von Anhängern der alten Religion, und sei es in einer uns als Mischform erscheinenden Variante, die Christus den heidnischen Göttern zugesellte, in den lokalen Eliten Kents auszugehen. Dafür spricht nicht nur der Wert des Materials der Beigabenfunde, sondern vor allem die Arbeitskraft, die für die Errichtung der Grabhügelanlagen aufgewandt werden konnte. Es ist geschätzt worden, dass die Errichtung eines großen Grabhügels, wie mound 2 in Sutton Hoo, 135 Ebenda, Plate 13 o und Webster, The Making of England, 26: „An amuletic rather than a purely decorative function for this piece is likely and the ambiguous iconography with its mixture of Christian and pagan motifs reflects the duality of belief current in the period immediately following the Conversion.“ 136 Vgl. Ebenda, 70 und Webster, The Making of England, 25. 137 Vgl. Speake, Anglo-Saxon Animal Art, 70. 138 Vgl. Wamers, Hammer und Kreuz, 99 und den Gedanken aufgreifend von Padberg, Reaktions­ formen des Polytheismus, 609. 139 Vgl. Kapitel 2.1.1.1. 140 Vgl. Aberg, The Anglo-Saxons in England, 136  ff.

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dem Arbeitsaufwand einer zweiten Ernte entsprach.141 Auch wenn der Aufwand bei kleineren Anlagen entsprechend geringer war, setzen auch diese einen gewissen Reichtum und die Verfügungsgewalt über Menschen, Arbeitstiere, Material und Land voraus. Das Nebeneinander von Christen und Heiden wird gut durch die Amulett- und Anhängerfunde aus dem 7. Jahrhundert veranschaulicht. So finden sich hammer- und speerkopfförmige Anhänger, die auf eine Verbindung zu Thunor und Woden verwei­ sen sowie in einem Fall eine mögliche Kombination aus Hammer und Kreuz. Eben­ falls der Verehrung des Woden zuzuordnen, ist die Klasse der kentischen Brakteaten, die mit zoomorphen Ornamenten im Tierstil II verziert sind. Auch bei den Brakteaten liegen in zwei Stücken mögliche Kombinationen aus christlichen und heidnischen Motiven vor. Auf der anderen Seite des Spektrums finden sich Kreuzanhänger, die ihre Träger ohne Zweifel als Anhänger des Christengottes ausgewiesen haben und deren früheste Formen, vielleicht noch bei fränkischen Besuchern Kents, die Entste­ hung der Hammeramulette ausgelöst haben könnten. Zusammengenommen bestätigt und präzisiert die archäologische Fundsituation die Informationen der Schriftquellen zum Beharrungsvermögen heidnischer Lebens­ weise in Kent. Beda berichtet davon, dass König Æthelberht niemanden zum Über­ tritt zum Christentum gezwungen habe.142 Dennoch kam es zu beachtlichen Erfolgen der Missionare.143 So lässt die Konversion des Königs darauf schließen, dass auch engste Vertraute und „leading nobles“144 sich diesem Schritt anschlossen. Zu einem ernsten Rückschlag kam es nach dem Tod des Königs und dem Herrschaftsantritt durch dessen Sohn Eadbald. Dieser lehnte eine Annahme des christlichen Glaubens zunächst ab, heiratete überdies noch die zweite Frau seines Vaters145 und führte eine heidnische Restauration durch. Die Analyse des archäologischen Befundes erlaubt es, den Bericht von der andau­ ernden Präsenz von Heiden in Kent zu bestätigen. Mehr noch wird deutlich, welche Gruppierung besonders in ihrem Beharrungsvermögen hervortritt. Es handelt sich um lokale Eliten, deren Einstellung durch die Errichtung von Grabhügelfeldern und durch Amulettbeigaben dokumentiert wird.

141 Vgl. Carver, Sutton Hoo, 167. 142 HE I, 26 „Quorum fidei et conuersioni ita congratulatus esse rex perhibetur, ut nullum tamen cogeret ad Christianismum […].“ 143 So auch Gameson, Augustine and Canterbury, 23. 144 Ebenda, 21. 145 HE II, 5 „At uero post mortem Aedilbercti, cum filius eius Eadbald regni gubernacula suscepisset, magno tenellis ibi adhuc ecclesiae crementis detrimento fuit. Siquidem non solum fidem Christi recipere noluerat, sed et fornicatione pollutus est tali, qualem nec inter gentes auditam apostolus testatur, ita ut uxorem patris haberet.“



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2.1.2 Die rechtliche und gesellschaftliche Stellung von Heiden in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts Wie schon erwähnt, lässt sich im Gesetz Æthelberhts keine Bestimmung finden, die direkt auf die Bekämpfung des Heidentums oder das Zusammenleben von Christen und Heiden in Kent eingeht. Mit Hilfe der bisherigen Erkenntnisse, lassen sich aber doch einige Schlüsse ziehen, die ein Licht auf die rechtliche Situation von Heiden nach dem Glaubenswechsel des Königs werfen. Dabei ist zu beachten, dass die ersten sieben Sätze aus Æthelberhts Gesetz die jüngste Schicht in der ansonsten vorwiegend altes Recht wiedergebenden Zusammen­ stellung kentischen Rechts sind.146 Diese Sätze betreffen die Kirche und sind daher erst nach der Konversion Æthelberhts aufgestellt worden. Es liegt nahe, dass „ak­tuelle“ Hinweise auf die Situation der Heiden in Kent am ehesten hier zu finden sind. Die erste Bestimmung im Gesetz Æthelberhts ist, dass Gottes Eigentum und das der Kirche bei einem Diebstahl zwölffach zu erstatten sei.147 Dies ist die proportional strengste Strafverfügung im gesamten Text. Es folgen Bestimmungen über den Schutz des Eigentums eines Bischofs (elffache Kompensation), Priesters (9-fache Kompensa­ tion), Diakons (6-fache Kompensation) und eines Klerikers (3-fache Kompensation).148 Schließlich wird bestimmt, dass ein Bruch des Kirchenfriedens durch 2-fache Kom­ pensation zu büßen sei.149 Zwei Umstände sind an diesen Bestimmungen bemerkens­ wert. Zum einen übersteigt die Buße für Diebstahl an einem Bischof bei weitem den Schutz königlichen Eigentums, das lediglich 9-fach geschützt ist.150 Zum anderen widersprechen die Bestimmungen im Gesetz Æthelberhts den direkten Anweisungen Papst Gregors, wonach gestohlenes Eigentum der Kirche natürlich wieder zugeführt und der Dieb angemessen bestraft werden müsse, die Kirche aber keinesfalls einen Gewinn aus der Angelegenheit ziehen dürfe.151 Vieles spricht dafür, in den ersten sechs Sätzen des Gesetzes Æthelberhts eine Reaktion auf Schutzbestimmungen für heidnische Heiligtümer und Kultfunktionäre zu sehen.152 Es war das Anliegen des Königs und der Vertreter der Kirche, die Kultstätten der Christen und die Diener des Christengottes mindestens ebenso hoch zu schützen wie ihre heidnischen Entspre­

146 Vgl. Liebermann, Die Gesetze der Angelsachsen Bd. 3, 1  ff., Oliver, The Beginnings of English Law, 44  ff., Wormald, The Making of English Law, 95  ff., 101. 147 Abt 1 „Godes feoh ˥ ciricean XII gylde.“ 148 Vgl. Abt 2 „Biscopes feoh XI gylde.“, Abt 3 „Preostes feoh IX gylde.“, Abt 4 „Diacones feoh VI gylde.“, Abt 5 „Cleroces feoh III gylde.“ 149 Abt 6 „Ciricfriþ II gylde.“ 150 Abt 10 „Gif frigman cyninge stele, IX gylde forgylde.“ Siehe zu diesem Punkt die Diskussion in Kapitel 1.3.4. 151 Reg. Greg. XI, 56a und HE I, 27 „Sed absit, ut ecclesia cum augmento recipiat, quod de terrenis rebus uideatur amittere, et lucra de uanis quaerere.“ 152 Vgl. Diskussion in Kapitel 1.3.4.

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chungen und sie somit für alle sichtbar in einer herausgehobenen gesellschaftlichen Stellung zu bestätigen.153 Für das heidnische Kultpersonal und ihre Wirkungsstätten bedeutet dies, dass für die Regierungszeit Æthelberhts von einer rechtlich ungeminderten Stellung in der kentischen Gesellschaft auszugehen ist. Allerdings werden die polytheistischen Kultfunktionäre an gesellschaftlichem Einfluss eingebüßt haben. Dies wird durch die Anwesenheit der christlichen Konkurrenten im unmittelbaren Umfeld unter den Beratern des Königs nahegelegt.154 Es bleibt zu überlegen, ob der hohe Schutz für Kirche und Kleriker nur eine Ange­ legenheit der Ehre war, oder, ob mitunter aggressive Reaktionsweisen der heidni­ schen Umwelt eine entsprechend eindeutige Stellungnahme des Königs notwendig machten. Dass eine heidnische Reaktion unter Umständen zu einer Gefahr für die Männer der Kirche werden konnte, legt der Entschluss der Bischöfe Mellitus, Justus und Laurentius nahe, sich nach dem Glaubensabfall der neuen Könige in Kent und Essex aus Britannien nach Gallien zurückzuziehen.155 Neben den Schutzbestimmungen für die Kirche ist auch der siebte Satz aus Æthelberhts Gesetz zu der jüngsten Schicht des Textes zu zählen. Hier wird verfügt, dass der Versammlungsfriede – wie der Kirchenfriede – durch eine zweifache Kom­ pensation bei einem Rechtsbruch geschützt sein soll.156 Wie hoch auch immer die normale Kompensation in einem Fall wäre – wenn das Verbrechen in der Kirche oder in einer Versammlung begangen wird, wird die Summe verdoppelt.157 Neben dieser Parallelität der Bußen für den Bruch des Kirchen- und des Ver­ sammlungsfriedens gibt es noch einen weiteren Hinweis darauf, dass der Friede auf einer Versammlung des Volkes vor dem Eintreffen der Missionare womöglich unter einem religiösen Schutz stand. Es handelt sich um eine Stelle in der Germania des Tacitus, wo jener berichtet, dass die Priester der Germanen für die Aufrechterhaltung der Ruhe in einer Volksversammlung zuständig gewesen seien.158

153 Zur Frage der Außendarstellung des Christentums in einer zum Teil noch heidnischen Umwelt siehe auch Gameson, Augustine and Canterbury, 36 „To be successful in early Anglo-Saxon England, Christianity had to be seen as a religion of supreme power which defended its followers.“ 154 Zudem darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Beda berichtet, Æthelberht habe diejeni­ gen seiner Anhänger, die wie er selbst zum Christentum übergetreten sind, bevorzugt behandelt. HE I 26 „[…] sed tantummodo credentes artiori dilectione […] amplecteretur.“ Die postulierte Bevorzu­ gung der Konvertiten bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass sich nach wie vor Polytheisten im Umfeld des Königs bewegten. 155 HE II, 5 „Decretumque est communi consilio, quia satius esset, ut omnes patriam redeuntes libera ibi mente Domino deseruirent, quam inter rebelles fidei barbaros sine fructu residerent.“ Die Verletz­ lichkeit der jungen Kirchenorganisation in Kent wird auch hervorgehoben in Gameson, Augustine and Canterbury, 25. 156 Abt 7 „M[æthl]friþ II gylde.“ 157 Vgl. Oliver, The Beginnings of English Law, 84  f. 158 Germania 11 „Silentium per sacerdotes, quibus tum et coercendi ius est, imperatur.“



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Sollte die Volksversammlung auch in Kent unter priesterlichem Schutz gestanden haben, so wäre es in einer Situation der religiösen Zweiteilung nicht möglich, dies aufrecht zu erhalten. Die Aufgabe fiele nunmehr dem König, dem einigenden Band beider Religionsgruppen in Kent, zu. Dies schließt nicht aus, dass auch vor der Kon­ version der König, als oberster Opferherr und Kultspezialist, für die Aufrechterhal­ tung des Friedens auf einer Volksversammlung zuständig war. Nach seinem Übertritt zum Christentum musste er diese Aufgabe weiterhin wahrnehmen, sie war nunmehr aber ihrer religiösen Konnotation beraubt. Trotz aller offen bleibenden Fragen wird deutlich, dass dem König in der Situa­ tion des angespannten Nebeneinanders von Polytheisten und Christen die Funktion eines Mittlers und Friedenswahrers zukam. Auf diese Weise hat nicht nur die Hinwen­ dung zum Christentum, sondern indirekt auch das Beharrungsvermögen eines Teiles der kentischen Gesellschaft zu einer Stärkung des Königtums im ersten Viertel des 7. Jahrhunderts beigetragen. Fasst man die Befunde für die Zeit Æthelberhts zusammen, ergibt sich folgendes Bild. Sowohl aus Bedas Bericht über den Fortgang der Christianisierung in Kent als auch aus den Briefen, die Gregor der Große im Jahr 601 in das Missionsfeld schrieb, muss geschlossen werden, dass es zwar Konversionen zum Christentum gab, von Seiten des Königs aber keinerlei Zwang zur Abkehr vom Polytheismus ausging. Dieses Ergebnis wird durch die Untersuchung des Gesetzes Æthelberhts bestätigt. Polytheis­ ten lebten in Kent zu Beginn des 7. Jahrhunderts rechtlich uneingeschränkt, mussten sich jedoch mit einem gesunkenen Einfluss im unmittelbaren Umfeld des Königs abfinden. Der archäologische Befund lässt Rückschlüsse über die soziale Stellung der Polytheisten zu. Grabhügelanlagen und teils wertvolle Grabbeigaben setzen materiel­ len Reichtum und die Verfügbarkeit von Arbeitskraft voraus. Kombiniert mit der Lage der Grabhügelbestattungen muss davon ausgegangen werden, dass ein beträcht­licher Teil der lokalen Eliten des Reiches zunächst nicht zum neuen Glauben übertrat. Da Recht in Kent nicht vom König verfügt, sondern von diesem zusammen mit seinen Großen gefunden werden musste, erklärt das Beharren eines großen Teiles dieser gesellschaftlich Einflussreichen auch, warum es nicht zu rechtlichen Zwangsmaß­ nahmen kommen konnte. Diese wären von einem entsprechenden Konsens abhängig gewesen, der unter den gegebenen Umständen nicht zustande kam. Die Notwendig­ keit, das Königreich innerlich zusammenzuhalten und nach außen zu sichern – zum Beispiel gegen fränkische Hegemonieansprüche  – machten es dem König zudem unmöglich, offen den Konflikt mit den widerständigen Eliten zu suchen, um den Fort­ gang der Mission zu beschleunigen.

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Im Jahr 616 oder 618 starb Æthelberht.159 Eadbald folgte seinem Vater in der Königs­ herrschaft nach und heiratete dessen Frau.160 Es muss sich um Æthelberhts zweite Frau gehandelt haben, deren Namen in den Quellen nicht überliefert ist.161 Da sowohl Æthelberhts erste Ehe als auch Eadbalds zweite Eheschließung mit einer fränkischen Prinzessin162 politische Ziele verfolgten, ist dies auch für die Verbindung mit der unbekannten zweiten Frau Æthelberhts anzunehmen. Der Umstand, dass in fränki­ schen Quellen keine Hinweise auf eine weitere fränkische Prinzessin als Nachfolge­ rin Berthas vorhanden sind, erlaubt es, von einer insularen Herkunft der Frau aus­ zugehen.163 Æthelberhts zumindest zeitweilige Vorherrschaft über Gebiete südlich des Humber wurde bereits zu seinen Lebzeiten von König Rædwald von East Anglia infrage gestellt.164 Es wäre aufgrund dieser Konstellation möglich, in der Unbekann­ ten eine Frau aus dem Süden oder der Mitte des angelsächsischen Siedlungsgebie­ tes zu sehen. Die mitunter in der Forschung vertretene Auffassung, es habe sich um eine Heidin gehandelt, ist nicht überzeugend. Dies hätte nicht zu Æthelberhts per­ sönlicher Handlungsweise gepasst.165 In Eadbalds erster Frau eine Christin zu sehen, würde auch das längere Ausharren des Laurentius in Canterbury erklären, während Mellitus und Justus nach der heidnischen Restauration in Essex die Insel verließen. Aus kirchlicher Perspektive drohte durch Eadbalds Restauration ein Rückfall in die Zustände vor dem Beginn der Mission des Augustinus. Die Verbindung Æthelberhts mit einer englischen Frau diente dazu, den ins Wanken geratenen Einfluss Kents wieder zu stärken und einen Verbündeten an das 159 Beda gibt das Jahr 616 an. HE II, 5 „Anno ab incarnatione dominica DCXVI, qui est annus uicesi­ mus primus ex quo Augustinus cum sociis ad praedicandum genti Anglorum missus est, Aedilberct rex Cantuariorum post regnum temporale, quod L et sex annis gloriosissime tenuerat, aeterna caelestis regni gaudia subiit.“ Kirby, Bede and Northumbrian Chronology, 521 weist auf Probleme bei Bedas Chronologie für kentische Ereignisse hin und kommt zu dem Schluss „Bede’s 616 date is based on the faulty ‚annus xxi‘ and may be disregarded in favour of 618. […] Fortunately the repercussions of this mistake were not widespread […].“ 160 HE II, 5 „[…] ut uxorem patris haberet.“ Hierzu Wallace-Hadrill, Bede’s Ecclesiastical History of the English People, 61, der darauf hinweist, dass Eadbalds Vorgehensweise „sound Germanic practice“ entsprach. Damit übereinstimmend von Padberg, Mission und Christianisierung, 247. 161 Von Padberg, Mission und Christianisierung, 247, Anm. 71 schreibt, Bedas scharfe Kritik an Ead­ balds erster Ehe entspringe dessen kirchlichen Eheverständnis. Das Verschweigen des Namens ent­ spreche der Praxis der damnatio memoriae. 162 Vgl. Wallace-Hadrill, Bede’s Ecclesiastical History of the English People, 61  f. und Yorke, The Reception of Christianity at the Anglo-Saxon Royal Courts, 171. 163 Diese Einschätzung wird geteilt von Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c. 597 – c. 700, 102. 164 HE II, 5 „[…] cunctis australibus […] prouinciis, quae Humbrae fluuio et contiguis ei terminis sequestrantur a borealibus, imperauit; […] Reduald rex Orientalium Anglorum, qui etiam uiuente Aedilbercto eidem suae genti ducatum, obtenuit […].“ 165 Zu der These, es habe sich um eine Heidin gehandelt Stenton, Anglo-Saxon England, 112, Kirby, The Earliest English Kings, 29. Die Gegenposition wird vertreten durch von Padberg, Mission und Christianisierung, 247, Anm. 71.



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kentische Königshaus zu binden. Offenbar empfand auch Eadbald diese Verbindung zunächst als wünschenswert und nützlich. Die Frage, ob der resultierende Bruch mit den kirchlichen Vertrauten seines Vaters aus Überzeugung geschah, das Ergeb­ nis eines politischen Abwägungsprozesses oder das Resultat schierer Unkenntnis der kirchlichen Ehevorschriften war, muss offenbleiben.166 Es ist ebenfalls denkbar, dass die ins Hintertreffen geratene heidnische Fraktion unter der Machtelite Kents den Augenblick zu nutzen suchte und die Verbindung förderte, um die konkurrieren­ den kirchlichen Berater des alten Königs aus dem unmittelbaren Umfeld des neuen Königs zu entfernen. Was auch immer die Beweggründe Eadbalds gewesen sein mögen, der Bruch mit der noch jungen Kirche führte zu einer heidnischen Reaktion in Kent. In deren Verlauf fassten die Bischöfe von Canterbury, Rochester und London, Laurentius, Justus und Mellitus den Entschluss, dass es besser sei, das Land zu verlassen.167 Beda berichtet von einem Wunder des Petrus, der Laurentius dazu gebracht habe, seine Herde nicht zu verlassen.168 Tief bewegt durch das Erlebnis des Bischofs habe sich Eadbald dann dazu entschlossen, mit seinem bisherigen Tun zu brechen und sich dem Christen­ tum zugewandt.169 Obgleich die genauen Hintergründe von Eadbalds Sinneswandel aufgrund fehlender Überlieferung nicht rekonstruierbar sind, kann am Resultat kein Zweifel bestehen. Der König versöhnte sich mit der Kirche, ließ sich taufen und löste die Verbindung zu der Witwe seines Vaters.170 Es ist nicht möglich festzustellen, ob diese Wende das Ergebnis politischer Erwägungen oder eines persönlichen Bekeh­ rungserlebnisses war. Die Weihe einer Kirche in Canterbury war das öffentliche Be­ kenntnis des Königs zum Christentum und ein symbolischer Akt der Versöhnung mit der Kirche.171 Dennoch gibt es auch für die Regierungszeit Eadbalds eine Reihe von Hinweisen auf die fortgesetzte Präsenz von Heiden in Kent.

166 Yorke, The Reception of Christianity at the Anglo-Saxon Royal Courts, 165 vertritt die letztgenannte Möglichkeit. Für sie war die aus Eadbalds Perspektive unerwartete Einmischung der Kirche in seine Ehe, die wiederum „probably had an important symbolic significance for continuity from one reign to another“, der Grund für die dann eingeleitete heidnische Restauration. 167 HE II, 5 „Quo utroque scelere occasionem dedit ad priorem uomitum reuertendi his, qui sub imperio sui parentis, uel fauore uel timore regio, fidei et castimoniae iura susceperant.“ HE II, 6 „Cum uero Laurentius Mellitum Iustumque secuturus ac Brittaniam esset relicturus […].“ 168 HE II, 6 „[…] apparuit ei beatissimus apostolorum princeps, et multo illum tempore secretae noctis flagellis artioribus afficiens sciscitabatur apostolica districtione, quare gregem, quem sibi ipse crediderat, uel cui pastorum oues Christi in medio luporum positas fugiens ipse dimitteret.“ 169 Ebenda. „Qui multum miratus, et inquirens quis tanto uiro tales ausus esset plagas infligere, ut audiuit, quia suae causa salutis episcopus ab apostolo Christi tanta esset tormenta plagasque perpessus, extimuit multum atque anathematizato omni idolatriae cultu […].“ 170 HE II, 6 „[…] extimuit multum atque anathematizato omni idolatriae cultu, abdicato conubio non legitimo, suscepit fidem Christi […].“ 171 Vgl. Kirby, The Earliest English Kings, 33.

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Erstens sind die besprochenen archäologischen Daten anzuführen. Sowohl die Funde kentischer Hammer- und Speeramulette als auch die kentischen Brakteaten und die Errichtung größerer bis mittlerer Grabhügelanlagen sind nur ungenau in die erste Hälfte des 7.  Jahrhunderts zu datieren. Es gibt keinen Grund davon auszuge­ hen, dass deren Benutzung nach der Taufe Eadbalds plötzlich abgerissen sei, zumal sich an den schon beschriebenen Voraussetzungen der kentischen Königsherrschaft zunächst nichts änderte. Zweitens ist nach Ausweis sowohl von Bedas Kirchengeschichte als auch der überlieferten Rechtsquellen die Aufgabe, das Heidentum mit rechtlichen Mitteln zu verfolgen, Eadbalds Nachfolgern zugefallen.172 Drittens ist ein Schreiben Papst Bonifatius V. überliefert, in dem dieser Erzbischof Justus Mut zuspricht und eine Vollmacht zur Einsetzung von Bischöfen verleiht. Boni­ fatius preist die Standhaftigkeit des Justus und versichert ihm, dass seine Arbeit in Zukunft Früchte tragen und „die von der natürlichen und abergläubischen Krankheit gereinigten Herzen der Ungläubigen die Barmherzigkeit des Heilands erlangen“173 werden. Da es sich um ein Antwortschreiben auf einen Brief des Justus handelt, kann davon ausgegangen werden, dass der neue Erzbischof von Canterbury dem Papst gegenüber eine Schilderung des Zustandes seines Umfeldes abgegeben hat, und es in Kent im dritten Jahrzehnt des 7. Jahrhunderts immer noch eine im wahrsten Sinne des Wortes nennenswerte Anzahl von Heiden gab, auf die sich der Papst bezieht.

2.2 Die Marginalisierung des kentischen Polytheismus in den Jahren von 640 bis 695 Eadbald starb im Jahr 640 und unter seinem Nachfolger Eorcenberth (R ca. 640– 664)174 wird aus den Quellen eine dramatische Verschlechterung in der rechtlichen und gesellschaftlichen Stellung von Heiden in Kent deutlich. Beda berichtet über den Enkel Æthelberhts, dieser habe als erster angelsächsischer König „mit herrscherlicher Autorität (angeordnet), in seinem Reich die Götzenbilder abzuschaffen und zu zerstö­ ren und zugleich auch das vierzigtägige Fasten zu beachten. Damit dies nicht leicht von irgendjemand missachtet werden könne, drohte er den Übertretern angemessene und entsprechende Strafen an.“175 Wir erfahren nichts über die genauen Umstände

172 So auch Gamson, Augustine and Canterbury, 32. 173 Der Brief ist überliefert in HE II, 8 „[…] (ut) infidelium corda naturali ac superstitioso morbo purgata sui consequerentur misericordiam Saluatoris.“ 174 Vgl. Powicke, Handbook of British Chronology, 7. 175 HE III, 8 „Hic primus regum Anglorum in toto regno suo idola relinqui ac destrui, simul et ieiunium quadraginta dierum obseruari principali auctoritate praecepit. Quae ne facile a quopiam posset contemni, in transgreesores dignas et conpetentes punitiones proposuit.“ Vgl. Chaney, The Cult of King-



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oder den exakten Zeitpunkt dieser Bestimmungen. Wenn es jemals eine schriftliche Fassung dieser königlichen Verfügungen gab, ist sie nicht erhalten.176 Bevor Schlüsse über Recht und Gesellschaft gezogen werden, soll auf den geisti­ gen Hintergrund Eorcenberhts sowie einen möglichen Anlass der überlieferten Maß­ nahmen eingegangen werden. Eorcenberht war ein Sohn Eadbalds aus dessen zweiter Ehe mit der Fränkin Ymme. Diese war die Tochter Erchinoalds, eines fränkischen Adligen.177 Geht man von einem Volljährigkeitsalter zwischen 10 und 11 Jahren aus178, dann muss Eorcenberhts Geburt spätestens zwischen 625 und 630 angenommen werden. Nach der Versöhnung Eadbalds mit der Kirche wuchs Eorcenberht an einem christlichen Hof auf und an seiner Erziehung werden auch Kleriker beteiligt gewesen sein. Somit lernte er christliches Leben seit frühester Kindheit kennen. Damit war Eorcenberht der erste angelsächsische König, der christlich erzogen wurde. Dadurch unterscheidet sich sein geistiger Hintergrund und seine Mentalität grundlegend von der seines Großvaters und Vaters. Von nun an kann von einer monotheistischen Men­ talität ausgegangen werden, die eine gemeinsame Verehrung Christi und der alten Götter ein für alle mal ausschloss und in letzter Konsequenz auch die Tolerierung des alten Opferkultes, der kirchlicher Tradition folgend als Teufelsverehrung angesehen werden musste, unmöglich machte. Vor diesem Hintergrund muss die eingangs des Kapitels gestellte Frage, ob die Zerstörung der Kultstätten mit einem Verbot des Kult­ vollzugs auch im eigenen Haus einherging, bejaht werden. Eorcenberhts Regierungs­ zeit stellt somit einen Wendepunkt in der Religionsgeschichte Kents dar. In Ermangelung von zeitgenössischen Quellen können keine sicheren Aussa­ gen dazu getroffen werden, zu welchem Zeitpunkt seiner Regierung Eorcenberht die Zerstörung der heidnischen Kultbilder anordnete. Da es dazu nicht nur der Einsicht in die Notwendigkeit dieser Maßnahme bedurfte, sondern auch der ausreichenden Unterstützung für diese einschneidende Entscheidung, ist nicht unbedingt von einem Zeitpunkt unmittelbar nach dem Herrschaftsantritt um 640 auszugehen.179 Ein

ship in Anglo-Saxon England, 43, Fletcher, The Barbarian Conversion, 161  f., Kirby, The Earliest English Kings, 35, Oliver, The Beginnings of English Law, 119  f., 166, von Padberg, Mission und Christianisie­ rung, 248, 281 und Stenton, Anglo-Saxon England, 113, 128. 176 Vgl. Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 187, Liebermann, Die Gesetze der An­ gelsachsen Bd. 3, 17, von Padberg, Mission und Christianisierung, 281 und Oliver, The Beginnings of English Law, 119. 177 Vgl. Wood, Augustine and Gaul, 73. 178 Vgl. Crawford, Childhood in Anglo-Saxon England, 52  f. 179 In diesem Punkt ist Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 43 zu widersprechen, der davon auszugehen scheint, dass Eorcenberhts erstes Jahr auf dem Thron auch das Jahr des von Beda überlieferten Befehls gewesen sei. Es ist bemerkenswert, dass rund ein halbes Jahrhundert nach der Ankunft des Augustinus auf Thanet noch immer heidnische Götterbilder in der Öffentlich­ keit existiert haben sollen. Allein der Erhalt und der Unterhalt solcher Kultstätten weist auf einen gewissen Grad der Organisation und der Verfügbarkeit materieller Ressourcen hin. Ein unbesonnenes Handeln hätte also zu Widerstand in Teilen der Bevölkerung führen können. Es muss jedoch bedacht

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möglicher, wenn auch sehr später, Anlass wäre die Epidemie, die im Jahr 664 North­ umbria erreichte. Beda berichtet, diese habe „zuvor schon die südlichen Gebiete Bri­ tanniens entvölkert“180. Bei einem Teil der Ostsachsen bewirkte der Eindruck dieser Katastrophe den vorübergehenden Rückfall zu polytheistischem Götterdienst.181 Dieser Vorfall zeigt, dass sich die Zeitgenossen angesichts der Katastrophe göttlichen Beistandes versichern wollten. Für frühmittelalterliche Christen ist die Interpretation von Katastrophen als göttliche Strafe überliefert, so etwa die Interpretation der angel­ sächsischen Invasion Britanniens als Strafe Gottes bei Gildas.182 Das Wüten von ins Land eingefallenen Feinden oder einer Seuche konnte als Strafe für die Nichtbeach­ tung christlicher Lebensweise verstanden werden, die einzigen Gegenmittel waren Buße und die Abkehr von bisherigen Verhaltensweisen. Als König kam Eorcenberht eine besondere Verantwortung für das Wohlergehen seines Volkes zu.183 So könnte es in dem bereits am längsten unter christlichem Einfluss stehenden Königreich Kent die Seuche von 663/64 gewesen sein, die zu den berichteten Maßnahmen Anlass gab, um so Gott wieder zu versöhnen und Buße für Unterlassenes zu tun. Dazu passt, dass nicht nur die noch bestehenden heidnischen Götterbilder zerstört wurden, sondern alle Kenter durch die explizite Erwähnung der Fastenzeit zur Einhaltung einer christ­ lichen Lebensweise verpflichtet wurden. Ob Eorcenberht, der zeitnah starb, selbst ein Opfer der Seuche wurde, geht aus den Quellen nicht hervor.184 Spätestens seit Eorcenbehrt muss bei der königlichen Familie und den oberen Segmenten der kentischen Gesellschaft von einer monotheistischen Mentalität aus­ gegangen werden, die eine Tolerierung des Fortbestehens der vorchristlichen Reli­ giosität der Kenter nicht möglich machte. Rechtlich bedeutete dies die Durchsetzung einer Vorstellung, wonach letztlich Gott allein die Quelle von Gerechtigkeit sein kann. werden, dass mit idola sowohl Götterbilder in größeren Kultzentren als auch bäuerliche Schreine ge­ meint sein können. 180 HE III, 27 „[…] quo etiam anno subita pestilentiae lues, depopulatis prius australibus Brittaniae plagis […].“ 181 HE III, 30 „Quae uidelicet prouincia cum praefatae mortalitatis clade premeretur, Sigheri cum sua parte populi, relictis Christianae fidei sacramentis, ad apostasiam conuersus est. […] coeperunt fana, quae derelicta erant, restaurare, et adorare simulacra, quasi per haec possent a mortalitate defendi.“ Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c. 597–c. 700, 124 weist darauf hin, dass es ein der Antropologie bekanntes Muster sei, Unglücksfälle nach einem Glaubenswechsel als Strafe der alten Götter zu interpretieren. 182 Vgl. De Exc. Brit. I, 24 „Confovebatur namque ultionis iustitiae praecedentium scelerum causa de mari usque ad mare ignis orientali sacrilegorum manu exaggeratus […].“ 183 Siehe zu diesem Aspekt frühmittelalterlichen Königtums Blattmann, Ein Unglück für sein Volk sowie Gameson, Augustine of Canterbury, 19. 184 Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c. 597–c. 700, 122, Stenton, Anglo-Saxon England, 61 und Oliver, The Beginnings of English Law, 119 stellen fest, dass Eorcenberht ein Opfer der Seuche geworden sei. Bei Beda lässt sich jedoch nur nachlesen, dass Eorcenberht im Jahr 664 gestorben sei. Ein ursächlicher Zusammenhang mit der Krankheit kann zwar vermutet, nicht jedoch sicher ange­ nommen werden.



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Eine Konsequenz dieser Entwicklung war, dass neben das dinggenossenschaftliche Verfahren in Streitfällen zwischen Freien in der 2. Hälfte des 7. Jahrhunderts eine herr­ schaftliche Setzung und Durchsetzung von Recht in religiösen Angelegenheiten trat, und dass die Grundlage dieses herrschaftlichen Rechts die christliche Lehre von den Pflichten und Rechten eines Königs gegenüber Gott und seinem Volk war. Nach dem Tod Eorcenberhts folgte ihm sein Sohn Egbert in der Herrschaft nach. Aus Egberts Regierungszeit sind keine Gesetze überliefert, und auch Beda ist wenig auskunftsbereit. 673 starb Egbert, und da seine Söhne noch zu jung waren, um ihrem Vater nachzufolgen, wurde Egberts Bruder Hloþere König. Eine Urkunde Hloþeres aus dem Jahr 679 erwähnt ausdrücklich die Zustimmung Eadrics, einem Sohn Egberts, zu der Schenkung von Land auf Thanet an Abt Beorhtwald.185 Die gemeinsame Herr­ schaft währte jedoch nur ein paar Jahre, denn 684 verbündete sich Eadric mit einem Heer aus Sussex und Hloþere starb an den Wunden, die er sich in der Schlacht zuge­ zogen hatte. Bis 686 herrschte Eadric alleine in Kent.186 Aus der Zeit zwischen 673 und 686 ist ein Gesetzestext überliefert, der in der Rubrik die Namen beider Könige ent­ hält.187 Aus zwei Bestimmungen aus dem Gesetz der beiden Könige wird der Ablauf eines dinggenossenschaftlichen Verfahrens im zeitgenössischen Kent und dessen christliche Grundlage deutlich. Aus Punkt 6 in Hl geht hervor, dass die Versammlung der Ort ist, an dem Anklage erhoben werden kann. Der Angeklagte muss nun eine Art Pfand hinterlegen und sich dazu verpflichten, das Urteil der Dinggenossen (hier der cantwara) anzuerkennen.188 Der Ort an dem dies geschehen soll, wird zum einen als þing und zum anderen als meðel bezeichnet. Oliver diskutiert die beiden Begriffe und kommt zu dem Schluss, dass „the meðel is a public gathering assembled for a variety of reasons, which may, but need not, include legal hearings, while the þing concentrates more specifically on

185 EHD I, 482  f. Siehe zudem Sawyer, Anglo-Saxon Charters, 72 und Oliver, The Beginnings of English Law, 119. 186 HE IV, 26 „Quo uidelicet anno, qui est ab incarnatione dominica DCLXXXV, Hlotheri Cantuariorum rex, cum post Ecgberctum fratrem suum, qui nouem annis regnauerat, ipse XII annis regnasset, mortuus erat VIII idus Februaris. Vulneratus namque est in pugna Australium Saxonum, quos contra eum Edric filius Ecgbercti adgregarat, et inter medendum defunctus.“ Vgl. Oliver, The Beginnings of English Law, 119  f. Liebermann, Die Gesetze der Angelsachsen Bd. 3, 18 lehnte die Idee einer Doppelherrschaft Hloþeres und Eadrics ab und scheint eine Teilung Kents angenommen zu haben. Zu den Hintergrün­ den von Hloþeres und Eadrics Herrschaft siehe Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 182, Kirby, The Earliest English Kings, 37, 94, 96, 99, 101  f. und Stenton, Anglo-Saxon England, 61  f. 187 Ebenda, 120: „The laws of Hloþere & Eadric need not necessarily be dated to the period of their brief joint rule between 679 and 685. Although the rubric attributes the text to both kings, it is possible that what remains to us actually represents a conflation of laws separately issued by the two kings, or that Eadric may have confirmed the laws of his uncle in an attempt to shore up his own tenuous hold on the kingship.“ 188 Hl 6 „Gif man oþerne sace tihte, ˥ he þane mannan mote an medle oþþe an þinge, symble se man þam oðrum byrigean geselle ˥ þam riht awyrce þe to hiom cantwara deman gescrifen.“

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matters of law.“189 Wenn der Angeklagte es ablehnt, die geforderte Sicherheit zu hinterlegen, muss er eine Buße von 12 Schillingen an den König zahlen. Der König tritt also als Garant für den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens auf. Innerhalb von drei Tagen sollen die Streitparteien sich dann auf einen Schiedsrichter für ihren Streitfall einigen, und innerhalb von sieben Tagen nach der Urteilsfindung soll der Angeklagte dem Kläger Recht widerfahren lassen – oder sich dazu entschließen, sich durch Eid zu reinigen. Weigert sich der Angeklagte, und von den Dinggenossen als schuldig Befundene, dem Kläger zukommen zu lassen, was diesem zusteht, muss er 100 Schillinge zahlen. Auch im letzten Satz von Hl ist der Rechtsstreit zwischen freien Männern Thema. Es geht darum, wie jemand, der in London Eigentum erworben hat und dann von dem früheren Besitzer konfrontiert wird, geltend machen kann, dass er die Dinge legal gekauft und nicht wissentlich Diebesgut erworben hat.190 Sollte der Käufer nicht in der Lage sein, bei einem Disput den Verkäufer zu benennen und zu präsentieren, darf er am Altar mit einem seiner Zeugen erklären, dass er einen legalen Kauf getätigt hat.191 In den beiden Bestimmungen wird deutlich, dass das traditionelle Verfahren der Rechtsfindung unter Rechtsgenossen zwar weiterhin bestand, dieses aber um Elemente der herrschaftlichen Absicherung bei der Durchsetzung von Recht und um christliche Elemente bereichert wurde. Wenn es unter gewissen Umständen zum not­ wendigen Prozedere gehört, sich am Altar von einem Vorwurf freizusprechen, sind Nichtchristen nicht mehr rechtsfähig – sie sind aus der Rechtsgemeinschaft ausge­ schlossen. Noch deutlicher wird dies in dem Gesetz Wihtreds. In den Jahren zwischen Eadrics Tod 686 und dem Machtantritt Wihtreds 690 oder 691192 brachen unsichere Zeiten an in Kent. Beda berichtet, dass „eine Zeitlang zweifelhafte oder auswärtige Könige dieses Reich zugrunde (richteten), bis der rechtmäßige König Wihtred, der Sohn Egberts, der in der Regierung stark war, mit Frömmigkeit und Tatkraft sein Volk von ausländischer Bedrängnis befreite.“193 Für die Jahre 686 und 687 berichtet die Angelsachsenchronik von westsächsischen Einfällen nach Kent. Diese Aktionen wurden von Ceadwalla und seinem Bruder Mul angeführt. Mul wurde der Chronik nach 687 zusammen mit zwölf Gefährten von den Kentern verbrannt.194 Für das Jahr 189 Oliver, The Beginnings of English Law, 140. 190 Hl 11 „Gif cantwara ænig in lundenwic feoh gebycge, hæbbe him þone twegen oððe ðreo unfacne ceorlas to gewitnesse oþþe cyninges wicgerefan.“ 191 Hl 11.2 „Gif he þæt ne mæge, gekyþe ðanne in wiofode mid his gewitena anum oþþe mid cyninges wicgerefan þæt he þæt feoh undeornunga his cuþan caepe in wic gebohte […].“ 192 Eine genaue Untersuchung der Hintergründe und der Chronologie findet sich bei Kirby, The Earliest English Kings, bes. 104  ff. und Oliver, The Beginnings of English Law, 147  f. 193 HE IV, 26 „[…] regnum illud aliquod temporis spatium reges dubii uel externi disperdiderunt, donec legitimus rex Uictred, id est filius Ecgbercti, confortatus in regno, religione simul et industria gentem suam ab extranea inuasione liberaret.“ 194 Vgl. ASC (A) 686 „Her Ceadwalla ˥ Mul Cent ˥ Wieht forhergedon.“ 687 „Her Mul wearþ on Cent forbærned, ˥ oþre .xii. men mid him […].“



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694 berichtet die Angelsachsenchronik, dass die Kenter Frieden mit Ine, dem neuen König von Wessex, geschlossen hätten.195 Wie die Kräfteverhältnisse zu dieser Zeit aussahen, kann an dem Umstand abgelesen werden, dass die Kenter sich für die Tötung Muls zu einer Zahlung von 30 000 Pennies verpflichteten, obwohl dieser eine Invasion nach Kent angeführt hatte. Offenbar waren nach Jahren des Krieges die Kräfte des Landes erschöpft, und so kaufte man sich Frieden von Wessex. Etwa ein Jahr später ließ Wihtred sein Gesetz aufschreiben. Auch in diesem Text wird die christliche Grundlage des den Bestimmungen zugrunde liegenden Rechtsbewusst­ seins deutlich. Zunächst ist hier zu nennen, dass ein Eid in einem Rechtsstreit nur noch vor dem Altar möglich sein soll.196 Daneben gibt es Bestimmungen, die der Durchsetzung einer christlichen Lebensweise für alle Kenter dienen, indem zum einen das heidni­ sche Opfer mit hohen Strafen versehen wird, und zum anderen die Nichtbeachtung kirchlicher Gebote und Feiertage durch empfindliche Strafen geahndet wird. In der Rubrik zu Wihtreds Gesetz wird erklärt, bei dem Text handele es sich um „Wihtredes domas Cantwara cyninges.“197 Domas sind Aufzeichnungen von Urteilen, die jeweils zu einem konkreten Anlass getroffen wurden. Diese Selbstbezeichnung erlaubt es auf der Grundlage der Sätze 9 bis 10 festzustellen, dass es in Kent auch um das Jahr 695 noch zu Fällen heidnischen Opferdienstes gekommen sein muss. Deren Bekämpfung gab den Anlass für die Fassung einer Reihe von Bestimmungen. So wurde festgelegt, dass ein Freier, der ohne Wissen seiner Ehefrau den Göttern opfert, dafür all seines Eigentums verlustig gehen oder aber healsfang zahlen soll.198 Für den Fall, dass beide im Einvernehmen Opferhandlungen ausführen, soll das Eigentum beider eingezogen werden oder beide müssen healsfang zahlen.199 Wird schließlich ein Sklave dabei erwischt, ein heidnisches Opfer durchzuführen, soll er sechs Schillinge zahlen oder,

195 Vgl. ASC (A) 694 „Her Cantware geþingodan wiþ Ine, ˥ him gesaldon .xxxm.. forþon þe hie ær Mul forbærndon […].“ 196 Wi 14 „Preost hine clænsie sylfæs soþe in his halgum hrægle ætforan wiofode […]“, 14.1 „Swylce diacon hine clænsie.“, 15 „Cliroc feowra sum hine clænsie […] ane his hand on wiofode […].“, 16 „Gest hine clænsie sylfes aþe on wiofode, swylce cyninges ðe[gn].“, 16.1 „Ceorlic man hine feowra sum his heafodgemacene on weofode.“, 16.2 „˥ ðissa ealra að sie unlegnæ.“ 197 Wi Rubrik. 198 Wi 9 „Gif ceorl buton wifes wisdome deoflum gelde, he sie ealra his æhtan scyldig ˥ healsfange.“ Diese Stelle kann als ein Hinweis darauf gelesen werden, dass die kentische Frau eigenes Vermögen hatte, das von dem ihres Mannes getrennt war. In der Forschung war lange umstritten, was genau unter dem Begriff healsfang zu verstehen sei. Oliver, The Beginnings of English Law, 171 fasst die Dis­ kussion zusammen und kommt zu dem Schluss, dass healsfang ursprünglich wohl ein Prozentsatz des Wergeldes einer Person gewesen ist, die den Angehörigen eines Opfers noch am Grab gezahlt werden musste, um den Frieden wiederherzustellen. In Kent lag der Prozentsatz bei 20. Ebenda: „By the time of Wihtred, the meaning must have been extended more generally to ‚fine to avoid imprisonment‘ […].“ 199 Wi 9.1 „Gif butwu deoflum geldaþ, sion hio healsfange scyldigo ˥ ealra æhtan.“

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wenn er das nicht kann, soll eine Prügelstrafe verhängt werden.200 Es ist klar, dass in diesen Fällen nicht an ein Verfahren unter Rechtsgenossen gedacht ist. Vielmehr geht es um die herrschaftliche Durchsetzung von Recht. Wie muss man sich die Klage­ erhebung in einem solchen Fall, ohne einen direkt Geschädigten, der Anklage erheben könnte, vorstellen? Eine Möglichkeit drängt sich durch eine Bestimmung des glei­ chen Gesetzes zum Verbot der Sonntagsarbeit auf. Unter Punkt 8.2 wird verfügt, dass ein freier Mann, der das Verbot der Sonntagsarbeit überschreitet, healsfang zahlen muss. Demjenigen, der die Übertretung angezeigt hat, wird die Hälfte der Summe oder die Hälfte des unrechtmäßigen Arbeitsertrages zugesprochen.201 Denunziation beim Herrn des Übeltäters wurde also gefördert, der Herr musste dann im Namen des Königs für die Durchsetzung der Verbote und die Bestrafung der Übertreter sorgen. Es wird zwar nicht direkt verfügt, dass diese Regelung auch für die im Text direkt fol­ genden Verbote von Opferhandlungen gelten soll, doch müssen der König und seine Großen bei der Durchsetzung der Verbote auf lokale Mithilfe angewiesen gewesen sein und Satz 8.2 lässt ein entsprechendes Belohnungssystem für „sachdienliche Hin­ weise“ denkbar erscheinen. Eine Reihe von weiteren Bestimmungen sprechen eine klare kirchliche Sprache. Die Sätze 1 und 2 nehmen die Kirche von aller Besteuerung aus und schützen den Kir­ chenfrieden genauso hoch, wie den Frieden des Königs.202 Die Sätze 3 bis 5 erklären alle nicht kanonischen ehelichen Verbindungen für illegitim und stellen die solcher­ maßen Verbundenen vor die Wahl, die Ehe zu lösen, das Land zu verlassen oder eine empfindliche Geldstrafe zu zahlen.203 Satz 11 belegt den Verzehr von Fleisch während der Fastenzeit mit einer hohen Strafe.204 Zusätzlich wird aus Wi 18 deutlich, dass unter bestimmten Umständen der Eid eines Mannes, der die Kommunion empfangen hat, bei einem Streit mehr gilt, als ein normaler Eid.205 Die Durchsetzung kirchlicher Gebote 200 Wi 10 „Gif þeuw deoflum geldaþ, VI scll gebete oþþe his hyd.“ 201 Wi 8.2 „Gif friman þonne an ðane forbodenan timan, sio he healsfange scyldig,˥ se man se þæt arasie, he age healf þæt wite ˥ ðæt weorc.“ 202 Wi 1 „Ciricean freolsdom(e) gafola […].“, Wi 2 „Ciricean mundbyrd sie L scll, swa cinges.“ 203 Wi 3 „Unrihthæmde mæn to rihtum life mid synna hreowe tofon oþþe of ciricean ge[m]a[n]an ­ascadene sien.“, Wi 3.2 „Swæse mæn in leodum ciriclicæs gemanan ungestrodyne þoligen.“, Wi 4 „Gif ðæs geweorþe gesiþcundne mannan ofer þis gemot, þæt he unrihthæmed genime ofer cyngæs bebod ˥ biscopes ˥ boca dom, se þæt gebete his dryhtne C scll an ald reht.“, Wi 4.1 „Gif hit ceorlisc man sie, gebete L scll.“, Wi 4.2 „˥ gehwæder þæt hæmed mid hreowe forlæte.“, Wi 5 „Gif priost læfe unrihthæmed […] sio he stille his þegnungæ oþ biscopes dom.“ 204 Wi 11 „Gif mon his heowum in fæsten flæac gefe, frigne ge þeowne halsfange alyse.“, Wi 11.1 „Gif þeow ete his sylfes ræde, VI scll oþþe his hyd.“ 205 Wi 18 „Gif man gedes þeuwne esne in deora gemange tihte, his dryhten hine his ane aþe geclænsie, gif he huslgenga sie.“, Wi 18.1 „Gif he huslgenga nis, hæbbe him in aþe oðirne æwdan godne, oþþe gelde, oþþe selle to swinganne.“ [Hervorhebungen durch den Verfasser]. Der genaue Hintergrund dieser Stelle bleibt unklar. Die Deutung wird durch den Umstand erschwert, dass das Wort gæde nur einmal im Corpus der überlieferten altenglischen Texte auftaucht. Sowohl Liebermann als auch Oli­ ver, die ersterem folgt, gehen davon aus, dass es sich um den Fall handelt, dass ein Sklave einer kirch­



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durch herrschaftliches Recht und herrschaftliche Machtmittel wird besonders in Wi 4 deutlich, wo es eines Mannes dryhten, sein Herr, ist, dem die Strafe zu entrichten ist. Der Herr ist demnach für die Verfolgung und Durchsetzung von Recht zuständig. Bereits „(t)he first clause in Wihtred unites the causes of church and state […].“206 Dementsprechend wird königliche Macht dazu verwendet, die Regeln einer christ­ lichen Lebensweise durchzusetzen. Sind die angeführten Bestimmungen aus Wihtreds Gesetz als Hinweis auf die Existenz von offen heidnischen Gruppen in Kent zu sehen, vielleicht gar auf einen heimlichen Kult in Opposition zur christlichen Religion und der Kirche? Der nachgewiesene Ausschluss von Nichtchristen aus der Rechtsgemeinschaft schließt die erste Möglichkeit aus. Die zweite wird durch den Abgleich mit einer weite­ ren zentralen Quelle für die kentische Religionsgeschichte des späten 7. Jahrhunderts unwahrscheinlich gemacht – dem Erzbischof Theodor zugeschriebenen Bußbuch.207 Theodor von Tarsus war von ca. 668/9 bis 690 Erzbischof von Canterbury. Mit seinem Namen verbindet sich eine Blütezeit der lateinischen und griechischen Bildung in der ecclesia Anglorum.208 Zudem ist ein Bußbuch erhalten, in dessen

lichen Gemeinschaft eines Verbrechens beschuldigt wird. Huslgenga (Kommunikant) könnte dann als Synonym für einen Kleriker verstanden werden. Vgl. Liebermann, Die Gesetze der Angelsachsen Bd. I, 14 und Oliver, The Beginnings of English Law, 161 und 176  f. Diese Interpretation wird durch den Um­ stand gestützt, dass es im frühen Mittelalter für Laien schon nicht mehr üblich war, das Sakrament der Kommunion mehr als ein- bis dreimal im Jahr zu empfangen. Vgl. Angenendt, Geschichte der Religiosität im Mittelalter, 509. Wi 18 könnte nun mit einer allgemeinen hohen Einschätzung des Kle­ rikerstandes zusammenhängen oder mit der reinigenden Wirkung, die dem Empfang des Sakraments zugeschrieben wurde. Vgl. Ebenda, 488. So war das Reichen der Kommunion auch Bestandteil eines Gottesurteils. Vgl. Ders., Grundformen der Frömmigkeit im Mittelalter, 9 und 97. 206 Oliver, The Beginnings of English Law, 166. 207 Den Bestimmungen Theodors am nächsten kommt wohl die Version des discipulus umbrensium, die von Finsterwalder, Die Canones Theodori Cantuariensis und ihre Überlieferungsformen, 285–334 ediert wurde. Eine kritische Einordnung liefern Mayr-Harting, The Coming of Christianity to AngloSaxon England, 258  ff. und Meaney, Anglo-Saxon Idolators and Ecclesiastics, 103  ff. Zum Ursprung der Bußbücher in Irland und deren Verbreitung siehe einleitend und auf weiterführende Literatur verwei­ send Frantzen, The Tradition of Penitentials in Anglo-Saxon England, 23, Meaney, Anglo-Saxon Idolators and Ecclesiastics, 103 und Meens, Die Bußbücher und das Recht im 9. und 10. Jahrhundert, 217. 208 HE IV, 2 „Et quia litteris sacris simul et saecularibus, ut diximus, abundanter ambo erant instructi, congregata discipulorum caterua, scientiae salutaris cotidie flumina inrigandis eorum cordibus emanabant, ita ut etiam metricae artis, astronomiae et arithmeticae ecclesiasticae disclipinam inter sacrorum apicum uolumina suis auditoribus contraderent. Indicio est, quod usque hodie supersunt de eorum discipulis, qui Latinam Graecamque linguam aeque ut propriam, in qua nati sunt, norunt.“ Einen Überblick über das Wirken Theodors bieten Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 130  ff., 209 sowie Kirby, The Making of Early England, 47–53. Siehe für eine Einzeluntersu­ chung zu den Inhalten des Bildungsprogramms in Canterbury, dem Schülerkreis und den Theodor zur Verfügung stehenden Texten Lapidge, The School of Theodore and Hadrian. Zu medizinischem Wissen, das möglicherweise von Theodor vermittelt wurde, siehe Cameron, The Sources of Medical Knowledge in Anglo-Saxon England, 145.

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Vorwort der Autor, „discipulus umbrensium“209, angibt, frühere Traditionen und die Überlieferung des Priesters Eoda,210 der von Theodor selbst Bestimmungen zur Buße empfangen habe, zusammenzufassen.211 Bei der Arbeit mit der Quelle muss also beachtet werden, dass „Theodor selbst kein Werk geschrieben hat, welches seine Praxis in Buß- wie Kirchenverwaltungsdisziplin zusammenfassend verei­ nigt hätte, mit anderen Worten: wir haben keinen authentischen Wortlaut seiner Entscheidungen.“212 Dennoch ist sich die moderne Forschung darin einig, dass der Text englischen Ursprungs ist und wohl zu einem guten Teil englische Zustände des 7.  Jahrhunderts und Theodors Gedanken wiedergibt.213 Für die Frage nach dem Fortbestehen heidnischer Praktiken in der zweiten Hälfte des 7.  Jahrhunderts ist Kapitel 15 des ersten Buches interessant – De (c)ultoribus idolorum. Das Kapitel besteht aus fünf Bestimmungen von denen jedoch nur zwei ganz sicher und eine dritte womöglich mit Überbleibseln der vorchristlichen Religion der Kenter in Ver­ bindung gebracht werden können. Die erste Bestimmung legt fest, dass diejenigen, die im Kleinen Dämonen opfern, ein Jahr büßen sollen. Für Opfer im Großen, muss zehn Jahre gebüßt werden.214 Die zweite Bestimmung bezieht sich auf den Verzehr von Opferfleisch und die anschließende Beichte bei einem Priester.215 Bei beiden Bestimmungen fällt das differenzierte Vorgehen auf, dass dem Priester angeraten wird. Die Formulierungen weisen auf konkrete Erfahrungen im Umgang Menschen in einer zum Teil erst oberflächlich christianisierten Gesellschaft hin. Bei aller Strenge

209 U Einleitung. Auffälligkeiten im Sprachgebrauch machen es wahrscheinlich, dass der Verfasser in einem kirchlichen Zentrum in Deira, etwa Whitby, Hartlepool oder York, ausgebildet wurde. Siehe dazu Lapidge, The School of Theodore and Hadrian, 48  f. 210 Lapidge, The School of Theodore and Hadrian, 48 „‚Eoda‘ is apparently a hypocoristic of a name having its first theme in Ead-, such as Eadbald, Eadberht, Eadgar, or the like. A number of persons so named occur in Southumbrian witness-lists of the late seventh and early eighth centuries. One Eadda witnesses two (doubtful) charters in 706; by the same token, one Eada is recorded in the Liber vitae of Durham, but no identification is possible.“ 211 U „Horum igitur maximam partem fertur famine veriloquo beate memoriae Eoda praesbiter cognomento Christianus a venerabili antestite Theodoro sciscitans accipisse.“ 212 Finsterwalder, Die Canones Theodori Cantuariensis und ihre Überlieferungsformen, 199. 213 Vgl. Frantzen, The Tradition of Penitentials in Anglo-Saxon England, 27, Meaney, Anglo-Saxon Idolators and Ecclesiastics, 104  ff. Besonders 107: „I think we may have reasonable confidence that Theodore`s Penitential provides an accurate, although only partial, record of contemporary English superstitious practices.“ sowie in der Sache übereinstimmend Wilson, Anglo-Saxon Paganism, 37. 214 U I XV 1 „Qui immolant demonibus in minimis I annum peniteant. Qui vero in magnis X annos peniteant.“ Wilson: Anglo-Saxon Paganism, 104 „The ‚devils‘ of the first provision are clearly pagan gods; the idea that they were demons was commonplace in early Christian thought, having come from the Jews.“ 215 U 5 „Qui cibum immolatum comederit deinde confessus fuerit sacerdos considerare debet personam in qua aetate vel quomodo edoctus aut qualiter contigerit et ita auctoritas sacerdotalis circa infirmum moderetur et hoc in omni penitentia semper et confessione omninoin quantum deus adiuvare dignetur cum omni diligentia conservetur.“



Die Marginalisierung des kentischen Polytheismus in den Jahren von 640 bis 695 

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in der Sache muss den Lebensumständen des einzelnen Büßers Rechnung betragen werden. Das Ziel ist schließlich die Verinnerlichung einer christlichen Lebensweise unter den konkreten Lebensumständen im Missionsfeld. Die dritte Bestimmung, die womöglich in einem Zusammenhang zu den vor­ christlichen Gebräuchen der Kenter steht, ist dass das Verbrennen von Korn in der Gegenwart von Toten mit einer Bußzeit von fünf Jahren belegt wird.216 Die erste und die fünfte Bestimmung haben Meaney Anlass gegeben zu speku­ lieren, dass manche der bereits von Gregor erwähnten kultischen Feste, bei denen es zu Tieropfern kam trotz der Anordnung, diese in christliche Feste umzuwandeln, auch während der letzten Jahrzehnte des 7.  Jahrhunderts noch begangen wurden. Zudem seien heidnische Riten im Zusammenhang mit dem Umgang der Lebenden mit den Toten nur schwer auszulöschen gewesen.217 Es ist bemerkenswert, dass alle Bestimmungen in dem Bußbuch sich auf Menschen beziehen müssen, die an heid­ nischen Opfern teilnehmen oder zumindest das Fleisch von Opfertieren verzehren, und sich zugleich der christlichen Beichte und Buße unterwerfen. Die beste Erklärung für diesen Befund ist, dass es in Kent im späten 7.  Jahrhundert in manchen Regio­ nen immer noch Fälle einer gelebten Kombination von heidnischer und christlicher Religiosität gab. Unter welchen Umständen dies stattfand, oder ob es gewissermaßen „Zuständigkeitsbereiche“ für Christus auf der einen Seite und die alten Götter auf der anderen Seite gab, ist leider nicht zu erschließen. Die Mentalität, die eine solche Lebensweise ermöglicht, ist im Grunde noch die des Polytheismus. Da Wihtreds Gesetz nur fünf oder sechs Jahre nach dem Tod Theodors entstand, ist der Gedanke naheliegend, in den besprochenen Bestimmungen gegen das heid­ nische Opfer eine Reaktion auf die gleichen Umstände oder sogar auf die überliefer­ ten Bußbestimmungen des Erzbischofs zu sehen.218 Möglicherweise sah Wihtred die Unruhen in Kent als Gottes Strafe für die Lebensweise mancher Kenter oder der König bedurfte bei der Befriedung und Ordnung des zerrütteten Reiches der Hilfe der Kirche. Jedenfalls werden in seinem Gesetz die differenzierten und von einem gewissen Ver­ ständnis für die Lebensumstände der Bevölkerung getragenen Bußbestimmungen Theodors durch empfindliche weltliche Strafen ergänzt, wenn nicht gar ersetzt. Beide Texte sind im Kontext der Bekämpfung einer polytheistischen Mentalität in der Bevölkerung zu sehen, die eine Kombination von christlichen und vorchristlichen Elementen möglich erscheinen ließ. In Wihtreds Kent mag es noch vereinzelt Menschen gegeben haben, die Opfer für die alten Götter darbrachten, doch hätte ein offenes oder gar exklusives Bekenntnis

216 U 3 „Qui ardere facit grana ubi mortuus est homo pro sanitate viventium et domus V annos peniteat.“ 217 Vgl. Meaney, Anglo-Saxon Idolators and Ecclesiastics, 107. 218 Vgl. Ebenda, 104.

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den Ausschluss aus der Rechtsgemeinschaft zur Folge gehabt. Dies wird auch dadurch deutlich, dass Wi 9 bis 10 allem Anschein nach von heimlichen und im heimischen Umfeld vollzogenen Handlungen ausgehen.

2.3 Zusammenfassung Sowohl schriftliche als auch archäologische Quellen weisen auf ein Fortbestehen heidnischer Religiosität in Kent in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts hin. Es ergibt sich das Bild einer religiös zweigeteilten Gesellschaft, in der Christen und Polytheis­ ten über Jahrzehnte neben- und miteinander lebten. Dabei begann das Zusammen­ leben von Menschen beider Religionen in Kent nicht mit dem Einsetzen der römi­ schen Mission im Jahr 597, sondern dauerte bedingt durch fränkische Kontakte der Kenter schon länger an. Durch das Wirken der Missionare und die Konversion des Königs entstand jedoch eine Situation, in der vom König und den Großen seines Reiches ein neuer Konsens über die Regeln des Zusammenlebens gefunden werden musste. Die genauen Bedin­ gungen dieses Konsens‘ sind nicht rekonstruierbar, jedoch sind Aussagen über die Bedingungen des Zustandekommens und das Resultat möglich. Für die Bedingungen sind zum einen strukturelle und zum anderen mentalitäts­ geschichtliche Faktoren zu beachten. Zu den angesprochenen Verbindungen zum fränkischen Festland kamen eine deutlich stratifizierte Gesellschaft, eine dezentrale Organisation des Königreiches und das imperium Æthelberhts, seine Vormachtstel­ lung südlich des Humber. Die politische Situation machte es für den König notwen­ dig, in religiösen Fragen Rücksicht auf die Befindlichkeiten lokaler Eliten zu nehmen. Besonders für diese Bevölkerungsgruppe Kents ist das Verharren in der traditionellen Religion archäologisch nachvollziehbar, über die Lebensumstände und die Mentali­ tät der einfachen Freien und von Unfreien kann bestenfalls spekuliert werden. Aus mentalitätsgeschichtlicher Perspektive ist zudem unwahrscheinlich, dass eine zwangsweise Durchsetzung des neuen Glaubens für Æthelberht und seinen Sohn Eadbald eine Option gewesen wäre. Zu sehr waren beide noch dem im Grunde polytheistischen Gedanken verbunden, dass eine gleichzeitige Verehrung Christi und der alten Götter in einem Königreich möglich sei. Aus christlicher Perspektive konnte dieser Zustand immer nur eine zu überwindende Übergangssituation darstellen. Es dauerte bis in die Mitte des 7. Jahrhunderts, bis sich das Christentum in den Köpfen der Kenter soweit gefestigt hatte, dass von einer christlichen Mentalität ausgegangen werden kann, die das Rechtsbewusstsein so beeinflusste, dass eine Hinnahme des polytheistischen Kultes in einem christlichen Königreich nicht mehr möglich schien. König Eorcenberht und seine Nachfolger hatten den Willen und die Mittel, die letzten Reste des alten Glaubens durch den Einsatz herrschaftlicher Machtmittel zu unter­ drücken. Die Grundlage des Rechtsbewusstseins war nun ein christliches Empfinden und trotz aller Elemente traditionellen Rechts, die sich auch in den Gesetzen aus



Zusammenfassung 

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der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts finden, war dieses Recht nun christlich, und Heiden waren aus der Rechtsgemeinschaft ausgeschlossen. Vor diesem Hintergrund ist anzunehmen, dass sich die Bestimmungen aus Wiht­ reds Gesetz aus dem Jahr 695 nicht auf sich selbst als „Heiden“ definierende Men­ schen, sondern auf Christen bezogen, die unter bestimmten, nicht näher zu beschrei­ benden Umständen, auch den alten Göttern Opfer darbrachten.

3 Essex Um das Jahr 600 war Essex ein mittelgroßes, im politischen Spiel der angelsächsi­ schen Reiche untereinander nicht unbedeutendes Königreich. Über die geographi­ sche Lage schrieb Beda in seiner Kirchengeschichte, dass das Gebiet der Ostsachsen von Kent durch die Themse getrennt sei. Zudem berichtet er, dass sich das Königreich bis an das östliche Meer erstrecke und London, einen zu der Zeit bereits wichtigen Handelsplatz, bezeichnet er als Hauptort der Ostsachsen.1 Neben dem eigentlichen Essex und dessen Hauptort London erstreckte sich das Herrschaftsgebiet des ostsächsischen Königs Sæberht um das Jahr 600 auch über Middlesex, Teile von Hertfordshire und Surrey.2 Im Vergleich zu den anderen zeitgenössischen Königreichen der Region, ins­ besondere Kent und East Anglia, wird die wissenschaftliche Untersuchung der ost­ sächsischen Geschichte durch die besonders spärliche Überlieferung erschwert. Die einzige zumindest zeitnahe historiographische Quelle ist Bedas historia ecclesiastica gentis Anglorum.3 Neben diesem Text sind einige Urkunden aus der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts überliefert.4 Der spektakuläre Fund eines Fürstengrabes in Prittlewell, heute Southend-on-Sea, von 2003 darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die archäologische Fund­situation für Essex ebenso lückenhaft ist wie die historische Überlieferung.5 Die geschilderte Quellenlage macht ein besonders behutsames Vorgehen notwendig. Dennoch sind einige Aussagen über die Entwicklung des rechtlichen und gesellschaftlichen Status von Heiden auch für das Königreich der Ostsachsen möglich. Bevor jedoch die unter­

1 HE II, 3 „[…] prouinciae Orientalium Saxonum, qui Tamense fluuio dirimuntur a Cantia, et ipsi orien­ tali mari contigui, quorum metropolis Lundonia ciuitas est, super ripam praefati fluminis posita et ipsa multorum emporium populorum terra marique uenientium; […].“ 2 Vgl. Helliwell, South East Essex in the Saxon Period, 5, Higham, The Convert Kings, 95, Hirst, The Prittlewell Prince, 9, Kirby, The Earliest English Kings, 5, Loyn, Essex, 577, Rippon, Essex ca. 700  – 1066, 117, Yorke, The Kindgom of the East Saxons, 27  f. 3 Vgl. Ebenda, 1  f. „The single most important source for a study of the East Saxon kingdom is Bede’s Historia Eccksiastica. Bede names two main sources of information for the East Saxons in his preface: Abbot Albinus, who supplied him, through Nothhelm, with Canterbury traditions about the work of Mellitus in the reigns of Saberht and his sons {HE ii, .3,5,6), and the brothers of Lastingham, who were his source for the activities of Cedd in the reigns of Sigeberht ‚Sanctus‘ and Swithhelm {HE iii, 22). Other sources are mentioned in the text. A priest who had accompanied Jaruman, bishop of Mercia, to the East Saxon province told Bede how Sigehere and his part of the East Saxon people were brought back to Christianity at the time of the great plague of 664 {HE iii, 30). A lost libellus of the miracles of St Ethelburh of Barking was his source for the death of King Saebbi {HE iv. 11). However, no authority is specified for the account of the departure to Rome of Offa of the East Saxons with Cenred of Mercia {HE v.19).“ 4 Vgl. Hart, The Early Charters of Essex, 8  ff., Ders., The Early Charters of Eastern England, 144  ff. Siehe auch Yorke, The Kingdom of the East Saxons, 5  f. 5 Vgl. Jones, Early Saxon Cemeteries in Essex, 87, Rippon, Essex ca. 700 – 1066, 117, 125, Tyler, Early Saxon Essex AD 400 – 700, 108.



Essex 

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scheidbaren Phasen dieser Geschichte genauer betrachtet werden können, müssen drei Voraussetzungen der ostsächsischen Geschichte und somit auch der Geschichte der Heiden in Essex in den Blick genommen werden. Erstens ist die Siedlungsstruktur in Essex zu beachten. Das Gebiet, auf dem sich das Königreich der Ostsachsen entwickelte, war zuvor weder unbewohnt noch frei von größeren Siedlungen. Wie sonst auch auf ehemaligem römischem Reichsgebiet, gab es in Essex vielerorts eine Kontinuität der Besiedlung über die römische Zeit hinaus. Neben den Städten, insbesondere Colchester6, waren Römerstraßen die Orientie­ rungspunkte dieser Siedlungen. Abseits der befestigten Straßen war das Land wenig zugänglich, und so bilden die fruchtbaren und leicht auf dem Wasserweg zu errei­ chenden Flusstäler im Landesinneren einen zweiten Schwerpunkt der Besiedlung. In größerer Entfernung von Römerstraßen und natürlichen Wasserwegen scheint es keine oder nur kleine Siedlungen gegeben zu haben, darauf weist die Verteilung der bekannten Friedhöfe aus angelsächsischer Zeit hin.7 Die Lage der großen Sied­ lungen und der für die Verwaltung des Landes wichtigen Königshöfe gab im 7. und 8. Jahrhundert auch der Organisationsstruktur der Kirche in Essex den Rahmen vor. Die christliche Durchdringung des unzugänglichen Hinterlandes wurde so erschwert, heidnische Denk- und Lebensweisen konnten dort länger als andernorts über­dauern.8 Zweitens waren Essex und seine Königsfamilie eng mit dem benachbarten Kent verbunden. Ausgrabungen in Siedlungen und Friedhöfen entlang des nördlichen Themseufers, wie etwa in Mucking und Prittlewell, haben materielle Hinweise auf diese enge Verbindung zu Tage gefördert.9 Wie die Flüsse im Landesinneren, war auch die Themse weniger trennende Grenze als vielmehr eine Wasserstraße, die einen regen Austausch zwischen den Bewohnern beider Uferzonen ermöglichte. Nach Blackmore lässt die Interpretation einiger Grabfunde „auf Hochzeiten hochrangiger Frauen aus Kent mit Männern aus Essex schließen […].“10 Die einzige historisch nach­ weisbare Verbindung dieser Art ist die Hochzeit zwischen König Sæberhts Vater Sledd und Ricula, der Schwester König Æthelberhts von Kent.11 Diese Verbindung mit einer

6 Vgl. Blackmore, Schätze eines angelsächsischen Königs von Essex, 338. In der Nähe von C ­ olchester befand sich mit Writtle einer der beiden namentlich bekannten Königshöfe der Ostsachsen. Zur Herr­ schaftslegitimation durch Benutzung römischer Monumente siehe Rippon, Essex ca. 700 – 1066, 118, 120. 7 Vgl. Jones, Early Cemeteries in Essex, 87, Tyler, Early Saxon Essex AD 400 – 700, 108. 8 Vgl. Helliwell, South East Essex in the Saxon Period, 15. 9 Vgl. Arnold, An Archaeology of the Early Anglo-Saxon Kingdoms, 224, Blackmore, Schätze eines an­ gelsächsischen Königs von Essex, 326, Ennis, An Early Saxon Cemetery at Rayleigh, Essex, 56, Tyler, The Anglo-Saxon Cemetery at Prittlewell, 91 und Dies., Early Saxon Essex AD 400 – 700, 113. 10 Vgl. Blackmore, Schätze eines angelsächsischen Königs von Essex, 326. 11 HE II, 3 „[…] in qua uidelicet gente tunc temporis Saberct nepos Aedilbercti ex sorore Ricula regnabat […].“ Der Ortsame Rickling, im Norden von Essex, einige Kilometer südlich von Great Chesterford, wurde interpretiert als „meaning people or followers of Ricola, queen of Essex in the late 6th century.“ Wade, A Settlement Site at Bonhunt Farm, 102. Zur politischen Bedeutung der Ehe und zur Person

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Frau aus der einflussreichsten Familie südlich des Humber war für die ostsächsische Königsfamilie sicher prestigeträchtig und half dabei, ihre Stellung zu sichern. Gleich­ zeitig band sie das Reich aber auch enger an den mächtigen Nachbarn. Dessen poli­ tische Vorherrschaft wurde um das Jahr 600 durch die verwandtschaftlichen Bezie­ hungen zwischen Onkel und Neffe versinnbildlicht. Es wurde darauf hingewiesen, dass Sæberhts Familie nicht nur die Sicherung ihrer Stellung, sondern womöglich sogar ihren Aufstieg zu königlicher Macht der kentischen Verwandtschaft zu verdan­ ken hatte.12 In jedem Fall legt das Zusammenspiel von archäologischen Funden und historischer Überlieferung Parallelen in den Entwicklungen in Kent und Essex nahe. Im Verlauf des 7.  Jahrhunderts wurde die kentische Vorherrschaft über Essex zunächst durch die Vorrangstellung des Königs von Northumbria und schließlich durch ostanglischen und merzischen Einfluss abgelöst. Auch diese Konstellatio­ nen waren für die religiöse Entwicklung innerhalb des Königreiches der Ostsachsen prägend. Drittens war es für Essex nicht ungewöhnlich, dass sich mehrere Mitglieder der königlichen Familie die Königswürde und die Herrschaft über Teile des Reiches teilten. Zum ersten Mal wird dies in Bedas Schilderung der Entwicklung nach dem Tode König Sæberhts um das Jahr 616 historisch fassbar. Sæberht habe drei Söhne gehabt, die alle gleichzeitig ihrem Vater nachfolgten und schließlich in einer Schlacht gegen die Gewisse, laut Beda ein früher Name für die Westsachsen13, umkamen.14 Die rekonstruierte Genealogie der ostsächsischen Könige weist vom frühen 7. bis in die Mitte des 8. Jahrhunderts fünf Beispiele von geteilter Herrschaft in Essex auf.15 Der Herrschaftsanspruch der Könige von Essex wurde durch die Abstammung vom Gründerkönig Sledd, dem Mann Riculas, legitimiert. Diese Tradition wird dadurch verdeutlicht, dass, mit der Ausnahme von König Offa16, der zu Beginn des 8.  Jahr­ Riculas siehe Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 159, Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597-c.700, 56, Higham, The Convert Kings, 85, 142, Kirby, The Earliest English Kings, 30, Lambert, Christians and Pagans, 182, von Padberg, Mission und Christianisierung, 248, Yorke, The Kingdom of the East Saxons, 16. 12  Vgl. Ebenda. Zugleich ist umgekehrt festzustellen, dass Æthelberht in seiner Rolle als Oberkönig auf die Unterstützung und Loyalität seiner ostsächsischen Verwandtschaft angewiesen war. Siehe dazu Higham, The Convert Kings, 85  f. 13 HE III, 7 „[…] gens Occidentalium Saxonum, qui antiquitus Geuuissae uocabantur […].“ Siehe auch Kirby, The Earliest English Kings, 20  f. 14 HE II, 5 „Auxit autem procellam huiusce perturbationis etiam mors Sabercti regis Orientalium Saxonum, qui ubi regna perennia petens tres suos filios […] regni temporalis heredes reliquit […] Nam egressi contra gentem Geuissorum in proelium omnes pariter cum sua militia corruerunt […].“ 15 Vgl. Yorke, The Kingdom of the East Saxons, 17. Die Liste der geteilten Königsherrschaften fängt mit den Söhnen Sæberhts Sæward, Seaxred und deren unbenannt bleibenden Bruder an (c. 616–623). Es folgen Swithelm und Swithfrith (gestorben vor 664); Sighere (663/4–c. 688) und Sæbbi (663/4–693/4); Offa (gestorben 709), Sigeheard (693/4–?) und Swæfred (693/4–?); Swæfberht (gestorben 738) und Selered (gestorben 746). 16 Vgl. Ebenda, 15.



Heidnische Gesellschaft unter einem christlichen König 

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hunderts regierte, alle Namen in der ostsächsischen Königsgenealogie mit dem Buch­ staben S beginnen und somit sowohl mit Sledd als auch mit dem sächsischen Gott Seaxnet alliterieren.17 Die bekannten Fälle geteilter königlicher Macht in Essex enden mit der merzi­ schen Annexion von Middlesex, inklusive London, und Hertfordshire im 8. Jahrhun­ dert. Es liegt daher nahe anzunehmen, dass die zeitgleich regierenden Könige der Ostsachsen jeweils über eines dieser Teilgebiete herrschten.18 Geteilte Herrschaft für die Regionen des Königreiches bedeutete, dass sich die Großen zur politischen Bera­ tung und zur Rechtsfindung jeweils um einen anderen König versammelten. Dabei konnten, wie noch zu sehen sein wird, auch im Bereich der religiösen Orientierung unterschiedliche Beschlüsse fallen. Zudem darf sicher das Element der Konkurrenz zwischen den zeitgleichen Herrschern nicht außer Acht gelassen werden. Hier boten sich heidnisch-konservativ orientierten Gruppen Möglichkeiten der politischen Ein­ flussnahme.

3.1 Heidnische Gesellschaft unter einem christlichen König Beda datiert den ersten belegten Kontakt der Ostsachsen mit dem Christentum in das Jahr 604. In diesem Jahr sei nämlich Mellitus, einer der Begleiter des Augustinus, von diesem zum Bischof geweiht und zur Predigt nach Essex gesandt worden.19 Dass Sæberht, König der Ostsachsen und Neffe König Æthelberhts von Kent, die ihm nun verkündete Religion schnell angenommen zu haben scheint, hat sicher mit seiner Position als seinem mächtigen Onkel untergeordneter König zu tun.20 In der Tat 17 Vgl. Ebenda, 27. Der Name Saxnot taucht neben der ostsächsischen Königsgenealogie auch in einem altsächsischen Taufgelöbnis auf. Über die Attribute und Fähigkeiten, die Saxnot zugeschrieben wurden, ist nichts bekannt. Es gilt als sicher, dass Saxnot als Stammvater der Sachsen galt. Siehe zu Saxnot und seiner Bedeutung für die Ostsachsen Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 33, Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597-c.700, 62, 103, 146, Helliwell, South East Essex in the Saxon Period, 10, Kirby, The Earliest English Kings, 14, Lambert, Christians and Pagans, 64, Loyn, Essex, 577, Polomé, Germanentum und religiöse Vorstellungen, 285, Simek, Lexikon der germa­ nischen Mythologie, 361, Ders., Götter und Kulte der Germanen, 64, Stenton, Anglo-Saxon England, 54, 98  f., Tiefenbach, Saxnot, 546  ff., Yorke, The Kingdom of the East Saxons, 13  ff. 18 Vgl. Ebenda, 30  f. 19 HE II, 3 „Anno dominicae incarnationis DCIIII Augustinus Brittaniarum archiepiscopus ordinauit duos episcopos, Mellitum uidelicet et Iustum; Mellitum quidem ad praedicandum prouinciae Orientalium Saxonum […].“ Zu Mellitus und dessen Rolle in der Mission von Essex siehe Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 159, Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c. 597 – c. 700, 56, Gameson, Augustine of Canterbury, 37, Helliwell, South East Essex in the Saxon Period, 13, Lambert, Christians and Pagans, 182, von Padberg, Mission und Christianisierung, 192  f. 20 Vgl. Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 159 Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597-c.700, 103, Helliwell, South East Essex in the Saxon Period, 13, Higham, The Convert Kings, 1, 134  f., Kirby, The Earliest English Kings, 30, Lambert, Christians and Pagans, 182, Mayr-

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kann die Konversion Sæberhts, die die Einrichtung eines ostsächsischen Bistums und die Gründung einer Kirche in London ermöglichte, als ein Hinweis auf den in Essex besonders starken kentischen Einfluss gewertet werden.21 Wie bereits erwähnt, war Sæberhts Mutter die Schwester Æthelberhts. Diese engen verwandtschaftlichen Bande lassen die Vermutung zu, dass die Predigt des Mellitus nicht der erste Kontakt von Sæberht und seinem Gefolge mit dem Christentum war. Vielmehr ist anzuneh­ men, dass dieser Erstkontakt im auch christlich geprägten Umfeld des kentischen Königs stattfand, und dass Sæberhts Konversion als politischer Schritt schon von langer Hand vorbereitet worden war.22 Unter solchen Umständen gibt es keinen Grund zu der Annahme, Æthelberht habe seinen Neffen zu einem konsequenteren und strengeren Vorgehen bewegen können, als er selbst es an den Tag legte.23 So muss dann auch Beda berichten, dass, ähnlich wie Eadbald in Kent, auch die drei Söhne Sæberhts trotz des väterli­ chen Glaubenswechsels ungetauft blieben.24 Zudem sei auch der polytheistische Kult ungeachtet des königlichen Glaubenswechsels und der missionarischen Tätig­ keit des Mellitus weiter ausgeführt worden.25 Die beschriebene Beschränkung der heidnischen Opfertätigkeit könnte eine versuchte Ehrenrettung Bedas für den ersten christlichen König der Ostsachsen sein. Eine historische Grundlage darf angezwei­ felt werden.26 Zusammen mit der Information, die neuen Könige von Essex hätten ihrem Volk nunmehr die freie Erlaubnis zum polytheistischen Kult gegeben, könnte diese aber auch ein Hinweis auf eine stellenweise erfolgte freiwillige Beschränkung einiger Ostsachen sein. Dem Beispiel seines Onkels folgend könnte Sæberht Konverti­ ten besonders bevorzugt, und so zu einem vorsichtigen Agieren der heidnisch geblie­ benen Großen des Reiches beigetragen haben. Wie in Kent muss die Präsenz eines christlichen Bischofs samt Gefolge zu einer Konkurrenz um Einfluss beim König und auch zu einem gewissen Verlust an Einfluss für die traditionellen Eliten des Landes geführt haben.

Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 64, von Padberg, Mission und Christiani­ sierung, 192  f., Ders., Die Christianisierung Europas im Mittelalter, 79, Ders., Von Heidenhunden und Herrscherglaube, 10, Stenton, Anglo-Saxon England, 109. 21 Vgl. Kirby, The Earliest English Kings, 30. 22 von Padberg, Die Inszenierung religiöser Konfrontation, 72  ff. macht deutlich, dass derlei Abspra­ chen zur Vorbereitung eines Missionsunternehmens die Regel waren. Die politische Konstellation macht es im konkreten Fall äußerst unwahrscheinlich, dass es ausgerechnet hier keine die Konver­ sion vorbereitenden Kontakte gegeben haben sollte. 23 Vgl. Kapitel 2.1.2. 24 HE II, 5 „[…] tres suos filios, qui pagani perdurauerant […].“ 25 HE II, 5 „[…] coeperunt illi mox idolatriae, quam uiuente eo aliquantulum intermisisse uidebantur, palam seruire, subiectisque populis idola colendi liberam dare licentiam.“ 26 Higham, The Convert Kings, 192 vermutet, dass es sich bei dieser Nachricht um einen Anachronis­ mus handelt, den Beda aus seiner eigenen Zeit auf das Essex Sæberhts übertragen hat.



Heidnische Gesellschaft unter einem christlichen König 

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Trotzdem steht fest, dass Heiden während der Regierungszeit Sæberhts keine rechtlichen Nachteile oder gar eine Verfolgung zu befürchten hatten. Die Inkrimi­ nierung des heidnischen Kultvollzugs hätte sowohl beim König als auch bei seinen Großen eine christlich-monotheistische Mentalität vorausgesetzt. Sowohl die zu ver­ mutenden Umstände von Sæberhts Glaubenswechsel als auch die späteren Ereignisse in Essex zeigen, dass die politischen Akteure im Land zu dieser Zeit aber noch fest in der traditionellen, polytheistischen Mentalität ihrer Vorfahren verankert waren.27 Lediglich eine Stelle bei Beda könnte als Hinweis auf eine gewisse gesellschaftli­ che Benachteiligung im direkten Umfeld des Königs gelesen werden. Da jedoch auch Sæberhts Söhne Heiden blieben, kann dies nicht weit gegangen sein. Auch die archäologischen Quellen und die überlieferten ostsächsischen Urkun­ den sprechen gegen einen großen christlichen Einfluss auf das Leben der Ostsachsen jenseits von London und den Königshöfen. Die erste und einzige belegte Kirchengrün­ dung zu Sæberhts Lebzeiten ist St. Paul in London.28 Eine diese Stiftung angeblich belegende Urkunde ist eine Fälschung des späteren 7. Jahrhunderts.29 Die erste wohl authentische, wenn auch leider verlorene, Urkunde aus Essex ist eine Schenkung König Suidfrids an Earkenwald, den Bischof von London, von ungefähr 666. Diese Schenkung stellt die Gründungsschenkung für die Abtei von Barking dar.30 Barking war eines der Zentren, von denen aus Missionare ab der Mitte des Jahrhunderts ver­ suchten, auch das abgelegene Hinterland zu erreichen. Archäologisch sind bislang keine sicheren Nachweise von Kirchen im Hinterland von Essex aus der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts möglich. Lediglich bei Waltham Abbey sind Spuren eines hölzer­ nen Gebäudes gefunden worden, die als Reste einer frühen Holzkirche interpretierbar sind. Die Radiokarbondatierung ergab einen Zeithorizont, der es erlaubt, sowohl die erste Hälfte als auch die zweite Hälfte des 7. Jahrhunderts anzunehmen.31 Allerdings hat Huggins auf die Möglichkeit eines archäologisch nicht mehr nachweisbaren Vor­ gängerbaus hingewiesen.32 Sollte dies zutreffend sein, so wäre dieser Vorgängerbau neben St. Paul in London der einzige mögliche Hinweis auf eine Kirchengründung zu Sæberhts Lebzeiten.

27 Vgl. Ebenda, 1. Higham geht davon aus, dass die Könige der ersten Generation das christliche Weltbild der sie bekehrenden Missionare nicht teilten. 28 HE II, 3 „Vbi uero et haec prouincia uerbum ueritatis praedicante Mellito accepit, fecit rex Aedilberct in ciuitate Lundonia ecclesiam sancti Pauli apostoli, in qua locum sedis episcopalis et ipse et successores eius haberent.“ 29 Vgl. Hart, The Early Charters of Essex, 8  f. Landschenkungen wurden in England generell erst spä­ ter im 7. Jahrhundert beurkundet. 30 Vgl. Ebenda, 9 und Ders., The Early Charters of Eastern England, 141  f. 31 Vgl. Rippon, Essex c. 700 – 1066, 121 gibt 560 plus 50 Jahre an. Huggins, Excavations at Waltham Abbey, 282  ff., 290, 334 formuliert vorsichtiger und gibt den langen Zeitraum von 590 bis 690 an. Siehe 3.4 für nähere Informationen zu Waltham Abbey. 32 Vgl. Ebenda, 305, 326.

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3.2 Nach dem Tod Sæberhts Von Beda erfahren wir, dass Sæberht drei Söhne hinterlassen habe, die nach dem Tod ihres Vaters gemeinsam über Essex herrschten.33 Die Namen der drei Erben werden hier ebenso wenig genannt, wie es Informationen darüber gibt, ob und wie die drei neuen Herrscher die Regionen von Essex unter sich aufgeteilt haben. Die Namen zweier Söhne sind in der ostsächsischen Königsgenealogie erhalten, sie hießen Sæward und Seaxred.34 Über die Nachfolger Sæberhts sind zwei Dinge überliefert. Erstens berichtet Beda, dass sie trotz der Konversion ihres Vaters nicht getauft waren und dass sie nach dem Tode ihres Vaters gegen die Vertreter des Christentums in Essex, namentlich Bischof Mellitus, vorgingen. Zweitens erfahren wir von einem Krieg gegen die Gewisse und dem Tod der Herr­ scher. Aus beiden Nachrichten lassen sich Rückschlüsse über die religionspolitische Situation in Essex nach 616 ziehen. Zunächst zum Krieg gegen die Gewisse. Für Beda in seiner christlichen Rückschau waren Krieg und Tod der heidnischen Herrscher eine göttliche Strafe für deren Vorgehen gegen Mellitus. Er schreibt „die Könige, die den Boten der Wahrheit von sich gewiesen hatten, dienten nicht lange ungestraft dem Dämonenkult. Denn als sie gegen den Stamm der Gewisse in den Kampf zogen, gingen alle zusammen mit ihrem Heer unter.“35 Diese Niederlage wird durch Beda als Gottesstrafe interpretiert. Der Umstand, dass die Ostsachsen nach der Niederlage gegen die Gewisse nun gerade nicht reumütig zum Christentum „zurückkehrten“, muss als Hinweis auf die feste Verankerung heidnischer Denkweise in Essex und die allenfalls oberflächliche Bekehrung zu Sæberhts Lebzeiten gesehen werden.36 Bedas christliche Deutung der Ereignisse war den Ostsachsen fremd.37 Auch in der Folge­ zeit blieb Essex ein heidnisches Königreich, dessen Bevölkerung eine heidnische Mentalität hatte. Über das derart bestrafte Vorgehen gegen Bischof Mellitus berichtet Beda eine sicher konstruierte Geschichte, die dennoch einen wahren Kern haben dürfte. So hätten die neuen ostsächsischen Herrscher nicht nur offen den polytheistischen Kult ausgeführt und die Bevölkerung ebenfalls zu diesem Vorgehen angestachelt. Über­ dies seien sie während einer Messfeier zu Mellitus gekommen und hätten ihn aufge­

33 HE II, 5 „Auxit autem procellam huiusce perturbationis etiam mors Sabercti regis Orientalium Saxonum, qui ubi regna perennia petens tres suos filios […] regni temporalis heredes reliquit […].“ 34 Vgl. Yorke, The Kingdom of the East Saxons, 17. 35 HE II, 5 „[…] non multo tempore reges, qui praeconem a se ueritatis expulerant, daemonicis culti­bus inpune seruienbant. Nam egressi contra gentem Geuissorum in proelium omnes pariter cum sua militia corruerunt […].“ 36 Vgl. Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597-c.700, 124, Lambert, Christians and Pagans, 189, von Padberg, Mission und Christianisierung, 249. 37 Vgl. Higham, The Convert Kings, 136.



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fordert, ihnen vom Brot zu essen zu geben. Die neuen Könige als Hostienschänder zu präsentieren, soll die besondere Verderbtheit dieser Heiden vor Augen führen.38 Schließlich schicken sie sich an, den Leib des Herrn selbst zu entweihen.39 Der her­ ausgeforderte Bischof habe den Heiden in ihrem Ansinnen tapfer widersprochen und sei dafür des Reiches verwiesen worden.40 Auch wenn es sich nicht genau so zuge­ tragen haben wird, muss das zeitgleiche Wegbrechen der königlichen Unterstützung der Christianisierung in Kent und Essex zu einer großen Krise und einem Rückschlag für die römische Kirche im Süden Englands geführt haben. Mellitus hat seine Stel­ lung in Essex nicht wiedererlangen können. Ob der Bischof wegen eines persönlichen Konflikts mit den neuen Herrschern, wegen seiner engen Verbindungen nach Kent, von dessen Anspruch auf eine Vormachtstellung über Essex sich die Könige befreien wollten, oder wegen einer religiös motivierten Reaktion gegen das Christentum außer Landes gehen musste, ist nicht zu rekonstruieren.41 Neben den Nachrichten aus Bedas Kirchengeschichte lässt auch das 2003 ent­ deckte Prachtgrab von Prittlewell Rückschlüsse über die religiöse und politische Situation nach dem Tode Sæberhts zu. Bereits 1923 wurden bei Straßenbauarbeiten

38 Zur christlichen Perspektive auf „die Heiden“ und ihre Verderbtheit siehe von Padberg, Mission und Christianisierung, 32  ff., Ders., Christen und Heiden, 292  ff. 39 Zum mittelalterlichen Verständnis der Eucharistie und der Bedeutung der Hostie siehe Ange­ nendt, Geschichte der Religiosität im Mittelalter, 488  ff. sowie Ders., Grundformen der Frömmigkeit im Mittelalter, 39  f., 45. von Padberg, Mission und Christianisierung, 249 interpretiert den Bericht als einen Hinweis darauf, dass die Söhne Sæberhts „wie Rædwald von Ostanglien einen heidnischchristlichen Mischkult versuchen wollten.“ Zustimmend Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597-c.700, 103. Higham, The Convert Kings, 136 nimmt Bedas Bericht als Anlass festzustellen, dass die Hostie auch aus heidnischer Perspektive Macht habe und dass die Feindseligkeit der neuen Herrscher nicht aus Mellitus Christentum resultierte sondern aus dessen Weigerung, ihnen von sei­ nem „magic bread“ zu geben. 40 HE II, 5 „Cumque uiderent pontificem, celebratis in ecclesia missarum sollemniis, eucharistiam populo dare, dicebant, ut uulgo fertur, ad eum barbara inflati stultitia: ‚Quare non et nobis porrigis panem nitidum, quem et patri nostro Saba (sic namque eum appellare consuerant) dabas, et populo adhuc dare in ecclesia non desisitis?‘ Quibis ille respondebat: ‚Si uultis ablui fonte illo salutari, quo pater uester ablutus est, potestis etiam panis sancti, cui ille participabat, esse perticipes; sin autem lauacrum uitae contemnitis, nullatenus ualetis panem uitae percipere.‘ Cumque diligenter ac saepe ab illo essent admoniti nequaquam ita fieri posse, ut absque purgatione sacrosancta quis oblationi sacrosanctae communicaret, ad ultimum furore commoti aiebant: ‚Si non uis adsentire nobis in tam facili causa, quam petimus, non poteris iam in nostra prouincia demorari.‘“ Siehe zum Hintergrund Kirby, The Earliest English Kings, 31, der vermutet, dass die Söhne Sæberhts in Absprache mit Eadbald handelten, als sie den Bischof des Landes verwiesen. Siehe ebenfalls Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 63, Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 64, 75, Yorke, The Kingdom of the East Saxons, 18. 41 Für Higham, The Convert Kings, 137 ist die vertraute Art des Umgangs zischen Mellitus und den neuen Herrschern ein möglicher Hinweis auf einen zunächst fortgesetzten königlichen Schutz des Bischofs. Erst nach einem nicht näher feststellbaren Zeitraum hätten sich die Könige zur Vertreibung des Mellitus entschlossen.

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angelsächsische Gräber bei Prittlewell entdeckt. Arbeiten an einer Eisenbahnstre­ cke förderten 1930 weitere Gräber zu Tage. Eine systematische Analyse dieser frühen Fundstücke liegt aus den 1970er Jahren vor.42 2003 wurde, wiederum im Zuge von Straßenbauarbeiten43, ein außergewöhnlich reich ausgestattetes Grab gefunden. Der Bestattete und die Beigaben befanden sich ursprünglich in einer mit hölzernen Wänden versehenen Kammer. Die Kammer war 1,4 m tief und „misst vier Meter im Quadrat.“44 Über dem Grab erhob sich ein Grabhügel von 10  m Durchmesser. Der Fund wurde auf einen Zeitraum zwischen 600 und 650 datiert.45 Der Fundort ist etwa zwei Kilometer vom heutigen Strand entfernt. Eine Verbindung nach Kent wird so topographisch nicht hergestellt. „Statt dessen orientiert sich das Grab aber nordwärts entlang des Prittle-Tales in Richtung der Mündung des Roach, und somit in das Herz von Essex.“46 Die Errichtung eines weithin sichtbaren Grabhügels hatte über das reine Bestattungsritual hinaus einen politisch-kommunikativen Sinn.47 Es liegt daher nahe anzunehmen, dass die Errichter des Grabhügels von Prittlewell mit der Orien­ tierung des Monuments ebenfalls eine Botschaft verbanden. Diese Botschaft könnte in einer bewussten Abkehr vom südlichen Nachbarn Kent und einer Konzentration auf den eigenen Machtbereich bestanden haben. Doch nicht nur die Ausrichtung des Grabes von Prittlewell ist bemerkenswert. Auch die Verteilung der zahlreichen Grab­ beigaben muss kommentiert werden. Nach Sutton Hoo ist Prittlewell das reichst ausgestattete angelsächsische Grab, das bis heute entdeckt wurde.48 Dabei steht die reiche Ausstattung der Grabkammer in einem gewissen Kontrast zu den wenigen Beigaben, die sich direkt an dem Toten im Sarg fanden. Es handelt sich dabei um Reste von Schuhschnallen, zwei lateinische Goldblechkreuze, zwei fränkische Goldmünzen, goldene Brokatreste in der Halsge­ gend des Toten und eine goldene Gürtelschnalle.49 In einem Holzkasten befand sich zudem ein byzantinischer Silberlöffel aus dem 6.  Jahrhundert, in dessen Laffe im 7. Jahrhundert lateinische Buchstaben und ein Kreuz eingeritzt worden sind.50 Nach Blackmore deutet der gesamte Fund, mit Beigaben und Grabhügel, auf das Begräb­

42 Vgl. Tyler, The Anglo-Saxon Cemetery at Prittlewell, 91  ff. 43 Vgl. Hirst, The Prittlewell Prince, 7. 44 Blackmore, Schätze eines angelsächsischen Königs von Essex, 327, Hirst, The Prittlewell Prince, 23. 45 Vgl. Blackmore, Schätze eines angelsächsischen Königs von Essex, 339, Hirst, The Prittlewell Prince, 39. 46 Blackmore, Schätze eines angelsächsischen Königs von Essex, 338. Ebenso Hirst, The Prittlewell Prince, 40. 47 Siehe hierzu Kapitel 2.1.1.1. 48 Vgl. Blackmore, Schätze eines angelsächsischen Königs von Essex, 337. Abbildungen der Funde finden sich Ebenda, 325  ff. sowie bei Hirst, The Prittlewell Prince, 10  ff. 49 Vgl. Blackmore, Schätze eines angelsächsischen Königs von Essex, 327  ff., Hirst, The Prittlewell Prince, 27  ff. 50 Vgl. Blackmore, Schätze eines angelsächsischen Königs von Essex, 329  ff., Hirst, The Prittlewell Prince, 28  f. Die erste Zeile der Inschrift lautet FAB RONAM, die zweite Zeile ist nicht lesbar.



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nis eines sehr hochstehenden Heiden hin.51 Dabei interpretiert sie die beschriebene Verteilung der Beigaben so, dass zwei unterschiedliche Rituale stattgefunden haben, nämlich „erstens ein einfaches und privates Bestattungsritual in dem Sarg, und zwei­ tens einen prächtigen Begräbnisakt, der von und für diejenigen arrangiert wurde, die um einen bedeutenden Mann trauerten.“52 Die genaue Identität des Toten wird zwar niemals zu klären sein, doch ist Sæberht der wahrscheinlichste Kandidat.53 Wollten Sæberhts Söhne durch die Orientierung des weithin sichtbaren Monu­ ments die eigene Macht verdeutlichen und zum anderen die Abkehr von Kent und kentischer Vorherrschaft dokumentieren? Der Zeitpunkt wäre nach dem Tod des Imperiumträgers Æthelberht sicher günstig gewesen. Die christlichen Symbole direkt am Körper des Toten könnten darauf hindeuten, dass es sich bei dem von Blackmore angenommenen privaten Begräbnisritual am Sarg um eine christliche Zeremonie für einen verstorbenen Christen durch Christen handelte.54 Dies würde zumindest für die Zeit unmittelbar nach dem Tode Sæberhts für einen fortdauernden christlichen Einfluss in Essex und einen gewissen Respekt der heidnischen Nachfolger für die Wünsche ihres Vaters sprechen. Der Befund stünde dann in einem bemerkenswerten Kontrast zu der respektlosen Haltung, die Beda in seiner Version des Konfliktes zwischen Mellitus und den neuen ostsächsi­ schen Machthabern präsentiert. Die Bedeutung öffentlicher Handlungen machte die öffentliche Feier und den Grabhügel für Sæberhts Söhne aus mehreren Gründen dennoch erforderlich: Zum einen betonten die Nachfolger weithin sichtbar ihre Abstammung und legi­ timierten ihren daraus abgeleiteten Herrschaftsanspruch. Zum anderen konnten sie durch ein traditionell-heidnisches Monument deutlich ihre Abkehr von der Religions­ politik ihres Vaters55 und, durch dessen topographische Ausrichtung, von dessen kentischen Verbindungen dokumentieren. Das Christentum muss vielen Ostsachsen in diesem Zusammenhang als eine fremde Religion und ein Mittel zur Wahrung und

51 Vgl. Blackmore, Schätze eines angelsächsischen Königs von Essex, 339. Zustimmend Hirst, The Prittlewell Prince, 40. 52 Blackmore, Schätze eines angelsächsischen Königs von Essex, 339. 53 Vgl. Ebenda, 339  f. Zustimmend Hirst, The Prittlewell Prince, 41 sowie von Padberg, Von Heiden­ hunden und Herrscherglaube, 11. 54 Siehe dazu auch Hirst, The Prittlewell Prince, 41 „More particularly the presence of the gold-foil crosses on the body and the relative simplicity of the man’s dress fittings and personal equipment suggest that he was a Christian at his death.“ Siehe für eine Kontextualisierung eines ebenfalls im Grab gefundenen Reliquienbehälters Hills, Workboxes or Reliquaries?, 52. 55 Hirst, The Prittlewell Prince, 42 „[…] and it is tempting to suggest that the Prittlewell burial is that of the Christian East Saxon king, Sabert, defiantly buried by his sons in pagan splendor, rather than in the church at London.“ Die Umstände legen es sogar nahe davon auszugehen, dass wie in Kent die Errichtung eines Grabhügels als Reaktion auf christliche Repräsentativbauten, wie etwa die erwähnte Kirche St. Paul in London, zu verstehen ist.

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zum Ausbau kentischen Einflusses erschienen sein.56 Die Lossagung von Kent ging mit der Ablehnung der von dort ins Land gekommenen Religion einher. Bei aller Spärlichkeit der Informationen über Essex im 7.  Jahrhundert ist es doch möglich, eine Liste der Könige der Ostsachsen zu erstellen. Nach den Söhnen Sæberhts kam ein Mann an die Macht, den Beda Sigeberht „mit dem Beinamen ‚der Kleine‘“57 nennt. Mehr als dieser Name ist jedoch nicht überliefert.58 Dieser Umstand muss nicht unbedingt bedeuten, dass Sigeberht von seinen Zeitgenossen als klein im Sinne von unbedeutend angesehen wurde. Beda hatte kein Interesse daran, eine allgemeine Geschichte der gentes Anglorum zu verfassen. Vielmehr konzentrierte er sich auf die Geschichte der einen ecclesia Anglorum und an deren Entwicklung nahm Sigebehrt als Heide keinen Anteil. Unter den Nachfolgern des Sæberht war der traditionelle Polytheismus für Jahr­ zehnte wieder die unangefochten einzige Religion in Essex. Unter solchen Umstän­ den kann die Teilnahme am Kult nicht für die gesellschaftliche und rechtliche Posi­ tion eines Menschen bestimmend gewesen sein, da diese die allgemein anerkannte religiöse Norm war. Der Konflikt um die Ausweisung des Mellitus erlaubt umgekehrt zu fragen, ob ein christliches Bekenntnis zu einer Benachteiligung im obigen Sinn hätte führen können. Aufgrund theoretischer Überlegungen liegt die Annahme nahe, die spärliche Überlieferung macht eine Überprüfung jedoch unmöglich.

3.3 Konfrontation und Versuche der Behauptung der heidnischen Lebensweise Auf Sigebehrt Parvus folgte Sigebehrt Sanctus. Diesen Beinamen erhielt der Namens­ vetter seines Vorgängers für seine Rolle bei der Mission in Essex. Aus Bedas Kirchen­ geschichte erfahren wir, dass Sigebehrt oft zu Besuch bei König Oswiu von North­ umbria gewesen sei. König Oswiu, zu dieser Zeit Träger des Imperiums über die anderen angelsächsischen Reiche, habe Sigebehrt regelmäßig auf die Falschheit der heidnischen Götter hingewiesen.59 Die Betonung der Machtlosigkeit der aus vergäng­ lichen Materialien und von Menschenhand hergestellten Götter ist ein bereits in der antiken christlichen Apologetik bekannter Topos. Die Autoren frühmittelalterlicher

56 Vgl. Higham, The Convert Kings, 117, 134  f. 57 HE III, 22 „[…] Sigberctum cognomento Paruum […].“ 58 Vgl. Yorke, The Kingdom of the East Saxons, 18 „We are unable […] to place Sigeberht ‚Parvus‘ within the East Saxon genealogy with any certainty, though, as there is a likelihood that he was of of the same generation as Saberht’s sons, it could be that he was a son of Saberht’s brother, Seaxa.“ 59 Vgl. HE III, 22 „Erat enim rex eiusdem gentis Sigberct […] amicus eiusdem Osuiu regis, qui, cum frequenter ad eum in prouinciam Nordanhymbrorum ueniret, solebat eum hortari ad intellegendum deos esse non posse, qui hominum manibus facti essent […].“



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Berichte über Missionsunternehmen übernahmen diese Sichtweise auf die überwun­ denen heidnischen Götter.60 Ob Argumente wie diese für den Ostsachen Sigebehrt im Jahr 653 eine Rolle bei seiner Entscheidung für das Christentum spielten, ist nicht überprüfbar. Sicher haben jedoch politische Erwägungen einen großen Einfluss in der Sache gehabt.61 Die erwähnten Besuche in Northumbria dürften deutlich machen, dass Sigebehrt Oswiu als seinen Oberkönig anerkannt hatte und diesen zu Beratungen und dem Austausch von Geschenken aufsuchte.62 Wie auch schon bei Sæberhts Entscheidung um die Wende zum 7. Jahrhundert, spielte auch fünfzig Jahre später der Einfluss eines mäch­ tigeren Königs eine entscheidende Rolle bei der Wiedereinführung des Christentums in Essex. Es ist wichtig festzustellen, dass, wie in Kent und Northumbria, die Entschei­ dung zur Hinwendung zum Christentum nicht allein Sache des Königs war. Sigebehrt wurde erst „nachdem er mit den Seinen beraten und sie ermuntert hatte […] als alle einverstanden waren und dem Glauben zustimmten, mit ihnen von Bischof Finan in der Königspfalz getauft.“63 Auch wenn das Votum des Königs letztlich den Ausschlag gab, waren auch für Essex solch weitreichende Entscheidungen nur unter den Bedin­ gungen traditioneller politischer Entscheidungsfindung zu treffen. Ein herrschaft­

60 Vgl. von Padberg, Mission und Christianisierung, 32, 34, Ders., Christen und Heiden, 292  ff., Ders., Die Inszenierung religiöser Konfrontationen, 165  ff. 166 „Bei dem eher abstrakten Vergleich zwischen Götzen und Gott konnten die Missionare es nicht belassen, denn die Machtfrage wurde letztlich an den Auswirkungen des Glaubens und damit an dessen Nützlichkeit entschieden. Deshalb stellten sie die Ohnmacht der selbstgeschaffenen Bilder der helfenden Allmacht Gottes gegenüber.“ 61 Vgl. Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597-c.700, 106  f., Farmer, Cedd, 73, Fletcher, The Barbarian Conversion, 167, Higham, The Convert Kings, 234, Kirby, The Earliest English Kings, 83, Stenton, Anglo-Saxon England, 121, Lambert, Christians and Pagans, 215, 233, Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 99. Wenn von Padberg, Mission und Christianisierung, 261 darauf hinweist, dass „Oswiu die Patenschaft des neuen Christen übernommen hat“, wird damit die Abhängigkeit Sigeberhts von seinem northumbrischen Oberkönig nur noch deutlicher. 62 Siehe zur Bedeutung des Austauschs von Geschenken Abels, What Has Weland to Do with Christ?, 550. Eine bislang nicht diskutierte mögliche Erklärung für Sigebehrts häufige Aufenthalte in North­ umbria könnte sein, dass dessen Vorgänger, Sigeberht Parvus, aus einer Nebenlinie der ostsächsi­ schen Königsfamilie stammte und der Nebenbuhler einige Zeit im northumbrischen Exil verbringen musste. Solche Verbindungen wären sicher durch die Thronbesteigung des ehemaligem Exilanten intensiviert worden. Der Glaubenswechsel würde dann in Essex als ein deutliches Signal des Bruchs mit der Politik des Vorgängers verstanden werden müssen. 63 HE III, 22 „[…] et facto cum suis consilio, cum exhortatione, fauentibus cunctis et adnuentibus fidei,baptizatus est cum eis a Finano episcopo in uilla regia […].“ von Padberg, Mission und Christia­ nisierung, 165 hat in dem Zusammenhang betont, dass die Entscheidung bei aller Beratung letztlich doch beim König gelegen habe. Ebenda, 169  f. „Der gesamte Ablauf der Ereignisse sowie der Umstand, daß das zuvor noch entsetzte Volk sich nun taufen ließ, belegen die selbst über den Voten der Stam­ mesversammlung stehende Bedeutung des Königs. Die Entwicklung hing offensichtlich von seinem Willen ab, weil sich gemäß der germanischen Sozialstruktur in seiner Person die säkularen und reli­ giösen Funktionen verbanden.“

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liches Verbot des polytheistischen Kultes, so wie es etwa Papst Gregor in Sardinien durchgesetzt und auch für Kent gefordert hatte, war unter diesen Umständen weder denk- noch umsetzbar. Verschiedene Beobachtungen über den Bericht des weiteren Verlaufs der ostsächsischen Religionsgeschichte bestätigen diese Einschätzung. Nach der Konversion des Königs konnte von der Peripherie des Reiches aus die Missionsarbeit in Essex beginnen. Zu diesem Zweck gründeten Cedd und seine Beglei­ ter Missionsstationen in küstennahen Orten wie Tilbury und Ythancaestir, um dort mit dem Aufbau eines einheimischen Klerus zu beginnen.64 Diese Gründungen waren auf königliche Schenkungen und königlichen Schutz angewiesen. Von hier aus konnte das ostsächsische Hinterland erschlossen werden. Cedd ging allerdings nach ersten Erfol­ gen seiner Arbeit nach Northumbria und wurde dort zum Bischof für Essex geweiht.65

64 HE III, 22 „At ille mittens ad prouinciam Mediterraneorum Anglorum clamauit ad se uirum Dei Cedd, et dato illi socio altero quodam presbytero, misit praedicare Verbum genti Orientalium Saxonum. […] fecit per loca ecclesias, presbyteros et diaconos ordinauit, qui se in uerbo fidei et ministerio baptizandi adiuuarent, maxime in ciuitate, quae lingua Saxonum Ythancaestir appellatur, sed et in illa, quae Tilaburg cognominatur […].“ Cedd war einer von vier Brüdern, die die Priesterweihe empfingen und in der Christianisierungsarbeit des 7. Jahrhunderts eine entscheidende Rolle spielten. Bevor Cedd nach Essex entsandt wurde, begleitete er den Sohn Pendas Paeda nach Mittelangeln, um dort nach der Taufe des Königs zu missionieren. Siehe zu Cedds missionarischen Tätigkeiten und seinen Kirchen­ gründungen in Essex Aston, Monasteries in the Landscape, 46, 55, Baker, Cultural Transition in the Chilterns and Essex Region, 127, Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 160, 164, Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597-c.700, 110, 125, 134, Farmer, Cedd, 73, Fletcher, The Barbarian Conversion, 167, Helliwell, South East Essex in the Saxon Period, 13, 17, Higham, The Convert Kings, 234  ff., 248, Kirby, The Earliest English Kings, 79  f, Lambert, Christians and Pagans, 215, 217  ff., Loyn, Essex, 577, Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 100, Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 132, 147  f., von Padberg, Die Inszenierung religiöser Konfrontatio­ nen, 61, 63, Rodwell, Ecclesiastical Sites and Structures in Essex, 120, Stenton, Anglo-Saxon England, 121, Yorke, The Kingdom of the East Saxons, 13. Von den Gründungen Cedds in Essex ist die Steinkirche von Ythancaestir (Bradwell-on-Sea) erhalten, vgl.: Mayr-Harting, The Coming of Christianity to AngloSaxon England, 100  f., Stenton, Anglo-Saxon England, 111. Nach Huggins, Excavations of a Belgic and Romano-British Farm with Middle Saxon Cemetery and Churches at Nazeingbury, 71 waren die anderen von Cedd errichteten Kirchen wohl aus Holz. 65 HE III, 22 „[…] contigit tempore quodam eundem Cedd redire domum, ac peruenire ad ecclesiam Lindisfaronensem propter conloquium Finani episcopi. Qui ubi prosperatum ei opus euangelii conperiit, fecit eum episcopum in gentem Orientalium Saxonum, uocatis ad se in ministerium ordinationis aliis duobus episcopis.“ Während Mellitus nach Canterbury orientiert war, ist der zweite Bischof von Essex also nach Norden, nach Lindisfarne hin ausgerichtet. Vgl.: Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 100. Dies erklärt sich nicht nur durch Cedds northumbrische Ausbildung, sondern auch dadurch, dass er nach Fletcher, The Barbarian Conversion, 167 wohl ein Angehöriger des dortigen Adels war. Neben den Gründungen in Essex erhielt Cedd auch Land bei Lastingham und errichtete dort, im northumbrischen Landesteil Deira, ein weiteres Kloster. Vgl. Ebenda, 168, 255. Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597-c.700, 110 kommentiert das dahingehend, dass Northumbria durch Cedds häufige Gegenwart in Deira „in effect“ zwei Bischöfe gehabt habe. Zu Cedds Wirken in Deira von Lastingham aus siehe Ebenda, 125. Helliwell, South East Essex in the Saxon Period, 13 liegt sicher falsch mit der Behauptung, Cedd sei bereits 654 Bischof von London



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Allen Fortschritten in der Mission zum Trotz kam es zu Auseinandersetzungen um den eingeschlagenen religionspolitischen Kurs. Sigebehrt, so berichtet wiederum Beda, fiel diesen Auseinandersetzungen zum Opfer, als er „durch die Hand seiner Verwandten umgebracht wurde.“66 Der Grund für den Mord sei die Bereitschaft des Königs gewesen, seine Feinde zu schonen und ihnen ihre Verbrechen zu vergeben.67 Sicher weist Beda Sigebehrt an dieser Stelle Tugenden eines idealen christlichen Herr­ schers zu. Nimmt man jedoch die Ermordung als Fakt hin, so bleibt eine Auseinander­ setzung, die mit der Niederlage und dem Tod des Königs endete. Wallace-Hadrill sieht in dieser Stelle einen Hinweis auf „pagan conservatism; it was no business of a king to pardon his enemies merely because he was Christian. Vengeance should be taken.“68 Da Bedas Kirchengeschichte die einzige Quelle für den Tod Sigeberhts ist, gibt es keine Vergleichsmöglichkeiten, und der Wahrheitsgehalt der Erzählung kann nicht ermittelt werden. Für die Zeitgenossen war es sicher erklärungsbedürftig, dass ein König, der doch offenbar den Anforderungen an ein gerechtes, christliches Herrsch­ erleben genügte, dennoch von der Hand seiner Feinde sterben durfte. Sollte die Hin­ wendung zum Gott der Christen doch eigentlich neben dem ewigen Heil auch irdi­ schen Erfolg bringen. Beda löst dieses Problem, indem er von einer Verfehlung des Königs berichtet. Dieser habe Umgang mit einem seiner späteren Mörder gepflegt, als dieser von Bischof Cedd wegen einer nicht kanonischen Ehe exkommuniziert worden war. Der König habe den Exkommunizierten in dessen Haus besucht und von dessen Speisen gegessen. Zwar habe sich der König in einer Konfrontation mit dem Bischof als reuiger Sünder erwiesen, doch war der Tod von der Hand des Gastgebers in Bedas Darstellung die Sühne für die Missachtung des bischöflichen Gebots, sich von dem Exkommunizierten fernzuhalten.69 Nach dem Tod Sigebehrts wurde Swithelm König. geworden. Cedds Arbeit als Bischof war nicht mit einem bestimmten Ort, sondern mit dem Stammes­ territorium der Ostsachsen verbunden. Cedds Art das Bischofsamt auszuüben und eine monastische Lebensweise zu verfolgen, macht ihn zu einem Bindeglied zwischen der römischen Kirche des Südens und der irischen Tradition Northumbrias. Siehe dazu Farmer, Cedd, 73, Higham, The Convert Kings, 237, Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 101, Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 147. 66 HE III, 22 „[…] propinquorum suorum manu interfecti.“ 67 Ebenda. „qui [die Mörder J.L.] cum interrogarentur, quare hoc facerent, nil aliud respondere potuerunt, nisi ob hoc se iratos fuisse et inimicos regi, quod ille nimium suis parcere soleret inimicis, et factas ab eis iniurias mox obsecrantibus placida mente dimitteret.“ 68 Wallace-Hadrill, Bede’s Ecclesiastical History of the English People, 119. Higham, The Convert Kings, 249 sieht einen Zusammenhang zwischen der Ermordung Sigebehrts und dem Machtverlust Oswius. 69 HE III, 22 „In qua tamen eius morte innoxia, iuxta praedictum uiri Dei, uera est eius culpa punita. Habuerat enim unus ex his, qui eum occiderunt, comitibus inlicitum coniugium; quod cum episcopus prohibere et corrigere non posset, excommunicauit eum atque omnibus, qui se audire uellet, praecepit, ne domum eius intrarent neque de cibis illius acciperent. Contemsit autem rex praeceptum, et rogatus a comite intrauit epulaturus domum eius. Qui cum abisset, obuiauit ei antistes; at rex intuens eum, mox tremefactus desiluit equo ceciditque ante pedes eius, ueniam reatus postulans. Nam et episcopus pariter desiluit; sederat enim et ipse in equo. Iratus autem tetigit regem iacentem uirga, quam tenebat

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Der ließ sich von Bischof Cedd taufen, wobei der ostanglische König Æthelwold als Taufpate fungierte.70 Da Patenschaften zwischen Königen seit Æthelberht und Sæberth Ausdruck politischer Abhängigkeitsverhältnisse waren, kann davon ausge­ gangen werden, dass die beschriebene Konstellation der Ausdruck eines erneuten Wechsels der Oberherrschaft war.71 Auch Swithelms Taufe steht so, wie die der vor­ herigen christlichen Könige von Essex, in einem engen Zusammenhang mit der Aner­ kennung der Oberherrschaft eines mächtigen Nachbarn. Aus den hier wiedergegebenen Nachrichten über die Regierungszeit Sigeberhts können Rückschlüsse auf den Status von Heiden in der ostsächsischen Gesellschaft gezogen werden. Sollte Bedas Bericht über die Hintergründe der Ermordung des Königs ein wahrer Kern zugrunde liegen, würde dies zweierlei bedeuten. Erstens dass es in der ostsächsischen Elite auch nach der Konversion des Königs Widerstand gegen dessen religionspolitischen Kurs gab. Zweitens zeigt die Ge­ schichte, dass jemand, der gegen christliche Gebote verstieß, zwar mit kirchlichen Sanktionen, nicht jedoch mit weltlicher Verfolgung rechnen musste. Der Bischof habe lediglich die Macht gehabt, den in sündhafter Verbindung lebenden Verwandten des Königs zu exkommunizieren. Aus der Gemeinschaft mit dem König, und damit wohl auch anderen Großen, schloss dieser Status den Gestraften indes nicht aus. Es muss jedoch noch einmal betont werden, dass Bedas Bericht aus den erwähnten Gründen mit Vorsicht zu lesen ist. Sicherer ist die Feststellung, dass Sigeberhts Nachfolger Swithelm, von dessen Taufe in Rendlesham wir erfahren, zumindest für einige Zeit nach der Taufe Sigeberhts noch ungetauft und somit ein Heide gewesen sein muss. Ob er erst nach seinem Herr­ schaftsantritt getauft wurde, oder ob er bereits unter Sigeberht zum Nachfolger aufge­ baut und noch zu Lebzeiten des alten Königs getauft wurde, ist nicht feststellbar. So oder so muss es aber auch nach der Konversion Sigebehrts, zumindest für einige Zeit, manu, et pontificali auctoritate protestatus, „Dico tibi“, inquit „quia noluisti te continere a domo perditi et damnati illius, tu ipsa domo mori habes.“ Zum Hintergrund von Sigeberhts Tod siehe Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597-c.700, 136  f., Gameson, Augustine of Canterbury, 26, Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 101, 321, von Padberg, Mission und Christianisierung, 262  f. 70 HE III, 22 „Successit autem Sigbercto in regnum Suidhelm, filius Sexbaldi, qui baptizatus est ab ipso Cedde in prouincia Orientalium Anglorum, in uico regio qui dicitur Rendlaesham, id est mansio Rendili; suscepit eum ascendentem de fonte sancto Aediluald rex ipsius gentis Orientalium Anglorum, frater Anna regis eorundem.“ Zum unklaren Platz Swithelms in der ostsächsischen Königsfamilie siehe Yorke, The Kingdom of the East Saxons, 18  f. 71 Higham, The Convert Kings, 249 und Kirby, The Earliest English Kings, 83 stellen die Taufe Swit­ helms in den Zusammenhang einer Ausweitung des ostanglischen Einflussbereichs nach Essex nach dem Tode König Sigeberhts. Yorke, The Kingdom of the East Saxons, 32 verweist zwar ebenfalls auf den offensichtlichen Einfluss, den der ostanglische König Æthelwold über Swithelm ausübte, stellt jedoch zu Recht fest, dass die genaue politische Bedeutung im Dunkeln bleibt, da das Taufdatum nicht bekannt ist. Der Umstand, dass der Northumbrier Cedd Bischof bleibt und die Taufe spendet, wird von Yorke als ein Hinweis auf fortdauernden northumbrischen Einfluss auf Essex interpretiert.



Konfrontation und Versuche der Behauptung der heidnischen Lebensweise 

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noch Heiden unter der ostsächsischen Oberschicht, ja sogar in der königlichen Familie gegeben haben. Trotz des offiziellen Glaubenswechsels war die Koexistenz von Chris­ ten und Heiden in einem Reich offensichtlich denkbar. Dies wird durch Bedas Bericht über die Hintergründe von Sigeberhts Ermordung auf jeden Fall verdeutlicht. Denn wenn die Ereignisse selbst vielleicht nie so stattgefunden haben, so ist die Geschichte in den Augen der Zeitgenossen sicher plausibel gewesen. Der Umstand, dass der König hin- und hergerissen war zwischen der Pflege seiner verwandtschaftlichen Beziehun­ gen und der Loyalität zu Bischof Cedd als Vertreter des neuen Glaubens, verdeutlicht die Loyalitätskonflikte, die mit dem Glaubenswechsel einhergehen konnten.72 Aufgrund der disparaten Quellenlage ist die genaue Chronologie für die Herr­ schaftszeiten ostsächsischer Könige im 7. Jahrhundert nicht rekonstruierbar. Als Swit­ helms Nachfolger werden Sæbbi und Sighere genannt.73 Die politische Vorherrschaft über Essex war zu dieser Zeit wiederum auf einen anderen mächtigen Nachbarn, Mercia, übergegangen. Wie schon die Abhängigkeit von Kent, Northumbria und East Anglia, sollte auch diese Verbindung eine wichtige Rolle für die Religionsgeschichte von Essex spielen. Zunächst ist festzustellen, dass nach einer Reihe von Einzelkönigen wieder eine Herrschaftsteilung eingetreten war – welchem Teil des ostsächsischen Territoriums Sighere und welchem Teilgebiet Sæbbi vorstand, ist nicht genau ermittelbar.74 Die große Seuche von 664 führte in Essex zu einem teilweisen Rückfall zu einem offen ausgeführten heidnischen Kult. Beda berichtet, Sighere sei mit seinem Teil des Volkes zum heidnischen Kult zurückgekehrt, da sie sich von den alten Göttern den Schutz vor der Krankheit erhofften, den der neue Christengott nicht imstande schien zu bieten.75 Aus dem Bericht wird nicht ganz klar, ob die alten Tempel vorher 72 Vgl. von Padberg, Odin oder Christus?, bes. 272  f., Ders., Die Inszenierung religiöser Konfrontatio­ nen, 123  f., Ders., Die Christianisierung Europas im Mittelalter, 95  f. 73 HE III, 30 „Eodem tempore prouinciae Orientalium Saxonum post Suidhelmum, de quo supra diximus, praefuere reges Sigheri et Sebbi, quamuis ipsi regi Merciorum Uulfherae subiecti.“ Siehe Yorke, The Kingdom of the East Saxons, 17. 74 Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597-c.700, 125 weist darauf hin, dass Beda in sei­ nem Bericht über Cedds missionarische Tätigkeit in Essex mit keinem Wort auf London eingeht. Dar­ aus leitet sie eine Zweiteilung des ostsächsischen Reiches zwischen dem eigentlichen Essex einerseits und den Gebieten Middlesex, Herfortshire, Surrey und London auf der anderen her. Dunn schlägt vor, dass Sighere in den „Middle Saxon areas and London […] now a region where Christianity was weak“ König war und der Rückfall diese Gebiete betraf. Dieser Vorschlag ist plausibel, zumal diese Gebiete im Verlauf des 8. Jahrhunderts von Essex abgetrennt und Teil Mercias wurden. Die merzische Mission Jarumans könnte so als Anzeichen eines schon längere Zeit bestehenden merzischen Interesses an der Region sein. Zum merzischen Einfluss in diesem Zusammenhang vgl. Higham, The Convert Kings, 249, Kirby, The Earliest English Kings, 95, Lambert, Christians and Pagans, 230, Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 148, von Padberg, Die Inszenierung religiöser Konfrontationen, 285, Yorke, The Kingdom of the East Saxons, 33. 75 HE III, 30 „Quiae uidelicet prouincia cum praefatae mortalitatis clade premeretur, Sigheri cum sua parte populi, relictis Christianae fidei sacramentis, ad apostasiam conuersus est. Nam et ipse rex et

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lediglich vernachlässigt oder ganz verlassen worden waren. Die Formulierung „fana, quae derelicta erant“ legt zwar die zweite Möglichkeit nahe, lässt aber beide Schlüsse zu. Über den gesellschaftlichen Hintergrund dieses Rückfalls kann nur spekuliert werden. Die Möglichkeiten reichen von einer religionspolitischen Polarisierung der ostsächsischen Gesellschaft mit Sighere als König, der die Gelegenheit nutzte, um sich an die Spitze der heidnischen Fraktion zu stellen und so seinen eigenen Anspruch, womöglich auch merzischem Hegemonialstreben gegenüber, zu stärken, bis hin zu einer temporär begrenzten, aus Todesfurcht resultierenden, Reaktivierung heidnisch-kultischen Wissens durch Neuchristen, die sich in einer Extremsituation als im Glauben noch nicht gefestigt erwiesen.76 Welche Deutung auch immer näher an der historischen Wirklichkeit liegen mag, es steht fest, dass Sighere der letzte heid­ nische König in Essex war und dass in Sigheres Essex zum letzten Mal, wenn auch nur für einen kurzen Zeitraum, heidnische Vorstellungen einen entscheidenden Einfluss auf die ostsächsische Politik nehmen konnten. Der merzische König Wulfhere reagierte auf den Glaubensabfall eines Teils der Ost­ sachsen, indem er den Bischof Jaruman zur Remissionierung nach Essex entsandte. Dieser scheint Erfolg gehabt zu haben, jedenfalls berichtet Beda, er habe von einem der damaligen Begleiter Jarumans erfahren, dass die vorher reaktivierten heidnischen Tempel und Altäre nun abgerissen worden seien und dass an deren Stelle Kirchen errichtet wurden.77 Jaruman war ohne eine große militärische Bedeckung unterwegs. Dennoch kann das Machtargument als Erklärung für seinen Erfolg nicht ausgeschlos­ plurimi de plebe siue optimatibus, diligentes hanc uitam et futuram non quaerentes, siue etiam non esse credentes, coeperunt fana, quae derelicta erant, restaurare, et adorare simulacra, quasi per haec possent a mortalitate defendi.“ 76 In diesem Zusammenhang wird die auch nach der Christianisierung bedeutende Verantwortung des Königs als Kultführer, die er für das irdische Wohlergehen seines Volkes zu tragen hatte, deutlich. Vgl. Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 160, 168, von Padberg, Mission und Christia­ nisierung, 250. Dass sich eine erst vor kurzer Zeit bekehrte Gesellschaft in einer Krisensituation vom Christengott wieder abwendet, ist in der Geschichte der christlichen Mission mehrmals vorgekom­ men. Die Deutungsmuster reichen dabei von einer vermeintlich offenbar werdenden Unterlegenheit des neuen Gottes gegenüber den alten Göttern bis hin zur Rache der alten Götter als Auslöser der ge­ genwärtigen Krise. Vgl. Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597-c.700, 124, Higham, The Convert Kings, 38, Lambert, Christians and Pagans, 230, von Padberg, Mission und Christianisierung, 301  f., Ders., Odin oder Christus?, 261. Higham, The Convert Kings, 38 bleibt zwar vage, deutet aber die Möglichkeit an, dass die religiöse Zweiteilung von Essex nach Sigheres Rückfall durchaus einen politischen Hintergrund gehabt haben könnte. 77 HE III, 30 „Quod ubi rex Uulfheri conperit, fidem uidelicet prouinciae ex parte profanatam, misit ad corrgendum errorem reuocandamque ad fidem ueritatis prouinciam Iaruman episcopum, qui successor erat Trumheri. Qui multa agens sollertia, iuxta quod mihi presbyter, qui comes itineris illi et cooperator Verbi extiterat, referebat, erat enim religiosus et bonus uir, longe lateque omnia peruagatus, et populum et regem praefatum ad uiam iustitiae reduxit; adeo ut relictis siue destructis fanis arisque, quas fecerant, aperirent ecclesias, ac nomen Christi […].“ Siehe ebenfalls zu diesen Vorgängen Wallace-Hadrill, Bede’s Ecclesiastical History of the English People, 135 und Vollrath, Königsgedanke und Königtum bei den Angelsachsen, 108  f.



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sen werden. Schließlich handelte der Bischof im Auftrag des Königs von Mercia und Sighere wird daran erinnert worden sein, dass die Pest nicht die einzige Gefahr war, die einem Kleinkönig drohte, wenn sich dieser dem Willen Wulfheres widersetzte.

3.4 Marginalisierung der Polytheisten Aus Essex ist kein Gesetzestext überliefert, der Auskunft über den rechtlichen Status von Polytheisten in der Gesellschaft des Königreiches geben würde. Es ist jedoch möglich festzustellen, unter welchen Bedingungen das Einsetzen einer rechtliche Ächtung von Nichtchristen anzunehmen ist. Die Voraussetzungen hierfür sind zum einen die Etablierung eines christlichen Herrscherethos, der die Verfolgung von Glau­ bensabtrünnigen, ob es sich dabei um Heiden oder Häretiker handelte, zur Herrscher­ pflicht erhob78 und zum anderen die christliche Durchdringung zumindest der ost­ sächsischen Eliten, da diese Bevölkerungsgruppe bei der Rechtsfindung eine Rolle spielte, und die Durchsetzung von Normen auf die Möglichkeiten lokaler Machtaus­ übung angewiesen war. Für die Untersuchung des Herrscherethos liefert die bisherige Hauptquelle, Bedas Kirchengeschichte des englischen Volkes, gute Hinweise. Diese können durch Urkunden ergänzt werden. Zur Untersuchung des Fortgangs der Christianisierung des Volkes ist es notwendig, die Ergebnisse der Archäologie heranzuziehen. So kann nach­ vollzogen werden, wie und wann sich ein immer dichter werdendes Netz kirchlicher Organisation über das Land legte. Von diesen monasteria ging die Mission im Landes­ inneren aus. Im Gegensatz zu Kent sind für Essex keine Grabanlagen oder Grabbei­ gaben überliefert, die Rückschlüsse über ein Fortbestehen heidnischer Lebensweise über den Zeitpunkt der offiziellen Konversion hinaus zulassen würden.79 Nach der Mission Jarumans ist die erste Nachricht über Essex der Bericht über die letzten Tage und den Tod König Sæbbis. Beda berichtet, der König sei ein frommer Mann gewesen, dem die Bischofswürde besser als die Königswürde gestanden habe

78 Seit der Spätantike war die Verfolgung von Magie und „Glaubensverbrechen“ eine der vordring­ lichsten Pflichten eines christlichen Herrschers. Vgl. Zeddies, Religio et Sacrilegium, 26  ff., 114  ff., 350. Da sich die angelsächsischen Könige mit der Konversion und der Annahme des römischen Christen­ tums in eine spätantike Tradition stellen wollten, mussten sie sich auch in dieser Hinsicht den Erwar­ tungen genügen. 79 Helliwell, South East Essex in the Saxon Period, 15 schreibt zwar, dass heidnische Gräber an tradi­ tio­nellen Orten abseits der Siedlungen, die zudem Waffenbeigaben enthielten, bis in die Mitte des 8. Jahrhunderts hinein auftraten, doch ist es gefährlich, Grabfunde aufgrund der Orientierung des Grabes oder der An- oder Abwesenheit von Grabbeigaben als „heidnisch“ oder „christlich“ zu be­ zeichnen. Es fehlt das Wissen um zeitgenössische Normen für religiös eindeutig zuschreibbare Bestat­ tungen. Siehe zu diesem Problembereich Arnold, An Archaeology of the Early Anglo-Saxon Kingdoms, 165  ff., Burnell & James, The Archaeology of Conversion on the Continent in the Sixth and Seventh Centuries, 84  f., 87.

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und dass es dem Einfluss von Sæbbis Frau zu verdanken gewesen sei, dass ihr Mann sein Amt nicht vorzeitig aufgegeben habe.80 Erst als sein Tod nahte, habe sich Sæbbi nach London begeben, sei Mönch geworden und habe schließlich vor seinem Tod eine Vision gehabt. Nach seinem Tod sei der König in St. Paul in einem Steinsarko­ phag bestattet worden.81 Sæbbi regierte von ca. 663/64 bis ca. 693/94.82 Der nächste König, von dem mehr als der Name überliefert ist, ist Sigheres Sohn Offa. Dieser soll ebenfalls aus religiösen Gründen die Königswürde aufgegeben haben, um zusammen mit Cenred, dem König von Mercia, nach Rom zu gehen und als Mönch zu leben.83 Die Funktion der Geschichten um heilige Männer unter den Angehörigen der ost­ sächsischen Königsfamilie war es zum einen, den Lesern ein Beispiel christlicher Frömmigkeit zu geben und zum anderen, nach der Hinwendung zum Christentum ein neues religiöses Charisma für die Familie aufzubauen. Dass Beda bereits zu Beginn des 8. Jahrhunderts auf entsprechendes Material zurückgreifen konnte, deutet darauf hin, dass diese Berichte bereits gegen Ende des 7. Jahrhunderts als wichtig angesehen und tradiert wurden. Legt man Barbara Yorkes Daten für die ostsächsische Königs­ 80 HE IV 11 „Eo tempore praeerat regno Orientalium Saxonum, ut idem etiam libellus docet, uir multum Deo deuotus nomine Sebbi […]. Erat enim religiosis actibus, crebris precibus, piis elemosynarum fructibus plurimum intentus, uitam priuatam et monachiam cunctis regni diuitiis et honoribus praeferens, quam et olim iam, si non obstinatus coniugis animus diuortium negaret, relicto regno subisset.“ 81 HE IV 11 „Quod dum egre inpetraret ab ea, uenit ad antistitem Lundoniae ciuitatis, uocabulo Ualdheri, qui Erconualdo successerat, et per eius benedictionem habitum religionis, quam diu desiderabat, accepit. […] non multo post idem uir Dei, cum membra sopori dedisset, uidit uisionem consolatoriam, quae omnem ei anxietatem memoratae sollicitudinis aufferret, insuper et, qua die esset hanc uitam terminaturus, ostenderet. […] Cuius corpori tumulando praeparauerant sarcofagum lapideum; […] Conditus est autem in ecclesia beati doctoris gentium, cuius edoctus monitis caelestia sperare didicerat.“ Den Bericht über Sæbbis Frömmigkeit und die Wunder, die sich unmittelbar vor und nach seinem Tod ereigneten, hat Beda wohl aus dem libellus von Barking übernommen. Siehe dazu Wallace-Hadrill, Bede’s Ecclesiastical History of the English People, 147 und Yorke, The Kingdom of the East Saxons, 20. 82 Vgl. Farmer, Sebbi, 353, Yorke, The Kingdom of the East Saxons, 17. 83 HE V, 19 „Anno autem imperii Osredi quarto, Coinred, qui regno Merciorum nobilissime tempore aliquanto praefuerat, nobilius multo regni sceptra reliquit. Nam uenit Romam, ibique adtonsus […] ac monachus factus, ad limina apostolorum in precibus, ieiuniis et elemosynis usque ad diem permansit ultium […]. Venit autem cum illo et filius Sigheri regis Orientalium Saxonum, cuius supra meminimus, uocabulo Offa, iuuenis amantissimae aetatis et uenustatis, totaque suae genti ad tenenda seruandaque regni sceptra exoptatissimus.“ Häufige Thronentsagungen von Königen der Bekehrungszeit sind ein einzigartiges angelsächsisches Phänomen. Aus der Zeit zwischen 685 und 726 sind zwölf derartige Fälle bekannt. Siehe dazu vor allem von Padberg, Mission und Christianisierung, 263  ff. Als Grund für das Auftreten dieses Phänomens wird der Einfluss der irischen Kirche und Wilfrids Kontakt zu vielen angelsächsischen Herrschern seiner Zeit genannt. Der Verzicht auf weltliche Macht und die Pilgerfahrt nach Rom ist als Hinweis auf die tiefe Glaubensüberzeugung der so handelnden Könige zu sehen. Bestätigend Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 152. Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597-c.700, 113 und Farmer, Offa of Essex, 299  f. übersehen die Dimension persön­ licher Frömmigkeit wenn sie demgegenüber spekulieren, ob hinter manchen dieser Thronverzichte dynastische Auseinandersetzungen standen und dementsprechend der ein oder andere König sein Amt nicht ganz freiwillig niederlegte.



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genealogie zugrunde, kann die Tradition um die Wunder vor und nach dem Tod Sæbbis frühestens 694 eingesetzt haben. Das Datum der Abdankung Offas wird mit 709 angegeben.84 Die Berichte über Sæbbi und Offa sind Ausdruck eines christlichen Selbstverständnisses des ostsächsischen Königtums am Übergang vom 7. zum 8. Jahr­ hundert. Eine der Voraussetzungen für eine herrschaftliche Verfolgung des Heiden­ tums in Essex war damit bereits wenige Jahrzehnte nach Sigheres heidnischem Rück­ fall erfüllt. Für das 7. Jahrhundert sind drei Wellen von Kirchengründungen in Essex histo­ risch nachvollziehbar. Die erste belegte Gründung ist St. Paul in London zu Lebzeiten Æthelberhts und Sæberhts zu Beginn des Jahrhunderts. Von Cedd wird berichtet, er habe während seiner Tätigkeit ab 653 viele Kirchen errichtet, davon sind die in Ythan­ caestir (Bradwell-On-Sea)85 und Tilaburg (Tilbury) namentlich genannt.86 Die von Cedd gegründeten Kirchen dienten der Ausbildung eines einheimischen Klerus und als Ausgangsbasen für die Mission im Landesinneren. Nach dem heidnischen Rück­ fall Sigheres und der darauf folgenden Missionsarbeit Bischof Jarumans, scheint es zu verstärkten Anstrengungen bei der Christianisierung der Ostsachsen gekommen zu sein. Jedenfalls datiert die Urkunde für die Gründungsschenkung des Doppelklos­ ters von Barking aus dem Jahr 666.87 Barking wurde von Earconwald, von etwa 675 an Bischof der Ostsachsen, für seine Schwester Æthelburga gegründet.88 Barking wurde schnell zu der reichsten kirchlichen Gemeinschaft in Essex. Aus den Jahren zwischen 666 bis 687 sind allein acht Schenkungsurkunden für Barking bekannt.89 Unter den königlichen Gönnern waren neben dem Ostsachsen Suidfrid auch Wulf­ here von Mercia, Cwoengith, möglicherweise die Ehefrau Wihtreds von Kent, Æthel­ red von Mercia und Cædwalla von Wessex. Interessant sind zwei Urkunden von 687, 84 Vgl. Yorke, The Kingdom of the East Saxons, 17. 85 In Bradwell ist eine Steinkirche aus dem 7. Jahrhundert erhalten. Vgl. Webster, The Making of England, 185. 86 HE III, 22 „[…] fecit per loca ecclesias […] maxime in ciuitate, quae lingua Saxonum Ythancaestir appellatur, sed et in illa, quae Tilaburg cognominatur […].“ 87 Vgl. Hart, The Early Charters of Essex, 9, Ders., The Early Charters of Eastern England, 141  f. 88 HE IV, 6 „Hic sane, priusquam episcopus factus esset, duo praeclara monasteria, unum sibi alterum sorori suae Aedilburgae, construxerat, quod utrumque regularibus discliplinis optime instituerat: sibi quidem in regione Sudergeona iuxta fluuium Tamensem in loco, qui uocatur Cerotaesei, id est Ceroti insula, sorori autem in Orientalium Saxonum prouincia in loco, qui nuncupatur Inberecingum, in quo ipsa Deo deuotarum mater ac nutrix posset existere feminarum.“ Vgl. Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597-c.700, 183, Farmer, Erkenwald, 134, Fletcher, The Barbarian Conversion, 183, Hug­ gins, Excavations of a Belgic and Romano-British Farm with Middle Saxon Cemetery and Churches at Nazeingbury, 53  ff., Lambert, Christians and Pagans, 247, von Padberg, Mission und Christianisierung, 86. Fletcher, The Barbarian Conversion, 162 weist darauf hin, dass Earconwalds Name und einige For­ mulierungen in seinen Urkunden auf einen fränkischen Einfluss der Familie des Bischofs schließen lassen. Kirby, The Earliest English Kings, 83 nimmt eine eine kentische Abstammung, womöglich sogar aus der kentischen Königsfamilie an. 89 Vgl. Hart, The Early Charters of Eastern England, 141  ff.

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die Schenkungen eines gewissen Hodilred an Barking dokumentieren.90 Hodilred scheint ein Mitglied einer Nebenlinie der königlichen Familie von Essex gewesen zu sein. Da über Hodilred sonst nichts bekannt ist, können Schlussfolgerungen nur mit äußerster Vorsicht gezogen werden, doch markieren seine Schenkungen die früheste nachweisbare Unterstützung für die Kirche durch die ostsächsische Oberschicht. Die Abwesenheit, mit dieser möglichen Ausnahme, von Hinweisen auf Stifter aus dem Adel lässt sich so deuten, dass es in Essex neben dem König keine Großgrund­ besitzer mit weit verstreuten Gütern gab. So weist das Domesday Buch keine Gutsbe­ sitzer mit mehr als einem Gut aus. Lediglich der königliche Besitz erstreckte sich über das ganze Land.91 Neben den Urkunden hat auch die Archäologie eindrückliche Hinweise auf den Reichtum Barkings erbracht.92 Der Ring früher Missionsstationen um Essex wird nach Westen hin durch Waltham Abbey, Nazeingbury und in Surrey durch Chertsey kom­ plettiert. Der Name Waltham weist auf königliches Gut in einer bewaldeten Gegend hin.93 Ausgrabungen unter der gegenwärtigen Kirche haben Reste einer Reihe von Vorgängerbauwerken zu Tage gefördert. Die früheste Konstruktion in dieser Reihe war eine Holzkirche. Ein mit diesem ersten nachweisbaren Gebäude assoziiertes Grab konnte durch Radiokarbondatierung auf einen Zeitraum zwischen 590 und 690 datiert werden.94 Huggins weist ausdrücklich auf die Möglichkeit eines noch frühe­ ren, archäologisch nicht mehr nachweisbaren Vorläufers der Holzkirche hin.95 Ausgrabungen auf dem Friedhof von Nazeingbury, etwa 6  Kilometer nordwest­ lich von Waltham gelegen, haben ebenfalls Reste zweier zeitlich aufeinander folgen­ der Holzkirchen nachweisen können.96 Die frühere dieser Kirchen stammt aus der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts oder spätestens aus dem frühen 8. Jahrhundert.97 Die Analyse der Skelettfunde und ihre Interpretation haben zu dem Schluss geführt, dass Nazeingbury der Friedhof einer religiösen Frauengemeinschaft war, die sich um kranke und behinderte Menschen kümmerte.98 Als Gründer dieser Gemeinschaft kommen für Huggins entweder Cedd oder Bischof Earconwald in Frage.99 Chertsey

90 Vgl. Ebenda, 144  f. 91 Vgl. Rippon, Essex c. 700–1066, 125. 92 Vgl. Ebenda, 122, Webster, The Making of England, 88  ff. 93 Vgl. Huggins, Excavations at Waltham Abbey, 286  f., Rippon, Essex c. 700–1066, 121. 94 Vgl. Huggins, Excavations at Waltham Abbey, 282  ff., 290, 334. 95 Vgl. Ebenda, 305, 326. 96 Vgl. Huggins, Excavations of a Belgic and Romano-British Farm with Middle Saxon Cemetery and Churches at Nazeingbury, 29. 97 Vgl. Ebenda, 75. Siehe ebenfalls Aston, Monasteries in the Landscape, 51 „At Nazeingbury (Essex) a Middle Saxon cemetery was found associated with two probable timber-built churches. Radiocarbon dating from two of the skeletons produced dates centring on 670 and 830.“ 98 Vgl. Ebenda, 53, 56, 63. 99 Vgl. Huggins, Excavations of a Belgic and Romano-British Farm with Middle Saxon Cemetery and Churches at Nazeingbury, 53.



Zusammenfassung 

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wurde 666 als Schwesterabtei von Barking ebenfalls von Earconwald gegründet.100 Von diesen auf Königsland gelegenen monasteria ging die Mission im Hinterland von Essex aus. Es kann festgestellt werden, dass für das ostsächsische Königtum spätestens um die Wende zum 8.  Jahrhundert die Verinnerlichung einer christlichen Herrschafts­ ideologie anzunehmen ist. Die damit verbundenen Vorstellungen von den Pflichten eines christlichen Herrschers werden die Tolerierung des polytheistischen Kultes, wie sie zu Lebzeiten Sæberhts stattfand, unmöglich gemacht haben. Doch nicht nur die königliche Familie und ihr Umfeld wurden christlich. Seit den 660er Jahren arbeite­ ten immer mehr Bauern direkt auf Kirchenland und wurden sicher auch missioniert. Auf Königsgütern wurden an strategisch gut gelegenen Punkten, etwa entlang der Themse und der Küste im Gebiet von Flussmündungen, monasteria als Missions­ stationen angelegt, um das Hinterland für den christlichen Glauben zu erschließen. Dort wurden auch Ostsachsen christlich unterwiesen und zu Glaubensboten bei ihren Landsleuten. Über die Methoden von Mission und Christianisierung in Essex sind keine Berichte überliefert, doch waren dem archäologischen Befund nach nicht nur Herrschaft, Grundbesitz und Predigt Mittel zur Verbreitung des Glaubens. Wie in Nazeingbury übten die Mitglieder religiöser Gemeinschaften Dienst an Bedürftigen und Schwachen. Diese gelebte caritas dürfte ebenfalls Menschen zur Hinwendung zum Christentum bewogen haben.101 Gegen Ende des Jahrhunderts ist daher von einer, zumindest in den oberen Schich­ ten, christlichen Gesellschaft auszugehen. Die Menschen hatten eine christ­liche Men­ talität und ein damit verbundenes christliches Rechtsbewusstsein entwickelt. Die zwei Voraussetzungen für eine Inkriminierung polytheistischer Kulthandlun­ gen waren daher zu diesem Zeitpunkt erfüllt.

3.5 Zusammenfassung In der Entwicklung des rechtlichen und gesellschaftlichen Status von Heiden in der ostsächsischen Gesellschaft lassen sich im Verlauf des 7. Jahrhunderts insgesamt fünf Phasen unterscheiden: 1. Für die Zeit von der Konversion Sæberhts bis zu dessen Tod um das Jahr 616 ist nicht von einer rechtlichen Einschränkung im polytheistischen Kultvollzug aus­ zugehen. Dennoch gibt es Hinweise auf eine mögliche Bevorzugung von Christen. Diese Entwicklung stand in einem Zusammenhang mit der Hegemonialstellung 100 Vgl. Aston, Monasteries in the Landscape, 59. Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597-c.700, 130, Fletcher, The Barbarian Conversion, 172, 178. 101 Zur Bedeutung der praktischen Sozialfürsorge für die Hinwendung zum Christentum in Spät­ antike und Mittelalter siehe von Padberg, Mission und Christianisierung, 267  ff.

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des kentischen Königs Æthelberht. Seine Gründung von St. Paul in London, dem Hauptort von Essex, war unter anderem eine Machtdemonstration. Kentischer Einfluss und christliche Mission waren miteinander verbunden. Trotz der Taufe des Königs blieben seine Söhne indes ungetauft, und es ist auch abseits der königlichen Familie von einem Fortdauern der traditionellen poly­ theis­ti­schen Mentalität auszugehen. Unter den Nachfolgern Sæberhts wurde mit dem kentischen Einfluss auch das Christentum, oder genauer die Strukturen der christlichen Kirche in Essex, wieder zurückgedrängt. Der traditionelle Polytheismus war bis 653 die Religion der ostsächsischen Könige und der Bevölkerung. Die Teilnahme am Kult war die erwartete Norm. Auch nachdem sich König Sigebehrt II. 653 unter dem Einfluss Oswius von North­ umbria zur Annahme des Christentums entschieden hatte, muss es in der ost­ sächsischen Oberschicht und sogar in der königlichen Familie für einige Zeit Heiden gegeben haben. Dies führte zu teilweise auch gewaltsam ausgetragenen Konflikten: Wallace-Hadrill deutete Bedas Bericht über die Ermordung Sigebehrts als einen Hinweis auf heidnischen Widerstand. Folgt man dieser Deutung, muss es unter Sigebehrt ein Gefühl der Bedrohung unter den Anhängern des Polytheis­ mus gegeben haben. Die genauen Hintergründe des Vorgangs sind aufgrund der lückenhaften Quellenlage nicht zu rekonstruieren. Verstöße gegen kirchliche Vorschriften wurden durch kirchliche Maßnahmen, wie etwa die Exkommunikation, geahndet. Weltliche Machtmittel kamen nicht zum Einsatz. Es bleibt festzustellen, dass Essex eine religiös zweigeteilte Gesell­ schaft war, mit allen Loyalitätskonflikten, die dieser Zustand in frühmittelalterli­ chen Gesellschaften mit sich brachte. Die Seuche von 664 führte zu einer Rückorientierung zum heidnischen Kult durch König Sighere und seinen Teil von Essex. Es ist möglich, jedoch nicht sicher, dass Sigheres Entscheidung nicht bloß mit religiösen Nützlichkeitserwägungen, sondern auch mit dem Wunsch nach politisch-religiöser Profilbildung zusam­ menhing. Die Wiedereinführung des Christentums in Sigheres Machtbereich ist als Ausdruck der Vormachtstellung Wulfheres von Mercia zu sehen. Mit dem Erfolg der merzischen Mission Jarumans endete das Kapitel heidnischer Könige von Essex endgültig. Hinweise auf die Ausbildung eines christlichen Herrscherethos und einer immer stärker werdenden christlichen Durchdringung von Essex führen zu dem Schluss, dass um die Wende vom 7. zum 8. Jahrhundert die Voraussetzungen dafür gegeben waren, dass ein christliches Königtum, das von einer christlich orientierten Ober­ schicht getragen wurde, die fortgesetzte Existenz von Polytheisten in Essex nicht mehr dulden konnte. Eine solche Duldung hätte im Denken der Zeit den Zorn Gottes herausgefordert. Eine fortgesetzte Teilnahme am heidnischen Kult musste unter diesen Bedingungen empfindliche Strafen und unter Umständen den Aus­ schluss aus der Rechtsgemeinschaft nach sich ziehen.

4 East Anglia Auf seinem Weg in Richtung Norden traf das römische Christentum nach Kent und Essex als drittes der angelsächsischen Königreiche auf East Anglia. Rædwald von East Anglia ist neben dem ostsächsischen König Sæberht1 der zweite Herrscher, von dem Beda in seiner historia ecclesiastica berichtet, er sei durch den Einfluss Kents zur Annahme des Christengottes bewogen worden.2 Da an gleicher Stelle berichtet wird, dass Edwin von Deira3 später den Sohn Rædwalds zur Taufe bewogen habe, und Edwin erst seit 616 König war4, muss diese erste ostanglische Königstaufe in Kent zu Lebzeiten Æthelberhts stattgefunden haben, da dieser im Jahr 616 starb. Wie in Kent und Essex verlief auch die Geschichte der ostanglischen Konversion nicht ohne Brüche. So berichtet Beda, der in Kent getaufte König sei nach seiner Rück­ kehr nach East Anglia von seiner Frau und nicht näher benannten falschen Lehrern dazu verführt worden, sich doch wieder dem Kult der alten Götter anzuschließen. Er habe dann im gleichen Heiligtum einen Altar für den polytheistischen Kultvollzug und einen Altar für die Verehrung Christi aufgestellt.5 Neben dieser oft zitierten und viel diskutierten Textstelle gibt es, wie noch zu sehen sein wird, auch archäologi­ sche Hinweise auf ein Fortbestehen heidnischer Religiosität in East Anglia während der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts. Eine Untersuchung der Geschichte des Heiden­ tums in East Anglia nach der Taufe Rædwalds, muss von drei Voraussetzungen ausgehen: Erstens ist hier der Aufstieg der Wuffingas zur Herrscherdynastie East Anglias im späten 6. Jahrhundert zu nennen. Der Name der Dynastie ist wiederum in der historia ecclesiastica überliefert. Beda schreibt: „Der oben erwähnte König Raedwald aber war von Geburt edel […], ein Sohn des Tytil, dessen Vater Wuffa war, nach dem sie die Könige der Ostangeln Wuffinge nennen.“6 Zwar gibt es Hinweise darauf, dass die Dynastie tatsächlich bereits eine Genera­ tion länger bestand, als bei Beda angegeben7, und dass die Wuffingas möglicherweise

1 Vgl. Kapitel 3.1. 2 HE II, 15 „Et quidem pater eius [J.L. Eorpwolds, des Königs der Ostangeln] Reduald iamdudum in Cantia sacramentis Christianae fidei inbutus est […].“ 3 Vgl. Kapitel 5. 4 Vgl. Powicke, A Handbook of British Chronology, 9. 5 HE II, 15 „[…] sed frustra; nam rediens domum ab uxore sua et quibusdam peruersis doctoribus seductus est, atque, a sinceritate fidei deprauatus, habuit posteriora peiora prioribus, ita ut in morem antiquorum Samaritanorum et Christo seruire uideretur et diis, quibus antea seruiebat, atque in eodem fano et altare haberet ad sacrificium Christi et arulam ad uictimas daemoniorum.“ 6 HE II, 15 „Erat autem praefatus rex Reduald natu nobilis […], filius Tytili, cuius pater fuit Uuffa, a quo reges Orientalium Anglorum Uuffingas appellant.“ Siehe zur Tradition des Ursprungs der Dynastie Kirby, The Earliest English Kings, 15. 7 Vgl. Loyn, East Anglia, 322.

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eine frühere Dynastie ablösten8, doch sind dies auf späteren Quellen beruhende Spe­ kulationen. Sicher ist, dass die Familie Rædwalds seit der Mitte des 6. Jahrhunderts von ihrem Stammsitz im Südwesten Suffolks aus die Einigung der auf dem Gebiet zwischen Küste und Fenlands lebenden Menschen zum Königreich East Anglia voran­ trieb.9 Es gelang den Wuffingas, eine starke regionale Herrschaft aufzubauen und die Grundlagen für Rædwalds Macht zu legen. Eines Königs, der nicht nur in Bedas Liste der Imperiumsträger10 über die Gebiete südlich des Humber auftaucht11, sondern durch sein militärisches Eingreifen im Norden in der Lage war, Edwin auf den Thron Northumbrias zu bringen.12 Der Einfluss der Wuffingas auf die gesellschaftlichen Pro­ zesse in ihrem Machtbereich darf also nicht außer Acht gelassen werden.13 Zweitens müssen die überseeischen Kontakte East Anglias im 7.  Jahrhundert bedacht werden. Historische, onomastische und archäologische Hinweise legen enge Kontakte der ostanglischen Elite nach Skandinavien und, womöglich via Kent, ins Frankenreich nahe. Über den prägenden südskandinavischen Einfluss auf die Kultur der anglischen Siedlungsgebiete im Osten Britanniens herrscht in der Fachwelt Einigkeit14 – die aus East Anglia mehrfach belegte Form des Boots- oder Schiffsgrabes ist hier nur ein

8 Vgl. Wade, East Anglia, 324. 9 Vgl. Bruce-Mitford, The Sutton Hoo Ship-Burial, Vol. 1, 694, Chaney, The Cult of Kingship in AngloSaxon England, 142  f., Filmer-Sankey, Snape Anglo-Saxon Cemetery, 51, Hauck, Zum ersten Band der Sutton-Hoo-Edition, 442, Hogget, The Archaeology of the East Anglian Conversion, 1  f., Insley, Raedwald, 66, Kirby, The Earliest English Kings, 55, Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 17, Pestell, Landscapes of Monastic Foundation, 61, Scull, Before Sutton Hoo, 5  ff., Ders., A Cemetery of the 7th and 8th Centuries at St. Stephen’s Lane/Buttermarket, Ipswich, 97, Stenton, AngloSaxon England, 50  ff., Wade, East Anglia, 324. 10 Vgl. Kapitel 2.1. 11 HE II, 5 „[…] quartus Reduald rex Orientalium Anglorum, qui etiam uiuente Aedilbercto eidem suae genti ducatum praebebat, obtenuit […].“ 12 HE II, 12 „Nam mox redeuntibus domum nuntiis, exercitum ad debellandum Aedilfridum colligit copiosum, eumque sibi occurrentem cum exercitu multum inpari […] occidit in finibus gentis Merciorum ad orientalem plagam amnis, qui uocatur Idlae; in quo certamine et filius Redualdi, uocabulo Raegnheri, occisus est. Ac sic Eduini iuxta oraculum, quod acceperat, non tantum regis sibi infesti insidias uitauit, uerum etiam eidem peremto in regni gloriam successit.“ 13 Vgl. für einen Überblick über die Quellen zur Dynastie Bruce-Mitford, The Sutton Hoo Ship-Burial, Vol. 1, 693  f. 14 Vgl. Bruce-Mitford, The Sutton Hoo Ship-Burial, Vol. 1, 31, der auf den skandinavischen Ursprung des Ortsnamens Rendlesham hinweist, Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 5, 31, Fisher, The Anglo-Saxon Age, 175, Geake, The Use of Grave-Goods in Conversion Period England, 39, 110, die auf Funde von Brakteaten und deren skandinavischen Ursprung verweist, Hauck, Zum ers­ ten Band der Sutton-Hoo-Edition, 443, Hawkes, The Gold Bracteates from Sixth Century Anglo-Saxon Graves in Kent, 317, 319  f., Higham, The Convert Kings, 85, Insley, Raedwald, 66, Kirby, The Earliest English Kings, 50, Lambert, Christians and Pagans, 187, Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 17, Scull, Before Sutton Hoo, 7  f., 22.



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besonders augenfälliges Beispiel.15 Einen weiteren Beleg für die frühen Kontakte zwi­ schen den beiden Räumen liefert der Fund eines um 475 hergestellten Goldbrakteaten aus Südskandinavien oder Norddeutschland.16 Für fränkische Verbindungen der ostanglischen Eliten sprechen die fränkisch klingenden Namen einiger Mitglieder des Königshauses, allen voran Rædwald.17 Archäologisch ist hier ein auf dem Friedhof von Snape gefundener Ring zu nennen, der ein fränkisches Kleinod aus der Mitte des 6. Jahrhunderts ist.18 Seit dem späten 6. Jahrhundert entwickelte sich schließlich das ebenfalls im Südwesten des Reiches, und damit im Kernland der Wuffingas, gelegene Ipswich zu einem emporium, über das der Fernhandel East Anglias ablief.19 Diese Entwicklung stärkte sowohl den Reichtum und die Macht der Wuffingas als auch die Verbindungen nach Übersee. Zum Dritten war die Besiedlung East Anglias, wie auch in Essex, an den Fluss­ tälern orientiert.20 Diese Wasserwege machten auch im Landesinneren gelegene Orte und Gehöfte für die von küstennahen Missionsstationen aus operierenden Missionare erreichbar. Für das 7. Jahrhundert gibt es nur zwei zeitnahe Quellen, die eine Rekonstruktion der ostanglischen Geschichte erlauben. Hogget hat darauf hingewiesen, dass Bedas historia ecclesiastica zwar die Hauptquelle für den Zeitraum der Konversion in East Anglia ist, die Angaben dort aber oftmals lückenhaft und in Ermangelung anderer Quellen nicht überprüfbar seien.21 Eine Ausnahme bilden hier die aus der aus dem 15 Vgl. Bruce-Mitford, The Sutton Hoo Ship-Burial Vol. 1, 683  f., 688, Carver, Conversion and Politics on the Eastern Seaboard of Britain, 19, Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 100  f., Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597-c.700, 93  f., Filmer-Sankey, Snape Anglo-Saxon Cemetery, 49, Lambert, Christians and Pagans, 187, Mayr-Harting, The Coming of Christianity to AngloSaxon England, 235, Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 101  ff., von Padberg, Mission und Christianisierung, 257  f. 16 Vgl. West, A Corpus of Anglo-Saxon Material from Suffolk, 74. Lakenheath, Undley. Ikonographi­ scher Katalog Nr. 374. Siehe für eine Beschreibung und Interpretation des Fundes Hauck, Die Gold­ brakteaten der Völkerwanderungszeit. 2,1 Ikonographischer Katalog, 234  ff. 17 Vgl. Insley, Raedwald, 66  f. Kirby, The Earliest English Kings, 51 weist ebenfalls auf die engen Ver­ bindungen hin, die insbesondere Rædwald nach Gallien gehabt haben muss. 18 Vgl. Filmer-Sankey, Snape Anglo-Saxon Cemetery, 42. 19 Vgl. Scull, Before Sutton Hoo, 22, Ders., A Cemetery of the 7th and 8th centuries at St Stephen’s Lane/Buttermarket, 97  ff., Ders., Early Medieval (late 5th-early 8th Centuries AD) Cemeteries at Boss Hall and Buttermarket, 129  ff., Wade, East Anglia, 328. 20 Vgl. Pestell, Landscapes of Monastic Foundation, 15  f., Scull, Before Sutton Hoo, 10, Wade, East Anglia, 326. 21 Vgl. Hogget, The Archaeology of the East Anglian Conversion, 24, 27. Das Fehlen weiterer ostangli­ scher Quellen sieht Hogget nicht in den Däneneinfällen des 8. Jahrhunderts und damit einhergehen­ den Zerstörungen begründet. Er sieht den Grund vielmehr in der schlechten Pflege des Bestandes, dies mag seine Ursache in der mehrmaligen Verlagerung des Bischofssitzes von Elmham haben. Dommoc wurde nach den Däneneinfällen nicht wieder errichtet (Vgl. Ebenda, 23). Bruce-Mitford, The Sutton Hoo Ship-Burial, Vol. 1, 696  ff. bietet einen Überblick über Probleme der Chronologie in der ostanglischen Geschichte des 7. Jahrhunderts.

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7. Jahrhundert stammenden vita Fursei übernommenen Angaben.22 In diesem einen überprüfbaren Fall zumindest erweist sich Beda als ein eng an den Quellen arbeiten­ der Geschichtsschreiber.23 Neben diese historische Überlieferung tritt im Falle East Anglias eine reiche archäologische Fundsituation, die es erlaubt, die Herleitungen aus der historischen Untersuchung zu überprüfen und einige zusätzliche Aspekte anzusprechen.24

4.1 Eine polytheistische Gesellschaft öffnet sich dem Christentum Es ist anzunehmen, dass es in East Anglia auch schon vor der bereits erwähnten Taufe König Rædwalds Kontakte zu insularen und auch kontinentalen Formen des Christentums gegeben hat. So erfolgte die Niederlassung der germanischsprachi­ gen Siedler in der Nachbarschaft oder direkt auf römischen Siedlungsplätzen.25 Hier könnten zumindest architektonische Überreste des romano-britischen Christentums sichtbar gewesen sein. Ob es in der Frühzeit zu Kontakten mit der britischen Kirche kam, ist zwar wahrscheinlich, aber nicht zu beweisen. Die fränkischen Namen einiger Wuffingas und der bei Snape gefundene Ring sind Hinweise auf Kontakte der ostanglischen Elite zum fränkischen Kulturraum. Ein wie auch immer geartetes Wissen um die christliche Religion der Franken muss es inner­ halb dieser Eliten gegeben haben. Gleichwohl tritt East Anglia zu einem Zeitpunkt in die Geschichte ein, zu dem seine Gesellschaft bis in die Spitze hinein fest im traditionellen Polytheismus veran­ kert war. Dieser Umstand lässt sich aus Bedas Bericht über die Taufe Rædwalds und das, aus seiner kirchlichen Sicht, Fehlverhalten des Königs nach seiner Rückkehr aus Kent herauslesen. Der Zeitpunkt und die genauen Umstände von Rædwalds Taufe in Kent lassen sich nicht rekonstruieren. Es ist jedoch naheliegend davon auszugehen, dass mit der Taufe in Æthelberhts Königreich eine wie auch immer akzentuierte Anerkennung von dessen Oberherrschaft verbunden war. Dafür spricht zum einen die Parallele zu 22 Vgl. Ebenda, 26. Neben der vita Fursei abbatis latiniacensis sind die virtutes Fursei abbatis latiniacensis und das additamentum Nivialense de Fuilano erhalten. Edition in Krusch, MGH Scriptores rerum Merovingicarum iv, 423  ff. 23 Vgl. Campbell, Bede II, 36. 24 Vgl. zum Reichtum an archäologischen Funden in East Anglia Hogget, The Archaeology of the East Anglian Conversion, 3. 25 Vgl. Scull, Before Sutton Hoo, 12. Ein konkretes Beispiel für die fortdauernde Besiedlung einer römischen Stadt bis in angelsächsische Zeit hinein ist die Verwaltungszentrale des römerzeitlichen East Anglia Venta Icenorum. Hier weisen zwei frühe angelsächsische Friedhöfe auf den Hügeln über der Stadt auf die Siedlungskontinuität hin und im 7. Jahrhundert wurde innerhalb der Mauern eine Missionsstation errichtet. Siehe hierzu Hogget, The Archaeology of the East Anglian Conversion, 65  f.



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Æthelberhts Vorgehen in Bezug auf Sæberht von Essex26 und zum anderen Bedas Wortwahl bei seinem Bericht über den heidnischen Altar, den Rædwald nach seiner Rückkehr im gleichen Heiligtum wie den Altar Christi aufstellen ließ. Er schreibt nämlich, der König habe ein „arulam ad uictimas daemoniorum“27 gehabt. Dieses Diminutiv sieht Wallace-Hadrill nicht als Versuch Bedas an, das heidnische „Altär­ chen“ in seinem Bericht herabzusetzen. Für ihn ist es so, dass „Redwald meant the pagan altar to be less prominent than his Christian altar.“28 Dieses kultische Arrange­ ment kann politisch als Ausdruck der Anerkennung der Oberherrschaft Æthelberhts interpretiert werden. Sicher war für den kentischen König die Taufe ein Mittel, seine politische Vormachtstellung sichtbar zu machen. Auf der religiösen Ebene wird aber deutlich, dass Rædwald blieb, was er immer gewesen ist: ein polytheistischer König, der weiterhin seiner Verantwortung als Opferherr nachkam.29 Anders als Beda, der als Kirchenmann seiner Zeit Rædwalds Verhalten scharf verurteilt und als einen Akt der Apostasie auffasst, ist sich die moderne Forschung darin einig, dass Rædwalds Verhalten sich in den Bahnen des im Heidentum Möglichen bewegte. In Übereinstim­ mung mit seiner polytheistischen Mentalität gesellte er dem Pantheon der ostangli­ schen Götterwelt einen weiteren Gott, Christus, hinzu.30 Wie er persönlich das Ver­

26 Vgl. Kapitel  3.1. Zur Rolle Æthelberhts bei Rædwalds Taufe siehe Angenendt, Kaiserherrschaft und Königstaufe, 182  f., Campbell, Observations on the Conversion of England, 74, Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 161, Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597-c.700, 55, Fisher, The Anglo-Saxon Age, 115, Higham, The Convert Kings, 1, Hogget, The Archaeology of the East Anglian Conversion, 28  f., Kirby, The Earliest English Kings, 30, der die unvollständige Konversion Rædwalds als ein Zeichen der Schwäche des kentischen Einflusses wertet, Lambert, Christians and Pagans, 183  ff., Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 107, 124, 137, 143, von Padberg, Mission und Christianisierung, 247, 252  f., Ders., Odin oder Christus?, 263, Ders., Die Christianisierung Europas im Mittelalter, 79, Ders., Die Inszenierung religiöser Konfrontationen, 220, 282, von Padberg geht hier davon aus, dass die Taufe Rædwalds in einem Zusammenhang mit der Weitergabe des Imperium über die angelsächsischen Reiche südlich des Humber stand. Ders., Von Heidenhunden und Herrscher­ glaube, 10, Stenton, Anglo-Saxon England, 112. 27 HE II, 15. 28 Wallace-Hadrill, Bede’s Ecclesiastical History of the English People, 76. 29 In diesem Zusammenhang ist zu fragen, ob Rædwald in Begleitung eines christlichen Priesters aus Kent zurückgekehrt war, der am Altar die Eucharistie feierte. Das Arrangement mutet allerdings recht seltsam an, da dann ein christlicher Priester, der in einem Tempel, der eben auch einen heid­ nischen Altar beherbergt, seinen Dienst verrichtet hätte. Eine andere Möglichkeit ist, dass Rædwald selbst aus seinem Selbstverständnis als Opferherr heraus ein sicher idiosynkratisches Ritual am Christusaltar vollzog. 30 Vgl. Carver, Conversion and Politics on the Eastern Seaboard of Britain, 20, Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 161, 167, Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597-c.700, 68, 103, Fisher, The Anglo-Saxon Age, 64, Fletcher, The Barbarian Conversion, 119, 123, 240, 374, 506, Hauck, Zum ersten Band der Sutton-Hoo-Edition, 446, 452, Ders., Zum zweiten Band der Sutton HooEdition, 349, Higham, The Convert Kings, 28  f.,136, Insley, Raedwald, 67, Lambert, Christians and Pagans, 185, 189, Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 65  f., der die Einrich­ tung des Doppelheiligtums wenig überzeugend als Akt der Lossagung von Æthelberht einschätzt,

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hältnis zwischen den alten Göttern und dem Neuling in seiner Götterwelt einschätzte, ist allenfalls zu vermuten. Dass es sich bei der Aufstellung des Christusaltars in einem heidnischen Tempel auch um einen politischen Akt handelte, der nach außen die Loyalität zu Æthelberht zeigen und nach innen den Bedürfnissen von Oberschicht und Volk entgegenkommen sollte, widerspricht der religiösen Bewertung des Heilig­ tums nicht. Dass Rædwald dem Christusaltar womöglich eine besondere Prominenz zuwies, kann ein öffentliches Bekenntnis zu seiner politischen Gefolgschaft zu Æthel­ berht aber vielleicht auch Ausdruck einer persönlichen Affinität gewesen sein.31 In diesem Zusammenhang ist eine Aussage Bedas besonders interessant. In seiner Auf­ zählung der Imperiumsträger schreibt er über Rædwald, „rex Orientalium Anglorum, qui etiam uiuente Aedilbercto eidem suae genti ducatum praebebat […].“32 Spitzbart übersetzt hier „der König der Ostangeln, der noch zu Lebzeiten Aethelberhts seinem Stamm die Führung verschaffte; […].“33 Folgt man dieser Übersetzung, muss man von einer Loslösung Rædwalds aus der Vormacht Æthelberhts ausgehen. So symbolisch wie die Errichtung des christlichen Altars für das Zustandekommen des Bündnisses gewesen war, so wäre eine Zerstörung sicher ein deutliches Zeichen für den Abbruch der Beziehungen gewesen. Da an anderer Stelle in der HE jedoch berichtet wird, der Tempel mit den zwei Altären habe noch bis in die Kindheit König Aldwulfs hinein bestanden34, erscheint eine andere Interpretation dieser Stelle wahrscheinlicher. Wallace-Hadrill liest die Bedaaussage so, dass Rædwald Æthelberht den Oberbefehl über das militärische Aufgebot der Ostangeln dargeboten habe. Diese Einigung sei vielleicht auf merowingischen Druck hin erfolgt. Die Beziehungen zwischen Kent und East Anglia seien zu Lebzeiten der beiden Könige friedlich gewesen.35 Es gibt noch

Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 121, 125, von Padberg, Mission und Christianisierung, 157, 178, 249, 253  f., 256, 361, Ders., Odin oder Christus?, 264  f, Ders., Die Christianisierung Europas im Mittelalter, 79, Ders., Die Inszenierung religiöser Konfrontationen, 236, 283  f., 395, Pestell, Landscapes of Monastic Foundation, 62, Webster, The Making of England, 22, Wilson, Anglo-Saxon Paganism, 32. 31 Vgl. von Padberg, Mission und Christianisierung, 254: „Vermutlich stand Rædwald in der Span­ nung zwischen seiner von der Oberschicht wie dem Volk verlangten archaischen Königsrolle und seinem neuen Wissen um den individuellen Anspruch des christlichen Heils. Aus dieser Unsicherheit heraus entschied er sich für einen praktischen Polytheismus, der die ‚Zuwahl‘ von Göttern ermög­ lichte. Für ihn persönlich kann eine Neigung zur Monolatrie zumindest nicht ausgeschlossen wer­ den.“ 32 HE II, 5. 33 Spitzbart, Beda der Ehrwürdige Kirchengeschichte des englischen Volkes, 149. In die gleiche Rich­ tung gehen die Interpretation der Stelle bei Bruce-Mitford, The Sutton Hoo Ship-Burial, Vol. 1, 697, 699, Kirby, The Earliest English Kings, 34. 34 HE II, 15 „Quod uidelicet fanum rex eiusdem prouinciaeAlduulf, qui nostra aetate fuit, usque ad suum tempus perdurasse, et se in pueritia uidisse testabatur.“ 35 Vgl. Wallace-Hadrill, Bede’s Ecclesiastical History of the English People, 59. Zustimmend Hogget, The Archaeology of the East Anglian Conversion, 29 „[…] is now widely taken to mean that while Raedwald remained subordinate to his overlord, he was growing in might even before Aethelberht’s death.“ Auch die Interpretation von Padbergs, wonach die Taufe Rædwalds in einem Zusammenhang mit der



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ein weiteres Indiz dafür, dass Rædwald erst nach dem Tod Æthelberhts im Februar 61636 seinerseits zum Oberkönig aufgestiegen ist. Rædwalds militärischer Ruhm gründete sich nämlich auf dem Sieg über den northumbrischen König Æthelfrith, der selbst erst 616 in der Schlacht von Chester einen Höhepunkt seiner Macht erlangt hatte.37 Letztlich bleibt die Entwicklung des Verhältnisses zwischen Rædwald und Æthelberht ungeklärt. Das Weiterbestehen des Doppelheiligtums macht einen offenen Bruch zwischen den beiden Königen jedoch unwahrscheinlich. Sicher ist, eine christliche Unterweisung des ostanglischen Königs fand nicht statt und sie ist auch für die übrige Bevölkerung East Anglias nicht anzunehmen. Wie in Kent und Essex gab es während der Herrschaft des ersten getauften Königs keinen Druck, sich von der traditionellen Religion ab- und dem Christentum zuzuwenden. Für die heidnisch gebliebenen Eliten des Landes muss die Konkurrenz des Christentums, mit seiner Anbindung an das Prestige der römischen Welt und seinen Möglichkeiten der Repräsentation königlicher Macht, zu denken ist hier an Kirchen­ bauten aus Stein, die lateinische Sprache der Liturgie und natürlich die schriftliche Fixierung von Recht, dennoch spürbar gewesen sein. Die demonstrative Hinwendung zu Formen heidnisch-skandinavischer Monumentalität, wie sie in den Schiffsgrä­ bern und den Grabhügelfeldern von Sutton Hoo und anderen Orten East Anglias zum Ausdruck kommt, ist hierfür ein sicheres Indiz.38 Sutton Hoo ist der Ort der bislang Weitergabe des Imperium von Æthelberht an Rædwald gestanden haben könnte, weist in die Richtung einer friedlichen Einigung zwischen den beiden mächtigen Herrschern. Vgl. von Padberg, Die Insze­ nierung religiöser Konfrontationen, 282  f. 36 Powicke, Handbook of British Chronology, 7. 37 HE II, 12 „Nam mox redeuntibus domum nuntiis, exercitum ad debellandum Aedilfridum colligit copiosum, eumque sibi occurentem cum exercitu multum inpari (non enim dederat illi spatium, quo totum suum congregaret atque adunaret exercitum), occidit in finibus gentis Merciorum ad orientalem plagam amnis, qui uocatur Idlae; […].“ Siehe zur Schlacht und ihrer Bedeutung für den Aufstieg Rædwalds Bruce-Mitford, The Sutton Hoo Ship-Burial, Vol. 1, 697, 699, Davies, The Battle of Chester and Warfare in Post-Roman Britain, 157, Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597-c.700, 61, 104, Higham, The Convert Kings, 136, 151  f., Kirby, The Earliest English Kings, 61. 38 Nach Carver ist die Form dieser Bestattungen dazu geeignet, in einer krisenhaften Situation eine traditionelles, heidnisches nach Skandinavien orientiertes Selbstbild der ostanglischen Elite zum Ausdruck zu bringen. Carver, Conversion and Politics on the Eastern Seaboard of Britain, 16, 19 „[…] it would be hard to see how a more convincing demonstration of an anti-Christian position could be devised.“, Ders., Sutton Hoo, 54, 136, 165, Evans, Sutton Hoo, 146  ff. Bei Snape wurden bei Ausgrabungen ebenfalls zwei Bootsgräber gefunden. Eine genaue Datierung der Funde ist nicht möglich, doch fallen nach Filmer-Sankey, Snape Anglo-Saxon Cemetery, 50 die Körpergräber des Snape Friedhofs in einen Zeitraum von der Mitte des 6. Jahrhunderts bis ins frühe 7. Jahrhundert. Es wäre mithin möglich, in den beiden Bootsgräbern eine nicht ganz so reich ausgestattete Reaktion, oder Imitation, der Schiffs­ gräber von Sutton Hoo zu sehen. Auch Filmer-Sankey weist auf den skandinavischen Charakter dieser Bestattungssitte hin. Ebenda, 49. Scull, Early Medieval (late 5th-Early 8th Centuries AD) Cemeteries at Boss Hall and Buttermarket, 274  f. berichtet von zwei Gräbern (5014, 4250), die entweder Einbäume oder bootsförmige Särge enthielten. Der Friedhof von Buttermarket diente dem emporium Ipswich als Begräbnisstätte und war vom späten 6. oder dem frühen 7. Jahrhundert bis ins späte 7. oder frühe

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spektakulärsten Funde von Schiffsgräbern auf den britischen Inseln.39 Ausgrabungen förderten zwei Grabarrangements dieser Art zu Tage. Unter dem Grabhügel 1 fand sich ein Grab mit einer Bestattung in einem Schiff und unter Grabhügel 2 war die Grab­ kammer unter dem Schiff eingerichtet.40 Das Größere der beiden Gräber, Grabhügel 1, wird gemeinhin als wahrscheinlicher Ort der Grablege König Rædwalds angesehen, auch wenn in der Forschung immer wieder andere Möglichkeiten diskutiert worden sind.41 Für Rædwald sprechen zum einen das Alter und die Beschaffenheit des Fun-

8.  Jahrhundert in Benutzung (Ebenda, 264, 270). Leider wurde die beiden oben genannten Gräber keiner Radiokarbondatierung unterzogen, das genaue Alter ist daher nicht sicher zu bestimmen. Scull schreibt jedoch die Lage auf dem Friedhof lasse den Schluss zu, dass die Gräber aus einer relativ spä­ ten Nutzungsphase stammen. Auch wenn Scull die Möglichkeit der Unterscheidung religiöser Merk­ male in Buttermarket skeptisch sieht (Ebenda, 288), muss der Befund im weiteren Kontext gesehen auffällig genannt werden. Siehe zu Schiffsgräbern in East Anglia ebenfalls Bruce-Mitford, The Sutton Hoo Ship-Burial Vol. 1, 683  f., 688, Hauck, Zum ersten Band der Sutton-Hoo-Edition, 439  ff., Pluskow­ ski, How Do You Pray to God?, 46  f., Wade, East Anglia, 324  f., Yorke, The Reception of Christianity at the Anglo-Saxon Royal Courts, 157  f. 39 Die Grabhügelanlage von Sutton Hoo gehört sicher zu den am meisten erforschten Anlagen dieser Art weltweit. Dementsprechend ist die Literatur, die Fachleute der verschiedenen am Prozess beteilig­ ten Disziplinen erzeugt haben, so umfangreich, „daß es immer unmöglicher geworden ist, auch nur die einzelnen Kontroversen in vollem Umfang zu verfolgen.“ (Hauck, Zum ersten Band der SuttonHoo-Edition, 440). Dementsprechend muss eine Auswahl erfolgen. Für den Historiker grundlegend und daher unverzichtbar sind die drei Bände von Bruce-Mitford, The Sutton Hoo Ship-Burial, Vol.1, Ders., Arms, Armour and Regalia, Ders., The Sutton Hoo Ship-Burial, Vol. 2, Carver, The Anglo-Saxon Cemetery at Sutton Hoo, Ders., Sutton Hoo, Ders., Conversion and Politics on the Eastern Seaboard of Britain, 16  ff. und die Kommentare von Hauck, Zum ersten Band der Sutton-Hoo-Edition, Ders., Zum zweiten Band der Sutton Hoo-Edition. Ergänzende Informationen zu einzelnen Aspekten sind zu fin­ den bei Arnold, An Archaeology of the Early Anglo-Saxon Kingdoms, 164, 222, Carver, Agency, Intellect and the Archaeological Agenda, 6, Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 99  ff., Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597-c.700, 93  f., 163  f., Evans, Sutton Hoo, 146  ff., Fletcher, The Barbarian Conversion, 125  f., Härke, Changing Symbols in a Changing Society, 149, Kirby, The Earliest English Kings, 50  f., Lambert, Christians and Pagans, 185  ff., 288, 290, Lebecq, England and the Continent in the Sixth and Seventh Centuries, 54, Mayr-Harting, The Coming of Christianity to AngloSaxon England, 17, 19, von Padberg, Christen und Heiden, 308, Scull, Before Sutton Hoo, 19  f., Stenton, Anglo-Saxon England, 50  ff., Vierck, Redwalds Asche, 20  ff., Williams G., Sutton Hoo, 150  ff., Williams, H., At the Funeral, 78, 40 Carver, The Anglo-Saxon Cemetery at Sutton Hoo, 363  ff. stellt eine Chronologie der Bestattungen in Sutton Hoo vor, wobei er die beiden Schiffsgräber unter den Grabhügeln 1 und 2 als zur spätes­ ten Phase der Benutzung als Gräberfeld der Elite gehörend ansieht. Siehe für die Anlage der beiden Schiffsgräber Carver, The Anglo-Saxon Cemetery at Sutton Hoo, 345  ff., 357, Ders., Sutton Hoo, 135. Einen älteren Plan des Grabungsstandortes auf der Basis der Ausgrabungen von 1965 und 1966 bietet Bruce-Mitford, The Sutton Hoo Ship Burial Vol. 1, 6. 41 Vgl. zur Identität des Bestatteten, inklusive einer Diskussion der Möglichkeit, dass es sich bei dem Schiffsgrab unter Grabhügel 1 um ein Kenotaph handelt, Bruce-Mitford, The Sutton Hoo Ship-Burial Vol. 1, Kapitel X, 683–717. Zustimmend Hauck, Zum ersten Band der Sutton-Hoo-Edition, 445  ff., Evans, Sutton Hoo, 148 folgt Bruce-Mitford nicht völlig und möchte auch die Nachfolger Rædwalds nicht ausschließen.



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des und zum anderen die Beigaben.42 Nach Carver sind alle Grabhügel bei Sutton Hoo um das Jahr 600 herum errichtet worden.43 Der in Frage kommende Grabhügel 1 lässt sich auf der Grundlage einer Stilanalyse der Beigaben und der Münzfunde auf eine Zeit nach 613 datieren.44 Unter den Funden in Grabhügel 1, die eine Verbindung zur heidnischen Kultur Skandinaviens besonders deutlich werden lassen, stechen der Schild45, der Helm46, der Griff des Schwerts47 und der Stil der Gesichter auf dem Steinzepter48 hervor.49 Eine zweite Klasse von Funden belegt den Kontakt zur Mit­ telmeerwelt und zum Christentum. Mediterranen Ursprungs ist etwa die koptische

42 Vgl. Bruce-Mitford, The Sutton Hoo Ship-Burial, Vol. 1, 683  ff., Hauck, Zum ersten Band der SuttonHoo-Edition, 444  ff., sowie Angenendt, Kaiserherrschaft und Königstaufe, 182, Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597-c.700, 164, Fisher, The Anglo-Saxon Age, 116, Hogget, The Archaeology of the East Anglian Conversion, 30, Insley, Raedwald, 67, Kirby, The Earliest English Kings, 55, der einen kritischen Standpunkt einnimmt, Lambert, Christians and Pagans, 185  f., Loyn, East Anglia, 322, Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 65, von Padberg, Mission und Christianisierung, 122, 253, 361, Ders., Die Inszenierung religiöser Konfrontationen, 220, 283, Ders., Von Heidenhunden und Herrscherglaube, 11, Stenton, Anglo-Saxon England, 51, Vierck, Redwalds Asche, 46  f., Wade, East Anglia, 324. Für Abbildungen der Beigaben siehe Williams, Treasures from Sutton Hoo, 22  ff. 43 Vgl. Carver, Sutton Hoo, 132. 44 Vgl. Ebenda. Leider geben die im Grab gefundenen Münzen auch keinen genaueren Anhaltspunkt. Das Vorhandensein einer Münze des fränkischen Königs Theodebert II. (595–612) bedeutet, dass das Grab nach 595 angelegt worden sein muss. Vgl. Williams, Treasures from Sutton Hoo, 150. Nach Wil­ liams wurde die Mehrzahl der Münzen vor 612 geschlagen (Ebenda, 151). Er kommt zu dem Fazit: „Beyond that, we can safely say that the coins date the burial to after 595, probably after 600, and quite possibly after 613, but probably before ca. 640. Any attempt to use the coins to date the burial more precisely, on the basis of our current knowledge, is likely to be flawed.“ (Ebenda, 153). 45 Vgl. Bruce-Mitford, Arms, Armour and Regalia, 1–137, Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 148, Hauck, Zum zweiten Band der Sutton Hoo-Edition, 321  ff. So Seite 331 „Bereits die gro­ ßen Abbreviaturen […] und deren Vollgestalt […] sind Darstellungen des Kriegsgottes Wodan-Odin.“, Vierck, Redwalds Asche, 46. 46 Vgl. Ebenda, 138–231, Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 137, 140, Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597-c.700, 80, Hauck, Zum zweiten Band der Sutton Hoo-Edi­ tion, 321, 341  ff. So nehmen die Helmbleche klar einen Bezug auf Wodan-Odin, „[…] weil er auf die Wuffinga-Könige im Dienst des Kriegsgottes mit seinem himmlischen Gefolge und also auch als Opfe­ rer für Wodan weist.“ (Ebenda, 348). 47 Vgl. Ebenda, 299. 48 Vgl. Ebenda, 369. Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 145  ff. 49 Vgl. für weitere Informationen zu den Grabbeigaben mit heidnischem Hintergrund Hauck, Zum zweiten Band der Sutton Hoo-Edition, sowie Burnell, The Archaeology of Conversion, 96, Lambert, Christians and Pagans, 186  f., 298, Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 13  f., 25, 31  f., von Padberg, Mission und Christianisierung, 121  f., 169, 236, 255, Ders., Die Christianisierung Europas im Mittelalter, 79, Ders., Reaktionsformen des Polytheismus im Norden auf die Expansion des Christen­ tums im Spiegel der Goldbrakteaten, 620, Pestell, Landscpaes of Monastic Foundation, 59, Pluskow­ ski, Animal Magic, 116  f., Yorke, The Reception of Christianity at the Anglo-Saxon Royal Courts, 157.

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Schüssel.50 Einen explizit christlichen Hintergrund haben zwei Silberlöffel, in deren Stiele die Worte Saulos und Paulos eingraviert wurden.51 Bei diesen Löffeln handelt es sich möglicherweise um Taufgeschenke, die der Bestattete von seinem Paten, im Falle Rædwalds wäre das Æthelberht, erhalten hat.52 Zudem sind hier zehn Silber­ schüsseln mit Kreuzmotiven und kreuzförmige Beschläge auf der Schwertscheide zu nennen.53 In der Zusammenschau ergibt sich eine explizit heidnische Bestattungs­ form, in einem Schiff unter einem Grabhügel. Die Beigaben lassen eine enge Verbin­ dung in den skandinavischen Raum und zur religiösen Kultur des Nordseeraumes erkennen. Auf der anderen Seite gibt es auch Beigaben mit einem christlichen Hin­ tergrund. Nach 613 ist Rædwald der einzige bekannte König in East Anglia, zu dem dieses Arrangement passen würde.54 Sein Sohn und Nachfolger Eorpwold hat sich nach Auskunft Bedas unter dem Einfluss Edwins von Northumbria taufen lassen.55

50 Vgl. Bruce-Mitford, The Sutton Hoo Ship Burial, Vol. 3, 732–757, Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 125, Yorke, The Reception of Christianity at the Anglo-Saxon Royal Courts, 156  f. weist auf die Bedeutung der Beigaben aus der römischen Welt und/oder im römischen Stil hin. Der Bestattete sollte als Erbe Roms gesehen werden. 51 Vgl. Bruce-Mitford, The Sutton Hoo Ship Burial, Vol. 1, 707  ff., Ders., The Sutton Hoo Ship Burial, Vol. 3, 125–146. Arnold, An Archaeology of the Early Anglo-Saxon Kingdoms, 167  f. Der verbreiteten Lesart entgegen stellen Engemann, Anmerkungen zu den spätantiken Geräten des Alltagslebens mit christlichen Bildern, Symbolen und Inschriften, 169  f. und Fletcher, The Barbarian Conversion, 125 die Identifizierung der Worte „Saulos“ und „Paulos“ in Frage. Fletcher schreibt: „The letters of the name SAULOS were so incompetently executed that it might have been no more than a blundered attempt to copy the name PAULOS on the other spoon by a craftsman who was illiterate. The spoons may have no reference at all to the conversion of an East Anglian king.“ So wichtig eine kritische Hinterfragung auch allgemein akzeptierter Annahmen ist, so wenig kann sie in diesem Fall überzeugen. Der Kontext des Fundes mit den Kreuzverzierungen auf der Schwertscheide legen einen zum Christentum Kon­ vertierten als Bestatteten nahe und der Umstand, dass es sich um ein Löffelpaar handelt, macht die verbreitete Lesart plausibel. 52 Vgl. Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597-c.700, 162, Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 65, von Padberg, Mission und Christianisierung, 256  f. 53 Bruce-Mitford, The Sutton Hoo Ship Burial, Vol. 1, 706  ff., Ders., Arms, Armour and Regalia, 273  ff. Siehe für eine Zusammenfassung der Beigaben mit christlichem Bedeutungsgehalt Lambert, Chris­ tians and Pagans, 187  f., von Padberg, Mission und Christianisierung, 255 sowie zu den Verzierungen der Schwertscheide Ebenda, 309, Ders., Die Christianisierung Europas im Mittelalter, 79  f. 54 Akzeptiert man Grabhügel 1 als das Grab Rædwalds, ergibt sich eine bislang nicht diskutierte Möglichkeit für den etwa zeitgleich entstandenen Grabhügel 2. Es wäre möglich, dass hier der Sohn und designierte Nachfolger Rædwalds Rægnheri bestattet wurde. Beda berichtet über die Schlacht am Idle, in der Rædwald den Northumbrier Æthelfrith besiegte. HE II, 12 „[…] in quo certamine et filius Redualdi, uocabulo Raegnheri, occisus est.“ Sicher wurde der Tote ehrenvoll bestattet und der „Fa­mi­lien­fried­hof“ in Sutton Hoo war ebenso sicher der richtige Ort dafür. Grabhügel 2 wäre dann der direkte Vorläufer von Grabhügel 1. Auch Bruce-Mitford, The Sutton Hoo Ship-Burial, Vol. 1, 701 dachte daran, dass Rægnheri unter einem der Grabhügel von Sutton Hoo liegen könnte. Er stellte, sicher zutreffend, fest, dass Grabhügel 1 dafür aber nicht in Frage komme. 55 HE II, 15 „Tantum autem deuotionis Eduini erga cultum ueritatis habuit, ut etiam regi Orientalium Anglorum Earpualdo filio Redualdi persuaderet, relictis idolorum superstitionibus, fidem et sacramenta



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Eorpwold wurde in der Folge von einem Heiden namens Ricberht ermordet.56 Nach seinem Tod folgte entweder eine dreijährige königslose Zeit oder die Herrschaft eines namentlich nicht bekannten heidnischen Königs. In beiden Fällen ist es schwer vor­ stellbar, dass dem Getöteten ein so reich ausgestattetes Prachtgrab errichtet worden wäre. Denkbare Gründe für die Ermordung Eorpwolds sind politischer Widerstand gegen die in seiner Taufe zum Ausdruck kommende Unterwerfung unter die Ober­ herrschaft Edwins57 oder heidnischer Widerstand gegen den wachsenden Einfluss des Christentums – eine Vermengung dieser beiden Motive ist dabei sicher naheliegend.58 Die ebenfalls für den Grabhügel 1 vorgeschlagenen Könige Sigeberht und Anna59 kommen als Kandidaten nicht in Frage. Dagegen spricht bei beiden Herrschern ihre überlieferte christliche Lebensweise und Mentalität.60 Aus all dem folgt, dass es bis zum Ende von Rædwalds Regierungszeit, das nur ungefähr mit zwischen die Jahre von 616 bis 627 fallend angegeben werden kann61, keine Benachteiligung von Heiden gegeben haben kann, da der König selbst nicht von seiner Rolle als Opferherr ließ. Der Bericht über Rædwalds zwei Altäre in seinem Heiligtum in Rendlesham und das Grab des Königs in Sutton Hoo zeigen klar auf, dass zu seinen Lebzeiten und über seinen Tod hinaus ein um christliche Elemente ergänz­ ter Polytheismus die vorherrschende Religion in East Anglia war. Letztlich wird dies auch daraus deutlich, dass die Voraussetzung für einen heidnisch-religiös motivier­ ten Widerstand gegen Eorpwolds Politik das Vorhandensein heidnischen Lebens in Christi cum sua prouincia suscipere.“ Edwin übernahm die bereits von Æthelberht angewandte Praxis, abhängige Könige durch Konversion und Taufe an sich zu binden. Vgl. Campbell, Observations on he Conversion of England, 74, Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 161, Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597-c.700, 105  ff., Fisher, The Anglo-Saxon Age, 66, 74, 77, 116, Higham, The Convert Kings, 181  ff., Kirby, The Earliest English Kings, 64  f,. Lambert, Christians and Pagans, 196, Mayr_Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 67, Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 138, 143, von Padberg: Mission und Christianisierung, 257, 260, Ders., Die Inszenierung religiöser Konfrontationen, 219  f. 56 HE II, 15 „Verum Eorpuald non multo, postquam fidem accepit, tempore occisus est a uiro gentili nomine Ricbercto; et exinde tribus annis prouincia in errore uersata est […].“ Wallace-Hadrill, Bede’s Ecclesiastical History of the English People, 77 schreibt: „Eorpwold was assassinated because he was a Christian, there was no other way of dismissing an unwanted king.“ 57 Vgl. Higham, The Convert Kings, 181  ff. 58 Letztlich wird der genaue Hintergrund ungeklärt bleiben müssen. Vgl. Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597-c.700, 136  f. nimmt an, dass Eorpwolds Religionspolitik seinen Gegnern zumindest den Anlass gegeben haben könnte, sich in ihrem Widerstand auf „traditional customs and values“ zu berufen. Hogget, The Archaeology of the East Anglian Conversion, 31. Kirby, The Earliest English Kings, 66  f. hält einen politischen Hintergrund für wahrscheinlich. Das Herabsinken East An­ glias zu einem Satelliten Northumbrias sei hier zu bedenken. von Padberg, Mission und Christianisie­ rung, 257 geht von einer religiös motivierten Tat aus. 59 Vgl. Fletcher, The Barbarian Conversion, 161. 60 Übereinstimmend Hauck, Zum ersten Band der Sutton-Hoo-Edition, 445. 61 Vgl. Powicke, Handbook of British Chronology, 17, Kirby, The Earliest English Kings, 55 gibt einen kürzeren Zeitraum zwischen etwas vor 624 und 625 an.

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den oberen Segmenten der ostanglischen Gesellschaft vor seiner Konversion ist. Falls es nicht erwähnte christliche Missionare oder zum Christentum konvertierte Ostan­ geln gab, ist eine Verfolgung zu Lebzeiten Rædwalds vor dem Hintergrund seines Bündnisses mit Æthelberht auszuschließen. Es ist jedoch denkbar, dass es im Zuge der Ermordung Eorpwold zu Übergriffen auf Christen gekommen sein könnte.

4.2 Christliche Könige einer heidnischen Gesellschaft Da Bedas historia ecclesiastica die einzige historische Quelle für einen Großteil der ostanglischen Geschichte des 7.  Jahrhunderts ist62, kann die Chronologie der Herr­ schaftsjahre in dieser Zeit nur annäherungsweise festgestellt werden.63 Auf die Ermordung Eorpwolds folgte laut HE eine dreijährige Periode, während der sich das Land im Irrglauben befunden habe.64 Für diese unklare Angabe gibt es zwei mög­liche Interpretationen: Erstens ist es möglich, dass in dieser Zeit ein heidnischer König herrschte, dessen Namen Beda aus Gründen der damnatio memoriae nicht nennen will. Gegen diese Annahme spricht jedoch, dass er an anderer Stelle die Namen zweier Söhne Sæberhts von Essex nennt, die ebenfalls dem Christentum ablehnend gegen­ über standen.65 Eine damnatio memoriae wird auch durch die Nennung des Namens von Eorpwolds Mörder unwahrscheinlich. Vielleicht ist Ricberht der mögliche heidni­ sche König, der in den drei Jahren vor Sigebehrt geherrscht haben könnte.66 Die zweite Möglichkeit ist die einer königslosen Zeit. Unter diesen Umständen wäre es erklärlich, warum die Großen East Anglias, zu dieser Zeit zweifelsohne in der überwiegenden Mehrzahl Heiden, die Herrschaft eines christlich getauften Exilanten wie Sigebehrt akzeptierten.67 Eine Zeit ohne König hätte sicher zu vermehrten Riva­

62 Die einzige Ausnahme sind die vita Fursei abbatis latiniacensis, die virtutes Fursei abbatis latiniacensis und das additamentum Nivialense de Fuilano. Edition in Krusch, MGH Scriptores rerum Merovingicarum iv, 423  ff. 63 Vgl. für eine ungefähre Rekonstruktion der Chronologie Kirby, The Earliest English Kings, 66  f. 64 HE II, 15 „[…] et exinde tribus annis prouincia in errore uersata est […].“ 65 Vgl. Kapitel 3.2. 66 Vgl. Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597-c.700, 105. Diese Möglichkeit würde Ric­ berht theoretisch zu einem Kandidaten für das Schiffsgrab unter Grabhügel 1 in Sutton Hoo machen. Bruce-Mitford, The Sutton Hoo Ship-Burial, Vol. 1, 691 hat überzeugend gegen diese Möglichkeit argu­ mentiert: „Had it been the monument of an intruder it would surely have been emptied of its treasure and razed to the ground by the returning Wuffingas.“ Ebenda, 698: „The pagan Ricberht can probably be disregarded. It is not known that he ever became king; but even if he did, the murderer of Eorpwald, Raedwald’s son, is unlikely to have been buried, with the highest honours, in what we have taken to be (p. 32) the Wuffingas’ family burial place near their seat at Rendlesham.“ Ebenda, 715. 67 HE II, 15 „[…] donec accepit regnum frater eiusdem Eorpualdi Sigberct, uir per omnia Christianissimus ac doctissimus, qui uiuente adhuc fratre, cum exularet in Gallia, fidei sacramentis inbutus est, quorum participem, mox ubi regnare coepit, totam suam prouinciam facere curauit.“ HE III, 18 „His



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litäten unter den lokalen Großen, politischen sowie religiösen Verwerfungen und zu einer Zeit der allgemeinen Unsicherheit geführt. Außerdem wäre das Land gegen äußeren Druck verwundbar gewesen. Um diese Situation zu beenden, ist ein Kompromiss denkbar, der die Heimkehr des Wuffinga Sigebehrt aus dem gallischen Exil vorsah. Dabei musste dieser die Königsherrschaft jedoch mit dem in der HE genannten Ecgric teilen.68 Bei aller Unsicherheit im Detail steht fest, dass es zu Verwerfungen in der ostanglischen Dynastie gekommen sein muss. Schließlich kehrte mit Sigeberht zwar ein Bruder des verstorbenen Eorpwold nach East Anglia zurück. Dieser hatte sich aber zuvor wegen der Feindschaft Ræd­ walds nach Gallien ins Exil begeben müssen.69 Sicher war Sigebehrt lediglich ein Halb- oder Stiefbruder Eorpwolds, ein Sohn aus einer früheren Verbindung von Ræd­ walds Frau.70 Unter diesen Vorzeichen gibt es genügend mögliche Anlässe für ein Zerwürfnis zwischen beiden Männern und die Notwendigkeit für den Jüngeren, ins Exil zu gehen. Bedas Beschreibung des Königs als sehr frommer und gelehrter Mann sowie der spätere Eintritt in ein Kloster71 legen die Vermutung nahe, dass Sigebehrt

temporibus regno Orientalium Anglorum post Erpualdum Redualdi successorem Sigberct frater eius praefuit, homo bonus ac religiosus, qui dudum in Gallia, dum inimicitas Redualdi fugiens exularet, lauacrum baptismi percepit, in patriam reuersus […].“ Vgl. zur gallischen Taufe Sigeberhts Bruce-Mitford, The Sutton Hoo Ship-Burial, Vol. 1, 700, Campbell, The First Century of Christianity in England, 58  f., Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 161, Dunn, The Christianization of the AngloSaxons c.597-c.700, 105  f., die eine Geste der Unterwerfung unter den fränkischen Gastgeber hinter Sigeberhts Taufe vermutet. 68 HE III, 18 „[…] rex […] relictis regni negotiis et cognato suo Ecgrice commendatis, qui et antea partem eiusdem regni tenebat […].“ Dazu Bruce-Mitford, The Sutton Hoo Ship-Burial, Vol. 1, 702: „It would be fitting that Sigeberht, exiled stepson of Raedwald, should return to East Anglia and assume the kingship by an amiable arrangement with his cousins, the sons of Eni. If Ecgric/Aethelric was the oldest son of Eni it would provide a natural explanation of the situation whereby as part of the arrangement for the return of Sigeberht the kingdom should have been devided – why in fact there should have been co-kings at all.“ Vgl. zur möglichen Identifizierung Ecgrics Bruce-Mitford, The Sutton Hoo Ship-Burial, Vol. 1, 702  f., Hogget, The Archaeology of the East Anglian Conversion, 32. 69 HE III, 18 „His temporibus regno Orientalium Anglorum post Erpualdum Redualdi successorem Sigberct frater eius praefuit, homo bonus ac religiosus, qui dudum in Gallia, dum inimicitas Redualdi fugiens exularet, lauacrum baptismi percepit, in patriam reuersus […].“ Bruce-Mitford, The Sutton Hoo Ship-Burial, Vol. 1, 701 vermutet, dass sich Sigeberht bereits vor seinem Aufenthalt im Frankenreich eine Reputation als Anführer im Krieg hat aufbauen können. 70 Vgl. Bruce-Mitford:, The Sutton Hoo Ship-Burial, Vol. 1, 700: „It would seem that Sigebehrt was not Raedwald’s son, but that Raedwald had married, as Germanic custom prescribed, the widow of a former king, or at least of an heir to the throne.“ Siehe ebenfalls Higham, The Convert Kings, 214, Hogget, The Archaeology of the East Anglian Conversion, 31, Kirby, The Earliest English Kings, 67, Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 108, 143, von Padberg, Die Inszenierung religiöser Konfrontationen, 220, Powicke, Handbook of British Chronology, 17, Insley, Rædwald, 68. 71 HE III, 18 „Tantumque rex ille caelestis regni amator factus est, ut ad ultimum, relictis regni negotiis et cognato suo Ecgrice commendatis, qui et antea partem eiusdem regni tenebat, intraret monasterium, quod sibi fecerat, atque accepta tonsura pro aeterno magis regno militare curaret.“ Vgl. Chaney, The

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sich in Gallien in oder zumindest im direkten Umfeld eines Klosters aufgehalten hat. Es überrascht daher nicht, dass er nach dem Beginn seiner Herrschaft einen erneuten Anlauf zur Christianisierung seines Landes unterstützte. Der für seine Unterstützung bei den Großen entscheidende Unterschied wird hierbei der römisch-kontinentale Hintergrund von Sigebehrts Christentum und seinem Bischof Felix gewesen sein.72 Felix kam ursprünglich aus Burgund, hatte vor seinem Aufstieg zum Bischof von East Anglia allerdings eine unbestimmte Zeit in Kent verbracht, von wo er auch weitere Kleriker mit in seinen neuen Wirkungsbereich brachte.73 Mit diesem Hintergrund waren König und Bischof akzeptabel und erfolgreich in einem Umfeld, dass einige Jahre zuvor dem von Northumbria abhängigen Eorpwold den Tod gebracht hatte. Offenbar waren in den Augen der Großen weder Kent noch die Franken74 eine ebenso große Bedrohung für die ostanglische Unabhängigkeit, wie das Hegemonialstreben des nördlichen Nachbarn. Zu den Maßnahmen, die Sigebehrt zur Unterstützung der Kirche in East Anglia ergreifen konnte, gehörte die Schenkung von Land. So erhielt Bischof Felix einen Sitz in der Stadt dommoc.75 Traditionell wird dommoc mit dem

Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 110, 161, Kirby, The Earliest English Kings, 74, Lambert, Christians and Pagans, 217, Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 144, von Padberg, Mission und Christianisierung, 263, 265. 72 Vgl. Campbell, The First Century of Christianity in England, 55, Higham, The Convert Kings, 183  f., Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 132, Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 143. 73 HE II, 15 „Cuius studiis gloriosissime fauit Felix episcopus, qui de Burgundiorum partibus, ubi ortus et ordinatus est; cum uenisset ad Honorium archiepiscopum, eique indicasset desiderium suum, misit eum ad praedicandum uerbum uitae praefatae nationi Anglorum.“, HE III, 18 „[…] imitari cupiens in­ sti­tuit scholam, in qua pueri litteris erudirentur, iuuante se episcopo Felice, quem de Cantia acceperat, eisque pedagogos ac magistros iuxta morem Cantuariorum praebente.“ Higham, The Convert Kings, 183 und Hogget, The Archaeology of the East Anglian Conversion, 31 vermuten trotz der kentischen Zwischenstation des Felix, dass sich der Bischof und Sigeberht vielleicht bereits aus Gallien kannten. Stenton, Anglo-Saxon England, 116  f. scheint hingegen davon auszugehen, dass Felix unabhängig von Sigeberht nach England kam und sein Missionseinsatz in East Anglia einer Entscheidung Erzbischofs Honorius zu verdanken ist. Ebenso Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597-c.700, 109, Fisher, The Anglo-Saxon Age, 77, Kirby, The Earliest English Kings, 66, Lambert, Christians and Pagans, 217, Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 143. Vgl. von Padberg, Mission und Christianisie­ rung, 216, 343 zu der neu eingerichteten Schule. 74 Dagobert  I., der 629 König wurde, war mit der Konsolidierung seiner Herrschaft, ab 631 einem Krieg gegen das Samoreich und mit der Unterstützung von Missionsinitiativen im Osten des Fran­ kenreichs beschäftigt. Vgl. Ewig, Die Merowinger und das Frankenreich, 126  ff., 133  ff. Das kleine East Anglia mag auch einfach außerhalb des unmittelbaren Gesichtsfelds des fränkischen Hofs gerückt sein, zumal das Oberkönigtum über die angelsächsischen Reiche seit dem Tod Rædwalds nicht mehr bei den Ostangeln lag. 75 HE II, 15 „[…] accepitque sedem episcopatus in ciuitate Dommoc […].“ Zur Bedeutung königlicher Landschenkungen in der Anfangsphase der Mission siehe von Padberg, Mission und Christianisie­ rung, 196.



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Küstenort Dunwich gleichgesetzt76, doch Hogget hat in seiner Untersuchung zur Archäologie der Christianisierung in East Anglia überzeugend dafür argumentiert, dass es sich bei Dommoc nicht um Dunwich, sondern um Walton Castle in der Nähe von Felixstowe handelte.77 Seine Argumente sind, dass Beda sich auf Dommoc als eine civitas bezieht, und dass Beda nur Bischofssitze, die an Orten mit römischer Ver­ gangenheit gegründet wurden, als civitates bezeichnet habe. Außerdem hat Hogget spätmittelalterliche Quellen ausgewertet, die Dommoc mit Felixstowe in Verbindung bringen. Zuletzt wurde in Walton Castle eine St. Felix Kirche bezeugt. Den Gründungs­ bischof zum Schutzpatron zu machen, würde gut ins Bild der weiteren Entwicklung eines Bischofssitzes passen. Die archäologische Untersuchung römischer Küstenforts hat ergeben, dass in vielen dieser Anlagen im Verlauf des 7. Jahrhunderts kirchliche Siedlungen entstan­ den.78 Von diesen strategisch günstig gelegenen Ausgangspunkten aus wurde die Mission im Landesinneren vorangetrieben. Neben dem Burgunder Felix ist aus den historischen Quellen ein weiterer Missionar namentlich bekannt  – Fursa. Dass es sich bei ihm um einen Briten handelte, zeigt den fortdauernden Einfluss der briti­ schen Kirche in East Anglia, auch nach dem Abbruch der an Northumbria orientierten Mission unter Eorpwold. Bedas Informationen zu Fursa stammen aus der vita Fursei, einem Text des frühen 7.  Jahrhunderts, über dessen Autor nichts bekannt ist.79 Fursa war in Irland Leiter einer monastisch lebenden Gemeinschaft gewesen. Dem Vorbild vieler irischer Missionare folgend, verließ er seine Heimat, um in der Fremde zu leben und zu missionieren.80 In East Anglia fand er einen König, der bereit war, ihn zu unterstützen und zugleich ein lohnendes Feld für missionarische Aktivität. Er

76 Vgl. Aston, Monasteries in the Landscape, 55, Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 161, Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597-c.700, 129, Fisher, The Anglo-Saxon Age, 76  f., Insley, Raedwald, 68, Lambert, Christians and Pagans, 217, Loyn, East Anglia, 322, Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 143, von Padberg, Mission und Christianisierung, 256, Stenton, Anglo-Saxon England, 116 und mit Einschränkungen Wade, East Anglia, 326. 77 Vgl. Hogget, The Archaeology of the East Anglian Conversion, 36  ff., 53, in der Identifizierung des Ortes übereinstimmend Pestell, Landscapes of Monastic Foundation, 20. 78 Vgl. Ebenda, 52–79. 79 Vgl. Ebenda, 26. 80 vita Fursei Cap. 6 „[…] relictis omnibus quae habere videbatur, paucis cum fratribus ad insolam quandam parvolam in mare profectus est atque exinde non multum post de Hibernia pericrina litora petens per Britannias in Saxoniam transvectus est, uib honorifice a Siggiberctho rege susceptus […].“ HE III, 19 „Cum ergo […] multis annis in Scottia uerbum Dei omnibus adnuntians tumultus inruentium turbarum non facile ferret, relictis omnibus, quae habere uidebatur, ab ipsa quoque insula patria discessit, et paucis cum fratribus per Brettones in prouinciam Anglorum deuenit, ibique praedicans Verbum, ut diximus, monasterium nobile construxit.“ Vgl. zu Fursa Campbell, The First Century of Christianity in England, 59, Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597-c.700, 41  f., 180, Fisher, The AngloSaxon Age, 61, 77, 83, 178, Fletcher, The Barbarian Conversion, 155, Higham, The Convert Kings, 215, Lambert, Christians and Pagans, 217  f., Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 41  f., 100, Stenton, Anglo-Saxon England, 117, 125.

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gründete mehrere Klöster und Kirchen.81 Die Arbeit in der Mission bestand neben dem Aufbau einer kirchlichen Organisation und der Ausbildung von Nachwuchs in der Predigt und der tätigen Nächstenliebe.82 Durch diese Maßnahmen sei es Fursa möglich gewesen, viele Menschen von der Annahme des christlichen Glaubens zu überzeugen.83 Weitere frühe kirchliche Siedlungen, die als Ausgangspunkte der Mission im ostanglischen Hinterland in Frage kommen sind Burgh Castle84, Caisteron-Sea85, Brancaster86, Caistor St Edmund87, Burgh88, Tasburgh89, Burrow Hill90, Wormgay91, Bawsey92 und Brandon.93 Die ersten sechs Standorte lassen sich durch 81 Die Fursavita berichtet, der Missionar sei nach schleppendem Beginn seiner Aktivitäten in East Anglia in einer Vision ermahnt worden, mit den Bau des Klosters nicht länger zu zögern. vita Fursei Cap. 7 „Quod vir Deo plenus intellegens, loco monasterii a praedicto sibi rege traditum adceleravit construere. Quod moansterium in quodam castro constructum, silvarum et maris vicinitate amoenum […].“ virtutes Fursei Cap. 3 „Veniens namque in Saxoniam, ibi a Sigeberto rege honorifice susceptus est. Qui prae gaudio nesciens, quod opus ei egisset bonitatis, obtulit ei munera, aurum et gemmas et divitias innumerabiles. Ipse praedictus Furseus pro nihilo habuit haec omnia, sed petens ab eo aliquid expectaculum, ubi sibi et suis post se venientibus praepararet hospitium. Qui et rex eius adquiescens sermonibus non solum eum dilexit, verum etiam post eius regimen clamans pro amore sancti dedit auxilium defensionis et consolationis. Tunc vir Domini in ipsa praedicta traditione construxit monasteria et ecclesias cum sanctis pignoribus dedicavit atque monachos et virgines ad serviendum Domino cum cura regulari constituit.“ HE III, 19 „Qui cum ad prouinciam Orientalium peruenisset Anglorum, susceptus est honorifice a rege praefato, et solitum sibi opus euangelizandi exsequens, multos et exemplo uirtutis et incitamento sermonis, uel incredulos ad Christum conuertit, uel iam credentes amplius in fide atque amore Christi confirmauit.“ Vgl.Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597-c.700, 132, Hogget, The Archaeology of the East Anglian Conversion, 44  f., Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 143  f., Pestell, Landscapes of Monastic Foundation, 56  f. 82 virtutes Fursei Cap. 3 „Qui venientes ad eum debiles et claudos, cecos atque leprosos, vel etiam qui varias habebant iniurias, cunctos salvabat ab infirmitatibus et cunctis se petentibus dabat necessaria. Qui honorabilior ceteris effectus cunctis praedicabat remedium penitentiae et cunctos ab erroribus salvabat.“ Vgl. Fletcher, The Barbarian Conversion, 168. Die Fürsorge für die Kranken und Schwachen als Teil der Arbeit im Missionsfeld ist archäologisch womöglich auch für die Frauengemeinschaft von Nazeingbury in Essex nachweisbar. Siehe dazu Kapitel 3.4. 83 Wallace-Hadrill, Bede’s Ecclesiastical History of the English People, 112 bemerkt, dass Beda Fur­ sas Rolle als Missionar in East Anglia mehr herausstellte, als dies in der Fursavita selbst der Fall ist. Neben den Erfolgen in der Bekehrungsarbeit seien es aber vor allem Fursas Visionen, die ihn als einen wahren Gottesmann auszeichneten, die Beda zu einer ausführlichen Würdigung des Iren bewogen habe. 84 Vgl. Hogget, The Archaeology of the East Anglian Conversion, 56  ff. 85 Vgl. Ebenda, 60  ff. 86 Vgl. Ebenda, 63  f. 87 Vgl. Ebenda, 64  ff. 88 Vgl. Ebenda, 67  ff. 89 Vgl. Ebenda, 69  ff. 90 Vgl. Ebenda, 72. 91 Vgl. Ebenda, 73. 92 Vgl. Ebenda, 73. 93 Vgl. Ebenda, 75.



Christliche Könige einer heidnischen Gesellschaft 

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Funde innerhalb römischer Siedlungsreste rekonstruieren. Römische Bauwerke, vor allem befestigte Lager, waren neben der Funktion als Steinbrüche vor allem wegen der damit einhergehenden romanitas begehrte Orte, um kirchliche Gemeinschaften zu gründen. Im 7. Jahrhundert war die Kirche in ihrem Selbstverständnis zur Nachfol­ gerin des römischen Staates geworden. Romanitas und Christentum wurden zuneh­ mend als eine prestigeträchtige Einheit gesehen.94 Die vier letztgenannten Plätze liegen an natürlich abgeschiedenen Orten, Flussinseln oder Höhenrücken. Wie bei den wiederbenutzten römischen Lagern mag der Schutz, den solche Orte boten, eine gewisse Rolle bei der Auswahl als Standort einer neuen kirchlichen Gemeinschaft gespielt haben, wichtiger aber war die Möglichkeit, den inneren Bereich der religiö­ sen Gemeinschaft deutlich gegen die profane Welt abzugrenzen und auf diese Weise einen geheiligten Raum entstehen zu lassen.95 Bei aller historisch und archäologisch nachweisbaren Aktivität fallen zwei Umstände auf. Erstens ist von einem längeren Zeitraum auszugehen, den die eigent­liche Missionierungsarbeit in East Anglia in Anspruch nahm. So berichten die Quellen davon, dass Fursa mehrere Jahre brauchte, um sich im Land zu etablieren. Zweitens sind die bezeugten Maßnahmen Überzeugung durch Predigt, vorbildliche Lebens­ weise und Mildtätigkeit gegenüber Kranken und Schwachen – von Druck oder Zwang zur Konversion ist nichts zu entdecken. In diesem Zusammenhang ist der Umstand von Bedeutung, dass Beda nichts über eine Konversion von Sigebehrts Mitregenten Ecgric berichtet. Möglicherweise gab es also einen christlichen und einen polythe­ istischen König – ein interessantes Arrangement, über das Beda sicher nichts hätte berichten wollen, wäre so doch der von ihm hochangesehene Sigeberht in einem ganz anderen Licht erschienen. Aus dieses Gründen ist für die Regentschaft Sigebehrt zwar von einer Förderung des Christentums zumindest durch diesen König, nicht aber von einem Verbot des heidnischen Kultes und einer Verfolgung seiner Anhänger auszugehen. Dabei darf allerdings nicht vergessen werden, dass es durch die Förderung des Christentums und der Kirche mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer Benachteiligung der altgläu­ bigen Eliten gekommen ist. Allein die große Zahl der archäologisch nachweisbaren kirchlichen Gründungen lässt die Konkurrenz um königliche Zuwendungen deutlich werden. Wenn Beda mit seiner Beschreibung von Sigebehrt als einem gebildeten und christlich denkenden Mann Recht hat, dann ist davon auszugehen, dass der König dem Rat von Christen in seinem Umfeld folgte und dass es seiner Mentalität wider­ sprochen hätte, die beiden religiösen Systeme gleichberechtigt nebeneinander zu sehen oder in der Manier Rædwalds eine Synthese von Heidentum und Christentum zu versuchen. Wie sehr sich das Christentum während Sigebehrts und Ecgrics Regent­ schaft festgesetzt hatte, ist zuletzt daran zu erkennen, dass auf den Tod beider Herr­

94 Vgl. Ebenda, 54  ff. 95 Vgl. Ebenda, 71.

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scher in einer Schlacht gegen den Heiden Penda keine heidnische Restauration in East Anglia folgte. Dennoch gibt eine Reihe von Argumenten dafür, dass der endgültige Durchbruch in der Christianisierung East Anglias nicht unter der Herrschaft Sigebehrts oder Ecgrics, sondern erst unter der Ägide König Annas erfolgte. Damit gewinnt das all­ gemein akzeptierte Modell, wonach das Christentum in East Anglia unter Sigebehrt etabliert wurde, einige neue Nuancen.96

4.3 Das Ende des ostanglischen Polytheismus Anna war ein Sohn Enis, der ein Bruder König Rædwalds war.97 Wann genau Anna auf den ostanglischen Thron stieg, ist nicht überliefert – sein Tod wird in das Jahr 654 datiert.98 Der Überlieferung nach starb Anna ebenso wie seine Vorgänger Sigebehrt und Ecgric bei Angriffen des heidnischen Königs Penda von Mercia.99 Trotz der fort­ dauernden Gefahr eines Angriffs von Seiten Pendas, setzte Anna die Religionspolitik seiner Vorgänger fort.100 Es gibt vier Gruppen von Argumenten, die dafür sprechen, dass er sich nun in der Position sah, nicht nur die Förderung des Christentums zu betreiben, sondern im Gegenzug auch offensiv gegen den polytheistischen Kult vorzugehen. Erstens ist hier die Zerstörung von Rædwalds Heiligtum zu nennen, deren Zeit­ punkt annäherungsweise festgestellt werden kann. Dieses Ereignis ist ein deutlicher Hinweis auf das Ende der offiziell geduldeten Koexistenz von Heidentum und Chris­ tentum in East Anglia. Zweitens treten unter Anna erstmals die Großen des Reiches als Stifter für kirch­ liche Gründungen hervor  – ein Hinweis auf die Konsolidierung einer christlichen Mentalität unter den Eliten der Gesellschaft.

96 Vgl. Pestell, Landscapes of Monastic Foundation, 20. 97 HE III, 18 „Successor autem regni illorum factus est Anna fliius Eni de regio genere, uir optimus […].“ 98 Vgl. Zu den Umständen von Annas Herrschaftsantritt und Tod Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 161, 165, Higham, The Convert Kings, 240. Zur Chronologie dieser Jahre siehe Kirby, The Earliest English Kings, 41, 79, 207, Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 144, Powi­ cke, Handbook of British Chronology, 18. 99 HE III, 18 „[…] qui et ipse postea ab eodem pagano Merciorum duce, a quo et prodecessores eius, occisus est.“ Der Heideneinfall in East Anglia und dessen Auswirkung wird auch im Additamentum Nivialense se Fuilano, einem Text über den Bruder Fursas, erwähnt: „Expulso namque christianissimo rege Anna, incursu gentilium monasterium, quod ibidem construxerat, monachis distractis rebusque omnibus spoliatus est.“ Der Text enstand ca. 655/6 in Nivelles. Vgl. Wallace-Hadrill, Bede’s Ecclesiastical History of the English People, 114. 100 Vgl. allgemein zur Bedeutung Annas für die Christianisierung East Anglias Bruce-Mitford, The Sutton Hoo Ship-Burial, Vol. 1, 31, Hogget, The Archaeology of the East Anglian Conversion, 33, Insley, Raedwald, 68.



Das Ende des ostanglischen Polytheismus 

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Drittens ist eine sich über einen kurzen Zeitraum vollziehende Neuausrichtung der Begräbnissitten ins Auge zu nehmen. Viertens wurde nach der Mitte des 7.  Jahrhunderts die Taufe ein selbstbewusst eingesetztes Mittel der Machtpolitik der ostanglischen Könige. Über das Doppelheiligtum Rædwalds heißt es bei Beda, dass König Aldwulf101 bezeugt habe, das Heiligtum seines Vorgängers in seiner Kindheit noch gesehen zu haben.102 Aldwulf wurde 663 oder 664 König und herrschte bis 713.103 Selbst wenn man Aldwulf ein hohes Alter von über 70 Jahren bei seinem Tode zugesteht, kann diese Kindheitserinnerung kaum vor die zweiten Hälfte der 640er Jahre datiert werden. Ein weiterer Grund, der gegen einen früheren Zeitpunkt spricht, ist Bedas Aussage, wonach es Eorcenberht von Kent gewesen sei, der als erster unter den Königen der Angelsachsen die Zerstörung der heidnischen Kultbilder in seinem Reich angeordnet habe.104 Es ist nicht sicher, zu welchem Zeitpunkt seiner Regierung Eorcenberht diese Maßnahmen angeordnet hat, doch legen die Umstände seiner Herrschaft in Kent einen Zeitpunkt einige Zeit nach seinem Herrschaftsantritt 640 nahe. Somit zeichnet sich auch für East Anglia die zweite Hälfte der 640er Jahre als Zeitraum der Zerstö­ rung von heidnischen Kultstätten und einem damit sicher einhergehenden Verbot des heidnischen Kultes ab. Die erste Erwähnung von Stiftungen von Großen des Reiches zugunsten der Kirche fallen in die Amtszeit Annas.105 Bislang waren nur Schenkungen des Königs Sigeberht erwähnt worden. Das neue Engagement weiter Teile der ostanglischen Eliten zeigt deutlich die Anpassung dieser Kreise an die neue vorherrschende Men­ talität. Zugleich wurde hier wie andernorts mit der Zeit deutlich, dass die Kirche und ihre Institutionen auch Einheimischen Möglichkeiten boten, in einflussreiche Positi­ onen zu gelangen. So fällt der Tod Bischof Felix um das Jahr 651 in die Regentschaft Annas. Auf den Burgunder folgte ein Diakon namens Thomas im Amt des Bischofs von East Anglia. Thomas gehörte den Gyrwe an, einer kleinen anglischen gens aus dem westlichen Grenzgebiet East Anglias.106 Aus diesen Nachrichten ergibt sich, dass

101 Aldwulf wurde 663 oder 664 König von East Anglia. Er war ein Sohn von Hereswith, der Schwes­ ter von Hild von Whitby, und wahrscheinlich König Æthelhere (R 654). Aldwulf starb 713, er war damit ein Zeitgenosse Bedas. Vgl. Powicke, Handbook of British Chronology, 18. 102 HE II, 15 „Quod uidelicetfanum rex eiusdem prouinciae Alduulf, qui nostra aetate fuit, usque ad suum tempus perdurasse, et se in pueritia uidesse testabatur.“ 103 Vgl. Powicke, Handbook of British Chronology, 18. 104 HE III, 8 „Hic primus regum Anglorum in toto regno suo idola relinqui ac destrui, simul et ieiunium quadraginta dierum obseruari principali auctoritate praecepit.“ Vgl. Kapitel 2.2. 105 vita Fursei Cap. 7 „Quod monasterium in quodam castro constructum, silvarum et maris vicinitate amoenum rex gentis illius Anna ac nubiles quique tectis et muneribus adornarunt.“ HE III, 19 „[…] quod deinde rex prouinciae illius Anna ac nobiles quique augustioribus aedificiis ac donariis adornarunt.“ 106 HE III, 20 „Interea, defuncto Felice Orientalium Anglorum episcopo post X et VII annos accepti episcopatus, Honorius loco eius ordinauit Thomam diaconum eius de prouincia Gyruiorum […].“

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sowohl die Rechtsfindung als auch die Durchsetzung von Recht auf regionaler und lokaler Ebene sich nunmehr in den Händen einer sich als christlich verstehenden Elite befanden. Unter diesen Umständen ist eine Tolerierung heidnischer Kulthand­ lungen nicht vorstellbar. Eine herrschaftliche Durchsetzung christlicher Lebensweise am Ende der ersten Hälfte des 7.  Jahrhunderts passt zu dem archäologischen Befund, wonach die tra­ ditionellen Friedhöfe East Anglias in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts offenbar innerhalb eines kurzen Zeitraums aufgegeben und durch Friedhöfe eines neuen Typs ersetzt wurden.107 Hogget hat zudem das Ende des Brauchs der Brandbestattung ab dem Beginn des 7.  Jahrhunderts in einen Zusammenhang mit der Ausbreitung des Christentums gebracht.108 Beide Phänomene, das Ende der Brandbestattung und der Abbruch der Nutzung alter Friedhöfe, sei ein Zeichen, dass „much of the population had become wholly and actively Christian during the seventh century.“109 Ein Ort, an dem der Wechsel der Religion eine besonders dramatische Bedeutungsveränderung zur Folge hatte, ist Sutton Hoo. Im östlichen Teil der Anlage wurde eine Gruppe von einzelnen Körperbestattungen gefunden, die ursprünglich als Menschenopfer inter­ pretiert wurden.110 Weitere Untersuchungen und eine genauere Datierung mit der C14-Methode führten dazu, dass diese Gruppe von Gräbern mittlerweile als Hinrich­ tungen aus christlicher Zeit gesehen werden.111 So wurde aus einem königlichen Gräberfeld, einem für die heidnische Memorialkultur zentralen Ort, ein gemiedener Platz, an dem Verbrecher hingerichtet und verscharrt wurden.112 Zuletzt ist seit der Regentschaft Annas ein politischer Einsatz der Taufe zur Bindung abhängiger Könige belegt. Als der Westsachse Cenwalh von Penda vertrie­ ben Schutz in East Anglia suchte, übernahm Anna das seit Æthelberht bekannte

107 Vgl. Hogget, The Archaeology of the East Anglian Conversion, 130 „All the funerary evidence discussed thus far indicates that a widespread and near-contemporaneous abandonment of all kinds of Early Saxon cemetery occured during the first half of the seventh century. The archaeological record suggests that this abandonment was coincident with the cessation of the cremation burial rite and occurred immediately before the adoption of the ‚Final Phase‘ Romano-Byzantine grave-goods discussed above.“ Siehe ebenfalls 116, 119  ff., 142  ff., 166 und Bruce-Mitford, The Sutton Hoo Ship-Burial, Vol. 1, 711. 108 Vgl. Ebenda, 114  f., 166. 109 Vgl. Ebenda, 162. Lediglich bei der Einordnung des Konversionsprozesses „early in the first half of the seventh century“ (S. 115) muss Hogget auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Studie widerspro­ chen werden. Ein Zeitraum am Ende der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts ist viel wahrscheinlicher. 110 Vgl. Carver, The Anglo-Saxon Cemetery at Sutton Hoo, 353  ff. 355 „I feel obliged to suggest that the eastern group of graves is destined to be interpreted as a ritual area, contemporary with the mounds and involving human sacrifices around a tree.“ 111 Vgl. Ders., Conversion and Politics on the Eastern Seaboard of Britain, 17, Ders., Sutton Hoo, 165. Dabei sollte nicht unerwähnt bleiben, dass Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597c.700, 176  f. die Möglichkeit aufgebracht hat, dass es sich bei der Gewaltanwendung an den Toten in den genannten Gräbern um Versuche handelte, Wiedergänger zu bannen. 112 Vgl. Sanmark, Living on: Ancestors and the Soul, 168.



Zusammenfassung 

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Vorgehen und bewegte den königlichen Gast dazu, sich taufen zu lassen.113 Das ost­ anglische Königtum war nun im Kreis der christlichen Herrschaften Europas ange­ kommen. Die zweite königliche Taufe dieser Art geschah nach 654 unter der Herr­ schaft von Annas Bruder Æthelwold. Der ostsächsische König Swithelm wurde durch Cedd in der ostanglischen Pfalz Rendlesham getauft. Æthelwold fungierte dabei als Pate des Nachbarkönigs.114 Aus dem Dargelegten ergibt sich ein facettenreiches Bild des religiösen Wandels in East Anglia in den 640er Jahren. War der Polytheismus bereits seit dem Herr­ schaftsantritt Sigebehrts auf dem Rückzug gewesen, wurden nunmehr aktiv die heid­ nischen Kultstätten zerstört, und das anscheinend plötzliche Ende der Benutzung alter Friedhöfe und der Brandbestattung lassen eine geplante und auf lokaler Ebene durchgesetzte Neuausrichtung des religiösen Lebens der Ostangeln nach christlichen Maßgaben erkennen. Ein offenes Bekenntnis zum traditionellen Polytheismus und die Teilnahme am Opferkult waren zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich.

4.4 Zusammenfassung Die Umwandlung East Anglias von einem Teil der polytheistischen Kultur des Nord­ seeraumes mit seinen Woden verehrenden Königen zu einem christlichen Königreich vollzog sich während der ersten Hälfte des 7.  Jahrhunderts. Dabei lassen sich vier Phasen der Entwicklung unterscheiden: 1. Während der Regentschaft Rædwalds wurde dem Christentum der Weg in die ostanglische Gesellschaft geöffnet. Vermutlich aus bündnispolitischen Beweg­ gründen empfing Rædwald am Hofe König Æthelberhts von Kent die Taufe. Dass dieser Schritt nicht mit einer beginnenden Mission in East Anglia einherging, kann als Zeichen für die Grenzen des kentischen Einflusses gewertet werden. Tat­ sächlich war der Polytheismus im Umfeld des Königs so stark verankert, dass

113 HE III, 7 „[…] secessit ad regem Orientalium Anglorum, cui nomen erat Anna, apud quem triennio exulans fidem cognouit ac suscepit ueritas.“ Wallace-Hadrill, Bede’s Ecclesiastical History of the English People, 98  f. vermutet, dass Cynegisl seinen Sohn Cenwalh womöglich ungetauft gelassen habe, „to ensure the succession of his family in the event of a pagan reaction.“ Siehe in diesem Zusammen­ hang Kapitel 6 und Angenendt, Kaiserherrschaft und Königstaufe, 184, Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 165, Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597-c.700, 106, 125, Higham, The Convert Kings, 253, Hogget, The Archaeology of the East Anglian Conversion, 33, Kirby, The Earliest English Kings, 48, 74, Lambert, Christians and Pagans, 218, von Padberg, Mission und Christianisierung, 250, 261, Stenton, Anglo-Saxon England, 118. 114 HE III, 22 „Successit autem Sigbercto in regnum Suidhelm, filius Sexbaldi, qui baptizatus est ab ipso Cedde in prouincia Orientalium Anglorum, in uico regio qui dicitur Rendlaesham, id est mansio Rendili; suscepitque eum ascendentem de fonte sancto Aediluald rex ipsius gentis Orientalium Anglorum, frater Anna regis eorundem.“ Æthelwold regierte von 654 bis 664. Vgl. Powicke, Handbook of British Chronology, 18. Siehe zu dem Vorgang auch Kapitel 3.3.

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dieser nicht von seiner traditionellen Rolle als Opferherr lassen konnte. Den alten Göttern wurden weiterhin Opfer dargebracht, und im selben Heiligtum wurde ein Altar für Christus errichtet. Bis zum Tode Rædwalds waren die entscheidenden Großen des Reiches, und auch der König selbst, praktizierende Polytheisten. 2. In der Folge muss die Auseinandersetzung zwischen Christentum und Polythe­ ismus an Schärfe zugenommen haben. Ob dies auch innerhalb East Anglias zwi­ schen rivalisierenden Religionsgemeinschaften oder nur durch äußeren Druck des Christen Edwin von Northumbria geschah, ist nicht überprüfbar. Die Bestat­ tung Rædwalds unter Grabhügel 1 in Sutton Hoo gibt durch Funde mit christ­ licher Symbolik zwar Einsichten in die religiöse Symbiose des Bestatteten, der sich neben Odin auch von Christus Sieghilfe versprach. Die Form der Bestattung transportiert jedoch eindrücklich eine religiös-politische Botschaft, deren Inhalt explizit heidnisch war. Spätestens mit der Taufe und der bald darauf folgenden Ermordung Eorpwolds vollzog sich die Auseinandersetzung zwischen Polytheis­ ten und Christen auch innerhalb der Eliten East Anglias. Wahrscheinlich spiel­ ten dabei wiederum politische Loyalitäten – einerseits eine pro-northumbrische Position und eine eher auf Wahrung der Unabhängigkeit bedachte Sichtweise – eine Rolle. Zumindest für einen Zeitraum von drei Jahren gewann die heidnische Partei die Oberhand. 3. Aufgrund nicht näher erklärbarer Umstände wurde schließlich ein Kompromiss geschlossen, der die Rückkehr des christlichen Wuffingas Sigeberht aus dem gal­ lischen Exil erlaubte. Es ist denkbar, dass innere Unruhen und äußerer Druck die Großen des Reiches zu diesem Schritt veranlassten. Ohne es zu wissen, läuteten sie damit das Ende der polytheistischen Lebensweise in East Anglia ein. Zwar musste Sigeberht die Herrschaft mit dem möglicherweise heidnischen Ecgric teilen, doch erlaubte er neben Felix und Fursa einer nicht näher bekannten Anzahl von christlichen Missionaren die Arbeit in East Anglia. In dieser Phase gab es keinen Zwang zur Konversion, so ist es wahrscheinlich, dass Rædwalds Doppelheiligtum in Rendlesham weiterhin existierte, doch die Ausbreitung des Christentums und der Rückzug des Polytheismus waren nun offenbar unaufhalt­ sam. Ein sicheres Zeichen hierfür ist der Umstand, dass die Ostangeln auch nach der katastrophalen Niederlage gegen den heidnischen König Penda von Mercia nicht vom Christentum abfielen, sondern im Gegenteil mit Anna einen betont christlich agierenden König bekamen. 4. Im Verlauf der 640er Jahre muss sich das Christentum als Religion der Eliten end­ gültig durchgesetzt haben. König Anna hatte damit die notwendige Unterstüt­ zung für ein offensives Vorgehen gegen den Polytheismus. In diese Zeit fallen sowohl die Zerstörung des alten polytheistischen Kultzentrums in Rendlesham, in dem Rædwald seine Erweiterung des ostanglischen Pantheon um Christus versucht hatte, und die Aufgabe alter Friedhöfe überall im Land. Es wird wie­ derum deutlich, dass es neben der christlichen Überzeugung des Königs auch einer christlichen Mentalität unter den Eliten der Gesellschaft bedurfte, um eine



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Situation entstehen zu lassen, in der aktiv gegen den Polytheismus vorgegangen wurde. Mit der Christianisierung der Gesellschaft ging die Entwicklung eines christlichen Rechtsbewusstseins einher, das eine Tolerierung des heidnischen Opferkultes unmöglich machte.

5 Northumbria Wie bereits gesehen, verhalf Rædwald von East Anglia seinem Gast Edwin von Deira zur Königsherrschaft in Northumbria. Nach dem Tod seines Förderers gelang es Edwin, sich selbst in der Position eines überregional anerkannten Oberkönigs zu etablieren. Dadurch, und durch den Umstand, dass Beda, der Verfasser der wichtigs­ ten Quelle zur Geschichte des 7. Jahrhunderts in Britannien, selbst aus Northumbria stammte, rückt dieses Gebiet nördlich des Flusses Humber in den Fokus der Über­ lieferung. Die Geschichte dieser Region kann und muss daher ausführlich behan­ delt werden. Edwins Aufstieg hatte, das lässt sich bereits festhalten, weitreichende Folgen für Northumbria selbst, aber auch für die anderen angelsächsischen Reiche der Zeit. So gingen, neben Machtpolitik und kriegerischen Unternehmungen, nach der Konversion des Königs auch wichtige Missionsunternehmen – nicht zuletzt nach East Anglia – von Northumbria aus. Die Voraussetzung dieser expansiven Politik war ein gesellschaftlicher Wandel im Inneren, damit einhergehend eine Entwicklung der politischen Strukturen, aber noch entscheidender ein religiöser Wandel. Auch in diesem Fall stellt sich vor dem Hintergrund des Aufstiegs des Christentums die Frage nach dem Schicksal der Anhänger des polytheistischen Kultes. Eine Untersuchung dieses Aspektes der Geschichte Northumbrias muss von den folgenden drei Voraussetzungen ausgehen: Erstens muss festgestellt werden, dass es bis in Bedas Lebzeiten hinein gar kein einheitliches Reich namens Northumbria gab, sondern ein „[…] Northumbrian overkingdom – which was from time to time to take on the characteristics of a single, unified kingdom […].“1 Neben einigen britischen Herrschaften, die im Laufe des 7. Jahrhunderts in North­ um­bria integriert wurden, wird die Geschichte der Region nördlich des Humber wesentlich durch zwei germanischsprachige Dynastien geprägt: diejenige des südli­ cheren Deira mit dem Zentrum in York und die des nördlich gelegenen Bernicia mit dem Zentrum in Bamburgh. Die anglische Dynastie von Deira hat sich wohl seit der Mitte des 5. Jahrhunderts entwickelt, auch wenn sie erst ab ca. 560 historisch greifbar wird.2 Die anglische Besiedlung lässt sich archäologisch zunächst an der Küste, im östlichen Yorkshire und um York herum nachweisen. Im frühen 6. Jahrhundert begann von diesen Zentren ausgehend eine dynamische Expansion.3 In York entstand das einzige urbane Zentrum dieses Reiches, eine Handelssiedlung außerhalb der römischen Bebauung 1 Vgl. Dumville, The Origins of Northumbria, 221. 2 Vgl. Dumville, The Origins of Northumbria, 219, Holdsworth, Northumbria, 401. 3 Vgl. Bailey, Northumbria, 405. Die germanische Besiedlung war nicht das Resultat einer großan­ gelegten Eroberung, sondern fand in kleinen Gruppen und relativ friedlich statt. Vgl. Rahtz, AngloSaxon Yorkshire, 1. Siehe zur anglischen Besiedlung Deiras auch Fisher, The Anglo-Saxon Age, 39, Hope-Taylor, Yeavering, 296  f.



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am Zusammenfluss von Ouse und Fosse.4 Die Übernahme eines britischen Namens lässt darauf schließen, dass die Briten von Deira unter den neuen Herrschern integ­ riert wurden und sich kulturell den neuen Begebenheiten anpassten. Um 604 kam Deira dann unter bernizische Oberherrschaft. Æthelfrith dehnte seinen Machtbereich gen Süden aus, trieb Edwin ins Exil und heiratete dessen Schwester Acha, wohl um der deirischen Aristokratie mit dieser Verbindung und den Kindern, die daraus ent­ stehen mochten, eine Möglichkeit zur Identifikation mit dem neu entstandenen Groß­ reich Northumbria zu geben.5 Die Anfänge des angelsächsischen Bernicia sind historisch und archäologisch noch schwerer zu fassen, als im Falle Deiras. Als Hope-Taylor in den 1970er Jahren über die Ausgrabung der Pfalz Yeavering schrieb, waren aus Bernicia keine angel­ sächsischen Friedhöfe oder andere Funde bekannt.6 Diese Situation hat sich in der Zwischenzeit verändert. So lassen sich für das Gebiet zwischen Tees und Tyne für das frühe 6. Jahrhundert kleine bäuerliche Gemeinschaften archäologisch nachweisen.7 Cramp berichtet von insgesamt acht Gräberfeldern aus Bernicia, auf denen Funde die Klassifizierung von Bestattungen als anglisch erlauben.8 Trotz der Fortschritte in der Archäologie, die frühe anglische Einwohner Berni­ cias sichtbar gemacht haben, bleibt für Bernicia mehr als für alle anderen angel­ sächsischen Reiche die Frage nach dem großen Rest der Bevölkerung, also die Frage nach den Briten. In diesem Zusammenhang sind zwei Theorien über das Werden des germanischsprachigen Königtums in Bernicia von Bedeutung. Eine weit verbreitete Theorie geht von Feindschaft zwischen den britischen Bewohnern und den germani­ schen Neuankömmlingen aus. Letztere hätten die britischen Großen mit Gewalt ver­ trieben und die abgabenpflichtigen britischen Bauern unterjocht.9 Dieser Theorie steht eine Vorstellung weitgehender Kooperation zwischen Briten und Angeln gegen­ über, wie sie Hope-Taylor vorgeschlagen hat.10 Danach könnte es so gewesen sein, dass die Offiziere von anglischen Schiffsmannschaften, die zum Schutz der Küsten ins Land geholt wurden, unter den britischen Herrschern Bernicias aufgestiegen und

4 Vgl. Bailey, Northumbria, 409, Hall, English Heritage, 34  ff. 5 Vgl. Higham, The Kingdom of Northumbria AD 350–1100, 111  f., Yorke, Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England, 77. 6 Vgl. Hope-Taylor, Yeavering, 282  f. 7 Vgl. Bailey, Northumbria, 405. 8 Vgl. Cramp, Anglo-Saxon and Viking Antiquities in the Museum of Newcastle upon Tyne, 1. Insge­ samt bleibt dennoch festzuhalten, dass nur wenige angelsächsische Funde aus der Frühzeit Bernicias bekannt sind. Das muss aber nicht bedeuten, dass es keine angelsächsischen Siedler gegeben hat. Vielmehr muss auch eine Besonderheit in den Bestattungsbräuchen beachtet werden. In Bernicia wurden vor dem 7.  Jahrhundert keine oder nur wenige Beigaben in Bestattungen mitgegeben. Vgl. Hope-Taylor, Yeavering, 278, 315, Lucy, Changing Burial Rites in Northumbria AD 500–750, 12, 15. 9 Vgl. etwa Dumville, The Origins of Northumbria, 216, Kirby, The Earliest English Kings, 59, der den Erfolg der Dynastie von Bernicia eher in der Unterstützung durch Krieger aus Deira begründet sieht. 10 Vgl. Hope-Taylor, Yeavering, 283  ff., 300  ff.

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immer einflussreicher geworden sind. Schließlich könnte es in einer Palastrevolution zur Machtübernahme eines dieser Offiziere gekommen sein. Die neue Dynastie habe sich dabei auf die Akzeptanz und die Unterstützung der britischen Eliten und der bri­ tischen Bevölkerung stützen können. Für diese Annahme spricht für Hope-Taylor die geringe Funddichte an genuin anglisch-germanischen Stücken, die Kontinuität der Bebauung und Nutzung Yeaverings und der Umstand, dass eine angeblich verschwin­ dend kleine Minderheit von Angeln in der Lage gewesen sein soll, Heere zu stellen, die Æthelfriths expansive Politik möglich machten.11 Da sich die Forschung einig ist, dass für Bernicia von einem hohen keltischen Bevölkerungsanteil auszugehen ist12, muss eine Form der Kooperation stattgefunden haben. Hope-Taylors Hypothese einer germanischen Dynastie, die von einer britischen Bevölkerung akzeptiert und unter­ stützt wurde, ist vor diesem Hintergrund durchaus plausibel. Sollten die Verhältnisse so gewesen sein, hat die Besonderheit in der britischen Kultur Bernicias, dass die Einwohner dieses Gebiets im Gegensatz zu ihren nördlichen Nachbarn Polytheisten waren, diese Allianz mit den ebenfalls polytheistischen Angeln sicher begünstigt.13 Eine Kontinuität in der Verehrung lokaler, britischer Gottheiten, die ohne weiteres von den neuen Herren mitgetragen werden konnte, wäre der Integration sicher för­ derlich gewesen. Der erste Zusammenschluss Bernicias und Deiras unter Æthelfrith wurde bereits beschrieben. Sicher musste es lange dauern, bis sich unter diesen Vorzeichen ein Bewusstsein für eine gemeinsame northumbrische Identität entwickeln konnte. Es gibt Stimmen, die in Beda nicht nur den Propagator, sondern gleich den Urheber der Idee eines geeinten Königreichs Northumbria sehen.14 Zweitens sind beide Reiche viel stärker als Kent, Essex oder East Anglia von der Kultur des keltischen Britannien geprägt – selbst die Namen Deira und Bernicia sind nicht die einer germanischsprachigen gens, sondern keltischen Ursprungs.15 In beiden Reichen gab es einen hohen britischen Bevölkerungsanteil.16 Daneben hatten sie auch keltische Nachbarn, mit denen nicht nur kriegerische Auseinandersetzun­

11 Vgl. Ebenda. 12 Vgl. Lambert, Christians and Pagans, 196, Yorke, Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England, 86. 13 Vgl. Hope-Taylor, Yeavering, 288  f., 318. 14 Vgl. Holdsworth, Northumbria, 402, Yorke, Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England, 74. 15 Vgl. Holdsworth, Northumbria, 401, Yorke, Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England, 74. Higham, King Edwin of the Deiri, 41 führt den Namen der Deiri auf den Fluss Derwent zurück. 16 Vgl. Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c. 597–c. 700, 114, Fisher, The Anglo-Saxon Age, 47  ff., Higham, The Kingdom of Northumbria AD 350–1100, 111, Holdsworth, Northumbria, 401, Hope-Taylor, Yeavering, 157, Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 31, Stancliffe, The British Church and the Mission of Augustine, 110  f., Yorke, Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England, 86.



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gen, sondern auch ein kultureller Austausch stattgefunden haben.17 Es überrascht dann auch nicht, dass sich Angehörige der herrschenden Dynastien zu britischen Nachbarn ins Exil begaben, und dass irische Geistliche bei der Mission in Northum­ bria eine entscheidende Rolle spielen würden. Drittens vollzieht sich die Christianisierung Northumbrias im 7. Jahrhundert vor dem Hintergrund andauernder Konflikte mit den südlichen Nachbarn, den Königen von Mercia. Die beiden Reiche waren ständige Rivalen um Hegemonie und um direk­ ten Einfluss auf kleinere politische Gebilde an der gemeinsamen Grenze, wie etwa Lindsey. Yorke schreibt dazu: „One of the commonest causes of death amongst early Northumbrian princes was battle against the Mercians.“18 Die Geschichte der Konversion Northumbrias, und damit verbunden die Geschi­ cke der Polytheisten in den Gebieten nördlich des Humber, spielt sich vor dem Hin­ tergrund dieser auf den ersten Blick verwirrenden, politisch wechselhaften, kulturell dynamischen und vielfachen Einflüssen ausgesetzten Welt einer anglo-britischen Kultur ab.

5.1 Versuch der Etablierung des römischen Christentums durch Edwin Edwin von Deira war der erste angelsächsische König nördlich des Humber, der sich taufen ließ. Wir wissen das, weil Beda über dessen Vorgänger Æthelfrith berichtet, er sei im Krieg ein so außerordentlich erfolgreicher Anführer gewesen, dass man ihn mit Saul habe vergleichen können, nur habe er die göttliche Religion nicht gekannt.19 Es wird allgemein angenommen, dass Beda bei seiner Darstellung der Bekehrung Nort­ humbrias das ihm Überlieferte so genau wie möglich wiedergegeben habe, und es so möglich sei, ein recht verlässliches Bild zu rekonstruieren.20 Neben der HE, wie stets die zentrale Quelle so auch dieses Kapitels, ist auch ein anderer Text überlie­ fert, der von der Konversion Edwins berichtet. Es handelt sich dabei um die Anfang des 8.  Jahrhunderts verfasste Lebensbeschreibung Gregors des Großen. Der Autor 17 Vgl. Chadwick, The Conversion of Northumbria, 157, 159, Dumville, The Origins of Northumbria, 219  f., Kirby, The Earliest English Kings, 58  ff., Lambert, Christians and Pagans, 124  ff., Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 15  f., 119, Stancliffe, The British Church and the Mission of Augustine, 110  f., Stenton, Anglo-Saxon England, 74  ff. 18 Yorke, Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England, 82. 19 HE I, 34 „[…] Aedilfrid, qui plus omnibus Anglorum primatibus gentem uastauit Brettonum, ita ut Sauli quondam regi Israheliticae gentis conparandus uideretur, excepto dumtaxat hoc, quod diuinae erat religionis ignarus.“ 20 Vgl. Chadwick, The Conversion of Northumbria, 166, Higham, The Kingdom of Northumbria AD 350–1100, 107, Ders., King Edwin of the Deiri, 44, Miller, The Dates of Deira, 57 stellt fest, dass ge­ legentliche Ungenauigkeiten in der Chronologie nicht auf Fehler Bedas zurückgingen, sondern auf Ungereimtheiten in dessen Quellen.

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dieses Werkes, ein Mönch aus Whitby, ist namentlich unbekannt.21 Chadwick hat festgestellt, dass das genaue Verhältnis zwischen Bedas HE und der Vita Gregors nicht feststellbar sei, sie vermutet eine mündlich tradierte Erzählung als gemeinsame Quelle.22 Da bereits vor der Konversion zum Christentum nur wenige Beigaben in Gräber nördlich des Humber gelangten, sind archäologische Quellen bei der Untersu­ chung der northumbrischen Konversion wenig ergiebig.23 Eine umso wichtigere Aus­ nahme sind die Ergebnisse der Ausgrabungen der bernizischen Pfalz Yeavering, die Hope-Taylor umfassend dargestellt und kommentiert hat. Die archäologische Unter­ suchung des Ortes hat es ermöglicht, einen in chronologische Phasen gegliederten Verlauf der Siedlungsstruktur zu rekonstruieren.24 In Relation gesetzt mit den über­ lieferten historischen Quellen, wird Yeavering so zu einem Spiegel der politischen und kulturellen Entwicklung Northumbrias im 7. Jahrhundert.25 Welches Bild der Konversion Northumbrias ergibt sich nun aus den Quellen? Ein erster Kontakt Edwins mit der christlichen Religion könnte im Exil nach der Erobe­ rung Deiras durch Æthelfrith stattgefunden haben. Während Beda nur von Stationen des Prinzen an den heidnischen Höfen von Mercia und East Anglia berichtet26, legen zwei Stellen in Nennius Historia Brittonum und in den Annales Cambriae die Möglich­ keit einer britischen Zwischenstation Edwins nahe. In beiden Texten wird die Taufe Edwins einem britischen Priester namens Run, Urbgens Sohn, zugeschrieben.27 Für 21 Vgl. zu Informationen über die Gregorvita Colgraves Kommentare in seiner maßgeblichen Edition des Textes: Colgrave, The Earliest Life of Gregory the Great, 45  ff., Chadwick, The Conversion of North­ umbria, 141  f., Holdsworth, Northumbria, 402. 22 Vgl. Chadwick, The Conversion of Northumbria, 142  f., 145. 23 Vgl. Hope-Taylor, Yeavering, 278, 315. 24 Vgl. Ebenda, 157  ff. 25 Vgl. Ebenda, 313: „What we see at Yeavering must indeed be largely a reflection of political, religious and cultural developments centred on Bamburgh, and to that extend its testimony is potentially relevant to the problems of the Bernician Golden Age.“ 26 HE II, 12 „Cum persequente illum Aedilfrido, qui ante eum regnauit, per diuersa occultus loca uel regna multo annorum tempore profugas uagarentur, tandem uenit ad Redualdum obsecrans, ut uitam suam a tanti persecutoris insidiis tutando seruaret. Qui libenter eum excipiens promisit se, quae petebatur, esse facturum.“, HE II, 14 „[…] Osfrid et Eadfrid filii regis Eduini, qui ambo ei exuli nati sunt de Quoenburga filia Cearli regis Merciorum.“ Vgl. zu dieser Zeit Edwins im Exil Bruce-Mitford, The Sutton-Hoo Ship Burial, 699, Campbell, Bede’s Reges and Principes, 94, 137, Chadwick, The Conversion of Northumbria, 141  ff., Colgrave, The Earliest Life of Gregory the Great, 124  f, Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c. 597–c. 700, 61, 104, Fisher, The Anglo-Saxon Age, 42, 119, Higham, The Kingdom of Northumbria AD 350–1100, 112  f., Ders., Kind Edwin of the Deiri, 44  f., Insley, Oswald, 360, Kirby, The Earliest English Kings, 52  ff., Lambert, Christians and Pagans, 133  f., 190  f., Loyn, Edwin, 454, Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 21, 66, Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 108, Stenton, Anglo-Saxon England, 38, 78  f., Yorke, Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England, 77, 81. 27 Ann. Camb. a. 182 „Etguin baptizatus est; et Run filius Urbgen baptizavit eum.“ HB § 63 „Eadgum vero in sequenti pascha baptismum suscepit et duodecim millia hominum baptizati sunt cum eo. So quis scire voluit, quis eos baptizavit […] Rum map Urbgen […] baptizavit eos […].“ Die zweite Auslassung



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Chadwick war dies ein Hinweis auf einen Aufenthalt Edwins am britischen Hof von Gwynedd.28 Sollte sich dies so zugetragen haben, wäre eine Taufe des Schutz suchen­ den Exilanten auf Betreiben seiner christlichen Gastgeber im Bereich des Denkba­ ren.29 Schließlich haben auch die Söhne Æthelfriths eine Generation später im Exil bei britischen Herrschern das Christentum kennengelernt und die Taufe empfangen. Allerdings war der Effekt dieser möglichen ersten Taufe auf den jungen Edwin nicht nachhaltig, was sicher ein Grund für die verbreitete Skepsis über die Authentizität dieser britischen Tradition ist.30 Ein deutlicher Hinweis auf fortgesetzte heidnische Religiosität unter Edwin ist das als heidnisches Bauopfer zu verstehende Begräbnis unter der Schwelle des Gebäudes A4 in Yeavering, welches Hope-Taylor als eine große Halle identifiziert hat, die Edwin früh in seiner Regierungszeit errichten ließ.31 Der entscheidende Impuls für die Hinwendung Edwins zum römischen Chris­ tentum ergab sich durch sein Bündnis mit Kent. Dieses wurde notwendig, nachdem Edwins Schutzherr Rædwald irgendwann nach 616, wahrscheinlich aber doch erst einige Jahre später, starb.32 Edwin brauchte eine Bündnispartner, der mächtig genug war, um ihm von Nutzen sein zu können, aber der auch weit genug weg war, um nicht in direkter Konkurrenz zu Northumbria zu stehen. Der Partner, auf den diese Beschreibung genau zutraf, war Eadbald von Kent.33 Wie im Mittelalter üblich, sollte das Bündnis durch eine Hochzeit gefestigt werden. Beda berichtet, wie Edwin eine Gesandtschaft zur Brautwerbung nach Kent schickte. Dieser erste Versuch sei jedoch gescheitert, da Eadbald geantwortet habe, „es sei nicht erlaubt, eine christliche gibt an, dass in einigen Versionen der Handschrift folgende Einfügung zu finden ist: „[…] id est Paulinus Eboracensis archiepiscopus […].“ Bei diesem Einschub handelt es sich um den nachträglichen Versuch, die britische Tradition um eine Taufe Edwins durch Rum map Urbgen mit der durch Beda verbreiteten Version der Taufe Edwins durch Paulinus in Einklang zu bringen. Chadwick, The Conversion of Northumbria, 157 nimmt an, dass beide britische Quellen auf einen gemeinsamen Ursprung zurückgehen. 28 Vgl. Chadwick, The Conversion of Northumbria, 147  ff. Fisher, The Anglo-Saxon Age, 41 sieht in einem möglichen Aufenthalt Edwins an einem britischen Hof ein Motiv für Æthelfriths Angriff auf Chester. Chadwicks Theorie findet Anklang bei Lambert, Christians and Pagans, 191, der darauf hinweist, dass Mehrfachtaufen zumindest in der Wikingerzeit nicht unüblich gewesen seien. Kirby, King Edwin of the Deiri, 44 hingegen sieht in dem Ausgang der Schlacht von Chester einen Anlass für Edwin, Mercia zu verlassen und sich nach East Anglia zu begeben. Offenbar geht Kirby für diese Zeit von einem Aufenthalt Edwins am Hofe Cearls aus. 29 Vgl. Ebenda, 155  f. 30 Vgl. Colgrave, The Earliest Life of Gregory the Great, 137 weist darauf hin, dass es keine frühe Überlieferung dieser Tradition gäbe. Ebenfalls ablehnend Fletcher, The Barbarian Conversion, 119, 171, ­Higham, The Convert Kings, 149, Jackson, On the British Section in Nennius, 33, Loyn, Edwin, 454, Kirby, The Earliest English Kings, 64  f., Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 285, von Padberg, Mission und Christianisierung, 166, 169. 31 Vgl. Hope-Taylor, Yeavering, 137, 161, 245, 278, 311  f., Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 47 sieht in der Mitgabe eines Ziegenschädels Spuren des britischen Heidentums in Bernicia. 32 Vgl. Kapitel 4.1. 33 Vgl. Higham, King Edwin of the Deiri, 45.

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Jungfrau einem Heiden zur Frau zu geben, damit nicht Glaube und Sakramente des himmlischen Königs durch die Gemeinschaft mit einem König, der die Verehrung des wahren Gottes gar nicht kenne, entweiht würden.“34 Edwin, dem offenbar einiges an dem Zustandekommen der Verbindung lag, ließ sich nicht entmutigen und ver­ sprach, „überhaupt nichts gegen den christlichen Glauben, dem die Jungfrau anhing, zu tun, ja sogar zu erlauben, daß sie Glauben und Verehrung ihrer Religion mit allen, die mit ihr kämen, Männern und Frauen, Priestern und Dienern, in christlicher Weise ausübe.“35 Edwin sei sogar noch einen Schritt weiter gegangen, indem er seine eigene Bekehrung für den Fall in Aussicht gestellt habe, dass seine Ratgeber diesen Schritt befürworten würden.36 Erst nach diesem Versprechen sei Eadbald bereit gewesen, seine Schwester Æthelburh in Begleitung des frisch zum Bischof geweihten Paulinus gen Norden zu schicken.37 Aus dem Berichteten werden zwei Dinge deutlich. Erstens muss Edwin sehr viel an dem Bündnis mit Kent gelegen haben. Dies wird erklärbar vor dem Hintergrund der Turbulenzen, die auf das Machtvakuum nach dem Tode Rædwalds folgten. Nach Higham seien sowohl der westsächsische Mordversuch an Edwin als auch die Kriege von Sæberhts Söhnen vor diesem politischen Hintergrund zu verstehen.38 Zweitens müssen die Verhandlungen um eine Ehe zwischen Edwin und Æthel­ burh nach der religionspolitischen Kehrtwende Eadbalds, und das bedeutet um 62439 herum, stattgefunden haben.40 34 HE II, 9 „[…] responsum est non esse licitum Christianam uirginem pagano in coniugem dari, ne fides et sacramenta caelestis regis consortio profanarentur regis, qui ueri Dei cultus esset prorsus ignarus.“ 35 HE II, 9 „[…] se nihil omnimodis contrarium Christianae fidei, quam uirgo colebat, esse facturum; quin potius permissurum, ut fidem cultumque suae religionis cum omnibus, qui secum uenissent, uiris siue feminis, sacerdotibus seu ministris, more Christiano seruaret.“ 36 HE II, 9 „Neque abnegauit se etiam eandem subiturum esse religionem, si tamen examinata a prudentibus sanctior ac Deo dignior posset inueniri.“ 37 HE II, 9 „Itaque promittitur uirgo, atque Eduino mittitur, et iuxta quod dispositum fuerat, ordinatur episcopus uir Deo dilectus Paulinus, qui cum illa ueniret, eamque et comites eius, ne paganorum possent societate pollui, cotidiana et exortatione et sacramentorum caelestium celebratione confirmaret.“ Siehe zur Hochzeit zwischen Æthelburh und Edwin sowie deren Auswirkungen Campbell, Bede I, 8, Chadwick, The Conversion of Northumbria, 139, Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 162, 248, Fisher, The Anglo-Saxon Age, 73, Fletcher, The Barbarian Conversion, 3, Higham, The Convert Kings, 164, Ders., King Edwin of the Deiri, 45  f., Holdsworth, Northumbria, 403, Insley, Oswald, 365, Kirby, The Earliest English Kings, 34  f., 63, 65, Lambert, Christians and Pagans, 191, 195, Loyn, Edwin, 454, Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 66, Nolte, Conversio et Christianitas, 113  ff., Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 61, 137  f., von Padberg, Mission und Christianisierung, 59  f., 165, 260, 337  f., Ders., Die Christianisierung Europas im Mittelalter, 81, Ders., Die Inszenierung religiöser Konfrontationen, 62, Stenton, Anglo-Saxon England, 113  f. 38 Vgl. Higham, King Edwin of the Deiri, 45  f. 39 Vgl. Kirby, The Earliest English Kings, 33. 40 Vgl. Wallace-Hadrill, Bede’s Ecclesiastical History of the English People, 65 zu den chronologischen Problemen des Kapitels II, 9. Die Ansicht, wonach die Reise von Æthelburh und Paulinus bereits 618– 19 stattgefunden habe, scheint allerdings überholt zu sein.



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Nachdem das Bündnis und die Eheschließung zustande gekommen waren, scheint Edwin es mit der Umsetzung seiner vagen Zusage bezüglich der eigenen Kon­ version nicht eilig gehabt zu haben. So berichtet Beda, der Bischof Paulinus habe zwar sein Bestes gegeben, doch habe er keine großen Erfolge bei der Missionsarbeit vorweisen können.41 Auch zwei in der HE zitierte Briefe Bonifatius’ V. zeugen von den schwierigen Anfängen der römischen Mission in Northumbria. Der erste Brief, der auf den Zeitraum zwischen dem 21.7. und dem 22.10.62542 fällt, ist an Edwin adressiert. Der Papst fordert Edwin dazu auf, von der Verehrung menschengemachter Götzen abzulassen und dem Beispiel Eadbalds folgend, den Glauben an Gott anzunehmen. Darüber hinaus soll Edwin die Götzenbilder in seinem Reich zerstören lassen, damit er deren Wertlosigkeit erkennen möge.43 In einem zweiten Brief aus der selben Zeit wendet sich Bonifatius V. an Æthelburh. Er teilt ihr mit, dass er von ihrer Taufe und der ihres Bruders erfahren habe, aber auch dass er gehört habe, dass ihr Ehemann noch immer ein Heide sei.44 Ob die Argumentationsweise des Papstes Edwin beein­ druckte, ob er sie überhaupt nachvollziehen konnte, ist nicht zu rekonstruieren. Sicher ist jedoch, dass sein Zögern nicht allein auf Glaubensüberlegungen zurückzu­

41 HE II, 9 „Cumque in prouinciam uenisset, laborauit multum, ut et eos, qui secum uenerant, ne a fide deficerent Domino adiuuante contineret, et aliquos, so forte posset, de paganis ad fidei gratiam praedicando conuerteret. Sed, sicut apostolus ait, quamuis multo tempore illo laborante in uerbo, Deus saeculi huius excaecauit mentes infidelium, ne eis fulgeret inluminatio euangelii gloriae Christi.“ Vgl. Fisher, The Anglo-Saxon Age, 73. 42 Vgl. Spitzbart, Kirchengeschichte des englischen Volkes, 164  f., Kirby, Bede and Northumbrian Chronology, 514  ff., Wallace-Hadrill, Bede’s Ecclesiastical History of the English People, 68. 43 HE II, 10 „Vnde praesenti stilo gloriosos uos adhortandos cum omni affectu intimae caritatis curauimus, quatinus abominatis idolis eorumque cultu spretisque fanorum fatuitatibus et auguriorum deceptabilis blandimentis, credatis in Deum Patrem omnipotentem eiusque Filium Iesum Christum et Spiritum Sanctum, ut credentes, a diabolicae capitiuitatis nexibus sanctae et indiuiduae Trinitatis cooperante potentia absoluti, aeternae uitae possitis esse participes. […] Vnde oportet uos, suscepto signo sanctae crucis, […] iniectisque manibus hos, quos eatenus materiae conpage uobis deos fabricastis, confrigendos diminuendosque summopere procurate. Ipsa enim eorum dissolutio corruptioque, quae numquam uiuentem spiritum habuit, nec sensibilitatem a suis factoribus potuit quolibet modo suscipere, uobis patenter insinuet, quam nihil erat, quod eatenus colebatis […].“ 44 HE II, 11 „Didicimus namque referentibus his, qui ad nos gloriosi filii nostri Audubaldi regis laudabilem conuersionem nuntiantes peruenerunt, quod etiam uestra gloria, Christianae fidei suscepto mirabili sacramento, piis et Deo placitis iugiter operibus enitescat […] cumque de glorioso coniuge uestro paterna caritas sollicite perquisisset, cognouimus, quod eatenus abominandis idolis seruiens, ad suscipiendam uocem praedicatorum suam distulerit oboedientiam exhibere.“ Siehe zu den Briefen Bonifatius V. Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c. 597–c. 700, 78, 104  f., Fletcher, The Barbarian Conversion, 120, Higham, The Convert Kings, 165  f., Hunter-Blair, The Letters of Pope Boniface V and the Mission of Paulinus to Northumbria, 5  f., Kirby, The Earliest English Kings, 32  f., Nolte, Conversio et Christianitas, 116  ff., von Padberg, Mission und Christianisierung, 34, 133, 147, Ders., Die Inszenierung religiöser Konfrontationen, 150, 169  ff.

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führen ist.45 Verständlich wird Edwins Zurückhaltung vor dem Hintergrund der Not­ wendigkeit, nicht nur in seinem heimatlichen Deira, sondern auch in Bernicia, das er mit Hilfe Rædwalds erobert hatte, Frieden zu wahren und seine Ansprüche durchzu­ setzen. In dieser Situation konnte Edwin sich keine religionspolitischen Experimente leisten. Eine verfrühte Hinwendung zum Christentum, ohne die Zustimmung aller Großen beider Reiche, hätte womöglich den Anlass zu einer Rebellion gegen seine Herrschaft gegeben.46 Diese Interpretation der Ereignisse wird dadurch gestützt, dass Edwins letztendliche Hinwendung zum Christentum erst erfolgte, nachdem er durch seinen Sieg gegen die Westsachsen seine eigene Stellung gesichert und sich Prestige als erfolgreicher Kriegsherr aufgebaut hatte.47 Doch selbst in dieser gesicherten Lage war Edwin darauf bedacht, diesen wichtigen Schritt nur im Konsens mit den Großen seines Reiches zu gehen. Der Wortlaut der Versammlung, den Beda wiedergibt, ist sicher rekonstruiert, doch der Inhalt der Unterredung muss als authentisch angese­ hen werden.48 Als erstes wird eine Rede des Oberpriesters Coifi wiedergegeben, der aussagt, er habe erkannt, dass die Religion, der er bislang diente, keinen Nutzen habe. So hätten Andere viel größere Wohltaten vom König empfangen, obwohl niemand den Göttern gewissenhafter gedient habe als er selbst.49 Ein anderer Ratgeber des Königs habe diesen ganz praktischen Gedanken Coifis hinzugefügt, dass bei der Kürze des menschlichen Lebens die Religion vorzuziehen sei, die Sicherheit in Bezug auf das jenseitige Leben verspreche.50 Auch andere Große schlossen sich dem Bericht in der HE zufolge dem neuen religionspolitischen Kurs Edwins an.51 Nach dem Abschluss 45 Dieser Aspekt sollte dennoch nicht außer Acht gelassen werden. Der Bericht Bedas lässt den Schluss zu, dass der König sich über längere Zeit im Glauben unterweisen ließ und dass die religiösen Beratungen mit den Großen des Reiches ernst zu nehmen sind. Vgl. von Padberg, Mission und Chris­ tianisierung, 160  f., 177, 192, 233. 46 Vgl. Holdsworth, Northumbria, 403. Ähnlich argumentieren Higham, The Convert Kings, 169, 176, von Padberg, Die Inszenierung religiöser Konfrontationen, 124, Ders., Von Heidenhunden und Herr­ scherglaube, 10 die auf die Wichtigkeit eines einmütigen Vorgehens beim Glaubensübertritt hinwei­ sen. 47 HE II, 9 „Quo tempore curatus a uulnere sibi pridem inflicto, rex collecto exercitu uenit aduersus gentem Occidentalium Saxonum, ac bello inito uniuersos, quos in necem suam conspirasse didcerat, aut occidit aut in deditionem recepit. Sicque uictor in patriam reuersus […].“ Vgl. in diesem Zusammenhang Higham, The Kingdom of Northumbria AD 350–1100, 115  ff., Ders., King Edwin of the Deiri, 46  f. 48 Vgl. von Padberg, Mission und Christianisierung, 168, Ders., Die Inszenierung religiöser Konfron­ tationen, 238, Wallace-Hadrill, Bede’s Ecclesiastical History of the English People, 71  f. weist ebenfalls darauf hin, dass der Wortlaut der Reden von Beda stamme. 49 HE II, 13 „[…] ego autem tibi uerissime, quod certum didici, profiteor, quia nihil omnino uirtutis habet, nihil utilitatis religio illa, quam hucusque tenuimus. Nullus enim tuorum studiosius quam ego culturae deorum nostrorum se subdidit; et nihilominus multi sunt, qui ampliora a te beneficia quam ego et maiores accipiunt dignitates, magisque prosperantur in omnibus, quae agenda uel adquirenda disponunt.“ 50 HE II, 13 „Ita haec uita hominum ad modicum apparet; quid autem sequatur, quidue praecesserit, prorsus ignoramus. Vunde, si haec noua doctrina certius aliquid attulit, merito esse sequenda uidetur.“ 51 HE II, 13 „His similia et ceteri maiores natu ac regis consiliarii diuinitus admoniti prosequebantur.“



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der Beratungen habe Edwin öffentlich den alten Göttern und deren Kult entsagt und Paulinus die Erlaubnis zur Missionsarbeit gegeben.52 Es folgt der bekannte Bericht, wie der Oberpriester Coifi sein eigenes Heiligtum entweiht und zerstört habe.53 Da Edwin nach seinem Sieg über die Westsachsen zum Imperiumsträger aufge­ stiegen war, stellt sich die Frage, warum er nun einen Glaubenswechsel anstrebte. Für diese Entwicklung lassen sich im Wesentlichen drei Gründe ausmachen. Erstens spielt hier eine Rolle, dass sich der Gott der Christen in den Augen Edwins als wirksamer Helfer in der Schlacht erwiesen hatte. Bedas Bericht über das Verspre­ chen des Königs, sich von den alten Göttern abzuwenden und Christus zu dienen, wenn er ihm den Sieg über die Westsachsen schenken würde54, zeigt, wie wichtig dieses Motiv für die Annahme des Christentums durch frühmittelalterliche Könige wie Edwin war.55 Dass er weiter zögerte, lag an den bereits genannten politischen Erwägungen. Zweitens darf der praktische Nutzen, den Gelehrte wie Paulinus bei der Verwal­ tung eines großen Reiches boten, nicht außer Acht gelassen werden. Higham sieht im Tribal Hidage eine Tributliste, die Paulinus für den Oberkönig Edwin aufgestellt hat. Diese Liste sei beim Empfang jährlicher Tributzahlungen zum Einsatz gekommen.56 Neben derlei Erwägungen darf auch das Prestige, das allem Römischen anhaftete, nicht unterschätzt werden. Edwin kannte York mit seinen römischen Ruinen. Beda berichtet, der König habe Standarten nach römischer Art vor sich hertragen lassen57, und er mag sich von der Annahme des römischen Christentums versprochen haben,

52 HE II, 13 „Praebuit palam adsensum euangelizanti beato Paulino rex, et, abrenuntiata idolatria, fidem se Christi suscipere confessus est.“ 53 HE II, 13 „Accinctus ergo gladio accepit lanceam in manu, et ascendens emissarium regis pergebat ad idola. […] Nec distulit ille, mox ut adpropiabat ad fanum, profanare illud, iniecta in eo lancea quam tenebat; multumque gauisus de agnitione ueri Dei cultus, iussit sociis destruere ac succendere fanum cum omnibus septis suis.“ Vgl. zu den Implikationen dieser Handlung Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 12, von Padberg, Mission und Christianisierung, 167  ff., Ders., Die Inszenierung re­ ligiöser Konfrontationen, 238  ff., sowie zur Frage, ob es sich bei Coifi um einen Schamanen handelte Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c. 597–c. 700, 82, 98. 54 HE II, 9 „[…] rex promisit se abrenuntiatis idolis Christo seruiturum, si uitam sibi et uictoriam donaret pugnanti aduersus regem, a quo homicida ille, qui eum uulnerauerat, missus est […].“ 55 Vgl. Fletcher, The Barbarian Conversion, 4  f., Higham, The Convert Kings, 201, Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 66, von Padberg, Mission und Christianisierung, 160  f., 233, Ders., Odin oder Christus?, 261  f., Ders., Reaktionsformen des Polytheismus im Norden auf die Ex­ pansion des Christentums im Spiegel der Goldbrakteaten, 619  f., Yorke, The Reception of Christianity at the Anglo-Saxon Royal Courts, 167, 56 Vgl. Higham, The Kingdom of Northumbria AD 350–1100, 115  ff., Ders., King Edwin of the Deiri, 46  f. 57 Vgl. HE II, 16 „Tantum uero in regno excellentiae habuit, ut non solum in pugna ante illum uexilla gestarentur, sed tempore pacis equitantem inter ciuitates siue uillas aut prouincias suas cum ministris semper antecedere signifer consuesset; necnon et incedente illo ubilibet per plateas, illud genus uexilli, quod Romani tufam, Angli appellant thuuf, ante eum ferri solebat.“

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seine Herrschaft dadurch weiter zu untermauern, indem er Teil der römischen Welt wurde.58 Drittens bot gerade die römische Variante des Christentums eine willkommene Gelegenheit sowohl zur äußeren Abgrenzung als auch zur Festigung des Zusammen­ halts der Reichsteile nach Innen. Edwins Northumbria war nach Süden hin durch das heidnische Mercia und nach Norden und Westen hin durch britisch-christliche Reiche bedroht. In dieser Lage war das Bekenntnis zum römischen Christentum ein Allein­ stellungsmerkmal, das zugleich Unabhängigkeit und imperialen Herrschaftsanspruch transportierte. Da Abgrenzung nach Außen und Festigung im Inneren oft zwei Seiten einer Medaille sind, intendierte diese Politik sicher auch die Integration von Deira und Bernicia voranzutreiben. Die Kontinuität lokaler Kulte bedeutete auch immer die Pflege lokaler Identitäten.59 Diese Gründe haben unmittelbare Auswirkung auf die Position Aller, die an der Verehrung der alten Götter festhalten wollten. Anders als Æthelberht und Sæberht konnte Edwin eine Wahlfreiheit nicht zulassen. Deshalb musste er auf den Konsens der Stammesversammlung bestehen. Andernfalls drohte die Gefahr des Auseinanderbrechens seines Reiches. Diese Demonstration von Einigkeit ist die wich­ tige Funktion der Stammesversammlung bei der Konversion North­umbrias.60 Spuren dieses religiösen Paradigmenwechsels lassen sich in den Schriftquellen, aber auch archäologisch ausmachen. Northumbria ist das einzige der angelsächsischen Reiche, für das im Zusammenhang mit der Konversion des Königs und seiner Großen auch gleich von der Zerstörung der alten Kultstätten berichtet wird.61 Für die gleiche Zeit sieht Hope-Taylor in Yeavering Anzeichen für eine Umwandlung des vermutlichen Tempels D2 in eine Kirche. Hinweise sind für ihn die Entfernung dreier frei stehender

58 In diesem Zusammenhang war es für Edwin sicher auch wichtig, in Korrespondenz mit dem Ober­ haupt der römischen Kirche zu stehen. Der Brief Honorius I. Vom 11. Juni 634, den Beda unter HE II, 17 zitiert, enthält nicht nur die wichtige Zusage, Paulinus ein Pallium zu schicken, sondern ist für sich genommen schon ein prestigeträchtiges Dokument. Vgl. zur Datierung Spitzbart, Kirchengeschichte des englischen Volkes, 192  f. Zur Rolle der romanitas in Edwins Herrschaft siehe Dunn, The Christia­ nization of the Anglo-Saxons c. 597–c. 700, 105, Higham, The Convert Kings, 165  f., 173  ff., 184  ff., HopeTaylor, Yeavering, 140, Kirby, The Earliest English Kings, 65, Lambert, Christians and Pagans, 195. 59 Vgl. Higham, The Kingdom of Northumbria AD 350–1100, 124. 60 Von Padberg, Mission und Christianisierung, 166  ff., 356  f. kommt zu dem Ergebnis, dass die öf­ fentliche Diskussion des Glaubenswechsels für die Entscheidung selbst nicht so wichtig gewesen sei. Die entscheidende Rolle sei der Einstellung des Königs zugekommen. Diese Erkenntnis deckt sich mit den oben dargelegten Überlegungen. Edwin bestimmte den Kurs in der Tat, er musste gleichzeitig dar­ auf bestehen, dass ihm alle Großen demonstrativ folgten. Siehe zur Stammesversammlung im Zusam­ menhang mit Edwins Konversion ebenfalls Campbell, Observations on the Conversion of England, 73  f., Chadwick, The Conversion of Northumbria, 141, Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 63, Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c. 597–c. 700, 135, Fletcher, The Barbarian Conversion, 5, 238, 505, Higham, The Convert Kings, 168  f., 176, Lambert, Christians and Pagans, 192  ff., Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 50  f., von Padberg, Die Christianisierung Europas im Mittel­ alter, 81, Ders., Die Inszenierung religiöser Konfrontationen, 62, Stenton, Anglo-Saxon England, 114  f. 61 Vgl. HE II, 13 […] iussit sociis destruere ac succendere fanum cum omnibus septis suis.“



Versuch der Etablierung des römischen Christentums durch Edwin 

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Pfosten im Inneren des Gebäudes und das Anlegen eines angrenzenden Friedhofs.62 Die Spuren einiger provisorischer Anbauten an die West- und Nordseite von D263 erin­ nern an die Anweisung Papst Gregors an Mellitus, die Tempel der Heiden nicht zu zerstören, sondern sie in Kirchen umzuwandeln. Zum Ersatz heidnischer Feste sollten die Menschen „am Tag der Weihe oder am Tag der Heiligen Märtyrer, deren Reliquien dort niedergelegt sind, Hütten aus Baumzweigen um diejenigen Kirchen bauen, die aus den Heiligtümern entstanden sind […].“64 Zudem wird berichtet, dass zugleich mit Edwin alle Großen seines Reiches und der größte Teil des Volkes die Taufe emp­ fangen hätten.65 Während sicher nicht die Mehrheit der einfachen Bevölkerung sogleich getauft werden konnte, erscheint die Angabe, dass alle Edlen mit Edwin getauft wurden, im Lichte der bisherigen Erkenntnisse durchaus plausibel. Übrigens berichtet Beda an gleicher Stelle über den Predigteinsatz des Paulinus in Yeavering und einen Aufenthalt von 36 Tagen, während derer der Bischof „sich der Aufgabe des Glaubensunterrichts und des Taufens widmete.“66 Es ist denkbar, dass die von HopeTaylor postulierte Umwandlung von D2 in eine Kirche im Zuge dieses Besuches des königlichen Hofs und des Bischofs Paulinus stattgefunden haben könnte. Eine Stelle in der anonymen Vita Gregorii aus Whitby gibt einen kleinen Einblick in die Vorge­ hensweise Edwins bei der Überzeugung der Großen. Es wird berichtet, wie der König in Begleitung einer großen Anzahl von Ungetauften zur Kirche eilt, um von Paulinus eine Belehrung im Glauben zu erhalten. Vorher seien diese Menschen in der Halle des Königs ermahnt worden, sich dem christlichen Glauben zu öffnen.67 Hier wird das Ineinandergreifen von königlicher Macht und geistlicher Belehrung bei der Konver­ sion der Aristokratie Northumbrias greifbar.68 Das gleiche Muster findet sich auch in

62 Vgl. Hope-Taylor, Yeavering, 278 und jüngst Hines, Burial and Religion in Pre-Christian Anglo-Saxon England, 65. 63 Vgl. Ebenda, 158, 244. 64 HE I, 30 „[…] quia fana idolorum destrui in eadem gente minime debeant, sed ipsa, quae in eis sunt, idola destruantur, aqua benedicta fiat, in eisdem fanis aspergatur, altaria construantur, reliquiae ponantur. […] ut die dedicationis uel natalicii sanctorum martyrum, quorum illic reliquiae ponuntur, tabernacula sibi circa easdem ecclesias, quae ex fanis commutatae sunt, de ramis arborum faciant […].“ 65 HE II, 14 „Igitur accepit rex Eduini cum cunctis gentis suae nobilibus ac plebe perplurima fidem et lauacrum sanctae regenerationis […].“ 66 HE II, 14 „ut quodam tempore Paulinus ueniens cum rege et regina in uillam regiam, quae u ­ ocatur Adgefrin, XXXVI diebus ibidem cum eis cathecizandi et baptizandi officio deditus moraretur […].“ Vgl. zu den Massentaufen des Paulinus Chadwick, The Conversion of Northumbria, 141, Fletcher, The Barbarian Conversion, 119, Higham, The Convert Kings, 153, Ders., The Kingdom of Northumbria AD 350– 1100, 119, Lambert, Christians and Pagans, 195  f., Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 138, von Padberg, Mission und Christianisierung, 177, 181, 192, Stenton, Anglo-Saxon England, 115. 67 VG Kapitel 15 „Cum stipatus ad eclesiam rex prefatus ad caticuminum eorum qui adhuc erant gentilitati non solum, sed etiam et non licitis stricti coniugiis, cum illo festinavit ab aula ubi prius adhuc utrumque hortati sunt ab illis […].“ 68 Zu einer ähnlichen Einschätzung des doppelten Vorgehens Edwins – Überzeugungsarbeit auf der einen und Druck auf der anderen Seite – kam auch der eine Generation nach Beda schreibende Alcuin

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anderen Gebieten, die Edwin seinem Machtbereich hinzufügen konnte. Als Beispiel mag Lindsey dienen, das im 7. Jahrhundert stets zwischen Mercia und Northumbria umstritten war. Dass Edwin hier als Herrscher anerkannt wurde, wird an dem Bericht deutlich, wonach Paulinus in dem Land missionierte und den Reeve von Lincoln als Ersten habe bekehren können.69 Bevor ein Fazit bezüglich der Situation von Polytheisten in Edwins Reich nach der Taufe des Königs gezogen werden kann, müssen noch einige einschränkende Fak­ toren beachtet werden. So wird in den Quellen von keinem anderen Priester außer Paulinus berichtet. Nach dem Tod Edwins floh der Bischof per Schiff nach Kent und ließ in der Kirche in York lediglich einen Diakon namens Jakobus zurück.70 Zudem sind aus den ersten Jahrzehnten des 7. Jahrhunderts aus Bernicia keine Kirchenbau­ ten archäologisch nachweisbar – mit der möglichen Ausnahme des umgewandelten Tempels der Königspfalz Yeavering.71 Für Deira wird lediglich von einem unvollende­ ten Kirchenbau in York berichtet.72 Auch in den anderen Teilen von Edwins Macht­ bereich gab es nur vereinzelte Kirchenbauten, so etwa in Lincoln und Leeds.73 Eine flächendeckende geistliche Versorgung der northumbrischen Neuchristen kann unter diesen Umständen nicht stattgefunden haben. Ohne lokale Priester waren zum Bei­ spiel regelmäßige Messen nicht durchführbar. Als Fazit kann unter Edwin ab seiner Taufe, der ein Beschluss der Stammesver­ sammlung vorausging, von einem Zwang zur Taufe ausgegangen werden. Die Großen in seinem Versus de patribus regibus et sanctis Euboricensis Ecclesiae genannten Gedicht über York. In Zeile 218 schreibt er über Edwin „[…] inlicitans servare Fidem donisque minisque […].“ 69 HE II, 16 „Praedicabat autem Paulinus uerbum etiam prouinciae Lindissi, quae est prima ad meridianam Humbrae fluminis ripam, pertingens usque ad mare, praefectumque Lindocolinae ciuitatis, cui nomen erat Blaecca, primum cum domu sua conuertit ad Dominum. Vgl. Fisher, The Anglo-Saxon Age, 74, 116, Higham, The Convert Kings, 173, 180, Kirby, The Earliest English Kings, 65, Lambert, Christians and Pagans, 196, Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 138, Stenton, Anglo-Saxon England, 115  f. 70 HE II, 20 „Turbatis itaque rebus Nordanhymbrorum huius articulo cladis […] Paulinus adsumta secum regina Aedilberge, quam pridem adduxerat, rediit Cantiam nauigio […]. Reliquerat autem in ecclesia sua Eburaci Iacobum diaconum […].“ 71 Vgl. Hope-Taylor, Yeavering, 309. Higham, The Kingdom of Northumbria AD 350–1100, 122 meint, dass weder Paulinus noch Edwin viel Zeit in Bernicia verbracht hätten. 72 HE II, 14 „Baptizatus est autem Eburaci […] in ecclesia sancti Petri apostoli, quam ibidem ipse de ligno, cum cathecizaretur atque ad percipiendum baptisma inbueretur, citato opere construxit. […] Mox autem ut baptisma consecutus est, curauit, docente eodem Paulino, maiorem ipso in loco et augustiorem de lapide fabricare basilicam, in cuius medio ipsum, quod prius fecerat, oratorium includeretur. Praeparatis ergo fundamentis in gyro prioris oratorii per quadrum coepit aedificare basilicam; sed priusquam altitudo parietis esset consummate, rex ipse impia nece occisus opus idem successori suo Osualdo perficiendum reliquit.“ Vgl. Fisher, The Anglo-Saxon Age, 74, Hall, English Heritage: York, 34, Higham, The Convert Kings, 170  f., Rahtz, Anglo-Saxon Yorkshire, 6. 73 HE II, 16 „[…] praefectumque Lindocolinae ciuitatis, cui nomen erat Blaecca, primum cum domu sua conuertit ad Dominum. In qua uidelicet ciuitate et ecclesiam operis egregii de lapide fecit […].“ Vgl. Campbell, The Church in Anglo-Saxon Towns, 141, 153, Higham, The Kingdom of Northumbria AD 350–1100, 122.



Heidnische Restauration 

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seines Reiches werden sich der neuen religiösen Ausrichtung nicht haben entziehen können. Dafür sprechen Bedas Beschreibung von Massentaufen in Deira und Bernicia und der Bericht aus der Lebensbeschreibung Gregors des Großen. Unter den beschrie­ benen Umständen kann die der Taufe vorausgehende christliche Unterweisung allerdings nur sehr oberflächlich und die Bekehrung meist nur nominell gewesen sein. Higham geht davon aus, dass die meisten Getauften zu Hause weiterhin ihren gewohnten Kulthandlungen nachgingen.74 Trotz des Zwanges zur Taufe wurden viele Northumbrier nur dem Namen nach Christen – auch mangels Priestern, die den Menschen die Botschaft des Christentums hätten nahebringen können. In der Praxis ist nicht von einer effektiven Kontrolle, die zu Strafen bei einer nicht dem Kirchenrecht entsprechenden Lebensweise oder der Teilnahme an heidnischen Kulthandlungen hätte führen können, auszugehen – zumindest nicht unter der einfachen Bevölkerung und in Randregionen des Reiches.

5.2 Heidnische Restauration Nicht nur der Kirchenbau in York blieb unvollendet. Was auch immer Edwins weitere Pläne beim Ausbau eines christlichen Reiches gewesen sein mögen, sie starben mit ihm, als er in der Schlacht von Haethfelth am 12. Oktober 633 den Tod fand.75 Seine Gegner in dieser Schlacht waren der heidnische König von Mercia Penda und der britisch-christliche König Cædwalla.76 Beda berichtet, Edwins Kopf sei schließlich nach York gebracht und in St. Peter aufbewahrt worden.77 Es ist denkbar, dass der

74 Vgl. Ebenda, 123. 75 HE II, 20 „[…] et conserto graui proelio in campo, qui uocatur Haethfelth, occisus est Eduini die quarto iduum Octobrium, anno dominicae incarnationis DCXXXIII, cum esset annorum XL et VIII, eiusque interemtus uel dispersus exercitus.“ Zu Fragen der Datierung von Edwins Tod siehe WallaceHadrill, Bede’s Ecclesiastical History of the English People, 81, 85. Kirby, The Earliest English Kings, 66 geht davon aus, dass Edwin eine eigenständige Nordprovinz der angelsächsischen Kirche mit York als Sitz eines Erzbischofs einrichten wollte. Zu Edwins Tod und dessen Folgen siehe auch Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c. 597–c. 700, 107, 110, Higham, The Kingdom of Northumbria AD 350–1100, Ders., The Convert Kings 176  f., 201  f., 220, Holdsworth, Northumbria, 403, Kirby, The Earliest English Kings, 66  f., Lambert, Christians and Pagans, 199, 218, 238, Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Ango-Saxon England, 68, von Padberg, Die Christianisierung Europas im Mittelalter, 251, Stenton, Anglo-Saxon England, 116. 76 HE II, 20 „Siquidem Penda cum omni Merciorum gente idolis deditus et Christiani erat nominis ignarus; at uero Caedualla, quamuis nomen et professionem haberet Christiani […].“ Cædwalla hatte allen Grund, Edwins Feind zu sein. Dieser hatte ihn zuvor durch die Eroberung der Isle of Man und Angle­ seys zur Flucht nach Priestholm genötigt. Vgl. Chadwick, The Battle of Chester, 181  f., Loyn, Edwin, 454. 77 HE II, 20 „Adlatum est autem caput Eduini regis Eburacum, et inlatum postea in ecclesiam beati apostoli Petri […].“ Vgl. Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c. 597–c. 700, 151, 169. von Padberg, Mission und Christianisierung, 251.

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geschlagene König auf dem Schlachtfeld enthauptet wurde, und dass sein Körper dort zum Zeichen des Sieges ausgestellt wurde.78 Nach dieser Niederlage habe Cæd­ walla Edwins Reich geplündert und viele Menschen umgebracht.79 Dieser Bericht wird gestützt von Befunden aus Yeavering. Die Edwins Regierungszeit zugeschrieben Phase  IIIc wird durch eine Brandschicht abgeschlossen. Laut Hope-Taylor weisen die Spuren auf einen Kampf und eine anschließende planvolle Zerstörung des Ortes durch Feuer hin.80 Nach dem Tod Edwins seien die Söhne Aethelfriths aus dem Exil bei den Iren und Pikten zurückgekehrt. Dort seien sie mit anderen jungen Adligen aus Bernicia getauft worden. Der ältere Sohn Eanfrith habe die Herrschaft in Bernicia übernommen.81 In Deira sei der Sohn von Edwins Onkel Aelfric, Osric, an die Macht gelangt.82 Beide Könige hätten nach ihrer Machtübernahme das Christentum wieder abgelegt und seien offen zum Heidentum zurückgekehrt.83 Cædwalla seinerseits habe erst Osric in einer Schlacht besiegt, und dann den um Frieden bittenden Ean­ frith ermordet. Beda sieht dies als gerechte Strafe für deren Apostasie.84 Die Herr­ schaftszeit des Osric und des Eanfrith seien aus den Listen gestrichen worden und würden der Regierungszeit Oswalds zugerechnet.85 Eanfriths jüngerer Bruder Oswald sei dann mit einem kleinen christlichen Heer gegen Cædwalla vorgegangen und habe diesen in der Schlacht von Denisesburn besiegt.86 Vor der Schlacht habe Oswald ein großes Holzkreuz errichten lassen und mit seinem ganzen Heer gebetet. Vor dieser Tat, sei es so gewesen, dass „kein Zeichen des christlichen Glaubens, keine Kirche, kein Altar beim ganzen Stamm der Bernicier errichtet wurde, bevor der neue Heer­ 78 Vgl. Wallace-Hadrill, Bede’s Ecclesiastical History of the English People, 85. 79 HE II, 20 „[…] Caedualla […] adeo tamen erat animo ac moribus barbarus, ut ne sexui quidem muliebri uel innocuae paruulorum parceret aetati, quin uniuersos atrocitate ferina morti per tormenta contraderet, multo tempore totas eorum prouincias debachando peruagatus, ac totum genus Anglorum Brittaniae finibus erasurum se esse deliberans.“ 80 Vgl. Hope-Taylor, Yeavering, 163, 277. 81 HE III, 1 „Porro regnum Berniciorum […] suscepit filius Aedilfridi, que de lla prouincia generis et regni originem duxerat, nomine Eanfrid.Siquidem tempore toto, quo regnauit Eduini, filii praefati regis Aedilfridi, qui ante illum regnauerat, cum magna nobilium iuuentute apud Scottos siue Pictos exulabant, ibique ad doctrinam Scottorum cathecizati et baptismatis sunt gratia recreati.“ 82 HE III, 1 „At interfecto in pugna Eduino, suscepit pro illo regnum Deirorum […] filius patrui eius Aelfrici uocabulo Osric […].“ 83 HE III, 1 „Qui uterque rex, ut terreni regni infulas sortitus est, sacramenta regni caelestis, quibus initiatus erat, anathematizando prodidit, ac se priscis idolatriae sordibus polluendum perdendumque restituit.“ 84 HE III, 1 „Nec more, utrumque rex Brettonum Caedualla impia manu, sed iusta ultione peremit. Et primo quidem proxima aestate Osricum […] cum toto exercitu deleuit. […] tandem Eanfridum inconsulte ad se cum XII lectis militibus postulandae pacis gratia uenientem, simili sorte damnauit.“ 85 HE III, 1 „Vnde cunctis placuit regum tempora computantibus, ut, ablata de medio regum perfidorum memoria, idem annus sequentis regis, id est Osualdi uiri Deo dilecti, regno adsignaretur.“ 86 HE III, 1 „Quo post occisionem fratris Eanfridi superueniente cum paruo exercitu, sed fide Christi munito, infandus Brettonum dux cum inmensis illis copiis, quibus nihil resistere posse iactabat, interemtus est in loco, qui linguae Anglorum Denisesburna, id est Riuus Denisi, uocatur.“

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führer, bestimmt durch Glaubensergebenheit, dieses Zeichen des heiligen Kreuzes aufrichtete, als er gegen den sehr bedrohlichen Feind kämpfen wollte.“87 Der Bericht über Edwins Tod und die darauf folgenden Ereignisse geben weitere Einblicke in die religionspolitischen Entwicklungen des zweiten und dritten Jahr­ zehnts des 7. Jahrhunderts in Northumbria. Der Umstand, dass auch Edwins Onkel und Cousin getauft wurden, also Mitglieder der führenden Familie des Reiches, ist ein weiteres Indiz für den auf die Großen ausgeübten Druck, sich taufen zu lassen. Selbst­ verständlich wäre auch eine Konversion aus Überzeugung im Bereich des Möglichen, dagegen spricht allerdings die schnelle Rückkehr zur alten Religion nach Edwins Tod. Es entsteht das Bild einer Gegenreaktion eines nur an der Oberfläche bekehrten Adels in beiden Reichen gegen das Christentum des besiegten Königs. In Bernicia mag diese Religion gar als Zeichen der Unterwerfung unter Deira gesehen worden sein. Hier war die Christianisierung unter Edwin wohl in der Tat nur nominal und nach dessen Tod kehrte das Reich unter Eanfrith zum Polytheismus zurück. Zudem ist es möglich, dass die Niederlage gegen Penda als Zeichen der Schwäche des Chris­ tengottes ausgelegt wurde, und die Nachfolger sich auch deswegen für die alte Reli­ gionsausübung entschieden.88 Dass diese Frage selbst einen Mann wie Beda bewegt hat, zeigt wie wichtig es für ihn war, durch die Erzählung vom Sieg Oswalds, der im Zeichen des Kreuzes kämpfte, doch den Erweis der funktionierenden Sieghilfe des Gottes der Christen zu erbringen. Trotz der Niederlage des Osric und Eanfriths Tod muss festgehalten werden, dass 633/34 für den Zeitraum etwa eines Jahres nach dem Tod Edwins zwei polytheistische Könige die Reiche Deira und Bernicia regierten. Bei dem sich abzeichnenden Bild wäre es überraschend, wenn nicht auch die meisten Großen ihren Königen in dieser Entscheidung für einen erneuten polytheistischen Kult gefolgt wären.

5.3 Die Etablierung des Christentums und die Zurückdrängung des Heidentums unter Oswald Oswald hatte wie seine Brüder Eanfrith und Oswiu die Zeit nach der Niederlage seines Vaters Æthelfrith im Exil verbringen müssen. Zusammen mit den Prinzen waren auch andere junge Adlige aus Edwins Herrschaftsbereich geflohen.89 Die Exilanten fanden

87 HE III, 2 „[…] nullum […] fidei Christianae signum, nulla ecclesia, nullum altare in tota Berniciorum gente erectum est, priusquam hoc sacrae crucis uexillum nouus militiae ductor, dictante fidei deuotione, contra hostem inmanissimum pugnaturus statueret.“ Wallace-Hadrill, Bede’s Ecclesiastical History of the English People, 89 bezweifelt, dass es vor Oswalds Kreuz gar keine Zeichen des Christentums in Bernicia gegeben habe. Allerdings geht diese Geschichte auf Bedas Quelle zu Oswald zurück, die Mönche von Hexham, die für den Kult des Königs verantwortlich waren 88 Vgl. Higham, The Convert Kings, 176  f., 201, 220. 89 Vgl. Wallace-Hadrill, Bede’s Ecclesiastical History of the English People, 87.

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Aufnahme bei den christlichen Iren und ließen sich taufen.90 Es ist denkbar, dass die Taufe eine Voraussetzung dieser Gastfreundschaft gewesen ist. Jedenfalls scheint die christliche Lehre bei Oswald auf fruchtbareren Boden als bei seinem älteren Bruder gefallen zu sein. Nach seinem Sieg über den Briten Cæd­ walla und der Sicherung seines Reiches91, schickte der neue König nach Iona, um einen britischen Bischof für die Mission in seinem Reich zu erbitten.92 Zunächst sei ein namentlich nicht bekannter Bischof nach Northumbria geschickt worden. Dieser habe aber nichts erreichen können und sei schließlich frustriert wieder nach Iona zurückgekehrt.93 Erst danach sei dann der noch zu Bedas Zeiten hochverehrte Aidan ins Land gekommen. Dieser bekam von Oswald einen Sitz auf der Insel Lindisfarne, wo er sogleich ein Kloster nach dem Beispiel Ionas gründete. In der Folge kamen weitere irische Missionare, um in Oswalds Reich zu predigen und zu taufen.94 Die

90 Vgl. Chadwick:, The Celtic Background of Early Anglo-Saxon England, 325, 331, Dunn:, The Christianization of the Anglo-Saxons c. 597–c. 700, 112, Fisher, The Anglo-Saxon Age, 75, Fletcher, The Barbarian Conversion, 162, 263, Higham, The Convert Kings, 154, 207, Holdsworth, Northumbria, 406, In­ sley, Oswald, 363  f., Ders., Oswiu, 370, Kirby, The Earliest English Kings, 72  f., Lambert, Christians and Pagans, 201, 203, 212  f., Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 94, Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 139  f., von Padberg, Mission und Christianisierung, 252, Ders., Die Christianisierung Europas im Mittelalter, 83 Ders., Die Inszenierung religiöser Konfrontationen, 135, Stenton, Anglo-Saxon England, 86, 118, 120, Yorke, Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England, 78, 86. 91 Vgl. Colgrave, Two Lives of St Cuthbert, 634, Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c. 597– c. 700, 64, 112, die annimmt, dass Oswald ein heidnisches Kultobjekt in Form eines Baumes oder einer Säule wie der Irminsul durch sein Kreuz auf Hefenfelth ersetzt habe. Weiter Fisher, The Anglo-Saxon Age, 42, 75, 112, 117, Lambert, Christians and Pagans, 203, Kirby, The Earliest English Kings, 69  f. 92 HE III, 3 „Idem ergo Osuald, mox ubi regnum suscepit, desiderans totam, cui praeesse coepit, gentem fidei Christianae gratia inbui, cuius experimenta permaxima in expugnandis barbaris iam ceperat, misit ad maiores natu Scottorum, inter quos exulans ipse baptismatis sacramenta cum his, qui secum reant, militibus consecurus erat, petens, ut sibi mitteretur antistes, cuius doctrina ac ministerio gens, quam regnabat, Anglorum dominicae fidei et dona disceret et susciperet sacramenta.“ Vgl. Aston, Monasteries in the Landscape, 43, Chadwick, The Celtic Background of Early Anglo-Saxon England, 331, Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 163, Colgrave, Two Lives of St Cuthbert, 5, Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c. 597–c. 700, 110, Fisher, The Anglo-Saxon Age, 75  f., Fletcher, The Barbarian Conversion, 163  ff., Higham, The Convert Kings, 209, Ders., Dynasty and Cult, 95, Holds­ worth, Northumbria, 406, Kirby, The Earliest Englsh Kings, 75, Lambert, Christians and Pagans, 203  f., Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 68, 93  f., von Padberg, Mission und Christianisierung, 343, Ders., Die Christianisierung Europas im Mittelalter, 83, Ders., Die Inszenierung religiöser Konfrontationen, 108, 135, Stenton, Anglo-Saxon England, 118, Yorke, Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England, 78, 86. 93 HE III, 5 „Ferunt autem, quia, cum de prouincia Scottorum rex Osuald postulasset antistitem, qui sibi suaeque genti uerbum fidei ministraret, missus fuerit primo alius austerioris animi uir, qui, cum aliquandiu genti Anglorum praedicans nihil proficeret nec libenter a populo audiretur, redierit patriam atque in conuentu seniorum rettulerit, quia nihil prodesse docendo genti, ad quam missus erat, potuisset, eo quod essent homines indomabiles et durae ac barbarae mentis.“ 94 HE III, 3 „Venienti igitur ad se episcopo, rex locum sedis episcopalis in insula Lindisfarnensi, ubi

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Episode um den gescheiterten Missionsbischof nutzt Beda, um die Programmatik der Iren zu beschreiben. Dem sich über die Angeln beklagenden Bischof habe Aidan nämlich vorgehalten, er sei zu streng mit den Ungläubigen gewesen. Es sei besser, erst einmal nachsichtig zu sein. Erst wenn der Glaube der Neuchristen gefestigt sei, könne man von diesen eine christliche Lebensführung erwarten.95 Das Ergeb­ nis dieses neuen Ansatzes zur Mission und der personellen Verstärkung aus Irland war ein rasches Anwachsen der Zahl der Gläubigen und die Gründung zahlreicher Kirchen und Klöster in Oswalds Reich. Der König unterstützte diese Entwicklung sowohl durch großzügige Schenkungen als auch durch den persönlichen Einsatz und die Zusammenarbeit mit Aidan.96 Sicher ist es auch ein Zeichen dieser engen Verbin­ dung, dass der Sitz des neuen Bischofs auf der Insel Lindisfarne nicht weit von der Hauptresidenz des Königs in Bamburgh entfernt war.97 Neben der Predigt gab es noch zwei weitere Eckpunkte der missionarischen Tätigkeit der Iren. Beda berichtet von der vorbildlichen Lebensweise Aidans und seiner Untergebenen, und er nennt mehr­ fach die Mildtätigkeit gegen Arme.98 Wie schon in Essex und East Anglia wird diese ipse petebat, tribuit […]. Exin coepere plures per dies de Scottorum regione uenire Brittaniam atque illis Anglorum prouinciis, quibus regnauit Osuald, magna deuotione uerbum fidei praedicare et credentibus gratiam baptismi, quicumque sacerdotali erant gradu praediti, ministrare.“ Vgl. Aston, Monasteries in the Landscape, 43  ff. Ebd., 46: „From Lindisfarne, monasteries were established all over the north-east by monks who were both missionaries and bishops.“ Sowie Chadwick, The Celtic Background of Early Anglo-Saxon England, 331, Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c. 597–c. 700, 110, Higham, The Convert Kings, 210, Ders., The Kingdom of Northumbria, 127, Holdsworth, Northumbria, 403, Lam­ bert, Christians and Pagans, 204, Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 139, von Padberg, Die Inszenierung religiöser Konfrontationen, 136. 95 HE III, 5 „‚Videtur mihi, frater, quia durior iusto indoctis auditoribus fuisti, et non eis iuxta apostolicam disciplinam primo lac doctrinae mollioris porrexisti, donec, paulatim enutriti uerbo Dei, ad capienda perfectiora et ad facienda sublimiora Dei praecepta sufficerent.‘“ Vgl. zum Scheitern des ersten gesandten Bischofs und zur Diskussion in Iona Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 94  ff., von Padberg, Mission und Christianisierung, 134, Ders., Die Inszenierung religiöser Konfrontationen, 135  f. 96 HE III, 3 „Vbi pulcherrimo saepe spectaculo contigit, ut euangelizante antistite, qui Anglorum linguam perfecte non nouerat, ipse rex suis ducibus ac ministris interpres uerbi existeret caelestis […]. Contruebantur ergo ecclesiae per loca, confluebant ad audiendum Verbum populi gaudentes, donabantur munere regio possessiones et territoria ad instituenda monasteria, inbuebantur praeceptoribus Scottis paruuli Anglorum una cum maioribus studiis et obseruatione disciplinae regularis.“ Vgl. Fisher, The Anglo-Saxon Age, 76, Fletcher, The Barbarian Conversion, 163  ff., der eine Verwandtschaft zwi­ schen Oswald und Aidan annimmt, Lambert, Christians and Pagans, 206, Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 255  f., 321, von Padberg, Mission und Christianisierung, 142, Ders., Die Inszenierung religiöser Konfrontationen, 214. 97 Vgl. Fletcher, The Barbarian Conversion, 454, Holdsworth, Northumbria, 403. 98 HE III 5 „Vnde inter alia uiuendi documenta saluberrimum abstinentiae uel continentiae clericis exemplum reliquit […] Cunctae, quae sibi a regibus uel diuitibus saeculi donabantur, mox pauperibus, qui occurrerent, erogare gaudebat. […], sed ea potius, quae sibi a diuitibus donari pecuniarum largiebantur, uel in usus pauperum, ut diximus, dispergebat, uel ad redemtionem eorum, qui iniuste fuerant uenditi, dispensat.“

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Hinwendung zu den Hilfsbedürftigen ein wichtiger Grund für die Attraktivität des Christentums in den untersten Schichten der Bevölkerung gewesen sein.99 Wohl um die Wichtigkeit dieses Aspektes der Missionsarbeit zu unterstreichen, und vielleicht auch, um seiner eigenen Zeit einen Spiegel vorzuhalten, präsentiert Beda Oswald durch dessen Nächstenliebe und Fürsorge für die Armen als ein Beispiel christlicher Lebensweise.100 All diese Beschreibungen lassen auf die Freiwilligkeit der Bekehrung unter Oswald schließen. Wie auch in anderen Fällen ähnlicher Konstellationen, wird es sicher im Umfeld des Königs von Vorteil gewesen sein, sich taufen zu lassen.101 Zwar war Oswald nach den Erfahrungen aus Edwins Zeit zu vorsichtig, um eine Taufe seiner Großen zu erzwingen – eine solche Vorgehensweise hätte wohl auch seiner und Aidans Vorstellung von Missionsarbeit widersprochen – doch lässt gerade der Bericht über die christliche Lebensweise des Königs keinen anderen Schluss zu. Lambert hat beschrieben, wie das christliche Umfeld des Königshofes zu der Ausbreitung des Christentums unter der Oberschicht des Reiches beigetragen hat. Junge Männer aus allen Teilen des Landes waren im Dienst des Königs oder der Königin beschäftigt. Hier lernten sie den christlichen Glauben kennen und ließen sich taufen. Wenn sie nun als Belohnung für ihre Dienste ein eigenes Stück Land erhielten, nahmen sie ihre Erfah­ rungen mit, ließen eine Kirche errichten oder schenken selbst Land für den Bau eines Klosters.102 So wurden auch abgelegene Landesteile im Laufe der Zeit christianisiert. Dass es dennoch während der Jahre bis 642 unter Oswald Polytheisten in Nort­ humbria gegeben haben muss, wird durch zwei Textstellen nahegelegt. Erstens schreibt Beda über Aidan, dieser sei es gewohnt gewesen „überall, in städtischen wie in ländlichen Bezirken, nicht auf Pferdesrücken, sondern zu Fuß zu reisen, um, sobald er Menschen, Reiche oder Arme, erblickte, sogleich zu ihnen zu gehen und und sie zur Annahme des Glaubenssakraments zu bewegen, wenn sie Ungläubige waren, oder sie, wenn sie Gläubige waren, in diesem Glauben zu stärken und durch Worte und Taten zu Almosen und Tun guter Werke anzuregen.“103 Wenn

99 Vgl. Kapitel 3.4 und 4.2. 100 HE III, 6 „Quo regni culmine sublimatus, nihilominus (quod mirum dictu est) pauperibus et peregrinis semper humilis, benignus et largus fuit. […] Qui mox dapes sibimet adpositas deferri pauperibus, sed et discum confringi, atque eisdem minutatim diuidi praecepit.“ Bei der Armenfürsorge Oswalds handelt es sich wohl nicht um einen reinen Topos. So ist für das Umfeld des Königs ein hoher Dienstmann anzunehmen, dessen Aufgabe die Versorgung der Armen war. Vgl. Lambert, Christians and Pagans, 206. Siehe dazu ebenfalls von Padberg, Mission und Christianisierung, 272. 101 Vgl. Kapitel 2.1.2 und 3.1. 102 Vgl. Lambert, Christians and Pagans, 221. 103 HE III, 5 „Discurrere per cuncta et urbana et rustica loca non equorum dorso, sed pedum incessu uectus, nisi si maior forte necessitas conpulisset, solebat; quantinus, ubicumque aliquos uel diuites uel pauperes incedens aspexisset, confestim ad hos diuertens uel ad fidei suspiciendae sacramentum, si infideles essent, inuitaret uel, si fideles, in ipsa eos fide confortaret, atque ad elimosynas operumque bonorum exsecutionem et uerbis excitaret et factis.“

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es unter den Reichen zu bekehrende Ungläubige gab, dann muss es Heiden in den oberen Schichten der Gesellschaft gegeben haben. Zweitens ist hier eine Stelle aus der anonymen Vita des heiligen Cuthberht zu nennen. Es wird beschrieben, wie Cuthberht von Melrose aus auf dem Weg in Rich­ tung Süden entlang dem Fluss Teviot geht. Er will in einer Bergregion predigen, bekehren und taufen.104 Da Cuthberht erst um 634 geboren wurde105, ist dieser Missionseinsatz eindeutig in die Zeit nach Oswald zu verorten. Es muss also auch deutlich nach Oswalds Regie­ rungszeit noch Heiden in den unzugänglicheren Regionen Northumbrias gegeben haben. Es liegt daher nahe anzunehmen, dass dies auch in den Jahren vorher der Fall war. Oswald war und blieb bei aller Förderung des Christentums ein Krieger, und er starb den Tod eines Kriegers. Er wurde wie bereits Edwin vor ihm von Penda von Mercia in der Schlacht von Maserfelth getötet.106 Sein Körper wurde auf dem Schlacht­ feld, vielleicht im Kontext eines Opfers an Woden107, zur Schau gestellt.108

104 VA II, V „Alia die profiscebat iuxta fluuium Tesgeta in meridiem inter montana docens rusticanos et baptizabat eos. […] ad montana ut supra diximus profiscebant docentes et baptizantes eos, in nomine patris et filii, et spiritus sancti. 105 Vgl. Colgrave, Two Lives of Saint Cuthbert, 5. 106 HE III, 9 „Quo conpleto annorum curriculo occisus est, commisso graui proelio, ab eadem pagana gente paganoque rege Merciorum, a quo et prodecessor eius Eduini peremtus fuerat, in loco qui lingua Anglorum nuncupaur Maserfelth, anno aetatis suae XXXVIII, die quinto mensis Augusti. […]“ Vgl. Campbell, Bede I, 13  f., Chadwick, The Conversion of Northumbria, 149, Dies., The Battle of Chester, 185, Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 164  f., Fisher, The Anglo-Saxon Age, 76, 112, 117, Jackson, On the Northern British Section of Nennius, 39, Kirby, The Earliest English Kings, 76  f., Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 99, Stenton, Anglo-Saxon England, 82, Yorke, Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England, 78. 107 Ein Wodenopfer vermuten Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 40  f., 95  f., 116  f. Insley, Maserfelth, 383 und Lambert, Christians and Pagans, 208. Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c. 597–c. 700, 73 hingegen sieht keinen Hinweis auf ein solches Opfer. Sie fühlt sich durch Odwalds Tod und die Präsentation seines Körpers auf dem Schlachtfeld an ein skandinavisches Niðstong erinnert, ein „pole of disgrace with someone’s features on it – the greatest insult possible.“ Ebenfalls keinen unmittelbaren religiösen Zusammenhang stellt Wallace-Hadrill, Bede’s Ecclesiastical History of the English People, 105 her. Er stellt fest: „[…] certainly their exposure with the head […], by Penda was common Germanic practice as evidence of vengeance taken. The hand and arm of Grendel were hung up in Heorot by Beowulf for men to wonder at.“ 108 HE III, 12 „Porro caput et manus cum brachiis a corpore praecisas iussit rex, qui occiderat, in stipitibus suspendi.“

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5.4 Oswiu und das Ende des northumbrischen Polytheismus Nach Oswalds Tod übernahm dessen Bruder Oswiu den Thron. Er regierte lange, von 642 bis 670.109 Während dieser 28 Jahre wurde aus dem northumbrischen Polytheis­ mus endgültig ein randständiges Phänomen, dessen Anhänger höchstens unter den Bewohnern abgelegener Landstriche gefunden werden konnten. Oswius Regentschaft lässt sich in zwei Abschnitte unterteilen. Während einer ersten Phase von 642 bis 655 war der junge König vollauf damit beschäftigt, seine Macht gegen interne Rivalen und andauernde Einfälle der Mercier abzusichern. Von 655 an, dem Jahr seines Sieges gegen Penda, konnte Oswiu sich dem Ausbau und der Ordnung seines christlichen Königreiches widmen. Vieles spricht dafür, dass es Konstellationen aus der Zeit des Kampfes bis 655 waren, die zur endgültigen Abwendung der northumbrischen Eliten vom Polytheis­ mus führten. Doch zunächst zu den Einzelheiten dieser Jahre: Nach dem Tod Oswalds war es Oswiu nicht möglich, direkt als König in Deira und Bernicia anerkannt zu werden. Wie Beda berichtet, hatten die Deirer in den Jahren von 642 bis 651 einen eigenen König namens Oswine, einen Sohn Osrics.110 Beda nennt Oswine zwar einen consors regiae dignitatis Oswius, doch so kollegial und verbunden, wie die Wortwahl zunächst vermuten lässt, war das Verhältnis der beiden Könige nicht. Beide stellten schließlich ein Heer auf, um ihren Disput auf dem Schlachtfeld zu klären. In letzter Minute scheint Oswine klargeworden zu sein, dass er sich keine Hoffnungen auf einen Sieg machen konnte. Er entließ daraufhin seine Truppen und versteckte sich bei einem seiner Gefolgsleute.111 Wir erfahren nichts über die konkreten Gründe des Zerwürfnisses, aber sicher spielte der alte Konflikt zwischen Deira und Bernicia eine Rolle. Oswine wird als ein Freund der Kirche in Deira beschrieben, auch in diesem Aspekt war er ein Erbe Edwins.112 Die enge Ver­

109 HE III, 14 „Translato ergo ad caelestia regna Osualdo, suscepit regni terrestris sedem pro eo frater eius Osuiu, iuuenis XXX circiter annorum, et per annos XXVIII laborriosissime tenuit […].“ HE IV, 5 „Anno dominicae incarnationis DCLXXmo […] Osuiu rex Nordanhymbrorum pressus est infirmitate, qua et mortuus est anno aetatis suae quinquagesimo octauo.“ Powicke, Handbook of British Chronology, 11 gibt an, Oswiu habe von Ende 641 bis 670 regiert. 110 HE III, 14 „Habuit autem Osuiu primis regni sui temporibus consortem regiae dignitatis, uocabulo Osuini, de stirpe Eduini, hoc est filium Osrici […].“ 111 HE III, 14 „Sed nec cum eo ille, qui ceteram Transhumbranae gentis partem ab aquilone, id est Berniciorum prouinciam, regebat, habere pacem potuit […] Siquidem congregato contra inuicem exercitu, cum uideret se Osuini cum illo, qui plures habebat auxiliarios, non posse bello confligere, ratus est utilius tunc demissa intentione bellandi seruare ad se tempora meliora. Remisit ergo exercitum, quem congregauerat […] diuertitque ipse cum uno tantum milite sibi fidissimo, nomine Tondheri, celandus in domum comitis Hanualdi, quem etiam ipsum sibi amicissimum autumabat.“ 112 HE III, 14 „[…] uirum eximiae pietatis et religionis […]. Donauerat equum optimum antistiti Aidano, in quo ille, quamuis ambulare solitus, uel amnium fluenta transire uel, so alia quaelibet necessitas insisteret, uiam peragere posset. […].



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bundenheit mit Aidan und, falls der Bericht in diesem Punkt authentisch sein sollte, die persönliche Verbindung des Königs zum Christentum, führten für Deira zu einer lückenlosen Fortführung der Religionspolitik Oswalds. Auch für die Herrschaftszeit Oswines ist von einer steten Ausbreitung und Festigung des Christentums und einer weitgehenden Zurückdrängung des Heidentums auszugehen. Oswiu stand in direkter Konkurrenz zu diesem sich als Freund der Kirche profilierenden König, der ein gutes Verhältnis zu Aidan hatte. Die Förderung des Kultes um Oswalds Reliquien war für Oswiu eine Möglichkeit, in dieser Auseinandersetzung Boden gutzumachen und das Prestige seiner Dynastie zu steigern. Er ließ bereits 643 die Überreste seines Bruders bergen und nach Bamburgh überführen.113 In den folgenden Jahren breitete sich der Kult um Oswald und dessen Reliquien mit königlicher Unterstützung immer weiter aus.114 Die Profilierung als christlicher König und Vertreter einer Dynastie, die einen Heiligen und Märtyrer hervorgebracht hatte, war indes nur ein Baustein unter vielen zur Sicherung von Oswius Macht. Sein Deiraproblem löste der König schließlich auf dreifache Weise. Erstens entledigte er sich seines Konkurrenten, indem er ihn 651 ermorden ließ.115 Zweitens ließ er einige Zeit nach dem Mord an Oswine das Kloster Gilling errichten, wo sowohl für den Getöteten als auch für den Täter gebetet werden sollte.116 Die Grün­ dung dieses Klosters auf königlichem Land war eine Form der Wergeldzahlung an die Familie Oswines, der auch Oswius eigene Frau Eanflæd angehörte.117 Auf diese Weise gelang es Oswiu eine Fehde, die den inneren Frieden Northumbrias zerstört hätte, abzuwenden. Zum dritten nahm er ebenjene Eanflæd, die Tochter Edwins, die nach

113 Vgl. Insley, Oswald, 368. 114 Vgl. Campbell, Bede’s Reges and Principes, 97, Ders., Some Twelfth-Century Views of the AngloSaxon Past, 216, Chadwick, The Northumbrian Conversion, 146, 153  ff., Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 95  f., Colgrave, The Earliest Life of St Gregory the Great, 132, 135, Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c. 597–c. 700, 147  f., 150  f., 169, Higham, The Convert Kings, 210, 213, 222  ff., 239, 252, 266, 276, Ders., King Edwin of the Deiri, 43, Jackson, On the Northern British Section in Nennius, 33  f., Kirby, The Earliest English Kings, 92, 108, Lambert, Christians and Pagans, 206  ff., Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 48, 248, Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 152  f., von Padberg, Mission und Christianisierung, 237, Ders., Die Inszenierung religiöser Konfrontationen, 262, Stenton, Anglo-Saxon England, 83. 115 HE III, 14 „[…] nam ab eodem comite proditum eum Osuiu cum praefato ipsius milite per prafectum suum Ediluinum detestanda omnibus morte interfecit. Quod factum est die tertia decima kalendarum Septembrium, anno regni eius nono, in loco, qui dicitur Ingetlingum […].“ 116 HE III, 14 „[…] in loco, qui dicitur Ingetlingum; ubi postmodum castigandi huius facinoris gratia monasterium constructum est, in quo pro utriusque regis, et occisi uidelicet et eius, qui occidere iussit, animae redemptione cotidie Domino preces offerri deberent.“ 117 Vgl. zur Gründung von Gilling als Kompensation an die Dynastie von Deira Higham, The Convert Kings, 230, Insley, Oswiu, 371, Kirby, The Earliest English Kings, 78, Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 106, Miller, The Dates of Deira, 39.

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dem Tod ihres Vaters nach Kent gebracht worden war, zur Frau.118 Diese Heirat mit Eanflæd fand zwischen 642 und 651, also irgendwann vor dem Mord an Oswine, statt. Auch wenn Oswiu in der Tötung seines Widersachers als ein brutaler Machtpoli­ tiker hervortritt, sind die Förderung des Kultes um Oswalds Reliquien, die Gründung von Gilling und die Heirat mit einer christlichen Prinzessin sichere Zeichen dafür, dass sich der König als Christ verstand. Mit der Förderung der Kirche und der Mission wird die Zurückdrängung des Heidnischen in Northumbria seinen Lauf genommen haben. In diesem Zusammenhang, und auch für die Sicherung von Oswius Herrschaft, waren die andauernden kriegerischen Auseinandersetzungen mit dem Heiden Penda sicher von noch größerer Bedeutung als der Konflikt mit Oswine. Penda hatte bereits zwei christliche Könige von Northumbria, nämlich Edwin und Oswald, umgebracht. Da der eine aus Deira und der andere aus Bernicia gekommen war, hatten die Großen beider Reichsteile einen Grund, dem König von Mercia feindlich gegenüber zu stehen. Während der ersten dreizehn Jahre seiner Herrschaft sah Oswiu sich und sein Reich ständigen Angriffen aus dem Süden ausgesetzt. Da Beda und seine klerikalen Quellen kein Interesse daran hatten, die Kriegszüge und Erfolge eines heidnischen Königs für das Gedächtnis der Nachwelt zu bewahren, ist nicht sicher, wie viele Züge dieser Art von Mercia ausgingen. Sie bilden jedoch einen ständigen Hintergrund für alle Berichte über Aidans Wundertaten aus der Zeit bis zur Schlacht am Winwæd. Bei einer Gelegenheit soll der Bischof von der Insel Farne aus durch sein Gebet das Inbrandsetzen von Bamburgh durch Penda und sein Heer verhindert haben.119 Ein weiteres Mal wird berichtet, wie ein Balken einer Kirche in einer Königspfalz, an den gelehnt Aidan gestorben sein soll, durch ein von Penda gelegtes Feuer nicht habe zer­ stört werden können.120 Da Aidan 651 starb, muss dieser Kriegszug, wenn es sich denn 118 HE III, 15 „Presbyter quidam nomine Utta […], cum mitteretur Cantiam ob adducendam inde con­ iu­gem regi Osuio, filiam uidelicet Eduini regis Eanfledam, quae occiso patre illuc fuerat adducta […].“ 119 HE III, 16 „Nam tempore episcopatus eius hostilis Merciorum exercitus Penda duce Nordanhymbrorum regiones impia clade longe lateque deuastans peruenit ad urbem usque ad regiam, quae ex Bebbe quondam reginae uocabulo cognominatur, eamque […] flammis absumere conatus est; discissisque uiculis, quos in uicinia urbis inuenit, aduexit illo plurimam congeriem trabium, tignorum, parietum uirgeorum et tecti fenei, et his urbem in magna altitudine circumdedit a parte, qua terrae est contigua, et dum uentum oportunum cerneret, inlato igne conburere urbem nisus est. Quo tempore reuerentissimus antistes Aidan in insula Farne […] morabatur. […] Qui cum uentis ferentibus globos ignis ac fumum supra muros urbis exaltari conspiceret, fertur eleuatis ad caelum oculis manibusque cum lacrimis dixisse: ‚Vide, Domine, quanta mala facit Penda.‘ Quo dicto statim mutati ab urbe uenti in eos, qui accenderant, flammarum incendia retorserunt […].“ 120 HE III, 17 „Contigit autem post aliquot annos, ut Penda Merciorum rex, cum hostili exercitu haec in loca perueniens, cum cuncta, qui poterat, ferro flammaque perderet, uicus quoque ille, in quo antistes obiit, una cum ecclesia memorata flammus absumeretur. Sed mirum in modum sola illa destina, cui incumbens obiit, ab ognibus circum cuncta uorantibus absumi non potuit.“ Vgl. Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 30: „Aidan’s pillar succeeded Thor‚s.‘ Though not meant literally, this makes the important point that even in Aidan’s day, and after, Christianity subsumed what it could of pagan practices still dear to ordinary people. It had to.“



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um einen verlässlichen Bericht handeln sollte, zwischen 651 und 655 stattgefunden haben. Diese Berichte haben Hope-Taylor dazu veranlasst, eine zweite Brandschicht in Yeavering der Zerstörung des Ortes durch Penda um 651 zuzuschreiben.121 Der Tod zweier christlicher Könige sowie das Niederbrennen von Ortschaften und Kirchen werden aus der Auseinandersetzung den religiös konnotierten Krieg gemacht haben, den Beda beschreibt. Es besteht kein Grund, an dieser Darstellung der Natur des Konflikts zu zweifeln. Die direkte Konfrontation mit einem feindlichen heidni­ schen Heer im eigenen Land wird die Eliten an den König und die Kirche gebunden haben. Bemerkenswerter Weise könnte somit das aggressive, und für eine Zeit durch­ aus erfolgreiche, Auftreten eines mächtigen heidnischen Königs zur endgültigen Abwendung der northumbrischen Eliten von der heidnischen Religion geführt haben. Dass der Konflikt zwischen Northumbria und Mercia, zumindest aus northum­ brisch-christlicher Perspektive, eine deutliche religiöse Komponente hatte, wird auch durch die Bedingung deutlich, die Oswiu mit der Heirat seiner Tochter mit Pendas Sohn Peada verknüpfte.122 Dieser wollte Oswius Tochter Alhflæd heiraten, was er jedoch nur nach dem Empfang der Taufe durfte. So ließ der Sohn Pendas sich in der Königspfalz Ad Murum taufen.123 Ganz klar sollte die angespannte Lage zwischen den Dynastien Mercias und Northumbrias durch Eheschließungen entspannt werden. Die Bedingung, die Taufe anzunehmen, und zwar in einer Königspfalz Oswius, macht die northumbrische Absicht deutlich, mit der Zeremonie ein Machtverhältnis, oder zumindest den Anspruch auf einen Vorrang, zum Ausdruck zu bringen. Die selbe Vor­ gehensweise wird auch im Zusammenhang mit der Wiedereinführung des Christen­ tums in Essex deutlich. Oswiu überzeugte Sigeberht II., die Taufe anzunehmen. Auch diese Taufe fand in der Pfalz Ad Murum statt.124 Nachdem Penda 655 in der Schlacht am Winwæd besiegt und getötet worden war125, hatte Oswiu keine Konkurrenten mehr, die ihm hätten gefährlich werden 121 Vgl. Hope-Taylor, Yeavering, 166, 277. 122 Zum genauen Hintergrund dieser Eheschließung siehe Kapitel 7.1.2. 123 HE III, 21 „His temporibus Middilengli, id est Miditerranei Angli, sub principe Peada filio Pendan regis fidem et sacramenta ueritatis perceperunt. […] uenitque ad regem Nordanhymbrorum Osuiu, postulans filiam eius Alchfledam sibi coniugem dari. Neque aliter, quod petebat, inpetrare potuit, nisi fidem Christi ac baptisma cum gente, cui praeerat, acciperet. […] Baptizatus est ergo a Finano episcopo cum omnibus, qui secum uenerant, comitibus ac militibus eorumque famulis uniuersis in uico regis inlustri, qui uocatur Ad Murum […].“ 124 Vgl. Kapitel 3.3. 125 HE III, 24 „Inito ergo certamine fugati sunt et caesi pagani, duces regii XXX, qui ad auxilium uenerant, pene omnes interfecti; in quibus Aedilheri, frater Anna regis Orientalium Anglorum, qui post eum regnauit, auctor ipse belli, perditis militibus siue auxiliis interemtus. Et quia prope fluuium Uinued pugnatum est, qui tunc prae inundantia pluuiarum late alueum suum, immo omnes ripas suas transierat, contigit, ut multo plures aqua fugientes quam bellantes perderet ensis.“ Es fällt auf, dass Beda zwar Details wie den Namen Æthelheres und das Hochwasser nennt, die Art und den Umstand des Todes Pendas berichtet er indes nicht. Erst an späterer Stelle im gleichen Kapitel wird der Tod des Königs beiläufig erwähnt: „Conpletis autem tribus annis post interfectionem Pendan regis […].“ Das Anden­

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können. In der Folge wird ein Ausbau der Organisation des Reiches und, eng damit verbunden, der Kirche sichtbar. Bereits im Vorfeld der Schlacht am Winwæd soll Oswiu nicht nur versprochen haben, seine Tochter Gott zu weihen, sondern auch die Stiftung von zwölf Klöstern für den Fall in Aussicht gestellt haben, dass Gott ihm den Sieg über seinen heidnischen Widersacher schenkt.126 Namentlich bekannte Grün­ dungen aus der Zeit nach 655 sind Whitby127 (657), Ripon128 (658) und Lastingham129 (658). Neben den Taufen als Mittel einer hegemonialen Außenpolitik und den Kloster­ gründungen, gibt es noch ein drittes Feld, auf dem Oswius christliches Verständnis seines Königtums deutlich zu Tage tritt. Dieses Feld ist die aktive Teilnahme an inner­ kirchlichen Kontroversen, wie in der berühmten Synode von Whitby des Jahres 664. Auch wenn der Hintergrund der Synode ein weltlicher Machtkonflikt zwischen Oswiu und seinem Sohn Alhfrith, dem Unterkönig von Deira, war130, war das Feld, auf dem dieser Konflikt ausgetragen wurde, bemerkenswerter Weise die dogmatische Frage nach der richtigen Berechnung des Osterdatums.131 Oswiu stand der Synode vor und entschied zugunsten der römischen Sicht, indem er sich auf die Autorität des Petrus berief.132 Der königliche Schiedsspruch in dieser Angelegenheit wurde von den Ver­

ken des heidnischen Widersachers dreier christlicher Könige von Northumbria soll nicht durch die Erwähnung seines Todes im Kampf, was den Gepflogenheiten der Heldenlieder der Zeit entsprochen hätte, am Leben gehalten werden. Zum Verlauf der Schlacht am Winwæd und deren Folgen siehe Chadwick, The Battle of Chester, 185, Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 165, Dunn, The Christia­nization of the Anglo-Saxons c. 597–c. 700, 106, 110, Fisher, The Anglo-Saxon Age, 118  f., Higham, The Convert Kings, 234, 240  f., 248  ff., Ders., The Kingdom of Northumbria AD 350–1100, 130, Insley, Oswiu, 373, Jackson, On the Northern British Section in Nennius, 35  ff., Kirby, The Earliest English Kings, 77  ff., Lambert, Christians and Pagans, 215  f. 126 HE III, 24 „Vouit ergo quia, si uictor existeret, filiam suam Domino sacra uirginitate dicandam offerret, simul et XII possessiones praediorum ad construenda monasteria donaret […].“ Vgl. Campbell, Bede’s Reges and Principes, 96, Ders., Bede’s Words for Places, 112, Higham, The Kingdom of North­ umbria AD 350–1100, 133  f., Lambert, Christians and Pagans, 216, 220, Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 99, von Padberg, Mission und Christianisierung, 196. 127 Vgl. von Padberg, Whitby, 561. 128 Vgl. Insley, Oswiu, 372. 129 Vgl. Kapitel 3.3. 130 Vgl. Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c. 597–c. 700, 117, Higham, The Convert Kings, 254  f., 260  f., Kirby, The Earliest English Kings, 88  f., Lambert, Christians and Pagans, 224  f., Mayr-Har­ ting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 107  f., Vollrath, Die Synoden Englands bis 1066, 48  ff. von Padberg, Whitby, 563. 131 HE III, 25 „Mota ergo ibi quaestione de pascha uel tonsura uel aliis rebus ecclesiasticis, dispositum est, ut in monasterio, quod dicitur Strenaeshalc […] synodus fieri, et haec quaestio terminari deberet.“ 132 HE III, 25 „At ille ita conclusit: ‚Et ego uobis dico, quia hic est hostiarius ille, cui ego contradicere nolo; sed, in quantum noui uel ualeo, huius cupio in omnibus oboedire statutis, ne forte me adueniente ad fores regni caelorum non sit, qui reserat, auerso illo, qui claues tenere probatur.‘“ Vgl. Chadwick, Bede, St Colman and the Irish Abbey of Mayo, 187, Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c. 597–c. 700, 118  f., Fletcher, The Barbarian Conversion, 187, Higham, The Convert Kings, 255  ff., Ders., The Kingdom of Northumbria AD 350–1100, 135, Kirby, The Earliest English Kings, 86  ff., Lambert, Chris-



Oswiu und das Ende des northumbrischen Polytheismus 

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tretern der britischen Kirche akzeptiert, Colman und einige seiner Gefolgsleute verlie­ ßen daraufhin Oswius Machtbereich.133 Die Art der Entscheidungsfindung, indem der König mit seinen Großen, in diesem Fall den Großen der Kirche, beriet und sodann eine bindende Entscheidung verkündete, entspricht dem Verfahren vor der Volksver­ sammlung134, das zu einer gesetzlichen Neuerung, einem dom, führt. Wenn in Situ­ ationen, in denen der König Recht sprechen musste, eine Autorität wie der Apostel Petrus als Entscheidungskriterium, das bedeutet als Quelle einer rechten Entschei­ dung, angeführt wurde, dann ist spätestens 664 der Zeitpunkt erreicht, zu dem das Recht des Königs ein christliches Recht ist. Die Übereinstimmung von Gesetzen und Urteilen mit dem Willen Gottes ist das Kriterium für deren Rechtmäßigkeit. In einer solchen Situation ist eine gleichzeitige offizielle Duldung heidnischer Kultausübung oder auch nur eine inoffiziell geduldete Koexistenz der beiden Religionen nicht mehr vorstellbar. Wenn der Zorn des Apostelfürsten sich an einer nicht der römischen Observanz entsprechenden Berechnung des Osterdatums entzünden würde, um wie viel mehr müsste der König den himmlischen Zorn fürchten, wenn er es zuließe, dass in seinem Reich offen polytheistische Opfer, aus kirchlicher Perspektive Opfer an den Teufel, durchgeführt würden. Anders als in Essex kommt es in Northumbria auch nicht zu weit verbreiteten Fällen von Apostasie im Zusammenhang mit der Seuche von 664.135 Zwar wird berichtet, dass einige Menschen in ihrer Not Hilfe in Amuletten oder Gesängen suchten.136 Da es sich bei diesen Rückfälligen um Getaufte aus der Landbevölkerung handelt, ist aber zweifelhaft, ob sich diese Menschen selbst nicht tians and Pagans, 225  ff., Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 103  ff., Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 141, von Padberg, Mission und Christianisierung, 213, 240  f., Ders., Die Inszenierung religiöser Konfrontationen, 409, Stenton, Anglo-Saxon England, 130. 133 HE III, 25 „Colman uidens spretam suam doctrinam sectamque esse dispectam, adsumtis, his qui se sequi uoluerunt, id est, qui pascha catholicum et tonsuram coronae, nam et de hoc quaestio non minima erat, recipere nolebant, Scottiam regressus est […].“ 134 So auch Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 164. 135 HE III, 27 „Eodem autem anno dominicae incarnationis DCLXquarto, […]; quo etiam anno subita pestilentiae lues, depopulatis prius australibus Brittaniae plagis, Nordanhymbrorum quoque prouinciam corripiens, atque acerua clade diutius longe lateque desaeuiens, magnam hominum multitudinem strauit.“ 136 HE IV, 27 „Nam et multi fidem quam habebant, iniquis profanabant operibus, et aliqui etiam tempore mortalitatis neglectis fidei sacramentis, quibus erant inbuti, ad erratica idolatriae medicamina concurrebant, quasi missam a Deo Conditore plagam per incantationes uel fylacteria uel alia quaelibet demonicae artis arcana cohibere ualerent.“ Beinahe wortgleich zu finden in V.P. IX „Nam et multi fidem quam habebant, iniquis profanabant operibus, et aliqui etiam tempore mortalitatis neglecto fidei quo imbuti erant sacramento, ad erratica idolatriae medicamina concurrebant, quasi missam a Deo conditore plagam per incantationes uel alligaturas, uel alia quaelibet demoniacae artis archana cohibere ualerent.“ Vgl. Ebenda, Kommentar S. 346  f.: Die Vorschrift, ein Bischof solle regelmäßig abgelegene Gegenden aufsuchen, und dort dafür sorgen, dass die Menschen keinen heidnischen Praktiken nach­ gehen, findet sich auch in den Akten der Synode von Clovesho. Andere Parallelen sind Bußbücher oder Predigten, die nach dem Muster des Caesarius von Arles gestaltet sind. Wallace-Hadrill, Bede’s Ecclesiastical History of the English People, 171 „Cuthbert’s rustics were formally Christians; what they

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als Christen bezeichnet hätten. Die für Beda und andere kirchliche Autoren so klare Unterscheidung zwischen Christentum und Heidentum war in der Praxis oft nicht so trennscharf, zumal unter der Landbevölkerung, die keinerlei Zugang zu Bildung und lateinischem Schrifttum hatte. Während sich also in der Welt der abgelegenen Dörfer Mischformen noch eine Zeit lang hielten, gab es um 670, dem Jahr des Todes König Oswius, keine offen prak­ tizierenden Polytheisten mehr in Northumbria. Die Eliten hatten sich bereits seit Jahr­ zehnten dem Christentum zugewandt und dieses auf ihren Ländereien verbreitet. Die zahlreichen Klostergründungen sorgten ebenfalls dafür, dass immer mehr Menschen in regelmäßigem Kontakt zu christlichen Seelsorgern und Predigern standen. Dass spätestens im frühen 8. Jahrhundert, wahrscheinlich aber etliche Jahrzehnte früher, heidnische Kultausübung nicht nur durch das Mittel der Predigt bekämpft, sondern auch durch königliches Gesetz verboten war und verfolgt wurde, wird übrigens durch die Art nahegelegt, in der Beda sich bemüht, die nachsichtige Haltung König Æthel­ berhts von Kent zu erklären und zu rechtfertigen.137 Diese Stelle ist für Northumbria interessant, da sie einen Rückschluss auf die dortige Situation erlaubt. Spätestens zu Bedas Lebzeiten wurde Æthelberhts Verhalten offenbar als exzeptionell und erklä­ rungsbedürftig eingeschätzt.

5.5 Zusammenfassung Northumbria kommt unter den angelsächsischen Reichen des 7.  Jahrhunderts aus zwei Gründen eine Sonderrolle zu. Zum einen hatte es innerhalb weniger Jahrzehnte mit Æthelfrith, Edwin, Oswald und Oswiu vier überregional anerkannte Oberkönige hervorgebracht, die die Politik ihrer Zeit maßgeblich prägten. Zum anderen ist Nort­ humbria als Heimat Bedas ein Schwerpunkt in der zeitnahen Überlieferung. Beide Gründe machen eine Untersuchung von Aspekten der Geschichte Northumbrias besonders wichtig. Für die dieser Arbeit zugrunde liegenden Fragen ergab die Untersuchung der zur Verfügung stehenden Quellen eine Unterscheidung von vier Phasen: 1. Nachdem Edwin lange Zeit gezögert hatte, den letzten Schritt zur Taufe zu gehen, wurde auf einer Stammesversammlung ein religionspolitischer Konsens zuguns­ ten des Christentums hergestellt. In dieser Entscheidung mussten alle Großen beider Reichsteile dem König folgen und sich taufen lassen. Edwin konnte im reverted to in time of stress was not the formalized practices of such as Redwald but hedge-paganism which never could be wholly eradicated.“ 137 HE I, 26 „Quorum fidei et conuersioni ita congratulatus esse rex perhibetur, ut nullum tamen cogeret ad Christianismum, sed tantummodo credentes artiori dilectione, quasi conciues sibi regni caelestis, amplecteretur. Didicerat enim a doctoribus auctoribusque suae salutis seruitium Christi uoluntarium, non coacticium esse debere.“ Vgl. Kapitel 2.1.2.



Zusammenfassung 

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Gegensatz zu Æthelberht von Kent oder Sæberht von Essex nach der eigenen Taufe keine Wahlfreiheit zulassen. Der Zusammenhalt von Bernicia und Deira war nicht gefestigt genug. Die Umwandlung des vermuteten Tempels in Yeavering in eine Kirche ist im Zusammenhang mit diesem kollektiven Übertritt der Spitzen der Gesellschaft zum Christentum zu sehen. Einschränkend muss jedoch festge­ halten werden, dass die kirchlichen Strukturen und das kirchliche Personal in dieser ersten Phase der Mission nicht annähernd für eine flächendeckende geist­ liche Betreuung der Neuchristen ausreichten. In der Praxis ist damit zu rechnen, dass die Konversion oft nur dem Namen nach erfolgte und zu Hause weiterhin der polytheistische Kult praktiziert wurde. 2. Für ein Überleben des Wissens um die alte Religion und auch der Kultfunktionäre spricht die Abwendung der Nachfolger Edwins nach dessen Tod am 12. Oktober 633 in der Schlacht von Haethfelth gegen Cædwalla und Penda von Mercia. Für den Zeitraum von etwa einem Jahr danach war der Polytheismus wieder die Religion der Könige von Deira und Bernicia und damit auch der Großen beider Reiche. 3. Eine neue Herausforderung erwuchs der alten Religion der Northumbrier nach der Rückkehr Oswalds aus dem irischen Exil. Oswald stellte sich und sein kleines Heer, dem neben einigen getauften Rückkehrern aus dem Exil sicher auch etliche Heiden angehörten, vor der Schlacht gegen Cædwalla ausdrücklich unter den Schutz des Christengottes. Der Sieg in dieser Schlacht muss viel zur Wiederher­ stellung des Prestiges des Christentums beigetragen haben. In der Folge kamen neben Aidan viele andere irische Missionare ins Land, deren Maxime das vorbild­ hafte Leben und die friedliche Überzeugungsarbeit waren. Sowohl an der Spitze der Gesellschaft als auch bei den Ärmsten gewann das Christentum in den fol­ genden Jahren immer mehr Anhänger. Die Eliten erlebten im Umfeld ihres Königs die christliche Religion und nahmen ihre Eindrücke mit nach Hause. Die Armen erhielten durch die Missionare und den König selbst Unterstützung. Sicher haben auch von Beda nicht eigens erwähnte Große dem Beispiel ihres Königs nachge­ eifert und den Armen Almosen gegeben. Klostergründungen führten zu einem dichteren Netz von Missionsstationen im Land. Es ist davon auszugehen, dass es bis 641/42 keinen mit Gewalt untermauerten Zwang zur Konversion, jedoch einen erheblichen gesellschaftlichen Druck dem Beispiel des Königs zu folgen, gab. 4. Die Episode um die Missionstätigkeit Cuthberts in einer abgelegenen Bergregion lässt ein Überleben des Polytheismus in solchen Gegenden auch in den Anfangs­ jahren von Oswius Regierung möglich erscheinen. Der Dauerkonflikt mit dem heidnischen König Penda von Mercia, der in den Jahren bis zu seinem Tod am Winwæd im Jahr 655 immer wieder Feldzüge bis tief auf northumbrisches Territo­ rium unternahm, mag zu einer Abkehr der lokalen Eliten vom Polytheismus ihres Gegners und zu einer Annäherung an das Christentum des Königs und Schutz­ herrn Oswiu beigetragen haben. Dass es dem König seinerseits spätestens ab der zweiten Hälfte der 60er Jahre des 7.  Jahrhunderts nicht mehr möglich war, das

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Fortbestehen des polytheistischen Kultes unter seinen Untertanen zu dulden, wird durch die Art der Entscheidungsfindung auf der Synode von Whitby deut­ lich. Hier tritt zum ersten Mal in den northumbrischen Quellen das Christentum als legitimierender Ursprung rechtlicher Entscheidungen zu Tage. Ein als Dämo­ nenkult aufgefasster heidnischer Kultvollzug war spätestens ab diesem Zeitpunkt nicht mehr tolerierbar. Die Rechtfertigung Bedas für das tolerante Verhalten Æthelberhts von Kent macht deutlich, dass die rechtliche Verfolgung nichtchrist­ licher religiöser Praktiken zu seiner Zeit die Norm war.

6 Wessex Unter den Reichen der Angelsachsen kommt Wessex eine besondere Rolle zu. Als in der zweiten Hälfte des 9.  Jahrhunderts ein Königreich nach dem anderen dem Ansturm des micel hæðen here – des großen Heeres der heidnischen Wikinger zum Opfer fiel, war es allein das Reich der Westsachsen, das sich behaupten und schließ­ lich zur Keimzelle eines vereinten englischen Königreiches werden konnte. Dieser historischen Bedeutung stehen die schwierigen Anfänge des 7.  Jahrhun­ derts entgegen. Diese erschließen sich dem Historiker nur gebrochen durch die Wahr­ nehmung und die Bedürfnisse des 8. und 9.  Jahrhunderts. So ist neben Bedas Kir­ chengeschichte und einigen Urkunden des späten 7. und frühen 8.  Jahrhunderts1 die Angelsachsenchronik die Hauptquelle für die Geschichte des Reiches der West­ sachsen. Diese Kompilation auf der Basis früherer Annalen wurde im Auftrag Ælfreds des Großen erstellt und dient dem Nachweis des Ruhmes seiner Dynastie.2 Bei der Rekonstruktion der westsächsischen Geschichte des 7.  Jahrhunderts müssen also wo immer möglich HE und ASC nebeneinander gelesen und durch Urkunden oder archäologische Quellen ergänzt werden. Gleichwohl soll nicht der Eindruck erweckt werden, dies sei in allen Fällen möglich  – oft sind Ereignisse nur aus einer Quelle her bekannt. Schließlich ist aus Wessex ein frühes Königsgesetz, das Gesetz Ines von Wessex, überliefert3, dem als Quelle für die rechtliche Stellung von Polytheisten am Ende des 7. Jahrhunderts große Bedeutung zukommt. Der Machtbereich der Könige der Westsachsen war im Verlauf des Untersuchungs­ zeitraums erheblichen Veränderungen ausgesetzt. Daher ist eine Klarstellung nötig, welcher geographische Raum gemeint ist, wenn in der Folge von Wessex die Rede sein wird. Das Ursprungsgebiet der Gewisse, der traditionstragenden Kerngruppe der späteren Westsachsen, ist das Gebiet am Oberlauf der Themse.4 Dieser Schwerpunkt 1  Vgl. Finberg, The Early Charters of Wessex, 27  ff. 2 Vgl. zur Entstehung und zu den Quellen der Angelsachsenchronik sowie zu den verschiedenen Versionen des Textes Brooks, Why is the Anglo-Saxon Chronicle About Kings?, 43, 48, Carruthers, The Anglo-Saxon Chronicle, 4  ff., Swanton, The Anglo-Saxon Chronicle, xiff., Wenskus, Angelsächsische Chronik, 319  f., Yorke, Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England, 128  f., Dies., The Jutes of Hampshire, 84  ff. 3 Vgl. Liebermann, Die Gesetze der Angelsachsen Bd. 1, 63  ff. 4 Vgl. Fisher, The Anglo-Saxon Age, 33  ff., Insley, Gewisse, 48, Kirby, The Earliest English Kings, 38, Lambert, Christians and Pagans, 194, Reynolds, Wessex, Stenton, Anglo-Saxon England, 26, 507, Yorke, The Jutes of Hampshire, 96, Dies., Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England, 132, Dies., Wessex in the Early Middle Ages, 57. Der Name Gewisse ist ungewisser Herkunft. In der Literatur findet sich bei Kleinschmidt, The Geuissae and Bede, 96  f. die Vermutung, dass der erste Bestandteil des Namens vom gemeingermanischen vesi (gut) herrührt, wie auch der Name der Westgoten. Insley, Gewisse, 51  f. gibt die Bedeutung des Namens mit „Bundesgenossen“ an. Dass Ursprung und Bedeutung des Na­ mens bereits gegen Ende des 7. Jahrhunderts auch den Gewisse selbst nicht mehr klar waren, zeigt der Umstand, dass um diese Zeit in den Stammbaum Ines ein namensgebender Vorfahr Giwis eingefügt wurde. Siehe hierzu Kleinschmidt, The Geuissae and Bede, 91  ff.

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wurde um das Jahr 660 nach Süden in den Raum um Winchester herum verlagert. Da, wie noch zu sehen sein wird, den Ereignissen gegen Ende des 7. Jahrhunderts für die Fragestellung eine besondere Bedeutung zukommt, wird Wessex in seinen Grenzen um das Jahr 700 definiert. Dies umfasst ein Gebiet, das ungefähr den heutigen Graf­ schaften Berkshire, Devon, Dorset, Hampshire, Isle of Wight, Somerset und Wiltshire entspricht.5 Bei der Untersuchung der Geschicke der westsächsischen Polytheisten nach dem Einsetzen der Mission in den 630er Jahren, kommt vier Faktoren eine entscheidende Rolle zu: Erstens ist die Segmentierung der Königsherrschaft zu nennen. Historisch fassbar wird die politische Organisation der Gewisse zum ersten Mal in den Berich­ ten über ein Attentatsversuch auf den König Edwin von Deira und dessen anschlie­ ßende Rache. Nach Beda sandte Cwichelm, der König der Westsachsen, einen Mörder namens Eumer an den Hof Edwins. Dieser verletzte den König mit einem vergifteten Kurzschwert und tötete zwei seiner Gefolgsleute. Als Rache für diese Tat führte Edwin nach seiner Genesung eine Strafexpedition gegen die Westsachsen durch.6 Der selbe Ablauf der Ereignisse findet sich für das Jahr 626 in der Version E der Angelsachsen­ chronik. Der Bericht über den Feldzug Edwins wird hier allerdings durch die Infor­ mation ergänzt, dass es dem Invasoren gelungen sei, fünf Könige der Westsachsen zu töten.7 Da auch an anderen Stellen von verschiedenen gleichzeitig regierenden Königen bei den Westsachsen berichtet wird, ist der Bericht der Peterborough Chronik glaubhaft. Möglicherweise war die Zahl der besiegten Feinde in Annalen in Deira festgehalten worden. Die Aussage Bedas, wonach einige Anführer der Verschwörung gegen Edwin getötet wurden, andere sich jedoch dem König unterwarfen, bestätigt den Eindruck einer größeren Anzahl von Anführern bei den Westsachsen.

5 Vgl. Reynolds, Wessex, 507. 6 HE I, 9 „Anno autem sequente uenit in prouinciam quidam sicarius uocabulo Eumer, missus a rege Occidentalium Saxonum nomine Cuichelmo, sperans se regem Eduinum regnum simul et uita priuaturum; qui habebat sicam bicipitem toxocatam […]. Quod cum uideret Lilla minister regi amicissimus, non habens scutum ad manum, quo regem a nece defenderet, mox interposuit corpus suum ante ictum pugentis; sed tanta ui hostis ferrum infixit, ut per corpus militis occisi etiam regem uulneraret. […] Quo tempore curatus a uulnere sibi pridem inflicto, rex collecto exercitu uenit aduersus gentem Occidentalium Saxonum, ac bello imito uniuersos, quos in necem suam conspirasse didicerat, aut occidit aut in deditionem recepit.“ 7 ASC (E) 626 „˥ he þa for on Westseaxum mid fyrde ˥ afylde þær .v. ciningas ˥ þæs folces mycel ofsloh.“ Der Ursprung dieser Information ist nicht rekonstruierbar. Die Version E, das Peterborough Manu­ skript, geht auf ein nicht überliefertes Exemplar aus Canterbury zurück, das wiederum selbst viele Gemeinsamkeiten mit der nördlichen Version, die von den Schreibern der Version D, dem Worces­ ter Manuskript, benutzt wurde, aufgewiesen haben muss. Vgl. Swanton, The Anglo-Saxon Chronicle, xxvff. Da die nördliche Version von ASC in Northumbria erstellt wurde, kann es sein, dass die Zahl der getöteten Könige hier besondere Beachtung fand, mehrte sie doch den Ruhm Edwins.



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Von dem Zeitpunkt an, zu dem die Gewisse ins Licht der historischen Überliefe­ rung treten, bis zum Ausgang des 7. Jahrhunderts gab es mehrere Zweige der west­ sächsischen stirps regia, die sich die Königsherrschaft teilten.8 All diese königlichen Teilfamilien leiteten ihre Herkunft, und damit ihre Ansprüche auf eine Beteiligung an der Herrschaft, von der Abstammung von Cerdic her.9 Wegen teilweise variierenden Schreibweisen von Namen und anderen Unsicherheiten in der Überlieferung, ist es nicht möglich, eine definitive Herrschaftsabfolge für weite Teile des 7. Jahrhunderts in Wessex zu rekonstruieren.10 Es ist jedoch davon auszugehen, dass es jeweils einen dominanten König gegeben hat.11 Yorke geht von einem System aus, in dem Unterkö­ nige, die alle mit dem dominanten König verwandt waren, die Herrschaft über und die Verantwortung für die Sicherung von Grenzregionen des Reiches innehatten.12 Ein Nebeneinander mehrerer Könige wird zum letzten Mal während der frühen Jahre der Herrschaft Ines deutlich. So teilte er sich die Königswürde zunächst mit seinem Vater Cenred, der auch im Prolog zu Ines Gesetz erwähnt wird13, und anderen Unter­ königen. Nach dem Jahr 700 gibt es allerdings keine Hinweise auf Unterkönige neben Ine mehr.14 Anstelle der subreguli tauchen in den Quellen nun Ealdormen auf.15 Zweitens hatte die geographische Lage des Herrschaftsgebietes der westsächsi­ schen Könige einen entscheidenden Einfluss auf die Religionsgeschichte der Region im 7. Jahrhundert. Anders als Kent, Essex oder East Anglia lag das Gebiet der Gewisse abseits der Hauptverkehrswege der Zeit. Wie bereits gesehen, war der ständige Aus­ tausch von Waren, Personen und Ideen sowohl mit dem fränkischen Festland als auch

8 Vgl. Campbell, Early Anglo-Saxon Society According to Written Sources, 132, Ders., Bede’s Reges and Principes, 88  f., 91  f., Chaney, The Cult of Anglo-Saxon Kingship, 9, Kirby, The Earliest English Kings, 39, Kleinschmidt, The Geuissae and Bede, 98  ff., Stenton, Anglo-Saxon England, 66  f., Yorke, Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England, 142 rekonstruierte aus den Information in ASC drei Linien des westsächsischen Königshauses. Es handelt sich dabei um die Nachfahren Cuthas/Cuthwulfs, die­ jenigen Ceolwulfs und um die direkten Nachfahren Ceawlins. Siehe zur geteilten Königsherrschaft ebenfalls Dies., Wessex in the Early Middle Ages, 79, 82  f. 9 Ein Beispiel ist der Eintrag ASC (A) 597 „Her ongon Ceolwulf ricsian on Wesseaxum […] Se wæs Cuþaing. Cuþa Cynricing, Cynric Cerdicing […].“ Vgl. zu Cerdic und seiner Bedeutung als Ahnherr der westsächsischen Dynastie Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 31, Fisher, The AngloSaxon Age, 35, 46, Kirby, The Earliest English Kings, 39  f., Kleinschmidt, The Geuissae and Bede, 96  f., Lambert, Christians and Pagans, 57, Stenton, Anglo-Saxon England, 19  ff., 25, 69, 72, Yorke, Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England, 139. 10 Vgl. Yorke, Wessex in the Early Middle Ages, 82  f. 11 Vgl. Ebenda, 79. 12 Vgl. Ebenda, 83  f. 13 Ine Prol. „Ic Ine, mid Godes gife Wesseaxna kyning, mid geðeahte ˥ mid lare Cenredes mines fæder […].“ 14 Vgl. Yorke, Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England, 144, Dies., Wessex in the Early Middle Ages, 84  f. 15 Vgl. Yorke, Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England, 146, Dies., Wessex in the Early Middle Ages, 84  f.

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mit Skandinavien entscheidend für die Entwicklung dieser östlichen Königreiche. Bis zur Gründung des Hafens von Hamwic um das Jahr 70016, war der Transport über die Themse noch der schnellste Verbindungsweg zwischen dem Kerngebiet um Dorches­ ter-on-Thames und den Häfen des Ostens. Es ist dann auch nicht erstaunlich, dass sich ausgerechnet hier ein nicht nur historisch, sondern auch archäologisch durch Goldfunde nachweisbares frühes Machtzentrum der Region befand.17 Während der ersten drei Jahrzehnte des 7. Jahrhunderts machten die Missionare der römischen und der irischen Kirche einen Bogen um dieses abseits gelegene Gebiet mit seinen unsi­ cheren Herrschaftsverhältnissen.18 Die Erreichbarkeit mag hier ebenso eine Rolle gespielt haben19 wie Erwägungen um die persönliche Sicherheit der Missionare und das Fehlen eines einzigen, königlichen Ansprechpartners, wie ihn die Missionsstra­ tegie der Zeit suchte. Wie noch zu sehen sein wird, war die Mission des Birinus, der Cynegisl 634 taufte, unabhängig von den sonstigen missionarischen Bemühungen der Kirche von Canterbury nach Britannien entsandt worden.20 Drittens spielte die Nachbarschaft zu britischen Herrschaften eine wichtige Rolle in der Entwicklung von Wessex. Das Verhältnis war dabei auf der einen Seite von einer erkennbaren gegenseitigen kulturellen Einflussnahme und einer Vermischung, auf der anderen Seite jedoch auch durch kriegerische Expansion auf Kosten der Briten gekennzeichnet. Sicherstes Zeichen einer Vermischung germanischsprachiger und britischer Eliten ist das Vorhandensein keltischer Namen innerhalb der westsächsi­ schen Königsfamilie.21 Cerdic, der Ahnherr des Hauses, und Cædwalla, Ines direkter Vorgänger, sind besonders prominente Beispiele hierfür. Für diese Auffälligkeit gibt es zwei mögliche Erklärungen. Zum einen könnte es zu Heiratsverbindungen zwischen führenden britischen Familien und den Anführern der germanischsprachigen Grup­ pierungen gekommen sein.22 Zum anderen wäre aber auch eine aus Prestigegründen erfolgte Übernahme angelsächsischer Kultur und Lebensweise durch Briten denkbar.23 16 Vgl. Hinton, Hamwic, 493  ff., Yorke, The Jutes of Hampshire and Wight and the Origins of Wessex, 93, Dies., Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England, 139  f., Dies., Wessex in the Early Middle Ages, 68. 17 Vgl. Dickinson, Cuddesdon and Dorchester-on-Thames, 25  ff. 18 Nicht umsonst bezeichnete Stenton, Anglo-Saxon England, 66 Wessex in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts als „one of the least important of English kingdoms.“ 19 Eine Westorientierung der Kirche von Canterbury war noch zu Augustinus Lebzeiten gescheitert, da eine Verständigung mit den britischen Bischöfen nicht erreicht werden konnte. Vgl. HE II, 2. 20 HE III, 7 „[Birinus], qui cum consilio papae Honorii uenerat Brittaniam, promittens quidem se illo praesente in intimis ultra Anglorum partibus, quo nullus doctor praecessisset, sanctae fidei semina esse sparsurum.“ 21 Vgl. Eagles, Anglo-Savon Presence and Culture in Wiltshire c. AD 450, 204, Fisher, The Anglo-Saxon Age, 46, Yorke, Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon Enland, 139. 22 Vgl. Kirby, The Earliest English Kings, 16, Lambert, Christians and Pagans, 57. 23 Vgl. Eagles, Anglo-Savon Presence and Culture in Wiltshire c. AD 450, 204. Für eine ausführliche Diskussion des schwierigen Verhältnisses zwischen Angelsachsen und Briten siehe Ward-Perkins, Why Did the Anglo-Saxons Not Become More British?



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Bereits ab der Mitte des 6.  Jahrhunderts sind militärische Erfolge westsächsischer Könige gegen ihre britischen Nachbarn überliefert.24 Auch wenn diese Ereignisse für die britischen Bewohner von Devon, Dorset und Somerset erst einmal die Unterwer­ fung bedeuteten, gibt es auch Hinweise auf Kontinuitäten britischer Kultur in diesen Regionen. So ist Cenwalh (642–673) der erste urkundlich erwähnte Wohltäter des britischen Hauses in Sherborne.25 Auch bei Glastonbury gab es auf dem Tor bereits vor dem westsächsischen Kloster britische monastische Aktivitäten.26 Ein wichtiger Einblick in das Zusammenleben von Briten und Angelsachsen wird durch das Gesetz König Ines gewährt. Am augenfälligsten ist das Herabsinken der Briten in den von Westsachsen beherrschten Gebieten zu Menschen zweiter Klasse.27 Bei Gemeinfreien betrug das Wergeld eines Briten nur 120 Schilling, das eines Westsachsen jedoch 200 Schilling.28 Dennoch darf nicht übersehen werden, dass Ine offensichtlich bemüht war, das Zusammenleben beider Gruppen friedlich zu regeln. An einer Stelle wird eine Möglichkeit der Integration von Briten in die westsächsische Gesellschaft deutlich. In Kapitel 33 wird das Wergeld eines Briten, der als Reiter in königlichen Diensten steht, auf 200 Schilling festgelegt.29 Ein Brite in Diensten des Königs genoss daher den glei­ chen Schutz wie ein Westsachse, eine weitergehende Integration ist nicht belegt, aber doch gut vorstellbar. Viertens befanden sich nicht nur die Reiche der Briten des Südwestens, sondern auch der Machtbereich der Könige von Mercia in direkter Nachbarschaft von Wessex. Die Ausdehnung Mercias und die Bündnispolitik merzischer Könige setzten die West­ sachsen oftmals unter Druck und übten einen entscheidenden Einfluss auch auf die Religionsgeschichte des südlichen Nachbarn aus. Um nicht Ereignisse, die auf den folgenden Seiten ausführlich behandelt werden sollen vorwegzunehmen, sei an dieser Stelle nur kurz darauf verwiesen, dass sowohl die erste Taufe eines westsächsischen Königs im Jahr 634 als auch die Konsolidierung des westsächsischen Königtums ab den 680er Jahren mit dieser Bedrohung durch Mercia zusammenhingen.

24 Vgl. Loyn, Cynric, 120, Turner, Making a Christian Landcsape, 1, Yorke, Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England, 135. 25 Vgl. Finberg, The Early Charters of Wessex, 155, Yorke, Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England, 137. 26 Vgl.Yorke, Wessex in the Early Middle Ages, 163. 27 Vgl. Wormald, The Making of English Law, 104  ff. 28 Ine 23,3 „Wealh gafolgelda CXX scill. […].“ Ine 70 „Æt twyhyndum were mon sceal sellan to monbote […].“ Diese Diskrepanz im Wergeld eines Mannes ist nur eines von vielen Beispielen einer syste­ matischen Bevorzugung von Engländern in Ines Gesetz. 29 Ine 33 „Cyninges horswealh, se ðe him mæge geærendian, ðæs wergield bið CC scill.“ Vgl. Lambert, Christians and Pagans, 57  f.

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6.1 Die Etablierung christlicher Konkurrenz an der Spitze der Gesellschaft Bis zur Ankunft des Missionars Birinus war Wessex nicht das Ziel von Missionsunter­ nehmungen gewesen. Zumindest findet sich nichts dergleichen in der Überlieferung. Das bedeutet, dass die Könige der Gewisse bis in die 630er Jahre, und wie noch zu sehen sein wird in einigen Fällen darüber hinaus, die traditionelle Rolle als Opfer­ herren ausfüllten. Der Kult war nicht nur religiöse Pflicht, sondern auch ein Teil der kulturellen Überlieferung, die einen Menschen erst zum Gewisse machte. So ist anzu­ nehmen, dass die Briten, die sich in einem Prozess der Akkulturation den Gewisse anschlossen, auch die Verehrung von deren Göttern übernahmen. Ortsnamen weisen darauf hin, dass die vorchristliche Religion im späteren Wessex nicht in Tempelbau­ ten, wie demjenigen Coifis in Deira, sondern unter freiem Himmel stattfand.30 In den neu eroberten westlichen Randgebieten, die in der Hauptsache von Briten bewohnt wurden, könnten auch vor 634 einige Christen unter den Untertanen der Könige der Gewisse gewesen sein.31 Der Überlieferung nach war der Beginn der Mission im Gebiet der Westsach­ sen kirchlicherseits keine geplante Unternehmung, sondern eher das Ergebnis des Zusammenspiels von Zufällen.32 Birinus, der erste Bischof der Westsachsen, wurde zu Beginn der 630  Jahre von Papst Honorius damit beauftragt, nach Britannien zu gehen und „jenseits der innersten Gebiete der Engländer, wohin kein Lehrer vorher gegangen war, die Saat des heiligen Glaubens auszustreuen.“33 Birinus wurde noch in Genua zum Bischof geweiht und brach dann nach Britannien auf.34 Dort abgekommen habe der Bischof festgestellt, dass bereits das erste Volk, das er antraf, die Gewisse, vollkommen dem Heidentum ergeben seien und sein missionarischer Einsatz hier nottue.35 Somit tauchte ein Missionsbischof aus Italien im Reich auf. Die anderen 30 Vgl. Turner, Making a Christian Landscape, 131  ff. 31 Vgl. Ebenda, 1, Higham, The Convert Kings, 216 vermutet eine gut organisierte britische Kirche in diesen westlichen Gebieten. 32 Diese Darstellung ist umstritten. Campbell, The First Century of Christianity in England, 59 sieht den Einfluss von Mönchen in der Tradition des Columba hinter der Entsendung einer Mission nach Britannien. Higham, The Convert Kings, 216 sieht die Ankunft des Birinus als das Ergebnis diploma­ tischer Kontakte zwischen Wessex und Gebieten jenseits des Ärmelkanals. Kirby, The Earliest English Kings, 38 sieht die päpstliche Entscheidung zur Entsendung der Mission in einem möglichen Zusam­ menhang mit der Tötung Edwins durch Penda. Der Papst habe so diesen herben Rückschlag für die romverbundene Kirche in Britannien ausgleichen wollen. Die Vielzahl der Deutungen zeigt letztlich, dass alle Vermutungen über den Hintergrund der Entsendung des Birinus gelehrte Spekulation sind. 33 HE III, 7 „[…] in intimis ultra Anglorum partibus, quo nullus doctor praecessisset, sanctae fidei semina esse sparsurum.“ 34 HE III, 7 „Vnde et iussu eiusdem pontificis per Asterium Genuensem episcopum in episcopatus consecratus est gradus.“ 35 HE III, 7 „Sed Brittaniam perueniens, ac primum Geuissorum gentem ingrediens, cum omnes ­ibidem paganissimos inueniret, utilius esse ratus est ibi potius uerbum praedicare, quam ultra progrediens eos,



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Umstände, die die Arbeit des Birinus entscheidend begünstigten, waren die aggres­ sive Politik Pendas, des Königs von Mercia, und die Bündnispolitik König Oswalds von Northumbria. Bereits 628 kam es bei Cirencester zu einer Schlacht zwischen Penda auf der einen und den Königen der Gewisse Cynegisl und Cwichelm auf der anderen Seite. Die ASC berichtet nichts über den Ausgang des Kampfes, lediglich ein anschließen­ der Vertragsschluss zwischen den Konfliktparteien wird erwähnt.36 In der ASC steht nichts über den Inhalt oder den Ausgang der Verhandlungen, doch legt eine Stelle bei Beda nahe, dass es zu einem Friedensschluss gekommen sein muss. Er berichtet, dass Cynegisls Sohn Cenwalh eine Schwester Pendas geheiratet hatte, die er nach dem Tode seines Vaters wieder verstieß, um eine Andere zur Frau zu nehmen.37 Dieser Umstand und die allgemein instabilen politischen Verhältnisse der Zeit lassen vermuten, dass der Frieden mit Penda ein höchst fragiler Zustand gewesen sein dürfte. Auch mag es sein, dass nicht nur die Hochzeit, sondern auch eine wie auch immer geartete Aner­ kennung der merzischen Hegemonie Teil der Ergebnisse des Kriegs von 628 waren. In dieser Situation bot sich ein Bündnis nach dem Prinzip „der Feind meines Feindes ist mein Freund“ mit Oswald von Northumbria an. Wir erfahren nicht, von wem die Initiative zu diesem Bündnis ausging. Dass es ein solches gab, wird wiederum durch eine Hochzeitsvereinbarung deutlich. Beda weiß zu berichten, dass Oswald nicht nur Cynegisls Taufpate war, sondern auch dessen Tochter zur Frau nehmen wollte.38 Beide Könige richteten Birinus nun einen Bischofssitz in Dorchester-on-Thames ein.39 Über die Motive für Cynegisls Taufe lässt sich lediglich spekulieren. Vielleicht war der quibus praedicare deberet, inquirere.“ Vgl. zu Birinus und seiner Mission Aston, Monasteries in the Landscape, 54  ff., Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 164  f., Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c. 597–c. 700, 106, 109, Farmer, Birinus, 43, Fisher, The Anglo-Saxon Age, 77  f., 80, Fletcher, The Barbarian Conversion, 161, Lambert, Christians and Pagans, 217  f., Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 144, von Padberg, Mission und Christianisierung, 250, Ders., Die Inszenierung religiöser Konfrontationen, 60, Stenton, Anglo-Saxon England, 117  f. 36 ASC (A) „Her Cynegils ˥ Cuichelm gefuhtun wiþ Pendan æt Cirenceastre, ˥ geþingodan þa.“ Stenton, Anglo-Saxon England, 45 geht von einem Sieg Pendas aus, wenn er schreibt: „There can be little doubt that this agreement gave to Penda Cirencester and the lands along the Severn which Ceawlin had conquered in 577.“ Zustimmend Eagles, Anglo-Saxon Presence and Culture in Wiltshire c. AD 450–c. 675, 221, Kirby, The Earliest English Kings, 47. 37 HE III 7 „Repudiata enim sorore Pendan, regis Merciorum, quam duxerat, aliam accepit uxorem […].“ 38 HE III, 7 „[…] contigit tunc temporis sanctissimum ac uictoriosissimum regem Nordanhymbrorum Osualdum adfuisse, eumque de lauacro exeuntem suscepisse, ac pulcherrimo prorsus et Deo digno consortio, cuius erat filiam accepturus in coniugem, ipsum prius secunda generatione Deo dedicatum sibi accepit in filium.“ Über die Patenschaft Oswalds wird auch in der ASC (A), allerdings für das Jahr 635 berichtet: „Her Cynegils wæs gefulwad from Birino þæm biscep in Dorkeceastre, ˥ Oswold his onfeng.“ 39 HE III, 7 „Donauerunt autem ambo reges eidem episcopo ciuitatem, quae uocatur Dorcic, ad faciendam inibi sedem episcopalem; […].“ Es ist möglich, dass Oswald die Schenkung Cynegisls lediglich be­ stätigte. Eine andere Interpretation der Stelle geht dahin, dass Oswald dem Birinus lokale Ländereien übertragen hat, die er durch seine zukünftige Frau bekommen hat bzw. bekommen würde. Vgl. dazu Wallace-Hadrill, Bede’s Ecclesiastical History of the English People, 98. Zum für beide Seiten vorteil­ haften Bündnis zwischen Oswald und Cynegisl siehe Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons

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Glaubensübertritt eine Bedingung für ein Bündnis mit dem christlichen König Oswald von Northumbria. Vielleicht wirkte auch die Missionspredigt des Birinus auf Cynegisl ein, so dass er sich zur Taufe entschloss und die Verständigung mit Oswald nur den Anlass bot. Zuletzt mag es auch eine Rolle gespielt haben, dass sich der Christengott für Oswald als ein verlässlicher Schlachtenhelfer erwiesen hatte  – gerade auch im Kampf gegen Penda und dessen heidnische Merzier.40 Welche Auswirkungen hatte Cynegisls Entschluss für den polytheistischen Kult und dessen Anhänger? Beda geht über diese Fragen schnell hinweg. Er berichtet, Cynegisl sei „cum sua gente“41 getauft worden. Dass dies nicht alle Untertanen des Königs umfasst haben kann, schimmert lediglich an der Stelle durch, wo über das Wirken des Birinus ausgesagt wird, er habe durch seine Arbeit viele Menschen bekehren können.42 Die Wortwahl dieser kurzen Passage und der Umstand, dass Cynegisls Sohn und Nachfolger Cenwalh ungetauft den Thron bestieg43, lassen auf eine Freiwilligkeit des Glaubensübertritts schließen. Im Umkehrschluss heißt das natürlich, dass die westsächsischen Polytheisten ihren Kult weiterhin ausübten. Eine bislang nicht ausreichend erforschte, doch mögliche Erklärung des Verharrens im alten Glauben durch den Sohn des getauften Königs ist, dass dieser nunmehr die Rolle des Vaters bei den gemeinschaftsstiftenden Opfern übernahm und somit die Bindung auch der Heiden an die herrschende Königsfamilie sicherstellte. Ein solches Vorgehen böte sich an, wenn dem König nicht genug eben­ falls konvertierte Große zur Seite standen, um einen Glaubenswechsel des ganzen Volkes zur Not auch erzwingen zu können. Dunn scheint in diese Richtung gedacht zu haben, wenn sie feststellt, Cenwalhs Verharren im alten Glauben sei von Vorteil gewesen, um die Verbindung zu dem Teil der Bevölkerung nicht zu verlieren, der sich nicht habe taufen lassen. Sie wird allerdings zu wenig konkret.44 Waren nach dem Tod des Vaters die Umstände ausreichend stabil im Sinne eines christlichen Königtums, konnte der Nachfolger sich taufen lassen. Blieb die heidnische Fraktion stark und das c. 597–c. 700, 106, Higham, The Convert Kings, 217, Kirby, The Earliest English Kings, 47  f., 74, Lambert, Christians and Pagans, 208, Yorke, Wessex in the Early Middle Ages, 57. 40 Einen solchen Hintergrund der Hinwendung der westsächsischen Dynastie zum Christentum ver­ mutet auch Higham, The Convert Kings, 216. Von Padberg, Von Heidenhunden und Herrscherglaube, 11 betont, gerade bei der Untersuchung der Bekehrung Cynegisls sei es wichtig im Auge zu behalten, dass „monokausale Interpretationen zwar den Deutungsmustern der Kleriker, nicht aber der Wirk­ lichkeit entsprechen.“ 41 HE III, 7. 42 HE III, 7 „[…] multisque ad Dominum pio eius labore populis aduocatis […].“ Vgl. zur begrenzten Wirkung der Mission des Birinus Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 165, Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 144, von Padberg, Mission und Christianisierung, 250  f., Sten­ ton, Anglo-Saxon England, 118. 43 HE III, 7 „Defuncto autem et rege, successit in regnum filius eius Coinualch, qui et fidem ac sacramenta regni caelestis suscipere rennuit […].“ 44 Vgl. Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c. 597–c. 700, 106 „[…] because of the perceived advantages of retaining bonds with Wessex’s non-Christian population, which must have been in the vast majority at the time when Cynegisl and Cwichelm were baptized.“



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politische Schicksal des Nachfolgers von seiner Unterstützung aus diesen Kreisen abhängig, konnte es zu einer vollständigen heidnischen Restauration, wie etwa in Essex, kommen. Für die Rekonstruktion der Jahre nach Cynegisls Taufe sind die Einträge in der ASC aufschlussreicher als die HE. 643 wurde Cenwalh neun Jahre nach der Taufe seines Vaters König.45 Dieser lange Zeitraum macht die schwierigen Umstände und das langsame Vorrangehen der Mission unter den Gewisse deutlich. Auf der anderen Seite haben sich während dieser neun Jahre zwei andere Könige, Cwichelm und Cuthred, von Birinus in Dorchester taufen lassen.46 Ob diese Beiden alle neben Cyne­ gisl amtierenden Könige waren, oder ob es darüber hinaus noch weitere Träger dieses Titels gab, ist nicht sicher festzustellen. Die Taufe in Dorchester, im zentralen Macht­ bereich Cyngisls, legt eine untergeordnete Stellung Cwichelms und Cuthreds nahe. Ihre Taufe innerhalb von wenigen Jahren nach Cyngisls eigenem Religionswechsel könnte als ein von diesem eingefordertes öffentliches Zeichen der Loyalität gewer­ tet werden. In diesem speziellen Fall bedeutete dies eine Einschränkung der eben postulierten Religionsfreiheit unter Cynegisl. Die Nachrichten aus der Zeit zwischen Cenwalhs Nachfolge und seiner Vertreibung durch Penda im Jahr 645 sind äußerst spärlich. Im Eintrag des Jahres 643 wird neben seiner Thronbesteigung auch berich­ tet, der neue König habe den Bau einer Kirche in Winchester in Auftrag gegeben.47 Dieser Eintrag bedarf einer genaueren Betrachtung. Die erste mögliche Erklärung ist die eines Fehlers in der späteren Überlieferung.48 Vielleicht fand der Kirchenbau in Winchester erst nach der Rückkehr des nunmehr getauften Königs aus dem Exil statt. Oder es handelt sich um einen bemerkenswerten Vorgang, in dem ein heidnischer König den Bau einer Kirche in Auftrag gab. So wie bereits unter seinem Vater musste der junge König für beide Religionsgruppen in seinem Reich sorgen. Eine dritte Mög­ lichkeit ist, dass Cenwalh sich innerlich bereits dem Christentum angenähert hatte und dies durch die Stiftertätigkeit zum Ausdruck gebracht wird. Äußere Umstände könnten ihn von einer früheren Taufe abgehalten haben. Sein späteres höchst ambivalentes Verhalten lassen eine tiefe christliche Überzeugung Cenwalhs aller­ dings unwahrscheinlich erscheinen. Unter den drei genannten Alternativen ist die erste Möglichkeit am wahrscheinlichsten. Es bleibt festzustellen, dass in den Jahren zwischen 634 und 645 dem Polytheismus und dessen Anhängern gerade unter den Eliten eine Konkurrenz erwachsen war, deren Einfluss stark genug war, Unterkönige zur Taufe zu bewegen. Auf der anderen Seite kann es für die meisten Heiden keinen

45 ASC (A) 643 „Her Cenwalh feng to Wesseaxna rice […].“ 46 ASC (A) 636 „Her Cuichelm wæs gefulwad in Dorcesceastre […].“ ASC (A) 639 „Her Birinus fulwade Cuþræd in Dorcesceastre, ˥ onfeng hine him to suna.“ Vgl. Dunn, The Christianization of the AngloSaxons c. 597–c. 700,106, Kirby, The Earliest English Kings, 41, Yorke, Wessex in the Early Middle Ages, 172. 47 ASC (A) „[…] se Cenwalh het atimbran þa ciricean on Wintunceastre.“ 48 Dieser Erklärung gibt Arnold, An Archaeology of the Early Anglo-Saxon Kingdoms, 170 den Vorzug.

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Zwang zur Konversion gegeben haben und es ist von einer ungebrochenen Ausübung des heidnischen Kultes auszugehen. Auch im Reich der Gewisse bestand eine unmit­ telbare Nachbarschaft von Ältären des Woden und Thunor und christlicher Kirchen.

6.2 Die Polytheisten bis zum Herrschaftsantritt Ines 688 Aus kirchlicher Perspektive verlief die Zeit nach dem Beginn der Mission unter Cyne­ gisl alles andere als optimal. Nach dem Tod des Königs folgte ihm im Jahr 643 sein Sohn Cenwalh nach. Cenwalh war, wie von Beda herausgestellt, bei seinem Herr­ schaftsantritt nicht getauft.49 Zwar ist, wie oben erwähnt, die Stiftung einer Kirche in Winchester überliefert, und es gibt auch keine Hinweise darauf, dass Bischof Birinus unter Druck geraten wäre, aber allein der Umstand, dass nunmehr wieder ein heid­ nischer Oberkönig an der Spitze des Reiches stand, muss den Fortgang der Mission stark gehemmt haben. Umgekehrt hatte die polytheistische Partei zunächst wieder die Oberhand gewonnen. Das einmal etablierte Christentum mit seinem obersten Priester in Dorchester und den beiden getauften Königen Cwichelm und Cuthred ließ sich zwar nicht mehr ganz zurückdrängen, doch spricht auch alles gegen eine weitere Ausbreitung in den ersten Jahren nach Cynegisls Tod. In Bedas Darstellung folgt auf die Weigerung, die Taufe zu empfangen, unmittel­ bar und konsequenter Weise die himmlische Strafe des Machtverlusts für Cenwalh. In einem Satz wird berichtet, dass der junge König die Annahme des christlichen Glau­ bens ablehnte und „wenig später auch die Macht des irdischen Reiches verlor.“50 Vermutlich im Zusammenhang eines Friedensschlusses hatte Cenwalh die Schwester Pendas von Mercia geheiratet. Der junge König verstieß seine Frau, was ihr Bruder nicht anders als einen Bruch des Friedens und eine schwere Kränkung interpretieren konnte. Er griff an und vertrieb seinen ehemaligen Schwager aus dessen Machtbe­ reich ins ostanglische Exil.51 Bei dem Bericht fällt auf, dass die anderen Könige der Gewisse mit keinem Wort erwähnt werden. Hatten sie ihrem Oberkönig die Unterstüt­ zung gegen den mächtigen Kriegsherrn aus dem Norden versagt? Auch von Birinus gibt es keine Nachrichten aus der Zeit von Cenwalhs Exil. 49 HE III, 7 „Defuncto autem et rege, successit in regnum filius eius Coinualch, qui et fidem ac sacramenta regni caelestis suscipere rennuit […].“ Vgl. Angenendt, Kaiserherrschaft und Königstaufe, 180, Campbell, Bede I, 12, Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 165, Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c. 597–c. 700, 106, Fisher, The Anglo-Saxon Age, 78, Higham, The Convert Kings, 224, 253, Kirby, The Earliest English Kings, 39, Loyn, Cenwalh, 359, Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 144, von Padberg, Mission und Christianisierung, 250, Stenton, Anglo-Saxon England, 66, Yorke, Kings and Kingdoms of Anglo-Saxon England, 136, 139. 50 HE III, 7 „[…] et non multo post etiam regni terrestris potentiam perdidit.“ 51 HE III, 7 „Repudiata enim sorore Pendan, regis Merciorum, quam duxerat, aliam accepit uxorem; ideoque bello petitus ac regno priuatus ab illo, secessit ad regem Orientalium Anglorum, cui nomen erat Anna […].“



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Die Überlieferung der ASC bestätigt den Hergang der Ereignisse wie er bei Beda geschildert wird, korrigiert das Bild aber in einem Punkt. Wie gesehen wird der Zeit­ punkt von Cynegisls Tod und dem Herrschaftsantritt Cenwalhs mit 643 angegeben. Laut ASC liefen die oben geschilderten Ereignisse nicht unmittelbar danach, sondern erst im Jahr 645 ab.52 Cenwalh blieb drei Jahre im Exil bei König Anna von East Anglia. Während dieser Zeit ließ er sich taufen.53 Die Zeitangabe findet sich indirekt bestä­ tigt, wenn die ASC unter 648 vermerkt, König Cenwalh habe seinem Neffen Cuthred dreitausend Hiden Land bei Ashdown gegeben.54 Eine so bedeutende Ausstattung mit Land kann nur bedeuten, dass Cenwalh Cuthred zu einem Unterkönig mit einem Zentrum in Ashdown ernannte.55 Dies bedeutet, dass er zum einen zu dem Zeitpunkt wieder in sein Reich zurückgekehrt gewesen sein muss, und zum anderen macht es deutlich, dass er auf die Unterstützung seines Verwandten angewiesen war. Über die Herrschaftsverhältnisse während der Jahre von 645 bis 648 machen die Quellen keine Angaben. Es ist anzunehmen, dass sich die anderen Gewisse Penda unterwarfen. Vielleicht setzte Letzterer auch einen eigenen Mann für die Verwal­ tung des unterworfenen Gebietes ein. So oder so war Wessex für drei Jahre unter die Oberherrschaft eines mächtigen, heidnischen Königs geraten. Die polytheistischen Kulte dürften während dieser Zeit keinerlei Einschränkungen unterlegen gewesen sein. Über eine Apostasie der bereits getauften Westsachsen erfuhr Beda allerdings allem Anschein nach nichts von seinem Gewährsmann für die Kirchengeschichte der Region.56 Es gibt eine Reihe von Hinweisen auf das Fortbestehen des westsächsischen Poly­ theismus während der vierzig Jahre zwischen Cenwalhs Rückkehr aus dem Exil 648 und dem Herrschaftsantritt Ines im Jahr 688. Das Bild, das sich aus der Untersuchung der schriftlichen Quellen, Ergebnissen der Archäologie und auch der Ortsnamenfor­ schung ergibt, soll im Folgenden dargestellt und diskutiert werden.

52 ASC (A) 645 „Her Cenwalh adrifen wæs from Pendan cyninge.“ 53 HE III, 7 „[…] secessit ad regem Orientalium Anglorum, cui nomen erat Anna, apud quem triennio exulans fidem cognouit ac suscepit ueritatis.“ Vgl. Campbell, Bede I, 12, Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 165, 168, Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c. 597–c. 700, 106, Fisher, The Anglo-Saxon Age, 78, Higham, The Convert Kings, 253, Kirby, The Earliest English Kings, 79  f., Loyn, Cenwalh, 359, Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 144, von Padberg, Mission und Christianisierung, 250, 261, Stenton, Anglo-Saxon England, 66, 84, Yorke, Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England, 136, Dies., Wessex in the Early Middle Ages, 65  f. 54 ASC (A) 648 „Her Cenwalh gesalde Cuþrede his mæge .iii. Þusendo londes be æscesdune; se Cuþred wæs Cuichelming. Cuichelm Cynegilsing.“ 55 Vgl. Fisher, The Anglo-Saxon Age, 37. 56 Vgl. Yorke, Wessex in the Early Middle Ages, 54. Bischof Daniel von Winchester war dieser Infor­ mant.

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6.2.1 Hinweise in den Schriftquellen Da weder Beda noch die Autoren der Annalen, die von den Kompilatoren der Angel­ sachsenchronik genutzt wurden, ein Interesse an der Darstellung heidnischer Geschichte hatten, sind die Hinweise auf diese nur indirekt den Quellen zu entneh­ men. Es fällt auf, wie dünn die Überlieferung für Wessex schon zur Zeit der Entste­ hung der Quellen gewesen sein muss. Vierzig Jahre werden bei Beda in wenigen über seine Kirchengeschichte verstreuten Kapiteln abgearbeitet. Erst gegen Ende dieses Zeitraums, als die Taten von Ines direktem Vorgänger Cædwalla geschildert werden, nehmen Umfang und Detailreichtum der Darstellung zu. Zunächst wird berichtet, Cenwalh habe einen Gallier namens Agilbert zum Bischof in seinem Reich gemacht. Dieser sei aus Irland ins Land gekommen und habe in der Folge als Missionar unter den Westsachsen gewirkt.57 Das Verhältnis zwischen König und Bischof entwickelte sich schwierig, und nach einiger Zeit kam es zum Zerwürfnis zwischen den beiden Männern. Der von Beda angegebene Grund ist, der König habe sich an der fremden Sprache Agilberts gestört und deswegen einen zweiten Bischof, einen Einheimischen namens Wine, ernannt. Diese Ernennung ging mit einer Teilung der Diözese einher,58 und diese Maßnahme dürfte der eigentliche Anlass von Agilberts Weggang gewesen sein.59 Der Grund für die Erhebung Winchesters zum Bischofssitz um das Jahr 660 und schließlich die komplette Verlagerung des kirchlichen Zentrum der Westsachsen von Dorchester nach Süden war die andauernde Aggression Mercias und der damit einhergehende Druck auf die nördlichen Grenzen.60 Geschehnisse,

57 HE III, 7 „Cum uero restitutus esset in regnum Coinualch, uenit in prouinciam de Hibernia pontifex quidam nomine Agilberctus, natione quidem Gallus, sed tunc legendarum gratia scripturarum in Hibernia non paruo tempore demoratus, coniunxitque se regi, sponte ministerium praedicandi adsumens. Cuius eruditionem atque industriam uidens, rex rogauit eum, accepta ibi sede episcopali, suae gentis manere pontificem; qui precibus eius adnuens, multis annis eidem genti sacerdotali iure praefuit.“ 58 HE III, 7 „Tandem rex, qui Saxonum tantum linguam nouerat, pertaesus barbarae loquellae, subintroduxit in prouinciam alium suae linguae episcopum, uocabulo Uini, et ipsum in Gallia ordinatum; diuidensque in duas parrochias prouinciam, huic in ciuitate Uenta, quae a gente Saxonum Uintancaestir appellatur, sedem episcopatus tribuit. Vnde offensus grauiter Agilberctus, quod haec ipso inconsulto ageret rex, rediit Galliam […].“ In der Angelsachsenchronik taucht Wine nicht als Kollege Agilberts, sondern als dessen Nachfolger auf. ASC (A) 660 „Her ægelbryht biscep geewat from Cenwale, ˥ Wine heold þone biscepdom .iii. gear; ˥ se ægelbryht onfeng Persa biscepdomes on Galwalum bi Signe.“ 59 Zum schwierigen Verhältnis zwischen Cenwalh und Agilbert sowie zu dessen Sprachproblemen siehe Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 165, Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c. 597–c. 700, 109  f., Fisher, The Anglo-Saxon Age, 78, Lambert, Christians and Pagans, 218, 230, Loyn, Cenwalh, 360, Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 144, von Padberg, Mission und Christianisierung, 142, Ders., Die Inszenierung religiöser Konfrontationen, 63, 70, 216, Stenton, Anglo-Saxon England, 122. 60 Vgl. Kirby, The Earliest English Kings, 48  f., Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 117,Wallace-Hadrill, Bede’s Ecclesiastical History of the English People, 99, Yorke, Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England, 136, Dies., Wessex in the Early Middle Ages, 172.



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die bei Beda noch den Schluss zulassen würden, der König habe lediglich nach einer geeigneteren Persönlichkeit gesucht, und die Teilung der Diözese sei vielleicht sogar ein Ausdruck des gestiegenen Bedarfs an kirchlicher Organisation, entpuppen sich so als Symptom der Schwäche der Westsachsen im Angesicht eines mächtigen Feindes. Der Umstand, dass Cenwalh schließlich auch den der Landessprache mächtigen Wine des Amtes enthob und das Reich für einige Jahre gar keinen Bischof hatte61, lässt eine weitere Vermutung in den Bereich des Denkbaren rücken. Die militärische Unterle­ genheit könnte in Cenwalh und seinem Umfeld den Gedanken aufgebracht haben, ob die Hinwendung zu dem einen Gott der Christen nicht ein Fehler gewesen sein könnte. Schließlich war die Effektivität der göttlichen Schlachtenhilfe ein wesent­licher Faktor bei der Bewertung einer Religion. Ein Blick auf die politische Entwicklung der Zeit um 660 bestätigt, dass der christliche Gott wahrlich nicht mit den Westsachsen zu sein schien. Binnen eines Jahres starben die Könige Cuthred und Kenbert. Neben dem Rückzug aus den nördlichen Grenzregionen, mussten Cenwalh und die Gewisse eine Einkreisung durch Wulfhere von Mercia fürchten. Dieser war nicht nur in einer Schlacht gegen die Westsachsen siegreich, sondern eroberte kurz nach 666 die Isle of Wight und übergab die Herrschaft dieses Gebietes an seinen Verbündeten Æthelwald von Sussex, dessen Taufpate er war.62 Ob es im Angesicht dieser Katastrophen zu einer Apostasie kam, oder ob die bischofslose Zeit eine andere Erklärung hat, ist nicht mit letzter Sicherheit zu klären. Fest steht jedoch, dass die Gewisse nach der Vertreibung Wines für mindestens vier Jahre keinen Bischof mehr hatten. Dieser verließ das Land nach drei Jahren im Amt, das bedeutet 664. Sein Nachfolger, der durch Agilbert empfohlene Leutherius, wurde von Erzbischof Theodor von Canterbury zum Bischof für die Gewisse geweiht.63 Theodor kam erst 668 nach Kent, so dass dies der frühest mögliche Zeitpunkt für die Weihe des Leutherius ist.64 Seiner Geschichtssicht gemäß sah Beda die Ursache des Unglücks der Westsachsen im Umgang des Königs mit seinen Bischöfen. Dies habe Cenwalh schließlich erkannt, und er habe nach Agilbert geschickt. Dieser habe sich

61 HE III, 7 „Non multis autem annis post abscessum eius a Brittania transactis, pulsus est et Uini ab eodem rege de episcopatu; qui secedens ad regem Merciorum uocabulo Uulfheri, emit pretio ab eo sedem Lundoniae ciuitatis, eiusque episcopus usque ad uitae suae terminum mansit. Sicque prouincia Occidentalium Saxonum tempore non pauco absque praesule fuit.“ 62 ASC (A) 661 „Her Cenwalh gefeaht in Eastron on Posentesbyrg, ˥ gehergeade Wulfhere Pending oþ æscesdune; ˥ Cuþred Cuichelming, ˥ Ceonbryht cyning on anum geare forþferdun; ˥ on Wiht gehergade Wulfhere Pending, ˥ gesalde Wihtwaran æþelwalde Suþ Seaxna cyninge. forþon Wulfhere hine onfeng æt fulwihte. […].“ 63 HE III, 7 „[…] misit pro se illo presbyterium Leutherium nepotem suum, qui ei, so uellet, ordinaretur episcopus, dicens, quod ipse eum dignum esse episcopatu iudicaret. Quo honorifice a populo et a rege suscepto, rogauerunt Theodorum, tunc archiepiscopum Doruuernensis ecclesiae, ipsum sibi antistitem consecrari; qui consecratus in ipsa ciuitate multis annis episcopatum Geuissorum ex synodica sanctione solus sedulo moderamine gessit.“ 64 ASC (A) 668 „Her þeodorus mon hadode to ercebiscep:“

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jedoch unter Hinweis auf seine neuen Bischofspflichten im Frankenreich entschuldi­ gen lassen und stattdessen seinen Neffen Leutherius geschickt.65 Es ist zweifelhaft, ob die Einsicht in die Notwendigkeit christlicher Unterstützung in königlichen Kreisen tatsächlich weite Verbreitung fand. Denn weder für die Amtszeit des Leutherius noch für die ersten Jahre von dessen Nachfolger im Amt Hædde66 wird von weiteren Taufen von Königen berichtet. Andererseits sind aus der Zeit Cenwalhs möglicherweise zwei Urkunden über Landschenkungen an Klöster erhalten, von denen eine sicher aus den letzten Jahren seines Lebens stammt. Zwischen 670/2 schenkte der König dem Kloster Glastonbury Land in Somerset.67 Nicht genau zu datieren ist eine Urkunde Cenwalhs für die Kirche von Sherborne in Dorset.68 Beide Häuser haben eine Verbindung zur Tradition der britischen Kirche. Das eröffnet die Möglichkeit, in den Schenkungen ein Entgegenkommen den britischen Untertanen gegenüber zu sehen. Vielleicht wollte Cenwalh aber auch in seinen letzten Jahren für sein Seelenheil vorsorgen.69 Beda geht über die Ereignisse in Wessex nach dem Tode Cenwalhs im Jahr 672 sehr schnell hinweg. Er berichtet lediglich, Unterkönige hätten die Herrschaft nun unter sich aufgeteilt und diese für ungefähr zehn Jahre inne gehabt.70 Wichtig ist Beda offenbar nur die Überlieferung der Abfolge von Bischöfen der Westsachsen. In der ASC finden sich mehr Informationen zu der unruhigen Zeit, die nach dem Tode Cenwalhs eingesetzt haben muss. So habe nach dem Tod des Königs zunächst dessen Frau Sexburga für den Zeitraum eines Jahres regiert.71 Der Eintrag für das Jahr 674 gibt an, dass danach Escwin König der Westsachsen geworden sei.72 Dieser starb nur zwei Jahre später, sein Nachfolger wurde Centwine, ein Sohn Cynegisls.73 Nachdem mit Cenwalh der vorerst letzte bekanntermaßen getaufte König in Wessex gestorben war, herrschte trotz der Fortsetzung der Diözese Wessex mit Escwin zunächst wieder ein Ungetaufter. Weder Beda noch die Angelsachsenchronik berichten über die Taufe 65 HE III, 7 „[…] intellexitque, quod etiam tunc destituta pontifice prouincia recte pariter diuino fuerit destituta praesidio: Misit ergo legatarios in Galliam ad Agilberctum, summissa illum satisfactione deprecans ad episcopatum suae gentis redire. At ille se excusans, et uenire non posse contestans, quia episcopatu propriae ciuitatis ac parrochiae teneretur adstrictus, ne tamen obnixe petenti nil ferret auxilii, misit se illo presbyterium Leutherium nepotem suum […].“ 66 HE IV, 12 „[…] et episcopatu functus Haeddi pro eo, consecratus a Theodoro in ciuitate Lundonia.“ 67 Vgl. Finberg, The Early Charters of Wessex, 109. Kelly, Charters of Glastonbury Abbey, 190, 211  ff. Kelly (S. 212) hält die Urkunde für problematisch und sieht in dem Text „a later fabrication, based in part on an early model.“ 68 Vgl. Ebenda, 155. 69 Zu den Schenkungen an keltische Klöster siehe Fisher, The Anglo-Saxon Age, 105. Von Padberg, Mission und Christianisierung, 250  f. erkennt in den Überlieferungen zu Cenwalh das Bemühen um die Christianisierung seines Reiches. 70 HE IV, 12 „Cumque mortuus est Coinualch […] acceperunt subreguli regnum gentis, et diuisum inter se tenuerunt annis circiter x […].“ 71 ASC (A) 672 „Her forþferde Cenwalh ˥ Seaxburg an gear ricsode his cuen æfter him.“ 72 ASC (A) 674 „Her feng æscwine to rice on Wesseaxum […].“ 73 ASC (A) 676 „Her æscwine forþferde, […] Centwine feng to rice; ˥ Centwine was Cynegilsing […].“



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Centwins. Der um 700 schreibende Aldhelm erwähnt jedoch dessen Klostereintritt gegen Ende seines Lebens.74 Einen weiteren Hinweis auf eine Verbindung Centwines zur Kirche liefern Urkunden auf seinen Namen. 678 und 682 schenkte er dem Kloster Glastonbury Land in Somerset.75 Wilfrid von York erhielt zwischen 680 und 685 Land bei Wedmore.76 Trotz dieser Hinwendung zur Kirche durch seinen Vorgänger war der ab 685 in Erscheinung tretende Cædwalla77 seine Amtszeit hindurch ungetauft. Es liegt daher nahe anzunehmen, dass Bedas knappe Behandlung der westsächsi­ schen Geschichte der 670er Jahre dem Versuch geschuldet ist, das Versagen der dor­ tigen Kirche zu verschweigen, den christlichen Glauben in den führenden Familien des Reiches zu verankern und darüber hinaus zu verbreiten. Die Zersplitterung des Reiches könnte den Anlass zu einer religiösen Teilung in Wessex gegeben haben. Er ist vorstellbar, dass die rivalisierenden Könige bei unterschiedlichen Göttern Unterstüt­ zung für ihre jeweiligen Ansprüche suchten. Das Beharrungsvermögen des westsäch­ sischen Polytheismus liegt wohl in der scheinbaren Ineffektivität des Christentums begründet. Dass diese Frage für die ab Mitte der 680er Jahre dann doch erfolgende Festigung des Christentums in Wessex entscheidend war, zeigt der Bericht über die Taten Cædwallas. Cædwallas Karriere war sehr kurz. Beda zufolge dankte er nach nur zwei Jahren ab, um in Rom die Taufe zu empfangen. Am Ziel seiner Reise angekommen, sei er dann erkrankt und schließlich gestorben.78 Seine große Bedeutung für die westsächsische Geschichte liegt darin gegründet, dass er nach einer Zeit der politischen Zersplitte­ rung ein starkes Königtum etablierte und dem Christentum als dominanter Religion endgültig den Weg ebnete.79 Das Mittel, um beides zu erreichen, war die kriegerische Expansion. Nachdem er zum König aufgestiegen war, plünderte Cædwalla zusammen 74 De basilica edificata a Bugge filia regis Angliae Vers 8  f. „Exin sacratam perrexit quaerere vitam,/ Dum proprium linquit Christi pro nomine regnum;“ Vgl. Kirby, The Earliest English Kings, 39, 101, Loyn, Centwine, 359, von Padberg, Mission und Christianisierung, 263. Siehe zu Centwine als Förderer der Kirche und erfolgreichen Kriegsherrn ebenfalls Fisher, The Anglo-Saxon Age, 38, Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 118, Stenton, Anglo-Saxon England, 68. 75  Vgl. Finberg, The Early Charters of Wessex, 109  f. 76 Vgl. Ebenda, 110  f. 77 ASC (A) 685 „Her Ceadwalla ongan æfter rice winnan […].“ 78 HE V, 7 „[…] Caedualla rex Occidentalium Saxonum, cum genti suae duobus annis strenuissime praeesset, relicto imperio propter Dominum regnumque perpetuum uenit Romam, hoc sibi gloriae singularis desiderans adipisci, ut ad limina beatorum apostolorum fonte baptismatis ablueretur, in quo solo didicerat generi humano patere uitae caelestis introitum; simul etiam sperans, quia, mox baptizatus, carne solutus ad aeterna gaudia iam mundus transiret. […] Etenim illo perueniens, pontificatum agente Sergio, baptizatus est die sancto sabbati paschalis anno ab incarnatione Domini DCLXXXVIIII; et in albis adhuc positus, languore correptus, duodecimo kalendarum Maiarum die solutus a carne et beatorum est regno sociatus in caelis.“ 79 Vgl. Yorke, Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England, 145  f., Dies., Wessex in the Early Middle Ages, 82 hat die Möglichkeit eröffnet, bereits den vor Cædwalla herrschenden Centwine als Initiator dieser Entwicklungen zu sehen.

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mit seinem Bruder Mul Sussex und Kent.80 Auch die Isle of Wight wurde Ziel dieser Eroberungszüge. Es wird berichtet, Cædwalla habe sich vor dem Kriegszug gegen die Bewohner von Wight, obwohl noch ungetauft, mit einem Gelübde dazu verpflich­ tet, „daß er, wenn er die Insel einnähme, den vierten Teil von ihr und auch von der Beute dem Herrn gäbe.“81 Dieses Vorgehen erinnert stark an das Verhalten Edwins vor seinem Krieg gegen die Gewisse. Die Tauglichkeit des christlichen Gottes in der Schlacht sollte sich erweisen, die Unterstützung Gottes sollte durch die in Aussicht gestellte Gegengabe sichergestellt werden. Hinter dieser Entscheidung ist der Einfluss Bischof Wilfrids zu vermuten. Dieser war in der Gegend, übte wohl einen großen Ein­ fluss auf den jungen König aus und war dann zunächst auch der Empfänger der ver­ sprochenen Ländereien auf der Isle of Wight.82 Dort wurden in der Folge westsäch­ sische Gefolgsleute Cædwallas angesiedelt, kirchliche Strukturen wurden ausgebaut. Von zwei Angehörigen der alten Königsfamilie wird berichtet, sie seien zu den Jüten nach Südengland geflohen. Dort wurden sie von Cædwallas Männern entdeckt, der ihnen den Tod nicht ersparen konnte oder wollte. Auf die Intervention eines Priesters namens Cynebert hin durften sie aber die Taufe empfangen.83

80 HE IV, 15 (14) „Interea superueniens cum exercitu Caedualla, iuuenis strenuissimus de regio genere Geuissorum, cum exularet a patria sua, interfecit regem Aedilualch, ac prouinciam illam saeua caede ac depopulatione attriuit […].“ ASC (A) 686 „Her Ceadwalla ˥ Mul Cent ˥ Wieht forhergedon.“ Vgl. Insley, Meanware, 473  f., Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c. 597–c. 700, 107, 126, Fisher, The Anglo-Saxon Age, 88, Kirby, The Earliest English Kings, 100  f., Lambert, Christians and Pagans, 259  f., Stenton, Anglo-Saxon England, 69. 81 HE IV, 16 (14) „[…] uoto se obligans, quamuis necdum regeneratus, ut ferunt, in Christo, quia, si cepisset insulam, quartam partem eius simul et praedae Domino daret.“ 82 HE IV, 16 (14) „Quod ita soluit, ut hanc Uilfrido episcopo, qui tunc forte de gente sua superueniens aderat, utendam pro Domino offeret. Est autem mensura eiusdem insulae iuxta aestimationem Anglorum mille ducentarum familiarum; unde data est episcopo pessessio terrae trecentarum familiarum.“ Vgl. Arnold, The Anglo-Saxon Cemeteries of the Isle of Wight, 100, der vermutet, Beda habe die Erfolge der bereits vor Cædwallas Invasion einsetzenden Christianisierung der Insel unterschlagen, um das Vorgehen des Westsachsen zu rechtfertigen. Zur Eroberung der Isle of Wight und der Schenkung von Land an Wilfrid siehe Ders., An Archaeology of the Early Anglo-Saxon Kingdoms, 215, Campbell, Observations on the Conversion of England, 77, Fletcher, The Barbarian Conversion, 178, Kirby, The Earliest English Kings, 102, Lambert, Christians and Pagans, 259  f., Stenton, Anglo-Saxon England, 69  f., 138, Yorke, The Jutes of Hampshire and the Origins of Wessex, 92. 83 HE IV, 16 (14) „[…] duo regii pueri, frates uidelicet Arualdi regis insulae, speciali sunt Dei gratia coronati. Siquidem inminentibus insulae hostibus fuga lapsi sunt de insula et in proximam Iutorum prouinciam translati, ubi cum delati in locum, qui uocatur Ad Lapidem, occulendos se a facie regis uictoris credidissent, proditi sunt atque occidi iussi. Quod cum audisset abbas quidam et presbyter uocabulo Cyniberct, habens non longe ab inde monasterium in loco, qui uocatur Hreutford, id est Vadum harundinis, uenit ad regem […] postulauitque ab eo, ut, si necesse est pueros interfici, prius eos liceret fidei Christianae sacramentis inbui. Cencessit rex, et ipse instructos eos uerbo ueritatis, ac fonte Saluatoris ablutos, de ingressu regni aeterni certos reddidit. Moxque illi instante carnifice mortem laeti subiere temporalem, per quam se ad uitam animae perpetuam non dubitabant esse transituros.“ Kirby, The Earliest English Kings, 97 sieht dynastische Rivalitäten als Hintergrund für Cædwallas Invasion an.



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Die Episode weist zugleich auf den großen Einfluss der Geistlichkeit beim König sowie auf die immer noch bestehende Freiwilligkeit des Empfangs der Taufe hin. Es ist durchaus vorstellbar, dass Cædwalla am Anfang seiner Herrschaft beiden religi­ ösen Parteien unter seinen Großen gerecht werden musste. Daher ließ er sich auch nicht taufen, bereitete aber durch sein Gelübde seinen eigenen Übertritt zum Chris­ tentum vor.84 An diesem Plan hielt der König fest, aber sicher anders als ursprüng­ lich geplant. Beda weiß zu berichten, Cædwalla habe nach der Eroberung von Wight heimlich seine Wunden versorgen lassen.85 Diese Heimlichkeit lässt auf eine schwere Verwundung und große Schwächung des Königs schließen. Er beschloss dann abzu­ danken und nach Rom zu ziehen, um dort die Taufe zu empfangen. Dem Bericht der HE zufolge wurde Cædwalla erst in Rom von einer Krankheit befallen, der er schließ­ lich erlag.86 Die schwere Verwundung aus der Schlacht um die Isle of Wight lässt es plausibel erscheinen anzunehmen, der König habe bereits vor dem Antritt seiner Reise gewusst, dass er bald sterben würde.87 Endlich vom Gott der Christen über­ zeugt, wollte er dessen Glauben an dessen heiligstem Ort in Europa, und, da war er ganz Kriegerkönig, im Zentrum des römischen Reiches annehmen.

Yorke, Wessex in the Early Middle Ages, 66 meint, Cædwalla habe die Königsfamilie der Isle of Wight auslöschen müssen, um die Insel auf Dauer in seinen Herrschaftsbereich integrieren zu können. 84 Vgl. Wallace-Hadrill, Bede’s Ecclesiastical History of the English People, 178  f. weist auf Unsicher­ heiten in der Überlieferung zu Cædwallas religiösen Einstellungen hin: „It is not known why his baptism had been delayed so long but it need not imply that he ever had been a practising pagan. It does seem to be implied by the epitaph (‚Barbaricam rabiem conuertit ouans‘, ll. 29–30) but the author may simply have been following convention.“ Die Verbundenheit des Königs zum Christentum wird nicht nur durch die Schenkung von Land auf der Isle of Wight deutlich. Aus Wiltshire ist eine Urkunde über eine Schenkung an Abt Aldhelm von Malmesbury im Namen Cædwallas von 688 überliefert. Vgl. Fin­ berg, The Early Charters of Wessex, 69. 85 HE IV 16 (14) „[…] qui tunc eisdem in partibus occultus curabatur a uulneribus, quae ei inflicta fuerant proelianti in insula Uecta […].“ 86 HE V, 7 „Anno autem regni Aldfridi tertio, Caedualla rex Occidentalium Saxonum, cum genti suae duobus annis strenuissime praeesset, relicto imperio propter Dominum regnumque perpetuum uenit Romam, hoc sibi gloriae singularis desiderans adipisci, ut ad limina beatorum apostolorum fonte baptismatis ablueretur, in quo solo didicerat generi humano patere uitae caelestis introitum; simul etiam sperans, quia, mox baptizatus, carne solutus ad aeterna gaudia iam mundus transiret. Quod utrumque, ut mente disposuerat, Domino iuuante conpletum est. Etenim illo perueniens, pontificatum agente Sergio, baptizatus est die sancto sabbati paschalis anno ab incarnatione Domini DCLXXXVIIII; et in albis adhuc positus, languore correptus, duodecimo kalendarum Maiarum die solutus a carne et beatorum est regno sociatus in caelis.“ 87 Vgl. Lambert, Christians and Pagans, 260, Stenton, Anglo-Saxon England, 70, Wallace-Hadrill, Bede’s Ecclesiastical History of the English People, 178. Siehe zu Cædwallas Romreise ebenfalls Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c. 597–c. 700, 113, Fisher, The Anglo-Saxon Age, 104, 178, Fletcher, The Barbarian Conversion, 276, Higham, The Convert Kings, 276, der in Cædwalla auch schon vor dessen Abdankung und Taufe einen Christen sieht, Kirby, The Earliest English Kings, 39, 41, von Padberg, Mission und Christianisierung, 264  f.

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6.2.2 Archäologische Hinweise Die archäologischen Spuren, die heidnischer Kult und frühe Kirche in Wessex hinter­ lassen haben, lassen im Allgemeinen das Bild eines langsamen Übergangs entstehen. Das archäologisch nachweisbare frühe kirchliche Zentrum von Winchester ist hierbei als Ausnahme zu betrachten. Dabei spielen die beiden Friedhöfe Winnall I und II sowie einige frühe Gräber unter der ersten Kathedrale eine Rolle. Winnall  I ist ein Friedhof des frühen 7. Jahrhunderts.88 Dieses Gräberfeld wurde jedoch um die Mitte des Jahrhunderts aufgegeben, und ein Stück weiter wurde ein neuer Friedhof ange­ legt. Die zeitliche Abfolge lässt sich anhand von Beigaben aus Winnall II rekonstru­ ieren. Es wird auch deutlich, dass es sich bei dem neu angelegten Friedhof um einen christlichen Bestattungsort handelt, der in der Zeit vor der Anlage eines Kirchhofs im Zentrum der Siedlung benutzt wurde.89 So fallen die letzten Bestattungen von Winnall II und die ältesten Bestattungen unter der alten Kathedrale von Winchester in die gleiche Zeit.90 Aus den Quellen ist bekannt, dass Cenwalh 648 eine Kirche in Winchester errichten ließ. Um 660 wurde die Stadt Bischofssitz. Zusammen mit den archäologischen Funden entsteht der Eindruck eines recht zügigen lokalen Über­ gangs vom Heidentum zum Christentum. Im Gegensatz zu der Situation in anderen Regionen von Wessex standen in Winchester und der unmittelbaren Umgebung seit 648 immer genügend Kleriker zur Verfügung, um die Menschen zu missionieren und seelsorgerisch zu betreuen.91 Der soziale Druck, sich den Begebenheiten anzupas­ sen, wird nach der Etablierung des Bischofssitzes noch gestiegen sein. Alles in allem muss für Winchester und Umgebung vom Ende heidnischen kulturellen Lebens bald nach 648 ausgegangen werden. Für das übrige Wessex stellen Grabhügelbestattungen eine wichtige archäologi­ sche Quelle für den Fortgang heidnischen Lebens, aber auch für den Übergang zum Christentum dar. Dieser Prozess lässt sich durch den Kontrast zweier Fundgruppen illustrieren. Die auffälligsten Grabhügelbestattungen in Wessex sind eine Gruppe von reich ausgestatteten Frauengräbern. Diese Gräber, Roundway Down92 und Swallow Cliffe Down93 sind die bekanntesten Vertreter, finden sich oftmals in wieder benutzten bronzezeitlichen Hügelgräbern und stammen aus dem späten 7. Jahrhundert. In der Forschung besteht über zwei Einschätzungen bezüglich dieser Frauengräber weitge­ hend Einigkeit. Erstens werden die auffälligen Anlagen als Reaktion auf sozialen Stress

88 Vgl. Meaney, Two Anglo-Saxon Cemeteries at Winnall, 6. 89 Vgl. Ebenda, 6, 32, 45  ff., 54  ff. 90 Vgl. Petts, Pagan and Christian, 107. 91 Vgl. Yorke, Wessex in the Early Middle Ages, 173, die den langsamen Fortgang der Mission in Wes­ sex auf den Mangel an Priestern zurückführt. 92 Vgl. Petts, Pagan and Christian, 106, Semple, Excavation on Roundway Down, 236  ff. 93 Vgl. Eagles, Anglo-Savon Presence and Culture in Wiltshire c. AD 450, 223, Petts, Pagan and Christian, 106, Speake, A Saxon Bed Burial on Swallow Cliffe Down.



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in der sie hervorbringenden Gesellschaft gesehen.94 Ohne eine mögliche religiöse Bedeutung der Bestattung in Grabhügeln völlig auszuschließen, geht Semple davon aus, dass bei den Frauengräbern des späten 7.  Jahrhunderts die soziale Bedeutung die Wahl des Bestattungsorts dominierte. Sie sieht Grabhügelbestattungen weder als explizit heidnische noch als christliche Form der Bestattung an. Es habe sich vielmehr um Machtdemonstrationen gehandelt. Als mögliche Adressaten dieser Botschaft sieht sie britische Bewohner neu erworbener Gebiete95 oder den Rivalen Mercia. Zweitens scheint festzustehen, dass es sich bei diesen Gräbern um christliche Bestattungen handelt. So fand sich in Swallow Cliffe Down ein Halsschmuck mit Kreuzmotiven, der auf einen irisch-christlichen Einfluss schließen lässt.96 Der Befund, dass zur gleichen Zeit mit den Auftauchen von Frauengräbern in auffälligen Grabhügelbestattungen die Funde männlicher Bestattungen in solchen Monumenten zurückgehen, hat Petts zu folgender Idee gebracht. Er geht von einer Situation aus, in der Männer die Bestat­ tung innerhalb von Klöstern bevorzugten, während hoch gestellte Frauen sich lieber in Grabhügeln beisetzen ließen. Der Grund für diese Wahl sei gewesen, dass diese Form der Bestattung es den Frauen erlaubt habe, ihre traditionelle Kontrolle über das Bestattungswesen weiterhin auszuüben. Sie seien hierbei darauf bedacht gewesen, traditionelle und christliche Formen miteinander zu verbinden.97 Diesen christlichen Formen stehen einige Hinweise auf in der Forschung als expli­ zit polytheistisch angesehene Grabhügelbestattungen entgegen. Die Reste des chro­ nologisch frühesten Grabs dieser Art wurden in Cuddesdon, einem Ort ca. 5 Meilen nord-nordöstlich von Dorchester-on-Thames gefunden.98 Auf einem Hügel auf dem Gelände des Bischofssitzes wurden Beigaben und die Überreste mehrerer Menschen gefunden. Den Berichten der bei der Entdeckung Anwesenden zufolge, waren einige Körper auf dem Bauch liegend mit überkreuzten Beinen bestattet. Dickinsons Theorie ist, dass es sich um die Überreste von Menschenopfern aus Anlass der Grablege eines Fürsten des frühen 7. Jahrhunderts handeln könnte.99 Die Annahme, dass es hier eine solche Elitenbestattung gegeben hat, stützt sich auf den Namen des Ortes, der sich von Cuth- und Hleaw (Grabhügel) herleiten könnte.100 Zusammen mit der Lage auf

94 Vgl. Arnold, An Archaeology of the Early Anglo-Saxon Kingdoms, 162, Semple, Burials and Political Boundaries in the Avebury Region, 74, 82  f. 95 Vgl. Ebenda sowie Dies., A Fear of the Past, 120 mit einer kritischen Einschätzung der bisherigen Interpretation von Swallowcliffe Down als christliche Grabstätte. Siehe ebenfalls Eagles, Anglo-Savon Presence and Culture in Wiltshire c. AD 450, 222 mit der gleichen Einschätzung. Siehe auch Turner, Making a Christian Landscape, 136  ff., 143, der die Anlagen in erster Linie als Markierungen für Län­ dereien sieht. 96 Vgl. Eagles, Anglo-Savon Presence and Culture in Wiltshire c. AD 450, 222, Speake, A Saxon Bed Burial on Swallow Cliffe Down, 124, Yorke, Wessex in the Early Middle Ages, 174  f. 97 Vgl. Petts, Pagan and Christian, 107  f. 98 Vgl. Dickinson, Cuddesdon and Dorchester-on-Thames, 21. 99 Vgl. Ebenda, 23  f. 100 Vgl. Ebenda, 32  ff. Cuth wäre dann als Element eines Eigennamen zu sehen.

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einem Hügel, der in späteren Zeiten als Standort für den Bischofspalast ausgewählt wurde, lasse das auf die Grablege eines Mitglieds der Königsfamilie der Gewisse schließen. Dickinson datiert die Funde in das frühe 7.  Jahrhundert und Geake ver­ mutet, der Bestattete von Cuddesdon könnte aus dem Teil der lokalen Elite sein, der sich dem Christentum bewusst verweigerte.101 Ein in den Zeitraum von 600 bis 650 datierter Fund ist das Hügelgrab von Taplow Court.102 Andere Funde dieser Art sind Grabhügelbestattungen bei Coombe Bissett, Lowbury Hill und Alvediston 1c, die eher in die Mitte des Jahrhunderts zu datieren sind.103 Das chronologisch letzte Hügelgrab, das als heidnisches Monument interpretiert worden ist, ist ein bei Ford Down entdecktes Grab vom Ende des 7. Jahrhunderts. Bei Grab 18 handelt es sich um ein reich ausgestattetes Männergrab in einem angelsäch­ sischen Grabhügel. Der Stil der Beigaben weist auf die Zeit und die religiöse Orientie­ rung hin.104 Es ergibt sich ein Bild, wonach die Bestattungsform in Grabhügeln für Wessex nicht als Ausdruck einer bestimmten religiösen Orientierung angesehen werden kann. Sowohl Anhänger des Polytheismus als auch frühe Christen bestatteten ihre Verstorbenen in solchen Monumenten. Dennoch lässt sich die Langlebigkeit des westsächsischen Heidentums wie gesehen auch mit Hilfe dieser archäologischen Fundgruppe nachvollziehen. Die Art und die Ausstattung der Grablegen ist auch in Wessex als ein Hinweis auf Polytheisten in den oberen Schichten der Gesellschaft zu sehen. Das ergibt sich durch den notwendigen Aufwand bei der Konstruktion von Grabhügeln und dem Wert der Beigaben.

6.2.3 Ortsnamen Neben den Hinweisen aus schriftlichen Quellen und den Ergebnissen Archäologie, leistet auch die Ortsnamenforschung einen Beitrag zur Untersuchung der Geschichte der westsächsischen Polytheisten im 7. Jahrhundert. Margaret Gelling hat theophore Ortsnamen des angelsächsischen England untersucht. Sie stellt die Hypothese auf, dass Gegenden, in denen diese Namen gehäuft auftreten, erst spät christianisiert wurden. Es habe in diesen Regionen erst spät eine Unterstützung der Mission durch

101 Vgl. Geake, Burial Practice in Seventh- and Eighth-Century England, 83  ff. Siehe zustimmend Yorke, Wessex in the Early Middle Ages, 173. 102 Vgl. Grinsell, The Archaeology of Wessex, 288. 103 Vgl. Ebenda, 288  ff. 104 Vgl. Eagles, Anglo-Savon Presence and Culture in Wiltshire c. AD 450, 209. Musty, The Excavation of Two Barrows, One of Saxon Date, At Ford, Laverstock, Near Salisbury, Wiltshire, 101  ff., 113 „During this period Wessex was being converted to Christianity and the interesting possibility arises that the Ford burial may have been made after the introduction of Christianity and in continuation of lingering pagan tradition.“



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die Obrigkeit gegeben, und heidnische Kultplätze, auf die sich die Ortsnamen in der Regel beziehen, seien länger in Gebrauch geblieben.105 Eine genaue Datierung der Benennung der Orte ist nicht möglich, doch scheint sie mitunter erst im späten 7. Jahr­ hundert stattgefunden zu haben.106 Für Wessex fällt eine Häufung dieser Kategorie von Namen im Süden um Southampton und Winchester und im Norden im Gebiet um den Wansdyke auf.107 Im Süden fallen die beiden Thunor-Orte mit den identischen Namen Thunres­ 108 lea und Wheely, das Gelling als „heiliger Hain mit Heidentempel“ übersetzt, in diese Kategorie.109 Im Norden kommt wieder ein Bezug zu Thunor vor, Thunresfeld bei Chippenham. Dieser Name bedeutet „offenes Land Thunors.“110 Der Name Wodens findet sich in Woddesgeat, Wodnesdene und Wodnesbeorg. Die Lage beim Wansdyke, dem „Graben Wodens“, ist sicher kein Zufall. Woddesgeat heißt „Wodens Lücke“ und bezeichnet eine Stelle, an der die Straße den Wansdyke passiert.111 Wodnesbeorg, „Wodens Hügel“, ist ein neolithisches Hügelgrab, das heute den Namen Adam’s Grave hat.112 Wodnesdene, „Wodens Tal“, ist heute als Hursley Bottom bekannt.113 In ­Northampshire ist der Name Tislea, „heiliger Hain des Tig“114 überliefert. Es scheint unklar zu sein, ob es sich dabei um einen Bezug zu Tiw oder um den Eigennamen des Besitzers dieser Stätte handelt. Ein von Gelling besonders hervorgehobener Fall ist der des Klosters Farnham in Surrey, das zwischen 685 und 687 gegründet wurde.115 Farnham liegt zentral in einer Region, die einige Ortsnamen mit heidnischen Bezügen aufweist. Zu nennen sind hier Willey116, Thursley117 und Peper Harrow.118 Die Lage Farnhams in einer zwischen Kent und Wessex umstrittenen Grenzregion sowie die Abwesenheit vergleichbarer Namen in der Oxfordregion, wo bereits um 634 die Mission begann, lässt Gelling zu dem Schluss kommen, dass das Kloster vielleicht in der Absicht gegründet worden sein könnte, eine hartnäckig heidnische Enklave zu

105 Vgl. Gelling, Further Thoughts on Pagan Place-Names, 117, zustimmend Hines, Burial and Religion in Pre-Christian Anglo-Saxon England, 66. 106 Vgl. Eagles, Anglo-Savon Presence and Culture in Wiltshire c. AD 450, 225. 107 Vgl. Gelling, Further Thoughts on Pagan Place-Names, 119. 108 Vgl. Ebenda, 122 „[…] ‚sacred grove of Thunor‘.“ 109 Vgl. Ebenda, 125. 110 Vgl. Ebenda, 122. 111 Vgl. Ebenda, 126. 112 Vgl. Ebenda. 113 Vgl. Ebenda. 114 Vgl. Ebenda, 122. 115 Vgl. Ebenda, 117. Zur Gründung Farnhams durch Cædwalla siehe Stenton, Anglo-Saxon England, 70. 116 Vgl. Ebenda, 125. 117 Vgl. Ebenda, 122. Der Name bedeutet „heiliger Hain des Thunor.“ 118 Vgl. Ebenda, 121. Der Name bedeutet wohl „Heidentempel der Flötenspieler.“ Gelling vermutet den Einsatz der Instrumente beim vor Ort praktizierten Kult.

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missionieren.119 Insgesamt weisen die Ortsnamen auf eine Kontinuität heidnischen Kultes bis in die zweite Hälfte des 7. Jahrhunderts hin.

6.2.4 Zwischenfazit Nachdem den Anhängern des Polytheismus durch die Taufe König Cynegisls eine religiöse Konkurrenz entstanden war, konnten sie ihren gesellschaftlichen Status und ihren Einfluss in den folgenden Jahrzehnten verteidigen. Diese Entwicklung ist dem ambivalenten Verhältnis Cenwalhs zum Christentum und der westsächsischen Schwäche im Angesicht der merzischen Expansion zu verdanken. Auch nach seiner Taufe in East Anglia wurde Cenwalh kein aktiver Unterstützer des Christentums. In diesem Punkt unterschied er sich von seinem Paten Anna von East Anglia. Zwar lässt die archäologische Forschung auf eine rasche Konversion der Stadt Winchester nach 648 schließen, doch weist die Ortsnamenforschung auf die andauernde Existenz von heidnischen Kultplätzen im weiteren Umland der Stadt hin. Die militärische Schwäche der christlichen Könige der Westsachsen könnte um 660 den Anlass zu einer Krise der lokalen Kirche geboten und zu einem Erstarken des Polytheismus geführt haben. Die Nachfolger Cenwalhs waren dann auch mit der Ausnahme Centwines ungetauft. Der Bericht über Cædwallas Eid, der Kirche im Falle eines Sieges über die Bewohner der Isle of Wight Land zu schenken, zeigt, dass die Frage nach der größeren Effektivität im Krieg eine zu Beginn der 680er Jahre noch offene, aber drängende religiöse Angelegenheit war. Grabhügelbestattungen weisen darauf hin, dass sich in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts sowohl Christen als auch Heiden unter den Eliten des Reiches fanden. Die Ergebnisse der Ortsnamen­ forschung bestätigen das Bild, das sich aus der Untersuchung der historischen und archäologischen Quellen ergibt.

6.3 Ine und das Ende des westsächsischen Polytheismus Cædwallas Nachfolger Ine war eine lange Herrschaftszeit beschieden. Die Angaben hierzu schwanken zwischen 37 Jahren in der HE120 und dem Eintrag des Jahres 688 in der Angelsachsenchronik121 auf der einen Seite sowie dem Zeitraum von 40 Jahren,

119 Vgl. Ebenda, 117. Semple, A Fear of the Past, 117 berichtet von einer möglichen heidnischen Kultstätte des 7. Jahrhunderts auf einem Grabhügel aus dem 6. Jahrhundert. Diese Interpretation der archäologischen Funde könnte die religiösen Aktivitäten in der von Gelling angenommenen heidni­ schen Enklave in dieser Region illustrieren. 120 HE V, 7 „Abeunte autem Romam Caedualla, successit in regnum Ini de stirpe regia. Qui cum XXXVII annis imperium tenuisset gentis illius […] relicto regno ac iuuenioribus commendato […].“ 121 ASC (A) 688 „Her Ine feng to Wesseaxna rice, ˥ heold .xxxvii. wintra. […].“



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der sich aus der Jahreszahl 728 für Ines Abdankung ergibt.122 Gleich welche der beiden Zahlen zutreffend ist, Ine herrschte außergewöhnlich lange für einen mittel­ alterlichen Herrscher. Im Laufe dieser Zeit veränderten sich die Verhältnisse im Land entscheidend zu Gunsten der christlichen Religion – schließlich wurde Wessex selbst zum Ausgangspunkt für Missionsunternehmen auf den Kontinent. Trotz dieser langen Zeit an der Spitze der Westsachsen, ist die historiographische Überlieferung zu Ine äußerst knapp.123 Die Autoren der Angelsachsenchronik erwäh­ nen ihn in etwas mehr als einer Handvoll Einträgen, und auch Beda weiß nicht viel über den König zu berichten. Doch bereits aus diesen wenigen Informationen ergibt sich das Bild eines energisch vorgehenden, der Förderung des Christentums ver­ pflichteten Königs. In der ASC werden zwei Klostergründungen Ines erwähnt. So habe er gleich zu Beginn seiner Herrschaft das Kloster Glastonbury gegründet.124 In Anbe­ tracht der Überreste britischen monastischen Lebens am Glastonbury Tor handelte es sich entweder um die Neugründung eines englischen Klosters vor Ort oder um die Erweiterung und Ausstattung des bestehenden Hauses.125 Die zweite erwähnte Grün­ dung ist Taunton, das 722 durch Königin Æthelburh zerstört wurde.126 Ines Fürsorge für Glastonbury und andere Häuser wird auch durch eine Vielzahl von Urkunden belegt.127 Außenpolitisch gelang es ihm, 694 zu einer vorteilhaften Verständigung mit Kent zu kommen. Ine erhielt ein Wergeld von 30000 Pfund für Cædwallas Bruder Mul, der in Kent verbrannt worden war.128 Für die Jahre 710 und 715 wird von erfolg­ reichen Kampagnen gegen die Briten berichtet.129 Am Ende seines Lebens folgte Ine dem Beispiel seines Vorgängers. Er dankte ab, um nach Rom zu gehen und dort seine letzten Tage zu verbringen.130 Über diese wenigen Eckdaten hinaus wäre nichts über

122 ASC (A) 728 „Her Ine ferde to Rome […].“ 123 Vgl. Stenton, Anglo-Saxon England, 71. 124 ASC (A) 688 „[…] he getimbrade þæt menster æt Glæstingabyrig. […].“ 125 Vgl. Insley, Glastonbury, 175, 180. Kelly, Charters of Glastonbury Abbey, 10 sieht die Möglichkeit eines britischen Ursprungs scheinbar kritisch und verweist auf die Möglichkeit, die archäologischen Funde als Überreste einer Festung des 5. oder 6. Jahrhunderts zu interpretieren. 126 ASC (A) 722 „Her Æþelburg cuen towearp Tantun ˥ Ine ær timbrede; […].“ 127 Vgl. Finberg, The Early Charters of Wessex, 27, 70, 111  ff. Kelly, Charters of Glastonbury Abbey, 13, 190  f., 234  ff. Zu einer möglichen Schenkung an das Kloster des Heiligen Cyngar in Somerset siehe Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 152. 128 ASC (A) 694 „Her Cantware geþingodan wiþ Ine, ˥ him gesaldon .xxx m.. forþon þe hie ær Mul forbærndon; […].“ Vgl. Kirby, The Earliest English Kings, 105  f., Stenton: Anglo-Saxon England, 73. 129 ASC (A) 710 „[…] Ine ˥ Nun his mæg gefuhton wiþ Gerente Wala cyninge.“ 715 „Her Ine ˥ Ceolred fuhton æt Woddes beorge.“ Vgl. Loyn, Ine von Wessex, 413. 130 ASC (A) 728 „Her Ine ferde to Rome. ˥ þær his feorh gesealde […].“ HE V, 7 „[…] successit in regnum Ini de stirpe regia. Qui cum xxxvii annis imperium tenuisset gentis illius, et ipse, relicto regno ac iuuenioribus commendato, ad limina beatorum apostolorum, Gregorio pontificatum tenente, profectus est, cupiens in uicinia sanctorum locorum ad tempus peregrinari in terris, quo familiarius a sanctis recipi mereretur in caelis.“ Vgl. Fisher, The Anglo-Saxon Age, 104, 178, von Padberg, Mission und Christiani­ sierung, 264  f., Stenton, Anglo-Saxon England, 72  f.

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Ine bekannt, wäre nicht sein Gesetzbuch gegen Ende des 9. Jahrhunderts zusammen mit den Gesetzen König Ælfreds in Auszügen überliefert worden.131 Ælfred übernahm weite Teile des Gesetzes seines Vorfahren, da die christliche Programmatik des Textes gut zu seinen eigenen politischen Grundsätzen passte. Zusätzlich sollte der Verweis auf einen berühmten Ahnen das dynastische Charisma erneuern und verstärken. Der Text muss in dem Zeitraum zwischen Ines Amtsantritt 688 und 694, dem Todesjahr des Bischofs Eorkenwold, entstanden sein. Eorkenwold wird nämlich in der Einlei­ tung des Gesetzes als einer der wichtigsten Ratgeber des Königs genannt.132 Er stammt damit aus den frühen Jahren von Ines Herrschaft und dürfte somit ein Programm für die kommenden Jahre darstellen. In welche Richtung es gehen sollte, wird dann auch direkt zu Beginn festgestellt. Der Anlass der Beratungen des jungen Königs und seiner Großen sei „Rath über das Heil unserer Seelen und über den Zustand unseres Reiches“133 gewesen. Es wird deutlich, dass beide Ziele, die Sorge um das Seelenheil und die Verbesserung des Zustands des Reiches, für Ine und seine Ratgeber unmit­ telbar zusammenhängen. Hier wird ein Wandel im Rechtsbewusstsein der westsäch­ sischen Eliten zum ersten Mal historisch greifbar. Das Recht war nach wie vor das Recht des Königs und, da er und seine Großen für das Volk sprechen, auch ein Recht der Westsachsen.134 Die Legitimation des Rechts ist nunmehr jedoch die Ausrichtung an den Maßstäben des Christentums. Letztlich ist der christliche Gott die Quelle der Gerechtigkeit, und Gesetze, die seinem Willen entgegenlaufen, haben ihre Legiti­ mation verloren. Daher soll dann auch das richtige Gewohnheitsrecht, æw, für den Herrschaftsbereich des Königs befestigt werden.135 Anderes Gewohnheitsrecht, dabei mag es sich um den Schutz heidnischer Kultplätze gehandelt haben, wurde also aus­ sortiert. Das allgemeine Ziel Ines und seiner Gesetzgebung war die Errichtung einer christlichen Gesellschaft. Wenn es um das Schicksal der Polytheisten in Wessex geht, sind zwei Gruppen von Bestimmungen von besonderem Interesse.136 Dabei handelt

131 Vgl. Liebermann, Die Gesetze der Angelsachsen Bd. 3, 63  f., Saar, Ine von Wessex, 415. 132 Ine El. „[…] Eorcenwoldes mines biscepes […].“ Zum Zeitpunkt von Ines Gesetz siehe Liebermann, Die Gesetze der Angelsachsen Bd. 3, 63  f., Saar, Ine von Wessex, 415, Stenton, Anglo-Saxon England, 72, Whitelock, EHD I, 398. 133 Ine El. „[…] smeagende be ðære hælo urra sawla ˥ be ðam staþole ures rices […].“ 134 Vgl. zur Rolle von König und Witan bei der Gesetzgebung Chaney, The Cult of Kingship in AngloSaxon England, 182, 184. 135 Ine El. „[…] þætte ryht æw ˥ ryhte cynedomas ðurh ure folc gefæstnode ˥ getrymede wæron […].“ 136 Gerade bei der Frage nach dem Umgang mit Heiden in Ines Gesetz muss festgehalten werden, dass der Text nicht vollständig überliefert wurde. Whitelock, EHD I, 398 „It is not, however, safe to assume that we have them complete, for King Alfred may have had copies only such as were useful for his purpose.“ Daran anschließend vermutet Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 43  f., 187, dass Gesetze gegen den heidnischen Kultvollzug, die eine Parallele in dem Gesetz Wihtræds hät­ ten, durchaus in dem Ursprungstext vorhanden gewesen sein könnten. Da diese aber eine Doppelung mit anderen Gesetzen gegen das Heidentum im domboc gewesen wären, seien diese womöglich nicht übernommen worden.



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es sich zum einen um Sätze, die unmittelbar der Durchsetzung des Christentums und der Verdrängung des Heidentums dienen. Zum anderen wird die Stellung der Kirche und ihrer Vertreter im Rechtsleben der Westsachsen hervorgehoben. Die neue Reli­ gion löst hier in vielen Belangen die alte Religion ab. Direkt nachdem Geistlichkeit und Laien dazu aufgefordert werden, Kanones und Gesetze zu befolgen137, folgt das Gebot, alle Kinder binnen eines Monats nach ihrer Geburt taufen zu lassen.138 Sollte der Vater diesem Gesetz nicht nachkommen, muss er die empfindliche Strafe von 30 Schillingen bezahlen. Da diese Bestimmung Teil des Gesetzes König Ines ist, ist dieser auch der Garant der Taufe und der Empfänger der Strafzahlung bei Unterlassung. Wie wichtig dieses Anliegen in den Augen des Königs war, wird aus der folgenden Bestimmung deutlich, die den Verlust jeglichen Eigentums vorsieht, sollte der Vater es zulassen, dass sein Kind ungetauft stirbt.139 Die Härte der Strafen sowie die Reichweite dieser Gesetze zeigen, dass nunmehr die letzten Überreste des Polytheismus in Wessex beseitigt werden sollten.140 Das strenge Verbot der Sonntagsarbeit für Sklaven und Freie gleichermaßen, findet seine Paral­ lele und ein mögliches Vorbild im Gesetz Wihtreds von Kent.141 In den direkt auf das Taufgebot folgenden Sätzen wird festgeschrieben, dass ein Herr, der seinen Sklaven sonntags arbeiten lässt, diesen freilassen und 30 Schilling Strafe zahlen muss.142 Sollte ein Sklave ohne Wissen seines Herrn, etwa auf einem eigenen kleinen Feld, arbeiten, muss er mit einer harten Körperstrafe rechnen.143 Ein Freier, der am Sonntag arbeitet, muss mit dem Verlust seiner Freiheit rechnen, es sei denn, er kann sich mit einer Strafe in Höhe seines Wergeldes freikaufen.144 Neben diesen Sätzen zur Festi­ gung einer christlichen Lebensweise finden sich eine Vielzahl von Bestimmungen, die den Platz der Kirche im Rechtsleben der Westsachsen definieren und festschrei­ ben. Diese Sätze betreffen die Bereiche Schutz und Fehde sowie den Prozess. So wird 137 Ine 1. „Ærest we bebeodað, ðætte Godes ðeowas hiora ryhtregol on ryht healdan.“ 1,1 „Æfter þam we bebeodað, ðætte ealles folces æw ˥ domas ðus sien gehealdene:.“ 138 Ine 2. „Cild binnan ðritegum nihta sie gefulwad; gif hit swa ne sie, XXX scill. gebete.“ 139 Ine 2,1 „Gif hit ðonne sie dead butan fulwihte, gebete he hit mid eallum ðam ðe he age.“ 140 Vgl. Campbell, Observations on the Conversion of England, 80, Loyn, Ine von Wessex, 414, Sten­ ton, Anglo-Saxon England, 71  f., Yorke, Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England, 139, Dies., Wessex in the Early Middle Ages, 173  f. 141 Vgl. Kapitel 2.2. 142 Ine 3 „Gif ðeowmon wyrce on Sunnandæg be his hlafordes hæse, sie he frioh, ˥ se hlaford geselle XXX scill. to wite.“ 143 Ine 3,1 „Gif ðonne se ðeowa butan his gewitnesse wyrce, þolie his hyde.“ 144 Ine 3,2 „Gif ðonne se frigea ðy dæge wyrce butan his hlafordes hæse, ðolie his freotes.“ Die Mög­ lichkeit der Geldstrafe taucht in der Handschrift H des Textes auf. „oððe LX scll; ˥ preost twyscildig.“ Der Hinweis auf die doppelte Schwere der Schuld eines Priester weist auf die Schwierigkeiten bei der Durchsetzbarkeit der Regeln einer christlichen Lebensweise hin. Offenbar waren selbst einige Kleri­ ker nicht Willens sich den strengen Vorschriften des Königs und seiner bischöflichen Ratgeber ohne Weiteres zu beugen. Die Durchsetzung bei der einfachen Bevölkerung wurde durch solche Probleme sicher erschwert.

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bestimmt, dass ein Flüchtiger, dem es gelingt, eine Kirche zu erreichen, bei todeswür­ digen Verbrechen nicht gleich getötet werden darf. Das Erreichen der Kirche bedeu­ tet, dass ein ordentlicher Prozess stattfinden muss.145 Einem Straftäter, den eine Prü­ gelstrafe erwarten würde, soll diese sogar gänzlich erlassen sein.146 Diese Gesetze sind in dem Zusammenhang des Bemühens frühmittelalterlicher Könige zu sehen, die Fehde einzuschränken. Allerdings wollten Ine und seine Ratgeber die Rolle der Familie beim Schutz des Individuums nicht ablösen. Das wird durch eine Erweiterung der rechtsrelevanten familiären Beziehungen durch die Tauf- und, in einem geringe­ ren Maße, die Firmpaten deutlich. Auch eine durch das Patenamt gestiftete geistliche Verwandtschaft verpflichtet zur Rache, dementsprechend muss auch den geistlichen Verwandten Wergeld gezahlt werden.147 Im Zusammenhang mit dem Schutz des Hausfriedens wird direkt nach dem Haus des Königs der Frieden innerhalb eines Klosters erwähnt.148 Es steht fest, dass Ine das Kloster damit als einen durch seine Autorität besonders geschützten Bereich hervor­ hebt. Möglicherweise spielen hier auch Vorstellungen eine Rolle, die sich aus dem heidnischen Konzept eines Tempelfriedens speisen. In diesem Fall würde dieser Satz eine deutliche Parallele zum Gesetz Æthelberhts von Kent darstellen.149 Im Prozess soll den hohen Priestern des Christentums und deren Riten ebenfalls eine besondere Bedeutung zukommen. So wiegt ein Meineid vor einem Bischof besonders schwer150, dem Eid eines Abendmahlsgängers soll gleichzeitig das doppelte Gewicht zukom­ men.151 Diese Besserstellung des Eides von Abendmahlsgängern hat eine klare Paral­ lele im Gesetz Wihtreds von Kent.152 Wie in dem östlichen Nachbarreich wird durch diese Bestimmungen ein starkes christliches Element in den traditionellen Rechts­ gang eingebracht. Die Vorstellung, dass das vollzogene Sakrament einen Einfluss auf den Wert des Eides hat, setzt letztlich die Vorstellung von Gott als Quelle des Rechts voraus.

145 Ine 5 „Gif hwa sie deaðes scyldig ˥ he cirican geierne, hæbbe his feorh ˥ bete, swa him ryht wisige.“ 146 Ine 5,1 „Gif hwa his hyde forwyrce ˥ cirican geierne, sie him sio swingelle forgifen.“ 147 Ine 76 „Gif hwa oðres godsunu slea oððe his godfæder, sie sio mægbot ˥ sio manbot gelic; weaxe sio bot be ðam were, swa ilce swa sio manbot deð þe þam hlaforde sceal.“ 76,3 „Gif hit biscepsunu sie, sie be healfum þam.“ Vgl. Campbell, Observations on the Conversion of England, 75, Fletcher, The Barbarian Conversion, 277. 148 Ine 6,1 „Gif hwa on mynster gefeohte, CXX scill. gebete.“ Vgl. Chaney, The Cult of Kingship in AngloSaxon England, 225. 149 Vgl. Kapitel 2.1.2. 150 Ine 13 „Gif hwa beforan biscepe his gewitnesse ˥ his wed aleoge, gebete mid CXX scill.“ 151 Ine 15,1 „Se að sceal bion healf be huslgengum.“ 19 „Cyninges geneat, gif his wer bið twelfhund scill., he mot swerian for syxtig hida, gif he bið huslgenga.“ Vgl. Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 241. 152 Vgl. Kapitel 2.2.



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So ist es dann auch nur konsequent, die Nichtzahlung der Kirchensteuer, also dessen, was Gottes ist, durch königliche Autorität zu sanktionieren.153 Ines Gesetz erlaubt einen exemplarischen Einblick in die Prozesse, die sich bei der Entstehung der Gesellschaftsordnung des christlichen Mittelalters vollzogen. Auf die Situation der Polytheisten in Wessex bezogen, bleibt die Frage nach der Bewertung der Quelle und ihrer Aussagekraft über die historische Wirklichkeit des ausgehenden 7.  Jahrhunderts. In Bezug auf die Umsetzbarkeit des Taufgebots hat Yorke Zweifel an der flächendeckenden seelsorgerischen Versorgung der Einwoh­ ner von Wessex geäußert. Sie vermutet, dass in dem Gesetz ein idealisiertes Bild der Lage gezeichnet wird.154 Zudem stellt sie den praktischen Nutzen des Textes für das Rechtsleben der Zeit in Frage.155 Das Gesetz über die Kirchensteuer und das Taufgebot sieht sie als Beweis für einen langsamen Fortgang der Christianisierung der West­ sachsen.156 Die bisherigen Ergebnisse der Untersuchung bestätigen diese Einschät­ zung. Ines Gesetz stammt aus den ersten Jahren der Herrschaft des jungen Königs. Der Text ist durchaus als Sammlung des Rechts der Westsachsen zu verstehen, sein Hauptzweck war aber der eines Regierungsprogramms. Der König und seine Großen steckten Ziele für den Umbau der westsächsischen Gesellschaft fest und beschrieben von daher in der Tat ein Ideal. Es gibt indes eine ganze Reihe von Gründen, die zu der Annahme berechtigen, dass es Ine im Laufe seiner langen Herrschaft gelang, die Reste des Polytheismus in seinem Reich zu beseitigen und eine christliche Gesellschaft aufzubauen. Ein erster Grund ist das aus den Quellen ersichtlich werdende Wachstum der Kirche. Die Vielzahl der überlieferten Schenkungen Ines an Kirchen und Klöster seines Reiches wurden bereits erwähnt. Die hohe Verlustrate der Überlieferung von Dokumenten gibt Grund zu der Annahme, dass der König in Wahrheit noch weitaus großzügiger bei der Ausstattung der Kirchen in Wessex war. Dass die Organisation und die Zahl der Gläubigen nunmehr stark wuchsen, wird durch die Teilung der westsächischen Diözese im Jahr 705 deutlich. Der alte Bischof Aldhelm erhielt vier Jahre vor seinem Tod Bedas Gewährsmann Daniel als Kollegen an die Seite gestellt.157 Die wachsende Zahl der Priester macht auch die effektive Umsetzung des Taufgebots wahrscheinlicher. Einen möglichen Einblick in die mobile 153 Ine 4 „Ciricsceattas sin agifene be sce Martines mæssan; gif hwa ðæt ne gelæste, sie he scyldig LX scill. ˥ be XIIfealdum agife þone ciricsceat.“ Vgl. Campbell, The First Century of Christianity in England, 50, Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 106, 235, 240, Fletcher, The Barbarian Conversion, 459, Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 135. 154 Vgl. Yorke, Wessex in the Early Middle Ages, 190. 155 Vgl. Dies., Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England, 138. 156 Vgl. Ebenda, 139. 157 ASC (A) 709 „Her Aldhelm biscep forþferde, se wæs be westan wuda biscep, ˥ wæs todæled in foreweardum Danieles dagum in tua biscepscira West Seaxna lond, ˥ ær hit wæs an.“ HE V, 18 „Quo defuncto, episcopatus prouinciae illius in duas parrochias diuisus est. Vna data Daniheli, quam usque hodie regit; altera Aldhelmo, cui annis quattuor strenuissime praefuit […].“

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Betreuung der Bevölkerung durch wandernde Prediger gibt Willibalds Lebensge­ schichte des Bonifatius. Es wird beschrieben, wie eine Gruppe von Klerikern, deren Aufgabe es gewesen sei, die Menschen zu besuchen, zum Hof der Familien kam, um dort zu predigen.158 Zweitens gelang es Ine, die Teilung der Königsherrschaft in Wessex zu beenden und die bisherigen subreguli zu durch ihn selbst ernannten Stellvertretern, den Eal­ dormen, zu machen.159 Dieser Prozess nahm natürlich einige Jahre in Anspruch. Der letzte namentlich erwähnte Mitkönig in Wessex war Ines Vater Cenred, der in der Ein­ leitung des Gesetzes als Erster der Berater des Königs genannt wird.160 Zudem findet sich in dem Gesetz ein Hinweis auf den oben beschriebenen Umwandlungsprozess. Im Zusammenhang mit der Strafe für Nichtanzeige eines Diebes heißt es, dass ein Ealdorman für dieses Vergehen sein Amt verlieren kann, es sei denn, er findet Gnade vor dem König.161 Mit dieser Zentralisierung der Macht gingen sicher auch Möglich­ keiten der besseren Durchsetzbarkeit des königlichen Willens zur Etablierung einer christlichen Lebensweise in den Regionen einher.162 Zugleich ist es denkbar, dass die Akzeptanz des Christentums, dessen Formel so oft „ein-Gott-ein-König“ war, die Voraussetzung des Abschlusses des Zentralisierungsprozesses war. Diese beiden Ten­ denzen hätten dann zu einer gegenseitigen Beschleunigung geführt.163 Zum dritten leisteten Westsachsen während der Herrschaft Ines einen Beitrag zur angelsächsischen Festlandmission. Es steht zu vermuten, dass die Entsendung von Missionaren nach Übersee ein Zeichen für die bereits weit fortgeschrittene Christi­ anisierung der einheimischen Bevölkerung ist. Das berühmteste Beispiel für einen westsächsischen Missionar ist sicher Bonifatius, der 716 seine erste Missionsreise zu den Friesen unternahm.164

158 Vita Bonifatii c. 1 „Cum vero aliqui, sicut illis regionibus moris est, presbiteri sive clerici populares vel laicos praedicandi causa adissent et ad villam domumque praefati patrisfamilias venissent […].“ Zur Entstehung und zum Hintergrund der Lebensbeschreibung siehe von Padberg, Heilige und Familie, 41  ff., Rau, Briefe des Bonifatius, 452  f. 159 Vgl. Campbell, Observations on the Conversion of England, 88  f. 160 Ine Einl. „Ic Ine […] mid geðeahte ˥ mid lare Cenredes mines fæder […].“ Vgl. Kirby, The Earliest English Kings, 103, Stenton, Anglo-Saxon England, 72. 161 Ine 36,1 „Gif he ealdormon sie, ðolie his scire, buton him kyning arian wille.“ 162 Ein weiteres, säkulares Beispiel für den großen Organisationsgrad und die Machtfülle Ines ist die Gründung des Hafens von Hamwic bei Southampton um das Jahr 700. Hier wurden mehrere Tausend Menschen angesiedelt, um die Neugründung zu bevölkern. Vgl. Hinton, Hamwic, 493  ff. 163 Vgl. Loyn, Ine, 414 „In the laws of I. we have proof that settled kingship in England was to a large measure dependent on support from the Christian church.“ Der generellen Beobachtung widerspricht auch nicht, dass Ine immer wieder mit Aufständen konfrontiert war. Es gelang ihm schließlich, diese einzudämmen. Vgl. Kirby, The Earliest English Kings, 111  f. 164 Vgl. Farmer, The Oxford Dictionary of Saints, 46, von Padberg, Mission und Christianisierung, Ders., Die Inszenierung religiöser Konfrontationen, 84, 124, Ders., Bonifatius, 26  f., 164  f., Rau, Briefe des Bonifatius, 4.



Zusammenfassung 

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Viertens ist Ines persönliche Frömmigkeit, wie sie in der Abdankung und der Romreise zum Ausdruck kommt, als Hinweis auf die Bereitschaft des Königs zu sehen, die Christianisierung seines Reiches mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln voranzutreiben.165 Zuletzt finden sich weder in den historischen noch in den archäologischen Quellen nach dem späten 7.  Jahrhundert irgendwelche Hinweise auf ein wie auch immer geartetes Fortbestehen des westsächsischen Polytheismus. Es ist daher davon auszugehen, dass jeder, der unter der Herrschaft Ines offen polytheistische Kulthandlungen ausgeübt hätte, aus der Rechtsgemeinschaft ausge­ stoßen worden wäre. Neben dem herrschaftlichen Druck zur Konversion, wie er in dem Taufgebot für Kinder seinen deutlichsten Ausdruck findet, gab es sicher auch andere, soziale, wirtschaftliche und nicht zuletzt religiöse Beweggründe, das Chris­ tentum anzunehmen. Bereits während der letzten Jahrzehnte der Regierungszeit Ines kam das Ende des westsächsischen Polytheismus.

6.4 Zusammenfassung Die Untersuchung der Geschichte des westsächsischen Polytheismus nach dem Ein­ setzen der Mission des Birinus hat gezeigt, dass beide Religionen, Christentum und Heidentum, in Wessex bis in das letzte Viertel des 7. Jahrhunderts parallel existierten. Zu dieser recht langen Zeit des religiösen Nebeneinanders trugen erstens die Auf­ teilung der Königsherrschaft und zweitens die merzische Expansion bei. Besonders letzterer Punkt hatte einen wesentlichen Anteil daran, dass Cynegisl in den 630er Jahren die Hinwendung zum Christentum attraktiv erschien. So konnte er ein Teil der Bündnis- und Eindämmungspolitik Oswalds von Northumbria werden. Die Erfah­ rung, dass der Gott der Christen mit den mächtigen Königen des Nordens, erst Edwin und dann Oswald, zu sein schien, mag zu der Öffnung der westsächsischen Eliten der neuen Religion gegenüber beigetragen haben. Trotz der Taufe Cynegisls erwies sich der Polytheismus in seinem Reich als leben­ dige und langlebige Religion. In dessen Sohn Cenwalh hatten die Westsachsen erst einen heidnischen Kronprinzen und schließlich, bis 648, einen heidnischen Ober­ könig. Centwine und Cædwalla ließen sich ebenfalls erst spät taufen. Die Auswer­ tung der Quellen sowie die Hinzuziehung von Ergebnissen der Archäologie und der Ortsnamenforschung führen zu dem Schluss, dass die heidnische Religion bis in die späten 680er Jahre in Wessex offen praktiziert wurde. Erst unter der Herrschaft 165 HE V, 7 „[…] successit in regnum Ini de stirpe regia. Qui cum XXXVII annis imperium tenuisset gentis illius, et ipse, relicto regno ac iuuenioribus commendato, ad limina beatorum apostolorum, Gregorio pontificatum tenente, profectus est, cupiens in uicinia sanctorum locorum ad tempus peregrinari in terris, quo familiarius a sanctis recipi mereretur in caelis.“ ASC (A) 728 „Her Ine ferde to Rome. ˥ þær his feorh gesealde […].“

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Ines gibt es sichere Hinweise auf ein Verbot des Polytheismus. Indirekt erweist dies vor allem das Gebot, Kinder bei Androhung von Strafe bei Zuwiderhandlung taufen zu lassen. Das Rechtsbewusstsein, das sich in Ines Gesetz manifestiert, macht die weitere, geduldete Koexistenz von Christentum und Polytheismus in Wessex undenk­ bar. Ob und wie lange heidnische Praktiken – vielleicht auch in Mischformen – im Verborgenen weiterhin vorkamen, entzieht sich in Ermangelung geeigneter Quellen den Erkenntnismöglichkeiten des Historikers.

7 Mercia Im folgenden Kapitel wird die Geschichte der Polytheisten in den merzischen Mid­ lands untersucht werden. Die Umständlichkeit dieser Formulierung weist auf eine Schwierigkeit hin, die bei der Bearbeitung des Gegenstands ins Gewicht fällt. So wäre es den politischen Realitäten des 7.  Jahrhunderts nicht angemessen, einfach von der Geschichte der Polytheisten in Mercia zu sprechen, wenn Aspekte der Geschichte der Landstriche zwischen der Nordseeküste von Lincolnshire im Osten und der walisischen Grenze von Herefordshire und Shropshire im Westen auf der einen Seite sowie Derbyshire im Norden und dem Tal der Themse im Süden unter­ sucht werden sollen. Die besondere politische Struktur, die sich als eine Art „merzische Föderation“ beschreiben ließe, ist dann auch der erste von vier Faktoren, die für die Geschicke der Polytheisten der Midlands entscheidend werden sollten. Neben der politischen Organisation sind zudem die geographische Lage, die Machtentfaltung König Pendas zwischen den 620er Jahren und 655 sowie die Nachbarschaft zum northumbrischen Machtbereich wesentliche Faktoren. Die Untersuchung des ersten Faktors, der politischen Organisation der Midlands, wird durch zwei Quellen möglich. Zum einen ist dies die Kirchengeschichte Bedas, in der es einige verstreute Hinweise gibt. Zum anderen liefert das Tribal Hidage Infor­ mationen zu den Namen sowie zu den ungefähren Größen der politischen Gebilde jener Region. Beda berichtet von einem Treffen zwischen Augustinus und britischen Bischöfen an einem Ort, „[…] der bis heute in der Sprache der Engländer Augusti­ naes Ac, das heißt Augustineiche, an der Grenze zwischen Hwicce und Westsachsen genannt wird […].“1 Das Königreich der Hwicce erstreckte sich im Wesentlichen über das Gebiet der Diözese Worcester, und es deutet einiges darauf hin, dass Penda eine wichtige Rolle bei der Gründung dieses Reiches in den 620er Jahren spielte.2 An anderer Stelle wird berichtet, wie Pendas Sohn Peada in den 650er Jahren im Auftrag seines Vaters über das Grenzgebiet zwischen Mercia und East Anglia herrschte, dem

1 HE II, 2 „[…] ubi usque hodie lingua Anglorum Augustinaes Ac, id est Robur Augustini, in confinio Huicciorum et Occidentalium Saxonum appellatur […].“ 2 Vgl zum Königreich der Hwicce sowie zu Pendas Rolle bei dessen Gründung Campbell, Bede`s Reges and Principes, 87, Coates, The Name of the Hwicce, 56  f., 61, der den Namen auf einen britischen Ur­ sprung mit der Bedeutung „the most excellent [ones]“ zurückführt, Bassett, Churches in Worcester Before and After the Conversion of the Anglo-Saxons, 231, Fisher, The Anglo-Saxon Age, 117, der ebenfalls einen Zusammenhang zwischen Pendas Sieg über die Gewisse und der Gründung des Reiches Hwicce annimmt, Hooke, The Anglo-Saxon Landscape sowie Gelling, The West Midlands in the Early Middle Ages, 80, Insley, Hwicce, 287  ff., Kirby, The Earliest English Kings, 6, 68, der sich gegen die Annahme ausspricht, dass Penda das Reich der Hwicce begründet habe, Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 119, Scharer, Hwicce, 296, Stenton, Anglo-Saxon England, 44  ff., Yorke, Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England, 109, Dies., The Conversion of Britain, 60.

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der Name Middle Anglia gegeben wurde.3 Schließlich schreibt Beda, Oswiu habe 655 nach seinem Sieg über Penda am Winwaed das Reich seines besiegten Gegners auf­ geteilt, wobei er die Herrschaft über die südlichen Merzier an Peada übergeben und die nördlichen Merzier selbst regiert habe.4 Beda gibt in seiner Kirchengeschichte keine umfassende Übersicht über die politische Organisation des merzischen Macht­ bereichs. Er liefert da wo es ihm für die Schilderung des Fortgangs der Mission not­ wendig erscheint Informationen, aus denen Rückschlüsse auf die politischen Verhält­ nisse gezogen werden können. Einen umfassenderen Überblick bietet ein Dokument, das unter dem Namen Tribal Hidage bekannt ist. In der Forschung herrscht Uneinigkeit über dessen Entste­ hungszeit und den Zweck, den es in seiner Zeit hatte. An früherer Stelle ist bereits auf die Idee von Brooks und Higham eingegangen worden, wonach es sich beim Tribal Hidage um eine northumbrische Tributliste aus der Zeit Edwins handeln könnte.5 Die These eines northumbrischen Ursprungs des Dokuments ist jedoch höchst umstritten, und nicht einmal die Funktion als Tributliste der merzischen Könige ist in der Forschung allgemein anerkannt. Einen guten Überblick über die verschiede­ nen Interpretationen liefert Featherstone.6 Er folgt Brooks und Higham nicht in der Ansicht, dass es sich um ein northumbrisches Dokument handelt, der Fokus des Textes auf Mercia sei ein starkes Argument für eine Entstehung in den Midlands.7 Die Kontroversen um die Entstehungszeit und den geographischen Ursprung des Dokuments führen dazu, dass Yorke durch die Bearbeitung des Texts mehr Fragen als Antworten aufgeworfen sieht.8 Er eigne sich nicht, um daran Hypothesen über die frühe merzische Geschichte zu überprüfen und abzusichern. Auch wenn man Yorke nicht in allen Einzelheiten ihrer Einschätzung folgt, so ist doch Vorsicht vor allzu weitreichenden Schlussfolgerungen aus der Arbeit mit dem Tribal Hidage ange­ bracht. Da die im Text vorgestellten territorialen Einheiten zumindest zum Teil auch in Bedas Kirchengeschichte sowie in Urkunden des 7.  Jahrhunderts auftauchen, ist deren reine Existenz im 7. und 8. Jahrhundert jedoch als gesichert anzunehmen.

3 HE III, 21 „His temporibus Middilengli, id est Mediterranei Angli, sub principe Peada filio Pendan regis […]. Qui cum esset iuuenis optimus, ac regis nomine ac persona dignissimus, praelatus est a patre regno gentis illius […].“ Vgl. zu Middle Anglia Dumville, Essex, Middle Anglia, and the Expansion of Mercia in the South-East Midlands, 127, 130  f., Kirby, The Earliest English Kings, 9, Yorke, Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England, 106  f. 4 HE III, 24 „Quo tempore donauit praefato Peada filio regis Pendan […] regnum Australium Mer­ciorum, qui sunt, ut dicunt, familiarum quinque milium, discreti fluuio Treanta ab Aquilonaribus Mercis, quorum terra est familiarum VII milium.“ 5 Vgl. Kapitel 5.1. 6 Vgl. Featherstone, The Tribal Hidage and the Ealdormen of Mercia, 29. 7 Vgl. Ebenda. Für einen merzischen Ursprung argumentieren ebenfalls Dumville, Essex, Middle Anglia, and the Expansion of Mercia in the South-East Midlands, 129, Insley, Wulfhere von Mercien, 315, Yorke, Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England, 100  f. 8 Vgl. Yorke, The Origins of Mercia, 20.



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Die Auflistung beginnt mit 30000 Hiden „Myrcna landes“.9 Hierbei soll es sich um die Region handeln, die zuerst den Namen Mercia erhalten habe. In der Liste des Tribal Hidage folgen eine Vielzahl kleinerer und kleinster politischer Einheiten, die sich in den merzischen Midlands befanden.10 Zum Abschluss der Auflistung werden auch die Gebiete der Ostangeln, der Ostsachsen, der Kenter, der Südsachsen und der Westsachsen mit einer jeweiligen Anzahl von Hiden aufgeführt. Dieser Umstand lässt den Schluss zu, dass es sich beim Tribal Hidage um eine Auflistung von Gebieten handelt, die einem Oberkönig, sei er northumbrischer oder merzischer Herkunft, einen Überblick über die ihm zustehenden Abgaben ermöglichen sollte. Für den mer­ zischen Machtbereich ergibt sich aus dem Tribal Hidage das Bild einer Kernregion um die Städte Tamworth und den späteren Bischofssitz Lichfield am Trent.11 Im Verlauf des 7. Jahrhunderts gelang es den Königen der Merzier, in allen Himmelsrichtungen Pufferzonen unter ihre Oberherrschaft zu bringen. Diese Gebiete wurden zum Teil durch von Mercia eingesetzte Große regiert, wie es in Middle Anglia der Fall war. Zum Teil gab es aber auch lokale Dynastien, die noch bis in das 8.  Jahrhundert hinein den Titel eines Königs für sich beanspruchten. Dies war bei den auf dem Gebiet der späteren Diözese Worcester ansässigen Hwicce und den auf dem Gebiet der späteren Diözese Hereford ansässigen Magonsæte der Fall.12 Die unterschiedlichen Gebiete waren zwar unter der Herrschaft der merzischen Könige zusammengefasst, doch unterschieden sie sich in kultureller Hinsicht sehr. Je weiter der Blick nach Westen geht, desto größer wird der Einfluss der britischen Kultur – und wohl auch der Anteil britischer Bewohner. Diese Fragmentierung des merzischen Herrschaftsbereichs hatte einen großen Einfluss auf die sich gegenseitig bedingende politische und reli­ giöse Entwicklung der Region im Laufe des 7. Jahrhunderts. Der zweite Faktor, der die Geschichte der Polytheisten der Midlands im Lauf des 7. Jahrhunderts bestimmte, war die geographische Lage ihrer Heimat. Die Bewohner dieser Zentralregion der britischen Hauptinsel hatten keine Häfen zur unmittelbaren Verfügung, die sie direkt mit den politischen und kulturellen Zentren des Franken­ reichs oder Skandinaviens verbunden hätten. Ähnlich wie bei den Westsachsen waren die Merzier und ihre Nachbarn daher nicht das Ziel früher Missionsunternehmen der römischen Kirche. Es ist möglich, dass dieses Versäumnis mit der Entsendung des 9 Vgl. Featherstone, The Tribal Hidage and the Ealdormen of Mercia, 24, wo eine Edition des Textes zu finden ist. 10 Vgl. Ebenda. 11 Vgl. Brooks, The Formation of the Mercian Kingdom, 160  f., Campbell, The Church in Anglo-Saxon Towns, 140, Dumville, Essex, Middle Anglia, and the Expansion of Mercia in the South-East Midlands, 128, Gelling, The West Midlands in the Early Middle Ages, 80, Insley, Mercia, 549, Kirby, The Earliest English Kings, 8, Stenton, Anglo-Saxon England, 40, Welch, The Archaeology of Mercia, 147  f., Yorke, Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England, 106  ff., Dies., The Origins of Mercia, 19  f. 12 Vgl. Gelling, The Early History of Western Mercia, 191  f., Dies., The West Midlands in the Early Middle Ages, 80, Insley, Hwicce, 291  ff., Ders., Mercia, 553  f., Kirby, The Earliest English Kings, 68, 78  f., Yorke, Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England, 109, Dies., The Conversion of Britain, 60.

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Birinus ausgeglichen werden sollte. Laut Beda war dieser nämlich „auf den Rat des Papstes Honorius hin nach Britannien gekommen und hatte in dessen Gegenwart versprochen, jenseits der innersten Gebiete der Engländer, wohin kein Lehrer vorher gegangen war, die Saat des heiligen Glaubens auszustreuen.“13 Birinus erreichte das Land der Merzier jedoch nicht. Im Zusammenspiel mit dem dritten Faktor, der Machtentfaltung König Pendas, war die relative Abgeschiedenheit vieler Regionen der Midlands ein Faktor, der dazu beitrug, dass sich das angelsächsische Heidentum hier bis über die Mitte des 7. Jahrhunderts hinaus halten konnte. Der fehlende Kontakt zu römischen Missionaren bedeutete freilich nicht, dass die Merzier und ihre Nachbarn bis zur Mitte des 7. Jahrhunderts gar keine Berührungspunkte mit dem Christentum hatten. Wie noch zu sehen sein wird, haben besonders die Bewohner der westlichen Gebiete, die ehemals unter britischer Herrschaft gestanden hatten und immer noch an britische Herrschaften grenzten, engen Kontakt zu Christen gehabt. Es ist sogar wahrscheinlich, dass einige angelsächsische Siedler in den westlichen Midlands, im Königreich der Hwicce, bereits vor dem Beginn der offiziellen Konversion nach dem Tod Pendas im Jahr 655 zum Christentum übertraten.14 Da Penda bis zu seinem Tod nicht zum Christentum konvertierte, blieb dieses frühe britisch-anglische Christen­ tum jedoch auf den Bereich der westlichen Midlands beschränkt. Der dritte Faktor, der die gesamte Geschichte der Midlands im 7.  Jahrhundert wesentlich beeinflusste, war die Machtentfaltung König Pendas. Dieser stammte aus der merzischen Dynastie der Iclingas.15 Seine Karriere vom jungen Adligen, der sich als Anführer einer kriegerischen Schar einen Namen machen wollte, zum Kriegerkö­ nig, dessen Erfolge den Grundstein für die merzische Hegenmonie des 8.  Jahrhun­ derts legten, lässt sich anhand der Einträge der Angelsachsenchronik und Bedas Kirchengeschichte rekonstruieren. Seinen ersten überlieferten Sieg trug Penda 628 gegen die Könige der Gewisse Cynegisl und Cwichelm bei Cirencester davon.16 Es ist vermutet worden, dass Penda bei diesem Feldzug britische oder northumbrische Unterstützung hatte.17 Der Eintrag in der Angelsachsenchronik berichtet über einen Vertrag zwischen den Kontrahenten. Es ist anzunehmen, dass Penda durch diesen

13 HE III, 7 „[…] qui cum consilio papae Honorii uenerat Brittaniam, promittens quidem se illo prae­ sente in intimis ultra Anglorum partibus, quo nullus doctor praecessisset, sanctae fidei semina sparsurum.“ Vgl. Kapitel 6.1. 14 Vgl. Bassett, Churches in Worcester Before and After the Conversion of the Anglo-Saxons, 231, Par­ sons, The Mercian Church, 57. 15 Vgl. Brooks, The Formation of the Mercian Kingdom, 163. 16 ASC (A) 628 „Her Cynegils ˥ Cuichelm gefuhtun wiþ Pendan æt Cirenceastre, ˥ geþingodan þa.“ Vgl. Kapitel 6.1 sowie Finberg, The Early Charters of the West Midlands, 167, Fisher, The Anglo-Saxon Age, 37, 117, Stenton, Anglo-Saxon England, 45, 67, Yorke, Wessex in the Early Middle Ages, 57. 17 Vgl. Finberg, The Early Charters of the West Midlands, 167  ff. schlägt vor, dass Penda in Cirencester northumbrische Hilfe hatte und das gewonnene Land an eine northumbrische Dynastie vergab. Das Königreich der Hwicce sei so entstanden. Gelling, The West Midlands in the Early Middle Ages, 77 geht von britischer Unterstützung für Penda aus.



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frühen Erfolg nicht nur sein Prestige als Anführer im Krieg steigern konnte, sondern auch Reichtum in Form von Tributzahlungen oder durch Landabtretungen erwerben konnte.18 Sowohl der Ruf, ein guter Anführer zu sein, als auch materieller Reichtum, der die Versorgung von Gefolgsleuten ermöglichte, waren im frühen Mittelalter eine Voraussetzung dafür, sich als Herrscher zu etablieren. Dass Penda dies gelang, wird durch seine Beteiligung am Feldzug gegen Edwin von Deira im Jahr 633 deutlich.19 Beda berichtet von der Allianz Pendas mit dem britischen König Cædwalla. Der Wortlaut des Berichts legt nahe, dass Cædwalla die treibende Kraft hinter der Erhebung gegen Edwin war. Penda taucht als dessen Unter­ stützer auf, dem scheinbar erst durch den Erfolg an der Seite des Briten der Aufstieg zum König seines Volkes gelang.20 Da keine merzischen Quellen überliefert sind, deren Fokus die Geschichte von Pendas Herrschaft wäre, fällt es schwer, eine definitive Chronologie der Ereignisse in den Jahren nach Heathfelth zu rekonstruieren. Für die erste Hälfte der 640er Jahre sind Feldzüge gegen East Anglia, Northumbria und Wessex belegt. Dabei ist unklar, ob Penda sich zuerst gegen East Anglia wandte, wo er die Könige Ecgric und Sigeberht besiegte und tötete21, oder ob der Feldzug gegen den neuen Oberkönig von North­ umbria Oswald zeitlich früher liegt. Dieser fiel 642/43 in der Schlacht bei Maserfelth gegen Penda und seine Merzier.22 Es ist wahrscheinlich, dass Penda auch bei diesem 18 Vgl. Kapitel 6.1. 19 Vgl. Kapitel 5.2 sowie Fisher, The Anglo-Saxon Age, 42, 75, 117, Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 138, von Padberg, Mission und Christianisierung, 251, Stenton, Anglo-Saxon England, 45. 20 HE II, 20 „[…] rebellauit aduersus eum Caedualla rex Brettonum, auxilium praebente illi Penda uiro strenuissimo de regio genere Merciorum, qui et ipse es eo tempore gentis eiusdem regno annis XX et duobus uaria sorte praefuit; […].“ Aus der Bemerkung Bedas, wonach Penda seinem Volk für 22 Jahre mit wechselndem Glück vorgestanden habe, hat Brooks, The Formation of the Mercian Kingdom, 166  f. gefolgert, dass Penda nicht ununterbrochen bis 655 König der Merzier gewesen sein könnte. Er schlägt vor, dass Pendas Bruder Eowa die Position von 635 bis 642 innehatte. Eowa habe zum Machtsystem Oswalds gehört, und sei mit diesem in der Schlacht von Maserfelth untergegangen. Da viele Aspekte der Geschichte des 7. Jahrhunderts kaum näher zu erhellen sind, kann Brooks Annahme weder wi­ derlegt noch bestätigt werden. Gleichwohl sollte der Einwand von Gelling, wonach das von Brooks vorgeschlagene Szenario unwahrscheinlich sei, da Pendas Bündnissystem mehrere Jahre des Herr­ schaftsverlustes wohl kaum ohne Schaden überdauert hätte bedacht werden. Vgl. Gelling, The West Midlands in the Early Middle Ages, 79. Für Diskussionen über die genauen Daten von Pendas Herr­ schaft siehe Brooks, The Formation of the Mercian Kingdom, 164  ff., Gelling, The West Midlands in the Early Middle Ages, 77  ff. 21 HE III, 18 „[…] contigit gentem Merciorum duce rege Penda adversus Orientales Anglos in bellum procedere, qui, dum se inferiores in bello hostibus conspicerent, rogauerunt Sigberctum ad confirmandum militem secum uenire in proelium. […] Sed ipse professionis suae non inmemor, dum opimo esset uallatus exercitu, nonnisi uirgam tantum habere in manu uoluit; occisusque est una cum rege Ecgrice, et cunctus eorum insistentibus paganis caesus siue dispersus exercitus.“ 22 HE III, 9 „Quo conpleto annorum curriculo occisus est, commissio graui proelio, ab eadem pagana gente paganoque rege Merciorum, a quo et prodecessor eius Eduini peremptus fuerat, in loco qui lingua Anglorum nuncupatur Maserfelth, anno aetatis suae XXXVIII, die quinto mensis Augusti.“

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Feldzug gen Norden auf die Unterstützung britischer Verbündeter zählen konnte.23 Der Sieg von Maserfelth ist nicht nur von Bedeutung, weil er einen weiteren Meilen­ stein auf dem Weg zur merzischen Hegemonie in den Midlands bedeutete, sondern auch, weil durch Bedas Bericht über die Ereignisse unmittelbar in Anschluss an die Schlacht möglicherweise ein einzigartiger Einblick in die religiöse Welt Pendas und seiner Merzier ermöglicht wird. Es wird berichtet, Penda habe befohlen, den Kopf Oswalds und seine ebenfalls vom Körper abgetrennten Arme an Pfählen aufzuhän­ gen.24 Bei diesem Vorgehen könnte es sich um eine rituelle Opferung des überwun­ denen Feindes gehandelt haben.25 Es würde ins Bild passen, dass der siegreiche Kriegsherr ein Opfer an Woden erbrachte, um diesem für den Sieg zu danken. Sollte diese Interpretation des Berichts zutreffend sein, wäre die Bedeutung für das Verhält­ nis zwischen dem Polytheismus der Merzier und Pendas Erfolgen im Krieg immens. Immerhin stand Pendas heidnisches Königreich zumindest nach Norden und Osten hin mächtigen christlichen Reichen gegenüber. Militärische Siege gegen christliche Heere mussten aus der Perspektive der Polytheisten als Gunst- und Machterweise der heidnischen Gottheiten gewertet werden. Higham sieht einen Zusammenhang zwi­ schen der Konsolidierung des merzischen Königtums und der Betonung der heidni­ schen Religiosität durch Penda und sein Umfeld.26 Durch seine Erfolge gegen eine Vielzahl christlicher Könige habe Penda den Ruf eines „god-protected, warrior-king“27 erworben. Aus dem Bericht über Pendas erneuten Feldzug gegen die Gewisse wird deutlich, dass dieser Krieg zeitlich später als der Feldzug gegen East Anglia anzusetzen ist. So hat Penda 645 den König Cenwalh aus dessen Reich vertrieben und für drei Jahre selbst über die Gewisse geherrscht. Cenwalh ging ins Exil nach East Anglia, wo er Auf­ nahme bei König Anna fand und unter dessen Einfluss die Taufe empfing.28 Es ist bemerkenswert, dass nie von einem Krieg Pendas gegen Briten berichtet wird. Ganz im Gegenteil waren diese wohl neben den Kontingenten der angelsächsischen gentes der von Mercia beherrschten Midlands an dem Zug von 655 gegen Oswalds Nachfolger Oswiu beteiligt.29 Zwischen diesem letzten Aufeinandertreffen, das mit Pendas Tod

23 Vgl. Kirby, The Earliest English Kings, 76  f. 24 HE III, 12 „Porro caput et manus cum brachiis a corpore praecisas iussit rex, qui occiderat, in stipitibus suspendi.“ 25 Vgl. Kapitel 5.3. 26 Vgl. Higham, The Convert Kings, 190. 27 Vgl. Ebenda, 222. 28 HE III, 7 „Repudiata enim sorore Pendan, regis Merciorum, quam duxerat, aliam accepit uxorem; ideoque bello petitus ac regno priuatus ab illo, secessit ad regem Orientalium Anglorum, cui nomen erat Anna, apud quem trienno exulans fidem cognouit ac suscepit ueritatis.“ Vgl. Kapitel 6.2 sowie Fisher, The Anglo-Saxon Age, 118, 145, Yorke, Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England, 136. 29 Dieser Umstand geht aus einer Stelle in Nennius‘ Historia Brittonum hervor. Es wird berichtet, dass britische Könige, die mit Penda in die Schlacht gezogen waren, den Tod fanden. HB LXIV „[…] et ipse occidit Pantha in campo Gai et nunc facta est strages Gai campi et reges Brittonum interfecti sunt,



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am Fluß Winwæd endete, und Oswius Machtantritt 642 lagen mehr als zehn Jahre. Während dieser Zeit kam es wiederholt zu Kriegszügen Pendas in das Reich nördlich des Humber. Bei einer Gelegenheit sollen die Merzier bis nach Bamburgh vorgerückt sein und die Königsstadt belagert haben.30 An einer anderen Stelle wird berichtet, wie der Weiler mit der Kirche, in der Bischof Aidan starb, bei einem Feldzug Pendas verbrannt wird.31 Neben diesen kriegerischen Auseinandersetzungen gibt es aber auch Anzeichen für Versuche einer friedlichen Lösung des Dauerkonflikts zwischen Pendas Familie und der herrschenden Dynastie in Northumbria. Wie zu dieser Zeit üblich, sollte der Frieden durch Hochzeiten gestärkt werden. Alhfrith, der Sohn Oswius, nahm im Jahr 653 eine Tochter Pendas mit Namen Cyneburh zur Frau. Im Gegenzug warb Pendas eigener Sohn Peada um die Hand von Oswius Tochter Alhflæd. Die Bedingung der Eheschließung war die Taufe Peadas und die Erlaubnis, in seinem Reich zu missio­ nieren.32 In der Folge begannen die Kleriker Cedd, Adda, Betti und Diuma mit der Mission auf dem Gebiet der Mittelangeln und sogar in Pendas eigenem Machtbereich in Mercia.33 Beda stellt die Glaubensüberzeugung Peadas als Hauptmotiv für dessen Konversion dar. Politische Implikationen, wie etwa die Frage nach dem in der Paten­ schaft zum Ausdruck kommenden Verhältnis zwischen Oswiu und Peada, die der moderne Historiker nicht außer Acht lassen darf, werden nicht erwähnt.34 Penda versammelte eine große Streitmacht und zog wiederum nach Norden. Oswiu, den ein Angriff so spät im Jahr, es war der November des Jahres 655, über­ qui exierant cum rege Pantha in expeditione usque ad urbem, quae vocatur Iudeu.“ Vgl. Higham, The Convert Kings, 240, Stenton, Anglo-Saxon England, 83  f. 30 HE III, 16 „[…] hostilis Merciorum exercitus Penda duce Nordanhymbrorum regiones impia clade longe lateque deuastans peruenit ad urbem usque regiam, quae ex Bebbae quondam reginae uocabulo cognominantur, eamque, quia neque armis neque obsidione capere poterat, flammis absumere conatus est; […].“ 31 HE III, 17 „Contigit autem post aliquot annos, ut Penda Merciorum rex, cum hostili exercitu haec ib loca perueniens, cum cuncta, quae poterat, ferro flammaque perderet, uicus quoque ille, in quo antistes obiit, una cum ecclesia memorata flammis absumeretur.“ Vgl. zu den Kriegen zwischen Penda und Oswiu auch Kapitel 5.4. 32 HE III, 21 „[…] uenitque ad regem Nordanhymbrorum Osuiu, postulans filiam eius Alchfledam sibi coniugem dari. Neque aliter, quod petebat, inpetrare potuit, nisi fidem Christi ac baptisma cum gente, cui praeerat, acciperet. […] persuasus maxime ad percipiendam fidem a filio regis Osuiu, nomine Alchfrido, qui erat cognatus et amicus eius, habens sororem ipsius coniugem, uocabulo Cyniburgam, filiam Pendan regis.“ 33 HE III, 21 „Erant autem presbyteri Cedd et Adda et Betti et Diuma, quorum ultimus natione Scottus, ceteri fuere de Anglis. Adda autem erat frater Uttan presbyteri inlustris et abbatis monasterii, quod uocatur Ad Caprae Caput, cuius supra meminimus. Venientes ergo in prouinciam memorati sacerdotes cum principe praedicabant Verbum, et libenter auditi sunt, multique cotidie, et noblium et infimorum abrenuntiata sorde idolatriae, fidei sunt fonte abluti. Nec prohibuit Penda rex, quin etiam in sua, hoc est Merciorum, natione Verbum, siqui uellent audire, praedicaretur.“ 34 Vgl. Angenendt, Kaiserherrschaft und Königstaufe, 176, 184, Wallace-Hadrill, Bede’s Ecclesiastical History of the English People, 116.

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rascht haben könnte, bot dem Invasoren Gold gegen Frieden an.35 Penda lehnte das Angebot ab. Nun habe Oswiu, wie schon Edwin es vor ihm getan hatte, und wie der Westsachse Cædwalla es Jahrzehnte später tun sollte, die Hilfe Gottes in der Schlacht gegen seine Feinde erfleht. Er habe im Falle eines Sieges Land für die Kirche verspro­ chen.36 Obwohl Penda die Unterstützung von dreißig Eoldormen und deren Kontin­ genten gehabt haben soll, wurde sein Heer am Fluss Winwæd besiegt.37 Niederlage und Tod Pendas stellen eine Zäsur in der politischen Geschichte – mehr noch aber in der Religionsgeschichte Mercias dar. Dieses Kapitel verfolgt das Ziel, die Bedingun­ gen und die Existenz des heidnischen Kultes in den Midlands vor und nach 655 zu rekonstruieren. Der vierte entscheidende Faktor in der Religionsgeschichte der Midlands, die Nachbarschaft zum northumbrischen Machtbereich, wird durch das bereits beschrie­ bene Missionsunternehmen Oswius deutlich. Es wird jedoch auch zu untersuchen sein, ob sich Hinweise dafür finden lassen, dass sich das Überleben des merzischen Polytheismus durch die Frontstellung seines obersten Opferherrn gegen die sich als christliche Heerführer inszenierenden Könige Edwin, Oswald und Oswiu in eine besondere Abhängigkeit vom politischen Geschick Pendas geriet.

7.1 Mercias Polytheisten bis 655 Die Polytheisten der Midlands lebten bis 655, dem Jahr des Todes König Pendas in der Schlacht am Winwæd, im Spannungsfeld einer Umwelt, die auf der einen Seite durch die politischen Erfolge ihres Königs und obersten Opferherrn und auf der anderen Seite durch zunehmende religiöse Konkurrenz außerhalb aber auch innerhalb des 35 HE III, 24 His temporibus rex Osuiu, cum aceruas atque intolerabiles pateretur inruptiones saepe dicti regis Merciorum, qui fratrem eius occiderat, ad ultimum necessitate cogente promisit se ei innumera et maiora, quam credi potest, ornamenta regia uel donaria in pretium pacis largiturum, dummodo ille domum rediret et prouincias regni eius usque ad internicionem uastare desineret.“ Vgl. zu diesem als aus zeitgenössischer Perspektive sicher ehrlos erscheinendem Angebot Oswius Wallace-Hadrill, Bede’s Ecclesiastical History of the English People, 120. 36 HE III, 24 Cumque rex perfidus nullatenus precibus illius assensum praeberet, qui totam eius gentem a paruo usque ad magnum delere atque exterminare decreuerat, respexit ille ad diuinae auxilium pie­ ta­tis, quo ab impietate barbarica posset eripi; uotoque se obligans, ‚Si paganus‘ inquit ‚nescit accipere nosra donaria, offeramus ei, qui nouit, Domino Deo nostro.‘ Vouit ergo quia, si uictor existeret, filiam suam Domino sacra uirginitate dicandam offerret, simul et XII possessiones praediorum ad con­truenda monasteria donaret; et sic cum paucissimo exercitu se certamini dedit.“ 37 HE III, 24 „Denique fertur, quia tricies maiorem pagani habuerint exercitum; siquidem ipsi XXX le­ gio­nes ducibus nobilissimis instructas in bello habuere, quobus Osuiu rex cum Alchfrido filio perparuum, ut dixi, habens exercitum, sed Christo duce confisus occurrit. […] Inito ergo certamine fugati sunt et caesi pagani, duces regii XXX, qui ad auxilium uenerant, pene omnes interfecti; […] Et quia prope ­fluuium Uinued pugnatum est, qui tunc prae inundantia pluuiraum late alueum suum, immo omnes ripas suas transierat, contigit, ut multo plures aqua fugientes quam bellantes perderet ensis.“



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eigenen politischen Großverbands geprägt war. Dennoch kann für die Jahre von Pendas Herrschaft, zumindest aber für die Zeit bis 653, von einer Epoche der kulturel­ len Hegemonie des Polytheismus gesprochen werden.

7.1.1 Die Zeit der kulturellen Hegemonie Es gibt eine Reihe von Hinweisen darauf, dass der kriegerische Erfolg Pendas in den Augen seiner Zeitgenossen ein Gunstbeweis der durch ihn und sein Umfeld verehrten Götter war.38 An erster Stelle stand hier sicher Woden, dessen Kult in den Midlands durch eine Reihe theophorer Ortsnamen belegt ist.39 Durch diesen Befund wird die Interpretation der Verstümmlung und Zurschaustellung von Oswalds Kopf und Armen nach der Schlacht von Maserfelth als ein Opfer an Woden plausibel. Dem Gott, der dem König den Sieg über seinen Feind geschenkt hatte, sollte auf diese Weise eine Gegengabe dargebracht werden.40 Die Helmfunde von Benty Grange und Wollaston erbringen einen weiteren Hinweis auf die Verbindung der traditionellen Kriegerkultur und den heidnischen Göttern in der Vorstellungswelt der Midlands. Der bekannte Helm von Benty Grange wurde in einem Kriegergrab im Peak District in Derbyshire gefunden.41 Der soge­ nannte Pioneer Helm stammt aus einem reich ausgestatteten Grab aus Wollaston in Northamptonshire.42 Beide Helme sind auf dem Helmkamm mit einer Eberfigur ver­ sehen. Trotz der geringen Anzahl tatsächlicher Quellenbelege43, wird die Verbin­ dung des Ebers mit dem Gott Freyr in Allgemeinen, und auch im Kontext der beiden angelsächsischen Helme, als gegeben angesehen.44 Bei der Verehrung Freyrs stand 38 Vgl. Higham, The Convert Kings, 222. 39 Gelling, Further Thoughts on Pagan Place Names, 119, Dies., The West Midlands in the Early Middle Ages, 92  ff., Insley, Maserfelth, 383, Yorke, The Origins of Mercia, 17. 40 Es ist bekannt, dass in der heidnischen Vorstellung ein feindliches Heer durch einen Speerwurf Odin/Woden geweiht werden konnte. Vgl. Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 40, Simek, Lexikon der germanischen Mythologie, 314. 41 Vgl. Bruce-Mitford, The Benty Grange Helmet, 223  ff., Ozanne, The Peak Dwellers, 20, Parsons, The Mercian Church, 53, Steuer, Helm und Ringschwert, 199  ff., Webster, The Making of England, 22, Welch, The Archaeology of Mercia, 153. 42 Vgl. Meadows, The Pioneer Helmet, 192  f., Abbildung Ebenda, 154. Ders., Wollaston: The ‚Pioneer’ Burial, 391  ff. Der Fund wurde nach der Firma benannt, bei deren Bauarbeiten er gemacht wurde. Zudem wurde die wissenschaftliche Aufarbeitung des Fundes durch die selbe Firma finanziert. 43 Vgl. Beck, Eber, 334, Simek, Lexikon der nordischen Mythologie, 158. 44 Vgl. Bruce-Mitford, The Benty Grange Helmet, 238, Meadows, Wollaston: The ‚Pioneer‘ Burial, 394, Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 45. Beck, Eber 334 weist darauf hin, dass es auch eine mögliche Verbindung zwischen dem Eber und dem Gott Odin/Woden gibt: „In dichterischer Sprache kann er þror genannt werden. An anderem Ort ist þror auch gleichbedeutend mit E. u. Schwert […] Das erinnert an die E.-Markierungen auf Schwertern […], aber auch daran, daß die ebergestaltige Schlachtordnung als eine Erfindung Odins gilt […].“

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Fruchtbarkeit im Zentrum, und sein Tier, der Eber, spielte eine Rolle in der Reprä­ sentation der schwedischen Könige. Es ist gut möglich, dass durch die Helmfunde Spuren lokaler Dynastien innerhalb von Pendas Machtbereich greifbar werden. Welche genauen Vorstellungen mit der Darstellung des Ebers auf einem repräsentati­ ven Rüstungsstück verbunden wurden, lässt sich aus den Funden leider nicht ablei­ ten.45 Wie gesehen sind weder das Wodensopfer Pendas noch die Helmfunde als Hinweise auf die Vorstellung göttlicher Unterstützung im Krieg nicht zweifelsfrei. Die aus anderen angelsächsischen Reichen bekannte Verknüpfung der göttlichen Hilfe mit dem militärischen Sieg verleiht dieser Interpretation allerdings Plausibilität.46 Akzeptiert man die oben dargelegte Verbindung von militärischem Erfolg und der Durchführung des polytheistischen Kults als grundlegend für das Denken Pendas und seiner Großen, ergibt sich daraus als Kehrseite des Erfolgs eine doppelte Prob­ lematik, die schließlich entscheidend zum Ende des Polytheismus in den Midlands beitragen sollte. Zum einen beinhaltet die Vorstellung von der göttlichen Sieghilfe auch immer die Erklärung von Niederlagen als Beweise für die verlorene Gunst der Götter. In der besonderen historischen Situation des 7. Jahrhunderts konnte diese Vor­ stellung zudem leicht zur Idee eines Machtkampfes zweier religiöser Systeme führen. Eine entscheidende Niederlage gegen ein christliches Heer würde so zu einem Beweis der Schwäche der heidnischen Götter oder für deren Abkehr von der eigenen politi­ schen Einheit werden. Zum anderen liegt es nahe anzunehmen, dass der Fortbestand des polytheisti­ schen Kults in einer sich dem Christentum zuwendenden Umgebung zunehmend vom politischen Überleben des obersten Opferherrn und Königs abhing. So lange der Erfolg gegeben war, gab es für Penda jedoch keine Veranlassung zu einer dem Christentum feindlichen Politik. Dies wäre dem Polytheismus mit seiner Integrationskraft sicher auch wesensfremd gewesen. In den Quellen findet sich kein einziger Hinweis auf einen Krieg Pendas gegen die christlichen Briten, ganz im Gegen­ teil waren diese oftmals seine Verbündeten.47

45 Vgl. zur rein repräsentativen Funktion solcher Prachthelme Steuer, Helm und Ringschwert, 202. 46 Hier ist etwa an das Verhalten Edwins von Deira (vgl. Kapitel 5.1) und Cædwallas von Wessex (vgl. Kapitel 6.2.1) zu denken. Beide waren noch in einer vom polytheistischen Denken geprägten Vorstel­ lungswelt verankert, als sie den Gott der Christen als Schlachtenhelfer austesteten. 47 Gelling, The Early History of Western Mercia, 191, Dies., The West Midlands in the Early Middle Ages, 76  f., Insley, Maserfelth, 383, Ders., Penda, 552, Kirby, The Earliest English Kings, 76  f., Yorke, Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England, 104.



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7.1.2 Die Entstehung christlicher Konkurrenz innerhalb des merzischen Machtbereichs Die Verbindungen zu den Briten am westlichen Rand des angelsächsischen Sied­ lungsgebiets spielten aller Wahrscheinlichkeit nach eine große Rolle bei der Ent­ stehung christlicher Konkurrenz innerhalb von Pendas Machtbereich. Bei seinen Untersuchungen über die Kirchengeschichte Worcesters hat Basset ein Überleben des britischen Christentums und der Organisation der britischen Kirche im Tal des Severn postuliert.48 Östlich des Flusses, in der Region um Worcester, habe es eine gewisse Anzahl anglischer Siedler gegeben, es seien jedoch kaum heidnische Friedhöfe aus dieser Region bekannt. Auf der anderen Seite wurde diese Region zum Kernland des angelsächsischen Königreichs der Hwicce, so dass zumindest von einer anglischen Oberschicht ausgegangen werden muss. Basset erklärt diese Konstellation durch die geringe Zahl der anglischen Einwanderer. Diese hätten zwar die politische Führung übernommen, seien aber schon in der ersten Hälfte des 7.  Jahrhunderts unter dem Einfluss ihrer britischen Umgebung zu Christen geworden. Pendas Beitrag zur Schaffung des Königreichs der Hwicce sei es gewesen, bereits ablaufende Prozesse der Agglomeration zu beschleunigen.49 Das Königreich gehörte zwar zu Pendas Machtbereich, hatte jedoch seine eigene Dynastie. Innerhalb dieses Reiches entschieden die Könige der Hwicce zusammen mit ihren Großen, zu denen neben weltlichen Herren auch ihr britisch-anglischer Klerus gehört haben dürfte, über alle wichtigen politischen, rechtlichen und religiösen Fragen. Somit gab es mit großer Wahrscheinlichkeit bereits seit dem Beginn von Pendas Laufbahn als König der Merzier eine christliche Fraktion innerhalb des eigenen Machtbereichs. Trotz der schon beschriebenen kulturellen Dominanz des Polytheismus war daher immer auch eine gewisse Rücksichtnahme auf die christlichen Hwicce geboten. Eine offensiv anti­ christliche Politik verbot sich somit – selbst wenn Penda dies zu irgend einem Zeit­ punkt seiner Herrschaft anvisiert haben sollte. Das Königreich Lindsey, das bereits unter Paulinus missioniert worden war50, gehörte seit dem merzischen Sieg über Oswald bei Maserfelth 642 ebenfalls zu Pendas

48 Vgl. hierfür und für das Folgende Bassett, Churches in Worcester Before and After the Conversion of the Anglo-Saxons, 231. Gelling, The West Midlands in the Early Middle Ages, 31, 48 weist ebenfalls darauf hin, dass die geringe Zahl der archäologischen Funde auf eine dünne angelsächsische Ober­ schicht im Gebiet der Hwicce hinweise. Parsons, The Mercian Church, 57 folgt Bassett in seiner Inter­ pretation der religiösen Situation im Reich der Hwicce. Ebenfalls zustimmend Lambert, Christians and Pagans, 75, Scharer, Hwicce, 296. Zu der beschriebenen politischen und ethnischen Situation passt Coates, The Name of the Hwicce, 56  f., 61, der auf britische Ursprünge des Stammesnamens hin­ weist. Dieser lasse sich mit „the most excellent [ones]“ übersetzen. 49 Vgl. Ebenda. Zum Königreich der Hwicce siehe Anmerkung 3. 50 Vgl. Kapitel 5.1.

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Machtbereich.51 Wie bei den Hwicce gab es auch in Lindsey eine lokale Dynastie, deren Herrscher Fragen des Rechts und des Kults mit ihren Großen entschieden. Die Expansion in einer sich dem Christentum zuwendenden Welt führte so dazu, dass auch das Reich des erfolgreichen heidnischen Kriegsherrn Penda religiös gemischt war. Aus der Sicht des Polytheismus war dieser Zustand grundsätzlich nicht proble­ matisch. Dessen religiöses System erlaubte es, dem traditionellen Pantheon weitere Gottheiten hinzuzufügen. Der Tempel Rædwalds von East Anglia, in dem er einen Altar für Christus und einen kleineren Altar für heidnische Opfer unterbrachte, ist ein viel besprochenes Beispiel dieser Denkweise.52 Für die Midlands könnte der Helm von Benty Grange ein Beleg für die Kombination heidnischer und christlicher Religiosität sein. Wie bereits beschrieben, war der Kamm des Helms mit der Figur eines Ebers ver­ sehen. Dieses Tier wird mit dem Gott Freyr assoziiert. Indes war am Nasenschutz des Helms ein Kreuz angebracht53, wobei in der Forschung Uneinigkeit darüber herrscht, ob es sich hierbei um ein nachträglich hinzugefügtes Element handelt, oder ob das Kreuz von Anfang an zu dem Helm gehörte.54 Der Befund einer möglichen Kombi­ nation heidnischer und christlicher Motive wird durch diese offene Frage allerdings nicht geschmälert. Folgt man Barbara Yorke in ihrer Annahme, dass der Benty Grange Helm ein Hinweis auf die Existenz einer lokalen Dynastie der Pecsæte, der Bewohner des Peak District, ist55, so wirft dies weitere Fragen auf. Sollte hier deutlich gemacht werden, dass der Herr des Peak District beiden Religionsgemeinschaften offen gegen­ überstand? Dies würde den Beginn des Niedergangs des Polytheismus andeuten, da sich nunmehr auch hier eine christliche Fraktion etabliert hätte, deren Bedürfnissen der König Rechnung tragen musste. Sollte die Kombination der Symbole andererseits ein Hinweis auf die Integration Christi in die heidnische Glaubenswelt sein, wäre das ein Zeichen der Stärke des Polytheismus, der sich anpassen und so behaupten konnte. Wie so oft lassen sich keine abschließenden Antworten auf diese Fragen finden. Sicher ist allerdings das von Beda gezeichnete Bild der heidnischen Merzier auf der einen Seite, die die Feinde der christlichen Northumbrier auf der anderen Seite waren, eine starke Vereinfachung der viel komplexeren historischen Zustände. Mit dieser Feststellung im Kopf sollen nun auch die Ereignisse um Peadas Taufe und Konversion im Jahr 653 einer genaueren Untersuchung unterzogen werden. 51 Vgl. Drinkall, The Anglo-Saxon Cemetery at Castledyke South, Barton-on-Humber, 15, Insley, Lind­ sey, 474. 52 Vgl. Kapitel 4.1. 53 Vgl. Bruce-Mitford, The Benty Grange Helmet, 228, 231, Ders., The Sutton Hoo Ship-Burial, 712, Ozanne, The Peak Dwellers, 20, Parsons, The Mercian Church, 53, Steuer, Helm und Ringschwert, 203, Yorke, The Reception of Christianity at the Anglo-Saxon royal Courts, 165 sieht den Helm ebenfalls als einen Hinweis auf die Kombination heidnischer und christlicher Religiosität. 54 Bruce-Mitford, The Benty Grange Helmet, 242 sieht starke Indikatoren dafür, dass das Kreuz ein Originalbestandteil des Helms ist. Steuer, Helm und Ringschwert, 203 beschreibt das Kreuz als ein später aufgesetztes Element. 55 Vgl. Yorke, Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England, 106.



Der Verlust der Hegemonie 

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7.2 Der Verlust der Hegemonie Im Jahr 653 empfing Peada, den sein Vater Penda zum Herrscher der merzischen Provinz Middle Anglia gemacht hatte, in der northumbrischen Königspfalz Ad Murum die Taufe.56 So wichtig dieser Vorgang für die politische und religiöse Geschichte Mercias war, so wenig erfahren wir über die Motive Peadas. Beda berichtet lediglich, dieser habe eine Tochter Oswius mit Namen Alhflæd heiraten wollen, habe aber die Antwort erhalten, dass einer solchen Verbindung nur unter der Bedingung der Taufe Peadas und seines Volkes die Zustimmung erteilt werden könne.57 Peada habe zunächst eine Unterweisung im christlichen Glauben erhalten und dann bekundet, er wolle diesen Glauben annehmen, selbst wenn er die Prinzessin nicht zur Frau ­erhielte.58 Beda berichtet weiter, dass bei der Entscheidung zur Konversion die Freundschaft Peadas mit einem Sohn Oswius namens Alhfrith eine große Rolle gespielt habe – dieser sei zudem mit Cyneburh, einer Schwester Peadas, verheiratet gewesen.59 Es wird also deutlich, dass Peadas Vermählung mit einer Tochter Oswius Teil eines größeren Plans 56 HE III, 21 „His temporibus Middilengli, id est Mediterranei Angli, sub principe Peada filio Pendan regis fidem et sacramenta ueritatis perceperunt. Qui cum esset iuuenis optimus, ac regis nomine ac persona dignissimus, praelatus est a patre regno gentis illius […]. Baptizatus est ergo a Finano episcopo cum omnibus, qui secum uenerant, comitibus ac militibus eorumque famulis uniuersis in uico regis inlustri, qui uocatur Ad Murum […].“ Wallace-Hadrill, Bede’s Ecclesiastical History of the English People, 116 meint, Beda habe die Informationen dieses Kapitels von Utta, dem Bruder Addas, der einer der nach Middle Anglia entsandten Missionare war, erhalten. Das ist insofern wichtig, als dass Bedas Konzentration auf die kirchengeschichtlichen Aspekte der merzischen Geschichte nicht nur seinem eigenen Interesse entspringt, sondern auch der Perspektive und den Beschränkungen seines Informanten geschuldet ist. Vg. zu Peadas Taufe Angenendt, Kaiserherrschaft und Königstaufe, 191, Campbell, Observations on the Conversion of England, 75  f., Chaney, The Cult of Kingship in AngloSaxon England, 165, Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597–700, 106, 110, Fisher, The Anglo-Saxon Age, 76  f., Fletcher, The Barbarian Conversion, 167, Gelling, The West Midlands in the Early Middle Ages, 94, Higham, The Convert Kings, 232, 242, 248, Insley, Oswiu, 372, Kirby, The Earliest English Kings, 79  f., Lambert, Christians and Pagans, 215, 233, Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 99  f., Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 144, 147, von Padberg, Mission und Christianisierung, 192, 261, 338, Ders., Die Inszenierung religiöser Konfrontationen, 61, 162, 220, Stenton, Anglo-Saxon England, 120. 57 HE III, 21 „[…] uenitque ad regem Nordanhymbrorum Osuiu, postulans filiam eius Alchfledam sibi coniugem dari. Neque aliter, quod petebat, inpetrare potuit, nisi fidem Christi ac baptisma cum gente, cui praeerat, acciperet.“ 58 HE III, 21 „At ille, audita praedicatione ueritatis et promissione regni caelestis speque resurrectionis ac futurae immortalitatis, libenter se Christianum fieri uelle confessus est, etiamsi uirginem non acciperet […].“ An dieser Stelle darf vermutet werden, dass Beda den durch die besondere Strahlkraft seiner Botschaft verursachten Triumph des Christentums überhöht darstellt. Ob Peada tatsächlich auch ohne die ihm in Aussicht gestellte Eheschließung konvertiert wäre, lässt sich nicht überprüfen, ist aber zumindest fraglich. 59 HE III, 21 „[…] persuasus maxime ad percipiendam fidem a filio regis Osuiu, nomine Alchfrido, qui erat cognatus et amicus eius, habens sororem ipsius coniugem, uocabulo Cyniburgam, filiam Pendan regis.“

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war, die Dynastien der beiden streitenden Reiche miteinander zu verbinden. Friedens­ schlüsse durch Eheschließungen zu festigen, war ein gängiges Mittel der Politik im frühen Mittelalter. Die durch Beda überlieferten Details lassen einige Rückschlüsse auf die Bedingungen und Ergebnisse der Verhandlungen zu, die im Vorfeld stattgefun­ den haben müssen, werfen aber zugleich auch Fragen auf. Der Frieden zwischen Mercia und Northumbria sollte durch zwei Eheschließun­ gen von Söhnen der amtierenden Könige mit einer Tochter des Konkurrenten besie­ gelt werden. Offenbar fand die Vermählung von Oswius Sohn Alhfrith mit Cyneburg, einer Tochter Pendas, zuerst statt. Beda erwähnt dabei nicht, ob es für die königliche Braut ebenfalls erforderlich war, den christlichen Glauben anzunehmen. Es fällt al­ lerdings schwer sich vorzustellen, dass der Glaubenswechsel für Peada zur Bedin­ gung gemacht wurde, während seine Schwester, die ja nunmehr im Haushalt ihres christlichen Ehemanns lebte, weiterhin der heidnischen Religion ihres Vaters folgen durfte. Bei der zweiten Eheschließung wird die Bedingung der Konversion überliefert. Insgesamt wird aus dem Bericht Bedas das Bild zweier gewiefter Machtpolitiker deut­ lich, die sich mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln zu umklammern und auszustechen versuchen. Penda standen in diesem Ringen zwei Mittel zu Gebote. Das war zum einen seine Reputation als erfolgreichster Heerführer seiner Zeit, mitsamt der mit diesem Ruf ein­ hergehenden Androhung, wieder auf militärische Mittel zurückgreifen zu können.60 Wie sich 655 zeigen sollte, konnte Penda dabei auf ein beachtliches Aufgebot eigener und verbündeter Kräfte zurückgreifen. Zum anderen sollten durch die Hochzeiten seines Sohnes Peada mit Alhflæd und seiner Tochter Cyneburh mit Alhfrith der mer­ zische Einfluss auf mittlere bis lange Sicht auch im Norden gesichert werden. Dass Penda trotz der für ihn günstigen Ausgangslage die Kontrolle über die Situa­ tion zu entgleiten drohte, liegt an zwei für Oswiu günstigen Umständen. Erstens gelang es der northumbrischen Partei durch die persönliche Beziehung zwischen Peada und Alhfrith, die Richtung, in die sich die Einflussnahme innerhalb der neu geschmiedeten Verbindung entwickelte, von Norden nach Süden zu kanali­ sieren. Zweitens machte Oswiu geschickten Gebrauch der Machtmittel, die ihm die Ins­ titution der Kirche und das Sakrament der Taufe boten.61 Durch die geistliche Vater­ schaft scheint es Oswiu gelungen zu sein, eine sehr viel persönlichere Verbindung zu Peada aufzubauen, als dies durch ein reines Schwiegervater-Schwiegersohn-Verhält­

60 Vgl. zu Pendas Position der Stärke im Vergleich zu Oswiu Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 99, der die Bedeutung der Allianz mit dem König von Gwynned betont. Siehe ebenfalls Stenton, Anglo-Saxon England, 83, Yorke, Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England, 105. 61 Vgl. Higham, The Convert Kings, 241 zu den strukturellen Möglichkeiten des Christentums, Macht zu konsolidieren, ohne auf eine sich ständig bewähren müssende Reputation als Kriegsherr zurück­ zugreifen.



Der Verlust der Hegemonie 

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nis möglich gewesen wäre. Zudem brachte es dieser Schritt mit sich, dass nunmehr in die northumbrische Kirchenhierarchie eingebundene Kleriker im merzischen Ein­ flussgebiet aktiv wurden.62 Die Auswirkungen dieses Schritts auf die Einflussmög­ lichkeiten Oswius63 auf Peada und dessen engsten Beraterkreis müssen für Penda spürbar geworden sein. Die Taufe in Gegenwart eines anderen Königs, auf dessen Gebiet und durch dessen Bischof, macht zumindest aus der christlichen Perspektive eine Vormachtstellung Oswius deutlich. Es ist nicht ganz klar, ob die weitreichenden Folgen der beschriebenen Vorgänge der merzischen Seite sogleich deutlich waren. In Anbetracht des Umstandes, dass Penda und Peada aber wie gesehen auch christ­ liche Berater zur Verfügung gestanden haben dürften, ist davon auszugehen. Sicher trug dieser Umstand schließlich zu dem massiven Angriff des Königs der Merzier im Herbst 655 bei. Penda muss die Gefahr, die von Oswius Religionspolitik ausging, klar geworden sein. Beda überliefert, zunächst habe Penda selbst dem Einsatz der Kleriker der mit­ telanglischen Mission in seinem eigenen Reichsteil die Zustimmung erteilt.64 Der Exklusivitätsanspruch des Christentums dürfte dem Polytheisten Penda wesensfremd gewesen sein.65 Die politischen Auswirkungen einer von Northumbria abhängigen Mission auf seinem Gebiet dürften ihm allerdings immer drängender bewusst gewor­ den sein.66 62 Vgl. zum Einfluss Alhfriths und Oswius auf Peada Angenendt, Kaiserherrschaft und Königstaufe, 191, Dunn, The Christianization of the Angle-Saxons c.597–700, 106, Fletcher, The Barbarian Conversion, 167, Higham, Dynasty and Cult, 100. 63 Der Einfluss Oswius zeigte sich beispielsweise in dem Umstand, dass es ihm möglich war, Cedd wieder aus Middle Anglia abzuziehen, als er ihn für den Missionseinsatz bei den Ostsachsen brauchte. HE III, 22 „At ille mittens ad prouinciam Mediterraneorum Anglorum clamauit ad se uirum Dei Cedd, et dato illi socio altero quodam presbytero, misit praedicare Verbum genti Orientalium Saxonum.“ 64 HE III, 21 „Nec prohibuit Penda rex, quin etiam in sua, hoc est Merciorum, natione Verbum, siqui uellent, audire, praedicaretur.“ Vgl. Campbell, Observations on the Conversion of England, 76. Im Zu­ sammenhang mit dem Zulassen der Mission präsentiere Beda Penda als „Good Pagan, one who tolerated missionaries and despised Christians who did not obey the precepts of their faith.“, Fisher, The Anglo-Saxon Age, 66, Gelling, The West Midlands in the Early Middle Ages, 94, Stenton, Anglo-Saxon England, 120. 65 Vgl. Higham, The Convert Kings, 242, erklärt diesen Schritt Pendas mit der Offenheit des polythe­ istischen Weltbilds. Von Padberg, Die Inszenierung religiöser Konfrontationen, 73  f. meint, das Zulas­ sen der Mission könne auch als Zeichen des großen religiösen Selbstbewusstseins gewertet werden, in Kombination mit der im Polytheismus möglichen „elastischen Reaktion bis hin zur Erweiterung der Zahl der Götter.“ 66 Der Zusatz Bedas, wonach Penda Christen, die zwar glaubten, aber nicht dementsprechend leb­ ten, gehasst habe (HE III, 21 „Quin potius odio habebat et despiciebat eos, quos fide Christi inbutos opera fidei non habere deprehendit, dicens contemnendos esse eos et miseros, qui Deo suo, in quem crederent, odoedire contemnerent.“), erinnert an einen Brief Bedas an Erzbischof Ecgbert von York vom 5. November 734. Er beschwert sich hier über die sehr weltlichen Zustände in vielen Eigenklöstern. Vgl. Epistola ad Ecgberctum „[…] sunt loca innumera, ut nouimus omnes, stilo stultissimo in monasteriorum ascripta uocabulum, sed nichil prorsus monasticae conuersationis habentia; e quibus uelim aliqua

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Eine letzte Frage, die durch den Bericht aus der Kirchengeschichte des englischen Volkes aufgeworfen wird, ist die nach dem Verhältnis zwischen Penda und Peada. Für ein zumindest zu Beginn gutes Verhältnis spricht der Umstand, dass Penda seinem Sohn die Verantwortung für das Gebiet der Mittelangeln übertragen hatte.67 Ande­ rerseits berichtet Beda nichts über Peadas Aufenthalt während des letzten Feldzuges seines Vaters im Jahr 655, und nach dessen Tod, als Mercia unter die Herrschaft des northumbrischen Königs Oswiu geriet, übertrug dieser Peada wiederum die Herr­ schaft über einen Teil der Merzier.68 Diese Umstände könnten Hinweise auf ein proble­ matisches Verhältnis zwischen Peada und seinem Vater sein.69 Nach der Schlacht am Winwæd verzichtete Peada offenbar auf Rache für den Tod seines Vaters und suchte stattdessen die Verständigung mit dessen Feind. Für Oswiu war es sicher attraktiv, mit Peada einen Repräsentanten der alten Dynastie in sein Herrschaftssystem einzu­ beziehen, dem dadurch in den Augen der Merzier eine gewisse Legitimität verliehen worden sein könnte.70 Für den merzischen Polytheismus bedeutete die Taufe Peadas die Abkehr eines ersten männlichen Mitglieds der Königsfamilie vom traditionellen Götterkult. Selbst wenn Penda in der Lage gewesen wäre, Oswiu zu schlagen, hätte dies in der Zukunft zu einer schwierigen Situation für die Polytheisten geführt. Als Mitherrscher wäre Peada sicher ein aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge seines Vaters gewesen. Bei einem christlichen König an der Spitze Mercias wäre der Druck zur Konversion sicher enorm gewesen. Einen Vorgeschmack darauf erhielten die Großen Middle Anglias, die laut Beda ihrem praelatus in dessen Glaubensentscheidung folgen muss­ ten.71 Unter diesen Umständen erscheint es plausibel, dass die Auseinandersetzung mit Northumbria zumindest in den Augen der konservativen Heiden in Mercia Züge eines Machtkampfes nicht nur zwischen zwei Dynastien, sondern zwischen zwei rivalisie­ renden religiösen Systemen annahm.72 Als es Penda 655 zunächst gelang, Oswiu

de luxuria ad castitatem, de uanitate ad ueritatem, de intemperantia uentris et gulae ad continentiam et pietatem cordis synodica auctoritate transferantur, atque in adiutorium sedis episcopalis, quae nuper ordinari debeat, assumantur.“ Gemeinsam ist beiden Stellen die Kritik an Christen, die Bedas Auf­ fassung nach nicht den Geboten des Glaubens entsprechend lebten. Es könnte daher sein, dass die Passage als Schelte für Leser aus Bedas eigener Zeit zu lesen ist. 67 HE III, 21 „Qui cum esset iuuenis optimus, ac regis nomine ac persona dignissimus, praelatus est a patre regno gentis illius [=die Mittelangeln, J.L.] […]. 68 HE III, 24 „Quo tempore donauit praefato Peada filio regis Pendan, eo quod esset cognatus suus, regnum Australium Merciorum, qui sunt, ut dicunt, familiarum quinque milium, discreti fluuio Treanta ab Aquilonaribus Mercis […].“ 69 Vgl. Insley, Oswiu, 372, der zu dem selben Schluss kommt. 70 Vgl. Higham, The Convert Kings, 245. 71 HE, 21 „Neque aliter, quod petebat, inpetrare potuit, nisi fidem Christi ac baptisma cum gente, cui praeerat, acciperet.“ 72 Vgl. Higham, The Convert Kings, 240.



Das Ende des Polytheismus in den Midlands 

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unter starken Druck zu setzen – dieser versuchte den Merzier durch Zahlungen zum Abzug zu bewegen73 – musste es so scheinen, als ob die alten Götter dem König den Sieg schenken würden. Umso größer muss die Erschütterung gewesen sein, als der große König zusammen mit vielen weiteren Anführern und dem größten Teil seines Heeres in der Schlacht am Winwæd den Tod fand.74 Dieses Szenario bietet eine Erklärung für den schnellen Abfall vom Polytheismus, wie er in den Jahren nach 655 stattgefunden haben muss.75

7.3 Das Ende des Polytheismus in den Midlands Die merzische Geschichte nach dem Tod Pendas lässt sich in zwei Abschnitte unter­ teilen. Zunächst folgte die Zeit der northumbrischen Besatzung bis 658/59. Am Ende dieses Zeitraums erhoben sich merzische Große und verhalfen einem Sohn Pendas mit Namen Wulfhere zur Herrschaft über das Reich seines Vaters. Während dieser turbulenten Jahre verschwand der polytheistische Kult aus dem öffentlichen Leben der Midlands. Wie in den meisten Fällen ist es nicht möglich, sichere Aussagen über den privaten Raum zu treffen, es lässt sich jedoch nachvollziehen, wann und warum das Heidentum aus dem öffentlichen Leben der Region verschwand.

7.3.1 Die Unterdrückung des Polytheismus unter northumbrischer Herrschaft Nach der merzischen Niederlage in der Schlacht am Winwæd verlor das Reich für den Zeitraum von drei Jahren seine Unabhängigkeit. Sowohl die Merzier als auch die angrenzenden gentes wurden während dieses Zeitraums vom siegreichen Kriegsherrn 73 HE III, 24 „His temporibus rex Osuiu, cum aceruas atque intolerabiles pateretur inruptiones saepe dicti regis Merciorum, qui fratrem eius occiderat, ad ultimum necessitate cogente promisit se ei innumera et maiora, quam credi potest, ornamenta regia uel donari in pretium pacis largiturum, dummodo ille domum rediret et prouincias regni eius usque ad internicionem uastare desineret.“ Vgl. Campbell, Bede I, 13. 74 HE III, 24 „Inito ergo certamine fugati sunt et caesi pagani, duces regii XXX, qui ad auxilium uenerant, pene omnes interfecti; […] Et quia prope fluuium Uinued pugnatum est, qui tunc prae inundantia pluuiarum late alueum suum, immo omnes ripas suas transierat, contigit, ut multo plures aqua fugientes quam bellantes perderet ensis.“ Vgl. zur Schlacht am Winwæd Campbell, Observations on the Conversion of England, 76, Dumville, Essex, Middle Anglia, and the Expansion of Mercia in the South-East Midlands, 129, Fisher, The Anglo-Saxon Age, 118, Higham, The Convert Kings, 240  f., Ders., The Kingdom of Northumbria AD 350–1100, 130, Kirby, The Earliest English Kings, 79  f., mit einer ausführlichen Beschreibung des Hintergrunds und der Vorgeschichte der Schlacht, Lambert, Christians and Pagans, 215  f., Stenton, Anglo-Saxon England, 83  f., Yorke, Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England, 79, 82, 84. 75 Vgl. Higham, The Convert Kings, 241  f. Der die Wichtigkeit des christlichen Sieges am Winwæd betont. Dieser Sieg habe die Effektivität des christlichen Gottes als Kriegsgott erwiesen.

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Oswiu beherrscht.76 Wie noch zu sehen sein wird, ist es eine spannende Frage, ob auch das Reich der Magonsæte ein Teil von Oswius südhumbrischem Herrschaftssys­ tem wurde. Beda schreibt explizit, dass der Christ Oswiu zum einen den Polytheis­ mus der besiegten Merzier beseitigt habe77, und wie mit dem Aufbau einer kirchli­ chen Organisation in den Midlands begonnen wurde. Für den Iren Diuma wurde eine Mercia, Lindsey und Middle Anglia umfassende Diözese eingerichtet.78 Über die missionarische Arbeit ist wenig überliefert. Beda schreibt dazu lediglich formelhaft, Diuma habe „in kurzer Zeit dem Herrn ziemlich viel Volk gewonnen.“79 Sollte hinter dieser Formulierung ein Kern wahrer historischer Information stecken, ließe sich aus der Geschwindigkeit und der großen Zahl der Konversionen auf eine herrschaftliche Unterstützung bei der Mission schließen. Dass es zur Zeit der northumbrischen Herr­ schaft zu einem erheblichen Druck zum Glaubenswechsel kam, ist aus vier Gründen höchst wahrscheinlich. Erstens war Oswiu ein betont christlicher König. In seinem eigenen Reich för­ derte er den Ausbau kirchlicher Strukturen, und sein Einfluss auf Sigeberht II. führte zur Wiedereinführung des Christentums in Essex.80 Für Oswiu und sein Umfeld gehörten die Förderung des Christentums sowie der Kampf gegen den Götzenkult der Heiden zu den Pflichten eines christlichen Königs. Zweitens war der Krieg gegen Pendas Merzier aus northumbrischer Perspektive mit hoher Wahrscheinlichkeit sowohl als ein Abwehrkampf gegen einen äußeren Feind, als auch als ein religiöser Zweikampf zwischen dem eigenen Gott und den Göttern des Heiden Penda aufgefasst worden.81 Als es schließlich mit der Hilfe Gottes gelang, den Feind zu besiegen, ist es schwer vorstellbar, dass die Verehrung der ebenfalls überwundenen heidnischen Gottheiten weiterhin geduldet wurde.82 Nicht zuletzt waren dies die selben Götter, denen Penda wohl Oswius Vorgänger

76 HE III, 24 „Idem autem rex Osuiu tribus annis post occisionem Pendan regis Merciorum genti, necnon et ceteris australium prouinciarum populis praefuit […].“ 77 HE III, 24 III „[…] et ipsam gentem Merciorum finitimarumque prouinciarum, desecto capite perfido, ad fidei Christianae gratiam conuertit.“ 78 HE III, 21 „Ipso [=Penda, J.L.] autem occiso, cum Osuiu rex Christianus regnum eius acciperet, ut in sequentibus dicemus, factus est Diuma […] episcopus Mediterraneorum Anglorum, simul et Merciorum, ordinatus a Finano episcopo.“ HE III, 24 „Primus autem in prouincia Merciorum, simul et Lindisfarorum ac Mediterraneorum Anglorum, factus est episcopus Diuma […].“ Vgl. Farmer, The Oxford Dictionary of Saints, 107. 79 HE III, 21 „Qui cum pauco sub tempore non paucam Domino plebem adquisisset […].“ 80 Vgl. Kapitel 5.4. 81 Vgl. Ebenda. 82 Dass er Sieg über Penda aus christlicher Perspektive auf die Hilfe Gottes zurückgeführt wurde, geht aus dem Bericht Bedas hervor, wonach Oswiu im Vorfeld der Schlacht am Winwæd gelobt habe, eine seiner Töchter Gott weihen zu wollen und gleichzeitig der Kirche zwölf Besitzungen zum Bau von Klöstern zu schenken. HE III, 24 „Vouit ergo quia, si uictor existeret, filiam suam Domino sacra uirginitate dicandam offerret, simul et XII possessiones praediorum ad construenda monasteria donaret […].“



Das Ende des Polytheismus in den Midlands 

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Oswald geopfert hatte.83 Doch nicht nur die Erwägung der northumbrischen Pers­ pektive auf die religiöse Welt der Midlands, auch der Blick auf die Großen der Region selbst zeigt auf, wie schnell die Abkehr vom polytheistischen Kult Pendas vonstatten gegangen sein muss. So war zum Dritten Peada, wie erwähnt, Teil des Herrschaftssystems Oswius. Er war bereits Jahre vorher zusammen mit seinen Großen Christ geworden. Sicher war dieser Schritt politisch motiviert, da eine Verbindung mit dem Haus Oswius zustande kommen sollte. Der Bericht über die Freundschaft zwischen Peada und Oswius Sohn Alhfrith, die eine große Rolle bei der Hinwendung zum Christentum gespielt haben soll84, lässt allerdings ebenfalls die Vermutung zu, dass auch persönliche Bindun­ gen und Überzeugung eine Rolle gespielt haben könnten. Somit fiel Peada sowohl politisch als auch religiös als Galionsfigur des Widerstands gegen Oswiu weg. Mögli­ cherweise steht dies in einem Zusammenhang mit seiner Ermordung, in die laut Beda auch Peadas eigene Frau verwickelt gewesen sein soll.85 Viertens war auch die politische Opposition innerhalb Mercias offensichtlich christlich orientiert. Der Grund hierfür könnte die Nutzlosigkeit des Kults der Götter Pendas gewesen sein, die in den Augen der Zeitgenossen in dessen Niederlage und Tod offenbar geworden sein muss. Als sich nämlich nach drei Jahren Fremdherrschaft die merzischen Ealdormen Immin, Eafa und Eadberht erhoben und schließlich Wulf­ here auf den Thron seines Vaters verhalfen, setzten der neue König und seine Großen die Christianisierungspolitik der Vorjahre unvermindert fort.86 Für die Zeit der Fremdherrschaft nach dem Tode Pendas lässt sich also rekonst­ ruieren, dass es in den merzischen Midlands zu einer schnellen und zum Teil wohl

83 Vgl. Kapitel 7 sowie 5.3. 84 HE III, 21 „[…]persuasus maxime ad percipiendam fidem a filio regis Osuiu, nomine Alchfrido, qui erat cognatus et amicus eius […].“ 85 HE III, 24 „Sed idem Peada proximo uere multum nefarie peremptus est, proditione, ut dicunt, con­ iu­gis suae in ipso tempore festi paschalis.“ 86 HE III, 24 „Conpletis autem tribus annis post interfectionem Pendan regis, rebellarunt aduersus regem Osuiu duces gentis Merciorum, Immin et Eafa et Eadberct, leuato in regem Uulfhere filio eiusdem Pendan adulescente, quem occultum seruauerant, et eiectis principibus regis non proprii, fines suos fortiter simul et libertatem receperunt; sicque cum suo rege liberi, Christo uero regi pro sempiterno in caelis regno seruire gaudebant.“ Wallace-Hadrill, Bede`s Ecclesiastical Histoty of the English People, 124 kommentiert den positiven Grundton des Berichts so, dass Beda die Loyalität der Ealdormen zu ihrem Königshaus geschätzt habe, und er die Möglichkeit der nunmehr freien Verehrung Gottes be­ grüßt habe. Zur Rebellion gegen Oswius Herrschaft über Mercia siehe Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597–700, 106, Fisher, The Anglo-Saxon Age, 119, Higham, The Kingdom of Northumbria AD 350–1100, 132, Ders., The Convert Kings, 245 weist darauf hin, dass der Aufstand in Mercia gelingen konnte, weil Oswiu militärisch bei den Pikten im Norden gebunden war, Insley, Wulfhere von Mercien, 315, Kirby, The Earliest English Kings, 82, 86, 94, der ebenfalls auf Oswius Engagement im Norden hinweist (S. 86), Lambert, Christians and Pagans, 216, Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 117, Stenton, Anglo-Saxon England, 84  f., Yorke, Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England, 105.

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auch erzwungenen Abkehr vom traditionellen Polytheismus gekommen sein muss. Wie genau dabei die Vorgehensweise der Missionare und weltlichen Verwalter war, ist durch die Überlieferung nicht rekonstruierbar.87

7.3.2 Der Aufbau eines christlichen Mercia unter Wulfhere Während der Herrschaft des Christen Wulfhere, die von 658 bis 675 dauerte, trat Mercia endgültig aus dem Dunkel der schriftlosen Zeit in eine vergleichsweise gut dokumentierte historische Epoche ein. Der Ausbau der kirchlichen Strukturen, der in den Quellen sichtbar wird, war zugleich für die Entstehung einer Schriftkultur verant­ wortlich. Neben Bedas Kirchengeschichte finden sich Hinweise auf die religiöse Ent­ wicklung der Herrschaftszeit Wulfheres in der Version A der Angelsachsenchronik, der Hagiographie und einer Reihe von Urkunden, die seit den 670er Jahren überliefert sind. Archäologische Hinweise helfen, das Bild komplett zu machen. Wulfheres Regierungszeit soll im Rahmen der Untersuchung betrachtet werden, da sich aus der Religionspolitik des Königs, sowohl nach Außen als auch nach Innen, Rückschlüsse auf die Einstellung dem Polytheismus gegenüber ziehen lassen, die wiederum die rechtliche Stellung von dessen Anhängern bestimmte. Nach dem Tod des von Oswiu eingesetzten Diuma folgte diesem für kurze Zeit der Ire Ceollach ins Amt, wurde aber durch den Angelsachsen Trumhere als Bischof der Merzier ersetzt.88 Bedas Hinweis darauf, dass sich dies alles zur Zeit König Wulfhe­ res abgespielt habe, könnte bedeuten, dass der König nach seinem Herrschaftsan­ tritt einen durch seinen nördlichen Konkurrenten eingesetzten Bischof durch einen Mann der eigenen Wahl ersetzte. Andererseits hat Higham darauf hingewiesen, dass auch die Nachfolger Ceollachs weiterhin der Autorität Lindisfarnes unterstan­ den.89 Wahrscheinlich haben die beiden Könige einen Kompromiss gefunden, der es Wulfhere erlaubte, über ein wiederhergestelltes Mercia zu herrschen und Oswiu die Möglichkeit weiterer Einflussnahme durch die Kirchenorganisation gab.90 In

87 Higham, The Convert Kings, 244  f. vermutet, dass Diuma zwischen den königlichen Pfalzen um­ hergereist ist, um diese als Orte bzw. Ausgangspunkte seines missionarischen Wirkens unter den Be­ wohnern Mercias zu nutzen. 88 HE III, 22 „Suscepitque pro illo episcopatum Ceollach, et ipse de natione Scottorum, qui non multo post, relicto episcopatu, reuersus est ad insulam Hii, ubi plurimorum caput et arcem Scotti habuere coenobiorum; succedente illi episcopatum Trumheri, uiro religioso et monachica uita instituto, natione quidem Anglo sed a Scottis ordinato episcopo. Quod temporibus Uulfheri regis, de quo in sequentibus dicemus, factum est.“ 89 Vgl. Higham, The Kingdom of Northumbria AD 350–1100, 132, Ders., The Convert Kings, 246, 249. 90 Vgl. Higham, The Kingdom of Northumbria AD 350–1100, 132, der den Fortbestand des Christen­ tums unter den Merziern unter anderem durch das angenommene Abkommen zwischen Wulfhere und Oswiu erklärt. Ders., The Convert Kings, 246  f., wo Higham vermutet, Wulfhere könnte zumindest anfänglich die Oberhoheit Oswius anerkannt haben.



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der Folgezeit scheinen sich die Dinge für Wulfhere gut entwickelt zu haben. Bereits für das Jahr 661, nur drei Jahre nach der Vertreibung der Northumbrier, berichtet die Angelsachsenchronik, Wulfhere habe die Isle of Wight erobert. Er habe die Insel und deren Bewohner dem König der Südsachsen Æthelwald unterstellt, dessen Taufpate der Merzier war. Daraufhin sei auf Geheiß Bischof Wilfrids und König Wulfheres der Priester Eoppa als Missionar auf der Isle of Wight aktiv geworden.91 Offenbar hatte Wulfhere die Vorgehensweise, untergebene Könige durch das Patenamt an sich zu binden, übernommen. Die gemeinsame Religion war für Wulfheres überregionales Herrschaftssystem zu einem wichtigen Element geworden. So überrascht es nicht, dass er im Jahr 664 bei der Apostasie eines Teils der Ostsachsen unter ihrem König Sighere eingriff und seinen Bischof Jaruman mit dem Auftrag der Remissionierung ins Land schickte.92 Das Eingreifen Jarumans sowie die Vorgänge um die Isle of Wight und die Südsachsen machen zwei Dinge deutlich. Erstens wird hier die Machtstellung Wulfheres offenbar. Er war in der Lage, in Angelegenheiten im Süden und Osten Groß­ britanniens direkt einzugreifen, um ihm nicht genehme Entwicklungen abzuwenden. Zweitens zeigt sich, dass Wulfhere die Verbreitung und die Bewahrung des christ­ lichen Glaubens als Aufgabe seiner Herrschaft ansah. Wenn er einen seiner höchsten Würdenträger, der im Namen seines Königs auftrat, zu den Ostsachsen schickte, um Sighere mit seinem Teil des Volks zur Rückkehr zum Christentum zu bewegen, ist es nicht vorstellbar, dass er in seinem eigenen Land anders gehandelt hätte. Wie bereits unter der Herrschaft Oswius war der polytheistische Kult in Wulfheres Machtbereich mit großer Sicherheit verboten. Die herrschaftliche Durchsetzung des christlichen Glaubens wurde durch einen Ausbau der kirchlichen Strukturen begleitet, der vor allem durch die Urkunden der Zeit und den Berichten über die Zusammenarbeit zwischen Wulfhere und den Bischö­ fen Wilfrid und Chad deutlich wird.

91 ASC (A) „[…] on Wiht gehergade Wulfhere Pending, ˥ gesalde Wihtwaran æþelwalde Suþ Seaxna cyninge. forþon Wulfhere hine onfeng æt fulwihte. ˥ Eoppa mæssepreost. be Wilferþes worde ˥ Wulfhere cyning brohte Wihtwarum fulwiht ærest.“ Vgl. zu Wulfheres Rolle bei der Christianisierung der Süd­ sachsen Kapitel 8 sowie die dortigen Literaturhinweise. 92 HE III, 30 „Eodem tempore prouinciae Orientalium Saxonum […] praefuere reges Sigheri et Sebbi, quamuis ipsi Merciorum Uulfherae subiecti. Quae uidelicet prouincia cum praefatae mortalitatis clade premeretur, Sigheri cum sua parte populi, relictis Christianae fidei sacramentis, ad apostasiam conuersus est. […] Quod ubi rex Uulfheri conperit, fidem uidelicet prouinciae ex parte profanatam, misit ad corrigendum errorem reuocandamque ad fidem ueritatis prouinciam Iaruman episcopum, qui successor erat Trumheri.“ Vgl. Kapitel 3.3 sowie Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saon England, 160, Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597–700, 126, die das Christentum als ein Mittel ansieht, Wulfheres Herrschaft zu symbolisieren, Fisher, The Anglo-Saxon Age, 87, Gelling, The West Midlands in the Early Middle Ages, 95  f., Lambert, Christians and Pagans, 230, Mayr-Harting, The Coming of Christianity to Anglo-Saxon England, 117, Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 148, von Pad­ berg, Mission und Christianisierung, 250 mit einer Darstellung des religiös-mentalen Hintergrunds von Sigheres „Rückfall“, Ders., Die Inszenierung religiöser Konfrontationen, 285.

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Eddius Stephanus berichtet, der König der Merzier habe Wilfrid in den Jahren zwischen ca. 665 und 668 zu regelmäßigen Besuchen in sein Reich eingeladen und ihn mit Ländereien für die Gründung von Klöstern ausgestattet.93 Die Gründung besagter Klöster, die zweifelsohne als Missionsstationen im Inneren fungierten, führte dazu, dass ein immer größerer Teil der Bevölkerung auf geistlichem Grundbe­ sitz lebte. Die Menschen in der unmittelbaren Umgebung wurden durch die Nonnen und Mönche seelsorgerisch betreut und hatten Zugang zu den karitativen Einrichtun­ gen der Klöster. Diese Eindrücke können nicht ohne Einfluss auf die Wahrnehmung des Christentums durch die Merzier geblieben sein. Sie öffneten sich der neuen Reli­ gion und müssen die Vorstellung von Gott als der alleinigen Quelle von Recht ken­ nengelernt und mit der Zeit übernommen haben. Das Rechtsempfinden der Merzier wandelte sich dementsprechend. 669 wurde Wilfrid die Möglichkeit der Rückkehr auf seinen Bischofsstuhl in York ermöglicht. Chad, der während seiner Abwesenheit Bischof von York gewesen war, sah sich zum Rückzug veranlasst. Auf Vermittlung Wilfrids wurde er zum Bischof der Merzier geweiht und mit Lichfield als Bischofssitz ausgestattet.94 Beda geht auf die Details der Auseinandersetzungen Wilfrids um das Bischofsamt von York nicht ein, bestätigt in seinem Bericht der Ereignisse aber die wesentlichen Informationen. Chad sei ohne eine richtige Aufgabe gewesen und deswegen durch König Oswiu und auf Bitten Erzbischofs Theodor hin nach Mercia gesandt worden. Dort habe er in Beschei­ denheit sein Bischofsamt ausgeübt, in Lindsey das Kloster Ad Barvae (Barrow-onHumber) gegründet und in Lichfield seinen Sitz gehabt.95 Die Nähe von Lichfield zum königlichen Zentrum in Tamworth ist ein weiterer Hinweis auf die enge Verbin­ dung zwischen Königtum und Kirche, wie sie sich während der Herrschaft Wulfheres entwickelte. Diese Verbindung wird nicht nur in Schenkungen, die in der Geschichts­

93 Vita Wilfrithi, XIV „[…] nisi qoud frequenter a Wlfario rege Merciorum ad officia diversa episcopalia in regione sua cum vera dilectione invitatus est. Suscitavit enim Dominus sibi regem hunc mitissimum, qui inter alia bona in diversis locis multa spatia terrarum pro animae suae remedio episcopo nostro concessit, in quibus mox monasteria servorum Dei constituit.“ Die Jahresangaben gehen auf Colgrave zurück. Vgl. Ders., The Life of Bishop Wilfrid by Eddius Stephanus, 31. 94 Vita Wilfrithi, XV […] cum consensu eius in propriam sedem Eboracae civitatis sanctum Wilfrithum episcopum constituit. […] sciebat sub Wlafrio rege Merciorum, fidelissimo amico suo, locum donatum sibi Onlicitfelda et ad episcopalem sedem aut sibimetipsi aut alio, cuicumque voluisset dare, paratum; ideoque pacifice inito consilio cum vero servo Dei Ceaddan, in omnibus rebus episcopis oboediens, per omnes gradus ecclesiasticos ad sedem praedictam plene eum ordinaverunt et, honorifice rege susci­ piente eum, in locum praedictum constituerunt.“ 95 HE IV, 3 „[…] sed postulauit a rege Osuio, ut illis episcopus Ceadda daretur, qui tunc in monasterio suo, quod est in Laestingaé, quietam uitam agebat, […] cui etiam rex Uulfheri donauit terram L familiarum ad construendum monasterium in loco, qui dicitur Ad Baruae, id est Ad Nemus, in prouincia Lindissi […]. Habuit autem sedem episcopalem in loco, qui uocatur Licidfelth […] ubi usque hodie sequentium quoque prouinciae illius episcoporum sedes est.“ Vgl. Aston, Monasteries in the Landscape, 46, Insley, Oswiu, 374, Ders., Wulfhere von Mercien, 316, Lambert, Christians and Pagans, 239.



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schreibung oder der Hagiographie erwähnt werden, sondern auch in durch Urkunden belegte Stiftungen deutlich. Ein solcher Fall ist der des Klosters Hanbury in Worcestershire. Wulfhere schenkte Abt Colman und dessen Erben 50 manentes mit dazu gehörigen Weiden, Wäldern und Solegruben.96 Eine Fälschung, die allerdings Spuren authentischen Materials ent­ halten könnte, ist eine Urkunde mit der Jahresangabe 664 für das Kloster St. Peter in Petersborough.97 Durch eine allgemein als authentisch akzeptierte Urkunde wird dem Kloster Chertsey in Surrey Land durch Wulfheres Unterkönig Frithuwold zuge­ sprochen.98 Eine weitere mögliche Schenkungen ist Barton-on-Humber99 sowie Barking Abbey, die Schwesterabtei von Chertsey100. Archäologisch lässt sich die Geschwindigkeit der Christianisierung des merzi­ schen Machtbereichs an den im Zusammenhang mit dem Fund von Benty Grange bereits angesprochenen Grabhügeln des Peak District ermessen. Laut Ozanne sind die Bestattungen aus der zweiten Hälfte des 7.  Jahrhunderts christlich.101 Zugleich stellt sie fest, dass die Region während des Zeitraums der Untersuchung abgelegen gewesen sei, ihre Bewohner daher tendenziell rückständig.102 Wenn nun selbst die Menschen dieser abgelegenen Region im Verlauf des 3. Viertels des 7. Jahrhunderts in ihren Bestattungen eine christliche Identität zum Ausdruck brachten, dann ist dies für die Bewohner anderer Gegenden, die näher an den Zentren Tamworth und Lich­ field lebten, oder besser verkehrsmäßig an diese angebunden waren, zu einem noch früheren Zeitpunkt anzunehmen.

7.3.3 War das Reich der Magonsæte eine letzte Bastion des Polytheismus? Nun soll die eingangs des Teilkapitels angesprochene Frage nach den politischen und religiösen Zuständen im Reich der Magonsæte aufgegriffen werden. Aus den zeitgenössischen Quellen ist nichts Konkretes über die Entwicklung dieser westli­ chen Region zu erfahren. Ein Bericht über die Konversion Merewalhs, des Königs der

96 Vgl. Finberg, The Early Charters of the West Midlands, 86. Die Urkunde hat die Nummer 195. Im Jahr 1622 soll das Dokument in Worcester vorhanden gewesen sein. Finberg hält die Schenkung wohl trotz der fehlenden Möglichkeit der Überprüfung für authentisch. 97 Vgl. Ebenda, 174. Die Urkunde hat die Nummer 426. Für mehr Einschätzungen, die mit Finbergs Meinung allerdings übereinstimmen, siehe http://www.esawyer.org.uk/charter/68.html (15. 03. 2015). 98 EHD I, 479  f. Whitelock beschreibt den Text als „one of the earliest authentic charters.“ Vgl. Aston, Monasteries in the Landscape, 59, Bailey, The Middle Saxons, 114, Dumville, Essex, Middle Anglia, and the Expansion of Mercia in the South-East Midlands, 137  f., Insley, Wulfhere von Mercien, 317, Stenton, Anglo-Saxon England, 55, 294. 99 Vgl. Drinkall, The Anglo-Saxon Cemetery at Castledyke South, Barton-on-Humber, 15  f. 100 Vgl. Hart, The Early Charters of Eastern England, 142. 101 Vgl. Ozanne, The Peak Dwellers, 32. 102 Vgl. Ebenda, 36, 47.

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Magonsæte, ist im Prolog zur Lebensbeschreibung der heiligen Mildburg, einer seiner Töchter, enthalten. Der Text ist ein Teil der über mehrere Texte verstreuten Mildrith­ legende.103 Die vita beatae ac Deo dilectae virginis Mildburgae ist mit großer Wahr­ scheinlichkeit im Kloster Much Wenlock in Shropshire zwischen den Jahren 1080/81 und 1101 enstanden.104 Rollason widerspricht der Auffassung, der im 11.  Jahrhun­ derts schreibende Goscelin von Canterbury sei der Autor dieser Heiligenvita gewe­ sen.105 Er begründet diese Sicht mit Unterschieden zwischen der sicher Goscelin zuzuschreibenden vita Mildrethae und der vita Mildburgae „in wording, style and emphasis.“106 Auch wenn der konkrete Text aus dem 11. Jahrhundert stammt, ist die ihm zugrunde liegende Mildrithlegende bereits im 2. Viertel des 8. Jahrhunderts in Minster-in-Thanet in Kent enstanden.107 Es ist daher gut möglich, dass die Informati­ onen bezüglich der Magonsæte auf authentischem Material beruhen.108 Es wird berichtet, Merewalh sei erst 660 durch einen northumbrischen Missionar namens Eadfrith bekehrt worden. Er habe sich dann eine christliche Braut genommen und mit dieser drei fromme Töchter gezeugt. Er habe außerdem eine Petrus geweihte Kirche gestiftet und Eadfrith dort eingesetzt.109 Sollte es so gewesen sein, wie in der Mildburgvita überliefert, ergibt sich daraus daraus, dass es Merewalh gelungen sein muss, über den Tod seines Vaters Penda110 hinaus seine Unabhängigkeit sowohl von Oswiu als auch von Wulfhere zu wahren. Beide Könige hätten eine Fortsetzung des heidnischen Kultes in ihrem Machtbereich nicht hinnehmen wollen und können. Warum Merewalh dann aber 660 bereit gewesen sein soll, einen aus Northumbria kommenden Missionar, der also aus Oswius Macht­ bereich kam und sicher unter dessen Einfluss gestanden haben muss, aufzunehmen und zu konvertieren, ist unklar. Aus northumbrischer Perspektive könnte es sich um

103 Vgl. Zur Entstehung, für eine Zusammenfassung der Erzählstränge und eine Übersicht über die Texte der Mildrithlegende Rollason, The Mildrith Legend, 9  ff., 33  ff. 104 Vgl. Ebenda, 26. 105 Vgl. Finberg, The Early Charters of the West Midlands, 200, Gelling, The Early History of Western Mercia, 192. 106 Vgl. Rollason, The Mildrith Legend, 149 (Anm. 60). 107 Vgl. Ebenda, 15  f., 33  f., 37. 108 Vgl. Gelling, The Early History of Western Mercia, 192. 109 Vita Mildburgae § 1, 2 „Erat Merwaldus Rex Merciorum paganismo deditus, quando sanctus Presbyter Edfridus doctrina clarus a Northumbria, velut cælesti oraculo præmonitus, ad conuertendum eum venit. Accepit enim oraculum diuinum, vt in terram Merciorum ad locum Redeswode vocatum pergeret, & Regem eius conuerteret. At Merwaldus Rex Merciorum, vt in eadem Vita dicitur, a sancto Presbytero Edfrido baptismum & fidei gratiam suscepit anno gratiæ sexcentesimo sexagesimo. Fundata autem in honore S. Petri ecclesia rebus & possessionibus opulenter ditatur, & B. Edfridus illi præficitur.“ 110 Ob es sich bei Merewalh in der Tat um einen Sohn Pendas handelte, ist nicht völlig klar. Vgl. Gelling, The West Midlands in the Early Middle Ages, 81  f. sowie Kirby, The Earliest English Kings, 78  f., der vorschlägt, Merewalh könne auch ein Neffe Pendas gewesen sein.



Zusammenfassung 

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einen Teil der oben beschriebenen Strategie gehandelt haben, nach dem Verlust der direkten politischen Kontrolle über die Midlands den eigenen Einfluss in der Region zu erhalten. Der Umstand, dass keine zeitlich näheren Quellen von der Insel des Polytheismus in den westlichen Midlands berichten, könnte zum Anlass genommen werden, an der Überlieferung zu zweifeln. Andererseits muss die Frage erlaubt sein, ob die Schreiber früherer Jahrhunderte die Schwäche der beiden großen christlichen Könige Oswiu und Wulfhere sowie das daraus resultierende Fortbestehen des Polytheismus in ihren Berichten erwähnt hätten. Spätestens 660 war aber der Polytheismus aus dem öffentlichen Leben der Mid­ lands verschwunden.

7.4 Zusammenfassung Die Untersuchung der Geschichte des Polytheismus in den Midlands hat zu zwei bemerkenswerten Ergebnissen geführt. Zum einen ist festzustellen, dass die heidnische Religion der Angelsachsen in dieser Region vergleichsweise lange, bis in die Jahre 655 oder 660, praktiziert wurde. In anderen Reichen wie Kent, die bereits viel früher das Ziel von Missionsunterneh­ men geworden waren, hatte sich zu diesem Zeitpunkt schon seit Jahrzehnten eine christliche Lebensweise etabliert. Zum anderen wurde deutlich, dass die Abkehr vom Polytheismus und dessen Ver­ schwinden aus dem öffentlichen Leben im merzischen Machtbereich dann allerdings ungewöhnlich schnell ablief. Hier gab es nur bei den Hwicce und in Lindsey ein in der Überlieferung fassbar werdendes längeres Nebeneinander der Religionen. Die Merzier selbst wandten sich innerhalb des kurzen Zeitraums der Jahre zwischen 653 und 655/56 dem Gott der Christen zu, nachdem der Prozess der Konversion einmal in Gang gekommen war. Im Überblick ergeben sich die folgenden Ergebnisse: 1. Bis 653 ist von einer kulturellen Dominanz des Polytheismus auszugehen. Der Kult lag in den Händen der merzischen Eliten – nicht zuletzt in denen des Königs als oberster Opferherr. Die Stärke der Religion erwies sich in den Augen der Zeit­ genossen in den kriegerischen Erfolgen König Pendas, der als von den Göttern bevorzugter Herrscher wahrgenommen wurde. Im Zuge dieser Entwicklung wurde der Fortbestand des merzischen Polytheismus allerdings zunehmend mit dem politischen Schicksal des Königs verknüpft. Eine entscheidende Niederlage gegen ein christliches Heer konnte im Kontext eines Machtkampfes zweier religiöser Systeme leicht als Beweis für die Überlegenheit des Gottes der Christen gesehen werden. Christliche Gesellschaften in der Peripherie des merzischen ­Herrschaftssystems – etwa das Reich der Hwicce um Worcester oder in Lindsey  – waren durch die

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Strahlkraft der kriegerischen Erfolge Pendas, der offenbar die Gunst seiner Götter besaß, auf die jeweilige Region beschränkt. 2. Ab 653 geriet die Welt der merzischen Polytheisten zunehmend aus den Fugen. Peada, Pendas Sohn und Mitregent in Middle Anglia, wurde in der northumbri­ schen Königspfalz Ad Murum getauft. Im Reich Pendas wurden Missionare aktiv, die von Oswiu von Northumbria abhängig waren. Zudem mussten die Großen der Mittelangeln dem Schritt ihres Königs folgen und die Taufe empfangen. Durch den persönlichen Einfluss von Oswiu und seinem Sohn Alhfrith auf Peada sowie durch die Aktivitäten der Missionare und die erzwungene Konversion der mit­tel­ anglischen Großen, geriet die polytheistische Partei in die Defensive. Es musste so scheinen, als ob die Gunst der alten Götter, von denen Pendas eigene Macht abhing, im Schwinden begriffen sei. Die Spannungen zwischen Mercia und North­umbria, die sich mit den Mitteln der zeitgenössischen Diplomatie weder langfristig eindämmen noch eindeutig entscheiden ließen, führten schließlich in den Krieg vom November 655, der mit der merzischen Niederlage am Winwæd und dem Tod Pendas endete. In der Folge wandten sich die Eliten von den alten Göttern ab, die sich in der direkten Konfrontation als dem Gott der Christen unter­ legen erwiesen hatten. 3. Das Ende des Polytheismus in den Midlands erfolgte dann auch innerhalb weniger Jahre. Die Entwicklung wurde durch die northumbrische Besatzung beschleu­ nigt. Neben der Schwäche der eigenen Götter müssen auch die Vorteile bei der Konsolidierung königlicher Macht in den Augen der Merzier attraktiv gewesen sein. 4. Als nach drei Jahren Besatzung Wulfhere, ein Sohn Pendas, auf den Thron seines Vaters gelangte, bediente er sich dann auch der Kirche und ihrer Organisation, um die eigene Hegemonie im Süden und Osten Britanniens zu stabilisieren. Dies beeinflusste wechselseitig den schnellen Auf- und Ausbau kirchlicher Strukturen im Inneren. Es ist sicher, dass der Polytheismus bereits während der Herrschaft Wulfheres zu Beginn des dritten Viertels des 7. Jahrhunderts aus dem öffentlichen Leben der merzischen Midlands verschwand. Das Eingreifen Wulf­ heres bei der Apostasie eines Teils der Ostsachsen macht es plausibel davon aus­ zugehen, dass er mögliche Reste des polytheistischen Kults in seinem eigenen Reich ebenfalls mit den ihm zu Gebote stehenden Machtmitteln unterdrückte.

8 Sussex Das Königreich Sussex, das geographisch den heutigen Regionen West- und Ostsus­ sex entspricht, war das letzte der angelsächsischen Reiche, in dem durch die Taufe des Königs der Prozess der Abkehr vom traditionellen Polytheismus begann. König Æthelwealh wurde irgendwann im Zeitraum zwischen 666 und 675 unter dem Ein­ fluss Wulfheres von Mercia in dessen Reich und Beisein getauft. Der Merzier fungierte dabei als Pate des Südsachsen. Nach seiner Taufe heiratete Æthelwealh zudem eine christliche Prinzessin aus der Dynastie der Hwicce mit Namen Eafe.1 Es liegt nahe anzunehmen, dass die Taufe in Mercia und die Patenschaft Wulfheres mit der Aner­ kennung von dessen Oberherrschaft durch die Südsachsen einhergingen.2 Bei der Untersuchung der Geschichte der Polytheisten von Sussex nach dem Beginn der Konversion fallen zwei Faktoren ins Gewicht. Erstens scheint das Reich während der ersten Hälfte des 7.  Jahrhunderts weit­ gehend von den Ereignissen in den übrigen Teilen der angelsächsischen Welt iso­ liert gewesen zu sein. Für den Zeitraum gibt es kaum überlieferte Nachrichten zur südsächsischen Geschichte, die auf enge Kontakte schließen ließen. In der Version A der Angelsachsenchronik findet sich lediglich ein kurzer Eintrag für das Jahr 607, wonach Ceolwulf von den Gewisse mit den Südsachsen gekämpft habe.3 Zudem gab es bereits vor Æthelwealhs Taufe auf südsächsischem Gebiet bei Bosham ein kleines irisches Kloster unter der Leitung eines Mönches namens Dicuill.4 Die rela­ tive Isolation von den politischen und religiösen Entwicklungen der Zeit erklärt der Autor der Lebensbeschreibung des Bischofs Wilfrid mit den geographischen Gege­ benheiten. So seien die sehr felsige Küste und der dichte Wald dafür verantwortlich, 1 HE IV, 13 „Erat autem rex gentis ipsius Aedilualch non multo ante baptizatus in prouincia Mercio­ rum, praesente ac suggerente rege Uulfhere, a quo etiam egressus de fonte loco filii susceptus est […]. Porro regina, nomine Eabae, in sua, id est Huicciorum prouincia fuerat baptizata.“ 2 Vgl. zur Taufe Æthelwealhs in Mercia und zu deren politischer Bedeutung Campbell, Observations on the Conversion of England, 75, 82, Ders., Bede`s Reges and Principes, 92, Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 166, Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597-c.700, 107, Higham, The Convert Kings, 29, 249, Insley, Sussex, 145, Ders., Wulfhere von Merzien, 317, Kirby, The Earliest English Kings, 97, Lambert, Christians and Pagans, 258, von Padberg, Mission und Christiani­ sierung, 261, Yorke, Wessex in the Early Middle Ages, 59. 3 ASC (A) „Her Ceolwulf gefeaht wiþ Suþ Seaxe.“ 4 HE IV, 13 „Erat autem ibi monachus quidam de natione Scottorum, uocabulo Dicul, habens monasteriolum permodicum in loco, qui uocatur Bosanhamm, siluis et mari circumdatum, et in eo fratres quinque siue sex in humili et paupere uita Domino famulantes.“ Vgl. Higham, The Convert Kings, 215, der die Frage aufwirft, ob es sich bei der Niederlassung Dicuills um das Ergebnis einer northumbri­ schen, einer merzischen oder einer unabhängigen irischen Mission handelte. Die Art der Darstellung bei Beda lässt auf die letztere Möglichkeit schließen. Zur vergeblichen Mission Dicuills siehe ebenfalls von Padberg, Die Inszenierung religiöser Konfrontationen, 126  f. Lambert, Christians and Pagans, 221 wiederum geht davon aus, dass es den irischen Mönchen gar nicht um die Mission ihres südsächsi­ schen Umfeldes gegangen sei, sondern um eine Form der peregrinatio, ein Leben in der Fremde.

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dass kein anderes Reich in der Lage gewesen sei, Sussex zu erobern.5 Wie noch zu sehen sein wird, kann dieses Argument jedoch nicht überzeugen, da es in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts zu einer ganzen Reihe von Eroberungen durch Merzier und Westsachsen kam. Zudem war der angesprochene Waldgürtel des Weald sicher dicht und größtenteils unbesiedelt6, doch stellten die alten Römerstraßen, wie die von Chichester nach London, immer noch eine schnelle Verbindung zwischen Sussex und dem Themsetal sowie dem westsächsischen Winchester dar.7 Nach Osten hin wurde die Verbindung zwischen Kent und Sussex durch einen Gürtel kaum passier­ barer Sümpfe erschwert.8 Es wäre allerdings möglich, dass nicht die Geographie für die südsächsische Isolation verantwortlich war, sondern dass der Verlust der Kont­ rolle über die Isle of Wight die Südsachsen für einige Jahrzehnte von den wichtigsten Kommunikationsrouten zum Kontinent und zwischen den angelsächsischen Reichen abschnitt.9 Die Küste von Sussex war im frühen Mittelalter von vielen Wasserläu­ fen und Überschwemmungsgebieten geprägt.10 Offenbar stellte diese Region mit der unübersichtlichen Küstenlinie und dem dichten Waldgürtel im Hinterland kein besonders attraktives Ziel für die Missionare der ersten und zweiten Generation dar. Wie es einem bei der Anlandung an der südsächsischen Küste ergehen konnte, erhellt zudem schlaglichtartig die Episode über die Strandung Wilfrids und seiner Gefährten bei der Überfahrt vom Kontinent nach Britannien. In der Lebensbeschreibung des Bischofs wird beschrieben, wie seine Gefährten und er im Jahr 666 bei der Überfahrt von Gallien nach Britannien von einem Sturm an die Küste von Sussex getrieben wurden. Es sei zu einer Auseinandersetzung gekom­ men, denn die Südsachsen hätten das Schiff, die Ausrüstung und die Menschen, wie es ihrem Brauch entspräche, als Strandgut in ihren Besitz nehmen wollen. Ein heid­ nischer Priester habe auf einem Hügel gebetet, um die Ankömmlinge in Fesseln zu legen. Ein Stein von einer Schleuder habe den Priester getötet, woraufhin die Süd­ sachsen zum Angriff übergegangen seien. Die Mannschaft des Bischofs sei aber in der Lage gewesen, die Angriffe der Südsachsen abzuwehren. Schließlich, als sich gerade der König der Südsachsen in das Geschehen habe einschalten wollen, sei die

5 Vita Wilfridi XLI „[…] provincia […] quae pro rupium multitudine et silvarum densitate aliis provinciis inexpugnabilis restitit […].“ 6 Vgl. Brandon, Sussex, 68, Welch, Early Anglo-Saxon Sussex, 33  f. 7 Vgl. Armstrong, A History of Sussex, 30  f., Brandon, The South Saxon Andredesweald, 141, Cleere, Roman Sussex – the Weald mit einer Karte des römischen Straßennetzes auf Seite 59 und weiteren Informationen auf Seite 61, Fisher, The Saxon Churches of Sussex, 11  f., Insely, Sussex, Leslie, An Historical Atlas of Sussex, 29 mit einer Karte über die Römerstraßen in angelsächsischer Zeit, Seward, Sussex, 9, 142, Welch, Early Anglo-Saxon Sussex, 15, 28. 8 Vgl. Fisher, The Saxon Churches of Sussex, 11. 9 Vgl. Mayr-Harting, St. Wilfrid in Sussex, 5. 10 Vgl. Brandon, Introduction, 8.



Sussex 

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Flut gekommen und die Northumbrier konnten die Küste verlassen, um den sicheren Hafen Sandwich anzulaufen.11 Die beschriebenen Zustände führten dazu, dass der polytheistische Kult in Sussex bis zu einem Zeitpunkt vom König und den Spitzen der Gesellschaft getragen wurde, an dem im benachbarten Kent bereits mehrere Generationen von christlichen Königen regiert hatten. Zweitens wurde nicht nur die politische, sondern auch die Religionsgeschichte der Südsachsen in der zweiten Hälfte des 7.  Jahrhunderts durch das Ausgreifen fremder Könige entscheidend beeinflusst. Des besseren Überblicks halber sollen die Ereignisse hier kurz dargestellt werden. Zwischen den Jahren 666, dem Zeitpunkt von Wilfrids Strandung an der Küste des noch heidnischen Sussex, und 675, dem Jahr von Wulfheres Tod, muss es dem König der Merzier gelungen sein, seinen Einfluss auf das Königreich Sussex und darüber hinaus auch auf die Isle of Wight und das Gebiet der Meonware im heutigen Hampshire auszuweiten. Wulfheres Anerkennung als Oberkönig wird wie erwähnt durch die Taufe des Südsachsen Æthelwealh in Mercia sowie durch die Patenschaft des Merziers deutlich. Für Wulfhere war es sicher von Vorteil, im Süden seines Ein­ flussgebiets einen von ihm abhängigen König zu unterstützen, der nicht stark genug war, um die merzische Vormacht in Frage zu stellen, der aber auf der anderen Seite genug militärisches Potential hatte, um die südlichen Gebiete auch wirksam schüt­ zen und im Bedarfsfall Heeresfolge leisten zu können. Das räumliche Ausmaß von Wulfheres Macht lässt sich aus der Information ableiten, dass Wulfhere Æthelwealh die Isle of Wight und das Gebiet der Meonware, das eigentlich dem Einflussgebiet der Gewisse zuzurechnen war, übergeben habe.12 Diese Landgaben zeigen deut­ 11 Vita Wilfridi, XIII „Navigantibus quoque eis de Gallia Britannicum mare cum beatae memoriae Wilfritho episcopo […] Mare quoque navem et homines relinquens, terras fugiens, litoraque detegens, et in abyssi matricem recessit. Gentiles autem cum ingenti exercitu venientes, navem arripere, praedam sibi pecuniae dividere, captivos subiugatos deducere resistentesque gladio occidere incunctanter proposuerunt. […] Illi […] dicentes superbe, sua esse omnia quasi propria, quae mare ad terras proiecit. Stans quoque princeps sacerdotum idolatriae coram paganis in tumulo excelso […] maledicere populum Dei et suis magicis artibus manus eorum alligare nitebatur. Tunc vero unus es sodalibus pontificis nostri lapidem ab omni populo Dei benedictum more Davidico de funda emittens, fronte perforata usque ad cerebrum magi exprobrantis illisit; quem, retrorsum exanimato cadavere cadente […] Ad bellum ergo se praeparentes pagani […]. Dominus enim pro paucis pugnavit […] ita et hic isti pauci christiani feroces et indomitos paganos tribus vicibus in fugam versos strage non modica obruerunt […]. Praeparantibus autem paganis cum rege veniente totis viribus ad quartum proelium, tunc mare redundans fluctibus tota litora implevit, elevataque nave, cimba processit in altum. Gloriose autem a Deo honorificati, gratias ei agentes, vento flante ab affrico, propere in portum Sandwicae salutis pervenerunt.“ 12 HE IV, 13 „[…] in cuius signum adoptionis duas illi prouincias donauit; Uectam uidelicet insulam et Meanuarorum prouinciam in gente Occidentalium Saxonum.“ Vgl. zum Kontext dieser Landgabe Ar­ nold, An Archaeology of the Early Anglo-Saxon Kingdoms, 225, der betont, dass Sussex dadurch in eine Frontstellung gegenüber dem Reich der Gewisse geraten sei, Fisher, The Anglo-Saxon Age, 86, Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597-c.700, 107, Higham, The Convert Kings, 249, Ins­

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lich, welchen Vorteil der Südsachse aus dem Bündnis zog. Zudem war es im Ange­ sicht eines expansiv agierendes Nachbarn wie den Gewisse sicher von Vorteil, einen mächtigen Verbündeten zu haben.13 Sollte es zutreffend sein, dass die Isle of Wight zu einem früheren Zeitpunkt bereits einmal Teil des südsächsischen Machtbereichs gewesen war, wäre dies sicher eine passende Gelegenheit gewesen, wieder an vergan­ gene Größe anzuknüpfen. Die Bewohner der Isle of Wight scheinen nach der Anglie­ derung an Sussex ihr eigenes Königshaus behalten zu haben, denn einige Jahre später wurden die Angehörigen der lokalen Dynastie Opfer von Cædwallas Eroberung der Insel.14 Über die Verhältnisse bei den Meonware gibt es in den Quellen keinerlei Informationen. Nicht nur das Königshaus der Isle of Wight, auch König Æthelwealh fiel um das Jahr 686 der Aggression Cædwallas zum Opfer. Als dieser noch nicht König war, gelang es ihm, ein Heer um sich zu sammeln und in Sussex einzufallen. Beda berich­ tet, wie der junge Kriegsherr aus dem Haus der Gewisse das Land verwüstet und den König der Südsachsen getötet habe.15 Cædwalla sei nach seiner Thronbesteigung noch ein zweites Mal in Sussex ein­ gefallen, um bei dieser Gelegenheit Berhthun, einen südsächsischen Ealdorman und Nachfolger Æthelwealhs, zu töten. Ebenso habe Ine von Wessex das Land heimge­ sucht. Die aus diesen Ereignissen resultierende Unterwerfung unter westsächsische Vormacht wird durch die kirchenorganisatorische Angliederung von Sussex an die Diözese von Winchester deutlich.16 Der Aufstieg zur lokalen Mittelmacht von merzischen Gnaden, die Erfahrungen von militärischen Niederlagen und westsächsischer Vorherrschaft bestimmten nicht nur die politische Geschichte von Sussex in den letzten Jahrzehnten des 7. Jahrhun­ derts. Auch die Religion der Südsachsen war von den teils turbulenten Veränderun­ gen betroffen. Die Jahre zwischen 666 und dem Ende des Jahrhunderts bedeuteten die Konversion vom Polytheismus zum Christentum und damit verbunden den Übergang von einer polytheistischen zu einer christlichen Herrschafts- und Gesellschaftsord­ nung.

ley, Mean­ware, 473  f., Kirby, The Earliest English Kings, 96  f., Stenton, Anglo-Saxon England, 67, Yorke, Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England, 109, 161. 13 Vgl. Fisher, The Anglo-Saxon Age, 112. 14 Vgl. Kapitel 6.2.1. 15 HE IV, 15 „Interea superueniens cum exercitu Caedualla, iuuenis strenuissimus de regio genere Geuissorum, cum exularet a patria sua, interfecit regem Aedilualch, ac prouinciam illam saeua caede ac depopulatione attriuit […].“ Vgl. Kapitel 6.2. 16 HE IV, 15 „[…] sed mox expulsus est a ducibus regiis Berchthuno et Andhuno, qui deinceps regnum prouinciae tenuerunt. Quorum prior postea ab eodem Caedualla, cum esset rex Geuissorum, occisus est, et prouincia grauore seruitio subacta. Sed et Ini, qui post Caeduallan regnauit, simili prouinciam illam adflictione plurimo annorum tempore mancipauit. Quare factum est, ut toto illo tempore episcopum proprium habere nequiret, sed reuocato domum Uilfrido primo suo antistite, ipsi episcopo Geuissorum, id est Occidentalium Saxonum, qui essent in Uenta ciuitate, subiacerent.“



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8.1 Polytheistisches Beharrungsvermögen trotz Königstaufe Es gibt zwei Indizien dafür, dass die Taufe Æthelwealhs sowie seine Ehe mit einer Christin den polytheistischen Kult in Sussex und den abhängigen Gebieten zunächst nicht einschränkten. Erstens berichtet Beda, das Königshaus und die Bewohner der Isle of Wight, deren Gebiet zumindest zeitweilig zu Æthelwealhs Herrschaftsbereich gehörte, seien zum Zeitpunkt der Eroberung durch die Gewisse unter Cædwalla noch heidnisch gewesen.17 Natürlich ist es im Bereich des Denkbaren, dass die Bewohner der Isle of Wight mögliche christliche Einflüsse zusammen mit dem politischen Einfluss Æthel­ wealhs nach dessen Tod ablegten, doch lässt das zweite Indiz eher vermuten, dass sie vor der Eroberung Cædwallas fest dem polytheistischen Glauben verbunden blieben. Zweitens scheint es nämlich so zu sein, dass Wilfrid um das Jahr 680 auf ein bislang beinahe gänzlich unbestelltes Missionsfeld stieß. Sowohl Beda als auch Eddius Stephanus berichten über die Arbeit Wilfrids unter den Südsachsen. Zwischen den beiden Berichten gibt es Unstimmigkeiten. Beda berichtet, dass die Südsachsen zum Zeitpunkt des Eintreffens Wilfrids noch Heiden gewesen seien.18 Lediglich der König und seine Frau seien Christen gewesen, wobei Beda ein ungenaues „non multo ante“19 als Zeitpunkt von Æthelwealhs Taufe angibt. Die Mission sei dann zu Lebzei­ ten von König Wulfhere von den Merziern und im Einvernehmen mit ihm begonnen worden.20 Dieser Version des Verlaufs nach müsste die Mission Wilfrids spätestens in den Jahren 674/75 begonnen worden sein, was im Widerspruch zu der bekannten Chronologie von Wilfrids Leben steht.21 Das Problem ließe sich durch die Annahme lösen, dass Beda in seiner Rekonstruktion der Ereignisse zwei zeitlich weiter aus­ einander liegende Geschehnisse, die Taufe Æthelwealhs und die Mission Wilfrids, durch ein Versehen nahe zusammenlegte. Die Ungenauigkeit der Zeitangabe spricht

17 HE IV, 16 (14) „Postquam ergo Caedualla regno potitus est Geuissorum, cepit et insulam Uectam, quae eatenus erat tota idolatriae […] Vbi silentio praetereundum non esse reor, quod in primitias eorum, qui de eadem insula credendo saluati sunt, duo regii pueri, fratres uidelicet Arualdi regis insulae, speciali sunt Dei gratia coronati. […] Concessit rex, et ipse instructos eos uerbo ueritatis, ac fonte Saluatoris ablutos, de ingressu regni aeterni certos reddidit.“ 18 HE IV, 13 „[…] prouinciam Australium Saxonum […] et eo adhuc tempore paganis cultibus seruiebat […] Ceterum tota prouincia Australium Saxonum diuini nominis et fidei erat ignara.“ Vgl. WallaceHadrill, Bede`s Ecclesiastical History of the English People, 152, der vermutet, die Südsachsen hätten die Eroberung von Teilen des südlichen Britannien durch Wulfhere von Mercia abgelehnt und seien daher auch seinem Glauben gegenüber distanzbereit gewesen. 19 HE IV, 13. 20 HE IV, 13 „Itaque episcopus, concedente immo multum gaudente rege, primos prouinciae duces ac milites sacrosancto fonte abluebat […].“ 21 Vgl Campbell, Bede I, 16  f., Farmer, The Oxford Dictionary of English Saints, 402  f., Fisher, The Anglo-Saxon Age, 143  f., Fletcher, The Barbarian Conversion, 175  ff., Mayr-Harting, St. Wilfrid in Sussex, 2  ff.

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dafür, dass Beda sich in diesem Punkt unsicher war und dann falsche Schlüsse zog. Akzeptiert man die Taufe zu Lebzeiten Wulfheres und die Mission ab etwa 680, dann bleiben fünf bis sechs Jahre, während denen es zwar einen getauften König und eine christliche Königin gab, die Bevölkerung jedoch der alten Religion verbunden blieb. Diese Konstellation, die auch Beda erwähnt, wird durch den Bericht des Eddius Stephanus in seiner Lebensbeschreibung des Bischofs Wilfrid bestätigt. Sussex wird hier als ein wildes Land geschildert, dessen Einwohner bis zum Eintreffen des Bischofs Heiden gewesen seien.22 Im Gegensatz zu der Darstellung bei Beda wird hier behauptet, auch der König selbst sei noch ein Heide gewesen, und er habe erst auf Betreiben des Bischofs hin die Taufe empfangen.23 Eine mögliche Erklärung dieser Information ist, dass es nach dem Tod Wulfheres bei den Südsachsen zu einer heidnischen Restauration kam. Der König könnte dem christlichen Glauben, der mit der Unterwerfung unter merzische Oberhoheit assoziiert wurde, entsagt haben.24 Eine andere Erklärung ist die, dass der Autor der Lebensbeschreibung Wilfrids die Taten seines Helden umso bedeutender erscheinen lassen wollte, indem er die bereits geleistete Vorarbeit im Umfeld des Königs unterschlug.25 Beiden Versionen gemein ist allerdings die Feststellung, dass die Bevölkerung von Sussex beim Eintreffen Wil­ frids fest im Polytheismus verankert war. Die Verbindungen zu den christlichen Mer­ ziern und die Christen im Umfeld des Königs26 hatten offenbar keinen ausreichen­ den Einfluss, um die Ausübung des Kultes zu gefährden. Vielleicht war der Zeitraum zwischen der Taufe Æthelwealhs und dem Tod Wulfheres auch nicht lang genug, um entscheidende Schritte für die Mission unter den Südsachsen zu organisieren. Nach

22 Vita Wilfridi XLI „Tum vero gentis nostrae quaedam provincia gentilis usque ad llud tempus perseverans vixit, quae pro rupium multitudine et silvarum densitate aliis provinciis inexpugnabilis restitit, et ad illos paganos Australios Saxones […] sanctus episcopus noster confugit.“ 23 Vita Wilfridi XLI „Sanctus vero homo Dei, gavisus in verbis consolationis, gratias agens Deo, primum regi et reginae verbum Dei et regni eius beatitudinem et magnitudinem leniter suadens, quasi lac sine dolo dedisset, praedicare coepit […].“ Brandon, Sussex, 71 scheint davon auszugehen, dass ganz Sus­ sex beim Eintreffen Wilfrids 680 heidnisch war. 24 Vgl. Colgrave, The Life of Bishop Wilfrid by Eddius Stephanus, 176, der von einer Apostasie des Königs ausgeht, ohne über deren Ursache zu spekulieren. Auch Kirby, The Church in Saxon Sussex, erwägt diese Möglichkeit, 469. 25 Vgl. Kirby, The Church in Saxon Sussex, 169  f., der davon ausgeht, Wilfrids Tätigkeit habe den bereits laufenden Prozess der Christianisierung von Sussex lediglich beschleunigt. Ders., The Earliest English Kings, 100, Mayr-Harting, St. Wilfrid in Sussex, 4  f. Chaney, The Cult of Kingship in AngloSaxon England, 166, geht ebenfalls davon aus, dass der König und sein Umfeld bereits Christen waren, lediglich einige Landstriche in Sussex seien noch heidnisch gewesen. Hier habe die Missionsarbeit Wilfrids stattgefunden. 26 Es ist nicht wahrscheinlich, dass die Königin Eafe ohne einen Priester zum Lesen der Messe und zum Spenden der Sakramente nach Sussex zog. Vielleicht ist der Name des Mannes unter den bei Beda im Zusammenhang mit der unmittelbar nach der Taufe einsetzenden Mission Erwähnten. HE IV, 13 „uerum presbyteri Eappa et Padda et Burghelm et Oiddi ceteram plebem uel tunc tempore sequente baptizabant.“



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dem Tod seines Paten und Oberkönigs wird es Æthelwealh dann auch nicht mehr sehr dringlich erschienen sein, dessen Glauben unter seinem eigenen Volk zu ver­ breiten.27 Leider lässt sich nicht rekonstruieren, wie der heidnische Kult während dieser Jahre von Statten ging. So muss es offen blieben, ob der König, ähnlich wie Rædwald von East Anglia, sowohl Christus anbetete, als auch seinen Verpflichtun­ gen als Opferherr nachkam. Eine solche Konstellation könnte die erneute Konversion durch Wilfrid, wie sie durch Eddius Stephanus berichtet wird, ebenfalls erklären.

8.2.1 Die Abkehr vom Polytheismus ab 681 Die merzische Eroberung und die in dessen Taufe deutlich werdende Unterwerfung ihres Königs unter einen christlichen Herrscher hatten nicht ausgereicht, um die Süd­ sachsen für den christlichen Glauben zu gewinnen. Weshalb gelang dies dem im Exil weilenden Bischof Wilfrid, als er ab 681 unter ihnen aktiv wurde? Es ist denkbar, dass es den Südsachsen leichter fiel, den christlichen Glauben durch Wilfrids Vermittlung anzunehmen, da in diesem Fall keine militärische Unterwerfung – oder zumindest die Drohung einer militärischen Intervention  – mit der Konversion einherging.28 Zudem scheint die Mission zu einem psychologisch passenden Moment eingesetzt zu haben.29 So waren die Jahre um 680 in Sussex wohl klimatisch schwierig. Unter den Bedingungen des frühmittelalterlichen Wirtschaftssystems führten solche ­Perioden schnell zu Hungersnöten.30 Eben dies berichtet Beda im Zusammenhang mit dem Eintreffen Wilfrids in Sussex. Drei Jahre sei im Land kein Regen mehr gefallen.31 In ihrer Not seien oftmals 40 bis 50 Männer zusammengekommen, um gemeinsam an

27 Vgl. Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597-c.700, 107, die, ohne näher auf möglich Ursachen einzugehen, davon ausgeht, Æthelwealh habe es unterlassen, Schritte zur Missionierung unter seinen Untertanen einzuleiten. Eine Taufe kurz vor dem Tod Wulfheres würde diesen Befund erklären. 28 Vgl. Lambert, Christians and Pagans, 258, Mayr-Harting, St. Wilfrid in Sussex, 6  f., von Padberg, Mission und Christianisierung, 294 formuliert zurückhaltender, wenn er schreibt, die Gründe für das Beharren der südsächsischen Eliten im Polytheismus „könnten politischer wie religiöser Natur gewe­ sen sein.“ Ganz im Gegensatz zu Lambert und Mayr-Harting geht Higham, The Convert Kings, 30 von einem fortgesetzten merzischen Einfluss auf Æthelwealh aus. Dieser habe Wilfrid in Absprache mit König Æthelræd, dem Nachfolger Wulfheres, in Sussex aufgenommen. Die Bereitschaft der Südsach­ sen nunmehr das Christentum anzunehmen wird durch diese Konstellation allerdings nicht erklärbar. 29 Vgl. zur Theorie des psychologisch passenden Moments in der Mission Mayr-Harting, St. Wilfrid in Sussex, 16  f. 30 Vgl. zu den Auswirkungen klimatischer Schwankungen auf die frühmittelalterliche Wirtschaft Ar­ nold, An Archaeology of the Early Anglo-Saxon Kingdoms, 65. 31 Vgl. von Padberg, Mission und Christianisierung, 294, hat darauf hingewiesen, dass die Anzahl von drei Jahren Dürre nach biblischem Vorbild gewählt wurde.

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steilen Abhängen oder an der Küste Selbstmord zu begehen.32 Bei den ­beschriebenen Szenen könnte es sich um rituelle Selbstopfer, zum Beispiel an Woden, gehandelt haben, mit dem Ziel, die Götter wieder mit den Südsachsen zu versöhnen und der Trockenheit so ein Ende zu setzen.33 Wenn sich diese Situation über einen längeren Zeitraum erstreckte, die Opfer ihre Wirkung jedoch nicht entfalteten, ist es nicht ver­ wunderlich, dass die Menschen bereit waren, einen neuen Gott auszuprobieren.34 Sie wollten sehen, ob er in der Lage wäre, ihre Not zu lindern. Sollte es stimmen, dass nach den ersten Taufen Regen einsetzte35, hätte dies sicher weitere Menschen von der Macht den Christengottes überzeugt.36 Allerdings soll es auch nach der Konversion der Südsachsen zu einer Katastrophe gekommen sein. So habe eine Seuche das ganze Land heimgesucht, der sowohl Kleri­ ker aus dem Gefolge Wilfrids, als auch bekehrte Südsachsen in großer Zahl zum Opfer fielen.37 Wie das Beispiel der Ostsachsen zeigt, wäre es nicht ungewöhnlich, wenn eine gerade erst bekehrte Bevölkerung sich unter dem Einfluss einer solchen Katast­ rophe wieder ihren alten Göttern zugewandt hätte, die man durch die Annahme des neuen Glaubens offenbar erzürnt hatte.38 In den Quellen wird eine heidnische Res­ tauration als Reaktion auf die Seuche jedoch nicht erwähnt. Dass es in Einzelfällen dazu gekommen ist, kann allerdings nicht ausgeschlossen werden. Dennoch schei­ terte die Mission Wilfrids nicht. Ihren Erfolg hat sie wesentlich dem Umstand zu ver­ 32 HE IV, 13 „Siquidem tribus annis ante aduentum eius in prouinciam nulla illis in locis pluuia ceciderat, unde et fames aceruissima plebem inuadens impia nece prostrauit. Denique ferunt, quia saepe XL simul aut L homines inedia macerati procederent ad praecipitium aliquod siue ripam maris, et iunctis misere manibus, pariter omnes aut ruina perituri aut fluctibus absorbendi deciderent.“ 33 Vgl. Brandon, Sussex, 71, Kirby, The Church in Saxon Sussex, 167  f., Seward, Sussex, 10. Von Pad­ berg, Mission und Christianisierung, 294 weist demgegenüber darauf hin, dass ein derartiges Verhal­ ten noch bis ins 20. Jahrhundert in Grönland vorgekommen sei. Es ginge darum, der Familie nicht als unnützer Esser zur Last zu fallen. 34 Vgl. Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 166, der in der anhaltenden Trockenheit einen Grund für die Abkehr der Südsachsen von ihren traditionellen Göttern sieht. 35 HE IV, 13 „Verum ipsa die, quo baptisma fidei gens suscepit illa, descendit pluuia serena sed co­ piosa, refloruit terra, rediit uiridantibus arcuis annus laetus et frugifer.“ 36 Im Frühmittelalter war die Hilfe bei der Bewältigung konkreter Krisen in der Lebenswelt der Men­ schen ein entscheidendes Kriterium für den Wahrheitsgehalt und den Nutzen einer Religion. Vgl. zu Wilfrids Wirken in Sussey unter diesem Aspekt Campbell, Observations on the Conversion of England, 82  f., 138, Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597-c.700, 73  f., 156, Fletcher, The Barbarian Conversion, 244, Lambert, Christians and Pagans, 258, Lowerson, A Short History of Sussex, 34, Mayr-Harting, St. Wilfrid in Sussex, 16  f., von Padberg, Mission und Christianisierung, 159  f., 294  f., Ders., Die Inszenierung religiöser Konfrontationen, 265  f. 37 HE IV, 14 „Eodem ferma tempore, quo ipsa prouincia nomen Christi susceperat, multas Brittaniae prouincias mortalitas saeua corripiebat. Quae cum praefatum quoque monasterium […] nutu diuinae dispensationis attingeret, multique siue de his, qui cum antistite illo uenerant, siue de illis, qui de eadem prouincia Saxonum nuper ad fidem fuerant uocati, passim de hac uita raperentur […].“ 38 Vgl. Kapitel 3.3. sowie allgemein zur Gefährdung des Missionserfolgs durch Seuchen Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597-c.700, 122  ff.



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danken, dass nun König Æthelwealh bereit und in der Lage gewesen ist, die Durchset­ zung des Christentums aktiv zu unterstützen. Es ist überliefert, dass er einige seiner Großen zur Abkehr vom Kult der alten Götter zwang.39 Welchen Grund könnte der König Jahre nach seiner Taufe gehabt haben, nun die Verbreitung des Christentums in seinem Reich auf diese Weise tatkräftig voranzutreiben? Ein schwer zu belegender, aber sicher nicht völlig außer Acht zu lassender Faktor muss das persönliche Charisma und die Überzeugungskraft der Predigt Bischof Wil­ frids gewesen sein. Er war zum Zeitpunkt seiner südsächsischen Mission bereits ein weit gereister Mann, der mit den Großen seiner Zeit Umgang hatte. Seine Erfolge lassen auf eine eindrucksvolle Persönlichkeit schließen. Historisch nachvollziehbar wird die Verbindung zwischen dem König und dem Missionar durch die in den Quellen erwähnten Schenkungen von Land. An erster Stelle stehen 87 Hiden auf Selsey, die Wilfrid zur Gründung eines Klosters nutzte.40 Die Nähe zwischen König und Bischof wird in der räumlichen Nähe zwischen Selsey und dem königlichen Zentrum Chiches­ ter deutlich.41 Auf rein praktischer Ebene erleichterte diese Nähe die königliche Unter­ stützung für die missionarischen Aktivitäten Wilfrids. Zugleich muss der Bischof in dieser Zeit in den engsten Kreis der wichtigsten Ratgeber des Königs aufgestiegen sein. Neben der persönlichen Beziehung waren für Æthelwealh die Aussicht auf Erfolg im Krieg und die Ausweitung seiner Macht ein wichtiges Motiv für seine Hinwendung 39 Vita Wilfridi XLI „[…] et paganorum utriusque sexus, quidam voluntarie, alii vero coacti regis imperio, idolatriam deserentes, Deum omnipotentem confitentes […] in una die multa milia baptizati sunt.“ 40 HE IV, 13 „Quo tempore rex Aedilualch donauit reuerentissimo antistiti Uilfrido terram LXXXVII familiarum, ubi suos homines, qui exules uagabantur, recipere posset, uocabulo Selaeseu, quod dicitur Latine Insula uituli marini. […] Hunc ergo locum cum accepisset episcopus Uilfrid, fundauit ibi monasterium ac regulari uita instituit, maxime ex his, quos secum adduxerat, fratribus […].“ Vita Wilfridi XLI „Rex namque mitis et pius per Deum factus, villam suam propriam, in qua manebat, ad episcopalem sedem cum territoriis postea additis LXXXVII mansionum in Seolesiae […].“ Vgl. Aldsworth, Church Archaeology in Sussex, 81, Arnold, An Archaeology of the Early Anglo-Saxon Kingdoms, 40  f. weist darauf hin, dass Reste der Anlage nicht auffindbar sind, weil der Ort heute unter Wasser liegt. Vgl. zu Selsey ebenfalls Brandon, Introduction, 11, Ders., Sussex, 71, Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597-c.700, 132, Fletcher, The Barbarian Conversion, 176, Insley, Sussex, 145, Kelly, The Charters of Selsey, xxxii, Kirby, The Church in Sussex, 168, Ders., The Earliest English Kings, 100, Lambert, Christians and Pagans, 208  f., 258  f., Lowerson, A Short History of Sussex, 34  f., von Padberg, Mission und Christianisierung, 285, Seward, Sussex, 10, Stenton, Anglo-Saxon England, 138, Welch, Early AngloSaxon Sussex, 29  f. 41 Vgl. zur Bedeutung von Chichester als politisches Zentrum des Königreiches Sussex Brandon, Sussex, 68, Insley, Sussex, 144, Welch, Early Anglo-Saxon Sussex, 29  f. Abels, What has Weland to do with Christ?, 565 (Anm. 51) spekuliert, ob es sich bei dem berühmten Runenkästchen von Auzon um ein Ge­ schenk eines northumbrischen Missionars wie Wilfrid an einen konvertierten König wie Æthelwealh gehandelt haben könnte. Der Stil der Schnitzereien sowie die Thematik der Darstellungen, bei denen es sich um Szenen der Konversion handele, würden dazu passen. Ganz gleich, ob das Kästchen in einen südsächsischen Kontext gehörte oder nicht, die Darstellungen sowie die Kombination germani­ scher und biblischer Geschichten geben einen interessanten Einblick in die vom Übergang geprägte Welt der Konversionsepoche in England.

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zum Christentum.42 Die Geschichte über die erste Anlandung Wilfrids in Sussex ist ein Hinweis auf diesen Aspekt der südsächsischen Konversion. Das zentrale Thema der Episode ist der Machtkampf zweier religiöser Systeme. Die Anhänger des Gottes der Christen treffen in einer kriegerischen Auseinandersetzung auf die noch heidnischen Südsachsen. Beide Seiten versuchen, sich göttliche Unterstützung in diesem Kampf zu sichern. Der Oberpriester der Südsachsen will die Christen durch seine Anrufun­ gen der Götter mit Fesseln belegen, sie also kampfunfähig machen.43 Wilfrid und die anderen Kleriker unter den Gestrandeten erheben ihre Hände zum Himmel, um den Beistand Gottes zu erflehen.44 Selbstverständlich geht das religiöse Kräftemessen zum Vorteil des Gottes der Christen aus. Die kleine Schar am Strand kann die Angriffe der Heiden abwehren, nachdem deren Oberpriester durch ein gezieltes Geschoss aus einer Schleuder getötet wurde. Es fällt auf, dass der König der Südsachsen, bei dem es sich wahrscheinlich um Æthelwealh handelt, zwar auf dem Schlachtfeld auf­ taucht, sich aber nicht mehr aktiv in das Kampfgeschehen einschalten kann.45 Diese Geschichte könnte im Umfeld Wilfrids noch während der Missionsarbeit in Sussex entstanden sein. Ihr Ziel war es, den zu bekehrenden Südsachsen die Ohnmacht ihrer alten Götter, die nicht einmal in der Lage gewesen sind, ihren eigenen Oberpriester zu beschützen, sowie die Macht des Gottes der Christen vor Augen zu führen. Die Erwäh­ nung des Königs dient in diesem Zusammenhang zu dessen Ehrenrettung. Aus der Erzählung geht hervor, dass Æthelwealh zum einen nicht für die Niederlage verant­ wortlich war, denn er war ja nicht am Geschehen beteiligt. Zum anderen wird verdeut­ licht, dass der König selbst seine Waffen nie gegen die Christen und vor allem nicht gegen Bischof Wilfrid, seinen Vertrauten und Berater, erhoben hat.46 Die Gelegenheit, seine eigene Macht auszuweiten sowie den Beistand des Chris­ tengottes in der Schlacht zu erproben, kam für Æthelwealh im Jahr 685. Beda berich­ tet, der kentische Prinz Eadric habe die Südsachsen in den dynastischen Streit mit

42 Im angelsächsischen Polytheismus versprachen sich die Könige derartigen Beistand von Woden. Die Verehrung dieses Gottes in Sussex könnte durch die möglicherweise theophoren Ortsnamen Wad­ hurst, Wannock und Wooten belegt werden. Vgl. Seward, Sussex, 15. Zur Bedeutung der Schlachten­ hilfe bei der Entscheidung zur Konversion siehe von Padberg, Mission und Christianisierung, 232  ff. 43 Vita Wilfridi XIII „Stans quoque princeps sacerdotum idolatriae coram paganis in tumulo excelso, sicut Balaam, maledicere populum Dei et suis magicis artibus manus eorum alligare nitebatur.“ 44 Vita Wilfridi  XIII „Igitur sanctus Wilfrithus episcopus cum clero suo, flexis poplitibus genuum et iterum elevatis manibus ad coelum, Domini auxilium perpetravit.“ 45 Vita Wilfridi XIII „Preparantibus autem paganis cum rege veniente totis viribus ad quartum proelium, tunc mare redundans fluctibus tota litora implevit, elevataque nave, cimba processit in altum.“ 46 Vgl. zur Schlacht von 666, deren Beschreibung viele alttestamentliche Bezüge aufweist Chaney, The Cult of Kingship in Anglo-Saxon England, 63, 104, Dunn, The Christianization of the Anglo-Saxons c.597-c.700, 82  f., 98  f., Kirby, The Church in Saxon Sussex, 166  f., Lambert, Christians and Pagans, 230  f., Lowerson, A Short History of Sussex, 33  f., Mayr-Harting, The Coming of Christianity to AngloSaxon England, 24, 139  f., Owen, Rites and Religions of the Anglo-Saxons, 50, von Padberg, Die Insze­ nierung religiöser Konfrontationen, 273  f., Seward, Sussex, 10, Welch, Early Anglo-Saxon Sussex, 31.



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seinem Onkel Hlothere hineingezogen. Dieser starb am 6.  Februar an den Verwun­ dungen, die er sich in einer Schlacht zugezogen hatte.47 Für den König der Südsach­ sen bedeutete dieser Erfolg eine Steigerung seiner Reputation als Anführer im Krieg sowie Reichtum durch die gemachte Beute. Sowohl die Bedeutung des kriegerischen Erfolgs bei der Konversion anderer angelsächsischer Könige als auch die durch Eddius Stephanus überlieferte Geschichte um die Schlacht am Strand lassen den Schluss zu, dass auch bei der Festigung des Christentums bei den Südsachsen der Bewährung der Schlachtentauglichkeit des neuen Gottes eine entscheidende Bedeutung zukam. Sollte es unter den südsächsischen Großen noch Zweifel gegeben haben, dürfte sie die Erfahrung des erfolgreichen Feldzugs nach Kent von der Richtigkeit des Glaubens­ wechsels überzeugt haben. Zuletzt muss auch die Predigt Wilfrids und seiner Helfer einen Eindruck bei den Konvertiten hinterlassen haben. Die Ankündigung eines nahen Strafgerichts, dem man nur durch die Hinwendung zum Gott der Christen ent­ gehen könne, war sicherlich ein machtvolles Argument für die Taufe.48

8.2.2 Hinweise aus der archäologischen Forschung Bis auf die bereits erwähnte Stelle bei Eddius Stephanus, in der von königlichem Zwang bei der Konversion berichtet wird, gibt es in den Schriftquellen keinerlei direkte Hinweise auf die Geschwindigkeit der Christianisierung der Südsachsen. Die Befunde der archäologischen Forschung legen allerdings nahe anzunehmen, dass der Poly­ theismus relativ schnell aus dem öffentlichen Leben in Sussex verschwand.49 Aus der Umgebung von Eastbourne sind die beiden Friedhöfe von Crane Down, Jevington und Ocklynge Hill bekannt. Beide stammen aus dem späten 7. Jahrhundert, und in beiden Fällen legen die Funde eine rein christliche Begräbnisstätte nahe.50 Diese Orte zeigen, dass der heidnische Kult aus dem öffentlichen Leben der Region um East­ bourne gegen Ende des 7. Jahrhunderts bereits verschwunden war. Eine weitere frühe Grabstätte, die als christlich interpretiert wird, ist bei Ford, drei Meilen südwestlich von Arundel, gefunden worden. Sechs Skelette waren in einem 47 HE IV, 26 „Quo uidelicet anno, qui est ab incarnatione dominica DCLXXXV, Hlotheri Cantuariorum rex, cum post Ecgberctum fratrem suum, qui nouem annis reganuerat, ipse XII annis regnasset, mortuus eratVIII idus Februarias. Vulneratus namque est in pugna Australium Saxonum, quos contra eum Edric filius Ecgbercti adgregarat, et inter medendum defunctus.“ Zum Engagement der Südsachsen in dem kentischen Konflikt siehe Kirby, The Earliest English Kings, 100, Lambert, Christians and Pagans, 259, Stenton, Anglo-Saxon England, 61, Welch, Early Anglo-Saxon Sussex, 32. 48 Vgl. Mayr-Harting, St. Wilfrid in Sussex, 30  f. Zur Predigttätigkeit Wilfrids in Sussex siehe von Pad­ berg, Die Inszenierung religiöser Konfrontationen, 150  f. 49 Eine Übersicht über das mögliche Fortleben heidnischer Vorstellungen im Aberglauben von Sus­ sex bietet Seward, Sussex, 14  ff. 50 Vgl. Holden, Anglo-Saxon Burials at Crane Down, Jevington, 132, Stevens, Ocklynge Hill Anglo-Saxon Cemetery Eastbourne, 231  ff.

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Kreis bestattet, die Köpfe waren dabei alle nach innen gerichtet.51 Fisher hat dieses Arrangement als eine christliche Grabstelle aus den frühesten Tagen des Christen­ tums in Sussex gedeutet.52 An einer Stelle der Kirche von Ford sind möglicherweise Fragmente eines keltischen Steinkreuzes verbaut, das, so Fisher, von Wilfrid ins Land geholt worden sein könnte.53 Ein solches Monument könnte den ersten Christen in Sussex als Versammlungs- und Gebetsort gedient haben. Vielleicht stand es auch im Zentrum der kreisförmigen Bestattungen. Sollte das Steinkreuz tatsächlich von Wilfrid aus Irland oder aus seiner northum­ brischen Heimat importiert worden sein, würde dies ein Beleg für den materiellen Fortschritt in einer ansonsten nur Erde und Holz verbauenden Gesellschaft sein. Auch dieser Fortschritt wäre dann als Katalysator der Konversion zu nennen.

8.3 Ein christliches Sussex unter westsächsischer Herrschaft Der Angriff Cædwallas von den Gewisse, der zu diesem Zeitpunkt noch nicht König, sondern ein Adliger im Exil war, bereitete der kurzen Phase einer südsächsischen Dominanz im Süden Britanniens ein Ende. Er fiel in Sussex ein und tötete Æthel­ wealh. Zwar konnte er kurzzeitig durch einen Aufstand unter der Führung der Ealdor­ men Berhthun und Andhun vertrieben werden, doch gerieten die Südsachsen nach Cædwallas Rückkehr, nunmehr als König der Gewisse, dauerhaft unter westsächsi­ schen Einfluss.54 Die politische Abhängigkeit spiegelte sich in der kirchlichen Orga­ nisation. So stand der südsächsischen Kirchenprovinz nach Wilfrids Abschied nicht ein eigener Bischof in Selsey oder Chichester, sondern der westsächsische Bischof von Winchester vor.55 Was das religiöse und politische Leben angeht, können die Ereignisse in Sussex als ein Teil der Entwicklungen in Wessex verstanden werden. 51 Vgl. Fisher, The Saxon Churches of Sussex, 111  f. 52 Vgl. Ebenda, 112. „It would appear that Ford, at least as a Christian burial ground, may date back to the very earliest Christian times in Sussex, ie to Wilfrid’s day.“ 53 Vgl. Ebenda, 115. Weitere Fragmente, die ebenfalls zu einem Steinkreuz gehört haben könnten, sind in der Kirche in Selsey verbaut. Armstrong, A History of Sussex, 41 sieht hier eine mögliche Ver­ bindung zu den nordenglischen Steinkreuzen. Er vermutet, diese Monumente könnten als zentrale Orte für Predigten und Taufen gedient haben. Es sei sogar möglich, dass das bewusste Kreuz durch Wilfrid oder zumindest in seinem Auftrag ins Land gebracht worden sei. 54 HE IV, 15 „Interea superueniens cum exercitu Caedualla, iuuenis strenuissimus de regio genere Geuissorum, cum exularet a patria sua, interfecit regem Aedilualch, ac prouinciam illam saeua caede ac depopulatione attriuit; sed mox expulsus est a ducibus regiis Berchthuno et Andhuno, qui deinceps regnum prouinciae tenuerunt. Quorum prior postea ab eodem Caedualla, cum esset rex Geuissorum, occisus est, et prouincia grauore seruitio subacta. Sed Ini, qui post Caeduallan regnauit, simili prouinciam illam adflictione plurimo annorum tempore mancipauit.“ 55 HE IV, 15 „Quare factum est, ut toto illo tempore episcopum proprium habere nequiret, sed reuocato domum Uilfrido primo suo antistite, ipsi episcopo Geuissorum, id est Occidentalium Saxonum, qui essent in Uenta ciuitate, subiacerent.“



Ein christliches Sussex unter westsächsischer Herrschaft 

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Wie bei den Westsachsen fand in den folgenden Jahrzehnten der Aufbau einer kirch­ lichen Organisation statt. Exemplarisch fassbar wird dieser Prozess in den über­ lieferten Urkunden der Kirche von Selsey. Bereits 692 schenkte der neue König der Südsachsen, ein Verwandter Ines mit Namen Nothelm, seiner Schwester Nothgyth 33 Hiden Land für die Gründung eines Klosters.56 Um das Jahr 700 war es der dux Bruny, der 4 Hiden bei Highleigh an den Abt von Selsey Eadberht gab.57 Bemerkenswert an dieser Urkunde ist, dass neben König Nothelm, der mit Nunna unterzeichnete, auch ein anderer Mann namens Wattus als König bezeichnet wird. Vielleicht war Sussex der besseren Kontrollierbarkeit halber unter mehreren Königen aufgeteilt worden.58 Irgendwann zwischen 705 und 716 gab Nothelm weitere 4 Hiden bei Peppering an den Abt von Selsey.59 Die Verbindung Nothelms zur Kirche von Selsey wird durch die Bestimmung deutlich, die eine letzte überlieferte Schenkung unter seinem Namen enthält. Er wollte dort nach seinem Tod bestattet werden.60 Selsey ist sicher das bedeutendste kirchliche Zentrum im Königreich der Südsachsen gewesen. Die Chris­ tianisierung der Bevölkerung wurde von solchen Klöstern aus betrieben, die Mönche predigten im Umland und leisteten seelsorgerische Arbeit.61 Da Nothelm, und ver­ mutlich auch Wattus, Ine von Wessex untergeben waren, ist es im Bereich des Mögli­ chen, dass in ihren jeweiligen Teilreichen ähnliche Bestimmungen zur Durchsetzung einer christlichen Lebensweise die Arbeit der Kleriker durch weltliche Machtmittel ergänzten, wie sie im Gesetz Ines genannt werden.62

56 Vgl. Kelly, Charters of Selsey, 13  ff. Kelly geht davon aus, dass der Kern der Urkunde auf authen­ ti­schem Material des 7. bis 9.  Jahrhunderts beruht. Die im Text genannten Orte Lidsey, Alding­ bourne, Lenstedegate und Mundham seinen spätere Interpolationen. Die Schenkung erfolgte „[…] ad construen­dum in ea monasterium basilicamque erigendam que diuinis laudibus et sanctorum honoribus seruire uideatur […].“ Vgl. Ebenda, 14. 57 Vgl. Ebenda, 22  ff. 58 Vgl. Insley, Sussex, 145, Kirby, The Earliest English Kings, 106, Stenton, Anglo-Saxon England, 58  f., Welch, Early Anglo-Saxon Sussex, 32, 34. 59 Vgl. Kelly, Charters of Selsey, 29  ff. 60 Ebenda, 35 „[…] ubi cupio ut corpus meum requiescat […].“ Für Kontextinformationen siehe Ebenda, 35  ff. 61 Vgl. zu weiteren frühen kirchlichen Zentren und Kirchen Fisher, The Saxon Churches of Sussex, 12, der auf eine ganze Reihe von durch Wilfrid gegründeten Kirchen hinweist. Der Umstand, dass neben Wilfrid auch Cædwallas Name wiederholt in den Urkunden auftaucht, legt den Schluss nahe, dass hier der Ausbau kirchlicher Strukturen unter westsächsischer Herrschaft Spuren hinterlassen hat. Beispiele für solche frühen Kirchen in Sussex sind die Marienkirche in Aldingbourne (S. 27  ff.), die Thomaskirche in Pagham (161  ff.), die Marienkirche in Rumboldswyke (S. 167  ff.) und die Andreaskir­ che in Tangmere (201  f.). 62 Vgl. Kapitel 6.3.

240 

 Sussex

8.4 Zusammenfassung Die geringe Zahl der Quellenbelege macht es schwer, sichere Erkenntnisse über die Geschichte des Polytheismus in Sussex nach der Taufe König Æthelwealhs zu gewin­ nen. Folgende Erkenntnisse lassen sich dennoch festhalten: 1. Die geographische Lage von Sussex sowie politische Konstellationen führten dazu, dass bis in die 670er Jahre hinein Polytheisten unter der gesellschaftlichen Elite des Reiches zu finden waren. Der princeps sacerdotum63, unter dessen Führung die Südsachsen 666 den gestrandeten Wilfrid und seine Gefährten angriffen, ist ein Vertreter dieser Oberschicht, in der sich politische Führung und kultische Funktion verbanden. 2. Der genaue Zeitpunkt der Taufe König Æthelwealhs lässt sich nicht näher bestim­ men. Nur ein Zeitraum, die Jahre zwischen 666 und 675, kann definiert werden. Der Religionswechsel führte zunächst nicht zum Ende des polytheistischen Kultes in Sussex. Bis zum Eintreffen Wilfrids um das Jahr 680 ist zwar von einer kleinen christlichen Gemeinschaft im direkten Umfeld des Königs auszugehen, doch gab es parallel noch immer Anhänger des Polytheismus bis in die Spitzen der Gesell­ schaft. Dieser Umstand wird daran deutlich, dass sich einige Adlige nach 680 erst auf königlichen Druck hin bereit fanden, den Religionswechsel ihres Königs ebenfalls zu vollziehen. 3. Ein wichtiges Motiv für die Konversion Æthelwealhs war die Möglichkeit, die eigene Machtposition im Süden Englands unter Anerkennung der merzischen Vormacht auszubauen. Auch in diesem Fall fielen also die Expansion könig­licher Macht und die Ausbreitung des Christentums zusammen. Zum Zeitpunkt der Taufe in Mercia muss es dem erfahrenen Politiker deutlich geworden sein, dass das christliche Bekenntnis zu einer Voraussetzung der Teilhabe an der Diplomatie zwischen den angelsächsischen Reichen geworden war. Um bündnisfähig zu sein, musste ein König getauft sein. An dieser Stelle wird greifbar, auf welche Weise ein christliches Rechtsbewusstsein konkrete Auswirkungen auf die Lebenswirklich­ keit der Angelsachsen in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts hatte. Nach seiner Taufe unterhielt Æthelwealh enge Kontakte zum merzischen Königshaus und zur Dynastie der Hwicce, der seine Frau entstammte. Darüber hinaus hatte er Kon­ takte zum kentischen König Eadric. Zudem war die Hilfe des Gottes der Christen im Krieg eine wichtige Vorausset­ zung für die Annahme des Christentums durch den König und die Eliten der süd­ sächsischen Gesellschaft. 4. Nach dem Beginn der Mission Wilfrids um 680 lassen der Bericht über die könig­ liche Unterstützung der Arbeit der Missionare, der schnelle Aufbau einer kirch­ lichen Organisation sowie die archäologischen Befunde aus Eastbourne und Ford

63 Vita Wilfridi XIII.





Zusammenfassung 

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auf ein schnelles Verschwinden des Polytheismus aus dem öffentlichen Leben der Südsachsen schließen. Die Quellenlage lässt es für Sussex nicht zu, fest­ zustellen, ob die kultische Verehrung der alten Götter für eine gewisse Zeit im Verborgenen weiter stattfand. Ganz im Gegenteil muss die Möglichkeit ins Auge gefasst werden, dass mit der westsächsischen Herrschaft die Gesetze Ines zur Durchsetzung einer christlichen Lebensweise auch in Sussex durch die Unterkö­ nige Nothelm und Wattus erlassen und durchgesetzt worden sein könnten. Nach dem Beleg für königlichen Zwang bei der Konversion eines Teils des südsächsi­ schen Adels, ist es so zumindest im Bereich des Denkbaren, dass etwaige letzte Reste des Polytheismus in Sussex auf diese Weise an der Wende zum 8. Jahrhun­ dert bekämpft worden sein könnten. Es bleibt festzustellen, dass Sussex um die Jahrhundertwende zu einem Teil des nunmehr gänzlich christlichen angelsächsischen England geworden war. Wie auch für die übrigen Reiche der Zeit war der öffentliche, polytheistische Kultvoll­ zug im Land der Südsachsen eine Sache der Vergangenheit.

9 Ergebnisse Die vorliegende Arbeit verfolgte ein dreifaches Ziel. Es wurde erstens untersucht, wie das Nebeneinander von Polytheismus und Christentum in den angelsächsischen Reichen des 7. Jahrhunderts zustande kam. Zum zweiten wurden die Bedingungen, unter denen Polytheisten in den Reichen getaufter Könige lebten, in den Blick genom­ men. Zum dritten konnte für jedes der angelsächsischen Reiche des 7. Jahrhunderts ein Zeitraum identifiziert werden, während dem das Verschwinden des Polytheismus aus dem öffentlichen Leben anzunehmen ist. Am Ende aller Teilkapitel befindet sich jeweils eine detaillierte Zusammenfassung der Ergebnisse zu den einzelnen Regionen. Im Überblick stellen sich die wichtigsten Beiträge zum Fortgang des Forschungsgesprächs über die Transformationsprozesse in den angelsächsischen Gesellschaften der Missionszeit wie folgt dar: Im Zusammenhang mit der Frage, wie es zu einer Situation kommen konnte, in der Polytheismus und Christentum parallel innerhalb eines Königreichs existierten, konnten fünf wesentliche und sich einander bedingende Faktoren herausgearbeitet werden: Erstens war das stete Ringen um Einfluss und Macht innerhalb der angelsäch­ sischen Reiche eine Hauptursache für das Zustandekommen einer religiös gemisch­ ten Situation nach dem Beginn der christlichen Mission. Die Auseinandersetzungen konnten sich dabei zwischen einem bereits getauften König und seinen konservativ eingestellten Großen oder auch, besonders ausgeprägt bei den Westsachsen, ­zwischen Co-Regenten abspielen. Hier trug die geteilte Königsherrschaft wesentlich zur Entste­ hung einer religiös gemischten Gesellschaft bei. Das konservative Verharren im poly­ theistischen Glauben wurde für manchen König der Gewisse zur Möglichkeit, sich gegenüber den Mitregenten zu profilieren. Gemeinsam mit der durch Pendas Siege vermittelten Erfahrung der Stärke der alten Götter hatte diese Konstellation wesent­ lichen Anteil an der vergleichsweise langen Dauer der Phase der parallelen Existenz von Christentum und Heidentum in Wessex. Zweitens spielten außenpolitische Erwägungen eine wichtige Rolle. Sie konnten sowohl die Annahme des Christentums, der Religion des Oberkönigs oder eines Bun­ desgenossen, als auch das Festhalten am paganen Kult als Zeichen der Unabhängig­ keit von fremden Machtansprüchen attraktiv erscheinen lassen. Im Zusammenhang mit der Konversion König Æthelwealhs von Sussex wurde ein neuer Aspekt deutlich, der im späteren 7. Jahrhundert die Taufbereitschaft von Königen und anderen Großen fördern konnte. In einer zunehmend christlichen Umwelt wurde das christliche Bekenntnis spätestens nach dem Tod Pendas 655 zur Voraussetzung für die Teilhabe an der Bündnispolitik der angelsächsischen Reiche untereinander. Durch die Taufe des Königs konnte Sussex zum Teil des merzischen Machtbereichs und zu einer re­gio­ na­len Mittelmacht im Süden Großbritanniens werden. Innerhalb des Reiches kamen dennoch auch andere Faktoren zur Geltung, die über etliche Jahre zu einem Zusam­



Ergebnisse 

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menleben von einer kleinen Gruppe von Christen im Umfeld des Königs und der heid­ nischen Mehrheit in Sussex führten. Drittens dauerte es mitunter einige Jahrzehnte, bis sich innerhalb der neuen christlichen Gesellschaften ein Rechtsbewusstsein ausbildete, das eine fortgesetzte Duldung der gleichzeitigen Verehrung Christi und der paganen Gottheiten unmöglich machte. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Kleriker natürlich immer schon bestrebt gewesen, die tradierten Kulte zu bekämpfen. Für Laien wie etwa Æthelberht von Kent, deren Denkweise auch nach der eigenen Taufe noch durch die polytheistische Offen­ heit anderen Göttern gegenüber geprägt war, bedurfte es einer längeren Zeit christli­ cher Unterweisung, bis sich nach einigen Generationen eine andere Sichtweise ent­ wickelte. Viertens war der angelsächsische Polytheismus beim Eintreffen der Missionare der römischen Kirche keinesfalls eine bereits im Schwinden begriffene Religion. Die Untersuchung der Quellen zeigt ganz im Gegenteil, dass die Menschen des 7. Jahrhun­ derts tiefe und feste Bindungen zu ihrer überlieferten Glaubenswelt hatten. Fünftens gab es im 6. und 7. Jahrhundert neben der Mission noch eine zweite Mög­ lichkeit, wie es zu einer Koexistenz von Polytheisten und Christen innerhalb eines politischen Verbandes kommen konnte. Die Eroberung bereits christlicher, zumeist britischer, Gebiete muss auch unter diesem Aspekt betrachtet werden. Für den merzi­ schen Machtbereich in den Midlands bedeutete das Christentum der Hwicce, dass es bereits lange vor Peadas Taufe im Jahr 653 christliche Fürsten unter den Angelsachsen gab, und dass ein Modus des Zusammenlebens und vor allem der Zusammenarbeit gefunden werden musste. Im Zuge der kriegerischen Expansion Pendas kam noch das bereits christianisierte Lindsey unter merzische Hegemonie. Für die Gewisse bzw. die Westsachsen ergaben sich ähnliche Konstellationen durch die Expansion in britische Siedlungsgebiete am westlichen Rand ihres Herr­ schaftsbereichs. Die Gesamtübersicht über die Bedingungen der Koexistenz von Polytheismus und Christentum in allen sieben angelsächsischen Reichen des 7. Jahrhunderts führte zu drei Erkenntnissen. Erstens sind die großen regionalen Unterschiede zu nennen. Die Reichweite geht dabei von einer jahrzehntelangen, gleichberechtigten Koexistenz, bei gleichzeitiger Bevorzugung von Christen, wie in Kent bis zur Inkriminierung paganer Religiosität innerhalb eines kurzen Zeitraums wie etwa unter Edwin von Deira oder in Mercia ab 655. Trotz des bei Beda überlieferten Drucks, den König Æthelberht auf die kentische Aristokratie ausübte, gab es auch weiterhin unter den Eliten seines Reiches Anhän­ ger des Polytheismus. Darauf weisen die Funde von Grabhügelanlagen, Anhänger des Woden- und Thunorkultes und Brakteaten hin. Die den Schutz der Kirche betreffen­ den Bestimmungen in Æthelberhts Gesetz legen es nahe anzunehmen, dass hier der Schutz heidnischer Tempel auf die christlichen Kirchen ausgeweitet wurde. Somit

244 

 Ergebnisse

standen die sakralen Stätten beider Religionen unter königlichem Schutz. Diesem fiel in der religiös gespaltenen Situation die Aufgabe zu, den Frieden auch zwischen den Religionen zu wahren. In Essex folgte auf eine relativ kurze Phase der Koexistenz, die nicht nur durch kentischen Einfluss entstanden, sondern auch den dortigen Verhältnissen recht ähnlich gewesen sein muss, von 616/17 bis 653 eine letzte Blüte des Polytheismus. In diese Zeit fällt etwa die Errichtung des reich ausgestatteten Grabs von Prittlewell. Trotz der christlichen Elemente unter den Beigaben der Grablege, die Sæberhts letzte Ruhestätte sein könnte, kam es zu einer heidnischen Restauration und der Vertrei­ bung des Bischofs Mellitus. Von einer wirklichen Koexistenz kann also keine Rede sein. Das änderte sich nach 653 mit der Konversion König Sigeberhts II. In dieser Zeit muss das Zusammenleben von Christen und Heiden in Essex zwar formal gleichbe­ rechtigt, aber auch konfliktreich gewesen sein. Dass der Polytheismus in diesem Wett­ streit allmählich an Boden verloren haben muss, wird durch den Umstand deutlich, dass vor der letzten heidnischen Restauration im Zusammenhang mit der Seuche von 664 dessen Tempel dem Verfall anheim gefallen waren. Das Eingreifen Wulfheres von Mercia beendete diese letzte kurze Phase der Koexistenz. Fortan wurde der polytheis­ tische Kult in Essex nicht mehr geduldet. In East Anglia zog sich die Phase der Auseinandersetzung von Polytheismus und Christentum über die ersten vier Dekaden des 7.  Jahrhunderts hin. Unter Rædwald wurden die Altäre beider Religionen im königlichen Tempel zu Rendlesham aufge­ stellt. Dies kann als sichtbares Zeichen der Gleichberechtigung gewertet werden. Die Beigaben des berühmten Schiffsgrabs von Sutton Hoo, das mit großer Wahrschein­ lichkeit die Grablege König Rædwalds war, weisen ebenfalls auf die parallele Exis­ tenz von Polytheismus und Christentum im ersten Drittel des 7.  Jahrhunderts hin. Als East Anglia in der Folgezeit die Auswirkungen des Aufstiegs Northumbrias zu spüren bekam und es innerhalb der Eliten zu Konflikten um die richtige Positionie­ rung innerhalb der sich verschiebenden Machtverhältnisse in der angelsächsischen Welt kam, wurde auch das Feld der Religion zu einem Mittel der Austragung dieses Konflikts. Es ist möglich, dass es mit Sigeberhts Mitkönig Ecgric noch einmal einen heidnischen König in East Anglia gab. Mit wechselndem Erfolg hatte in der Folgezeit mal die christliche und mal die heidnische Partei die Oberhand, bis sich in den 640er Jahren das Christentum als Religion der Eliten durchsetzte, und König Anna die heid­ nischen Kultstätten zerstören ließ. In Northumbria veranlasste König Edwin alle seine Großen, ihm beim Übertritt zum Christentum zu folgen. Die Beschreibung der Stammesversammlung in Bedas Kirchengeschichte ist in ihren Details schon viele Male beschrieben und besprochen worden. Bislang wurde jedoch noch zu wenig beachtet, dass Edwins Vorgehensweise auch durch die Notwendigkeit geprägt war, die religiöse Einheit seiner Aristokratie zu erhalten, um die politische Einheit seines aus den Teilen Berni­ cia und Deira zusammengesetzten Reiches nicht zu gefährden. Durch seine Reli­ gions­politik nahm er der politischen Opposition in Bernicia die Möglichkeit, sich



Ergebnisse 

 245

ein religiös-konservatives Profil zu geben. Allerdings verblieben trotz des Zwangs zur Konversion Polytheisten in Edwins Northumbria, da es nicht genügend Missi­ onare gab, um eine flächendeckende Mission, Taufe und Seelsorge in allen Teilen des Reiches einzurichten. Nach einer heidnischen Restauration in Northumbria gab es unter König Oswald bis in die Jahre 641/2 keinen Zwang zur Konversion. Erst der Dauerkonflikt mit dem Heiden Penda von Mercia führte zu einer mehr und mehr dem Polytheismus feindlichen Einstellung unter der northumbrischen Aristokratie. In Wessex dauerte die Koexistenz beider Religionsgemeinschaften von den 630er Jahren an ein halbes Jahrhundert lang. Diese außergewöhnliche Dauer sowie der Umstand, dass die Anhänger des Polytheismus bis in die 680er Jahre hinein auch unter den Eliten des Reiches vertreten waren, lässt sich durch die politisch wechsel­ hafte Geschichte der Region im 7. Jahrhundert und vor allem durch die Aufteilung der Königsherrschaft erklären. Es ist durchaus plausibel, dass die Großen des Reiches nach der Konversion Cynegisls durch eine Reihe von militärischen Rückschlägen den Eindruck hatten, der Beweis der Effizienz des neuen Glaubens ließe auf sich warten. Gräber und Ortsnamen weisen auf einen lebendigen Polytheismus in Wessex in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts hin. Erst unter König Ine wurde die Durchsetzung einer christlichen Lebensweise, und damit die Bekämpfung des Polytheismus, zu einer Herrscheraufgabe und mit königlichen Gesetzen und Machtmitteln vorange­ trieben. Während es im merzischen Machtbereich unter König Penda durchaus Christen gab, denen die Freiheit der Religionsausübung zugestanden wurde, kam das Ende des Polytheismus in den Midlands schnell nach dem Tod des Königs im Jahr 655 in der Schlacht am Winwæd. Unter northumbrischer Besatzung und auch unter Pendas Sohn Wulfhere wurde der pagane Kult verboten und eine christliche Lebensweise mit den zur Verfügung stehenden Mitteln durchgesetzt. In Sussex lebten Heiden und Christen gleichberechtigt in einem Zeitraum von der Taufe König Æthelwealhs, zwischen 666 und 675, und etwa 680. Waren König und Große zunächst zögerlich bei der endgültigen Annahme und Durchsetzung des Chris­ tentums, wurden sie durch die politischen Erfolge der 680er Jahre von der Effi­zienz des neuen Glaubens überzeugt. Das schnelle Verschwinden des polytheistischen Kultes aus dem öffentlichen Leben in Sussex muss trotz des Fehlens entsprechender Berichte in den Quellen als ein Hinweis auf eine erfolgte Inkriminierung des polythe­ istischen Kults gewertet werden. Zweitens kann auf der Grundlage der vorliegenden Ergebnisse das Wissen um die Abhängigkeit der königlichen Politik von den Großen eines Reiches auch in die Reli­ gion betreffenden Fragen erweitert werden. Dies gelingt, indem die aus der Recht­ sethnologie bekannte Theorie des Rechtspluralismus auf die Situation in den angel­ sächsischen Reichen des 7. Jahrhunderts angewendet wird. Unter Rechtspluralismus ist dabei die „Koexistenz unterschiedlicher Rechtsordnungen innerhalb derselben

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Gesellschaft“1 zu verstehen. Im Kontext der Christianisierung im angelsächsischen England ist insofern von einem Rechtspluralismus, eigentlich eher von einem Rechts­ dualismus, auszugehen, als dass für einige Zeit zwei Konstruktionen der legitimie­ renden Grundlage normativer Ordnungen, nämlich die traditionelle Form der dingge­ nossenschaftlichen Rechtsfindung und die christliche Vorstellung einer letztendlich immer von Gott her gedachten Gesellschaftsordnung, nebeneinander existierten. Laut von Benda-Beckmann ist die machtpolitische Verankerung der jeweiligen Trä­ gergruppen das ausschlaggebende Element für die Durchsetzung der einen oder der anderen normativen Ordnung in bestimmten Situationen.2 Anders ausgedrückt hängt das Verhältnis normativer Systeme „von der Frage ab, welche Trägergruppe ihre eigene Interpretation durchsetzen kann.“3 Dieser Ansatz liefert auf theoretischer Ebene eine zusätzliche Erklärung dafür, dass es zuweilen zu solch langen Phasen der parallelen Existenz von Polytheismus und Christentum kommen konnte. Die Inkriminierung paganer Kulthandlungen setzte die Durchsetzung eines im obigen Sinne christlichen Rechts in den relevanten gesellschaftlichen Gruppen voraus. Dort wo sich die Christianisierung der Aristokra­ tie aus verschiedenen Gründen verzögerte, konnte gegen diese Trägergruppe einer traditionellen Rechtsauffassung das neue Recht nicht durchgesetzt werden. So ist es durchaus stimmig, dass die Zerstörung der heidnischen Kultstätten, als sichtbares und in den Quellen zum Teil überliefertes Zeichen der Inkriminierung des Polythe­ ismus, erst zu einem Zeitpunkt stattfand, zu dem sich ein Großteil der Aristokratie anhand der Quellen nachvollziehbar dem Christentum zugewandt hatte. In Kent ist dieser Prozess beispielhaft nachvollziehbar. Auf der anderen Seite erlaubt die Theorie begründete Rückschlüsse über die rechtliche Situation innerhalb von Gesellschaften, für die zwar keine direkten Infor­ mationen über Zerstörungsaktionen oder Sanktionen gegen den paganen Kult über­ liefert sind, wohl aber Hinweise auf den Übertritt und die Einstellung der Großen zum Christentum, wie sie etwa in Stiftungen zugunsten von Kirchen und Klöstern histo­ risch fassbar werden. Drittens wurde deutlich, dass sich die Prozesse vom ersten Aufeinandertreffen der beiden Religionen, der Konversion des Königs, einer Phase der Koexistenz und der schlussendlichen Verdrängung des Polytheismus mit der Zeit beschleunigten. In Kent lagen zwischen dem Beginn der römischen Mission und dem Sieg des Christen­ tum mehr als vier Jahrzehnte. In den Reichen Mercia und Sussex, die sich erst in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts dem Christentum öffneten, fand die Transforma­ 1 Von Benda-Beckmann, Gesellschaftliche Wirkung von Recht, 7. Siehe für die Definition von Rechtspluralismus ebenfalls Griffiths, What is Legal Pluralism?, 1, 38. Der Aufsatz ist grundlegend für diese Theorie. 2 Vgl. Von Benda-Beckmann, Adat, Islam und Staat – Rechtspluralismus in Indonesien, 68. 3 Ebenda.



Ergebnisse 

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tion der Gesellschaft innerhalb weniger Jahre statt. Einzig die Verhältnisse im west­ sächsischen Herrschaftsgebiet müssen als Ausnahme von dieser Regel gelten. Als Ursache dieser Entwicklung konnte die Diplomatie zwischen den angelsächsischen Reichen identifiziert werden. Überregional anerkannte Oberkönige setzten das Chris­ tentum zur Konsolidierung ihrer Macht ein. Zuletzt muss es so für den Südsachsen Æthelwealh deutlich geworden sein, dass das Festhalten am heidnischen Kult für ihn zu einem politischen Hemmfaktor in einer nunmehr christlichen Umgebung gewor­ den war. Auf der Grundlage der Untersuchungsergebnisse ist es möglich, die folgende Über­ sicht über die Zeiträume von einsetzender Mission, Koexistenz der Religionen und dem Verschwinden des Polytheismus aus den gesellschaftlichen Bereichen, die sich durch die überlieferten Quellen rekonstruieren lassen, zu erstellen. Dabei ist zu beachten, dass eine gleichberechtigte Koexistenz der Religionen die Bevorzu­ gung einer Religionsgruppe nicht ausschloss. Beispiele für diese Praxis liefert das Vorgehen der getauften Könige Æthelberht von Kent und Oswald von Northumbria, die zwar keine Machtmittel zur Bekämpfung des Polytheismus einsetzten, allerdings Christen in ihrem Umfeld bevorzugt behandelten. 45 Königreich

Phasen der Entwicklung (I. Beginn der Mission II. gleichberechtigte Koexistenz III. Ende dieser Phase)

Kent Essex

I. 597 II. 597 – 640er III. 640er (Zerstörung der Tempel und Kultbilder) I. 604 II. 604 – 616 I. 653 II. 653–? III. 664 (Wulfheres Eingreifen)

East Anglia

I. zw. 597 und 616 II. ?–640er III. 2. Hälfte 640er (König Anna)

Northumbria

I. 624/5 (keine Duldung des polytheistischen Kults durch Edwin) III. 633 ­(heidnische Restauration nach dem Tod Edwins) I. 634 (Oswald)  II. 634 – 641/2 III. spätestens 660er (Synode von Whitby)

Wessex4

I. 634 II. 630er – 680er III. 688 (Antritt König Ine)

Mercia

II. 630er/640er5 I. 653 II. 653 – 655 III. 655/6 (Tod Pendas und Oswius Besatzung)

Sussex

I. zw. 666 und 675 II. 666/675 – 680er III. 680er/690er

Die Ergebnisse illustrieren die enorme Komplexität und die regionalen Unterschiede in der Entwicklung von einer polytheistischen Stammeskultur hin zu christlichen Gesellschaften.

4 Die Angaben für den westsächsischen Bereich beziehen sich auf die germanischsprachige Bevölke­ rung und lassen die Christen unter den Briten im Westen des Herrschaftsbereichs außer Acht. 5 Diese Angaben beziehen sich auf die Christen im Königreich der Hwicce und im ebenfalls zum mer­ zischen Herrschaftsbereich zu zählenden Lindsey.

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 Ergebnisse

Die Geschichte der Polytheisten in den angelsächsischen Reichen des 7. Jahrhun­ derts war von der Konfrontation mit dem Absolutheitsanspruch des Christentums geprägt, wobei es den Anhängern der paganen Kulte vielfach gelang, ihre Lebens­ weise erfolgreich zu behaupten und das Christentum zum Teil auch wieder zurück­ zudrängen, bevor die neue Religion sich im Verlauf der zweiten Hälfte des 7. Jahrhun­ derts durchsetzen konnte.

Verzeichnisse I Abkürzungen Die verwendeten Abkürzungen verweisen auf Titel oder Autoren von Quellentexten sowie auf die Kürzel gängiger Editionen. Abt Af ASC De Exc. Brit EHD Gall HE Hl Ine MGH PHL RGZM U VA VG VP Wi

Gesetz Æthelberhts von Kent Gesetz Ælfreds von Wessex Anglo-Saxon Chronicle de excidio Britanniae English Historical Documents de bello Gallico historia ecclesiastica gentis Anglorum Gesetz Hlotheres von Kent Gesetz Ines von Wessex Monumenta Germaniae historica Pauli historia Langobardorum Römisch-Germanisches Zentralmuseum Bußbuch Theodors anonyme Vita des heiligen Cuthberht vita Gregorii (aus Whitby) vita prosaica S. Cuthberti Gesetz Wihtræds von Kent

II Quellenverzeichnis Magistri Adam Bremensis Hammaburgensis ecclesiae pontificum. Bernhard Schmeidler (Hg.) (1917/ ND 1977). MGH Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum 57. Hannover, Leipzig: Hahnsche Buchhandlung. Alcuin: The Bishops, Kings, and Saints of York. Peter Godman (Hg.) (1982). 1. Aufl. Oxford (u.  a.): Oxford University Press. Aldhelm: In ecclesia Mariae a Bugge exstructa. Rudolf Ehwald (Hg.) (1919): Aldhelmi opera. Berlin: Weidmann, S. 14–18. Beda: Vita Beatorum Abbatum Wiremuthensium et Girvensium. Benedicti, Ceolfridi, Easterwini, Sigfridi, atque Huetberti. John A. Giles (Hg.) (1843): Venerabilis Bedae opera quae supersunt omnia. nunc primum in Anglia, ope codicum manuscriptorum. London (III): Whitaker, S. 359– 401. Beda der Ehrwürdige: Kirchengeschichte des englischen Volkes [Venerabilis Bedae historia ­ecclesiastica gentis Anglorum]. Übersetzt von Günter Spitzbart (1982). Texte zur Forschung 34. Darmstadt: WBG. Beda: Beati Felicis Confessoris Vita. John A. Giles (Hg.) (1843): Venerabilis Bedae opera quae super­ sunt omnia. nunc primum in Anglia, ope codicum manuscriptorum. London (III): Whitaker, S. 173–201. Beda: Epistula ad Ecgbertum episcopum. Charles Plummer (Hg.) (1896): Venerabilis Bedae opera historica. Oxford: Clarendon 1896 (reprints 1961/1975), S. 405–423.

250 

 Verzeichnisse

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Anhang

Abb. 1: Gilton Grab 41 (© Novum Inventorium Sepulchrale)

Abb. 2: Chartham Down Barrow E (© Novum Inventorium Sepulchrale)

270 

 Anhang

Tab.: Hammerförmige und speerspitzenförmige Anhänger aus Kent Fundort

Grab

Fund(e)

Datierung

Grabhügel

Aufbewahrungsort

Chartham Down1

Barrow E

– speerspitzen­ förmiger Anhänger – hammer- bzw. kreuzförmiger Anhänger

c. 7. Jh.

ja

Nicht überliefert und Funde sind nur aus dem ursprüng­ lichen Fundbericht bekannt.

Crundale2

Grab 24

– speerspitzen­ förmiger Anhänger – hammerförmiger Anhänger

5.–7. Jh.

nein

Nicht überliefert und Funde sind nur aus dem ursprüng­ lichen Fundbericht bekannt.

Gilton3

Grab 27

– speerspitzen­ förmiger Anhänger (M6027) – hammerförmiger Anhänger

6.–7. Jh.

nein

Mayer Collection, National Museums Liverpool Original Collection: Faussett

Gilton4

Grab 41, 76 oder 815

– speerspitzen­ förmige Anhänger – hammerförmige Anhänger

6.–7. Jh.

nein

Nicht überliefert und Funde sind nur aus dem ursprüng­ lichen Fundbericht bekannt.

Gilton6

unbekannter Fundort

hammerförmiger Anhänger (M6212)

6.–7. Jh.

?

Mayer Collection, National Museums Liverpool Original Collection: Faussett

Gilton7

unbekannter Fundort

hammerförmiger Anhänger (M6030)

6.–7. Jh.

?

Mayer Collection, National Museums Liverpool Original Collection: Faussett

1 ‚Chartham Down Barrow E‘, Novum Inventorium Sepulchrale. 2 ‚Crundale Grave 24‘, Novum Inventorium Sepulchrale. 3 ‚Guilton Grave 27‘, Novum Inventorium Sepulchrale. 4 ‚Guilton Grave 41‘, Novum Inventorium Sepulchrale. 5 Ebenda. „Pendants are identified in the original text as associated with Gilton grave 19, but could belong to Gilton graves 41, 76 or 81. Grave 19 chatelaine was described as completely of rusted iron. This image displays what are undoublty copper-alloy pendants. – D.  H.“ 6 ‚Guilton: Dis-associated 12. M 6212 Copper-alloy chatelaine pendant‘, Novum Inventorium Sepul­ chrale. 7 Guilton: Dis-associated 6. M 6030 Copper-alloy chatelaine pendant‘, Novum Inventorium Sepul­ chrale.



Anhang 

 271

Fundort

Grab

Fund(e)

Datierung

Grabhügel

Aufbewahrungsort

Gilton8

unbekannter Fundort

hammerförmiger Anhänger (M6029)

6.–7. Jh.

?

Mayer Collection, National Museums Liverpool Original Collection: Faussett

Gilton9

unbekannter Fundort

hammerförmiger Anhänger (M6207)

6.–7. Jh.

?

Mayer Collection, National Museums Liverpool Original Collection: Faussett

Gilton10

unbekannter Fundort

hammerförmiger Anhänger (M6208)

6.–7. Jh.

?

Mayer Collection, National Museums Liverpool Original Collection: Faussett

Gilton11

unbekannter Fundort

hammerförmiger Anhänger (M6211)

6.–7. Jh.

?

Mayer Collection, National Museums Liverpool Original Collection: Faussett

Gilton12

unbekannter Fundort

speerspitzen­ förmiger Anhänger (M6025)

6.–7. Jh.

?

Mayer Collection, National Museums Liverpool Original Collection: Faussett

Gilton13

unbekannter Fundort

speerspitzen­ förmiger Anhänger (M6026)

6.–7. Jh.

?

Mayer Collection, National Museums Liverpool Original Collection: Faussett

Gilton14

unbekannter Fundort

speerspitzen­ förmiger Anhänger (M6028)

6.–7. Jh.

?

Mayer Collection, National Museums Liverpool Original Collection: Faussett

Gilton15

unbekannter Fundort

speerspitzen­ förmiger Anhänger (M6209)

6.–7. Jh.

?

Mayer Collection, National Museums Liverpool Original Collection: Faussett

8 ‚Guilton: Dis-associated 5. M 6029 Copper-alloy chatelaine pendant‘, Novum Inventorium Sepul­ chrale. 9 Guilton: Dis-associated 8. M 6207 & M 6208 Two copper-alloy chatelaine pendants’, Novum Inven­ torium Sepulchrale. 10 Guilton: Dis-associated 8. M 6207 & M 6208 Two copper-alloy chatelaine pendants‘, Novum Inven­ torium Sepulchrale. 11 ‚Guilton: Dis-associated 11. M 6211 Copper-alloy chatelaine pendant‘, Novum Inventorium Se­ pulchrale. 12 ‚Guilton: Dis-associated 2. M 6025 Copper-alloy chatelaine pendant‘, Novum Inventorium Se­ pulchrale. 13 ‚Guilton: Dis-associated 3. M 6026 Copper-alloy chatelaine pendant‘, Novum Inventorium Se­ pulchrale. 14 ‚Guilton: Dis-associated 4. M 6028 Copper-alloy chatelaine pendant‘, Novum Inventorium Se­ pulchrale. 15 ‚Guilton: Dis-associated 9. M 6209 Copper-alloy chatelaine pendant‘, Novum Inventorium Se­ pulchrale.

272 

 Anhang

Fundort

Grab

Fund(e)

Datierung

Grabhügel

Aufbewahrungsort

Gilton16

unbekannter Fundort

speerspitzen­ förmiger Anhänger (M6210)

6.–7. Jh.

?

Mayer Collection, National Museums Liverpool Original Collection: Faussett

Kingston Down17

unbekannter Fundort

speerspitzen­ förmiger Anhänger (M6148)

spätes 6. bis 8. Jh.

(ja)

Mayer Collection, National Museums Liverpool Original Collection: Faussett

Kingston Down18

Grab 7

speerspitzen­ förmiger Anhänger (M6092)

spätes 6. bis 8. Jh.

ja

Mayer Collection, National Museums Liverpool Original Collection: Faussett

16 ‚Guilton: Dis-associated 10. M 6210 Copper-alloy chatelaine pendant‘, Novum Inventorium Se­ pulchrale. 17 ‚Kingston Down: Dis-associated 1. M 6148 Copper-alloy chatelaine pendant or toilet set article‘, Novum Inventorium Sepulchrale. 18 ‚Kingston Down Grave 7‘, Novum Inventorium Sepulchrale.

Index Acha 143 Ad Barvae 222 Adda 207 Ad Murum 165, 213, 226 Ælfred 17, 40, 194 Aelfric 156 Æthelberht 7, 9, 12, 16, 19, 31, 35  f., 38, 40, 52–56, 59, 62, 65, 78, 80, 82, 94, 98, 100, 105, 110, 118, 123, 128, 130, 138, 152, 169, 243, 247 Æthelburga 115 Æthelburh 11, 148  f., 193 Æthelfrith 125, 128, 143–146, 157, 168 Æthelhere 137 Æthelwald 183, 221 Æthelwealh 227, 229  f., 233, 235  f., 238, 240, 247 Æthelwold 110, 139 Agilbert 182  f. Aidan 158, 160, 163  f., 169, 207 Alcuin 18, 153, 249 Aldhelm 185, 187, 197 Aldwulf 137 Alhflæd 165, 207, 213  f. Alhfrith 166, 207, 213  f., 219, 226 Altfrid 44 Alvediston 190 Andhun 238 Angeln 16, 143, 159 Angelsachsen 1–9, 12  f., 15–22, 24, 29  f., 35–39, 42, 45  f., 48, 50  f., 61, 79, 85, 87, 91, 112, 137, 171, 174, 194, 220, 225, 240, 243, 250 Anna 110, 129, 136–138, 140, 165, 180  f., 192, 206, 244, 247 Arundel 237 Ashdown 181 Augustinus 31, 36, 52–54, 57, 60, 72, 82, 85, 99, 174, 201 Bamburgh 142, 146, 159, 163  f., 207 Barking 96, 101, 114  f., 117, 223 Barrow-on-Humber 222 Barton-on-Humber 212, 223 Bawsey 134 Beda 2, 6, 16, 19, 30  f., 42, 49–51, 53, 56, 58, 60, 63, 67, 69, 72, 78, 80, 82–85, 87  f., 96,

98–102, 105  f., 109, 111–113, 119, 122  f., 128, 130, 133–135, 137, 142, 144–147, 149, 151, 153, 155, 157, 159  f., 162, 164  f., 168  f., 172, 177, 180–185, 187, 193, 201, 204  f., 207, 212–216, 218  f., 222, 227, 230–233, 236, 243 Benty Grange 10, 209, 212, 223 Beorhtwald 87 Berhthun 230, 238 Berkshire 172 Bernicia 142–144, 147, 150, 152, 154–157, 162, 164, 169, 244 Bertha 31, 52, 54, 56–58, 71 Betti 207 Birhtwald 29 Birinus 174, 176, 179  f., 199, 204 Bonifatius 84, 149, 198 Bonifatius V. 84, 149 Bosham 227 Bradwell-On-Sea 115 Brancaster 134 Brandon 134, 228, 232, 234  f. Britannien 11, 52, 54, 59, 66, 80, 142, 144, 174, 176, 204, 228, 231 Bruny 239 Burgh 134 Burgh Castle 134 Burgund 132 Burrow Hill 134 Cædwalla (britischer König) 155, 158, 169, 205 Cædwalla (König der Gewisse) 115, 174, 182, 185, 187, 191, 199, 205, 208, 230  f. Caesar 27 Caister-on-Sea 134 Caistor St Edmund 134 Canterbury 18, 30, 46  f., 52, 54, 57  f., 60, 62–65, 67, 69, 74, 78, 80, 82–84, 86, 91, 96, 99, 108, 110, 172, 174, 183, 224 Cedd 96, 107–109, 111, 115  f., 139, 207, 215 Cenred 96, 114, 173, 198 Centwine 184  f., 199 Cenwalh 138, 175, 177, 179–184, 188, 192, 199, 206 Ceollach 220 Ceolwulf 173, 227

274 

 Index

Cerdic 173  f. Chad 221  f. Charibert I. 56 Chartham Down 72, 269  f. Chertsey 116, 223 Chester 125, 147, 155, 161, 166 Chichester 228, 235, 238 Chippenham 191 Christus 7, 15, 50, 59, 72, 74, 76  f., 93, 111  f., 123, 140, 151, 212, 233 Cirencester 177, 204 Coifi 42, 150 Colchester 97 Colman 166, 223 Coombe Bissett 190 Crane Down 237 Cuddesdon 174, 189 Cuthberht 161 Cuthred 179–181, 183 Cwichelm 172, 177, 179  f., 204 Cwoengith 115 Cynebert 186 Cyneburh 207, 213  f. Cynegisl 139, 174, 177, 179  f., 199, 204 Dänen 32, 43 Daniel 181, 197 Deira 7  f., 11  f., 92, 108, 119, 142–145, 150, 152, 154–157, 162–164, 166, 169, 172, 176, 205, 210, 243  f. Denisesburn 156 Derbyshire 201, 209 Devon 172, 175 Dicuill 227 Diuma 207, 218, 220 dommoc 132 Donar 70–72 Dorchester-on-Thames 174, 177, 189 Dorset 172, 175, 184 Dunwich 133 Eadbald 7–10, 12, 78, 82–84, 92, 94, 100, 103, 147 Eadberht 92, 219, 239 Eadfrith 224 Eadric 16, 35  f., 40, 48, 87, 236, 240 Eafa 219 Eafe 227, 232 Eanflæd 163

Eanfrith 156  f. Earkenwald 101 East Anglia 2, 4, 7  f., 10, 12  f., 63, 72, 82, 96, 111, 119–123, 125, 129–131, 133, 135–140, 142, 144, 146, 159, 173, 181, 192, 201, 205  f., 212, 233, 244, 247 Eastbourne 237, 240 Ecgbert 215 Ecgric 131, 135  f., 140, 205, 244 Eddius Stephanus 222, 231  f., 237, 250 Edwin 8, 11  f., 42, 119  f., 129, 140, 142–149, 151  f., 154  f., 157, 161, 163  f., 168, 172, 199, 205, 208, 243  f., 247 Egbert 87 Eni 131, 136 Eoppa 221 Eorcenberht 24, 53, 85, 94, 137 Eorkenwold 194 Eormenric 57 Eorpwold 128, 130  f., 133 Escwin 184 Essex 7, 10, 13, 51, 62  f., 80, 82, 96–108, 110–113, 115–119, 121, 123, 130, 134, 144, 159, 165, 167, 169, 173, 179, 202  f., 217  f., 223, 244, 247, 250 Eumer 172 Farne 164 Farnham 191 Felix 132  f., 137, 140, 250 Felixstowe 133 Fenlands 120 Finan 107 Finglesham 62, 70, 72–76 Ford 190, 237, 240 Ford Down 190 Fosite 43 Fositesland 43 Fosse 143 Franken 29, 31, 56, 58  f., 64, 122, 132 Freyr 209, 212 Friesen 32, 41, 198 Frithuwold 223 Fursa 133, 135, 140 Gallien 80, 121, 131, 228 Genua 176 Germanen 19  f., 22, 24–28, 31, 43, 45  f., 70, 80, 99



Index 

 275

Gewisse 98, 102, 171–173, 176, 179–181, 183, 186, 190, 201, 204, 206, 227, 229–231, 238, 242  f. Gildas 18, 63, 86, 250 Gilling 163  f. Gilton 21, 71, 73, 76, 269  f. Glastonbury 175, 184  f., 193 Goscelin 224 Gregor 16, 42, 52, 54, 56, 60, 64, 66, 81, 93, 108 Gregor der Große 52, 54, 81 Gregors von Tours 56 Grönland 234 Gwynedd 147 Gybmund 29 Gyrwe 137

Jevington 237 Justus 80, 82–84 Jüten 16, 186

Hædde 184 Haethfelth 155, 169 Hampshire 3, 171, 174, 186, 229 Hamwic 174, 198 Hanbury 223 Helena 52, 251 Helgoland 44 Hereford 203 Hereswith 137 Hertfordshire 96, 99 Highleigh 239 Hild 137 Hlothere 35  f., 40, 48, 237 Hodilred 116 Honorius 132, 137, 152, 176, 204 Humber 31, 55, 62, 65, 82, 94, 98, 120, 123, 142, 145, 207, 223 Hursley Bottom 191 Hwicce 201, 203  f., 211  f., 225, 227, 240, 243, 247

Lastingham 96, 108, 166 Laurentius 80, 82  f. Leeds 154 Leutherius 183 Lichfield 203, 222  f. Lincoln 154 Lincolnshire 201 Lindisfarne 108, 158 Lindsey 145, 154, 211, 218, 222, 225, 243, 247 London 52, 69, 83, 88, 96, 99–101, 105, 108, 111, 114  f., 118, 228, 250  f. Lowbury Hill 190

Immin 219 Ine 48  f., 89, 173, 175, 192  f., 195–199, 230, 239, 245, 247 Iona 158 Ipswich 120  f., 125 Iren 134, 156, 158  f., 218 Irland 91, 133, 159, 182, 238 Isle of Wight 172, 183, 186  f., 192, 221, 228–231 Italien 176 Jakobus 154 Jaruman 96, 112, 221

Kenbert 183 Kent 1  f., 4, 6  f., 9–13, 16, 18, 24, 29–31, 33, 35  f., 40–42, 52, 54–62, 64–76, 78–81, 83  f., 86–89, 91, 93  f., 96  f., 99  f., 103–105, 107, 111, 113, 115, 119  f., 122, 132, 137, 139, 144, 147, 154, 164, 168–170, 173, 183, 186, 191, 193, 195  f., 224  f., 228  f., 237, 243, 246  f., 249, 270 Kingston 73, 76, 272 Konstantin 53 Konstantinopel 52

Magonsæte 203, 218, 223 Maserfelth 161, 205, 209–211 Medway 62 Mellitus 55, 66, 80, 82  f., 96, 99  f., 102, 105  f., 108, 153, 244 Melrose 161 Meonware 229 Mercia 12, 96, 111, 113–115, 118, 136, 140, 145  f., 152, 155, 161, 164  f., 169, 175, 177, 180, 183, 189, 201–203, 206  f., 209  f., 214, 216, 218–220, 222–224, 226  f., 229, 231, 240, 243–247 Merewalh 224 Merowinger 56, 132 Middle Anglia 202  f., 213, 215–218, 223, 226 Middlesex 96, 99, 111 Midlands 63, 201–206, 208–213, 215, 217–219, 221, 223–226, 243, 245 Mildburg 224 Mildrith 224, 251

276 

 Index

Minster-in-Thanet 224 Mittelangeln 108, 207, 216, 226 Much Wenlock 224 Mucking 62, 97 Mul 88, 186, 193 Nazeingbury 108, 115–117, 134 Nennius 146, 161, 163, 166, 206, 251 Norddeutschland 121 Northampshire 191 Northumbria 12  f., 86, 98, 106–108, 111, 118, 128, 132  f., 140, 142–147, 149, 151  f., 154  f., 157  f., 160  f., 164–166, 168, 172, 177, 199, 205, 207, 214–216, 219  f., 224, 226, 244, 247 Nothelm 239, 241 Nothgyth 239 Nunna 239 Ocklynge Hill 237 Odin 7, 15, 50, 59, 74, 76, 111  f., 123, 127, 140, 151, 209 Offa 96, 98, 114 Osric 156  f. Ostangeln 59, 119, 124, 130, 132, 139  f., 203 Ostsachsen 63, 86, 96–102, 105  f., 109, 112, 115, 117, 203, 215, 221, 226, 234 Oswald 146, 148, 156–158, 160  f., 163  f., 168  f., 177, 199, 205, 208, 211, 219, 245, 247 Oswine 162–164 Oswiu 106  f., 157, 162–166, 168  f., 202, 206–208, 213  f., 216, 218–220, 222, 224–226 Ouse 143 Oxford 198, 218, 231, 249 Paulinus 147–149, 151, 153  f., 211 Paulus Diaconus 17 Peada 165, 201, 207, 213  f., 216, 219, 226 Peak District 209, 212, 223 Pecsæte 212 Penda 136, 138, 140, 155, 157, 161  f., 164  f., 169, 176, 179, 181, 201, 204–207, 210–216, 218, 224, 245 Peper Harrow 191 Peppering 239 Peterborough 172 Petrus 83, 166, 224

Pikten 156, 219 Prittlewell 96  f., 103–105, 244 Radbod 43 Rædwald 7, 10, 58, 63, 82, 103, 119, 121, 123, 126, 131, 139  f., 142, 147, 233, 244 Rendlesham 110, 120, 129  f., 139  f., 244 Rhein 68 Ricberht 129  f. Ricula 63, 97 Ripon 166 Roach 104 Rochester 29, 35, 62, 64, 69, 83 Rom 52, 59, 114, 185, 187, 193 Roundway Down 188 Run 146 Sachsen 16, 37, 41  f., 99 Sæbbi 98, 111, 114 Sæberht 96, 98–100, 102, 105  f., 119, 123, 152, 169 Sæward 98, 102 Sandwich 229 Sardinien 19, 108 Saul 145 Seaxnet 51, 99 Seaxred 98, 102 Selsey 235, 238 Severn 177, 211 Sexburga 184 Sherborne 175, 184 Shropshire 201, 224 Sigeberht I »Parvus« 106 Sigeberht II »Sanctus« 10, 96, 106  f., 110, 129, 131, 135, 137, 140, 165, 205, 218 Sighere 98, 111, 113, 118, 221 Skandinavien 71  f., 75, 77, 120, 125, 174 Sledd 97  f. Snape 120–122, 125 Somerset 76, 172, 175, 184  f., 193 Southampton 191, 198 Southend-on-Sea 96 St. Paul 101, 105, 114  f., 118 St. Peter 155, 223 St. Sixtus 60 Südsachsen 64, 203, 221, 227–234, 236–238, 240  f., 247 Suffolk 121 Suidfrid 115



Surrey 96, 111, 116, 191, 223 Sussex 12  f., 50, 87, 183, 186, 227–233, 235, 237  f., 240–242, 245–247 Sutton Hoo 67, 72, 74, 76  f., 104, 120–123, 125, 129–131, 136, 138, 140, 212, 244 Swallow Cliffe Down 188 Swithelm 98, 109  f., 139 Tacitus 25–28, 43, 46, 80, 251 Tamworth 203, 222  f. Taplow 67, 76, 190 Tasburgh 134 Taunton 193 Tees 143 Teviot 161 Thanet 31, 85, 87 Themse 96  f., 117, 171, 174, 201 Theodebert II. 127 Theodor 18, 91, 183, 222 Thomas 137 Thor 70  f., 164 Thunor 62, 70, 72, 78, 180, 191 Thunoreshloew 62 Thunresfeld 191 Thunreslea 191 Thursley 191 Tig 191 Tilaburg 108, 115 Tilbury 108, 115 Tislea 191 Tiw 191 Tournai 69 Trent 203 Trumhere 220 Tyne 143 Urbgen 146 Utta 164, 213 Waltham Abbey 101, 116 Walton Castle 133 Wansdyke 191 Wattus 239, 241 Weald 67, 228 Wedmore 185

Index 

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Weser 68 Wessex 3  f., 6, 13, 17, 89, 115, 171, 173–176, 179, 181  f., 184  f., 187  f., 190  f., 193, 195, 197–199, 204  f., 210, 227, 230, 238, 242, 245, 250 Westsachsen 3, 98, 150  f., 171  f., 175  f., 181–184, 186, 192  f., 195, 197–199, 201, 203, 228, 239, 242  f. Wheely 191 Whitby 92, 137, 146, 153, 166, 170, 247 Wihtred 25, 36, 88  f., 91, 93 Wikinger 171 Wilfrid 185  f., 221  f., 227, 231–233, 235, 237–240, 250 Willey 191 Wiltshire 172, 174, 177, 187  f., 190  f. Winchester 3, 172, 179–181, 188, 191  f., 228, 230, 238 Wine 182 Winnall 188 Winwæd 164  f., 169, 207  f., 216–218, 226, 245 Woddesgeat 191 Woden 50, 62, 70, 72–74, 76, 78, 139, 161, 180, 206, 209, 234, 236, 243 Wodnesbeorg 191 Wodnesdene 191 Wollaston 209 Woodnesborough 62 Worcester 172, 201, 203  f., 211, 223, 225 Worcestershire 223 Wormgay 134 Writtle 97 Wuffingas 119, 121  f., 130, 140 Wulfhere 112, 115, 183, 202, 217, 219–227, 229, 231, 245 Yeavering 142–144, 146  f., 152, 154, 156, 165, 169 Ymme 85 York 52, 92, 142, 151, 154  f., 185, 215, 222, 249, 251 Yorkshire 142, 154 Ythancaestir 108, 115 Zacharias 46